Werden wir alle dement? Sylvia Daum Oberärztin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 • Alter ist keine Krankheit • Altern ist ein natürlicher Vorgang eine normale Entwicklungsphase des Lebens. • Entscheidend für die Lebensqualität ist der Umgang mit altersbedingten Veränderungen • Einige Einschränkungen können durch gezieltes Training verbessert werden, andere können durch Hilfsmittel wie z.B. eine Brille ausgeglichen werden • Das Gehirn und damit das Gedächtnis unterliegt -wie der Rest des Körpers- dem Alterungsprozess. Der Körper altert nicht einheitlich, verschiedene Funktionen/Teile des Gedächtnisses/ der Intelligenz verhalten sich unterschiedlich Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Was ist Gedächtnis? Fähigkeit des Gehirns beliebige Informationen ( z. B. gelerntes Wissen) zu speichern, zu assoziieren und später wieder abrufen/erinnern zu können Fluide / kristalline Funktionen • Kristalline Funktionen übungs- und bildungsabhängig müssen nicht unter Zeitdruck erbracht werden kaum Abbau, lassen sich durch Training steigern • Flüssige Funktionen Verarbeitungsgeschwindigkeit mehrere Dinge gleichzeitig bewältigen Kontinuierlicher Abbau ab dem 30.Lebensjahr Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Grunddimensionen des Gedächtnis • Aufmerksamkeit/ sensorisches Gedächtnis -neue Informationen erreichen das Gehirn über die Sinne Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen • Kurzzeitgedächtnis/Arbeitsgedächtnis -stellt das Bewusstsein dar -hier wird entschieden ob die Information gleich wieder vergessen wird oder uns weiter beschäftigt -begrenzte Kapazität Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 • Langzeitgedächtnis -Dauerhaftes Speichersystem, unbegrenzte Kapazität -Verschiedene Prozesse: Lernen; neues Einspeichern von Informationen Erinnern/Abruf ; Bewusstwerden von Gedächtnisinhalten Konsolidierung/Behalten; Festigung von Information durch wiederholten Abruf Vergessen; Informationsverlust durch löschenden oder verfälschenden Einfluss von anderen Inhalten -Für die Überführung und das Bewahren von Informationen ist Üben (bewusstes Abrufen und Überdenken) förderlich -Die Verankerung nimmt mit Bedeutung, dem emotionalen Gewicht und der Anzahl der Assoziationen (Verknüpfung mit anderen Inhalten) zu Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 • Bestandteile des Langzeitgedächtnis Prozedurales implizites Gedächtnis; speichert automatisierte Handlungsabläufe, komplexe Bewegungen, deren Ablauf man gelernt und geübt hat und die dann ohne nachzudenken abgerufen und ausgeführt werden Deklaratives Gedächtnis; speichert Tatsachen und Ereignisse, die bewusst wiedergegeben werden können Semantisches Gedächtnis; Weltwissen, von der Person unabhängig Episodisches Gedächtnis; Tagebuch Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Im Alter gelangen nicht mehr alle Informationen in das Langzeitgedächtnis weil • es störanfälliger gegen Außenreize ist • nicht mehr so viele Informationen gleichzeitig aufgenommen werden können • die Geschwindigkeit der Aufnahme reduziert ist Bei mangelnder Konzentration hat das Gedächtnis keine Chance • Innere Gründe (Beschäftigung mit Problemen, Sorgen, Kummer, körperliche Beschwerden) • Äußere Gründe (zu viele Personen im Raum, zu viele Fragen/ Informationen gleichzeitig, Lärm, Zeitdruck) Nicht jedes Vergessen ist eine Demenz Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Normales Altern Beginnende Demenz • sporadisches Vergessen oder Verlegen von Gegenständen Wiederfinden von Gegengenständen nach kurzer Zeit (meist an gewöhnlichen Plätzen) teilweise Vergessen von Details • Wiedererinnern häufig Gedächtnislücke kann durch Nachdenken behoben werden Merkhilfen können genutzt werden mündliche oder schriftliche Anweisungen können befolgt werden • • • • • • • • • • häufiges Vergessen oder Verlegen Erhebliche Schwierigkeiten Gegenstände wiederzufinden (meist an ungewöhnlichen Orten) Vergessen von ganzen Ereignissen und Begebenheiten Wiedererinnern auch durch intensives Konzentrieren selten Merkhilfen sind zumeist nutzlos Anweisungen können nicht befolgt werden Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 • Bei Gesunden ist die Rekonstruktion des letzten Tages möglich • In der Unterhaltung sind ältere Menschen häufiger weitschweifig, aber der rote Faden bleibt erhalten • Die Einschränkungen schreiten so langsam voran, dass sie kaum wahrgenommen werden • die Selbstständigkeit bleibt erhalten Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Demenz • Sammelbegriff für zahlreiche, ursächlich unterschiedliche Krankheiten , häufigste Alzheimer Krankheit • grundlegendes Merkmal ist die abnehmende kognitive Leistungsfähigkeit, speziell des Kurzzeitgedächtnis • mit Fortschreiten kommt es vermehrt auch zu Störungen des Langzeitgedächtnis • Verlust der Selbstständigkeit, Beeinträchtigung des Alltagslebens • weitere kognitive Beeinträchtigung Denk- und Urteilsvermögen Orientierung ( zeitlich, räumlich, zur Person) Benennen, Sprache Erkennen Bewegungen/Handlungen, Lesen/Schreiben/Rechnen 12.10.2015 Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH Risikofaktoren • • • • • • • • • • Lebensalter Genetische Faktoren Geschlecht Bildungsniveau Kopfverletzungen Kontakt mit Umweltgiften Arterielle Hypertonie Diabetes mellitus Lebensstilfaktoren Psychosoziale Faktoren Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 • Lebensstilfaktoren/ Psychosoziale Faktoren Übergewicht Ernährungsgewohnheiten (Blutfettwerte, Homocystein) Alkoholkonsum Bewegung Chronischer Stress Geistige Aktivität, ständige Routinetätigkeiten Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 • Prävention • primär Verhinderung von Neuerkrankungen bei Gesunden, Ausschaltung von Risikofaktoren und Aktivierung von Schutzfaktoren (Allgemeinbevölkerung) • sekundär Früherkennung mit dem Ziel der Intervention, um die Manifestation des klinischen Vollbildes zu verzögern (Risikopopulation) • tertiär Therapeutische Intervention zur Verhinderung eines Fortschreitens (manifest Erkrankte) Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Ernährung • Mediterrane Ernährung (Obst, Gemüse, Olivenöl, Fisch) • Vitamine (Obst, Gemüse) schützen vor Nervenzellschäden • Ungesättigte Fettsäuren (Olivenöl) senken den LDLCholesterinspiegel • Folsäure senkt den Homocysteinspiegel • Omega-3-Fettsäuren (fetter Fisch) reduzieren das Risiko von Gefäßverengungen, sollen den Kontakt zwischen den Nervenzellen stabilisieren und vermehren • Nahrungsergänzungsmittel sind nur bei nacchgewiesenem Mangel sinnvoll, ansonsten nicht hilfreich Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Bewegung • durch regelmäßige Übung bleibt die körperliche Aktivität erhalten, davon profitieren die Herz-und Lungenfunktion und der Gleichgewichtssinn • Blutdruck, Cholesterinspiegel, Blutzucker und Gewicht sinken • das Gehirn wird mit Sauerstoff versorgt und auch dort wird der Stoffwechsel angeregt • z.B. täglicher Spaziergang, Tanzen, Wandern, Schwimmen • möglichst 3x Woche 0,5-1 Stunde • nutzen Sie die Treppe, gehen Sie zu Fuß Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Geistige Fitness • Je mehr das Gehirn gefordert wird, desto mehr Synapsen werden gebildet und Nervenzellen miteinander verknüpft • Um die geistigen Fähigkeiten zu erhalten muß man sie angemessen beanspruchen • Verändern Sie bewusst ihren Alltag • Vermeiden Sie Routine (neue Reihenfolge, anderer Weg zum Supermarkt, Schlüssel in die andere Tasche…) • Gehen Sie Hobbys nach (Musizieren, kompliziertere Muster stricken…) • Probieren Sie Neues (Fremdsprache lernen und sprechen, Computerkurs, Fotografieren…) • Schreiben Sie mal wieder einen Brief (an Freunde, Leserbrief…) Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Soziale Aktivitäten pflegen • Soziale Aktivitäten fordern unser Sprachvermögen, unser Kurzzeitgedächtnis, unser Gefühlszentrum • Steuern Sie Vereinsamung entgegen, knüpfen Sie neue Kontakte beleben Sie die bestehenden Kontakte • Suchen Sie nach Möglichkeiten Menschen mit gleichen Interessen zu finden • z.B. gemeinsames Kochen und Essen, Volkshochschulkurs, Konzert-, Museums-, Theaterbesuch, Gruppenreisen, Besuch der Kirchengemeinde, informieren Sie sich über ein mögliches Ehrenamt • Die Erfahrung älterer Menschen ist gefragt Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 • Wichtig ist eine Abkehr von einer defizitorientierten Sichtweise auf das Alter • Wichtig sind Interventionen, die Einfluss auf den Lebens- und Altersverlauf nehmen und damit einen Beitrag für ein gesundes und erfolgreiches Altern liefern • Training kann kognitive Reserven positiv beeinflussen • Der Schwerpunkt liegt auf Eigeninitiative und Selbstverantwortung Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015 Werden wir alle dement? möglich, aber wir haben einen Einfluss Katholisches Krankenhaus Hagen gem. GmbH 12.10.2015