Hilfsmittel für die Praxis Infektionsgefährdung und Schutzmaßnahmen in Orthopädieschuhtechnikbetrieben Inhalt 1. Einleitung 2 2. Begriffbestimmungen 3 3. Arbeitsbereiche 4 4. Gefährdungsbeurteilung 5 5. Infektionsgefahren 6 6. Schutz- und Hygienemaßnahmen 7 7. Arbeitsmedizinische Vorsorge und Schutzimpfungen 9 8. Gleichzeitiger Schutz von Beschäftigten und Patienten 11 9. Erste Hilfe – Schutz und Pflege der Haut 11 10. Schwangerschaft 12 11. Weiterführende Informationen 12 1. Einleitung Orthopädieschuhtechnik (OST) -Betriebe sind als „Gesundheitsberufe“ auf das Wohl ihrer Kunden bzw. Patienten ausgerichtet. Sie beachten die Anforderungen verschiedener Bestimmungen wie Infektionsschutzgesetz, Hygienevorschriften und rechnen mit den Kostenträgern im Gesundheitswesen ab. Hierzu müssen Qualitätskriterien erfüllt werden, die neben sachgerechter Ausführung der Arbeit auch den Schutz der Kunden bzw. Patienten und der Mitarbeiter vor Infektionen beinhalten. In OST-Betrieben werden in den verschiedenen Arbeitsbereichen unterschiedliche Tätigkeiten durchgeführt. Eine beruflich erhöhte Infektionsgefährdung liegt regelhaft nur dann vor, wenn sich OST-Betriebe auf bestimmte Indikationsbereiche wie z. B. die Versorgung von Diabetikern, chronisch Kranken oder frisch operierten Patienten spezialisiert haben. Beim Umgang mit solchen Patienten liegen nicht gezielte Tätigkeiten (unbeabsichtigte Exposition gegenüber Krankheitserregern) vor, die mit einer im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhten Infektionsgefährdung einhergehen. 2 Häufig werden aus OST-Betrieben Fragen an die Berufsgenossenschaft gerichtet, die Infektionsgefahren im Betrieb thematisieren: Welche Erreger können auftreten? Welche Schutzmaßnahmen sind sinnvoll? Welche Schutzimpfungen gibt es? Wer übernimmt die Kosten für diese Impfungen? Der hier vorliegende Text gibt deshalb Hinweise zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb und leistet den OSTBetrieben Hilfestellung bei • der Gefährdungsbeurteilung • der Ableitung der erforderlichen Schutzmaßnahmen • der Hygiene • der arbeitsmedizinischen Vorsorge. 2. Begriffsbestimmungen • Infektion bedeutet das Eindringen von Mikroorganismen in den menschlichen Organismus, wo sie sich nach der Anstekkung vermehren und eine Infektionskrankheit verursachen können. • Risikogruppe 2: Biologische Arbeitsstoffe, die eine Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine Gefahr für Beschäftigte darstellen können; eine Verbreitung in der Bevölkerung ist unwahrscheinlich, eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung normalerweise möglich. • Biologische Arbeitsstoffe sind u. a. Mikroorganismen, z. B. Bakterien, Schimmelpilze und Viren, die beim Menschen Infektionen, sensibilisierende oder toxische Wirkungen, also Infektionskrankheiten, Allergien oder Reizwirkungen bzw. Vergiftungen hervorrufen können. • Nicht gezielte Tätigkeiten im Sinne der BioStoffV kommen in OST-Betrieben vor, weil dort biologische Arbeitsstoffe über Patienten oder erkrankte Personen eingetragen werden können. Die Arbeiten sind aber nicht auf den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen ausgerichtet, d. h. dies ist nicht der Zweck der Arbeiten, und nicht alle der möglicherweise einwirkenden biologischen Arbeitsstoffe sind bekannt. • Risikogruppe 3: Biologische Arbeitsstoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen können; die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung kann bestehen, doch ist eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung normalerweise möglich. Ist ein biologischer Arbeitsstoff mit dem Zusatz (**) versehen, ist eine Infizierung über den Luftweg normalerweise nicht möglich. • Die Biostoffverordnung gliedert die Sicherheitsmaßnahmen für gezielte Tätigkeiten in Schutzstufen, die entsprechend der Gefährdung festgelegt sind. • Die Biostoffverordnung teilt die biologischen Arbeitsstoffe in vier Risikogruppen (siehe unten) nach der Höhe der Infektionsgefährdung ein. Für die Gefährdungsbeurteilung in OST-Betrieben sind überwiegend die Risikogruppen 2 und 3 von Bedeutung. Soweit möglich, sind auch nicht gezielte Tätigkeiten einer Schutzstufe zuzuordnen. • Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe (TRBA) konkretisieren die Anforderungen der Biostoffverordnung. Risikogruppen für Infektionserreger (nach BioStoffV) Risikogruppe Krankheitseintreten/Schwere Gefahr für Beschäftigte Verbreitungsgefahr für Bevölkerung wirksame Vorbeugung oder Therapie 1 Infektion unwahrscheinlich –– –– nicht nötig 2 Erkrankung möglich 3 (incl. 3**) 4 möglich möglich Erreger/Vorkommen Beispiele LebendImpfstoffe möglich Viele Bakterien, diverse Viren, „normale“ Hautflora Eiter/Mykosen diverse pathogene Bakterien, Viren, (Hepatitis, HIV) Wundsekrete, Blut schwere Erkrankung ernst wahrscheinlich möglich sehr schwere Erkrankung sehr ernst u. U. groß nicht möglich Seltene Viren (Lassa, Ebola, Eiter/Mykosen (3**): Infektionen parenteral übertragbar z. B. über Blut, nicht über die Luft 3 3. Arbeitsbereiche Regelhaft liegt in OST-Betrieben folgende Funktionsgliederung nach Arbeitsbereichen bzw. Räumlichkeiten vor: • Verwaltungs- und Bürobereich, • Verkaufsraum, Laden, • Ausmess- und Anpassraum (direkter Kundenkontakt, u. a. Inspizieren von evtl. Druckstellen, Verbandwechsel, Abdrücke für Einlagen, Anpassen von Spezialfertigungen), • Werkstattbereich (mit verschiedenen Arbeitsplätzen, z. B. Kleben, und Maschinen, z. B. Ausputzmaschine, Herstellung neuer und Reparatur getragener Schuhe, Gipsraum usw.), • Lagerbereiche, Vorratsräume, • Fuhrpark, • evtl. angeschlossene Fußpflege (möglicherweise podologische Praxis), • evtl. Sanitätshaus mit unterschiedlichem Sortiment, evtl. Ausleihe und Rücknahme von Pflegehilfsmitteln incl. Reinigung, Desinfektion nach Rücknahme, möglicherweise Einweisung von Patienten in Stoma-Pflege, • evtl. angeschlossene Orthopädietechnik-Abteilung. Da jeder Betrieb anders organisiert ist, können nur folgende allgemeingültige Aussagen gemacht werden: Die Tätigkeiten umfassen in o. a. Arbeitsbereichen • reine Verwaltungs- bzw. Bürotätigkeiten, • handwerkliche Tätigkeiten in der Werkstatt, Herstellung neuer und Überarbeitung bzw. Reparatur getragener Schuhe oder anderer Zurichtungen, • Kundenbetreuung im Laden und extern. Eine Person kann durchaus verschiedene Tätigkeiten in unterschiedlichen Arbeitsbereichen durchführen. 4 In der Regel ist beim normalen Kundengespräch mit Beratung und beim Umgang mit neuen Artikeln oder Anfertigungen, z. B. beim Verkauf von Bandagen, Stützstrümpfen, Schuhen oder vorkonfektionierten Hilfsmitteln bzw. deren Herstellung, kein erhöhtes Infektionsrisiko gegeben. Dies gilt im Ladengeschäft und in der Werkstatt. Auf der anderen Seite liegt bei Tätigkeiten wie Ausmessen und Abdruck von Körperteilen, Anpassen und Reparatur bereits getragener Schuhe oder Orthesen, Unterweisungen in oder Durchführen von Stoma-Pflege, Fußpflege, Hausbesuche bei Patienten oder am Krankenbett in Hospitälern, Pflege- bzw. Altenheimen, evtl. mit Verbandwechsel, ein direkter Kontakt mit Kunden- bzw. Patienten vor. Hierbei kann eine erhöhte Infektionsgefährdung bestehen. 4. Gefährdungsbeurteilung Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und insbesondere die Biostoffverordnung (BioStoffV) fordern beim Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen bzw. möglichen Krankheitserregern eine Bewertung der Arbeitsbedingungen und der Ansteckungsgefahr durch den Arbeitgeber. Er hat eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um Art und Ausmaß der Infektionsgefährdung in seinem Betrieb zu ermitteln. Aufgrund der Vielfältigkeit im Dienstleistungsspektrum der verschiedenen OST-Betriebe und der vielen unterschiedlichen Tätigkeiten der einzelnen Mitarbeiter ist eine generell zutreffende Gefährdungsbeurteilung nicht möglich. Das Tätigkeitsprofil jedes Einzelnen bzw. an verschiedenen Arbeitsplätzen ist zu prüfen. Laut BioStoffV ist bei der Beurteilung der Infektionsgefährdung der Betriebsarzt mit einzubeziehen, der mit seinem arbeitsmedizinischen Sachverstand einschätzen kann, welche Risiken vor Ort vorliegen und welche konkreten Schutzmaßnahmen (technischer, organisatorischer oder persönlicher Art, auch z. B. durch Impfungen) getroffen werden sollen. Generell gilt, dass ein erhöhtes berufliches Infektionsrisiko dann vorliegt, wenn eine im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöhte Exposition gegenüber infektiösen Patienten oder verunreinigten bzw. mit Keimen kontaminierten Materialien vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn ein mehr oder weniger intensiver Kontakt zu möglicherweise ansteckungsfähigen Körpersekreten oder Ausscheidungen wie Blut oder Stuhl besteht. Art und Ausmaß der Tätigkeiten bestimmen die Gefährdung. In der Fußpflege besteht zudem eine Verletzungsgefahr durch den Umgang mit scharfen bzw. spitzen Instrumenten und den daran anhaftenden Keimen. Es bedarf im Einzelfall ausreichender Informationen über Betriebsabläufe, Arbeitsverfahren, Identität, Einstufung und Infektionspotential vorkommender biologischer Arbeitsstoffe sowie möglicher Übertragungswege, um eine ausreichend abgesicherte Abschätzung entsprechend § 5 BioStoffV „Informationen für die Gefährdungsbeurteilung“ abgeben zu können. Im Zweifelsfall ist der Betriebsarzt beizuziehen. 5 5. Infektionsgefahren Bei Kontakt mit Patienten bzw. Kunden sind als mögliche Erregerquellen die normale „Hautflora“ (Besiedelung mit üblichen Keimen), infizierte Wunden (z. B. mit krankheitserregenden Bakterien), Blut und andere Sekrete (z. B. aus offenen Wunden oder an Verband- u. a. Materialien) sowie Verschmutzungen durch Stuhl zu nennen. Dabei kann eine Vielzahl von Keimen übertragen werden, u. a. Bakterien, Pilze und Viren. Die Art und Menge eventueller Erreger hängt auch von der jeweiligen Körperstelle, der Versorgungsindikation und der Vorerkrankung des Patienten ab. Aber nicht in jedem Fall sind Blutbzw. Körpersekrete auch infektiös. Generell ist anzuraten, die behandelnden Ärzte nach besonderen Ansteckungsgefahren ihrer Patienten zu fragen, insbesondere zu evtl. multiresistenten Keimen. Am risikoreichsten sind hinsichtlich drohender viraler Infektionen (z. B. durch Hepatitis-Viren) Kontakt mit Blut oder Wundsekreten, gerade bei chronisch vorerkrankten Personen oder bei der Versorgung frisch Unfallverletzter noch im Krankenhaus. Als Hilfestellung kann auch die im Kapitel 6. „Arbeitsmedizinische Vorsorge und Schutzimpfungen“ abgedruckte Auflistung der Erreger, der betroffenen Arbeitsbereiche und Tätigkeiten herangezogen werden. Hier sind chronisch schädigende und/oder impfpräventable biologische Arbeitsstoffe genannt, also Erreger, die schwere Erkrankungen hervorrufen können und/oder gegen die Schutzimpfungen möglich sind. Neben den dort genannten Erregern der virusbedingten Leberentzündung, den Hepatitis -A, -B und -C-Viren, können auch andere Infektionserreger vorkommen, z. B. (ohne Anspruch auf Vollständigkeit): • Herpes simplex-Virus • humanes Immundefizienz-Virus (HIV), und andere Viren, • viele verschiedene Bakterien (z. B. Staphylokokken, • Streptococcus pyogenes, • evtl. auch solche, die multiresistent gegen Medikamente sind, z. B. MRSA), • und Fuß- bzw. Nagelpilzerreger (z. B. Trichophyton-Spezies). Bei diesen Tätigkeiten kann die Infektionsgefährdung in OSTBetrieben ähnlich hoch sein wie im Gesundheitsdienst oder der Wohlfahrtspflege. Hepatitis-B-Virus 6 Hämophilus influenzae Typ B-Bakterien Herpes-Virus 6. Schutz- und Hygienemaßnahmen Technische, organisatorische und persönliche Schutz- sowie Hygiene-Maßnahmen Bei vielen Aufgaben in OST-Betrieben ist kein wesentlich erhöhtes berufliches Infektionsrisiko gegeben (siehe folgende Tabelle „Zuordnung von Risikogruppen und Schutzstufen“). In Laden und Werkstatt mit Schutzstufe 1 sind die üblichen Reinigungsarbeiten und „allgemeinen Hygienemaßnahmen“ ausreichend. Diese stellen einen Mindestschutz der Beschäftigten dar. Aus TRBA 500 „Allgemeine Hygienemaßnahmen“: Mindestanforderungen bei allen Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen – Regelmäßiger Wechsel und Reinigung von: – Arbeitskleidung – Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) – Getrennte Aufbewahrung von Straßen-/Arbeitskleidung, PSA – Arbeitsräume regelmäßig bzw. bei Bedarf mit geeigneten Methoden reinigen – Abfälle (insbesondere Verbände o. ä.) in geeigneten Behältern sammeln – Erste Hilfe-Material für Wundversorgung bereithalten • Zusätzlich Einsatz persönlicher Schutzausrüstung (je nach Gefährdungsbeurteilung) wie Atem-, Haut-, Hand- oder AugenSchutz • Technische und bauliche Maßnahmen (je nach betrieblicher Situation anzupassen) – Vermeidung von Bioaerosolen (luftgetragene Keime) oder deren Reduzierung (Absaugung) – leicht zu reinigende Oberflächen (Fußböden, Arbeitsmittel) – vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidemöglichkeiten – Waschgelegenheiten in Nähe des Arbeitsbereichs • Organisatorische Hygienemaßnahmen: – Waschen der Hände – vor Beginn der Pause – nach Beendigung der Tätigkeit – Verwendung von geeigneten Mitteln zum hygienischen Händereinigen, Hautschutz- und Hautpflegemittel – Kein Essen und Trinken im Arbeitsbereich, getrennte Aufbewahrung der Verpflegung – Kein Betreten der Pausen- oder Bereitschaftsräume mit stark verschmutzter Kleidung Zuordnung von Risikogruppen und Schutzstufen nach BioStoffV in OST-Betrieben Tätigkeitsbereich/Aufgabenspektrum Risikogruppe Schutzstufe — — evtl. 2 1 2, evtl. 3** 1, evtl. 2 Ausmess-/Anpassraum, Patienten 2, 3** 2 Fußpflege 2, 3** 2 ggf. Außendienst bei Patienten 2, 3** 2 Büro, Verwaltung Laden, Verkauf, Beratung Werkstatt, Reparatur Risikogruppe 3**: Infizierung z. B. über Blut, nicht über die Luft, vornehmlich Hepatitis-Viren 7 6. Schutzmaßnahmen Spezialisierte Tätigkeitsausrichtungen in OST-Betrieben können bei Kontakt mit Patienten (wie z. B. Diabetiker mit offenen Hautstellen) zu einer Exposition gegenüber Blut und anderen möglicherweise infektiösen Sekreten führen. Dies bedeutet eine erhöhte Ansteckungsgefahr. In erster Linie sind deshalb bei diesen Tätigkeiten zum Schutz der Patienten und der Beschäftigten Handschuhe zu tragen, Hygienevorkehrungen zu treffen sowie Desinfektionsmaßnahmen durchzuführen. Dabei sind Maßnahmen der Schutzstufe 2 entsprechend der BioStoffV (siehe Tabelle) erforderlich, also ein ähnliches Vorgehen wie beim Umgang mit Patienten im Krankenhaus. Die tätigkeits- bzw. personenbezogene betriebliche Gefährdungsbeurteilung ergibt üblicherweise eine erhöhte Infektionsgefährdung in den Arbeitsbereichen Ausmess- bzw. Anpassraum und Außendienst bei der Versorgung von Patienten sowie bei der Fußpflege. Hier muss der Arbeitgeber weitere geeignete Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter und von Kunden bzw. Patienten treffen. Die Beschäftigten müssen deshalb persönliche Schutzausrüstung, d. h. Handschuhe und Arbeits- bzw. Schutzkleidung, tragen. 8 Kunststofffolien unter Gipsabformungen oder bei Fußabdrücken können das Verschleppen von Krankheitserregern auf Einrichtung, Arbeitsmaterialien und in die Werkstatt vermeiden. Außerdem sind verstärkte Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen nötig. Darunter fallen sowohl Hände-Haut-Desinfektion als auch die regelmäßige Reinigung und Wischdesinfektion von Flächen (Mobiliar und Boden), insbesondere nach der Versorgung von Kunden. Zum Gesundheitsschutz für die Mitarbeiter zählt auch das Angebot einer Impfung – falls eine aktive Schutzimpfung bei dem in Frage stehenden Erreger überhaupt möglich ist. Zum Schutz vor einer infektiösen Leberentzündung durch Hepatitis- A- und BViren ist eine solche möglich (siehe Kapitel 7. „Arbeitsmedizinische Vorsorge und Schutzimpfungen). Auch bei durchgeführter Immunisierung, d. h. erfolgreicher Schutzimpfung, z. B. gegen Hepatitis-B-Viren, könnten sich Beschäftigte durch andere Erreger, z. B. bei bakteriellen Hautinfektionen oder mit anderen Viren, infizieren. Insofern müssen vorrangig die persönlichen Schutzmaßnahmen getroffen und die allgemeinen Hygienemaßnahmen angewendet werden. 7. Arbeitsmedizinische Vorsorge und Schutzimpfungen Wenn in OST-Betrieben beim Umgang mit Patienten nicht gezielte Tätigkeiten (unbeabsichtigte Exposition gegenüber Krankheitserregern) vorliegen, die mit erhöhter Infektionsgefährdung einhergehen, verpflichtet die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) den Arbeitgeber, arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen zu veranlassen. Diese „Pflichtuntersuchungen“ sind im Anhang, Teil 2, ArbMedVV aufgelistet. Der Arbeitgeber muss prüfen, ob die dort angeführten Voraussetzungen bzw. Expositionsbedingungen für die von ihm zu beurteilenden Tätigkeiten zutreffen (siehe Tabelle). Auf Grund der Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (BGV A2) müssen auch OSTBetriebe betriebsärztlich betreut werden. Wird zur Abschätzung des Infektionsrisikos bei der Gefährdungsbeurteilung der Betriebsarzt hinzugezogen, ist dessen Rat bei der Erstellung der Betriebsanweisungen zu berücksichtigen. Der Betriebsarzt kann zudem die auf Grund beruflicher Gefährdung notwendigen Vorsorgeuntersuchungen durchführen oder anbieten und Schutzimpfungen vornehmen, bei direkter Impfstoffbeschaffung für mehrere Mitarbeiter evtl. kostengünstiger als bei Einzelimpfungen durch externe, z. B. Hausärzte. Den Beschäftigten, die auf Grund der Gefährdungsbeurteilung ein erhöhtes berufliches Infektionsrisiko haben, ist im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge eine Schutzimpfung anzubieten. Die Erreger, gegen die Impfungen möglich sind, sind in der folgenden Liste als „impfpräventabel“ bezeichnet. In der Regel fallen in OST-Betrieben allenfalls Hepatitis-B- (und bei Stuhlkontakten evtl. auch Hepatitis-A-) Schutzimpfungen an. Immunisierungen gegen Kinderkrankheiten sind nur erforderlich, wenn wirklich regelmäßig direkter Kontakt in Einrichtungen zu Kindern besteht, bei denen die angeführten Erreger vorkommen können. Die Kosten für beruflich indizierte Impfungen hat entsprechend den Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes in Verbindung mit der ArbMedVV der Arbeitsgeber zu tragen. Die Berufsgenossenschaft kann hierfür keine Kosten übernehmen. Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen „Pflichtuntersuchungen“ nach Anhang zur ArbMedVV, Auszug aus Teil 2 mit zusätzlichen Angaben von branchentypischen Bereichen* und Tätigkeiten Biologischer Arbeitsstoff Hepatitis-B-Virus (HBV) (impfpräventabel) Hepatitis-C-Virus (HCV) Hepatitis-A-Virus (HAV) (impfpräventabel) Bordetella Pertussis Masernvirus Mumpsvirus Rubivirus Varizella-zoster-Virus (alle impfpräventabel) Bereiche nicht gezielter Tätigkeiten Expositionsbedingungen Einrichtungen zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Menschen und Betreuung von Behinderten, einschließlich der Bereiche*, die der Versorgung bzw. der Aufrechterhaltung dieser Einrichtungen dienen Tätigkeiten, bei denen es regelmäßig und in größerem Umfang zu Kontakt mit Körperflüssigkeiten, -ausscheidungen oder -gewebe kommen kann; insbesondere Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder Gefahr von Verspritzen und Aerosolbildung * In OST-Betrieben nur bei Patientenkontakt z. B. im Anpassraum oder am Krankenbett Spezielle Tätigkeiten wie z. B. Verbandwechsel, Blutkontakt beim Anpassen oder evtl. bei der Fußpflege Einrichtungen* für behinderte Menschen Kinderstationen* Tätigkeiten mit regelmäßigem Kontakt mit Stuhl im Rahmen – der Pflege von Kleinkindern – der Betreuung von behinderten Personen * Für OST-Betriebe nur bei Besuch/Kontakt zu Patienten in diesen Einrichtungen z. B. am Krankenbett oder im Anpassraum Spezielle Tätigkeiten am Patienten wie z. B. Versorgen mit Windeln, insbes. bei Inkontinenz Stoma-Pflege Einrichtungen* zur medizinischen Untersuchung, Behandlung und Pflege von Kindern sowie zur vorschulischen Kinderbetreuung Regelmäßiger, direkter Kontakt zu Kindern * Für OST-Betriebe nur bei regelmäßigem Kontakt zu Patienten, z. B. im Anpassraum oder am Krankenbett in o. a. Einrichtungen Spezialisierte Tätigkeiten wie z. B. Versorgung von Kindern mit orthopädischen Schuhen oder anderen Hilfsmitteln 9 7. Arbeitsmedizinische Vorsorge und Schutzimpfungen Bei der Einstellung von Lehrlingen (unter 18 Jahren) ist auf die Durchführung einer Hepatitis-B-Immunisierung (entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission auf Kosten der Krankenkasse) zu drängen. Generell ist den Beschäftigten die Durchsicht des Impfpasses und die Auffrischung allgemein empfohlener Impfungen zu empfehlen. Wie bei der Beschaffung von Arbeitsschutzmitteln (persönliche Schutzausrüstung) ist es auch bei Impfungen sinnvoll, dass sich die Beschäftigten vor Schutzimpfungen mit dem Arbeitgeber hinsichtlich Gefährdungsbeurteilung und Kostenübernahme absprechen. Die Bestimmung serologischer Parameter der in Frage kommenden Erreger bzw. Viren durch den Betriebsarzt bei der ersten Untersuchung gibt Auskunft über evtl. früher durchgemachte Infektionen und möglicherweise schon bestehenden Schutz durch Antikörper. Für eine effektive Hepatitis-B-Schutzimpfung ist die Verabreichung einer Impfstoffdosis nicht ausreichend, sondern sind regelhaft drei Injektionen mit anschließender Antikörper-Titerkontrolle (zur Feststellung des Impferfolges) notwendig. Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass die Hepatitis-B-Impfung keinen Schutz gegenüber anderen parenteral, d. h. blutübertragenen Erregern wie z. B. Hepatitis-C- oder 10 HI-Virus bietet. Außerdem schützt sie auch nicht vor bakteriellen Infektionen oder Hautpilzerkrankungen. Bei Beschwerden oder Erkrankungen unter den Beschäftigten, die auf die berufliche Infektionsgefährdung zurückgeführt werden, haben die Beschäftigten das Recht, sich arbeitsmedizinisch oder betriebsärztlich beraten und betreuen zu lassen. Hierfür kann der Betriebsarzt – ebenso wie bei den Pflichtuntersuchungen – auf den berufsgenossenschaftlichen Grundsatz für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen „Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung“ (G 42) zurückgreifen, in dem sich Informationen zu vielen weiteren Erregern finden, gegen die möglicherweise auch in OST-Betrieben Kontakt bestehen kann (siehe Kapitel 5. „Infektionsgefahren“). 8. Gleichzeitiger Schutz von Beschäftigten und Patienten Allein die Abnahme von Fußabdrücken zur Einlagenversorgung kann bei Personen mit einer Fußpilzerkrankung zu einer Verschleppung dieser Hautpilzerreger führen. Dies wäre für erkrankte Personen, z. B. mit Durchblutungsstörungen auf Grund von Gefäßverschlusskrankheiten oder Diabetes mellitus („Blutzucker“) gefährlich. Solche Patienten könnten sich leichter infizieren, evtl. mit schwerwiegenden Folgeschäden. Insofern ist nicht nur an den Schutz der Mitarbeiter, sondern auch an den Schutz der Kunden bzw. Patienten im Sinne des Infektionsschutzgesetzes zu denken. Für die betroffenen Betriebe, die auf das gesundheitliche Wohl ihrer Kunden ausgerichtet sind, ist es notwendig, sich intensiv um den Schutz der Patienten vor Infektionen zu kümmern und diese Anstrengungen auch zu dokumentieren, auch im Rahmen von Zertifizierungen bzw. für Abrechnungen von Kassenleistungen. Persönliche Schutzausrüstung und Hygiene- bzw. Desinfektionsmaßnahmen schlagen dann „zwei Fliegen mit einer Klappe“. 9. Erste Hilfe – Schutz und Pflege der Haut Viele Krankheitserreger können durch kleine, häufig nicht bemerkte Hautverletzungen (kleine Schnitte, Einrisse oder Abschürfungen) leichter in der Körper gelangen als durch die intakte Haut. Deshalb ist durch sicherheitstechnische Schutzmaßnahmen an Maschinen und Werkzeugen sowie durch organisatorische und persönliche Verhaltensweisen alles zu tun, Verletzungen als Eintrittspforten möglichst gar nicht erst entstehen zu lassen. Nötigenfalls sind Wunden oder offene Hautstellen der Beschäftigten vor dem Kontakt mit Patienten oder kontaminierten Materialien zu desinfizieren und keimfrei abzudecken. Hautreinigung, -schutz und -pflege gewährleisten darüber hinaus, dass die Haut durch die Arbeit nicht trocken, spröde, rauh oder rissig wird. Konkrete Hinweise hierzu geben die „Tipps zum richtigen Hautschutz in der Schuhherstellung“ (Faltblatt S 026 / TA 2055 der BG ETEM). 11 10. Schwangerschaft Für eine schwangere Mitarbeiterin und insbesondere das werdende Leben würde eine Infektion mit Krankheitserregern ein großes Risiko darstellen. Werdende und stillende Mütter dürfen mit Stoffen, Zubereitungen oder Erzeugnissen, die ihrer Art nach erfahrungsgemäß Krankheitserreger übertragen können, nicht beschäftigt werden, wenn diese Mitarbeiterinnen den Erregern ausgesetzt sind. Insofern sind auch in OST-Betrieben für schwangere Mitarbeiterinnen alle Tätigkeiten mit erhöhter Infektionsgefahr zu unterlassen bzw. Arbeitsbereiche ohne besondere Risiken für Mutter oder Kind anzubieten. Der Unternehmer muss eine Schwangerschaft seiner Beschäftigten an die zuständige Behörde (in der Regel das Amt für Arbeitsschutz, Gewerbeaufsichtsamt o. a.) melden. Um der Meldepflicht nachzukommen bedarf es eines Vertrauensverhältnisses zwischen Mitarbeiterin und Vorgesetztem oder Unternehmer. Im Falle von Komplikationen oder Fehlgeburten würde im Nachhinein die Ursache nur schwer zu klären sein. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, die gesetzlichen Pflichten ernst zu nehmen und vorbeugend eher mehr zu tun, als gefordert ist. Verbindliche Auskünfte und arbeitsrechtliche Entscheidungen z. B. darüber, ob die Mitarbeiterin während ihrer Schwangerschaft am Arbeitsplatz verbleiben und welche Tätigkeiten sie noch ausüben kann, sind allein von der zuständigen Behörde zu treffen. Schwangere Mitarbeiterinnen dürfen auch nicht anderen gefährdenden Arbeiten, z. B. Tätigkeiten mit Gefahrstoffen wie Lösungsmitteln oder mit physikalischen Einwirkungen wie Lärm oder Schwingungen, ausgesetzt werden. Die Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz muss deshalb sämtliche in Mutterschutzgesetz und Mutterschutzrichtlinienverordnung angeführten Beschäftigungsverbote berücksichtigen. 11. Weiterführende Informationen • Infektionsschutzgesetz, • Biostoffverordnung, • Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) • Technische Regeln für biologische Arbeitsstoffe: – „Handlungsanleitung zur Gefährdungsbeurteilung und für die Unterrichtung der Beschäftigten bei Tätigkeit mit biologischen Arbeitsstoffen“ (TRBA 400), – „Allgemeine Hygienemaßnahmen: Mindestanforderungen“ (TRBA 500), obige Regelungen elektronisch abrufbar unter: www.baua.de • Regeln der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung DGUV – BGR 189: „Benutzung von Schutzkleidung“ – BGR 195: „Benutzung von Schutzhandschuhen“ – BGR 197: „Benutzung von Hautschutz“ (herausgegeben von der DGUV, zu beziehen über den Carl Heymanns Verlag, Köln) 12 • Berufsgenossenschaftlicher Grundsatz „G 42“ für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen: „Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung“ (BBG 904-42), (herausgegeben von der DGUV, zu beziehen über den Gentner Verlag, Stuttgart, ISBN 3-87247-635-1) • Literatur: Wallhäußer, K. H.: „Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Konservierung: Keimidentifizierung – Betriebshygiene“. Thieme Verlag, Stuttgart, 1995. ISBN 3-13-416305-5 • Hygienepläne von Desinfektionsmittelherstellern Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse Gustav-Heinemann-Ufer 130 50968 Köln Telefon 0221 3778-0 Telefax 0221 3778-1199 E-Mail [email protected] www.bgetem.de Bestell-Nr. S 051 Fotos von Arbeitsplätzen: BG Abbildungen von Erregern: sanofi pasteur MSD 1 · 1 · 04 · 10 · 5 – Alle Rechte beim Herausgeber Gedruckt auf Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft