Usher-Syndrom Was ist das? Eine Hör- und Sehbehinderung Pro Retina Infoserie Nr. 4, 1-2005 Stiftung zur Verhütung von Blindheit Impressum Herausgeber PRO RETINA Deutschland e.V. Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen Redaktion Rosemarie Große-Wilde Bremer Straße 15, 90765 Fürth Tel. / Fax: 09 11 - 7 90 61 26 Internet: http://usher.pro-retina.de Um die Unterstützung für die Forschung – insbesondere auch als Anschubfinanzierung für neue Forschungsvorhaben – langfristig abzusichern, haben wir am 1. Januar 1996 die „STIFTUNG ZUR VERHÜTUNG VON BLINDHEIT“ errichtet. Unser Ziel ist es, ein Stiftungskapital von mindestens € 2.500.000 anzusammeln, dessen Erträge eine kontinuierliche Forschungsförderung – unabhängig von schwankenden Spendeneinnahmen – ermöglichen. Sie können die Stiftung unterstützen durch Geschäftsstelle der PRO RETINA Deutschland e.V. Vaalser Straße 108, 52074 Aachen Tel.: 02 41 - 87 00 18 / Fax: 02 41 - 87 39 61 E-Mail: [email protected] / Internet: www.pro-retina.de • laufende Zuwendungen oder eine einmalige Spende, z.B. bei einem bestimmten Anlass, einem Geburtstag, einer Feier oder einem Todesfall • testamentarische Verfügung für den Erbfall • Benefizveranstaltungen Konto Postbank Frankfurt / Main, (BLZ 500 100 60) Konto-Nr. 54 800 -605 Wir versichern, dass die Erträge dieser Stiftung ausschließlich für die Erforschung von Netzhautdegenerationen eingesetzt werden mit dem Ziel, Therapiemöglichkeiten zu finden. Stiftungsfonds HypoVereinsbank München, (BLZ 700 202 70) Konto-Nr. 580 400 1400 Der Druck dieser Broschüre wurde freundlicherweise von der Glücksspirale unterstützt. Layout WILKEDESIGN, Aachen, Tel.: 02 41- 99 120 86-0 Stiftung zur Verhütung von Blindheit Am Heideweg 51, 85221 Dachau Tel.: 0 81 31- 5 40 18, Konto: HypoVereinsbank München Kto. 580 400 1400, BLZ 700 202 70 Sparkasse Dachau Kto. 110 58 1212, BLZ 700 515 40 „In jedem Abschied liegt ein Neubeginn.“ Hermann Hesse Usher-Syndrom Was ist das? Eine Hör- und Sehbehinderung 4. Auflage 1-2005 PRO RETINA Deutschland e.V. 4. Inhalt Vorwort 1. 2. 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 2. 3. 2 Das Usher-Syndrom Geschichtliches Symptome / Klassifizierung Vererbung des Usher-Syndroms Vorkommen 4. 5 6 6 6 8 10 10 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 Erkrankung der Netzhaut bezogen auf das Usher-Syndrom Exkurs: Aufbau und Funktion der Netzhaut Aufbau der Netzhaut Funktion der Netzhaut Retinitis pigmentosa Symptome Befunde 11 11 12 14 14 16 3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.2 3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.4 Funktion und Störung des Sinnesorgans Ohr Anatomische Voraussetzungen Das äußere Ohr Das Mittelohr Das Innenohr Das Hören Die Hörbahnen Hörtheorien Hörschädigungen Die Hörstörungen des Usher-Syndroms Untersuchungsmethoden 18 18 18 18 19 21 21 22 22 24 25 Abgrenzung von Taubheit und Schwerhörigkeit 4.1 Aus audiologischer Sicht 4.2 Versorgung mit Hörhilfen 4.2.1 Hörsysteme 4.2.2 Cochlear Implant (CI) 4.3 Repräsentative Usher-Syndrom-Audiogramme 26 27 27 29 30 5. 5.1 5.2 5.2.1 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5 5.5.6 5.6 Forschung und Therapieversuche Ziele der Forschung Stand der Forschung Identifizierung der Gene Molekulargenetik Molekulargenetische Untersuchungen Probleme der genetischen Untersuchungen Bisher gefundene Gene / Genorte Therapieversuche Gentherapie Transplantationen Ernährungszusätze Vitamin A Fettsäurestudie Weitere Therapieansätze Retina Implant 32 32 32 32 33 33 34 36 36 37 38 38 38 39 39 39 6. Spezielle Probleme der Usher-Syndrom-Betroffenen Reaktion von Angehörigen Ausbildung und Berufsberatung 41 6.1 6.2 26 5. 6. 42 43 3 PRO RETINA Deutschland e.V. 7. 8. 9. 6.3 6.4 Psychologische Beratung Handlungsmöglichkeiten 44 45 7. 7.1 7.2 Die PRO RETINA Deutschland e.V. Wer wir sind Was wir tun 46 46 47 8. Soziale und andere Hilfen / Adressen 49 9. Veröffentlichungen der Pro Retina Beitrittserklärung 53 55 Stiftung zur Verhütung von Blindheit Vorwort Diese Broschüre soll Betroffene, Angehörige und Interessenten übersichtlich und umfassend über das Usher-Syndrom informieren. Von dieser seltenen Erkrankung gibt es bislang nur wenig zusammenfassende Literatur; es überwiegen verstreute medizinische Fachartikel, die zumeist in englischer Sprache abgefasst sind. Deshalb erkennen HNO- und Augenärzte, Sonderpädagogen und die Betroffenen selbst oft lange Zeit keinen inneren Zusammenhang zwischen der Hör- und Sehbehinderung. Unsere Informationsschrift soll nun diese Art der oftmals unsichtbaren und unerkannten Behinderung allen interessierten Lesern vorstellen und mit dazu beitragen, durch Aufklärung Vorurteile abzubauen und die Integration der vom UsherSyndrom betroffenen Menschen in der Gesellschaft zu fördern. Neben Informationen und Beratung unserer Patientenselbsthilfevereinigung PRO RETINA Deutschland e.V. betreiben wir aktive Förderung der medizinischen Forschung. Fortschritte in der Molekulargenetik lassen auf eine Behandlungsmöglichkeit hoffen. Jedoch im Vorfeld einer erst später zu erwartenden Therapie benötigen die vom Usher-Syndrom betroffenen Personen verständnisvolle menschliche Begleitung. Auch der Erfahrungsaustausch der Betroffenen untereinander ist für viele sehr hilfreich. Weitere Hinweise über Hilfen in der PRO RETINA Deutschland e.V. sind in diesem Heft im Kapitel 8 aufgeführt. Meinen besonderen Dank möchte ich Frau Bernadette Haas und den Korrektoren aussprechen. Rosemarie Große-Wilde Ansprechpartnerin Usher-Syndrom 4 5 7 PRO RETINA Deutschland e.V. 1. Das Usher-Syndrom Hörverlust Gleichgewicht Retinitis pigmentosa - Anzeichen - Angeborene (Innenohr) Taubheit bzw. Überwiegend Beginn in der geringe Hörreste in tiefen Frequenzen schwere frühen Kindheit oder bei großer Lautstärke. In einigen Gleichgewichts- Fällen können Hörgeräte das Restgehör störungen. 1.1 Geschichtliches Die Kombination von Taubheit mit einer Degeneration der Netzhaut (Retinitis pigmentosa) wurde erstmals 1858 von Albrecht von Graefe aus Berlin, dem Begründer der modernen Augenheilkunde beschrieben. Charles Howard Usher, ein englischer Augenarzt, erkannte 1914 die Erblichkeit der Erkrankung. USHER-SYNDROM-TYP-I In den folgenden Jahren wurde diese Annahme von verschiedenen Wissenschaftlern bestätigt, doch erst Hallgren erkannte 1959 die Unterscheidung des Usher-Syndroms in zwei Typen (Taubheit / Schwerhörigkeit) und ab 1977 erfolgte die Einteilung in drei verschiedene Typen. unterstützen. USHER-SYNDROM-TYP-II Angeborene oder früh einsetzende Normaler Beginn im (Innenohr) Schwerhörigkeit. Mäßiger Gleichgewichtssinn. frühen Hörverlust in tiefen Frequenzen, starke 1.2 Symptome / Klassifizierung Erwachsenenalter Höreinbußen in hohen Frequenzen. Hörgeräte können effektiv eingesetzt Zum Usher-Syndrom gehört eine angeborene cochleäre Innenohrschädigung. Je nach Ausprägung wird diese häufig erst später erkannt und dann fälschlicherweise auf eine Kinderkrankheit – z.B. Masern – zurückgeführt. Die sich später bemerkbar machende Augenkrankheit des Usher-Syndroms wird Retinitis pigmentosa (RP) genannt. In den meisten Fällen (ca. 90 %) kommt die RP ohne eine angeborene Hörschädigung vor. werden. Der Weg der Krankheitsentstehung vom Gen zur Hör- und Sehbehinderung ist noch immer unklar. Als mögliche Ursache wird ein Cilien-Defekt in den Haarzellen der Hörschnecke und in den Photorezeptoren der Netzhaut vermutet. Das Hören erscheint von Geburt an Überwiegend stabiler Hörverlauf, Verschlechterung durch Schwangerschaft, Lärm, Tinnitus, zunehmendes Alter etc. möglich (s. Kap. 3.3.1). USHER-SYNDROM-TYP-III Nicht bekannt Beginn im normal und verschlechtert sich frühen progressiv im frühen Erwachsenenalter Erwachsenenalter bis zur Taubheit. Insgesamt ist dieser Typ sehr selten Das Usher-Syndrom zeigt sowohl klinisch als auch genetisch kein einheitliches Bild, weshalb sich eine klinische Einteilung in Subgruppen bewährt hat (s. Tabelle). Der Zeitpunkt des Auftretens erster 6 und bisher nur in Finnland und USA nachgewiesen worden. 7 PRO RETINA Deutschland e.V. Symptome der Retinitis pigmentosa liegt nicht genau fest, weil das Alter, in dem diese dann bemerkt und erkannt werden, verschieden ist. Der Verlauf und das Fortschreiten der Krankheit ist intra- und interfamiliär unterschiedlich und nicht genau vorauszusehen. Es ist nur auf der Basis regelmäßiger klinischer Untersuchungen in zweibis fünfjährigen Abständen möglich abzuschätzen, wie schnell der Sehverlust voranschreitet. Vor allem die Gesichtsfeldeinschränkung und die Fähigkeit damit umzugehen sowie eine psychische Bewältigung sind individuell verschieden. Den exemplarischen Fall des Usher-Syndroms gibt es nicht! 1.3 Vererbung des Usher-Syndroms Das Usher-Syndrom hat einen autosomal-rezessiven Erbgang. Das bedeutet: Autosomal, dass die Krankheit nicht geschlechtsgebunden ist (Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen). Rezessiv, es erkranken nur Personen, bei denen beide Anlagen eines Erbanlagenpaares „ungünstig“ verändert sind. Jeder Mensch trägt mehrere solche veränderten Erbanlagen in einfacher Form in sich, ohne davon zu wissen und ohne zu erkranken. Menschen, die von einer rezessiv-erblichen Erkrankung betroffen sind, haben jedoch zufällig von dem gleichen Erbanlagenpaar je eine „ungünstig“ veränderte Erbanlage von der Mutter und eine „ungünstig“ veränderte Erbanlage vom Vater erhalten. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn Vater und Mutter ein Verwandtschaftsverhältnis (z.B. Cousin und Cousine) haben. Die Eltern der Betroffenen sind selbst gesund, da sie neben der veränderten Erbanlage noch eine unveränderte Erbanlage besitzen. Deswegen kommt die Erkrankung ihres Kindes für die Eltern oft sehr überraschend. Jedoch hat jedes weitere Kind dieses Elternpaares ein Risiko von 25%, die Erkrankung ebenfalls zu erhalten. 8 Abb. 1: Autosomal-rezessiver Erbgang Im statistischen Durchschnitt wird also ein Viertel der Kinder dieses Paares an der Erkrankung leiden. Rezessive Erkrankungen treten fast immer nur in einer Generation einer Familie auf und „verschwinden“ dann in der nächsten Generation, wenn die Partner der Betroffenen oder Anlagenträger nicht auch zufällig die gleiche Veränderung im Erbgut haben. Die Kinder von Usher-Syndrom-Betroffenen haben daher, wenn deren Partner nicht verwandt sowie in dieser Hinsicht gesund sind und die gleiche Erkrankung in deren Familie nicht aufgetreten ist, kein gegenüber der Durchschnittsbevölkerung erhöhtes Risiko am UsherSyndrom zu erkranken. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine Möglichkeiten, durch eine Fruchtwasseruntersuchung eine Erkrankung während der Schwangerschaft festzustellen, da bisher noch nicht alle vermuteten Gene gefunden und nachweisbar sind. 9 PRO RETINA Deutschland e.V. 1.4 Vorkommen Die Häufigkeit des Usher-Syndroms in der deutschen Bevölkerung wird auf 4- 6 Betroffene pro 100.000 Einwohner geschätzt. Ca. 6 -12% aller Fälle von Hörschädigungen im Kindesalter und die häufigste Ursache der Taubblindheit sind auf das Usher-Syndrom zurückzuf ü h r e n . Laut Statistiken in den USA gibt es dort ca. 25.000 Menschen mit Usher-Syndrom. In Deutschland sind keine entsprechenden Statistiken vorhanden, aber aufgrund der Häufigkeitsverteilung kann man von ca. 5.000 Usher-Syndrom-Betroffenen ausgehen. Davon entfallen ca. ein Drittel auf Typ I und zwei Drittel auf Typ II. 2.1 Exkurs: Aufbau und Funktion der Netzhaut 2.1.1 Aufbau der Netzhaut Das Licht, welches durch die Pupillen in das Auge dringt, trifft auf die innere Augenhaut, die Netzhaut (Retina). Wo die Sehlinie auf die Netzhaut trifft, ist die Stelle des schärfsten Sehens, der gelbe Fleck (Macula lutea). Nur Millimeter entfernt befindet sich der Sehnervenkopf. Die Sehinformation leitet der Sehnerv zum Gehirn weiter. An dieser Stelle wird die Netzhaut durchbrochen. Sie ist dort frei von Sinneszellen und wird der blinde Fleck (Discus nervi optici) genannt. Er wird durch Überbrückungsfunktionen des Gehirns und teilweise wegen zweiäugigem Sehen nicht als „Loch“ wahrgenommen. Nasenwärts 2. Erkrankung der Netzhaut bezogen auf das Usher-Syndrom – Retinitis pigmentosa – Bei der Retinitis pigmentosa (RP), einer Netzhautdegeneration, kommt es vor allem zu Nachtblindheit und Gesichtsfeldeinschränkung (Röhrengesichtsfeld). Dies kann bis zum völligen Verlust eines praktisch nutzbaren Sehvermögens führen. Durch diese zusätzlichen Beeinträchtigungen erfährt der tägliche Lebensvollzug der Betroffenen grundsätzliche Veränderungen, zusätzliche Erschwernisse, Behinderungen und vielleicht auch Stigmatisierungen. Abb. 2: Die Organe des Auges 10 11 PRO RETINA Deutschland e.V. 2.1.2 Funktion der Netzhaut In der äußeren, d. h. der vom Augeninnern abgewandten Netzhaut liegen die lichtempfindlichen Photorezeptoren, die Zapfen und Stäbchen. Diese haben verschiedene Formen und Funktionen und sind in unterschiedlicher Anzahl vorhanden. In ihren Außensegmenten, dem lichtempfindlichen Teil der Zapfen und Stäbchen befinden sich die Sehfarbstoffe (Opsine). Eine schwarze Pigmentschicht, das so genannte Pigmentepithel, schluckt das eingedrungene Licht, damit es nicht zu Reflexionen kommt. Außerdem ist sie sehr wichtig für den Stoffwechsel und die Erneuerung der Photorezeptoren. Zapfen und Stäbchen treten mit bipolaren Nervenzellen in den weiter innen liegenden Netzhautschichten in Verbindung, an die sie das Lichtsignal weitergeben. Daneben gibt es auch Horizontalzellen, die Querverbindungen herstellen. Die Fortsätze der Bipolarzellen verbinden sich mit den ganz innen liegenden Ganglienzellen, deren Ausläufer (Axone) den Sehnerv bilden, der zum Gehirn führt. Die gesamte Netzhaut enthält ca. 120 Millionen Stäbchen. Sie befinden sich hauptsächlich in der Mitte und am Rande der Netzhaut und sind für das Dämmerungssehen zuständig. Der Sehfarbstoff der Stäbchen ist das Rhodopsin. Zapfen sind ca. 6 Millionen in der Netzhaut vorhanden. Ihre Außensegmente enthalten ebenfalls Sehfarbstoffe, die je nach spektraler Empfindlichkeit für Farbeindrücke sorgen. Es gibt drei verschiedene Zapfenarten mit je einem farbempfindlichen Pigment. In der Netzhautmitte, der Sehgrube (Fovea centralis), befinden sich ganz dicht gespickt nur Zapfen. Die nachgeschalteten Bipolarzellen sind zur Seite hin verlagert, damit das Licht ungehindert zu diesen durchdringen kann und nicht gestreut wird. Außerdem ist in der Fovea jeder Zapfen nur mit einer Bipolarzelle und einer Ganglienzelle verschaltet, während am Rande der Netzhaut viele Rezeptoren mit 12 Abb. 3: Schnittbild durch die Netzhaut einer Ganglienzelle zusammenkommen. Dadurch wird ein größeres Auflösungsvermögen und eine höhere Sehschärfe erreicht, die wesentlich besser ist als in der Netzhautperipherie. Das ist wichtig für das Erkennen kleiner Details und für das Lesen. Das auf der Netzhaut angekommene Bild wird von unterschiedlichen Ganglienzellen in verschiedene Sinneswahrnehmungen, wie Helligkeits-, Farbempfindung und Bewegungswahrnehmung zerlegt, und an das Gehirn weitergeleitet. Die Netzhautperipherie reagiert auf Bewegungsänderungen und meldet Gefahren. So z.B. Hindernisse und Bewegungen, ohne sie genau erkennen zu können. Aufgrund eines Reflexes blickt man hin, kann dann fixieren und erkennen, worum es sich handelt. Bei einer intakten Netzhaut hat der Mensch ein Gesichtsfeld von ca. 180 Grad. Dies vermittelt ihm eine „Panoramasicht“. 13 PRO RETINA Deutschland e.V. 2.2 Retinitis pigmentosa (RP) Der Ausdruck Retinitis pigmentosa ist nicht korrekt, da es sich nicht um eine Entzündung der Netzhaut handelt. Im medizinischen Sprachgebrauch aber hat sich diese Bezeichnung gegenüber dem eigentlich richtigen Ausdruck „Retinopathia pigmentosa“ durchgesetzt. 2.2.1 Symptome Die Hauptmerkmale der RP können in verschiedener Reihenfolge auftreten. Meistens ist Nachtblindheit das erste Symptom. Die häufigsten Symptome sind: • • • • • Gestörtes Dämmerungssehen/Nachtblindheit Gesichtsfeldeinschränkung Blendungsempfindlichkeit Farbsehstörungen Nachlassen der Sehschärfe Der Krankheitsprozess verläuft von der mittleren Netzhautperipherie her konzentrisch (nach innen und außen) bis nur noch ein röhrenartiger Gesichtsfeldrest besteht. Ursache dafür ist das Absterben der lichtaufnehmenden Rezeptoren der Netzhaut, wobei zuerst die Stäbchen und später auch die Zapfen in Mitleidenschaft gezogen werden. Als erstes Anzeichen der Zerstörung der Stäbchen in der mittleren Peripherie der Netzhaut wird meistens schlechtes Sehen in der Dämmerung und Anpassungsschwierigkeiten beim Wechsel von Hell / Dunkel (Adaption) wahrgenommen. Dies wird als Nachtblindheit (Hemeralopie) bezeichnet. Im weiteren Verlauf entwickelt sich durch die Degeneration der Netzhaut in der mittleren Peripherie ein wenig oder gar nicht lichtempfindlicher ringförmiger Bereich (Ringskotom) um das Netzhaut14 zentrum (Macula). Da das laterale (seitliche) zum Ohr gerichtete Gesichtsfeld weiter nach außen reicht, bleibt dort lange Zeit eine „Restsichel“ erhalten, die für die Bewegungen im Raum sehr wichtig ist. Die Gesichtsfeldeinschränkung (Übersehen von Gegenständen und Personen) bleibt vom Betroffenen oft lange Zeit unbemerkt und wird mit Unaufmerksamkeit oder Schusseligkeit erklärt. Der Verfall der Netzhautperipherie endet in einem röhrenförmigen zentralen Sehrest, dem so genannten „Röhrengesichtsfeld“ oder „Tunnelblick“. Es sind dann praktisch nur noch Zapfen im Netzhautzentrum funktionsfähig. Durch Kompensationsvorgänge im Gehirn nehmen die Erkrankten den Ausfall nicht als Grauzone wahr, sondern das Bild wird durch Informationen aus der Umgebung vervollständigt. Ähnlich geschieht es beim Normalsehenden mit dem blinden Fleck. Das fehlende Erkennen ausgefallener Bereiche ist für die Teilnahme am Straßenverkehr besonders gefährlich. Daher ist z.B. das Führen von Kraftfahrzeugen bereits in frühen Stadien der Erkrankung aufgrund der zunehmenden Gesichtsfeldausfälle nicht mehr möglich. Für die Betroffenen bedeutet dies eine weitere gravierende Einschränkung ihrer Lebensführung. Eine Sehschärfenminderung tritt bei der RP in der Regel erst zu einem späteren Zeitpunkt auf, da das Netzhautzentrum ja zuletzt betroffen ist. (Ausnahme: Auftreten eines Netzhautödems als Komplikation.) Im weiteren Verlauf der RP ist nicht selten die Entwicklung einer Linsentrübung (Grauer Star, Katarakt) festzustellen. Dadurch wird eine zusätzliche Blendempfindlichkeit und eine Herabsetzung der Sehschärfe verursacht. Bei dem Usher-Syndrom ist diese Linsentrübung deutlich häufiger als bei „normaler“ RP. Statistisch gesehen erkranken Usher-Typ-I-Betroffene früher an einem grauen Star, als Usher-Typ-II-Betroffene. Das Einsetzen einer künstlichen Linse ist operativ möglich (siehe Pro Retina- Broschüre: Grauer Star bei RP). 15 PRO RETINA Deutschland e.V. Häufig stellen sich im späteren Verlauf der Erkrankung auch eine extrem starke Blendempfindlichkeit sowie eine Störung des Farbund Kontrastsehens ein. Ursache dafür ist neben der Schädigung der Stäbchen die Beeinträchtigung der Zapfen. Diese vermitteln nicht nur die Lichtempfindungen, sondern auch den Sinneseindruck für Kontraste. Fallen Zapfen aus, kann dies nicht mehr in vollem Umfang geleistet werden. • Der Untergang der peripheren Netzhaut kann mit dem Elektroretinogramm (ERG) untersucht werden, mit dem elektrische Potentiale der Netzhaut abgeleitet werden. Bei dem Usher-Syndrom sind diese deutlich reduziert. • Häufig sind Farbsehstörungen im Blau-Grün-Bereich festzustellen. Zum Usher-Syndrom gehört typischerweise ein gestörtes Blau-Gelb-Farbensehen. • Glaskörpertrübungen können auch vorkommen. Diese reichen von kleinen, kaum zu erkennenden pigmentierten Zellen bis zu dichten Trübungen bei der Synchisis scintillans (glitzernde Cholesterinkristalle im Glaskörper). Davon zu unterscheiden sind „normale“ wahrnehmbare Glaskörpertrübungen, die so genannten „fliegenden Mücken“ (mouches volantes). Abb. 4: Normale Sicht und Retinitis Pigmentosa (RP) – Tunnelsicht 2.2.2 Befunde • Hinweis auf die Erkrankung ist eine Einengung des Gesichtsfeldes zum Zentrum hin. Eine wichtige Untersuchung ist die Gesichtsfeldmessung mit dem manuellen Goldmann-Perimeter. • Hell-Dunkel-Anpassung und gestörtes Dämmerungssehen können durch eine Überprüfung mit dem Mesoptometer abgeklärt werden. 16 • Veränderungen des Augenhintergrundes (Fundus) zeigen • einen Abbau (Atrophie) des retinalen Pigmentepithels (RPE). Durch eine Ansammlung von nicht „verdaubaren“ Abbauprodukten von Zapfen und Stäbchen der Netzhaut, kommt es zu den so genannten Knochenkörperchen. Diese Pigmentierungen sind Folgeerscheinungen der Netzhautdegeneration und nicht die Ursache. • Im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung erkennt man eine Atrophie des Sehnervs an der wachsgelben bzw. blassen Papille (Sehnervenkopf). • Außerdem wird eine Engstellung der retinalen Blutgefäße im Laufe der Zeit deutlich erkennbar, da die nicht mehr funktionierenden Teile nicht mehr versorgt werden müssen. RP ist eine der häufigsten erblichen Netzhauterkrankungen, deren Verlauf und Schweregrad sich in den unterschiedlichsten Ausprägungen zeigen kann. (Siehe Pro Retina-Broschüre: Retinitis pigmentosa – Was ist das?) 17 PRO RETINA Deutschland e.V. 3. Funktion und Störung des Sinnesorgans Ohr Hier wird genauer und differenzierter auf die Funktion des Ohres, seine Leistungsmöglichkeit, die vorhandenen Störungen und die möglichen Untersuchungsverfahren eingegangen. Denn in der gesamten Fachliteratur, welche über das Usher-Syndrom vorhanden ist, wird die Hörschädigung immer nur sehr kurz erwähnt. Daher erscheint es sinnvoll, diese etwas ausführlicher zu beschreiben. 3.1 Anatomische Voraussetzungen Durch das Ohr ist es möglich, Schallwellen aufzunehmen. Es besteht aus drei Teilen: 3.1.1 Das äußere Ohr Es stellt die Verbindung zur Außenwelt her und besteht aus der Ohrmuschel, die bedingt als Schalltrichter dient. Der äußere Gehörgang ist mit Luft gefüllt und geht bis zum Trommelfell. Er dient als „Antransportorgan“ und leitet den Schall weiter. 3.1.2 Das Mittelohr An den äußeren Gehörgang grenzt unmittelbar das Trommelfell, eine elastische Membran. Der Hammer ist an diesem fest angewachsen. Die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel sind gelenkig miteinander verbunden. Sie übertragen die Schwingungen, die am Trommelfell von Schallwellen erzeugt werden, weiter. Der Steigbügel ist in das ovale Fenster beweglich eingefügt und 18 leitet so die Schallwellen an das mit Flüssigkeit gefüllte Innenohr. Durch die Gehörknöchelchen wird die Kraft der Schwingungen verstärkt. Dies ist notwendig, um die Innenohrflüssigkeit in Schwingung zu versetzen, da diese sehr viel träger ist als die Luft im Mittelohr. Über die Ohrtrompete (Eustachische Röhre) steht das Mittelohr mit dem Rachenraum in Verbindung. Sie sorgt für den Druckausgleich und verhindert dadurch eine Beschädigung des Trommelfells. 3.1.3 Das Innenohr Das Innenohr ist in das Felsenbein eingebettet und mit Flüssigkeit gefüllt. Es enthält die drei Bogengänge (Labyrinth) mit dem oberen Bläschen (Utriculus) und dem unteren Bläschen (Sacculus). Sie dienen dem Gleichgewichtssinn, der je nach Beeinträchtigung zu leichten bis starken Gleichgewichtsproblemen führen kann. Zusammen mit der Schnecke (Cochlea) bilden sie das knöcherne Labyrinth. Im knöchernen Labyrinth ist an Bändern das häutige Labyrinth so aufgehängt, dass es schwingen kann. Für das Hören ist nur der Teil des häutigen Labyrinths wichtig, der der spiralig gewundenen knöchernen Schnecke folgt. An der Spitze der knöchernen Schnecke endet der Schneckengang geschlossen. Zwei durch Häute verschlossene Durchbrechungen verbinden die Schnecke mit dem Mittelohr. Am ovalen Fenster ist der Steigbügel befestigt und der Paukengang endet am runden Fenster. Der Boden des Schneckenganges wird von der Basiliarmembran gebildet. Sie verbreitert sich vom ovalen Fenster bis zur Schneckenspitze hin und trägt das eigentliche reizaufnehmende Hörorgan, das Cortische Organ. Auf ihr befinden sich innere und äußere Haarsinneszellen, die von Stützzellen getragen werden. Darüber liegt eine sie berührende Deckmembran. Die Decke des Schneckenganges besteht aus einem dünnen Häutchen, der Reißner’schen Membran. 19 PRO RETINA Deutschland e.V. a– b– c– d– e– f – g– h– Spinalbändchen, Reißner’sche Membran, Deckmembran, Spirallamelle, Limbus, Spiralkanal, Basiliarmembran, Cortisches Organ mit 4 Reihen äußerer und 1 Reihe innerer Hörzellen, A – Vorhoftreppe, B – Schneckengang, C – Paukentreppe 3.2 Das Hören Die aufgenommenen, über das Trommelfell und die Gehörknöchelchen weitergeleiteten Luftschwingungen bewirken eine Ausdehnung des runden und des ovalen Fensters, da sich die Flüssigkeit im Innenohr nicht zusammendrücken lässt. Außerdem hat der ausgeübte Druck eine Bewegung der Basiliarmembran zur Folge. Er veranlasst sie zu Wellenbewegungen. Sie verschiebt sich gegenüber der Deckmembran und reizt die mit Härchen besetzten Sinneszellen. Diese werden aus ihrer Ruhelage heraus bewegt und verursachen dadurch eine Spannungsänderung in der nachfolgenden Nervenzelle. Die Folge ist ein kurzfristiger Stromfluss, der an die Fasern des Hörnervs weitergeleitet wird. Abb. 5: Häutiger Schneckengang mit Cortischem Organ 3.2.1 Die Hörbahnen Die eigentlichen Sinneszellen sind die Haarzellen. Sie sind in zwei Formationen angeordnet: Die inneren Haarzellen bestehen nur aus einer Reihe, die äußeren sind drei- bis vierreihig angeordnet. Die etwa 3.500 inneren Haarzellen haben einen größeren Abstand von der Deckmembran und werden von je einer Nervenfaser versorgt. Die 12.000 äußeren Haarzellen dagegen hängen gruppenweise an einer Nervenfaser. Durch die Auslenkung der Sinneshaarzellen, aufgrund der Wellenbewegung der Basiliarmembran, werden die mechanischen Reize in elektrische Impulse umgewandelt und so dem Hörnerv zugeleitet. Die inneren Haarzellen sind für die eigentliche Signalübertragung an den Hörnerv zuständig und die äußeren Haarzellen dagegen für die Vorverarbeitung des Schallreizes. Schallwellen über 800 Hz werden über den Schädel zum Innenohr geleitet, man nennt dies die Knochenleitung. Diese Schallschwingungen werden direkt, zum Teil unter Mitwirkung des Mittelohres, auf die Flüssigkeit im Innenohr übertragen. 20 Die abgehenden Nervenfasern der Basiliarmembran ziehen zum Spinalganglion. Es besteht aus ca. 25.000 bipolaren Ganglienzellen, die sich zum Hörnerv (Nervus statoacusticus) vereinigen. Die Hörbahn ist eine Nervenkette, bei der die entstandenen Nervenimpulse der Sinneshaarzellen mehrfach auf Nervenzellen höherer Ordnung umgeschaltet werden. Bei dieser Übermittlung wird die Information mehrere Male verschlüsselt und der Inhalt wahrscheinlich auch gefiltert. Bereits in der Hörbahn geschieht eine strukturbildende Verarbeitung der akustischen Informationen. Im Hirnstamm erfolgen erste Umschaltungen und auch eine Verbindung mit der Hörbahn der anderen Seite. Im nachgeschalteten Mittelhirn erfolgt die Leistung des Richtungshörens und das Erkennen von Nutzschall in einer Umgebung mit Störschall. Das eigentliche Hören findet in der Hirnrinde statt. Durch die Verknüpfung mit motorischen Zentren, Sprachzentren und zahlreichen Zentren der kognitiven Wahrnehmung ist das menschliche Hören wichtig. 21 PRO RETINA Deutschland e.V. für die Erkennung und Anwendung von Sprache, Denkprozessen sowie allgemein für die Erkenntnisfähigkeiten des Menschen. Bei Störungen der Informationsaufnahme des Gehörs wird die Entwicklung und Erhaltung dieser Fähigkeiten stark beeinträchtigt. 3.2.2 Hörtheorien Es wurde nachgewiesen, dass hohe Frequenzen nahe des ovalen Fensters und niedrige Frequenzen in der Nähe der Schneckenspitze auf die Rezeptoren der Basiliarmembran wirken. Dies geschieht, indem in das Innenohr gelangende Schallwellen dort mechanisch in ein Spektrum zerlegt werden. Dabei entstehen neuronale Erregungen. Das Tonhöhenunterscheidungsvermögen ist bereits in den Haarzellen vorhanden. Es ist aber noch nicht genau geklärt, wie dieses zustande kommt. Im weiteren Verlauf der Hörbahn wird dann durch die verschiedenen Nervenzelltypen die Qualität des akustischen Reizes herausgearbeitet, etwa der Anfang und das Ende des Schallreizes. Bereits dort wird eine erste Phonoanalyse vorgenommen, die diese mit bereits gespeicherten Informationen vergleicht. Im Hörzentrum befinden sich dann zwei getrennte Systeme: Ein Areal nimmt eine Frequenzanalyse vor, während das zweite System zeitliche Veränderungen auswertet. Es wird vermutet, dass beim Hören eine parallele Signalverarbeitung zu einem Höreindruck führt. 3.3 Hörschädigungen Die Ursachen von Hörstörungen werden in zwei Kategorien eingeteilt: Man unterscheidet zwischen erblichen (hereditären) und erworbenen Hörstörungen. 22 Bei den erblichen Hörstörungen unterscheidet man sporadischrezessive und dominant-hereditär-degenerative Formen. Diese können durch Missbildungen des äußeren und inneren Ohres entstehen. Das Cortische Organ und der Hörnerv können beschädigt sein und es kann eine gesteigerte Empfänglichkeit für Entzündungen im Ohrbereich bestehen. Taubheit oder Schwerhörigkeit tritt immer durch Funktionsstörungen im Hörorgan, der Hörbahn oder dem Hörzentrum auf, unabhängig von der Ursache der Störung. So wird im medizinischen Sinne Taubheit oder Schwerhörigkeit nicht als eine Krankheit, sondern als das Symptom einer solchen gesehen. Wie die Geräusche der Umwelt gehört werden, hängt von der jeweiligen Hörschädigung ab. Dabei unterscheidet man zwischen • sensorineuralen Hörstörungen und • Schall-Leitungsstörungen. Bei den sensorineuralen Hörstörungen liegt die Ursache im Cortischen Organ oder im Hörnerv. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass im Audiogramm die Luft- und die Knochenleitungskurven übereinstimmen. Außerdem sind in der Regel die höheren Frequenzen stärker von Verlusten betroffen als die tieferen. Cochleäre Hörstörung, auch Innenohrschwerhörigkeit oder Rezeptor / Rezeptionsschwerhörigkeit genannt. Ein charakteristisches Merkmal dabei ist das Recruitment. Dies bedeutet, dass bei zunehmender Lautstärke das Lautheitsempfinden übermäßig stark zunimmt. Ein weiteres Phänomen bei der Innenohrschwerhörigkeit ist der so genannte Diskriminationsverlust. Töne können, wenn sie genügend laut sind, gehört werden, Sprache wird im Zusammenhang jedoch nicht verstanden. Das liegt daran, dass manche Obertöne der Lautsprache nicht mehr wahrgenommen werden können, deren Zusammenklang den jeweiligen Sprachlaut ergibt. 23 PRO RETINA Deutschland e.V. Neurale Hörstörung – Retrocochleäre Schwerhörigkeit – zeigt eine zu größerer Lautstärke hin verschobene Unbehaglichkeitsgrenze. Die Sprache wird durch Nebengeräusche überwiegend unverständlich, auch bei nur geringem audiometrischem Hörschwellenabfall. Oft sind eine cochleäre und neurale Hörstörung gleichzeitig vorhanden. „Führende Ursache“ ist jedoch in der Regel der cochleäre Schaden. 3.3.1 Die Hörstörungen des Usher-Syndroms Bei dem Usher-Syndrom handelt es sich um eine cochleäre Innenohrschwerhörigkeit/Taubheit. Dies bedeutet, dass der Schädigungsort die Haarzellen der Hörschnecke sind. Haarzellen haben die Aufgabe, den (mechanischen) Schall umzuwandeln in elektrische Impulse für den Hörnerv. Je nachdem, wie viele Haarzellen in welchen Regionen der Hörschnecke Schäden haben, sind die Betroffenen mehr oder weniger schwerhörig oder taub. Der Usher-Syndrom-Typ-I ist eine cochleäre Hörstörung mit Taubheit (oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit). Da die Geräusche der Umwelt von den Gehörlosen nicht wahrgenommen werden, erfolgt ihre Kommunikation überwiegend in der Gebärdensprache. Die Sprache ist verwaschen bis unverständlich. Bei dem Usher-Syndrom-Typ-II ist die sprachliche Entwicklung je nach Förderung und Ausprägung der Schwerhörigkeit (fast) normal bis verwaschen. Vorhandene Sprachfehler erklären sich auch dadurch, dass harte Konsonanten (bei den hohen Tonlagen etwa 4000 Hz) und weiche Konsonanten (bei etwa 2000 Hz) nicht gehört werden. Über ein Fortschreiten der Hörstörung bei Usher-Typ-II finden sich in der Literatur widersprüchliche Publikationen. Eine aktuelle Studie der Universitäten Heidelberg und Omaha aus dem Jahr 2002 ergab stabile Hörverläufe bei einer Beobachtungsspanne von 17 Jahren 24 an 125 untersuchten Patienten. In anderen Publikationen wird von messbaren Hörverlusten berichtet. Klinisch diagnostizierte UsherTyp-II-Patienten und genetisch abgesicherte Usher-Typ-IIA-Patienten sind möglicherweise eine Erklärung für verschiedene Hörverläufe. Auch können bestimmte Mutationen im USH2A-Gen zu isolierter RP führen. Es zeichnet sich mit wachsender Kenntnis von GenotypPhänotyp-Korrelation bei den verschiedenen Usher-Genen ab, dass die jetzige Einteilung in drei Subtypen zunehmend kritisch zu betrachten ist. Der Usher-Syndrom-Typ-III ist durch progressive Innenohrschädigung gekennzeichnet. Diese erscheint als leichtgradige Schwerhörigkeit in der Kindheit und entwickelt sich zu einem mittelgradigen Hörverlust im frühen Erwachsenenalter. Über eine hochgradige Schwerhörigkeit in den 20er Jahren verlieren die Betroffenen ca. in den 40er Jahren ihr Hörvermögen. Als klinisch und genetisch einheitliches Krankheitsbild ist dieser sehr seltene Usher-Typ bisher nur in Finnland und den USA (Auswanderer-Familien) ermittelt worden. 3.4 Untersuchungsmethoden Durch audiometrische Methoden werden Art und Umfang von Hörstörungen festgestellt. Diese sind: • • • • • Tonaudiogramm Sprachaudiogramm Impedanz-Audiometrie Otoakustische Emissionen (OAE) ERA (Evoked Response Audiometry = elektrische ReaktionsAudiometrie) • Verhaltensaudiometrie (bei Kindern) • Neugeborenen-Hörscreening (Vorsorgeuntersuchung in Geburtskliniken zur Früherkennung von Hörstörungen) 25 PRO RETINA Deutschland e.V. 4. Abgrenzung von Taubheit und Schwerhörigkeit 4.1 Aus audiologischer Sicht Die Ermittlung der verschiedenen Schwerhörigkeitsgrade erfolgt mit Hilfe besonderer Tabellen aus Ton- und Sprachaudiogrammen. Das Tonaudiogramm ermittelt die Lautstärke, bei der Frequenzen gerade noch gehört werden (Tonschwelle). Das Sprachaudiogramm stellt fest, bei welcher Lautstärke verstanden wird. Dieses geschieht durch einen Zahlen- und Einsilbentest (Baum, Leim, Stuhl, etc.). Zusätzlich kann man mit diesen Ergebnissen und mit speziellen Tabellen den Hörverlust in % und die MdE / GdB ermitteln. Bei einer leichtgradigen Schwerhörigkeit liegt der mittlere Hörverlust des besseren Ohres bei nicht mehr als 40%. Es bestehen Schwierigkeiten beim Verstehen von Flüstersprache. Wenn der mittlere Hörverlust bei 40 - 60 % auf dem besseren Ohr liegt, das heißt Probleme beim Verstehen von Umgangssprache ohne Hörgeräte bestehen, spricht man von mittelgradiger Schwerhörigkeit. Hochgradige Schwerhörigkeit wird durch einen mittleren Hörverlust zwischen 60 - 80 % auf dem besseren Ohr definiert. Dabei ist ein Verstehen von Umgangssprache ohne Hörgeräte nicht mehr möglich. Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit besteht bei einem Hörverlust von 80 - 95% auf dem besseren Ohr. Von Gehörlosigkeit oder Taubheit spricht man, wenn kein nennenswertes Sprachverständnis mehr (ermittelt mit Tabellen; Hörverlust hier 100 %) vorhanden ist. 26 4.2 Versorgung mit Hörhilfen Bei Taubheit oder Innenohrschwerhörigkeit liegt der Schwerpunkt der Therapie in der apparativen Versorgung. Diese sind: • Hörgeräte (Hörsysteme) • Implantierbare Hörgeräte • Cochlear Implant (CI) 4.2.1 Hörsysteme Bei der Innenohrschwerhörigkeit ergeben sich u. a. zwei Hauptprobleme: Die Einschränkungen der Frequenztrennschärfe und die der Dynamik. Hörgeräte verstärken den Schall nicht einfach linear, sondern versuchen in den verschiedenen Frequenzen unterschiedlich stark zu verstärken. Daneben haben sie einen sog. „Peak Clipping“Mechanismus. Dies bedeutet, dass Lautstärkespitzen, welche die Schmerzschwelle erreichen, „abgeschnitten“ werden. Da die meisten Hörkurven nicht flach verlaufen, sondern schräg abfallen, genügt ein normaler „Breitbandverstärker“ dazu nicht. Für verschiedene Frequenzbänder haben Hörgeräte oft jeweils eigene Verstärker, die an den jeweils bestehenden Hörverlust angepasst werden. Mit digitalen Technologien gelingt es immer besser, auch ungewöhnliche Hörkurven gut zu versorgen, aber die Hörfläche ist und bleibt verkleinert. Besonders sorgfältig muss bei der Anpassung eines Hörgerätes vorgegangen werden. Es genügt nicht, dass die Hörsysteme mit Hilfe technischer Vorrichtungen das verbliebene Hörfeld perfekt abbilden, sondern anschließend auch dieses perfekte Signal möglichst unverändert zum Trommelfell transportieren. Der Schall geht bei den HdO-Hörgeräten den engen Weg durch das gebogene Kniestück, gefolgt vom gewundenen Schallschlauch und Gehörgang, ehe er 27 PRO RETINA Deutschland e.V. das Trommelfell erreicht. Ein Bestreben der Hörsystemtechnologie ist es, den Lautsprecher möglichst nahe an das Trommelfell zu bringen. Dies ist z.B. auch verwirklicht bei Im-Ohr-Hörgeräten. Implantierbare Hörgeräte sind sozusagen der „Goldstandard“ in Bezug auf Trommelfellnähe des Lautsprechers. Bei ihnen sitzt der Lautsprecher hinter dem Trommelfell, direkt an den Gehörknöchelchen. Es hat sich gezeigt, dass Schwerhörige, welche mit konventionellen Hörsystemen trotz akzeptabler Hörkurve nicht zurechtkommen, mit implantierbaren Hörgeräten oft eine deutliche Hörverbesserung erzielen. Bei Im-Ohr-Hörgeräten sind große Verstärkungen schwer zu realisieren. Das Phänomen des Rückkopplungspfeifens, wenn Lautsprecher und Mikrofon einander zu nahe kommen, tritt auf. Sie sind bei Im-Ohr-Geräten besonders nahe beieinander, die höchstmögliche Verstärkung ist aus diesem Grund bei ihnen begrenzt. Dies gilt vor allem für die tiefen Frequenzen; diese sind besonders „rückkopplungsfreudig“. Umgekehrt gibt es bei hohen Frequenzen besonders starke Übertragungsverluste bei den langen und gewundenen Schallschläuchen der HdO-Hörgeräte. Diesem Problem versucht man dadurch zu begegnen, dass der Durchmesser der Schallschläuche möglichst groß gewählt und dessen Ausgang vor dem Trommelfell hornartig erweitert („LIBBY-Horn“) wird. Es kann nicht oft genug betont werden, dass ein gutes Ohrpassstück ganz maßgeblich ist für einen guten Hörerfolg. Auch müssen die Schallschläuche weich sein, sonst kommt es vor allem bei den höheren Frequenzen zu unerwünschten Resonanzspitzen, welche die Verstärkungsleistung verfälschen. Nach der fachärztlichen Verordnung von Hörsystemen sind beim Hörgeräte-Akustiker unbedingt mehrere Modelle auszutesten. Die Betroffenen sollten zur Optimierung ihres Hörempfindens die Hörsysteme nach qualitativ angemessener Ausstattung (z.B. Vorhandensein von Telefonspule und Audioeingang) auswählen. 28 Zusatzgeräte mit verschiedenen Ankopplungs- und Übertragungsmöglichkeiten sind für viele Betroffene sehr wichtig, damit keine „Hörreserven“ verschenkt werden. Telefonadapter, Infrarot- oder FunkHörsets und anderes mehr bewirken, dass die Sprachsignale deutlicher ankommen. 4.2.2 Cochlear Implant (CI) Das Cochlear Implant ist eine Prothese, welche die ausgefallenen Funktionen des Innenohres ersetzt. Mit dessen Hilfe kann der Schall in ein elektrisches Signal umgewandelt und an den Hörnerv weitergeleitet werden. Das Implantat wird in den Knochen hinter dem Ohr (Felsenbein) eingesetzt. Über ein Mikrofon, getragen wie ein kleines Hörgerät, wird der Schall aufgenommen und in einem Sprachprozessor in elektrische Signale umgewandelt. Über Elektroden werden diese zum Hörnerv geleitet, wo die Weitergabe zum Gehirn erfolgt. Die CI-Träger bekommen Hörimpulse unterschiedlichster Art und müssen das Hören praktisch neu erlernen und trainieren. Je kürzer die Zeit der Taubheit war, desto höher ist der Grad des Verstehens mit dem Cochlear Implant. Erwachsene, die gehörlos geboren wurden, haben keinen bzw. nur einen sehr geringen Nutzen von einem Cochlear Implant. Sie würden mit Hilfe des CI zwar hören, nicht aber verstehen und sprechen lernen, da deren Hörbahn sich niemals zu einem später reaktivierbaren Niveau entwickeln konnte. Dagegen können seit einigen Jahren bei Feststellung von Taubheit im Säuglings- bis Kleinkindalter diese mit einem Cochlear Implant versorgt werden und erhalten somit die Chance, die Lautsprache zu erlernen. Man weiß inzwischen, dass die Phase, in der eine Implantation Erfolg verspricht, viel länger ist (etwa bis zum 6. Lebensjahr, in ausgewählten Fällen noch deutlich später). Dennoch ist festzustellen: Je früher die Implantation erfolgt, desto rascher und ausgeprägter stellt sich der Hör- und Spracherfolg ein. 29 PRO RETINA Deutschland e.V. Für Kleinkinder mit Usher-Syndrom ist die frühe Versorgung mit einem CI deshalb besonders wichtig, da die später einsetzende RP auch die Gebärdensprache stark einschränkt. Das Cochlear Implant ist in dieser Betroffenengruppe ein entscheidendes Hilfsmittel in Bezug auf das Hörvermögen. Bevor eine Implantation stattfinden kann, sind zahlreiche Voruntersuchungen in einer Fachklinik notwendig. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Operation ist in jedem Fall ein funktionsfähiger Hörnerv und das trifft in vielen Fällen zu. Festgestellt werden kann dieses nur durch einen sog. „Promontoriumstest“. Left 125 250 500 1000 Right 2000 4000 8000 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 125 250 500 125 250 500 125 250 500 Left 125 4.3 Repräsentative Usher-Syndrom-Audiogramme Left 125 250 Right 500 1000 2000 4000 8000 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 125 250 500 1000 2000 4000 8000 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 Left 125 250 Right 500 1000 2000 4000 8000 125 250 500 1000 2000 4000 8000 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 Abb. 7: Hörverlust im hochfrequenten Bereich, Usher-Typ-II 30 500 1000 4000 8000 2000 4000 8000 2000 4000 8000 Right 2000 4000 8000 Left Abb. 6: Tonaudiogramme, Usher-Typ-I 2000 1000 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 125 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 250 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 1000 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 250 500 1000 Right 2000 4000 8000 1000 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 Abb. 8: Fortschreitender Hörverlust über Jahrzehnte hinweg, Usher-Typ-III 31 PRO RETINA Deutschland e.V. 5. Forschung und Therapieversuche anamnestische Daten und klinische Befunde. Für Familienuntersuchungen sind außerdem Blutproben von Familienmitgliedern, der Eltern und Geschwister notwendig. 5.1 Ziele der Forschung Bei einem großen Teil der Usher-Syndrom-Betroffenen gelingt es bereits heute, die zugrundeliegende DNA-Veränderung nachzuweisen. Kopplungsanalysen * in größeren Familien können auf den jeweils gesuchten Genort hinweisen. Die Usher-Syndrom-Forschung hat als Ziel vor Augen: • Die Gene in der Erbsubstanz des Menschen, die für die Entwicklung von Auge und Ohr von Bedeutung sind und in denen Veränderungen zur Manifestation des Usher-Syndroms führen, zu finden. • Den krankheitsverursachenden Mechanismus der Genveränderungen, die zur Ausprägung des Krankheitsbildes führen, zu erarbeiten, um • damit die Zusammenhänge zwischen der Hörschädigung und der erst später eintretenden Sehbehinderung aufzuzeigen. • Hilfe für die Familienplanung im Sinne einer umfangreichen, individuellen Information zu geben. • Letztlich ursachenbezogene Therapien zu entwickeln. 5.2 Stand der Forschung 5.2.1 Identifizierung der Gene Für die Usher-Syndrom-Typen-I, II und III wurden bis jetzt insgesamt 11 Genorte gefunden bzw. 8 Gene identifiziert. Die Forschung ist auch künftig damit beschäftigt, Familien mit Betroffenen weitere Genorte bzw. Untergruppen der einzelnen Formen zuzuordnen. Zu diesem Zweck wird eine Vielzahl von DNA-Proben untersucht. Damit kann die klinische Diagnose abgesichert und eine genaue molekulargenetische Einteilung erreicht werden. Neben Blutproben von Patienten benötigt man dabei einen Stammbaum der Familie, 32 Seit einigen Jahren werden DNA-Banken mit Hilfe von PRO RETINA Deutschland e.V. und anderen internationalen RP-Vereinigungen eingerichtet. Mit dem dort gesammelten Blut von seltenen Netzhauterkrankungen kann die Forschung bestimmten Fragestellungen anhand einer großen Gruppe Betroffener nachgehen. 5.3 Molekulargenetik 5.3.1 Molekulargenetische Untersuchungen In der Molekulargenetik wurden in den letzten Jahren Techniken entwickelt, die es ermöglichen, DNA-Abschnitte für Untersuchungen leichter zugänglich zu machen (PCR = Polymerase Chain Reaktion) und zu vervielfältigen. So ist es durch Vergleich mit anderem Erbmaterial möglich, Veränderungen festzustellen. Die grobe Einteilung der verschiedenen Usher-Syndrome in Typ I, II oder III geschieht aufgrund des ärztlichen Befundes. Genauere Diagnosen (Typ 1A, 1B usw.) können nur durch molekulargenetische Analysen gestellt werden, zumal sich gezeigt hat, dass Mutationen in USH1-Genen atypische/milde Usher-Formen verursachen können, die klinisch eher Typ II entsprechen. * Bei diesen versucht man herauszufinden, auf welchem Chromosom und in welcher Region das veränderte, krankheitsverursachende Gen liegt. 33 PRO RETINA Deutschland e.V. Myosin VIIA war das erste Usher-Gen (USH1B) das identifiziert wurde. Das Myosin VIIA-Protein ist essentiell für die embryonale Entwicklung der Haarzellen des Innenohres und für die Aufrechterhaltung der Funktion der Photorezeptoren der Netzhaut notwendig. Mittlerweile wurden drei bzw. fünf weitere Gene bzw. Proteine für USH1- und USH2-Formen entdeckt: Harmonin (USH1C) organisiert vermutlich die Funktion einer ganzen Reihe anderer Proteine in der Zellmembran. Bei Cadherin-23 und Protocadherin-15 handelt es sich um Zelladhäsions(Verbindungs-)proteine. Während die Schädigung des Innenohres vermutlich auf einen Ausfall dieser Verbindungsfunktion zurückzuführen ist, ist ihre Aufgabe in der Netzhaut noch nicht verstanden. Die genetische Forschung hat uns gezeigt, dass Veränderungen verschiedener Gene zum Usher-Syndrom führen. Dies erklärt das uneinheitliche Vorkommen und den variablen Verlauf der Krankheit. 5.3.2 Probleme der genetischen Untersuchungen Wie bereits erwähnt, zeigt sich ein klinisch und genetisch uneinheitliches Krankheitsbild mit verschiedenen Ausprägungsgraden. Bis heute ist noch wenig erforscht, welchen Einfluss auf den Hörund Sehvorgang diese Veränderungen an unterschiedlichen Stellen auf verschiedenen Chromosomen haben. In den letzten Jahren konnten allerdings zahlreiche Usher-Gene identifiziert werden (s. Tabelle 5.4). Eine routinemäßige Diagnostik ist jedoch aufgrund der Größe dieser Gene zeitlich und finanziell zurzeit nicht zu leisten. Es besteht aber Hoffnung, dass sich dies im Zuge der Entwicklung neuer Verfahren (Mutations-Chip-Diagnostik etc.) in absehbarer Zeit ändern könnte. Eine Ausnahme stellt das USH2A-Gen dar: Defekte in diesem Gen sind für einen Großteil der Usher-Typ-II-Fälle verantwortlich. Der immense Fortschritt bei der Aufdeckung der genetischen Ursachen für das Usher-Syndrom wird das Verständnis für die pathogenetischen Ursachen der Erkrankung grundlegend erweitern – was Hoffnung gibt auf eine bessere Diagnostik und eventuelle Therapieansätze. Da das Usher-Syndrom autosomal-rezessiv vererbt wird, tritt es in der Regel innerhalb einer Generation auf. Um relevante Gene zu lokalisieren, ist es aber vorteilhaft, Großfamilien mit Betroffenen in mehreren Generationen zu untersuchen. Eine andere Möglichkeit hierzu bietet die Familienuntersuchung in Bevölkerungsgruppen, in denen Verwandtenehen häufig sind. Ein weiteres Problem der genetischen Forschung ist die Vielzahl der menschlichen Erbanlagen, die auf die Chromosomen verteilt sind. Man schätzt sie auf 30.000 - 50.000. Die Chromosomen sind der Größe nach durchnummeriert und nach bestimmten Anfärbungen in Abschnitte aufgeteilt. Einzelne Genorte müssen dann „abgelesen“ und entschlüsselt werden. Es sind noch nicht alle Gene gefunden worden, durch die das Usher-Syndrom ausgelöst wird. 34 35 PRO RETINA Deutschland e.V. 5.4 Bisher gefundene Gene / Genorte Genort Chromosom Gen Literaturstelle USH1A 14q32 unbekannt Kaplan et al., 1992 USH1B 11q13.5 MYO7A Weil et al., 1995 USH1C 11p15.1 Harmonin Verpy et al., 2000 USH1D 10q21 CDH23 Bolz et al., 2001 USH1E 21q unbekannt Chaib et al., 1997 USH1F 10q PCDH15 Alagramam et al., 2001; Ahmed et al., 2001 USH1G 17q24-q25 SANS Weil et al, 2003 USH2A 1q41 USH2A Eudy et al., 1998 USH2B 3p23-p24.2 unbekannt Dahl et al., 1998 USH2C 5q14.3-q21.3 VLGR1 Weston et al, 2004 USH3A 3q21-q25 USH3 Joensuu et al., 2001 5.5 Therapieversuche Da eine ursächliche Therapie noch nicht vorhanden ist, sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, ein Maximum des jeweiligen Hör- und Sehvermögens zu erreichen: • Eine optimale und beidohrige Hörgeräteversorgung, welche genau an die Hörschädigung angepasst wird, ist unbedingt erforderlich. • Weitere hörtechnische Zusatzgeräte wie Telefonverstärker, FMund Infrarotanlagen, Blitz- und Vibrationsmelder etc. sind wichtig. • Für die meist schon früh auftretende Nachtblindheit empfehlen sich Halogen-Taschenlampen. Das veränderte Dämmerungssehen lässt sich durch ausreichende, gleichmäßige Beleuchtung (möglichst dimmbar) und spezielle Arbeitsplatzlampen ausgleichen. 36 • Eine Verbesserung des Kontrastsehens und eine Herabsetzung der Blendung kann durch spezielle Lichtschutzgläser (Kantenfilter) erreicht werden. • Optische und opto-elektronische Sehhilfen können dazu beitragen, die jeweilige Sehschwäche auszugleichen. • Bei stark eingeschränktem Gesichtsfeld und Orientierungsproblemen empfiehlt sich zur Erhöhung der Sicherheit und Selbständigkeit ein Orientierungs- und Mobilitätstraining (O&M) mit dem Langstock. • Es bestehen Möglichkeiten, sich mit weiteren blindenspezifischen Fähigkeiten vertraut zu machen. Zum Beispiel mit Lebenspraktischen Fertigkeiten (LPF), der Punktschrift (Braille) oder dem Lormen (Tastalphabet), welches insbesondere bei taubblinden Menschen angewandt wird. 5.5.1 Gentherapie Bei der Gentherapie versucht man die veränderten Krankheitsgene durch intakte zu ersetzen, um ein Ausbrechen der Krankheit zu verhindern oder das Fortschreiten aufzuhalten. Wie weit fortgeschritten der retinale Degenerationsprozess sein darf, um von einer Gentherapie noch profitieren zu können, ist derzeit noch völlig unklar. Ein direktes Einschleusen von therapeutischen Genen in die Netzhaut und die Sehzellen ist möglich. Hierzu muss allerdings der genetische Defekt bekannt sein und Techniken zur Einschleusung der unveränderten Gene entwickelt werden. Auch in der Ohrenheilkunde befinden sich gentherapeutische Ansätze im Stadium der Grundlagenforschung. Mit einer Gentherapie wäre eine echte Heilung möglich, alle folgend genannten Therapieansätze laufen mehr oder weniger auf eine Verlangsamung der Netzhauterkrankung hinaus. 37 PRO RETINA Deutschland e.V. 5.5.2 Transplantationen 5.5.5 Fettsäurestudie Bisher gelang dies für einige Zelltypen der Netzhaut. Schwieriger ist die Transplantation von Photorezeptoren. Es gibt noch keine überzeugenden Hinweise, dass sich die transplantierten Zellen mit dem neuronalen Netzwerk und dem Gehirn in Verbindung gesetzt haben. Die Hoffnung liegt weiterhin bei der Transplantation von Stammzellen. Ausführliche Informationen zur RP-Forschung im Kapitel 6 der Pro Retina-Broschüre: Retinitis pigmentosa, was ist das? An der Universitäts-Augenklinik Heidelberg wurden Laboruntersuchungen begonnen, die die Bedeutung der Blutfette bei UsherSyndrom-Betroffenen klären sollen. In verschiedenen Studien wurde festgestellt, dass gewisse Fettsäuren bei RP und besonders bei Patienten mit Usher-Syndrom deutlich reduziert sind. Besonders die Fettsäure Dexahecosaen (DHA) scheint dabei eine große Rolle zu spielen. Gegebenenfalls kann diese Entdeckung Voraussetzungen für eine medikamentöse Therapie schaffen. 5.5.3 Ernährungszusätze 5.5.6 Weitere Therapieansätze Zum Einfluss von Nahrungsergänzungsmitteln (Vitamin A, DHA, Zeaxanthin etc.) auf den Verlauf der RP existieren eine Reihe von Ergebnissen. Trotz positiver Hinweise sind die Ergebnisse nicht so überzeugend. Eine vitaminreiche gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse ist zu empfehlen. Das Rauchen und bestimmte Medikamente können die Netzhaut und /oder das Innenohr zusätzlich schädigen. (Siehe Retina aktuell Nr. 91, Seite 26) Diese sind durchblutungsfördernde und gefäßerweiternde Medikamente sowie biogene Stimulatoren (Frischzellen, Plazenta, Implantationen), Sauerstoff- und Eigenblutbehandlung, Akupunktur, KubaTherapie und anderes mehr. Im Pro Retina Forschungsbericht 2000 werden alle Therapieansätze und ihre Hypothesen ausführlich beschrieben. 5.6 Retina Implant 5.5.4 Vitamin A Prof. Berson hat durch langjährige Untersuchungen an RP-Patienten ein erfolgversprechendes Ergebnis vorgelegt. Er versorgte die Betroffenen mit verschiedenen Dosen von Vitamin A und E. Daraus ergab sich, dass die Erwachsenen, die täglich eine Dosis von 15.000 internationalen Einheiten (I. E.) Vitamin-A-Palmitat (RetinylPalmitat) einnahmen, ein um etwa 20 % verringertes Fortschreiten der Sehschädigung aufwiesen. (Siehe Pro Retina-Sonderdruck: Vitamin A) 38 In Deutschland wurde 1995 die Entwicklung einer Sehprothese eingeleitet, welche zwei verschiedene technische Realisierungen verfolgt: 1. Das EPI-RET-Projekt unter der Leitung von Prof. Dr. R. Eckmiller der Universität Bonn (Implantation einer mit Mikroelektroden besetzten Kontaktfolie auf der Netzhaut). 2. Das SUB-RET-Projekt unter der Leitung von Prof. Dr. E. Zrenner der Universität Tübingen (Implantation eines Photodioden-Arrays unter der Netzhaut). 39 PRO RETINA Deutschland e.V. Weitere Implantat-Ansätze werden in Japan, Australien, Korea und Belgien verfolgt, die allerdings bisher noch keine Testversuche mit erblindeten RP-Patienten durchgeführt haben. In den USA und in Deutschland konnten in dieser Hinsicht durch unternehmerische Aktivitäten verschiedener Industrie- Firmen erste bedeutende Erfolge erreicht werden. Beide Aktivitäten konzentrieren sich dabei auf die epiretinale Positionierung des Implantates auf der Netzhaut, allerdings mit unterschiedlichen Konzepten. Die Forschungsgruppen möchten erblindeten RP-Betroffenen eine verbesserte Orientierung und ein Erkennen von Objekten in vertrauter Umgebung möglich machen. 6. Spezielle Probleme der Usher-Syndrom-Betroffenen Im Jahr 2004 hat die Firma IIP-Technologies, Bonn eine erste multizentrische Studie mehrerer Kliniken in Deutschland und Österreich durchgeführt. Hierbei wurde an 20 erblindeten RP-Patienten in einem Akutversuch für ca. 45 Minuten ein Implantat an die Netzhaut angelegt. Bei dieser Studie wurden elementar wichtige Erkenntnisse für die weitere Retina Implant-Entwicklung gewonnen. Im Jahr 2005 soll mit einer breiten klinischen Studie begonnen werden, welche durch Industrie-Unternehmen ermöglicht wird. Hierbei soll ein Gesamtprodukt mit einer auf Dauer angelegten Implantation der Kontaktfolie erprobt werden. Treten Gesichtsfeldeinschränkung und Nachtblindheit hinzu, kommen weitere große Missverständnisse infolge des Widerspruchs zwischen ihrer scheinbaren Normalität und ihrem irritierenden Verhalten auf (z.B. in Fußgängerzonen, beim Durchschreiten eines Restaurants, in der Dunkelheit beim Stolpern über Randsteine). Bei dem SUB-RET-Projekt mit der Firma Retina Implant AG, Tübingen sind auch für das Jahr 2005 erste klinische Erprobungen für ihr entwickeltes Retina Implant vorgesehen. Regelmäßige Informationen über neue Ergebnisse der Forschung erhalten Sie durch die Mitgliederzeitschrift „Retina aktuell“. Jährlich veranstaltet die Pro Retina ein Seminar für Usher-Syndrom-Betroffene. Besuchen Sie uns im Internet http://usher.pro-retina.de 40 Diese im anfänglichen Krankheitsstadium „unsichtbare“ DoppelBehinderung kann von Außenstehenden nicht sofort erkannt werden und auch die Betroffenen selbst können das ganze Ausmaß ihres Handicaps nicht ausmachen. Wegen der Hör- und Sprachbarrieren wird das Verhalten des hörgeschädigten Menschen bereits im Kindesalter als launisch, unhöflich und arrogant interpretiert. Im dauernden Widerstreit des scheinbar normalen Bildes nach Außen und des zuweilen unerklärlichen Fehlverhaltens, kann es zur wachsenden Abkehr und Abwehr (Selbstisolierung) der Betroffenen kommen, häufig schon bevor eine genaue Diagnose gestellt wurde. Hörgeschädigte sind für die Kommunikation verstärkt auf ihr Sehvermögen angewiesen (Augenmenschen). Lässt dieses im weiteren Krankheitsverlauf der RP jedoch nach, wird es für die Betroffenen zunehmend schwieriger, beispielsweise vom Mundbild der Gesprächspartner abzulesen, Körper- und Gebärdensprache wahrzunehmen. Das Ablesen funktioniert nur, wenn das angeschaute Gesicht des Gegenübers gut zu erkennen ist. Dieses ist den Betroffenen nur bei optimalen Lichtverhältnissen möglich. Häufig brauchen sie auch eine Bestätigung, ob sie bei einem Gespräch überhaupt alles richtig verstanden haben. 41 PRO RETINA Deutschland e.V. Dazu kommen teilweise noch mühseliges, notwendiges Wiederholen der eigenen und fremden Worte und kraftraubende Umgebungswechsel. All dies wirkt sich in rasch abnehmende Konzentrationsfähigkeit aus, so dass die Betroffenen sehr viel kompensatorische Energien aufwenden müssen. Dabei spielt ihr Bedürfnis nach sozialen Gemeinschaften und Vereinen eine wichtige Rolle, um Freundschaften aufzubauen. Mit der zunehmenden Sehbehinderung fühlen sich die Betroffenen stark in ihren sozialen Kontakten eingeschränkt. Die Gelegenheiten, Leute zu treffen und kennen zu lernen sowie Freundschaften zu schließen, werden immer seltener. 6.1 Reaktion von Angehörigen Die Mitteilung der Diagnose Usher-Syndrom bereitet auch den Angehörigen der Betroffenen viele Probleme. Für die Eltern war schon die frühe Hörschädigung ihres Kindes eine große Erschwernis. Sie haben Jahre damit verbracht, sich um die Sprachentwicklung, das Ablesen vom Mundbild und um geeignete Hörhilfen zu kümmern. Jetzt kommt noch zusätzlich ein weiteres Handicap hinzu. Sie erleben erneut einen Schock, den es wieder zu überwinden gilt. Bei der ärztlichen Mitteilung einer möglichen Erblindung wird häufig übersehen, dass bei Retinitis pigmentosa noch über einen langen Zeitraum verwertbare Sehreste vorhanden bleiben. Andererseits wird ignoriert, dass vielleicht nur noch 10 Grad des Gesichtsfeldes intakt sind. Dadurch kann es kommen, dass unpassend auf die praktischen und emotionalen Bedürfnisse des Kindes /Jugendlichen eingegangen wird. Die Eltern suchen oftmals nach möglichen Behandlungsmaßnahmen. Sie investieren viel Zeit, Hoffnung und Geld, um vielversprechende 42 Heilmethoden auszuprobieren. Dabei können die wahren Bedürfnisse des Kindes völlig in Vergessenheit geraten. „Nur indem sie ihrem Kind einen sicheren und liebevollen Rückhalt schaffen, worin es sich entwickeln kann, werden sie das bieten, was es nötig hat, um seine Zukunft sicher meistern zu können“. (Mary Guest, London) Viele Familien wollen die Realität oft nicht wahrhaben und es kommt zur Tabuisierung des Themas. Die konkreten Auswirkungen des UsherSyndroms sollten sich immer wieder bewusst gemacht werden. Für ein möglichst reibungsfreies Zusammenleben in der Familie oder Partnerschaft gilt es geeignete Kommunikationsformen auszuwählen und Hilfestellungen zu geben. Im häuslichen Bereich wären dies: die Laufwege freihalten und Gegenstände (Stühle, Bücher, Küchengeräte etc.) an den immer gleichen Platz zu stellen. In unbekannter Umgebung muss Orientierungshilfe gegeben werden oder die Betroffenen werden geführt. 6.2 Ausbildung und Berufsberatung Erfolgt die Diagnosestellung vor oder während der Schulzeit, ist die Schule über das Usher-Syndrom des Kindes zu informieren. Sie benötigt dann umfassende Informationen über das Krankheitsbild und mögliche Hilfsmittel wie Sehhilfen und Beleuchtung. Das Problem der Berufswahl versucht man heutzutage überwiegend durch Computer-Arbeitsplätze zu lösen. Auch Berufsbilder aus dem sozialen Bereich, wie z.B. Physiotherapeut, sind denkbar. Berufe, die das Autofahren nötig machen oder die Betroffenen und andere Personen in Gefahr bringen könnten, sind ungeeignet. In den meisten Fällen ist es jedoch so, dass die Betroffenen eine hörgeschädigtenspezifische schulische und berufliche Ausbildung hatten und 43 PRO RETINA Deutschland e.V. erst zwischen dem 25. und 45. Lebensjahr die Sehprobleme gravierend wahrgenommen werden. 6.4 Handlungsmöglichkeiten Daher kann es bei der weiteren Berufsausübung mit einer zusätzlich fortschreitenden Sehbehinderung zu Problemen führen. Hier ist abzuklären, ob durch Maßnahmen über die Hilfe für Behinderte im Beruf der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden oder über berufsfördernde Leistungen eine Neuorientierung und Wiedereingliederung ins Berufsleben erfolgen kann. Unerlässlich für das Schaffen von guten Förderbedingungen ist eine frühe Diagnosestellung. Dies kann aber nur erfolgen, wenn das Fachpersonal in der Vorschul- und Schulzeit hörgeschädigte Kinder beobachtet und über mögliche zusätzliche Krankheitsbilder informiert ist. Zu diesem Zweck wurden auch Fragebögen entwickelt, die in den USA und in der Gehörlosenschule St. Michielsgestel in den Niederlanden seit Jahren angewandt werden. Es ist notwendig, den in Deutschland ausgearbeiteten Fragebogen (siehe HÖRPÄD 5 /2002), umgehend an unseren Förderschulen einzuführen. 6.3 Psychologische Beratung Möglicherweise wird ein Mensch mit Usher-Syndrom Hilfen durch Therapeuten oder Psychologen in Anspruch nehmen müssen. Die psychologische Begleitung der Betroffenen muss deren Akzeptanz und Bewältigung ihrer Doppel-Sinnesbehinderung sowie die Stärkung ihres Selbstwertgefühls zum Ziel haben. Eine große Erleichterung kann es auch sein, Gleichbetroffene zu finden und zu kennen. Das Wissen, nicht alleine mit den Schwierigkeiten zu sein, darüber reden zu können und „verstanden“ zu werden, ist tröstlich und hilfreich bei der täglichen Lebensbewältigung. Zusammenfassend kann gesagt werden: Speziell für Menschen mit Usher-Syndrom gilt, dass so früh wie möglich mit Rehabilitation begonnen werden sollte. Richtig informierte und aufgeklärte Betroffene zeigen mehr Gelassenheit und Bereitschaft, sich von ihren Nöten und Ängsten abzuwenden und sich für konstruktive Blickrichtungen zu öffnen. Die psychische Stabilisierung sollte auch durch das Erlernen von behinderungsspezifischen Fähigkeiten für eine größere Selbstständigkeit und damit einer Stärkung des Selbstwertgefühls angestrebt werden. (Siehe Pro Retina-Sonderdruck: Soziale und psychische Aspekte des Usher-Syndroms) 44 Hauptsymptome wie Nachtblindheit, Blendempfindlichkeit, Gleichgewichtsstörungen sollten aufmerksam machen und umgehend augenärztlich abgeklärt werden. Spezialisten, die hörgeschädigte Kinder betreuen, sollten wissen, dass angeborene Hörschädigungen zur Risikogruppe Usher-Syndrom gehören. Neben den üblichen Schuluntersuchungen sollten in Sonderschulen für Hörgeschädigte Untersuchungen nicht nur des Visus, sondern auch des Gesichtsfeldes gemacht werden. Auch die HNO-Ärzte können bei Verdacht auf eine erbliche Hörstörung durch eine erweiterte Patientenbefragung (Anamnese) zu Sehproblemen wie Nachtblindheit etc. sehr zur Früherkennung eines Usher-Syndroms beitragen. Fehlende Kenntnisse unter Fachpersonen sind immer noch vorhanden. Eine frühe Diagnostik und mit dem Krankheitsbild vertraute Personen sind daher besonders wichtig. Nur so ist eine optimale Förderung der Betroffenen möglich und sowohl in klinischer als auch in wissenschaftlicher Hinsicht ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Augen- und HNO-Ärzten, Humangenetikern, Pädaudiologen, Pädagogen, Berufsberatern und anderen Fachpersonen. 45 PRO RETINA Deutschland e.V. Bei der Diagnosestellung ist es sehr wichtig, dass die Betroffenen richtig und umfassend über das Usher-Syndrom aufgeklärt werden. Es sollte genügend Zeit zur Verfügung stehen, wenn nötig ein Dolmetscher oder andere geeignete Kommunikationshilfen, damit alle Fragen und Zusammenhänge geklärt werden können. Den Betroffenen sollen Kontakte, beispielsweise Patientenselbsthilfe mit deren Beratungsmöglichkeiten vermittelt werden. Diese Broschüre soll den Usher-Syndrom-Betroffenen außer medizinischen Informationen auch Zuversicht geben, auf neue Lernprozesse aktiv einzugehen. Sie möge Verständnis vermitteln, dass die Betroffenen als vollwertige und selbstständige Menschen anerkannt werden, deren Leben es wert ist, gelebt zu werden. 7.2 Was wir tun In der Forschung: Wir unterstützen die Forschung durch finanzielle Mittel – allein in den Jahren 1996 bis 2004 waren es mehr als Euro 800.000. Wir regen selbst Forschungsprojekte an und tragen zur Anregung und Auswertung von Therapieversuchen bei. Wir vermitteln direkte Kontakte zwischen Betroffenen, Ärzten und Wissenschaftlern, um neue Erkenntnisse über Netzhautdegenerationen zu ermöglichen und organisieren „Patientensymposien“ in Zusammenarbeit mit wechselnden Universitäts-Augenkliniken. Wir unterstützen nationale und internationale Seminare und Konferenzen. 7. Die PRO RETINA Deutschland e.V. 7.1 Wer wir sind PRO RETINA Deutschland e.V. wurde 1977 als „Deutsche Retinitis Pigmentosa-Vereinigung“ von Betroffenen und deren Angehörigen mit der Absicht gegründet, sich selbst zu helfen. Jedes Mitglied kann sich einer der heute bestehenden 60 Regionalgruppen anschließen, die über das ganze Bundesgebiet verteilt sind. Wir haben zur Zeit (2004) ca. 6.000 Mitglieder. Der Vorstand, die Ansprechpartner, Sozialberater, Regionalgruppenleiter und alle Aktiven arbeiten ehrenamtlich, so dass die Verwaltungskosten gering bleiben. Unsere Vereinigung verfolgt durch Förderung der gegenseitigen Patientenhilfe und der wissenschaftlichen Forschung gemeinnützige Zwecke im Sinne des Steuerrechts. 46 In der Selbsthilfe: Wir treffen uns regelmäßig in kleineren und größeren Gruppen und ermöglichen die Kommunikation der Betroffenen über soziale, berufliche und private Probleme. Wir informieren, beraten und leisten praktische Hilfe für die Betroffenen und deren Angehörigen. Wir veranstalten jedes Jahr eine bundesweite Mitgliederversammlung mit Informationen, Fachreferaten und Arbeitskreisen. Wir haben Ansprechpartner, die in einzelnen Problembereichen beraten oder entsprechende Kontakte vermitteln können. Solche Bereiche sind z.B.: • Therapieversuche (z.B. durch Organisationen von Therapiegruppen, Fragebogenaktionen, Expertenanhörungen) • technische Hilfen und deren Beschaffung (optische und elektronische Hilfsmittel, Hörhilfen) 47 PRO RETINA Deutschland e.V. • Arbeitskreise für die verschiedenen Krankheitsgruppen • soziale und wirtschaftliche Probleme (Renten, Schwerbehindertenausweis, Blindenhilfe, Vergünstigungen) • berufliche Probleme (berufliche Rehabilitation, Fürsorgepflicht des Arbeitgebers) • psychische und medizinische Probleme (Kontakte und Gespräche mit anderen Betroffenen, Adressen von medizinischen Einrichtungen) In der Öffentlichkeitsarbeit: 8. Soziale und andere Hilfen / Adressen – Ansprechpartnerin Usher-Syndrom Rosemarie Große-Wilde Bremer Straße 15, 90765 Fürth Tel. / Fax: 09 11 - 7 90 61 26 Internet: http://usher.pro-retina.de Wir geben Informationsbroschüren heraus über • den Stand der Forschung • die verschiedenen Netzhauterkrankungen • die möglichen Hilfsmittel, u. a. In unserem Mitteilungsblatt „Retina aktuell“ und in der monatlichen Kassetten-Zeitung „Retina-Gespräch“ informieren wir laufend über Neues auf den Gebieten der Netzhautforschung, Sozialrecht, Hilfsmittel u. a.; auch über das Internet sind wir zu erreichen. Wir wirken in der Öffentlichkeit, um über Netzhautdegenerationen und deren Folgen für die Betroffenen aufzuklären und um das Verständnis für die Sehbehinderten und Blinden zu vergrößern. Wir bemühen uns um Mobilitätserleichterungen durch kontrastreiches Design im öffentlichen Raum. Wir versuchen, den Zugang zu Informationen trotz Hörsehbehinderung zu erleichtern. Bedenken Sie aber: Wir sind keine Service-Organisation, sondern eine Selbsthilfevereinigung, die von der aktiven Mitarbeit ihrer Mitglieder getragen wird. Wir sind auf Ihre Hilfe und Mitarbeit angewiesen. 48 – Soziale Hilfen Menschen mit Usher-Syndrom müssen sich bei Fortschreiten der Sehbehinderung häufig auf neue Gegebenheiten als Hörsehbehinderte sowie Lebenssituationen einstellen. Das Schwerbehindertengesetz, andere zahlreiche Gesetze und Verordnungen regeln gewisse Nachteilsausgleiche. Bei der vorgenannten Usher-Ansprechpartnerin und bei den regionalen Beratern für soziale Fragen können unsere Mitglieder beraten werden. Eine Adressenliste der regionalen und fachlichen Berater der Pro Retina finden Sie im Anhang unserer Sozialboschüre. Von allen werden Sie ehrenamtlich, individuell und vertraulich beraten. – Psychologische Beratung In der Pro Retina besteht für ihre Mitglieder eine psychologische Beratung per Telefon. Ziel dieses Angebotes ist es, von degenerativen Netzhauterkrankungen betroffenen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich über ihre psychischen Probleme auszusprechen und „Erste Hilfe“ zu bekommen. Neben den Betroffenen sind auch deren Angehörige mit diesem Angebot angesprochen. Die telefonische 49 PRO RETINA Deutschland e.V. Beratung kann natürlich keine Psychotherapie ersetzen. Vielmehr soll sie den Betroffenen in akuten Problemsituationen helfen, mögliche Ansätze zur Problemlösung zu erkennen und sich am Wohnort weiterführende psychologische Begleitung zu suchen. Daneben können auch Auskünfte praktischer Ärzte gegeben werden, z.B. über den Weg zur kassenfinanzierten Psychotherapie oder Informationen über verschiedene Therapieformen. Ansprechpartner: Arbeitskreis Psychologie: Wolfgang P. Rehmert, Bayreuth Tel.: 09 21-7 93 08 69 Cordula von Brandis-Stiehl, Marburg Tel.: 0 64 21- 68 60 08 – Hilfsmittel Unsere Hilfsmittelbroschüre bietet Ihnen eine umfassende Einführung in die Hilfsmittel für Sehbehinderte und Blinde. Das Hilfsmittelangebot im EDV-Bereich ist in der Broschüre „HIMILIS“ zusammengestellt. Weitere Informationen zu optischen und elektronischen Hilfsmitteln: Ansprechpartner: Dr. Konrad Gerull, Bielefeld Tel.: 05 21 -10 54 53, Fax: 05 21 -16 32 13 50 Kooperationen / Verbände • Fördermittel zur ausschließlichen Erforschung des Usher-Syndroms zu gewinnen, ist der Zweck des Fördervereins: Forschung contra Blindheit – Initiative Usher-Syndrom – 114 North End House, Fitzjames Avenue London W14 ORY, GB Tel.: 0044 - 207 602 1031, Fax: 0044 - 207 371 3082 E-Mail: [email protected] / Internet: www.UsherNet.org Kontaktperson in Deutschland: Prof. Dr. Gert König, Wendelinusstraße 9, 36093 Künzell Tel.: 06 61- 30 24 56, Fax: 06 61- 9 33 76 42 E-Mail: [email protected] • Bildungszentrum für Taubblinde Albert-Schweitzer-Hof 27, 30559 Hannover Tel.: 05 11- 5 10 08- 0, Fax: 05 11- 5 10 08- 57 E-Mail: [email protected] Internet: www.Taubblindenwerk.de • Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. Rungestraße 19, 10179 Berlin Tel.: 0 30 - 28 53 87-0, Fax: 0 30 - 28 53 87-20 E-Mail: [email protected] / Internet: www.dbsv.org • Deutsche Cochlear Implant Gesellschaft e.V. Rosenstraße 6, 89257 Illertissen Tel.: 0 73 03 - 39 55, Fax: 0 73 03 - 4 39 98 E-Mail: [email protected] / Internet: www.dcig.de 51 PRO RETINA Deutschland e.V. • Deutscher Gehörlosenbund e. V. – Fachausschuss Hörsehbehinderung / Taubblindheit – Hasseer Straße 47, 24113 Kiel Tel.: 04 31- 6 43 44 68, Fax: 04 31- 6 43 44 93 E-Mail: [email protected] Internet: www.gehoerlosen-bund.de • Deutscher Schwerhörigenverband e.V. Breite Str. 23, 13187 Berlin Tel.: 0 30 - 47 54 11 14, Fax: 0 30 - 47 54 11 16 E-Mail: [email protected] Internet: www.schwerhoerigkeit.de • Deutsche Tinnitus-Liga e.V. Postfach 210351, 42353 Wuppertal Tel.: 02 02 - 2 46 52- 0, Fax: 02 02 - 2 46 52- 20 E-Mail: [email protected] / Internet: www.tinnitus-liga.de • Hannoversche-Cochlear-Implant-Gesellschaft e.V. c/o Hörzentrum der MHH, Karl-Wiechert-Allee 3, 30625 Hannover Internet: www.hcig.de 9. Veröffentlichungen der Pro Retina Euro Usher-Syndrom – Was ist das? Pro Retina-Infoserie Nr. 4 DIN A5, 56 Seiten 5,- Retinitis Pigmentosa (RP) – Was ist das? Pro Retina-Infoserie Nr. 0 DIN A5, 72 Seiten (diese Broschüre ist auch in Punktschrift erhältlich) 5,- Makuladegeneration (MD) – Was ist das? Pro Retina-Infoserie Nr. 9 DIN A5, 48 Seiten 5,- Bardet-Biedl-Syndrom Pro Retina-Infoserie Nr. 5 A5, 32 Seiten Vitamin A Empfehlungen zur Vitamin-A-Einnahme; Zrenner, Prof. Dr. E. kostenlos Soziale und psychische Aspekte des Usher-Syndroms Pro Retina-Sonderdruck Nr. 110, DIN A4, 24 Seiten 52 2,50 Sozialbroschüre Pro Retina-Infoserie Nr. 2 DIN A4, 50 Seiten 5,- Jugendbroschüre Pro Retina-Infoserie Nr. 16 DIN A4, 52 Seiten 5,- 53 PRO RETINA DEUTSCHLAND e. V. Selbsthilfevereinigung von Menschen mit Netzhautdegenerationen Euro Hilfsmittel-Broschüre Pro Retina-Infoserie Nr. 16 DIN A4, 48 Seiten 5,- HIMILIS – Elektronische Hilfsmittel für Sehbehinderte und Blinde Pro Retina-Infoserie Nr. 11 DIN A4, 55 Seiten 5.- An die Pro Retina Deutschland e. V. Geschäftsstelle Vaalser Straße 108 52074 Aachen Beitrittserklärung Ich erkläre hiermit meinen Beitritt zur Pro Retina Deutschland e. V. als Vollmitglied (Betroffene) (Eltern von betroffenen Kindern/Jugendlichen) Familienmitglied (Angehörige von betroffenen Mitgliedern) förderndes Mitglied SATIS – Software und Allerlei Tipps und Tricks zur Informationsverarbeitung durch Sehbehinderte Pro Retina-Infoserie Nr. 7 Broschüre DIN A4, 160 Seiten und 7 Disketten (Im Internet kostenlos zu kopieren) 20,- Retina-aktuell Pro Retina-Zeitschrift, (erscheint vierteljährlich) DIN A4, 56 Seiten – auch auf Kassette erhältlich. 10,- Name: Tätigkeit: Straße: PLZ/Wohnort: Tel.-Nr.: Geb.-Datum: Ergänzende Angaben: Retinitis-Pigmentosa-Form ___________________ RP-Form unbekannt Altersabhängige Makula-Degeneration Makuladegeneration Usher-Syndrom Ich wünsche die Zeitschrift „Retina Aktuell“ in Schwarzschrift auf Kassette Ich möchte gerne örtlich/regional/überregional ehrenamtlich mithelfen. Der Mitgliedsbeitrag beträgt pro Jahr für: Vollmitglieder € 45,–/Familienmitglieder € 20,–/fördernde Mitglieder mind. € 35,–. (Wir bitten um Verständnis, dass wir eine Familienmitgliedschaft nur dann akzeptieren können, wenn die/der Betroffene selbst Mitglied ist.) Scientific Newsletter zu erblichen Netzhautdegenerationen Internet: http://www.retina-international.org/sci-news/ Für Kassette und Versandmaterial bitten wir um eine einmalige Spende von € 10,–. Ich bitte um Abruf des Betrages von € 16,- von meinem Konto bei der , (BLZ ), Kto.-Nr.: Mitgliedsausweise werden – aus Kostengründen – nicht zugesandt. Die „Pro Retina Deutschland e. V.“ ist als gemeinnütziger Verein anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar. Ich verzichte auf die Zusendung von Spendenbestätigungen: Ja Nein Die in der Satzung festgelegten Ziele der „Pro Retina“ erkenne ich an. ✂ Datum: 54 Vorname: Beruf: Alle gedruckten Publikationen der Pro Retina erhalten Sie über die Geschäftsstelle. An Mitglieder werden die obigen Broschüren kostenlos abgegeben. Ansonsten erbitten wir die obengenannten Kosten als Spende. Retina-Gespräch Pro Retina-Kassette, (erscheint monatlich) Information, Redaktion und Vertrieb Theo Floßdorf, Reiherweg 13, 50127 Bergheim Tel.: 0 22 71- 9 21 59, Fax: 0 22 71- 9 59 29 Patientenberatung · Hilfsmittelinformation Forschungsförderung Unterschrift: Hinweis: Mit der Abgabe der Beitrittserklärung ist das Einverständnis verbunden, meine Daten innerhalb der „Pro Retina Deutschland e. V.“ weiterzugeben.