Frankenförder Forschungsgesellschaft mbH Potsdamer Straße 18 a 14943 Luckenwalde Recherche zur Fußballengesundheit von Geflügel und Einstreuvarianten in Stallanlagen März 2014 Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund .......................................................................................................... 4 2 Informationen zur Geflügelwirtschaft ................................................................... 6 2.1 Wirtschaftliche Situation ................................................................................ 6 2.2 Rechtliche Situation ....................................................................................... 7 2.3 Geflügelhaltung aus Sicht der Verbraucher ................................................... 7 2.4 Organisation der Produktion von Geflügelfleisch ........................................... 8 3 Biologie des Mastgeflügels ................................................................................ 11 3.1 Anatomie und Physiologie – ein Grundriss .................................................. 11 3.2 Zucht von modernen Hochleistungsrassen ................................................. 12 4 Krankheitsbilder ................................................................................................. 13 4.1 Fußballenentzündung .................................................................................. 13 4.2 Tiefe Dermatitis der Gliedmaßen ................................................................. 13 4.3 Kontaktdermatitis an den Gliedmaßen ........................................................ 14 4.4 Brustblasen ................................................................................................. 14 4.5 Staub als Auslöser für Atemwegserkrankungen bei Tier und Mensch ......... 15 5 Managementfehler als Krankheitsursache ........................................................ 18 6 Methoden zur Bewertung des Gesundheitszustands der Tiere ......................... 19 7 Zusammenhang zwischen Einstreu und Fußballengesundheit ......................... 20 8 Materialien und Produkte zur Verwendung als Einstreu .................................... 25 8.1 Einstreumaterialien ...................................................................................... 25 8.2 Einstreuhilfsmittel ........................................................................................ 30 9 10 Fazit................................................................................................................... 31 Quellenverzeichnis ......................................................................................... 31 2 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Faustzahlen zur Geflügelproduktion ....................................................... 6 Tabelle 2: Biologische Kennzahlen Puten für das Jahr 2009................................... 7 Tabelle 3: Ausgewählte Kostenfaktoren in der Putenmast in € je Tier für das Jahr 2009 (Hähne und Hennen zusammen) ................................................... 7 Tabelle 4: Belastungsarten durch Bioaerosol-Exposition....................................... 17 Tabelle 5: Vor- und Nachteile von Lignocellulosen im Vergleich zu Häckselstroh . 29 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Anteil der Haltungssysteme in der Legehennenhaltung ................... 9 Abbildung 2: Puten in Offenstallhaltung .............................................................. 10 Abbildung 3: Masthähnchen in der Endphase der Mast ...................................... 11 Abbildung 4: Hähnchen mit ausgeprägter Fußballenentzündung........................ 13 Abbildung 5: Verschmutzungsgrad und Befiederungsdefekte im Brustbereich bei Masthähnchen ................................................................................ 15 Abbildung 6: Tränksysteme in der Geflügelhaltung ............................................. 19 Abbildung 7: Beurteilungsklassen – Sohlenbeschaffenheit ................................. 20 Abbildung 8: Hähnchenküken auf konventioneller Stroheinstreu ........................ 21 Abbildung 9: Maisspindelgranulat........................................................................ 27 Abbildung 10: Vilo-Comfort Einstreu als Beispiel für eine Lignocellulose .............. 28 3 1 Hintergrund In vielen Ländern mit intensiver Nutztierhaltung besteht eine große Diskrepanz zwischen den Vorstellungen der Verbraucher und der Realität der Fleischerzeugung. Diese Tatsache ist mit einem zunehmenden Akzeptanzverlust einzelner Haltungsverfahren verbunden. Nach öffentlicher Meinung treten hierbei die größten Probleme bei der Massentierhaltung von Geflügel auf. Bei mangelhaften Umgebungsverhältnissen im Stall zeigen die überforderten Tiere häufig bestimmte Verhaltensstörungen und typische Krankheitssymptome. Dazu zählen zum Beispiel das Federpicken und der Kannibalismus, die vor allem bei Hühnern, aber auch bei Puten, Enten und Gänsen vorkommen. Hierzu zählen aber auch die häufig auftretenden Fußballen- und Gliedmaßenerkrankungen. Die auslösenden Faktoren sind in der Regel vielfältig und selten auf einen einzelnen Haltungsfaktor zurückzuführen. Artgemäße Haltungsbedingungen können an dieser Stelle eine vorbeugende Wirkung haben. Trockene und lockere Einstreu, bedarfsgerechte Futterrationen, schadgasarme Luft sowie adäquate Tageslichtzufuhr sind wichtige Bestandteile einer artgerechten Tierhaltung. Probleme in der Geflügelhaltung– einige Beispiele: Verschmutzungen des Gefieders Verformungen der Fersengelenke Erkrankungen der Atemwege Fußballengeschwüre hohe Tierbesatzdichten hoher Arzneimitteleinsatz mangelhafte Schlachtkörperqualitäten Verhaltensstörungen (z. B. Federpicken, Kannibalismus) Belastungen der Tiergesundheit durch erhöhte Schadgaskonzentrationen und verstärktes Staubaufkommen Die Fußballengesundheit ist beispielsweise überwiegend von der Qualität der Einstreu abhängig. Durch die Art der Einstreu werden die Prävalenz und der Schweregrad von Läsionen am Fußballen (z. B. Pododermatitis) beeinflusst. 4 Besonders feuchte und schmierige Einstreu wird als ein prädisponierender Faktor für Fußballen mit Pododermatitis angesehen. Bei der Pododermatitis handelt es sich um ein multifaktorielles Krankheitsgeschehen, bei dem es zu entzündlichen Veränderungen an der Sohlenballenhaut kommt. Ein Anzeichen ist zum Beispiel die übermäßige Verhornung des genannten Bereiches, welche die Lauffähigkeit der Tiere einschränkt und dadurch den Brustbereich der Tiere schädigen kann. Zudem haben diese Tiere häufig verschmutzte Gefieder, so dass das Wachstum von pathogenen Mikroorganismen gefördert wird. Pododermatitis kann durch Schmerzen und die eingeschränkte Beweglichkeit der Tiere außerdem zu einer verringerten Futter- und Wasseraufnahme führen und am Ende mit einer Leistungsdepression einhergehen. Das ist oft zusätzlich mit einer Verschlechterung der Schlachtkörperqualität verbunden. Die unterschiedlichen Einstreusubstrate variieren in ihrem Wasseraufnahmevermögen und Härtegrad. Zum Beispiel war der Anteil an Puten mit Pododermatitis, wie die Ergebnisse zahlreicher Studien zeigen, bei der Haltung auf Weizenstroh am höchsten, gefolgt von Hobelspänen. Die niedrigsten Anteile wiesen Tiere auf, die auf Lignocellulosen gehalten wurden. Weiterhin war festzustellen, dass je grobkörniger die Einstreu war, desto mehr Puten zeigten die typischen Symptome einer Pododermatitis. Zusätzlich kann eine feuchte, schmierige Einstreu Schadgase, wie Ammoniak und Schwefelwasserstoff, schlechter binden und durch vermehrte mikrobiologische Umsetzungsprozesse die Bildung der genannten Stoffe sogar noch fördern. Probleme mit den Atemwegen bei Tier und Mensch sind hier vorprogrammiert. Ziel dieser Studie soll es sein, einen aktuellen Überblick über die zahlreichen Einstreumaterialien, die in der Geflügelhaltung verwendet werden, zu geben. Dabei soll insbesondere auf die Eigenschaften sowie die Vor- und Nachteile der einzelnen Materialien in Hinblick auf die Fußballengesundheit und Wirtschaftlichkeit eingegangen werden. 5 2 Informationen zur Geflügelwirtschaft 2.1 Wirtschaftliche Situation Die Daten aus dem Geflügeljahrbuch (2013) zeigen für Deutschland, dass die Bruttoeigenerzeugung von Geflügelfleisch im Jahr 2011 um 2,5 % auf das Rekordniveau von 1,663 Mio. t anstieg. Auch beim Pro-Kopf-Verbrauch wurde mit 18,9 kg Geflügelfleisch je Einwohner ein neuer Rekordwert erreicht. Die Zuwächse wurden dabei hauptsächlich durch Expansion am Hühnermarkt, d. h. durch die erhöhte Produktion von Hähnchen und Suppenhennen, erzielt. Damit erreicht der Selbstversorgungsgrad eine Höhe von 107,7%, womit der Binnenmarkt gesättigt ist. Nach Angaben der FAO wurden im Jahr 2007 weltweit 87.584.830 t Geflügelfleisch produziert. Die größten Produzenten sind hier die Vereinigten Staaten, die Volksrepublik China und Brasilien. In Deutschland gehören die PHW-Gruppe (Wiesenhof), Rothkötter, Heidemark und die Plukon Food Group (Friki, Stolle) zu den zehn umsatzstärksten Unternehmen auf dem Geflügelmarkt. Allein die PHW-Gruppe machte im Jahr 2012 Umsätze im Wert von über 2 Mrd. €. Tabelle 1: Geflügelart Hühner Puten Gänse Enten Faustzahlen zur Geflügelproduktion (Quelle: Geflügeljahrbuch, 2013) Bruttoeigenerzeugung 2011 1,195 Mio. t 401.000 t 5.000 t 63.000 t Pro-Kopf-Verbrauch 2011 11,8 kg 6,0 kg 0,3 kg 0,9 kg Tierbestand 2010 67,531 Mio. 11,344 Mio. 3,164 Mio. Bei den Puten, um ein Beispiel zu nennen, lagen die Erträge im Jahr 2009 bei 21,53 € je Tier, was einem Ertrag von 1,30 € je kg Lebendgewicht entsprach. Die Schlachterlöse lagen, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, bei 1,26 € (Hennen) und 1,32 € (Hähne) je kg Lebendgewicht. Die Deckungsbeiträge liegen bei 46,22 € je m² bei einem Schlachtgewicht von 159,8 kg je m². Bei den Kostenfaktoren müssen zusätzlich noch eventuelle Kosten für Stallinvestitionen und Kredittilgungen berücksichtigt werden. 6 Tabelle 2: Biologische Kennzahlen Puten für das Jahr 2009 (Quelle: Geflügeljahrbuch, 2013, Angaben vom Arbeitskreis NRW) Besatzdichte (Tiere/m²) Alter (in Tagen) Gewicht (in kg) Zuwachs (g/Tier/Tag) Verluste (v. H.) Hähne 3,4 145 21,15 146 10,67 Anteil % (nach Geschlecht) 57,8 Hennen 5,5 111 10,83 97 3,58 42,2 Ausgewählte Kostenfaktoren in der Putenmast in € je Tier für das Jahr 2009 (Hähne und Hennen zusammen) (Geflügeljahrbuch, 2013, Angaben vom Arbeitskreis NRW) Tabelle 3: Futter Küken Gesundheit Einstreu Heizung Fremdlöhne Strom Wasser Gesamt 10,71 2,23 1,11 0,34 0,30 0,20 0,15 0,06 15,57 2.2 Rechtliche Situation Für die Mast von Hähnchen und Puten existieren in Deutschland bislang keine rechtsverbindlichen Vorgaben. Bis zur Verabschiedung einer EU-einheitlichen Vorschrift über die Mastgeflügelhaltung erfolgt die Haltung der Hähnchen auf der Grundlage einer freiwilligen Vereinbarung, in der bundeseinheitliche Eckdaten festgelegt sind (BML, 1999). Darin sind die Mindestanforderungen an die Haltung von Hähnchen enthalten. Mittlerweile liegen auch die neuen „Bundeseinheitlichen Eckwerte für eine freiwillige Vereinbarung zur Haltung von Mastputen“ vor, die ab 1. Oktober 2013 in Kraft treten und sich verstärkt am Tierwohl orientieren (ZDG, 2013). Kernpunkte dieser neuen Eckwerte umfassen die Sachkunde der Putenhalter, ein erweitertes Gesundheitskontrollprogramm, Beschäftigungsmaterialien für die Puten, Strukturierung des Stalls und technische Vorgaben an die Versorgungseinrichtungen und die Lüftungsanlagen. 2.3 Geflügelhaltung aus Sicht der Verbraucher Generell ist eine zunehmende Entfremdung der Verbraucher von den Produktionsprozessen in der Landwirtschaft zu beobachten. Das führt dazu, dass nicht alles, was dem Landwirt gesetzlich erlaubt ist, auch von der Gesellschaft akzeptiert wird. Viele Bürger haben besonders mit Blick auf die großen „industriellen Massentierhaltungsanlagen und die empfundene Geruchsbelästigung“ große persönliche Bedenken und eine Abneigung gegen solche Haltungsformen, obwohl zahlreiche Verbraucher gerne viel und möglichst billiges Fleisch konsumieren. Konkret sieht die Realität in Deutschland folgendermaßen aus: keine Bewilligung von 7 Neubauprojekten ohne Bürgerinitiative, persönliche Anfeindungen zwischen Tierhaltern und Gegnern, teilweise gewaltsame Übergriffe. Insbesondere die Geflügelwirtschaft und mit ihr zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe sind häufig von Negativschlagzeilen bedroht und gezielten Kampagnen, durch zum Teil militante Tierschutzvereinigungen, ausgesetzt. Diese sprechen sich aus ideologischen Gründen gegen die konventionelle Nutztierhaltung aus und nehmen starken Einfluss auf die öffentliche Meinung. Ihr Ziel erreichen sie über das Veröffentlichen von negativen Bildern, die gequälte Tiere zeigen und über Studien, deren wissenschaftliche Aussagekraft oftmals nicht belegt ist. Hinzu kommt in Teilen der Gesellschaft der Trend zum Vegetarismus. Die Geflügelindustrie und ihre Interessenverbände versuchen gegenwärtig, durch mehr Transparenz und eine breitgefächerte Öffentlichkeitsarbeit, ihr negatives Image zu verbessern. Viele Tierschützer, aber auch viele Landwirte, sehen zum Beispiel die schlechte Lauffähigkeit und die mangelhafte Fußballengesundheit bei ihrem Geflügel als große Probleme an. Einerseits weil die Tiere Schmerzen leiden, andererseits weil die Leistung der Tiere abnimmt. Als weiteres Beispiel kann das Federpicken und der Kannibalismus angeführt werden, besonders bei großen Gruppen. Aus diesem Grund werden die Schnäbel der Tiere kupiert, ein für das Einzeltier schmerzhafter Eingriff. Die EFSA kommt an dieser Stelle zu dem Schluss, dass Verhaltensweisen wie Futtersuche, Sandbaden, Sitzen und Nestbau in manchen Ställen nicht ausgelebt werden können, was zu Frustration, Deprivation und Verletzungen führen kann. Das Problem kann durch angemessene Bestallung, Betriebsführung und genetische Selektion minimiert werden. Artgerechte Aufzuchtbedingungen können hier eine vorbeugende Wirkung haben. 2.4 Organisation der Produktion von Geflügelfleisch Ein Kennzeichen des Produktionsprozesses ist die Trennung aller Produktionsstufen, wobei die Geflügelmast jedoch immer in einem engen Verbund von Futtermittelwerken, Brütereien, Schlachtereien und Zerlegebetrieben erfolgt (KTBL, 2013). Dabei bestimmen einige wenige agrarindustrielle Unternehmen den Markt (Windhorst, 1998). Man spricht in diesem Fall auch von einer „Vertikalen Integration“, bei der alle Produktionsschritte eng miteinander verbunden sind und die 8 üblicherweise von den fleischverarbeitenden Firmen koordiniert werden (WIKI, 2013). Die Broiler- und Putenmast verwendet kalorienreiches Futter, um hohe und schnelle Gewichtszunahmen sicher zu erreichen. Futtermittel machen den größten Teil der Kosten in der Geflügelproduktion aus (WIKI, 2013). Bei der Geflügelproduktion unterscheidet man grundsätzlich drei Betriebsarten. Eierproduktion, Geflügelmast und Aufzucht. Bei den Haltungssystemen in der Legehennenhaltung unterscheidet man zwischen Boden-, Freiland- und Käfighaltung. Nach der Legehennenverordnung wurde in Deutschland zum 1. Januar 2009 die konventionelle Käfighaltung verboten. Auch in der EU sind seit 1. Januar 2012 nur noch ausgestaltete Käfige erlaubt, die ein höheres Platzangebot (750 cm² pro Tier) sowie einen Scharrbereich, Sitzstangen und Nester bieten (WIKI, 2013). Abbildung 1: Anteil der Haltungssysteme in der Legehennenhaltung (Quelle: www.ein-herz-fuer-bio.org) Wesentliche Kennzeichen der modernen und intensiven Geflügelmast sind die ganzjährige Stallhaltung, die Anwendung spezifischer Futtermischungen (sog. Alleinfuttermittel), die veterinärmedizinische Betreuung sowie bestandsumfassende Impfungen (KTBL, 2013). Die Mast der Hähnchen und Puten erfolgt in Deutschland überwiegend in Bodenhaltung in großen Tierbeständen (KTBL, 2013). Hähnchen werden hierbei überwiegend in geschlossenen Ställen mit Zwangsbelüftung gemästet. Es handelt sich um Massivställe, die im Winter beheizt werden müssen. Offenställe bzw. Außenklimaställe werden in der Hähnchenmast kaum genutzt. Puten 9 können dagegen im Freien oder in Ställen gemästet werden, wobei die Offenstallhaltung mit freier Lüftung am häufigsten anzutreffen ist (WIKI, 2013). Abbildung 2: Puten in Offenstallhaltung (Quelle: NDR, Fotograf: Jasmin Schönberger) Die Kurzmast bei den Hähnchen erfolgt über einen Zeitraum von 32-34 Tagen (KTBL, 2013). Das Endgewicht dieser Tiere liegt bei ca. 1.500 g. Es werden 22-24 Tiere pro m² eingestallt. Das entspricht einem Lebendgewicht von ca. 35 kg pro m² am Ende der Mastperiode. Dieser Wert darf nicht überschritten werden. Die Mittellangmast erfolgt über einen Zeitraum von 38-40 Tagen. Das Endgewicht der Tiere liegt bei 1.800 g bis 2.100 g. Es werden 16-18 Tiere pro m² eingestallt. Die Langmast erfolgt über einen Zeitraum von 50-60 Tagen. Es werden 14 Tiere pro m² eingestallt. Das Mastendgewicht beträgt hier zwischen 2.000 g und 3.000 g. Eine Sonderform stellt das Splittingverfahren dar. Nach 32 bis 35 Stalltagen werden hierbei 20-30% der Tiere entnommen. Die noch vorhandenen Tiere werden weiter bis zum 45. Tag gemästet (BFL, 2000). 10 Abbildung 3: Masthähnchen in der Endphase der Mast (Quelle: HAZ) 3 Biologie des Mastgeflügels 3.1 Anatomie und Physiologie – ein Grundriss Vögel halten als gleichwarme Tiere ihre Körperkerntemperatur (z. B. 40–42 °C beim Huhn) in engen Grenzen (Loeffler & Gäbel, 2013). Das macht ihre Aktivität zwar von der Umgebungstemperatur unabhängig, erfordert aber energieverbrauchende Regelmechanismen. Solche Mechanismen, durch die Vögel ihre Körpertemperatur regulieren können, sind zum Beispiel Konduktion und Konvektion. Hierbei handelt es sich um einen Prozess, bei dem Wärme durch die Bewegung und den Transport von Molekülen vom Tier weggetragen wird. Dabei wird der Luftfilm über der Hautoberfläche zunächst erwärmt und steigt dann nach oben auf. Dadurch wird die Wärme vom Körper weggeleitet. Dieser konvektive Wärmetransport kann bei Luftströmung (Wind, Lüftung, Zugluft) erheblich verstärkt werden. Außerdem ist der konvektive Wärmetransport transportierenden Mediums. abhängig So besitzt von der Wasser Wärmeleitfähigkeit eine 20-mal des größere Wärmeleitfähigkeit als Luft (Loeffler & Gäbel, 2013). Die Befiederung vermindert sowohl die konduktive Erwärmung der Luftschicht als auch den konvektiven Wärmetransport und minimiert so den Wärmeverlust. Probleme treten aber in warmer und schwüler Luft auf, wenn vermehrt Wärme abgegeben werden muss. Dies ist mit einer hohen Belastung des tierischen Kreislaufs verbunden und kann zu einer 11 Überhitzung der Tiere führen. Bei Tieren mit einem feuchten oder lückenhaften Gefieder kann es aber auch zu einer verstärkten Auskühlung des Körpers kommen. Generell ist die äußere Haut (sog. Integumentum proprium) bei Vögeln wesentlich dünner als bei Säugern (Salomon, 1993). Die Oberhaut (sog. Epidermis) setzt sich dabei aus einer tieferen Lage lebender Zellen und einer oberflächlichen Lage verhornter, toter Zellen zusammen. Letztere übernimmt als sogenannte Hornzellschicht verschiedene Barrierefunktionen zwischen Körper und Umwelt. Dazu gehört beispielsweise der Schutz vor physikalischen und chemischen Umweltreizen sowie vor Infektionserregern. An befiederten Körperstellen ist die Epidermis nur etwa zehn Zellschichten stark; dafür ist die Hornzellschicht an Stellen mit starker mechanischer Belastung (z. B. Zehenballen oder Schnabel) aber besonders dick (Salomon, 1993). Die Federn als Anhangsgebilde der Haut dienen als wirksame Isolationshülle des Körpers. Ein typisches Verhalten, welches Hühner und andere Spezies gelegentlich an den Tag legen, ist das Durchführen von Staubbädern. Nach Salomon (1993) dienen sie dazu, die abgenutzten Spitzen der Konturfedern abzustreifen. Aus diesem Grund hat Geflügel in Freilandhaltung oft ein ansehnlicheres Gefieder als in Käfighaltung. Ein zusätzliches Problem, das durch Käfighaltung begünstigt werden kann, ist die Bildung von sich sekundär infizierenden Brustblasen. Denn beim Huhn und auch beim Truthuhn entwickelt sich ab der vierten Lebenswoche die Bursa sternalis am Kranialende der Carina sterni; ein Schleimbeutel, dessen Vergrößerung auch als Brustblase bezeichnet wird. 3.2 Zucht von modernen Hochleistungsrassen In Deutschland werden in der Putenmast Hochleistungsrassen (sog. Masthybriden) eingesetzt, die schnell schlachtreif werden, das Futter gut verwerten und einen Brustfleischanteil von ca. 30 % haben. Durch die übermäßige Brustbemuskelung haben viele Tiere Gleichgewichtsprobleme und können sich dadurch nicht mehr ausreichend putzen. Deshalb nehmen Verschmutzungen des Gefieders stark zu, ebenso wie Gefiederverluste durch Abrieb und die Bildung von Brustblasen (ÖKOTEST, 2012). Außerdem leiden die Puten an Veränderungen der Fersengelenke, an Fußballengeschwüren, gestörter Knochenentwicklung der Beine, Erkrankungen der Atemwege und des Herzkreislaufsystems (ÖKO-TEST, 2012). Die verwendeten Hochleistungsrassen sind insgesamt anfälliger für Krankheiten (sog. zuchtbedingte negative Auswirkungen auf Verhalten und Gesundheit), dazu kommt die Enge in den 12 Ställen. Bis zu 58 kg Lebendmasse können auf 1 m² stehen, was bis zu drei ausgewachsenen Truthähnen entspricht. Deshalb wird in der Regel der ganze Bestand behandelt, auch wenn nur einzelne Tiere erkrankt sind (ÖKO-TEST, 2012). Hinzu kommt die ungebremste Zucht der Masthybriden auf hohe Wachstumsraten bei möglichst günstiger Futterverwertung, die insbesondere die Gefahr des Auftretens von Skeletterkrankungen (z. B. Beinprobleme) und Stoffwechselstörungen (z. B. plötzlicher Herztod oder Aszites) weiter erhöhen wird (LAVES, 2013). 4 Krankheitsbilder 4.1 Fußballenentzündung Bei der Fußballenentzündung handelt es sich um eine häufige Erkrankung bei Masttieren, die zu Leistungseinbußen führt und mit Schmerzen einhergeht. Die betroffenen Tiere zeigen u. a. eine eingeschränkte Bewegungsaktivität, Hyperkeratosen, Nekrosen und tiefe offene Wunden am Fuß- und Zehenballen (Siegmann & Neumann, 2012). Als prophylaktische Maßnahmen sind zu nennen: Einstreufeuchte < 35% Futterrezepturen ohne Überschuss an Na, CL, Mg, K Fußbodenheizung erhöhte Ventilation mit erwärmter Zuluft Abbildung 4: Hähnchen mit ausgeprägter Fußballenentzündung (Quelle: tattfoo.com) 4.2 Tiefe Dermatitis der Gliedmaßen Bei der Tiefen Dermatitis handelt es sich um eine Erkrankung der Haut, die durch eine kutane bakterielle Infektion hervorgerufen wird und vorzugsweise bei 13 Jungmasthühnern aus intensiv gehaltenen Herden auftritt. Als prädisponierende Einflussfaktoren werden u. a. Einstreumängel, hohe Besatzdichten, gegenseitige Belästigung der Tiere, hohe Schadgaskonzentrationen und hohe Luftfeuchtigkeit genannt. Diese Art von kutaner Infektion geht wahrscheinlich von Mikroläsionen (sog. Kratzwunden aus, dringt dann rasch bis in die Unterhaut vor und breitet sich dort großflächig aus (Fries et al., 2001). 4.3 Kontaktdermatitis an den Gliedmaßen Von einer Kontaktdermatitis spricht man, wenn sich umschriebene entzündliche Hautbereiche abzeichnen, die durch Kontakt mit der Einstreu im Bereich des Brustbeins, der Fersengelenke und der Sohlen hervorgerufen werden. Diese Erkrankung deutet auf ungünstige Haltungsbedingungen, d.h. feuchte Einstreu, hohe Besatzdichten, hohe Luftfeuchtigkeit sowie hohe Ammoniakgehalte hin (Fries et al., 2001). 4.4 Brustblasen Hygrome und Entzündungen der Bursa sternalis werden umgangssprachlich auch als Brustblasen bezeichnet. Sie treten vor allem bei schwerem Mastgeflügel (Puten und Masthühner) auf. Die Veränderungen entstehen primär durch den Aufliegedruck im Brustbereich, besonders bei Tieren mit hohem Mastendgewicht. Sie werden durch Bewegungsmangel (hohe Besatzdichten, Skeletterkrankungen), Befiederungs- störungen und verhärtete, ungepflegte Einstreu begünstigt. Dadurch kann es zu einer mechanischen Reizung der Bursa sternalis kommen. In der Folge kommt es zu einer Vergrößerung und Flüssigkeitsfüllung der Brustblase, die sich infizieren und entzünden kann (Fries et al., 2001). 14 Abbildung 5: Verschmutzungsgrad und Befiederungsdefekte im Brustbereich bei Masthähnchen (Quelle: Dissertation von Martina Wolf-Reuter) 4.5 Staub als Auslöser für Atemwegserkrankungen bei Tier und Mensch Auf Grund der Intensivhaltung sind eine Vielzahl von Krankheiten und Parasiten eine ständige Gefahr in der Geflügelproduktion (WIKI). Mit dem anhaltenden Trend zu steigenden Tierzahlen pro Betrieb hat sich auch das Spektrum der Erkrankungen in den Tierbeständen verändert (Seedorf & Hartung, 2002). Es treten gehäuft sogenannte „multifaktorielle Erkrankungen“ auf, die oft den gesamten Bestand erfassen. Krankheitserreger gelangen hauptsächlich nach Umgang mit infizierten Tieren oder tierischem Material über die Haut oder Schleimhäute in den menschlichen Körper. Neben diesen lebenden Keimüberträgern gibt es noch die unbelebten Überträger wie Wasser, Staub, Luft und Tierpflegegegenstände (Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Tierhaltung, 2005). In der Geflügelhaltung treten Gefährdungen insbesondere durch Stallstäube und Zoonosen auf (z. B. Salmonellosen und Ornithosen) (Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Tierhaltung, 2005). Zu den zahlreichen Ursachen, die sich negativ auf die Tiergesundheit Auswirken können, gehören unter anderem: hohe Tierdichten unzureichende Belüftung 15 staubreiche Fütterung Verbleib der Fäkalien im Stall Die genannten Punkte haben beispielsweise einen erheblichen Einfluss auf die Luftqualität, besonders auf den Anfall von Schadgasen wie Ammoniak und Schwefelwasserstoff sowie von Stäuben (Seedorf & Hartung, 2002). Auf Basis der Bundeseinheitlichen Eckwerte für Masthähnchen (1999) darf der Ammoniakgehalt in der Stallluft den Wert von 20 ppm nicht dauerhaft überschreiten. Generell ist an dieser Stelle ein Maximalgehalt von 10 ppm anzustreben. Bei erhöhten Konzentrationen belasten sie die Atemwege der Mitarbeiter und Tiere. Insbesondere Futtermittel- und Strohstäube sowie Tierhaare und Federbestandteile können Atemwegsallergien oder -krankheiten auslösen. Das ist ein Grund, warum Atemwegserkrankungen bei den angezeigten Berufskrankheiten, besonders bei in der Tierhaltung tätigen Landwirten, an erster Stelle stehen (Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Tierhaltung, 2005). Das gehäufte Auftreten von Atemwegsveränderungen in den Schlachtbefunden untermauert diese Tatsache. Denn kein inneres Körperorgan steht in so starker direkter Wechselbeziehung mit seiner Umwelt wie der Atemtrakt. Dieser gliedert sich in drei Abschnitte: nasopharyngealer Bereich (obere Atemwege) tracheobronchialer Bereich (mittlere Atemwege) alveolärer Bereich (terminale Atemwege) Anhand seiner Teilchengröße wird der einatembare Staub (sog. E-Staub) in zwei große Fraktionen unterteilt. Die Staubfraktion mit Teilchengrößen > 5 µm wird durch eine Barriere aus Flimmerhärchen und Schleimhaut, die den Innenwandbereich der Bronchien auskleiden, aufgehalten und zum Rachen abtransportiert und abgeschluckt. Bronchiolen, Alveolargänge sowie Lungenalveolen haben dagegen kaum noch Flimmerhärchen. Besonders gefährlich ist der Feinstaub, der über viele Stunden in der ruhenden Luft schwebt und der bis zu den kleinsten Lungenbläschen vordringt. Dieser kann nicht mehr vollständig ausgeatmet oder ausgehustet werden und behindert dadurch den Sauerstoffaustausch. Der ganz feine Staub (sog. AStaub) mit Teilchengrößen < 5 µm passiert deshalb ungehindert den Selbstreinigungsmechanismus und dringt tief bis zu den Lungenalveolen ein, wo er den Gasaustausch behindert. Insgesamt ist der Selbstreinigungsmechanismus der 16 Atemwege (sog. Mukoziliäre Clearance) als auch das pulmonale Immunsystem bei hohen Staubbelastungen (sog. Partikelüberfrachtung) überfordert und die Schleimhaut der Bronchien verändert sich. Als Folge können die Flimmerhärchen absterben, so dass sich Staubpartikel und überflüssiger Schleim in der Lunge ansammeln. Das Sekret muss dann regelmäßig abgehustet werden und führt oftmals zu Entzündungsreaktionen. Die Staubbestandteile können unterschiedliche Wirkungen entfalten, z. B. reizende, toxische, infektiöse sowie allergieauslösende Reaktionen (Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Staub, 2004). Daneben existieren rein physikalisch Reflexbronchokonstriktion und vermittelte Reaktionen, unspezifische wie z. B. die Entzündungsreaktionen bei eingeschränkter mukoziliärer Clearance (Seedorf & Hartung, 2002). Dies kann zu einer Vielzahl an Atemwegserkrankungen führen, z. B. Asthma, Farmerlunge, Inhalationsfieber und zu Chronischer Bronchitis. Daneben können auch allergische Reaktionen wie Bindehautreizung der Augen, Fließschnupfen und Ekzeme der Haut auftreten. Hauptursache für das Inhalationsfieber sind Endotoxine, die besonders in Geflügelmast- und Schweineställen in hohen Konzentrationen vorkommen (Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Staub, 2004). Tabelle 4: Belastungsarten durch Bioaerosol-Exposition (Quelle: nach Crook & Olenchock) Belastungsart Mikrobiell bedingte Infektionen Allergische Reaktionen durch mikrobielle Materialien Allergische Reaktionen durch nicht-mikrobielle Materialien Toxikologische Reaktionen Beispiel Salmonellen, Chlamydien Tierhaare, Hautschuppen, Federn, Milben und deren Ausscheidungen Pflanzenpollen, Pilzsporen, Rückstände von Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, Metallstäube Endotoxine, Mykotoxine Die in der Tabelle 4 genannten Wirkmechanismen sind an die Präsenz von aerogenen belebten oder unbelebten Materialien und den daraus entstehenden Interaktionsmöglichkeiten mit dem Atemtrakt gebunden. Generell können Bioaerosole je nach qualitativer Zusammensetzung und infektiöser Dosis der Mikroorganismen obligat oder fakultativ pathogene Erreger auf einen Rezipienten übertragen werden und eine Infektion auslösen (Seedorf & Hartung, 2002). An dieser Stelle ist auch noch die Übertragung von Viren zu erwähnen. Und je länger und intensiver die Belastung durch Staub ist, desto größer ist das Risiko zu erkranken (Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Staub, 2004). In diesem Zusammenhang 17 kann es auch zum Auftreten von Zoonosen kommen und mit der Gefahr einer wechselseitigen Ansteckung zwischen Tier und Mensch einhergehen (Seedorf & Hartung, 2002). Außerhalb des Stalls kann es außerdem zur Geruchsbelästigung durch Abluft kommen. 5 Managementfehler als Krankheitsursache Nach Siegmann & Neumann (2012) sind eine tiergerechte Umweltgestaltung sowie Futter- und Tränkwasserversorgung für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsgeflügels sehr wichtig. Aus diesem Grund kommt der Diagnose von Managementfehlern eine große Bedeutung zu. Hierbei ist besonderes Augenmerk auf Störungen der vorhandenen technischen Ausstattung (z. B. Fehlsteuerung des Lichtprogramms, der Lüftungsführung, der Fütterungs- und Tränketechnik) und deren Auswirkungen auf die Tiergesundheit zu legen. Dazu zählt auch die Beachtung der hygienischen Grundregeln inklusive Ungeeignete Einstreumaterialien Bereitstellung zeichnen sich von durch geeigneter eine Einstreu. ungenügende Feuchtebindung und mangelhafte Auflockerung der Einstreu an der Oberfläche, zu erkennen an einer Exkrementeschicht an der Oberfläche, aus. Neben defekten Tränken gibt es eine Vielzahl an Ursachen, die zu einer hochgradigen Durchfeuchtung der Einstreu führen können. An dieser Stelle sind zu nennen: hohe Stalltemperatur, ungeeignetes Einstreumaterial, besondere Stresssituationen, Überschuss an Nährstoffen, Nierenfunktionsstörungen und Infektionskrankheiten. Dazu gehört auch die Verfütterung von kaliumreichen Sojaschrot, das zu forcierter Tränkwasseraufnahme und entsprechend vermehrter Wasserabgabe über die Exkremente führt. Feuchte Einstreu führt einerseits zu erhöhten Ammoniakkonzentrationen, die sich reizend auf die Haut sowie die Schleimhäute der oberen Atemwege auswirken können, andererseits fördert feuchte Einstreu das Wachstum von Mikroorganismen, die Infektionen auslösen können. In diesem Zusammenhang erwies sich nasse Einstreu als dominante Ursache bei der Entstehung von Fußballenentzündungen. Bei der Schlachtung ist außerdem der Eintrag von Mikroorganismen durch verschmutztes Gefieder in die Geflügelschlachthöfe möglich. 18 Abbildung 6: Tränksysteme in der Geflügelhaltung (Quelle: PAL-Bullermann GmbH) 6 Methoden zur Bewertung des Gesundheitszustands der Tiere Um Geflügelställe unter tierschutzfachlichen Aspekten risikoorientiert zu beurteilen, können: Fußballengesundheit und Brusthautveränderungen Futter- und Arzneimitteleinsatz Wachstum der Tiere und Besatzdichte im Stall physikalisches und chemisches Verhalten der Einstreu Einstreuhöhe und Einstreubeschaffenheit Einstreuroutine und Einstreupflege Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Stall Tränkwasser- und Futterversorgung bakteriologische Befunde Verlustrate und Verwurfsursache (z. B. Schlachthofbefunde) als Indikatoren für Management und Tiergesundheit im Mastverlauf erhoben und systematisch ausgewertet werden. Insbesondere die Fußballengesundheit der Masthähnchen und Puten kann als aussagekräftiger Indikator für die Beurteilung der Tierhaltung herangezogen werden, da er eng mit dem Stallklima, vor allem der Steuerung von Lüftung und Heizung sowie der Einstreuqualität zusammenhängt 19 (LAVES, 2013). Die Fußballenbewertung kann nach dem System von Hocking et al. (2008) mit wöchentlich vergleichenden Fotoaufnahmen erfolgen. Die Masthähnchenund Putenfüße werden dazu während der Aufzucht sowie am Schlachthof bonitiert. Darüber hinaus können Kotkisten zur regelmäßigen Kontrolle der Kotbeschaffenheit eingesetzt werden. Abbildung 7: Beurteilungsklassen – Sohlenbeschaffenheit (Quelle: Dissertation von Martina Wolf-Reuter) 7 Zusammenhang zwischen Einstreu und Fußballengesundheit In vielen Bundesländern wurde in den letzten Jahren weniger Stroh infolge abnehmender Getreideanbauflächen geerntet. Darüber hinaus lässt die mangelhafte Qualität des Strohs viele Landwirte zu alternativen Einstreumaterialien greifen. Diese Einstreumaterialien, die in der Regel als Einmalstreu eingesetzt werden, haben besonders aus arbeitswirtschaftlicher Sicht erhebliche Vorteile, da seltener nachgestreut werden muss. Die Fußballengesundheit ist überwiegend von der Qualität der Einstreu, vor allem von der Einstreufeuchte, abhängig. Nach Schrader (2013) können folgende Maßnahmen Abhilfe schaffen: Auswahl geeigneter Einstreu, Kontrolle der Tränken, Nachstreuen und Durcharbeiten der Einstreu während der Mastperiode, Regulierung der Luftfeuchte, Kontrolle der Kotkonsistenz und Behandlung der Tiere bei zu flüssigem Kot. Darüber hinaus dient geeignete Einstreu neben Heukörben und Picksteinen zur Beschäftigung der Tiere. Denn laut Schrader (2013) lässt sich die Motivation zum Federpicken vermutlich aus dem Nahrungssuchverhalten ableiten und hat nichts mit aggressivem Verhalten zu tun. 20 Abbildung 8: Hähnchenküken auf konventioneller Stroheinstreu (Quelle: Eilers Futtermittel) Nach Schrader (2013) können folgende Maßnahmen bei Fußballenläsionen und Atemwegsproblemen, kurzum feuchter Einstreu, Abhilfe schaffen: Auswahl geeigneter Einstreu, Kontrolle der Tränken, Nachstreuen und Durcharbeiten der Einstreu während der Mastperiode, Regulierung der Luftfeuchte, Kontrolle der Kotkonsistenz, Behandlung der Tiere bei zu flüssigem Kot. Als Boden für Geflügelställe wird eine Betonsohle aus wasserundurchlässigem Beton verwendet, der geglättet und geschliffen wird (KTBL, 2013). Durch die glatte Oberfläche lässt sich der Boden leichter reinigen und pathogene Keime können sich nicht so leicht festsetzen. Die gesamte Stallfläche ist eingestreut oder mit perforiertem Material versehen. Als Einstreu eignen sich Strohhäcksel und Hobelspäne (KTBL, 2013). Mit Blick auf die Haltung des Geflügels hängt es größtenteils von der Einstreu ab, ob die Tiere am Ende der Mastperiode sauber und läsionsfrei zur Schlachtung und Schlachtuntersuchung gelangen (Fries et al., 2001). Vor diesem Hintergrund muss berücksichtigt werden, dass die Einstreuart je nach regionaler Verfügbarkeit sehr unterschiedlich sein kann. Darüber hinaus hängt die Art der verwendeten Einstreu von den Kosten, den Beschaffungs- und den Lagermöglichkeiten ab. 21 Der Stall muss vor dem Einstallen der Küken aufgeheizt werden (Richtwert: 28 °C) (LAVES, 2013). Eine dünne Einstreuschicht wird von kleinen Küken besser durchgearbeitet und bleibt somit trockener. Es empfiehlt sich, zuerst die Einstreu einzubringen und dann aufzuheizen. Dem Verbleib von Restfeuchte wird somit vorgebeugt. In Abhängigkeit von der Einstreuart ist immer auf den aktuellen Zustand der Einstreu im Stall zu achten, d. h. auf die Einstreuhöhe, den Feuchtegrad und den Verkrustungsgrad. Vor diesem Hintergrund haben sich, nach Lynn & Spechter (1992), 10 cm Hobelspäne als Einstreuhöhe für die Leistung und Beschaffenheit der Tiere als am effektivsten herausgestellt. Elwinger (1995) ermittelte Einstreumengen zwischen 0,5-1,0 kg (Stroh) und 0,5-2,0 kg (Hobelspäne) pro m² bei der Aufstallung von Jungmasthühnern. Als Einstreu dient eine 0,5-1 cm dicke Schicht aus Stroh oder Hobelspänen (WIKI). In der Putenmast soll die Einstreu eine optimale Höhe von 1012 cm haben und zwei bis drei Mal wöchentlich ergänzt werden (WIKI). Die Stalleinrichtung kann um Sitzstangen oder erhöhte Sitzgelegenheiten und Beschäftigungsmaterial ergänzt werden (WIKI). Beschäftigungsmaterial kann auch ein Strohballen sein, an dem die Tiere picken können. Stroh hat in diesem Zusammenhang eine geringere Feuchtigkeitsbindungskapazität als Hobelspäne (Fries et al., 2001). Nach gängiger Praxis wird der Stall bei der Broilermast nur einmal vor der Einstallung der Küken eingestreut (LAVES, 2013). Diese Einstreu bleibt während des gesamten Mastdurchgangs im Stall, regelmäßiges Nachstreuen erfolgt normalerweise nicht. Nur bei Problemen mit feuchter Einstreu werden die betroffenen Stallpartien, z. B. unter den Tränkelinien, im Fenster- oder im Eingangsbereich des Stalles, nachgestreut und durchgearbeitet. Dies bedeutet, dass sich der Kotanteil in der Einstreu im Laufe des Mastdurchgangs ständig erhöht und die Hühner gegen Ende der Mast vornehmlich auf ihren eigenen Ausscheidungen stehen bzw. liegen. Bei guter Stallklimaführung handelt es sich dabei um ein trockenes, lockeres Substrat von feinkrümeliger bis feinstaubiger Beschaffenheit. Im ungünstigen Fall bildet sich dagegen eine feucht schmierige bis pappig verkrustete Oberfläche. In der Regel meiden die Tiere solche Bereiche, was ihnen aber auf Grund der hohen Besatzdichte zum Mastende jedoch kaum noch möglich ist (LAVES, 2013). 22 Als problematisch erweisen sich feuchte Einstreu und großflächige Verkrustungen, die besonders häufig in der Umgebung defekter bzw. unzureichend funktionierender Tränken auftreten. Dadurch kommt es zum vermehrten Verschmieren von Schmutz und Ausscheidungen (Kot, Harnsäure) auf die Haut und das Gefieder der Tiere. Zudem werden die Tiere in ihrem Scharrverhalten eingeschränkt. Durch die Nutzung einer Fußbodenheizung kann die Einstreu trockener gehalten und damit die mikrobielle Aktivität herabsetzt werden, was sich zusätzlich limitierend auf den Ammoniakgehalt der Stallluft auswirkt und die Stallhygiene verbessert. Besonders Salmonellen zeigen eine lange Persistenz in der Einstreu und Schimmelpilzbefall wirkt sich auch negativ auf die Tiergesundheit aus. Dies betrifft hauptsächlich Stroh, das unter feuchten Witterungsbedingungen eingefahren wurde. Zu einem weiteren Problem, d. h. dünnflüssigem Kot, kann auch kaltes Tränkewasser führen, das direkt aus der Leitung genommen wird. Generell müssen bei der Höhe der Einstreu immer die Tierart, das Haltungsverfahren und die Mastdauer berücksichtigt werden. Nach dem Ausstallen der Tiere wird der Stall entmistet, mit Hochdruckreinigern gesäubert und anschließend desinfiziert. Durch Kontakt mit dem feuchten Kot-Einstreugemisch in Kombination mit hohen Ammoniakgehalten entwickeln sich an den Fußballen der Broiler mehr oder weniger ausgeprägte Dermatitiden (LAVES, 2013). Hauptrisikofaktor für Fußballenveränderungen ist eine feuchte Einstreu. Ammoniak wird hier vermehrt freigesetzt und führt auf Grund seiner ätzenden Wirkung an der aufgeweichten Sohlenhaut zu mehr oder weniger starken Veränderungen. Insbesondere schwere Fußballenveränderungen mit umfangreichen, tiefen Läsionen, die mit Nekrosen und Ulzerationen einhergehen, stellen erhebliche Schäden im Sinne des Tierschutzgesetzes dar. Diese müssen vermieden werden. Praxiserfahrungen von Amtstierärzten belegen, dass derzeit etwa ein Fünftel aller zur Schlachtung angelieferten Broiler erhebliche Fußballenveränderungen aufweisen und nur etwa ein Drittel aller Masthühner mit intakten Füßen zur Schlachtung kommen (LAVES, 2013). Es gibt zudem Betriebe, die durchgehend Herden mit extrem schlechter Fußballengesundheit abliefern. Dieser Sachverhalt stellt einen Verstoß gegen geltende tierschutzrechtliche Bestimmungen dar, denn hochgradige Fußballenveränderungen mit tiefgehenden Läsionen sind erhebliche Schäden im Sinne des Tierschutzgesetzes, die vermieden werden müssen. Um diesem 23 tierschutzfachlich nicht zu tolerierenden Missstand zukünftig abzuhelfen, muss eine systematische Untersuchung der Fußballengesundheit am Schlachtband eingeführt werden, die mit einer Rückmeldung der Befunde an den Herkunftsbetrieb zu koppeln ist (LAVES, 2013). Es scheint eine gewisse saisonale Abhängigkeit der Fußballengesundheit zu bestehen, denn in den Hochsommermonaten geht der Anteil an hochgradig veränderten Fußballen im Vergleich zum Frühjahr deutlich zurück. Da feuchte Einstreu den Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Fußballenveränderungen darstellt, ist dieses Ergebnis vermutlich auf die im Frühjahr tendenziell feuchtere Witterung zurückzuführen. Sowohl bei trockener Hitze als auch trockener Kälte ist es für die Betriebe einfacher und vor allem kostengünstiger, den Stall und damit die Einstreu trocken zu halten. Insbesondere in den Wintermonaten muss der Bildung von feuchter Einstreu durch eine sorgfältig abgestimmte Stallklimaführung (Heizung, Lüftung) vorgebeugt werden. Wird z. B. die Lüftung gedrosselt, um Heizenergie zu sparen, sind feuchte Einstreu und hohe Ammoniakwerte vorprogrammiert. Auch wenn in erster Linie Management und Betriebsausstattung von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung der Fußballengesundheit sind, wirken sich hohe Besatzdichten verschärfend auf vorhandene Probleme aus. Denn mit zunehmender Besatzdichte wächst der Stallboden sozusagen zu, die Luftzirkulation am Boden nimmt ab und der vermehrte Kotanfall erhöht den Feuchtigkeitsgehalt der Einstreu (LAVES, 2013). Noch eine Anmerkung (www.maisspindelgranulat.de): zum Wasserbindungsvermögen Immer noch wird der Einstreu ein hohes Wasserbindungsvermögen der Einstreu als Vorteil missverstanden. Wenn Einstreu viel Wasser bindet, wird sie schwer und kaum beweglich, sie kann demzufolge gebundenes Wasser nicht loswerden. Unbewegliches Einstreumaterial behindert das notwendige Ablüften, die Nässe bleibt am Stallboden und stört das Stallklima. Es ist nicht das Ziel, Wasser in der Einstreu zu binden (Schwammeffekt), sondern das Wasser mit der Luftzirkulation nach draußen abzuführen. Einstreumaterial soll kein Wasserspeicher sein. Mit der Einstreu aus Maisspindelgranulat wird Tierkot kugelförmig eingerollt und Ammoniak eingebunden; das so entstehende Gemenge wird von den Füßen des Geflügels schön in Bewegung gebracht, dabei lüftet die 24 Feuchte ab und wird von der Ventilation nach draußen befördert. So können Einstreu und Stall trocken bleiben. 8 Materialien und Produkte zur Verwendung als Einstreu Als Einstreumaterialien werden im Allgemeinen organische und mineralische Materialien verwendet, meist kostengünstige landwirtschaftliche oder industrielle Nebenprodukte oder preiswerte Rohstoffe. Zu den häufig eingesetzten, traditionellen Materialien gehören Stroh, Heu, Sand, Hobelspäne, Dinkelspelzen, Hanfstängel, Maishäcksel sowie Stroh- und Sägemehl. Diese Materialien unterliegen durch Vegetation, Ernte und Lagerung naturgemäß wechselnden Bedingungen und schwankenden Qualitäten. Als Alternative zu Stroh etc. kommen in neuerer Zeit auch andere Stoffe wie Stroh- oder Holzpellets, Strohstreu- oder Maisspindelgranulat sowie Einstreu auf Papier- und Kunststoffbasis zum Einsatz. Die Entwicklung eines Einstreugranulates, das die Fähigkeiten zur optimalen Wasseraufnahme, zur erhöhten Staubbindung, zur verringerten Schadgasfreisetzung bei einer gleichzeitig antimikrobiellen Wirkung (d. h. antibakteriell, antifungal) in sich vereint, ist nach heutigem Stand der Technik noch nicht verwirklicht. Relevante Einstreumaterialien und Einstreuhilfsmittel, die von den Betrieben genutzt werden, werden im folgenden Abschnitt beschrieben. 8.1 Einstreumaterialien Hobelspäne werden in der Regel aus unbehandeltem Weichholz hergestellt. Sie werden bei der Produktion entstaubt und enthalten weniger als 12% Restfeuchte. Das Material wird bei Puten mit 8 kg/m² ausgebracht. Preis ca. 430 € je Tonne. Strohstreugranulat und Holzpellets werden aus Sägemehl ohne Zusatz von Hilfsstoffen hergestellt, in dem das Sägemehl bei höherer Temperatur durch eine Lochmatrize gepresst wird. Das Material ist sehr homogen und der Rohstoff ist ständig verfügbar. Bei Puten beträgt die Grundeinstreu 4-6 kg/m² und ist entsprechend nachzustreuen. Das Material muss bei Broilerküken mit ca. 0,6 kg/m² eingestreut werden, wobei in den ersten Tagen mit einer Bodentemperatur von 3234 °C gearbeitet werden sollte. Das Material hat eine gute Saugfähigkeit und wirkt geruchsbindend. Durch die hohen Produktionstemperaturen werden Bakterien und 25 Schimmelpilze weitestgehend bei der Produktion abgetötet, so dass eine hygienische Einstreu vorliegt. Die Einstreu behält ihre optimale Struktur und liegt länger als lockere Einstreu vor. Das Material ist schwer entflammbar und kann auch in Biogasanlagen verwertet werden. Preis ca. 300 € je Tonne. Die Ausbringung ist bei Strohgranulat staubärmer als bei Hobelspänen. Die Verteilung beider Einstreumaterialien ist arbeitszeitmäßig gleich. Das Strohgranulat nimmt mehr Feuchtigkeit auf als Hobelspäne, deshalb muss hier im Regelfall nur einmal wöchentlich nachgestreut werden, was eine zusätzliche Arbeitsentlastung bedeutet. Die Wasserbindungskapazität der Strohpellets liegt bei bis zu 300%. Zudem wird das Strohgranulat von den Tieren gut angenommen, gut durchgearbeitet und trocknet gut ab, so dass die krümelige Struktur länger erhalten bleibt. In Bezug auf die Bodentemperatur kann festgestellt werden, dass beide Einstreuarten die Bodentemperatur gleich gut halten, obwohl die Strohpellets viel dünner liegen. Versuche mit 12 kg/m² Lignocellulose zeigten ähnlich gute Ergebnisse wie mit Strohgranulat (LWK Niedersachsen). Maisspindelgranulat ist ein Granulat aus den Erntereststoffen der Maisernte. Es handelt sich hierbei um den Rest aus den entkörnten Maiskolben, den sogenannten Maisspindeln. Das einstreufähige Granulat entsteht durch Zerkleinern, Sieben und Entstauben. Es wird unter zahlreichen Bezeichnungen vom Handel angeboten, z. B. als Maiskolbenschrot, Maiskolbengranulat oder als Maisgranulat. Neben seinem Verwendungszweck als Einstreumittel (auch für Katzentoilette und als Nagereinstreu) kann es in Form des Spindelmehls auch als Ölbindemittel und als Streumittel im Winterdienst eingesetzt werden. Zusätzliche Verwendung findet es als Poliergranulat. Die Einstreu bindet laut Hersteller Schmutz, Kot, Feuchtigkeit, Ammoniak und Staub. Aggressive Gerüche werden für längere Zeit als bei Stroh oder Hobelspänen gebunden. Der niedrige pH-Wert erzeugt eine desinfizierende Wirkung. Das Material ist außerdem mikrobiologisch abbaubar. Das Material ist keimärmer als Stroh. Auch hier hängt entscheidend von der Struktur und Menge ab, ob die Einstreuschicht trocken und die Füße gesund bleiben. Die Körnung dieser darf nicht zu fein und nicht zu grob sein. Die optimale Körnung hat einen Durchmesser von 0,5 bis 1,0 cm. Gute Ergebnisse werden mit 1,0 bis 1,5 kg je m² erzielt. Die Einstreustücke müssen sich bewegen, sobald die Hähnchen und Puten mit der Einstreu arbeiten oder sie 26 begehen. Da Maisspindelgranulat eher wenig Wassersaugkraft hat, kann es laut Hersteller schneller ablüften und bleibt locker, trocken und beweglich. Untersuchungen der LWK Niedersachsen haben gezeigt, dass der Stall überwiegend trocken ist, die Einstreu bzw. das Kot/Einstreugemisch weist eine torfartige Struktur auf, ist sehr mullig und wird hervorragend zum Sandbaden verwendet. Auf Maisspindelgranulat sind die Fußballen von Hähnchen besser als z. B. bei Hobelspänen oder Stroh. Die Einstreu erlaubt lange Reinigungsintervalle und zeichnet sich durch eine leichte Handhabung beim Einstreuen und Ausmisten aus. Maisspindelgranulat spart Kosten für Arbeit, Strom, Wärme, Kühlung, Lüftung, Medizin, Hygiene und Gesundheit. Ein gravierender Nachteil dieser Einstreu ist der Preis. Es ist ein Einstreumaterial, das mittlerweile zwischen 90 und 120 € je Tonne kostet. In Niedersachsen werden sogar bis zu 390 € je Tonne verlangt. Abbildung 9: Maisspindelgranulat (Quelle: www.das-hamsterforum.de) VILO-Comfort-Einstreu ist eine Stalleinstreu aus weichen, saugfähigen und flexiblen Fasern auf Lignocellulosebasis für Puten, Legehennen und Hähnchenmast. Es handelt sich um patentierte Holzfasern aus Weichholz / Frischholz (HPC-fibrilliert), mit einer 4-5 fachen Wasseraufnahme des Eigengewichts und mit einer maximalen Quellung von 0 auf 100 in 2 Minuten. Das Weichholz wird durch Zerkleinerung zu Fasern verarbeitet, anschließend pelletiert und unter Zusatz eines synergistisch wirksamen Pflanzenextraktes granuliert, um eine Keimreduzierung zu erzielen. Laut Herstellerangaben nimmt die Einstreu Feuchtigkeit schneller auf und trocknet durch die sehr hohe Kapillarwirkung der Lignocellulose auch deutlich schneller wieder ab. Dadurch verspricht die Firma bessere Fußballen (d. h. geringere Verhärtungen, 27 weniger Schwellungen, weniger nekrotische Veränderungen), höhere Tageszunahmen, höhere Mastendgewichte und weniger Arbeitszeitaufwand durch leichtes Ausbringen sowie weniger Nachstreuen. Außerdem verspricht die trockenere Einstreu ein verbessertes Ammoniakgehalte. Laut Stallklima, Hersteller weniger konnten in Keimdruck Versuchen und 5,5 geringere % höhere Tageszunahmen nach 145 Tagen (entspricht insgesamt 1,17 kg) und eine Arbeitszeitersparnis von 73 % nachgewiesen werden (entspricht ungefähr 11,5 h). Das Material kann einfach mit einem Schleuderstreuer ausgebracht werden und benötigt relativ wenig Transportvolumen. Darüber hinaus ist das Einstreumaterial für Biogas geeignet, im Biolandbau zugelassen sowie frei von Salmonellen und Mykotoxinen. Hähnchen ca. 0,4 kg/m² und Puten ca. 10-13 kg/m² bei Einstallung der Küken oder 8-10 kg/m² ab der 6. Woche (entspricht einer ca. 3 cm hohen Einstreu). Auch bei dieser Einstreu ist der hohe Preis als gravierender Nachteil anzusehen. Der Preis liegt bei ca. 14 € je 18 kg Beutel, d. h. bei ca. 770 € je Tonne. Abbildung 10: Vilo-Comfort Einstreu als Beispiel für eine Lignocellulose (Quelle: www.vilomix.com) Bei SoftCell® handelt es sich um ein ähnliches Lignocellulose enthaltendes Produkt mit vergleichbaren Eigenschaften. Beide Produkte hatten in mehreren Versuchen 28 keinen Einfluss auf die Tierverluste und die Futterverwertung, dafür hatten Puten bessere Fußballen und höhere Mastendgewichte. In der Tabelle 5 sind die Vor- und Nachteile von verschiedenen Produkten und Ausgangsmaterialien aufgeführt. Tabelle 5: Vor- und Nachteile von Lignocellulosen im Vergleich zu Häckselstroh Material SoftCell®, Vilo Comfort® aus Lignocellulosen Häckselstroh Vorteile (laut Hersteller) weiche, flexible Fasern extrem saugfähig, dauerhaft trocken geringere Ammoniakgehalte verbessertes Stallklima hygienisches Produkt, weniger Keimdruck weniger Fußballenläsionen verbesserte Tiergesundheit höhere Mastendgewichte reduzierter Arbeitsaufwand geringe Einstreumenge relativ kostengünstig fällt von allein bei Getreideernte an Nachteile sehr hohe Kosten höhere Staubentwicklung beim Einstreuen und bei Einstreupflege Mortalitätsrate unverändert hoch (ca. 9 %) - schwankende Qualität häufiger Pilzbefall geringe Feuchtigkeitsbindung vermehrt Fußballenläsionen niedrigere Mastendgewichte hohe Mortalitätsrate (ca. 9%) häufigeres Nachstreuen höherer Arbeitszeitaufwand geringere Tieraktivität Für andere Tierarten, z. B. im Bereich der Heimtierhaltung werden ebenfalls vielfältige Produkte auf dem Markt angeboten. So gibt es im Produktbereich Katzenstreu zahlreiche Artikel aus unterschiedlichen Ausgangsmaterialien. Es gibt z. B. verschiedene CATSAN®-Produkte, die sich jeweils folgendermaßen zusammensetzen: Mineralkörnchen aus Quarzsand und Kalk 0,36 € / 1 l holzfarbenes, mittelkörniges Weichholzgranulat 0,36 € / 1 l braunes, feinkörniges Tongranulat 0,73 € / 1 l Ton ummantelte Mineralkörnchen (mittel-grobkörniges Granulat) 0,73 € / 1 l Die genannten Produkte sollen laut Hersteller eine gute Geruchskontrolle gewährleisten, staubarm sein und ein gutes Klumpverhalten aufweisen. Andere 29 Produkte in diesem Segment bestehen aus u. a. Bentonit, Naturton, Attapulgit, Silikat. Silikatgranulate zeichnen sich z. B. durch gute Geruchsbindung aus; sie schließen Keime ein und wirken somit antibakteriell. Zudem sind sie relativ staubarm und damit für Allergiker geeignet. Produkte aus Naturton können über die Biotonne oder den Kompost entsorgt werden. Sie sind verhältnismäßig günstig (0,25 € - 0,30 € je Liter). Außerdem sind Trocken-Vliese im Handel verfügbar. Im Produktbereich Nagereinstreu werden außerdem folgende Produkte angeboten: Chipsi Maisspindelgranulat 10 l / 6,99 € Trixie Korkgranulat 10 l / 9,99 € Hugro Baumwollstreu 15 l / 4,99 € Hugro Hanf-Nagerstreu 10 l / 3,29 € Trixie Buchenhack fein gehäckselt 10 l / 9,99 € 8.2 Einstreuhilfsmittel Stalosan®: Es handelt sich um ein Stallhygienemittel, das zur Verbesserung der Hygiene in Viehbeständen eingesetzt werden kann. Dabei werden ca. 50 g/m² auf dem Stallboden ausgebracht. Feines Pulver mit bakterizider Wirkung, das die Anzahl der Krankheitserreger im Stall reduziert, das aber Haut, Augen und Schleimhäute der Tiere reizen kann. Es kann langfristig in Gewässern schädliche Wirkungen haben, d. h. es hat eine schwache Toxizität auf Wasserorganismen. Es kann bis zu einem gewissen Grad laut Herstellerangaben Feuchtigkeit, Ammoniak und andere Schadstoffe binden. Darüber hinaus tötet es Fliegenlarven ab. Es soll laut Hersteller die Sterblichkeit herabsetzen, den Arzneimittelverbrauch senken und die Futterverwertung verbessern. (1 kg / ca. 1,2 €) (je nach Abnahmemenge). Klinofix®: Feines Pulver aus natürlichem Material ohne künstliche Zusatzstoffe, das zusätzlich in den Stall eingestreut werden kann. Dabei werden ca. 100 g/m² auf dem Stallboden ausgebracht. Danach kann der Stall wie gewohnt mit Stroh etc. eingestreut werden. Das Pulver reduziert laut Hersteller den Ammoniakgeruch und schafft eine hygienische Umgebung. Das Material hat die Fähigkeit, Ammoniak zu binden und, im Gegensatz zu vielen anderen Präparaten, den Ammoniak biologisch abzubauen. Es soll außerdem die Bildung von Insektenlarven vermindern. Das 30 Pulver kann bei allen Tierarten angewendet werden. (1 kg / ca. 2,4 €, je nach Abnahmemenge). 9 Fazit Viele Lösungsmöglichkeiten, die zu einer artgerechteren Tierhaltung beitragen sollen, sind in der landwirtschaftlichen Praxis oft nicht vollständig umsetzbar oder beeinträchtigen teilweise das Tierwohl. Letzteres trifft zum Beispiel für das Kupieren der Schnäbel und das Absenken der Lichtintensitäten im Stall zu, durch die sich das Federpicken und der Kannibalismus reduzieren lassen (Schrader, 2013). Darüber hinaus sind viele Maßnahmen, die eine artgerechtere Tierhaltung ermöglichen, mit erhöhten Produktionskosten verbunden. Hinzu kommt, dass Verbesserungen beim Tierwohl von der Mehrzahl der Kunden noch nicht ausreichend durch erhöhte Preise oder veränderte Verzehrsgewohnheiten honoriert werden. Die zurzeit verfügbaren Einstreumaterialien sind nicht ausreichend in der Lage, gleichzeitig viel Feuchtigkeit zu binden, schnell abzutrocknen und unter stallhygienischer Sicht eine desinfizierende Wirkung zu entfalten. Bisher gibt es für jeden genannten Zweck zwar Einstreumittel, aber kein Material, das alle genannten positiven Eigenschaften in sich vereint. Besonders die Einstreuhilfsmittel, die als Pulver der Einstreu zugesetzt werden, haben oftmals negativen Einfluss auf die Haut der Tiere (Hautreizungen, z. T. ätzende Wirkung auf der Haut). Hinzu kommt, dass viele Einstreumaterialien, besonders die traditionellen wie Stroh, in der Regel mit hohen Staubfreisetzungen verbunden sind. Vor diesem Hintergrund wäre die Entwicklung von Produkten, die Feinstaub gezielt binden können, eine antimikrobielle Wirkung erzielen und eine verzögerte Schadgasfreisetzung durch Unterbindung von biologischen Umsetzungsprozessen ermöglichen, ein neuer Innovationsansatz. Vorrangiges Ziel bleibt die Anhebung des Tierschutzniveaus durch Verbesserung des Haltungsstandards. 10 Quellenverzeichnis Berk, J. (2009): Effekte der Einstreuart auf Tiergesundheit und Tierleistungen bei Putenhennen. 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Gustav Fischer Verlag Jena / Stuttgart, S. 395-412 33 Schrader, L. (2013): Tierschutz in der Nutztierhaltung – wo liegen Chancen und Grenzen? Züchtungskunde, 85 (1), S.34-39 Seedorf, J. und Hartung, J. (2002): Stäube und Mikroorganismen in der Tierhaltung. KTBL-Schrift 393,Landwirtschaftsverlag GmbH, Münster Siegmann, O. und Neumann, U. (Hrsg.) (2012): Kompendium der Geflügelkrankheiten. 7. Auflage, Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hannover Geflügeljahrbuch 2013, Jahrbuch des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. und seiner Mitgliedsverbände, Damme, K. und Möbius, C.; 2012, Eugen Ulmer KG, Stuttgart Agrarheute.com (2012): Die gute Mischung macht`s: Maisspindelgranulat als Einstreu. http://www.agrarheute.com/maisspindelgranulat-lwk-niedersachsen http://www.agromed.at http://www.klinofix.de http://www.maisspindelgranulat.de http://www.catsan.de http://www.rlb-eg.de http://www.Vilomix.com http://shop.schkade-landhandel.de http://www.stalosanf.de 34