Inkontinenz Patienten-Information Alle Rechte, auch die des Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Autor: Anja Braschoß, Ärztin, Gießen Vertrieb: schwa-medico GmbH, Gießen Layout: Kreativhaus, Ehringshausen Druck: Süss-Druck, Solms Copyright: schwa-medico GmbH Zeichnungen: Christine Endress Liebe Patientin, lieber Patient Inkontinenz - Was ist das? Viele Menschen leiden unter unfreiwilligem Urin- oder Stuhlabgang, diese Erkrankung wird Harn- bzw. Stuhlinkontinenz genannt. Alleine in Deutschland dürften es 6-7 Millionen sein! Sie haben noch keinen getroffen? Wahrscheinlich liegt das daran, daß es jedem schwerfällt, darüber zu reden. Sogar beim Arzt berichtet nur jeder dritte Betroffene von seinem Problem. Den meisten Mitmenschen ist es einfach sehr peinlich, denn die Kontrolle über die Ausscheidungsfunktionen ist etwas, was unabdingbar mit dem „Erwachsensein“ und der „Reife“ verknüpft ist. Ein Abweichen von der Norm billigt man nur Kindern, alten oder hilfs- und pflegebedürftigen Menschen zu. Nun gibt es aber genügend Mitmenschen, die unter keine der o.g. Kategorien fallen und trotzdem ihre Ausscheidungsfunktionen nicht 100%ig unter Kontrolle haben. 1 Was sind das für Menschen? Die Antwort wird Sie verblüffen, denn von der Inkontinenz und den daraus folgenden Zweitkrankheiten sind Frauen und Männer in jedem Lebensalter, jeder Bevölkerungsschicht, Berufsoder Einkommensgruppe betroffen. Der Anteil der Frauen überwiegt deutlich, ebenso wie das höhere Lebensalter. Was aber allen Patienten gemeinsam ist, ist der zunehmende Verlust an Lebensqualität durch Flucht aus der Öffentlichkeit, mit daraus folgender Isolierung und Vereinsamung. Dieser Rückzug aus dem sozialen Umfeld ist oft noch nicht einmal selbstbestimmt, vielmehr kann häufig ein Mehraufwand an Pflege und Betreuung durch die Familie nicht mehr aufgefangen werden, der Umzug in ein Alters- oder Pflegeheim ist unumgänglich. Es ist nicht verwunderlich, daß der Anteil der zusätzlich depressiven Patienten extrem hoch ist. Was kann man tun? Damit die Betroffenen nicht mit ihrem Problem alleine stehen und ihre Bedürfnisse und Konflikte auch den Mitmenschen nahegebracht werden können, melden sie sich zunehmend mithilfe von Interessengemeinschaften zu Wort. Auch in der medizinischen Welt ist man sich des wachsenden Problems bewußt. Im Vordergrund der Forschungsarbeit stehen neue Untersuchungsverfahren, die eine genaue Unterscheidung der Inkontinenzarten zulassen, aber auch Behandlungsmöglichkeiten, die zur Heilung des Patienten führen oder zumindest die Wiederherstellung einer angemessenen Lebensqualität garantieren. Sowohl Patienten als auch Angehörige und Ärzte empfinden die alleinige Versorgung mit Vorlagen oder Windeln als unzureichend, da sie auf Dauer die Erkrankung „Inkontinenz“ nur maskieren, aber nicht heilen und eine Einschränkung der Lebensqualität mit sich bringen. 2 Wie entsteht die Inkontinenz? Welche Arten gibt es? Wie kann geholfen werden? Antworten auf diese Fragen werden Sie brennend interessieren. Doch zunächst sollte geklärt sein: Was ist normal? Die Ausscheidungsfunktion des menschlichen Körpers wird durch zwei voneinander getrennte Systeme gewährleistet: Das Harnwegssystem und das Verdauungssystem. 3 Die Harnwege Die Harnwege beinhalten die beiden Nieren, den Harnleiter, die Blase und die Harnröhre. Der Harn oder Urin wird von den Nieren produziert, und zwar täglich 1-2 l. Er enthält Abfall- und Giftstoffe, die im Körper anfallen und entsorgt werden müssen. Er fließt dann über die Nierenbecken und die Harnleiter in die Harnblase, wo er zunächst gesammelt und später über die Harnröhre ausgeschieden wird. Die wichtigste Schaltstelle kommt dabei der Harnblase zu, denn sie beinhaltet die Kontrollfunktionen für das Speichern und Entleeren. Sie ist umgeben von einem Hohlmuskel. Ein Verschlußapparat aus dem inneren und äußeren Blasenschließmuskel, genannt Sphinkter (sprich: Sfinkter), dem Harnröhrengewebe und Muskeln, die unseren Beckenboden bilden, verhindert das Austreten von Urin. Im leeren Zustand ist der Blasenmuskel entspannt, und er paßt sich durch Dehnung der zunehmenden Füllung der Blase an. Der Schließmuskel dagegen ist dauerhaft angespannt. Diese Angleichungen werden durch unser Nervensystem gesteuert und geschehen unbewußt. Wird jedoch ein gewisser Füllungsgrad, im Regelfall 200-300 ml, überschritten, so dringt die Information über die Blasenfüllung in unser Bewußtsein, das Gefühl des Harndrangs kommt auf. Bis zu einem bestimmten Punkt kann man diesem Drang widerstehen, das „Kneifen“ ist wohl jedem bekannt, ist er aber überschritten, so zieht sich der Blasenmuskel unwillkürlich zusammen. Dabei kommt es ebenso unbeeinflußbar zur Öffnung des Harnblasenund Harnröhrenverschlusses sowie zur willkürlichen Entspannung der Beckenbodenmuskulatur. Der Urin fließt ab. Eine Unterbrechung des Harnflusses ist durch das Anspannen des Beckenbodens möglich. 4 Der Verdauungstrakt Zum Verdauungssystem zählen die Mundhöhle, Speiseröhre, Magen, Dünn- und Dickdarm. Die Aufgaben der Organe liegen in der Zerkleinerung und dem Aufspalten der Nahrung sowie der Aufnahme der Nährstoffe in das Blutsystem. Der Darm hat zusätzlich noch die Funktion des Nahrungstransports und letztendlich der Ausscheidung der Abfallstoffe in Form von Stuhl. Die Ausscheidungsfunktion wird wesentlich bestimmt durch den letzten Dickdarmabschnitt, den Enddarm oder das Rektum, und den Verschlußapparat, Sphinkter genannt. Das Rektum ist wie auch der gesamte Darm ein Hohlmuskel, der nicht der Willkürbeeinflussung unterliegt. Im Ruhezustand ist der Enddarm entspannt und wird durch den anfallenden Stuhl gedehnt. Er hat somit eine Speicherfunktion. Wenn ein gewisser Füllungsgrad überschritten ist, wird der Stuhldrang ausgelöst, der in das Bewußtsein dringt. Es folgt die unbewußte Entspannung des inneren und die bewußte Entspannung des äußeren Schließmuskels und des Beckenbodens. Der Stuhl wird dann durch wellenartige Muskelanspannungen des Darms nach außen transportiert, eventuell unterstützt durch die Bauchmuskulatur. Auch der Stuhlgang kann willentlich durch Anspannen des äußeren Schließmuskels sowie des Beckenbodens unterbrochen werden. Diese kurze Darstellung der Ausscheidungsvorgänge soll deutlich machen, wie vielfältig die einzelnen beteiligten Organe und Organsysteme miteinander vernetzt sind. Man bekommt andererseits aber auch eine Vorstellung davon, wieviele Störungsmöglichkeiten diese Vernetzung bietet. 5 Was passiert nun bei der Inkontinenz? Formen und Ursachen Bei der Harninkontinenz unterscheidet man im wesentlichen vier Formen. Zuerst sei die Streß- oder auch Belastungsinkontinenz genannt, bei der es durch körperliche Belastung, später auch in Ruhe zum tropfenweisen oder strahlförmigen Verlust von Urin kommt. Man teilt sie in drei Schweregrade ein: I: Unfreiwilliger Harnabgang bei plötzlicher schwerer Belastung, z.B. beim Husten, Lachen, Niesen. II: Unfreiwilliger Harnabgang schon bei leichter körperlicher Belastung, z.B. beim Gehen, Treppensteigen oder Anheben von Dingen III: Unfreiwilliger Harnabgang im Stehen, ohne Änderung des Drucks im Bauchraum, zuletzt auch im Liegen. Ursachen der Streßinkontinenz liegen im Defekt des Verschlußapparates, meist durch untrainierte oder überdehnte Beckenbodenmuskulatur, z.B. nach schweren Geburten. Auch ein Hormonmangel spielt bei der Frau häufig eine Rolle, wie er normalerweise im Alter vorherrscht. Die zweithäufigste Form ist die Drang- oder Urge- (sprich Örtsch) inkontinenz, die durch einen überstarken, nicht beherrschbaren Harndrang mit sofortigem Urinabgang gekennzeichnet ist. Patienten mit Dranginkontinenz müssen häufig für kleinste Mengen Urin die Toilette aufsuchen, erreichen sie aber meistens nicht rechtzeitig. 6 Ursachen der Dranginkontinenz liegen in einem überaktiven Blasenmuskel bzw. einer verminderten Speichermöglichkeit der Harnblase, ausgelöst durch eine Fehlfunktion im steuernden Nervensystem. Es gibt aber auch Medikamente, die eine Inkontinenz als Nebenwirkung haben können, und erlernte Verhaltensweisen, wie das zu lange Einhalten, die auf Dauer eine Dranginkontinenz bewirken können! Mischformen zwischen Streß- und Dranginkontinenz sind häufig. Zu den selteneren Formen der Harninkontinenz zählt die Reflexinkontinenz, bei der es sporadisch ohne Harndranggefühl zu Urinabgang kommt, ausgelöst durch eine Verletzung des Rückenmarks, die die Blasennerven mitbetrifft. Ebenfalls seltener ist die Überlaufinkontinenz. Hierbei fehlt das Zusammenziehen des Blasenmuskels, die Blase füllt sich immer weiter, bis sie schließlich überläuft, also permanent tropft. Diese Form wird meist durch eine Abflußbehinderung des Urins hervorgerufen, z.B. bei Prostatavergrößerung oder als Operationsfolge. Als letzte Form sei der permanente Urinabgang durch nicht normale Öffnungen, wie z.B. Fisteln, also unter Umgehung des Verschlußapparates, genannt. Sie kommt selten angeboren, meist aber als Folge von Operationen oder Bestrahlungen vor. Auch die Stuhlinkontinenz hat verschiedene Ursachen: Sie sind ebenso vielfältig wie bei der Harninkontinenz, da die Fähigkeit, Stuhl in flüssiger und fester Form bzw. Winde zu halten, ebenfalls von muskulären, nervalen und mechanischen Faktoren abhängig ist. Häufig ist das Auftreten von Verletzungen des muskulären Verschlußapparates nach Geburten, Dammschnitten oder -rissen. Auch Verlagerungen des Enddarms durch Operationen, Entzündungen oder viel wichtiger durch erschlafften Beckenboden können zum Verlust der Kontinenz führen. Desweiteren sind noch die Nervenschädigungen zu nennen, entweder im Rückenmark oder Becken bzw. im Hirn durch altersbedingte Veränderungen. Eine nicht zu vernachlässigende „Inkontinenzursache“ ist der übermäßige Gebrauch von Abführmitteln, der in unserer Gesellschaft weit verbreitet ist. 7 Man teilt sie in drei Schweregrade ein: I: Unkontrollierter Abgang von Darmwinden. II: Unkontrollierter Abgang von Winden und flüssigem Stuhl. III: Unkontrollierter Abgang auch von festem Stuhl, also totale Inkontinenz. Welche Form betrifft nun mich? Untersuchungen bei Inkontinenz! Es gibt viele Behandlungsmöglichkeiten, die aber alle abhängig sind von einer ausführlichen Untersuchung durch Ärzte. Es müssen nicht Spezialisten sein, viele Untersuchungen können auch durch den Hausarzt vorgenommen werden. Bei manchen Fragestellungen ist allerdings ein Urologe, Frauenarzt oder Nervenarzt hinzuzuziehen. Ganz am Anfang steht das ausführliche Gespräch mit dem Patienten. Es müssen die Krankheitsgeschichte mit Verletzungen, Operationen und Medikamenteneinnahmen genauso aufgenommen werden wie die täglichen Eß- und Trinkgewohnheiten. Nicht zuletzt ist auch ein Tagebuch über die Toilettengänge und unfreiwilligen Harn- oder Stuhlverlust zu führen, das sogenannte Miktions- oder Defäkationsprotokoll. Zu den Routineuntersuchungen gehören in jedem Falle eine Blut- und Urinuntersuchung auf Entzündungen und eine gynäkologisch-urologische Untersuchung. Eine schmerzlose Ultraschalluntersuchung der Bauch- und Beckenorgane wird sich anschließen. Aus diesen Informationen kann der Arzt bereits einen Verdacht über die Inkontinenzursache ableiten. Zur weiteren Unterscheidung werden manchmal ergänzende Untersuchungen durchgeführt. 8 Was tun? Therapiemöglichkeiten bei Inkontinenz! An dieser Stelle sollen nur echte Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die vielfach angepriesenen Hilfsmittel zur Inkontinenzversorgung sind übergangsweise akzeptabel, aber sie ändern an der Erkrankung nichts. Manchmal ist es ja nur eine einfache Blasenentzündung, die alle die Beschwerden kurzfristig verursacht, oder eingenommene Medikamente. Hierbei sind Tees, pflanzliche Mittel und Antibiotika hilfreich bzw. das Absetzen der auslösenden Medikamente. Sollte dies allerdings nicht der Fall sein und die Ergebnisse der Untersuchungen einen der o.g. Typen der Inkontinenz ergeben, so sind speziellere Behandlungsformen anzuwenden. Medikamentöse Behandlung Hierbei eröffnet sich ein breites Feld von Möglichkeiten. Prinzipiell sind viele Formen der Inkontinenz mit Medikamenten zu behandeln; meist reicht dies aber nicht aus, um eine Heilung herbeizuführen. Hinzu kommt, daß jedes Medikament seine speziellen Nebenwirkungen hat, die von vielen Patienten als sehr unangenehm, teils schlimmer als das eigentliche Leiden, empfunden werden. 9 Beckenbodentraining = Schließmuskeltraining In vorherigen Abschnitten ist vielfach auf die Funktion des Beckenbodens hingewiesen worden. Dieser Teil des Verschlußapparates von Blase und Darm ist der einzige, der komplett willkürlich zu beeinflussen ist. Mit anderen Worten, Sie können sich diese Muskelgruppen in das Bewußtsein rufen, sie willentlich an- und entspannen und folglich auch trainieren. Und genau auf dieses Training kommt es an. Ärzte und Krankengymnasten können Sie anleiten, solche Übungen ohne Hilfsmittel zunächst unter Aufsicht zu erlernen. Ärzte und auch die Selbsthilfegruppen halten vielerlei Broschüren mit Anleitungen zur Beckenbodengymnastik bereit, die beim Üben zuhause helfen. Dieses selbständige Üben durch den Patienten ist der tragende Pfeiler dieser Behandlungsform. Doch keine Angst, Sie müssen keine sportlichen Höchstleistungen vollbringen, eine Ausrüstung oder Sportstudio dafür besitzen. Die Übungen sind allesamt einfach in den Alltag einzubinden, und das auch noch, ohne daß es jemand merkt. Also: Nur Mut! Welche Hilfsmittel gibt es? Zusätzlich zu diesen einfachen Gymnastikübungen gibt es mittlerweile eine Vielzahl von Hilfsmitteln und Geräten, die das Training zum einen wesentlich sinnvoller gestalten lassen, zum anderen auch eine Kontrolle über den Fortschritt zulassen. Hierzu bedarf es zu Anfang einer ausführlichen Anleitung durch einen Arzt oder medizinisches Hilfsperso-nal, die immer erst in der Praxis bzw. im Krankenhaus stattfindet. Anschließend, wenn sowohl die Handhabung des Gerätes als auch 10 die Übungen für den Patienten zur Routine geworden sind, kann die weitere Therapie zuhause in gewohnter Umgebung durchgeführt werden. Eine solche Möglichkeit ist die Therapie mit dem Sphinktertrainer Der Sphinktertrainer ist ein Gerät, mit dem der Beckenboden und vor allem der Darmschließmuskelapparat trainiert wird. Er funktioniert über eine in den Darm eingeführte Sonde, die den Druck, den der Schließmuskel aufbringt, mißt und dem Patienten eine Rückmeldung über die Stärke gibt. So kann der Patient selbst kontrollieren, ob seine Übungen richtig durchgeführt werden. Diese Form der Kontrolle nennt man Biofeedback Die zunehmende Verbesserung der Muskelfunktionen wird dem Patienten in Form von sicht- oder hörbaren Signalen dargestellt. Über den Erfolg steigt natürlich die Bereitschaft, weiter zu trainieren und noch besser zu werden. Ein solches Gerät wird zusätzlich zur Beckenbodengymnastik, eventuell auch zur Reizstrombehandlung, eingesetzt. Es ist sowohl bei Frauen als auch Männern und bei allen Formen der Inkontinenz anwendbar. Es gibt mittlerweile Geräte, die batteriebetrieben und tragbar sind, der Patient kann sie mit nach Hause nehmen und dort selbständig üben. Eventuell werden aber zu Beginn Biofeedbackübungen an einem stationären Gerät unter Aufsicht eines Arztes oder Physiotherapeuten durchgeführt. Reizstrombehandlung Diese Therapieform ist für die Inkontinenztherapie in Deutschland noch wenig verbreitet, aber keineswegs unerforscht. Gemeint ist damit die direkte Reizung von Beckenbodenmuskulatur und Nerven über die Haut oder über Sonden, die in die Scheide bzw. den Enddarm eingeführt werden. Sie schrecken vor dem Wort „Strom“ zurück? Dabei ist Ihnen sicher nicht klar, daß es sich um ein kleines Gerät mit einer 9-VoltBatterie handelt, die einen völlig ungefährlichen Strom abgibt. Das Bedienen des Gerätes 11 ist leicht zu erlernen und wird dem Patienten vom Arzt oder Krankengymnasten erklärt. Nach wenigen Anwendungen unter Aufsicht kann das Gerät vom Patienten alleine zuhause bedient werden. Der Vorteil liegt also auf der Hand, das Üben ist in häuslicher Umgebung ohne Hilfsperson durchzuführen. Hinzu kommt, daß diese Behandlung völlig ohne Nebenwirkungen ist. In Kombination mit der Beckenbodengymnastik ist sie eine sehr wirkungsvolle Therapie! Oft bietet sich die etwa 3-monatige Elektrostimulation an, um dem Patienten die Muskulatur des Beckenbodens wieder bewußt zu machen und anzutrainieren. Anschließend können dann Beckenbodenübungen aktiv viel effektiver durchgeführt werden. Neuere Verfahren der Reizstrombehandlung funktionieren über direkte Einpflanzung von Sonden in die gestörte Blasenmuskulatur oder an die verletzten Nerven. Ein Schrittmacher wird dann dem Patienten über einen kleinen Hautschnitt eingepflanzt, ähnlich einem Herzschrittmacher. Diese Behandlung wird aber nur bei Spezialfällen und anders nicht therapierbaren Formen der Inkontinenz eingesetzt. Therapie mit Vaginalkonen Zusätzlich zur allgemeinen Gymnastik können Frauen auch noch ein Konentraining machen. Hierzu werden eiförmige Gewichte in die Scheide eingeführt, und die Frau soll versuchen, diese mit der Beckenbodenmuskulatur an Ort und Stelle zu halten. Mit der Zeit kann das Gewicht gesteigert werden, denn es tritt ein Kräftigungseffekt an der Muskulatur ein. 12 Operative Behandlung Die Operation sollte immer an letzter Stelle der Behandlung stehen. Sie ist die am meisten den Patienten belastende Therapie und dabei noch nicht einmal immer von Erfolg gekrönt. Im Gegenteil, eine häufige Folge von Operationen im kleinen Becken oder am Darm ist die Inkontinenz, damit ist also nicht unbedingt etwas gewonnen. Ziel der operativen Verfahren ist die Wiederherstellung der normalen Lage der Organe im kleinen Becken bei Gebärmutter- oder Scheidensenkung, Erschlaffung des Beckenbodens, Senkung der Harnblase oder des Enddarms. Bei diesen Erkrankungen sollte in jedem Falle zuerst eine alternative Behandlungsmöglichkeit probiert werden. Selbst wenn sie nicht zum Erfolg, also der Wiederherstellung der Kontinenz, führt, so ist immer eine Verbesserung des Zustands zu erreichen. Das wiederum kommt dem Operationsergebnis zugute, denn eine Operation kann auch nur erfolgreich verlaufen, wenn die reparierte Muskulatur und das umgebende Gewebe entsprechend trainiert wurde und die Haltefunktion wieder erfüllen kann. Die Operation ist aber auf jeden Fall angezeigt bei sehr schweren Fällen von totaler Inkontinenz. Hierbei gibt es diverse Verfahren, einen neuen Schließmuskel zu formen oder die erkrankte Harnblase durch eine künstliche zu ersetzen. Nichtsdestotrotz muß auch hier hinterher die Funktion wieder über Reizstrom und Beckenbodengymnastik geübt und vervollkommnet werden. Welche Therapie ist für mich richtig? Diese Frage kann eigentlich nur Ihr Arzt beantworten. Sie sollten aber in jedem Falle darauf bestehen, zuerst die nebenwirkungsarmen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dies ist vor allem bei der Streßund Mischharninkontinenz sowie der muskulär und mechanisch bedingten Stuhlinkontinenz die Möglichkeit des Beckenbodentrainings in Verbindung mit Biofeedback, Reizstrom, Sphinktertrainer und Vaginalkonen. Bei der Drangharninkontinenz wird sicherlich auch eine medikamentöse Therapie erfolgen müssen, zumindest um kurzfristig eine Besserung zu erzielen. Für die komplizierteren neurologischen Schäden muß von Fall zu Fall entschieden werden, welche 13 Behandlung sinnvoll erscheint. Sollten alle diese Möglichkeiten ausgeschöpft und keine Besserung erzielt worden sein, so ist auch an eine Operation zu denken. Eine Bemerkung zum Schluß! Alles, was Sie jetzt über die Inkontinenz als „dringendes Problem“ erfahren haben, soll Ihnen verdeutlichen, daß es keinen Grund gibt, sich für diese Erkrankung zu schämen. Sie haben es sich schließlich nicht ausgesucht. Aber: Ihnen kann auch nur geholfen werden, wenn Sie sich mit Ihrem Problem an einen Arzt wenden! Das Verkriechen zuhause, um der Peinlichkeit der Entdeckung zu entfliehen, wird Ihnen nur schaden und nicht nützen. Denn wie bei allen Erkrankungen gilt immer noch, je früher die Behandlung einsetzt, desto besser. 14 GLOSSAR Antibiotikum Beckenboden Beckenbodentraining Belastungsinkontinenz Biofeedback Blasenschließmuskel Dammriß Dammschnitt Darmschließmuskel Darmwinde Defäkation Dickdarm Dranginkontinenz Dünndarm Fistel Gynäkologe Harnblase Harndrang Harnleiter Harnröhre Inkontinenz Kontinenz Laxans Magen Mastdarm Medikament Miktion Mischinkontinenz Nebenwirkung Neurologe Nieren Chemisches Mittel zur Bekämpfung von Krankheitserregern, Mehrzahl: Antibiotika Mehrschichtige Muskelplatte, die die Beckenöffnung nach unten verschließt. Hindurch treten die Harnröhre, Scheide und der Darmausgang Übungen zur Stärkung der Muskeln im Beckenboden Siehe Streßinkontinenz Rückmeldung über Körperfunktionen = Sphinkter, sitzt am Ausgang der Harnblase und verhindert, daß Urin unwillkürlich abgeht Spontanes Einreißen des Geburtskanals Erweiterung des Geburtskanals unter der Geburt Muskelring, der am Ende des Darms sitzt, damit nicht unwillkürlich Winde oder Stuhl abgehen Gase, die bei der Verdauung produziert und nicht vom Körper wieder aufgenommen, sondern ausgeschieden werden Stuhlgang Besteht aus Blinddarm, Grimmdarm und Mastdarm Siehe Urgeinkontinenz Zusammengesetzt aus Zwölffingerdarm, Leer- und Krummdarm. Schließt sich an den Magen an und endet am Übergang zum Dickdarm Gang, der zwei Hohlräume miteinander verbindet, der auf nicht natürlichem Wege entstanden ist = Frauenarzt, Ärztin oder Arzt für Erkrankungen des harnableitenden Systems und der Geschlechtsorgane der Frau Hohlmuskel, der den Urin speichert und ausscheidet Gefühl, Wasser lassen zu müssen Röhre, die den Urin von den Nieren zur Harnblase weiterleitet Verbindung von der Harnblase nach außen, zur Ableitung des Urins Unfreiwilliger Abgang von Harn, Winden oder Stuhl Fähigkeit, Urin, Winde und Stuhl zu halten und kontrolliert wieder abzugeben Abführmittel Sammelstelle für gegessene Speisen und Getränke zur weiteren Verdauung Enddarm, der im Darmausgang endet Chemisches Behandlungsmittel Vorgang des Wasserlassens Mischung aus Streß- und Dranginkontinenz Unerwünschte Wirkung eines Behandlungsmittels neben der gewünschten Wirkung = Nervenarzt, Ärztin oder Arzt für Erkrankungen des Gemüts und der Nerven Ort der Produktion von Urin zur Entgiftung des Körpers 15 Nierenbecken Prostatavergrößerung Rektum Reflexinkontinenz Reizstrombehandlung Schließmuskel Schließmuskeltraining Schrittmacher Sonde Speiseröhre Sphinkter Sphinktertrainer Streßinkontinenz Stuhl Stuhldrang Stuhlinkontinenz Überlaufinkontinenz Ultraschalluntersuchung Urgeinkontinenz Urin Urologe Vagina Vaginalkonus 16 Teil der Niere, wo der produzierte Urin zunächst gesammelt und dann in den Harnleiter abgegeben wird = Prostatahyperplasie, Vergrößerung der Prostata beim Mann, oft mit Einengung der Harnröhre einhergehend Teil des Mastdarms, wo der Stuhl gespeichert und dann ausgeschieden wird Urinabgang ohne Harndranggefühl bei Erkrankungen des Rückenmarks oder der Nerven Behandlung mit unschädlichem Strom, Reizung von Muskeln oder Nerven Siehe Blasenschließmuskel und Darmschließmuskel = Beckenbodentraining Batteriebetriebenes Gerät, das Stromimpulse kontrolliert abgibt, z.B. um das Herz beständig zu aktivieren oder Nerven dauerhaft zu reizen Gerät, das in Körperöffnungen eingeführt wird, z.B. zur Messung von Druck, zur Therapie mit Reizstrom, zur Beurteilung des Innenraums eines Organs Verbindung vom Mund zum Magen zum Weitertransport von Speisen Verschlußapparat, der am Blasen- und am Darmausgang sitzt und verhindert, daß unwillkürlich Urin, Winde oder Stuhl abgehen Batteriebetriebenes, tragbares Gerät für Kräftigungsübungen des Beckenbodens = Belastungsinkontinenz, Urinverlust bei Druckerhöhungen im Bauchraum Enthält Nahrungsreste, Gift- und Abfallstoffe, die ausgeschieden werden sollen Gefühl, Stuhl absetzen zu müssen Unvermögen, Winde oder Stuhl zu halten Ständiges Harnträufeln bei überdehnter Blase aufgrund von Verengung oder Verlegung der Harnröhre Schmerzfreie und strahlungsfreie Möglichkeit, die inneren Organe auf einem Bildschirm darzustellen und zu untersuchen = Dranginkontinenz, häufiges Wasserlassen in kleinen Mengen, begleitet von einem unüberwindbaren Harndranggefühl = Harn. Wird in den Nieren produziert und enthält Wasser, Salze, Mineralien und Giftstoffe, die aus dem Körper ausgeschleust werden sollen Ärztin oder Arzt für Erkrankungen des harnableitenden Systems allgemein und Erkrankungen der Geschlechtsorgane beim Mann Scheide der Frau Eiförmiges Gewicht, das vorübergehend zur Beckenbodenkräftigung in die Scheide eingeführt wird. Art.-Nr. 100702-V04 schwa-medico Medizinische Apparate Vertriebsgesellschaft mbH Wetzlarer Straße 41 - 43 · 35630 Ehringshausen Tel. 06443 8333-110 · Fax 06443 8333-119 E-Mail [email protected] · www.schwa-medico.de