Rijksuniversiteit Groningen Masterscriptie Duitslandstudies LDD999M20 Prof. Dr. W. Wende Dr. P.O.H. Groenewold 16 Juli 2009 Die Fälscher: Ein Angriff auf seriöse Holocaust Geschichtsschreibung? Oder: Darf der Holocaust als dramatisches Moment für eine spannende Kinogeschichte funktionalisiert werden? Rianne Mirjam de Goede S1456652 Inhalt Zur Einführung: Holocaust und Film .......................................................................................3 1. Filme in Deutschland nach 1945 .......................................................................................6 2. Gedächtnis und Erinnerung.................................................................................................10 2.1 Die Entstehung des Gedächtnis-Phänomens.........................................................10 2.2 Erinnern und Vergessen........................................................................................15 2.3 Emotionale Erinnerung oder Erinnerung an Emotionen?.....................................17 3. Medien und Gedächtnis......................................................................................................19 3.1 Medien und Gedächtnisbildung............................................................................19 3.2 Filme als Deutungs- und Sinnstiftungsproduzenten.............................................20 4. Die Funktionalisierung des Holocaust................................................................................24 4.1 Tendenzen in neueren Holocaust-Filmen.............................................................24 4.2 Die ‚Undarstellbarkeit’ des Holocaust..................................................................31 5. Die Fälscher........................................................................................................................36 5.1 Des Teufels Werkstatt...........................................................................................36 5.2 Die Fälscher..........................................................................................................40 Fazit........................................................................................................................................53 Literatur..................................................................................................................................56 2 Holocaust und Film In der nahen Zukunft wird es keine Zeitzeugen des Zweiten Weltkrieges mehr geben. Deutschland nähert sich dem Zeitpunkt, an dem alle überlebenden Kriegsteilnehmer, Augenzeugen, Täter und Opfer gestorben sein werden und uns nicht mehr persönlich erzählen können, was sie Schreckliches erlebt haben. Damit wird die Rolle der Medien im Überlieferungsprozess immer wichtiger. Jüngere Generationen müssen ihre Einstellungen und Meinungen zum Holocaust auf indirekte Vermittlung wie im Schulunterricht und in Medienberichte gründen. Damit wird die Rolle der Schulen, Museen, Mahnmale, Lehrer und Eltern umso wichtiger werden, denn die Schrecken des Holocaust dürfen nicht vergessen werden. Auch die mediale Darstellung wird sich verändern müssen, um den fehlenden persönlichen Bezug ausgleichen zu können. Damit wird die Frage, welche Rolle die Medien für die Erinnerung und das kollektive Gedächtnis einnehmen, umso wichtiger. In dieser Arbeit geht es nicht darum, ob Holocaust-Filme mit der ‚wirklichen’ Vergangenheit übereinstimmen und es soll auch kein Unterscheid zwischen guten und schlechten, angemessen und unangemessen oder moralischen oder unmoralischen Formen von filmischen Holocaust-Darstellungen gemacht werden. Diese Arbeit behandelt, wie Geschichte in Filmen interpretiert und vermittelt wird. In Dokumentationen, Fernsehserien und Spielfilmen wird historisches Material selektiert, strukturiert und modifiziert. So dass sich die Frage stellt: Wie wird in neueren Holocaust-Filmen mit dem Holocaust umgegangen? Welche Aspekte werden in die Filme aufgenommen? Ist die Darstellung immer realitätsgetreu oder dient die Verfilmung der Vergangenheit anderen Zielen? Was sind diese Ziele: Wird Aufklärungsarbeit betrieben? Oder wird nur eine spannende Kinogeschichte erzählt? Was gerade dieses Thema so interessant macht, ist die Tatsache, dass in den letzten 15 Jahren viele Holocaust-Filme erschienen sind, die alle auf ihre eigene Weise von der Verfolgung der Juden während des Zweiten Weltkrieges erzählen. Im ersten Kapitel dieser Arbeit erfolgt ein Überblick über die nach 1945 in Deutschland produzierten Holocaust-Spielfilme. An welchen Themen war das deutsche Kinopublikum interessiert? Blieb der Holocaust auch nach 1945 Thema in deutschen Spielfilmen? Es wird eine kurze Übersicht gegeben, welche Filme in die Kinos kamen und welche Aspekte des Holocaust darin im Zentrum standen. 3 Im zweiten Kapitel bilden Gedächtnis und Erinnerung den Schwerpunkt. Indem auf die Konzepte der Forscher Halbwachs und Warburg zurückgegriffen wird, wird die Entstehung der Beschäftigung mit dem Phänomen ‚Gedächtnis’ beschrieben. Auβerdem werden folgende Fragen zu beantworten versucht: Wie funktioniert das Gedächtnis und wie werden Erinnerungen geformt? Welche Rolle spielen Emotionen bei der Erinnerung? Im dritten Kapitel wird der Zusammenhang von Medien und Gedächtnis im Zentrum stehen weil so die Rolle des Spielfilms bei der Bildung von Gedächtnisinhalten erklärt werden kann. Dabei wird auf die folgenden Fragen eingegangen: Welche Rolle haben die Medien bei der Bildung von unseren Erinnerungen? Was ändert sich im Gedächtnis, wenn der Holocaust mittels des Mediums Spielfilm dargestellt wird? Welchen Beitrag liefert das Medium Spielfilm zu der Frage, welche Bilder des Holocaust im Gedächtnis gespeichert werden? Ändert sich unser Bild vom Holocaust, wenn dieser in Spielfilmen dargestellt wird? Oder im Allgemeinen gesagt: Ändert sich etwas im kollektiven Gedächtnis und Kollektivbewusstsein, wenn historische orientierte Themen mittels des Mediums Films reflektiert werden? Wenn man die Darstellungen des Holocaust in Filmen und Dokumentarsendungen ab 1945 miteinander vergleicht, wird deutlich, dass eine Änderung in der Darstellungsweise stattgefunden hat. In neueren Holocaust-Filmen ist die Tendenz zu erkennen, dass das Schicksal einzelner (fiktiven) Personen vor dem Hintergrund des Holocaust gezeigt wird. Genannt seien: Schindlers Liste (1993), Jakob der Lügner (1999), Das Leben ist schön (1997), Zug des Lebens (1998), Rosenstraβe (2002), Der Pianist (2002), Der neunte Tag (2004), Der letzte Zug (2006) und Die Fälscher (2007). Wurden ältere Holocaust-Filme und Dokumentationen noch von ‚Klischee-Bildern’ wie Güterzügen, Wachtürmen und Stacheldrahtzäunen geprägt, sieht man in neueren Spielfilmen, dass der Holocaust oft als ‚historischer Rahmen’ dient, in dem eine spannende Kinogeschichte erzählt wird. Was bedeutet diese so genannte ‚Funktionalisierung’? Welche Rolle spielt Fiktion in Spielfilmen? Werden anhand fiktiven Geschichten historische Tatsachen funktionalisiert? Im vierten Kapitel wird anhand konkreter Beispiele ein Überblick der Tendenzen in neueren Holocaust-Filmen gegeben. Im zweiten Teil dieses Kapitels wird auf die ‚Undarstellbarkeit’ des Holocaust eingegangen. Wenn man sich die Rezeption der Filme der letzten 15 Jahre ansieht, bekommt man den Eindruck, dass es immer wieder darum geht, was man überhaupt zeigen darf. Wie weit darf man gehen? Was zeigt man, und wie zeigt man es? Darf man den Holocaust emotionalisieren? Was ist mit der Erinnerung an den Holocaust geschehen, wenn Filme wie Die Fälscher gemacht werden können? Es wird behauptet, dass der Holocaust in Spielfilmen gar nicht darzustellen sei. Wenn diese Behauptung richtig wäre, 4 welche Konsequenzen hat dann ein sogenanntes „Bilderverbot“ für die Vermittlung der Vergangenheit? Anschließend folgt im letzten Kapitel eine Auseinandersetzung mit einem kürzlich erschienen Film: Die Fälscher (2007). Die Lebensgeschichte des Zeitzeugen Adolf Burger dient als Quelle, auf der Ruzowitzkys Film beruht. Im Mittelpunkt der Filmhandlung steht die Auseinandersetzung mit einem moralischen Dilemma, vor das die Hauptpersonen gestellt werden. Die Begriffe Moral, Solidarität und Macht bilden den roten Faden in diesem Kapitel. Des Weiteren wird auf darauf eingegangen, wie der Film von Kritikern aufgenommen und bewertet wurde. Die in den letzen Jahren erschienenen Holocaust-Filme sind Thema vielerlei Aufsätze und es konnte darum für diese Arbeit demzufolge auch auf mehrere Artikel zurückgegriffen werden. Als wichtigste Grundlage dieser Arbeit ist der von Waltraud >Wara< Wende herausgegebene Sammelband Holocaust im Film (2007) zu nennen. Die in diesem Band aufgenommenen Artikel leisteten einen wichtigen Beitrag und geben ein differenziertes Bild der verschiedenen Standpunkte, Auffassungen und Informationen im Hinblick auf neuere Holocaust-Filme. Astrid Erlls Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen (2005) und die von Ansgar und Vera Nünning herausgegebene Konzepte der Kulturwissenschaften (2003) dienten als wichtigsten Quellen für das zweite und dritte Kapitel, in denen Gedächtnis, Erinnerung und Medien den Schwerpunkt einnehmen. Die im vierten Kapitel behandelte Frage, welche Tendenzen in neueren Holocaust-Filme zu erkennen sind, findet seine Grundlage im Artikel von Matthias N. Lorenz Der Holocaust als Zitat in dem von Sven Kramer herausgegebene Sammelband Die Shoah im Bild (2003). Ziel dieser Untersuchung ist es: Herauszufinden, was genau die ‚Funktionalisierung’ des Holocaust ist, wie diese Funktionalisierung in neueren Spielfilmen zu erkennen ist und welche Rolle Spielfilmen für die Erinnerung und das kollektive Gedächtnis einnehmen. 5 1. Filme in Deutschland nach 1945 Das Bild der Vergangenheit wird in zunehmender Maße von Film- und Fernsehbildern bestimmt. Wenn man erfahren will, welche Erinnerungen an den Holocaust weiterleben, kann es hilfreich sein, die Film- und Fernsehproduktionen, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen, näher zu betrachten. Macht man sich bewusst, dass die Film- und Fernsehbilder unser Bild der Vergangenheit zunehmend beeinflussen, dann erkennt man, warum unser Bild der Vergangenheit unter anderem davon abhängt, welche Filme wir über dieses Thema gesehen haben. Die filmische Auseinandersetzung mit dem Thema Holocaust hat sich im Laufe der Zeit geändert. In den Nachkriegsjahren waren die meisten Leute an Holocaust-Filmen schlicht nicht interessiert. Es wurden zwar einige Filme produziert, doch diese wurden weder vom Publikum noch von der Filmkritik besonders wahrgenommen. In der sowjetischen Besatzungszone, der späteren DDR, wurden mehrere Filme mit dem Thema Holocaust aus einem speziellen Grund produziert: Sie wurden als erzieherisches Instrument und als Waffe gegen den Faschismus eingesetzt. Von der Deutschen Film-AG (DEFA) wurden Filme gedreht, die sich hauptsächlich mit den Wurzeln der nationalsozialistischen Herrschaft, der Judenverfolgung und dem Widerstand gegen das NaziRegime auseinandersetzten. Kurz nach dem Krieg erschienen unter anderem Kurt Maetzigs Ehe im Schatten (1949), Slatan Dudows Stärker als die Nacht (1954), Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns (1946) und Der Untertan (1951) und später dann Geschichtsfilme wie zum Beispiel Lissy (1957), Professor Mamlock (1961) und Mamma, ich lebe (1977), alle unter der Regie von Konrad Wolf.1 In der Zeit unmittelbar nach dem Krieg bis zum Ende der fünfziger Jahre wurde, abgesehen von einigen Einzelwerken, der Nationalsozialismus nicht umfassend thematisiert. Die Vergangenheit des Dritten Reichs wurde weitgehend verdrängt.2 Die Bewältigung der Vergangenheit durch Verdrängung führt man darauf zurück, dass die Deutschen in der neu gegründeten Bundesrepublik eine positive Selbstbestätigung im Wirtschaftsaufschwung, dem Rückzug ins Privatleben und in einer harmlosen Massenkultur der Heimatfilme fanden. Die Heimatfilme fungierten als Traumwelt, in der immer wieder idealisierte Liebesgeschichten 1 2 Anton Kaes: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film. München 1987, S. 18. Felix Phillip Lutz: Geschichtsbewusstsein. In: Handbuch der deutschen Einheit. Frankfurt 1999. S.397. 6 erzählt wurden. In einer schönen Umgebung von Bergen und deutscher Heide fand das Liebespaar sich nach üblichen Verwicklungen schließlich im Happy-End. In den fünfziger Jahren wurden mehr als 300 Filme nach diesem Muster mit den selben Bildern und der selben Musikbegleitung produziert. Die Popularität der Filme ist an den Besucherzahlen zu messen, so sahen rund 20 Millionen Zuschauer den Heimatfilm Grün ist die Heide (1951). In den Filmen wird ein Bild vom Land gezeigt, welches „rein imaginär, purer Kinotraum“3 ist. Das Kino erfüllte die Bedürfnisse der Bevölkerung und galt als Kompensation für die Mangelerlebnisse in der Nachkriegszeit. Neben dieser Wirkung sollte der Heimatfilm ein neues „Heimatsgefühl“ vermitteln. Die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen in die Bundesrepublik und deren Identifikation mit der neuen ‚Heimat’ sollte durch die Filme erleichtert werden.4 In den fünfziger Jahren dominierten die Heimatfilme, aber es kamen andererseits auch über sechshundert Kriegfilme in die Kinos, wie Des Teufels General (1955), Canaris (1954) und Die Brücke (1959). In diesen Kriegsfilmen wurde der Nationalsozialismus jedoch nicht thematisiert. Es ging nicht um eine Auseindersetzung mit dem Dritten Reich, sondern es wurde der Typus des ehrlichen Kameraden und dessen Pflichtbewusstsein dargestellt. Die Realität wurde verharmlost und dem Zuschauer ein falsches Bild vom Krieg gezeigt. Die Filme boten den Zuschauern psychische Entlastung, was sicherlich zu ihrem Erfolg beigetragen hat. Die Darstellung des Krieges hatte in dieser Art Kriegsfilm nicht die Funktionen aufzuklären.5 Ein Wandel in der Vergangenheitsbearbeitung trat in den sechziger Jahren ein. Zu dieser Zeit erregten zunächst die Prozesse gegen Adolf Eichmann und andere Nazi-Größen Aufmerksamkeit, und in den späten sechziger Jahren begannen dann die Studenten dem Vergessen entgegenzuarbeiten.6 1977 erschien der Film Aus einem deutschen Leben von Theodor Kotulla. Der Fernsehfilm basiert auf Verhörprotokollen des Prozesses gegen den SSOffizier und Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz Rudolf Höß. Die zentrale Frage im Film ist, wie ein Mensch dazu gebracht werden kann, sich an unvorstellbaren Taten wie zum Beispiel Völkermord zu beteiligen. Aus einem deutschen Leben versucht auf nachdenklich-kritische Weise zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen beizutragen. Dieser Film wurde allerdings vom Publikum und der Filmkritik kaum 3 Anton Kaes: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film. München 1987, S. 23. Ebenda, S. 22ff. 5 Knut Hickethier: Der Krieg, der Film und das mediale Gedächtnis und das mediale Gedächtnis. In: Krieg und Gedächtnis. Würzburg 2005. S. 354. 6 Feliz Philipp Lutz: Geschichtsbewusstsein. In: Handbuch der Deutschen Einheit. Frankfurt 1999, S. 398. 4 7 wahrgenommen. Zwei Jahre später lief denn aber die amerikanisiche Miniserie Holocaust im Fernsehen, welche im Gegensatz zu dem anspruchsvollen deutschen Film große mediale Aufmerksamkeit erregte. Holocaust war der erste große Versuch, den Zweiten Weltkrieg in einem fiktionalen Spielfilm zu verarbeiten. Frei erfundene Figuren wurden in einen historischen Kontext gestellt. Diese Miniserie, bestehend aus 4 Teilen, wurde im Januar 1979 in der Bundesrepublik in allen dritten Programmen ausgestrahlt. Die Geschichte des Films spielt in den Jahren 1935 – 1945. Der siebenstündige Film handelt von der großbürgerlichen Berliner Arztfamilie Weiss. Von dieser Familie, die aus drei Generationen und acht Familienmitglieder besteht, überlebt nur der jüngste Sohn Rudi, der aus dem Dritten Reich flieht. Durch die Schicksale der Familienmitglieder erfährt der Zuschauer, was im Dritten Reich zwischen 1935 und 1945 geschah. Unter anderem werden die Auswirkungen der Nürnberger Gesetzte und die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz thematisiert. Die Miniserie Holocaust wurde an fünfzig Länder verkauft, 20 Millionen Deutsche sahen Holocaust im Fernsehen und der Begriff „Holocaust“ wurde seit der Ausstrahlung 1979 als neues Fremdwort für die Vernichtung der Juden in die deutsche Sprache aufgenommen. Der Titel eines fiktonalen Films wurde damit zum Synomym für das Schicksal der Juden im Zweiten Weltkrieg.7 Regisseur Chomsky sagt über den Film: „Hier, glaube ich, haben die Zuschauer eine genauere Vorstellung davon bekommen, warum Menschen eines Volkes losziehen und Menschen eines anderen Volkes umbringen.“8 Georg-Michael Schulz glaubt, dass „Holocaust die Deutschen von der selbstverordneten Sprachlosigkeit befreit [hat], die das Ergebnis einer weitgehenden, über Jahrzehnte andauernden Verdrängung der Shoah gewesen ist.“9 Die Wirkung eines Films auf das Publikum lässt sich nicht leicht einschätzen, aber eines ist klar: Der Spielfilm Holocaust erreichte ein Massenpublikum. Durch die Geschichte und die Bilder des Films wurde neues Interesse an der Vergangenheit geweckt, und so entzündete sich die Diskussion um die Darstellbarkeit von Geschichte im Film in den achziger Jahren aufs Neue.10 Nicht nur der fünfzigste Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1995 trug zu der vielfachen Thematisierung des Holocaust in den neuziger Jahren bei, sondern vor allem eine 7 Anton Kaes: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film. München 1987, S. 38. Georg-Michael Schulz: Docu-Dramas - oder: Die Sehnsucht nach der >Authentizität<. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. S. 145 zitiert nach: Jens Tilman: Auschwitz und kein Ende. Teil 3 (Fernsehdokumentation) WDR Köln 2002, ausgestralt am 18. November 2001 in Phönix. 9 Ebenda, S. 153ff. 10 Anton Kaes: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film. München 1987, S. 42. 8 8 veränderte Erinnerungspolitik: Der Holocaust war enttabuisiert und so auch massenmedial diskursfähig, so jedenfalls beschreibt es Manuel Köppen. Damit änderte sich die gesamte Haltung zur Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. Der Diskurs wurde nicht länger nur von den Überlebenden bestimmt, sondern auch von den nachgeborenen Generationen geführt.11 Die Hollywoodproduktion Schindlers Liste von Regisseur Steven Spielberg erreichte 1993 weltweite Aufmerksamkeit und innerhalb weniger Jahre wurde der Holocaust in mehreren weiteren erfolgreichen Spielfilmen thematisiert, so zum Beispiel in La Vita é Bella (Benigni 1997), Der Pianist (Polanski 2002), Der Untergang (Hirschbiegel 2004) und in Die Fälscher (Ruzowitzky 2007). 11 Manuel Köppen: Holocaust im Fernsehen. Die Konkurrenz der Medien um die Erinnerung. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007, S. 273 9 2. Gedächtnis und Erinnerung In diesem Kapitel wird zum einen betrachtet, wie das Gedächtnis funktioniert und welche Rolle Medien beim Entstehen von Gedächtnisinhalten spielen und zum anderen die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit das kollektive Gedächtnis durch Spielfilmbilder beeinflusst wird. Das Gedächtnis ist zu verstehen als „ein konstruktives System, das Realität nicht einfach abbildet, sondern nach unterschiedlichsten Funktionen filtert und interpretiert und auf unterschiedlichen Wegen verarbeitet.“12 Erinnerung und Gedächtnis sind so genannte ‚interne’ Speicherformen und Speichermedien wie Bild, Musik und Schrift sind ‚externe’ Speicherformen, lekture werden über verschiedene Medien (wie Film, Radio und Fernsehen) vermittelt. Wenn vom ‚kollektiven’ Gedächtnis die Rede ist, beschreibt dies die universale, gemeinsame historische Erinnerung eines Volkes. Gedächtnisinhalte sind gruppen- und zeitspezifisch und treffen nie auf eine gesammte Generation zu, denn sie sind immer an ein Kollektiv, an eine Gruppe innerhalb der Gesellschaft gebunden.13 2.1 Die Entstehung des Gedächtnisphänomens Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Gedächtnis-Phänomen setzte in den zwanziger Jahren des zwangstigten Jahrhunderts bei Aby Warburg und Maurice Halbwachs ein. Der Franzose Maurice Halbwachs (1877-1945) hat in seiner Studie den Begriff „mémoire collective“ (kollektives Gedächtnis) herausgearbeitet. Sein Konzept zum kollektiven Gedächtnis, in dem er drei Gedächtnisaspekte unterscheidet, nimmt in der gegenwärtigen Gedächtnisforschung eine zentrale Rolle ein. Zu Halbwachs’ Zeit wurde angenommen, dass persönliche Erinnerungen individuell entstehen. Halbwachs dagegen versuchte nachzuweisen, dass auch und besonders persönliche Erinnerungen sozial bedingt sind. Halbwachs behauptete, dass jede persönliche Erinnerung eine „mémoire collective“, ein kollektives Phänomen ist. Da die Erinnerung nach Halbwachs immer durch Rückgriff auf den sozialen Bezugrahmen, den er „cadres sociaux“ nannte, gebildet wird, ist sie mithin ein kollektives Phänomen, das durch Kommunikation und Interaktion entsteht. Die Mitmenschen und die Medien vermitteln dem Einzelnen Wissen über 12 Harald Welzer: Gedächtnis und Erinnerung. In: Handbuch der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2004, S. 156. Knut Hickethier: Der Krieg, der Film und das mediale Gedächtnis. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Krieg und Gedächtnis. Würzburg 2005, S. 348 13 10 Daten und Fakten, kollektive Zeit- und Raumvorstellungen sowie Denk- und Erfahrungsströme. Die sozialen Bezugsrahmen „bilden also den umfassenden, sich aus der mentalen und sozialen Dimension unserer Kultur konstituierenden Horizont, in den unsere Wahrnehmung und Erinnerung eingebettet ist.“14 Die individuelle Erinnerung wird so innerhalb des sozialen Rahmens geformt, was bedeutet, dass soziale Rahmen die Inhalte des kollektiven Gedächtnisses perspektivisieren und vermitteln. Neben der sozialen Bedingtheit des Gedächtnisses beschäftigte Halbwachs sich mit dem Prozess des Erinnerns. Halbwachs zufolge orientiert sich das Gedächtnis selektiv und rekonstruktiv, da „eine Erinnerung in sehr weitem Maße eine Rekonstruktion der Vergangenheit mit Hilfe von der Gegenwart entliehenden Gegebenheiten [ist] und [...] im übrigen durch andere, zu frühren Zeiten unternommene Rekonstruktionen vorbereitet“15 wird. Dies betont sowohl der Gegenwartsbezug wie auch den konstruktiven Charakter einer Erinnerung. Halbwachs’ zweiter zentraler Forschungsbereich bezieht sich auf Formen und Funktionen des zwischen den Generationen gebildeten Gedächtnisses, von Halbwachs als „Familiengedächtnis“16 bezeichnet. Das Familiengedächtnis ist ein Teil des kollektiven Gedächtnisses, es entsteht ebenfalls durch soziale Interaktion und Kommunikation. Alle Angehörigen einer Familie, sowie diejenigen die durch die mündliche Überlieferung in das Familiengeschehen einbezogen werden, sind Teil des Familiengedächtnisses. Das Familiengedächtnis ist ein typisches Generationengedächtnis, denn es werden Erinnerungen zwischen Zeitzeugen und Nachkomen ausgetauscht. Deshalb reicht dieses Gedächtnis auch nur genau so weit wie die Erinnerungen der ältesten Mitglieder der Familie. Die Inhalte des Generationengedächtnisses werden über das Medium der alltäglichen Kommunikation weitergegeben und sind abhängig von den sozialen Interessensfeldern der Gruppe.17 Als weiteren groβen Untersuchungsbereich im Kontext der Forschungen zum kollektiven Gedächtnis kann man den Bereich der kulturellen Überlieferung und Traditionsbildung nennen. Mit diesem Bereich beschäftigte sich Kunst- und Kulturhistoriker Aby Warburg (1866–1929). Warburg arbeitete zu kunsthistorischen Problemen und verband darin Mitte der zwanziger Jahre seine kulturhistorische Forschung mit einer Theorie des kulturellen Gedächtnisses. Warburg vertritt die These, dass die Wiederholung künstlerischer Formen aus der Antike nicht durch bewusste Aneignung der Schönheitsideale der Antike durch Künstler späterer Epochen erfolgte, statt dessen führte er diese Wiederkehr auf die 14 Ansgar und Vera Nünning: Konzepte der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2003, S. 159. Ebenda, S. 160 zitiert nach Halbwachs. Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen. 1985, S. 55. 16 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, A.a.O. S. 28, S. 14. 17 Ansgar und Vera Nünning: Konzepte der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2003, S. 160ff. 15 11 erinnerungsauslösende Kraft kultureller Symbole zurück. Besondere Bedeutung käme dabei sogenannten Pathosformeln zu, speziellen Symbolen, in denen sich das antike Pathos in Form besonders ausgeprägter emotionaler Intensität zeige. Damit sei, so Warburg, bewiesen, dass Kultur auf dem Gedächtnis von Symbolen beruhe. Warburg bezeichnete seine Theorie des kollektiven Bildgedächtnisses als „soziales Gedächtnis“.18 Warburg und Halbwachs sind sich darüber einig, dass sich das kollektive Gedächtnis zu jeder Zeit und an jedem Ort aktualisiert und verändert werden kann. „Die Abweichungen der Wiedergabe, im Spiegel der Zeit erschaut, geben die bewusst oder unbewusst auswählende Tendenz des Zeitalters wieder und damit kommt die wunschbildende, idealsetzende Gesamtseele an das Tageslicht.“19 Die Gemeinsamkeit in beiden Theorien liegt also zum einen in der Erkenntnis, dass Kultur einerseits in der Vermittlung sozialer Handlungen und Gebräuche und andererseits in der Weitergabe tatsächlicher Objekte fortbesteht. Kultur und ihre Äußerungsformen sind Produkte menschlicher Tätigkeit.20 Zum anderen wird festgestellt, dass die Gedächtnisforschung ein gesamtkulturelles Problem darstellt und daher nicht schmalspurig betrachtet und betrieben werden kann, sondern eine fächerüberschreitende Methodik bei der Forschung angewendet werden sollte.21 Nach Dezennein des Destinteresses am Thema Gedächtnis ist es in den achziger Jahren der Franzose Pierre Nora, der dieses Thema neue Aufmerksamkeit schenkt. In den sieben Bänden „Les lieux de mémoire“ hat Pierre Nora Gedächtnisorte des französischen nationalen Gedächtnisses zusammengetragen. In Deutschland erschien nach dem gleichen Konzept die von Hagen Schulze und Etienne Francois herausgegebenen „Deutsche Erinnerungsorte,“ drei dicke Bände die sich auf politische und zeitgeschichtliche Erinnerungsorte in Deutschland konzentrierten. In den „Deutschen Erinnerungsorten“ wird versucht, deutsche Erinnerungsorte zu identifizieren und diese aus deutscher Sicht zu beschreiben. Zeitlich parallel fingen auch Jan und Aleida Assmann an, ein Konzept des kulturellen Gedächtnisses auszuarbeiten. Sie haben aufbauend auf dem Konzept von Halbwachs, eine kulturwissenschaftliche Bestimmung von Gedächtnisformen in Angriff genommen. Das von Jan und Aleida Assmann ausgearbeitete „kulturelle Gedächtnis“ ist das seit den achziger Jahren im deutschsprachigen Raum meistdiskutierte Konzept der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung. Das wohl einflussreichste Buch in der 18 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, A.a.O. S. 19 und 20. Ansgar und Vera Nünning: Konzepte der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2003, S. 163 zitiert nach Gombrich 1992, S. 359. 20 Ansgar und Vera Nünning: Konzepte der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2003, S. 163. 21 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 21. 19 12 kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung ist dabei das „Das kulturelle Gedächtnis“ (1992) von Jan Assmann. Hier beschreibt er die Verbindung von Erinnerung, kollektiver Identitätsbildung und politischer Machtausübung, und es werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten oraler und skriptualer Kulturen aufgezeigt und verglichen. Jan und Aleida Assmann machen eine klare Trennung zwischen zwei Teilbereichen des kollektiven Gedächtnisses. Diese Trennung basiert auf den Vorgaben Halbwachs: Es wird unterschieden zwischen einem einerseits auf Alltagskommmunikation basierenden Gedächtnis und einem andererseits kollektiven, auf symbolträchtigen kulturellen Objekten gründendem Gedächtnis. Jan und Aleida Assmann sprechen von zwei „Gedächtnis-Rahmen“; dem kommunikativen und dem kulturellen Gedächtnis. Der Begriff „kulturelles Gedächtnis“ wird nach Jan Assman wie folgt definiert: „Unter dem Begriff kulturelles Gedächtnis fassen wir den jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Wiedergebrauchstexten, -Bildern, und –Riten zusammen, in deren „Pflege“ sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein von Einheit und Eigenart stützt.“22 Beim kulturellen Gedächtnis handelt es sich des Weiteren um „eine an feste Objektivationen gebundene, hochgradig gestiftete und zeremonialisierte, v.a. in der kulturellen Zeitdimension des Festes vergegenwärtige Erinnerung.“23 Das kulturelle Gedächtnis umfasst einen festen Bestand an Inhalten und Sinnstiftungen. Die Inhalte datieren aus einer fernen Vergangenheit und sind mythische Ereignisse, wie zum Beispiel der Kampf um Troja. Zur Weitergabe und Interpretation der Inhalte sind Spezialisten wie zum Beispiel Priester oder Archivare notwendig. Durch kulturelle Formung von Texten, Riten oder Denkmälern und institutionalisierte Kommunikation wie Rezitation, Begehung, oder Betrachtung derselben werden die Gedächtnisinhalte interpretiert und weitergegeben.24 Der Korrespondenzbegriff zum kulturellen Gedächtnis ist das „kommunikative Gedächtnis“. Das kommunikative Gedächtnis ist „durch ein hohes Maß an Unspezialisiertheit, Rollenreziprozität, thematische Unfestgelegtheit und Unorganisiertheit“ gekennzeichnet, so der Gedächtnisforscher Jan Assmann. Im Vergleich zum kulturellen Gedächtnis sei das kommunikative Gedächtnis so etwas wie das „Kurzzeitgedächtnis der Gesellschaft“. Nach Harald Welzer ist das kommunikative Gedächtnis durch „Alltagsnähe“ gekennzeichnet, das 22 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, zitiert nach Jan Assmann 1988, S. 15. 23 Ebenda, S. 28. 24 Ebenda. 13 kulturelle Gedächtnis dagegen durch „Alltagsferne“.25 Das kommunikative Gedächtnis umfasst eine Zeitperiode von 80 bis 100 Jahren, also drei bis vier Generationen, und ‚wandert’ mit dem fortschreitenden Gegenwartspunkt. Das kommunikative Gedächtnis entsteht durch Alltagsinteraktion, wobei jedes Mitglied der Gesellschaft als gleich ermeβen Kompetent gilt, wenn es um Erinnerung geht.. Die Inhalte des Gedächtnisses sind veränderlich und erfahren keine feste Bedeutungsbeschreibung.26 Wie ist der plötzliche „Gedächtnis-Boom“27 zu erklären? Jedes Land hat seine eigene Erinnerungsorte, Gedenkfeiern und Rituale, was bedeutet, dass es für jedes Land andere, eigene Gründe gibt, sich mit dem Thema Erinnerung auseinanderzusetzen. Der Gedächtnisboom ist nicht für Deutschland charakteristisch, sondern er ist ein internationales Phänomen und die Ursachen hierfür sind vielfältig. Eine Erklärung für den Boom an Gedächtnisdiskursen ist wohl darin zu sehen, dass die Generation der Zeitzeugen des Holocaust, derjenigen, die alles selbst miterlebt haben, schwindet. Das bedeutet, dass mündlich tradierte Erinnerungsinhalte zunehmend weniger werden. Der Diskurs wird dann nicht länger von den Überlebenden bestimmt, sondern die Auseinandersetzung um die Geschichte des Holocaust wird von späteren Generationen geführt. Dabei kann man sich fragen, ob sich mit der jeweiligen Gestaltung des Erinnerns auch die Inhalte des Gedächtnisses verändern. Da Überlieferung im Rahmen des „kommunikativen Gedächtnisses“ nicht mehr lange stattfinden kann, sind wir heute zunehmend auf das „kulturelle Gedächtnis“ angewiesen. So sagte Jan Assmann Ende der neunziger Jahre, dass „was wir seit etwa zehn Jahren erleben, (...) der Übergang der persönlichen in eine kulturelle Erinnerung (sei).“28 Als eine andere Ursache für den Gedächtnis-Boom wird auch der Wandel der Medientechnologien und der Wirkung der Medien angeführt. Neue Speichermöglichkeiten wie das Internet und extrem leistungsfähige Computerfestplatten machen es möglich, noch mehr Daten und Information zu speichern. Mit der digitalen Revolution hat sich das Internet zu einer riesen Enzyklopädie entwickelt. Die Repräsentation der Vergangenheit durch die Medien spielt in diesem Bereich eine wichtige Rolle. Kino- und Fernsehfilme, Dokumentationen, Interviews und die Printmedien archivieren 25 Harald Welzer: Gedächtnis und Erinnerung. In: Handbuch der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2004, S. 165ff. Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 28. 27 Ebenda, S. 2ff. 28 Manuel Köppen: Holocaust im Fernsehen. Die Konkurrenz der Medien um die Erinnerung. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, zitiert nach: Harry Nutt: Polyphonie. Finkerstein auf deutsch. In: Frankfurter Rundschau, vom 6. September 2000. 26 14 Vergangenheitsinterpretationen. Dabei kann man die Frage aufwerfen welchen möglichen Einfluss die Medien auf das Gedächtnis einer Gesellschaft haben.29 „Gedächtnis“ spielt in vielen Bereichen der gesellschaftlichen Öffentlichkeit eine zentrale Rolle, zum Beispiel in der Inszenierung von Literatur, Film und Fernsehen, in der Presse und politischen Debatten. Ein Beispiel wäre die Diskussion um das HolocaustMahnmal in Berlin. Dem Mahnmal ist eine jahrelange Diskussion zwischen Politikern, Wissenschaftlern und Künstler vorausgegangen, bevor die Realisierung dann schlieβlich tatsächlich efolgte. 2.2 Erinnern und vergessen Das Gedächtnis hat die Funktion des Speicherns, Aufbewahrens und Abrufens von Vergangenem. Beim Abrufen von Erinnerungen werden bestimmte Muster aktiviert, die vielfältigen Einflüssen ausgesetzt sind. In diesem komplexen Vorgang werden die Erinnerungsinhalte jeweils anwendungsbezogen modelliert.30 An was erinnern wir uns und was vergessen wir? Erinnerungen sind „subjektive, hochgradig selektive und von der Abrufsituation abhängige Rekonstruktionen.“31 Was, wann und wie wir uns an das Geschehene erinnern, ist einerseits subjektiv und andererseits von der Abrufsituation abhängig. Daten werden zusammengestellt und diese Zusammenstellung kann als Prozess des Erinnerns bezeichnet werden: „Über die Disziplinen hinweg besteht weitgehend Einigkeit, dass Erinnern als ein Prozess, Erinnerungen als dessen Ergebnis und Gedächtnis als eine Fähigkeit oder eine veränderliche Struktur zu konzipieren ist.“32 Zwei Merkmale des Erinnerns sind besonders zu betonen: nämlich zum einen sein Gegenwartsbezug und zum anderen sein konstruktiver Charakter. Der Gegenwartsbezug deutet darauf hin, dass die Rekonstruktion „ein aussageskräftiges Indiz für die Bedürfnisse und Belange der Erinnernden in der Gegenwart“33 ist. Anhand dieser Aussage kann man schließen, dass sich die Rekonstruktion von Vergangenheit im Abhängigkeit vom Kontext verändert. Erinnerungen werden dabei zumeist in Form einer narrativen Geschichte im Gedächtnis gespeichert. Eine Geschichte bietet eine Form, in der durch Narration ein konsistenter Zusammenhang des Geschehens geschaffen werden kann. Zeitliche Abfolgen, Kausalitäten, emotionale Situationen und kognitive Inhalte lassen sich durch narrativ 29 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 32. Harald Welzer: Gedächtnis und Erinnerung. In: Handbuch der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2004, S. 156. 31 Ansgar und Vera Nünning: Konzepte der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2003, S. 157. 32 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 7. 33 Ebenda. 30 15 zusammenfasssen und Erinnerung erhält eine Struktur.34 Einerseits erinnert man sich an bestimmte Dinge, andererseits wird aber auch eine Menge an Informationen ‚vergessen’. Generell ist davon auszugehen, dass Erinnerungen, die selten oder nie abgerufen werden, mit der Zeit verschwinden. Vergessen erfüllt eine ebenso wichtige Funktion wie das Erinnern. Nach Gary Smith kann das Verhältnis von Erinnern und Vergessen wie folgt beschrieben werden: „Der komplementäre oder antithetische Aspekt der Wechselbeziehung ergibt sich schon daraus, dass gelegentlich beide den Status von zwei Polen des Gedächtnisses einnehmen: erinnert werden kann nur, was auch vergessbar ist. Und paradox ist ihre Beziehung insofern als der willentlichen Erinnerung oder dem Erinnerungsgebot nichts Gleichwertiges auf der Seite des Vergessens gegenübersteht. [...] Auch sind wir uns dessen immer bewusst, wenn wir etwas erinnern, während wir das Vergessen manchmal selbst vergessen.“35 Die Funktion des Vergessens ist also eine ebenso wichtige Funktion wie die des Erinnerns: „Bei der Verarbeitung von Wirklichkeitserfahrungen ist Vergessen die Regel, Erinnern die Ausnahme.“36 Daten, Situationsmerkmale, Umstände und Personen werden vertauscht, verzerrt oder vergessen.37 Der rekonstruktive Charakter des Erinnerungsprozesses ist darin zu sehen, dass Erinnerungsleistungen selektiv erfolgen. Aus einer großen Menge von Ereignissen, Umständen, Personen, Daten und Medien werden Elemente ausgewählt, die in ihrem Zusammenspiell dann eine Erinnerung formen. Ernst Cassirer beschreibt diesen Prozess als „schöpferischen, konstruktiven“ Prozess. Es genüge nicht, isolierte Daten aus vergangener Erfahrung herauszugreifen; man müsse sich an diese auch wirklich erinnern, das heiβt, die Daten neu zusammenstellen, organisieren, synthetisieren und zu einem Gedanken verdichten.38 Die zu erinnernden Elemente werden so bearbeitet, dass sie im Zusammenspiel zu einem Gebäude von Erinnerung werden. In Bildern und Texten „verdichten“ sich Vorstellungen. Verdichtung ist ein grundlegendes Verfahren in Erinnerungsprozessen. So repräsentieren bestimmte Bilder oder Sprüche wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit. Die weltbekannten Bilder der brennenden Twin Towers in New York zum Beispiel verdichten die terroristischen Anschläge im September 2001. Vergangene Geschehnisse werden durch „verdichtete Vorstellungen“ 34 Knut Hickethier: Der Krieg, der Film und das mediale Gedächtnis. S. 347 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 8 zitiert nach: Smith/Emrich 1996, S. 20. 36 Ebenda, S. 8. 37 Ansgar und Vera Nünning: Konzepte der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2003, S. 157. 38 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 144 zitiert nach Ernst Cassirer 1990, S. 85ff. 35 16 (Maurice Halbwachs), „Erinnerungsfiguren“ (Jan Assmann) oder „Erinnerungsorte“ (Pierre Nora) in unser Gedächtnis aufgenommen. Für jede Vergegenwärtigung vergangener Geschehnise wird eine Auswahl aus der unendlichen Vielzahl möglicher Erinnerungsspuren getroffen. Diese Selektionsprozesse zur Vergegenwärtigung der Vergangenheit finden sowohl bei jedem einzelnen Menschen als auch im Kontext der Medien statt, denn das Gedächtnis kann nur eine begrenzte Anzahl von Informationen speichern. Aus vielen Eindrücken, Fakten und Momenten muss eine Auswahl getroffen werden, die „zu erinnernden Elemente“ müssen selektiert werden. Diese erste Selektion ist von großer Bedeutung, denn hier wird das als bedeutsam empfundene vom Unbedeutsamen unterschieden. Alle selektierten Elemente werden im Erinnerungsprozess zusammengefügt und erhalten im Gesamtgeschehen ihre Bedeutung. Das Ganze ist ein komplexer Prozeβ der Auswahl, der Verknüpfung und Sinnkonstitution. Erinnern ist, wie gesagt, ein narrativer Prozess. Auch biographische Erinnerungen werden unter Anwendung von narrativen Strukturen zu einer Lebensgeschichte konstruiert. Diese narrativen Strukturen des Erinnerungsprozesses gehören zu jeder Erinnerungskultur. Narrativisierung von Geschichte ermöglicht deren Deutung. „Die Welt der Kollektivgedächtnisse ist eine Welt der Narrative, in deren Rahmen die Vergangenheit bereits weitgehend in sinnhafte Strukturen überführt worden ist.“39 Ein wichtiger Bestandteil der Vergegenwärtigung der Vergangenheit sind Gattungen und Muster. Konventionalisierte Muster gestalten Erinnerungskulturen. Gedächtnismedien nehmen die zu erinnernden Elemente mittels existierender Muster auf und gestalten sie. Die Resultate dieser Gestaltungen werden dann wieder in die Erinnerungskultur eingespeist. Der Erinnerungs- und Selektionsprozess der Gedächtnismedien ähnelt dabei den Prozessen des kollektiven Gedächtnisses. Es werden Elemente ausgewählt, die in der medialen Darstellung eine Neugestaltung erfahren. Eine ‚neue’ Geschichte wird durch die Verknüpfung von Elementen geformt. In dieser neuen Form erhält jedes Element seinen Platz und seine Bedeutung. Einzelne Elemente werden von anderen Elementen ergänzt oder umgedeutet.40 2.3 Emotionale Erinnerung oder Erinnerung an Emotionen?41 Gedächtnis und Erinnerungsleistungen sind nie rein sachlich und neutral, sondern die Rekonstruktion von Vergangenheit hat immer, wie jeder kommunikative Prozeβ, auch eine 39 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 145. Ebenda, S. 145ff. 41 Harald Welzer: Gedächtnis und Erinnerung. In: Handbuch der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2004, S 163. 40 17 emotionale Dimension.42 Die emotionale Einbettung in eine erlebte Situation spielt eine große Rolle für das, an was wir uns erinnern. Die emotionale Tönung eines Erlebnisses beeinflusst den Inhalt von Erinnerungen. Sind es nun aber die Emotionen, an die wir uns erinnern, oder das Ereignis selbst? Untersuchungen haben herausgestellt, dass es eher die Erinnerungen an Emotionen sind, als an die Ereignisse selbst. So zeigt Harald Welzer in seinen Arbeiten zu den Untersuchungen nach den dramatischen Ereignissen des Attentats auf John F. Kennedy und des Challenger-Unglücks, dass Erinnungen und Emotionen untrennbar zusammen gehören. Welzer konnte zeigen, dass eine geringe Korrelation zwischen der Akkuratheit einer Erinnerung und der Überzeugung, sich an jede Einzelheit präzise erinnern zu können, besteht. Dieses Ergebnis hat damit zu tun, „[...] dass gerade die emotionale Bedeutsamkeit des Ereignisses die Überzeugung sichert, man würde sich genau erinnern, und diese Überzeugung wird eben genau dadurch unterfüttert, dass es sich hierbei um Ereignisse handelt, über die man oft – und unter anderem natürlich in den Befragungen selbst – gesprochen hat.“43 Derlei Ergebnisse erklären gut, warum Zeitzeugen mit Überzeugung die Authentizität von berichteten Erlebnissen und Ereignissen behaupten können. Die erinnerten und nacherzählten Episoden werden nach sozial abgestützten Erzählmustern erzählt, was in Kombination mit der emotionalen Tönung das Hören der Geschichte für den Zuhörer zu einem emotionalen Ereignis macht. 42 43 Harald Welzer: Gedächtnis und Erinnerung. In: Handbuch der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2004, S. 163. 18 3. Medien und Gedächtnis 3.1 Medien und Gedächtnisbildung Das Konservieren einer gemeinsamen Vergangenheit wird erst durch Medien ermöglicht. In Erinnerung an die Vergangenheit haben wir Bilder, Bücher oder Gemälde vor Augen. Druckund Printmedien, Kino und TV sowie Internet fungieren als Speichermedien für nachfolgende Generationen. Medien sind sowohl für das individuelle als auch für das kollektive Gedächtnis relevant. „Medien [müssen] als Vermittlungsinstanzen und Transformatoren zwischen individueller und kollektiver Dimension des Erinnerns gedacht werden.“44 Durch mediale Repräsentation und Distribution kann eine individuelle Erinnerung zur kollektiven Erinnerung werden. Zeit- und Augenzeugenerfahrungen können zum Element im kollektiven Gedächtnis werden, wenn deren Briefe, Fotos und Interviews veröffentlicht werden. So gelangen persönliche Erfahrungen über Kommunikation und Medienrezeption aus dem individuellen in das kollektive Gedächtnis. Der Prozess ist aber auch umkehrbar: Individuen können sich auf diese Weise Zugang zu soziokulturellen Wissensordnungen und Schemata verschaffen. Medien fungieren als „Vermittlungsinstanzen“ oder „Schaltstellen“ zwischen den individuellen und kollektiven Dimensionen des Erinnerns. Bei näherer Betrachtung dieses Prozesses rückt die Frage nach der Rolle der Medien bei Gedächtnisbildung und Vergangenheitsrekonstruktion weiter in den Vordergrund. Der Begriff ‚Re-Konstruktion’ macht klar, dass die Vergangenheit nicht einfach so wie sie ‚tatsächlich’ war abgebildet wird, sondern Rückgriff auf Vergangenes eine ‚aktive’ Interpretationsleistung ist, d.h. dass es immer nur ‚Lesarten’ der Vergangenheit gibt. Lesarten, die genauso gut auch anders ausfallen könnten. Persönliche Erinnerungen gelangen durch mediale Repräsentation und Distribution zu kollektiver Relevanz. Die Medien, die die Botschaft vermitteln, sind aber keine neutralen Träger, denn die Botschaft wird immer auch vom Medium geprägt. Nicht nur die Botschaft wird übertragen, sondern Medien „[...] entfalten eine Wirkkraft, welche die Modalitäten 44 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 123. 19 unseres Denkens, Wahrnehmens, Erinnerns und Kommunizierens prägt.“45 Diese Prägung ist nach Jan und Aleida Assmann so stark, dass: „Alles, was über die Welt gewusst, gedacht und gesagt werden kann, ist nur in Abhängigkeit von den Medien wissbar, denkbar und sagbar, die dieses Wissen kommunizieren.“46 Gedächtnismedien wie Bücher, Denkmäler und das Internet erzeugen eigene Welten des kollektiven Gedächtnisses, je nach Maßgabe ihres spezifischen gedächtnismedialen Erinnerungensinhalte in Leistungsvermögens. starkem Kommumikationstechnologien geprägt. Ausmaβe Eine These So werden von aus den der unsere verfügbaren Assmann’schen Gedächtnistheorie ist, dass „sich die Gestalt des kulturellen Gedächtnisses in nicht unwesentlichem Maße den verfügbaren Medien einer Gesellschaft verdankt.“47 Denn das Gedächtnis erhält seine jeweilige Form in Relation zu medientechnologischen, soziopolitischen und erinnerungskulturellen Prozessen. So zeigt sich die Medienabhängigkeit und Mediengeprägtheit der Erinnerung. Andererseits gilt: Medienrevolutionen haben zwar ihren Einfluss auf Formen des kollektiven Erinnerns, aber auch umgekehrt können erinnerungskulturelle Bedürfnisse und Herausforderungen zum Entstehen neuer Medientechnologien führen. Weil die Medien und das kollektive Gedächtnis eng miteinander vernetzt sind, ist im Bereich der Gedächnisforschung auch von Medienforschung zu sprechen. Wenn man als Ausgangspunkt nimmt, dass Medien Erinnerungskultur ermöglichen und erzeugen, könnten Gedächtnisgeschichte auch als Mediengeschichte geschrieben werden. Der Holocaust entfernt sich zeitlich immer weiter von unserer Gegenwart; aber er wird im Form von Büchern, Computern und Archiven gespeichert, so dass er, und zwar so lange diese Speichermedien auch tatsächlich abgerufen werden, trotz historischer Distanz ‚lebendig’ bleibt. 3.2 Filme als Deutungs- und Sinnstiftungsproduzenten Aus verschiedenen Perspektiven gesehen wird ein bestimmtes Ereignis unterschiedlich erfahren und rekonstruiert. Das ist der Grund, warum man sich später an verschiedene Dinge besonders genau erinnert, an andere jedoch kaum noch. Beim Abrufen von Erinnerungen entsteht jeweils eine neue Rekonstruktion und damit ändert sich die Erinnerung im Gedächtnis. Auch Erfahrungen, die man später im Leben macht, verändern alte Erinnerungen. Jede neue Erfahrung wird auf der Grundlage der bestehenden Erfahrungen verarbeitet. Das bedeutet, dass jede neue Rekonstruktion einer bestimmten Erinnerung, egal, ob sie durch 45 Ebenda, S. 124 zitiert nach Sybille Krämer 1999b S. 114ff. Ebenda, S. 124 zitiert nach Assmann/Assmann, 1990 S.2. 47 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 128 Assmann/Assmann 1994. 46 20 einen selbst oder durch die Massenmedien hervorgerufen wird, durch vorangegangene Rekonstruktionen beeinflusst wird und bestehende Vorstellungsbilder verändert.48 Die Vermittlung von Inhalten in Filmen ist genauso kontextabhängig wie jede andere Form von Erinnerung. Der zeitliche und sozio-kulturelle Kontext bestimmt den Umgang, die Interpretation und Bewertung von historischen Ereignissen. Massenmedien beeinflussen die Beziehung zwischen den Menschen und ihrer Vergangenheit. Sie sind nicht nur Spiegel der Vergangenheit, sondern sie prägen diese Vergangenheit nach ihrem spezifischen Leistungsvermögen. Als Schnittstelle zwischen Vergangenheit und Gegenwart haben Medien die Funktion von Deutern und Sinnstiftern; sie sind also alles andere als bedeutungsneutral. Spielfilme können als eine Art Resonanzfläche gesehen werden. Sie vermitteln Sinnkonstruktionen und Deutungsmuster, die zum Zeitpunkt der Filmproduktion in einer Gesellschaft herrschen. So verständigt die Gesellschaft sich durch Film und Fernsehen über relevante Kategorien und Differenzierungen, Bedeutungen und Konzepte von Identität, Arbeit, Erziehung und Rollenzuschreibung. Die Massenmedien inszenieren Selbst- und Fremdbilder, bauen Freund- und Feindarchitekturen, arrangieren Eingrenzungs- und Ausgrenzungsstrategien und organisieren Rechts- und Unrechtskonstruktionen. Die grundlegenden Basisdifferenzen zwischen wahr und falsch, gut und böse, moralisch und unmoralisch und innen und außen bilden das Fundament von Wirklichkeitskonstruktionen. Jede Kultur bewertet diese Basisdifferenzierungen nach eigenen Maßstäben, was zur Folge hat, dass jede Kultur seine eigene kulturell geprägte Wirklichkeit hat. Was in einer Kultur als wahr, gut und moralisch befunden wird, kann in einer anderen Kultur als das Gegenteil bewertet werden, denn dort wird die Welt auf eine andere Art und Weise wahrgenommen und verstanden. Mitglieder einer Gemeinschaft haben in der Regel die selben Wirklichkeitsvorstellungen, denn es wird der selbe Sinnorientierungsrahmen vorausgesetzt.49 Innerhalb von „vorgezeichneten nationalen, politischen und religiösen Bahnen,“50 lassen sich Ereignisse und Erfahrungen in den dominierenden Erinnerungsdiskurs einordnen. So beruhen Denkmäler, Filme oder wissenschaftliche Werke aus einer bestimmten Zeitperiode auf historischen und politischen Denkgewohnheiten und traditionellen religiösen und politischen Ideologien. Ein Film ist nicht nur eine Abbildung der Vergangenheit, sondern auch „ein 48 Harald Welzer: Gedächtnis und Erinnerung. S. 165. In: Handbuch der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2004. Waltraud >Wara< Wende: Kultur, Medien und Literatur. A.a.O. S. 79f, S. 84f. Würzburg 2004. 50 Frank van Vree: Auschwitz liegt in Polen. Krieg, Verfolgung und Vernichtung im polnischen Film 1945-1963. S. 43ff. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 49 21 Zeugnis des jeweiligen Umgangs mit dieser Vergangenheit, ein Dokument der jeweiligen Interpretation eines historischen Ereignisses.“51 Umgekehrt haben Massenmedien auch Einfluβ und Rückwirkungen auf die Gesellschaft. So beschränkt sich die Wirkung eines Spielfilms nicht nur darauf die Zuschauer zu unterhalten, sondern er hat Auswirkungen auf Sinnkonstruktionen und Sinnorientierungen, Welt- und Selbstbilder der Zuschauer. Zeitbedingte gesellschaftliche Diskurse werden in Filmen aufgegriffen und es erfolgt eine klare Zuschreibung. Denn es werden Vorstellungen und Deutungsmuster von richtig und falsch, gut und böse, moralisch und unmoralisch gegeben. Phänomene und Ereignisse werden selektiert, strukturiert, interpretiert und bewertet. Vorstellungen, die die Zuschauer im Kopf haben, können durch Medienkonsum verändert werden. Medien können bestimmte Vorstellungen bestätigen, modifizieren, irritieren oder korrigieren. Somit haben sie großen Einfluss auf die Zuschauer. Auch Spielfilme, als Teilmenge der Massenmedien, konditionieren und prägen die Meinungsbildung und Sichtweisen der Mediennutzer, wirken auf ihr Denken und Fühlen, tragen zur Meinungsbildung des Zuschauers bei. Die in Spielfilmen angebotene ‚Welt’ hat Auswirkungen auf das Weltbild und Selbstbild der Zuschauer und damit auf deren Sinnkonstruktion und Sinnorientierung. Von dem in Massenmedien und speziell Spielfilmen gehaltenen Diskurs, mit den jeweiligen Vorstellungsbildern und Deutungsmustern die in ihnen dargestellt werden, wird Erinnerungskultur geprägt.52 Die bereits vorhandenen Bilder und Muster einer Gesellschaft haben Auswirkung darauf, wie die neuen Bilder wahrgenommen und bewertet werden. Filme schreiben so zum Beispiel die jeweils inszenierte Repräsentation des Holocaust in die Erinnerungskultur ein und bestimmen dadurch die Wahrnehmung der Gegenwart. Die Bezugnahme auf bestimmte Wahrnehmungen, Stereotypen, Geschehnisse und Entwicklungen in Film und Fernsehen macht die Einbeziehung von bestimmten Elementen in die Erinnerungskultur möglich. Die Gesellschaft kann so auf bestimmte Elemente aufmerksam gemacht werden, und so können Ereignisse außerhalb unseres eigenen Erfahrungsgebietes in die Erinnerungskultur eingespeist werden. Auch historische Ereignisse werden in einer neuen filmischen Darstellung neu inszeniert. Bei der Produktion von Filmen soll entschieden werden, welche Aspekte 51 Waltraud >Wara< Wende: Die Bilder vom Krieg und der Krieg der Bilder. S 366. In: Krieg und Gedächtnis. Würzburg 2005. 52 Waltraud >Wara< Wende: Das >andere< leben im >anderen< Deutschland. In: Ortrud Gutjahr (Hg.). In: Intrakulturelle Fremdheit. Deutsch-deutsche Differenzen in Literatur und Film nach der Wende. Würzburg 2008. 22 dargestellt oder nicht dargestellt werden. Will man historische Aufklärungsarbeit liefern oder eine spannende Geschichte erzählen? Warum wird ein bestimmtes Thema ausgewählt? Mit welchen Intentionen wird arrangiert und inszeniert? Gehört der Regisseur der Kriegs- oder der Nachgeborenengeneration an? Wird aus der Opfer- oder der Täterperspektive erzählt? In Spielfilmen geht es um „eine aktualisierende Neuversinnlichung der historischen Ereignisse, um eine aktualisierende Aufarbeitung des vorhandenen Wissens über eine vergangene Zeit.“53 Ein Film sagt darum auch immer etwas über die Gegenwart aus, nämlich wie in dem Moment die Vergangenheit gesehen wird. Der Gegenwartsbezug von Spielfimen ist oft nicht sofort augenfällig, da viele auch im heutigen kulturellen Rahmen spielen. Wenn allerdings Filme aus den fünfziger Jahren analysiert werden, wird der Gegenwartsbezug dieser ‚historischen’ Filme schon deutlich. Knut Hickethier erklärt, dass der Gegenwartbezug uns auffällt, „wenn diese Neuversinnlichungen der historischen Ereignisse selbst wieder historisch geworden sind“. Erst dann würden uns charakteristische Merkmale einer bestimmten Zeitperiode auffallen.54 Keine Vergegenwärtigungssituation ist wie eine vorangegangene. Damit wird auch jede neue Verfertigung der Vergangenheit nicht die gleiche sein. Die Erinnerung oder das historische Material wird in neue Zusammenhänge eingebettet und damit verändert. Ein Beispiel ist der Spielfilm „Der Untergang“ (2004) des Regisseurs Olivier Hirschbiegel. Er hat in seinem Film die letzen Tage Hitlers neu inszeniert. Hirschbiegel beruft sich in seiner ‚Neuvergegenwärtigung’ auf zahlreiche historische Berichte von Beteiligten, auf historische Analysen von Historikern und historische Dokumente wie Film- und Tonaufnahmen, Fotografien und Briefe. In der neuen Darstellung wird versucht, die Figur Hitlers neu zu deuten. Die Ereignisse der damaligen Zeit werden für die gegenwärtigen Zuschauer auf eine neue Weise veranschaulicht. Der Film betreibt damit Gedächtnisarbeit und wird Teil einer ‚Erinnerungskultur’. 53 Knut Hickethier. Der Krieg, der Film und das mediale Gedächtnis. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Krieg und Gedächtnis. S. 349. Würzburg 2005. 54 Ebenda. 23 4. Funktionalisierung des Holocaust 4.1 Tendenzen in neueren Holocaust-Filmen Der mediale Umgang mit dem Holocaust in Spielfilmen hat sich im Laufe der Zeit geändert. Die Darstellung des Holocaust ist von vielerlei Faktoren abhängig, so wird sie von zeittypischen Mustern, vom sozio-kulturellen Kontext und von individuellen Intentionen bestimmt. In den vergangenen fünfzig Jahren erscheinen ganz unterschiedliche Filme über den Holocaust und die nationalsozialistische Vergangenheit. In diesen Filmen sind bestimmte Muster und Tendenzen zu erkennen. Eine Zahl von Dokumentationen hat bestimmte Bilder in unsere Erinnerung eingebrannt. Die Funktionalisierung des Holocaust für Unterhaltungsfilme setzt nach der Serie Holocaust ein und steht damit im Kontrast zu den älteren Filmen, die eher von einer Art dokumentarischem Stil geprägt sind. Die kalte Grausamkeit der ‚bürokratischen Vorgänge’ des Holocaust wie Bilder von Toren, Zügen, Schienen, Massenerschieβungen und Leichenbergen prägen in den ersten Jahrzehnten nach dem Holocaust die Dokumentarfilmen. Diese Bilder werden von ergreifender Musik, langen Erzählpassagen und Kommentaren untermalt. Dokumentarserien, die manchmal auf biografischen Erinnerungen basieren, werden in einem angemessenen Ton präsentiert. Die Interviewsequenzen mit Zeugen sind lang, es gibt wenig Schnitte und oft wird alles in Schwarzweiß gedreht. Die schwarzweißen Bilder stehen für die Vergangenheit, die Bilder wirken dadurch authentisch und passen zu der Stimmung, die übertragen wird. Überbleibsel des Holocaust, wie die Lager mit Koffern, Brillen und anderen persönlichen Sachen erfüllen eine Zeichenfunktion. Diese ‚Beweise’ werden zum Zeichen für den Massenmord. Im Prozess der Gedächtnisbildung wird das historische Ereignis auf wenige Zeichen und Zeichenkomplexe reduziert.55 Die eher dokumentarische Erzählweise verändert sich in den neunziger Jahren. Die Einschaltquoten von den bis dahin ausgestrahlten Dokumentationen werden weniger und man versucht die Dokumentarfilme zu dynamisieren. Die altbekannten historischen Bilder werden mit aktuellen Bildern der ehemaligen Lager ergänzt, die Interviewsequenzen werden gekürzt und die Kameraschnitte wechselen einander 55 Manuel Köppen: Holocaust im Fernsehen. Die Konkurrenz der Medien um die Erinnerung. S. 285 In: In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 24 häufiger ab. „In die Erinnerung an das Grauen mischte sich Sensationelles,“56 und so ändert sich im Laufe der neunziger Jahre der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. In den letzten Dezennien, nachdem die amerikanische Serie Holocaust ausgestrahlt wurde, sind die Verbrechen der Nazis sogar zum Gegenstand des Unterhaltungskinos geworden. In den neueren Holocaust-Filmen sind spezielle Tendenzen in der Darstellung zu erkennen. 1993 erschien Schindlers Liste und dieser Film war ein Massenerfolg. Müsste man, um dieser Film gleichzukommen, die Darstellung Spielbergs übertreffen oder ein anderes Konzept wählen? Nach dem Erscheinen von Schindlers Liste entsteht eine große Zahl von Spielfilmen, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Holocaust auseinandersetzen. Regisseure erkennen, dass der Holocaust als „düstere Folie“ sich für jede Art von Spielfilm eignet, als eine Art „Grusel“57 im Hintergrund. Die Atmosphäre eines Holocaust-Films wird durch eine Kombination von Stacheldraht, Wachtürmen, SS-Männern, Stiefeln, Hunden und Depotationszügen, Herbst, Winter und grauen Farben erzeugt. Zeichen der Vernichtung, wie Lagerzäune, Baracken, Lokomotiven und Schienenstränge können als Sequenzen in Filmen oder Dokumentarsendungen eingeblendet werden. Einerseits können sie zur Dynamisierung der Erzählung dienen, andererseits können sie aber auch einen Gedächtnisraum bilden, der mit der Vorstellungskraft der Zuschauer gefüllt werden soll. Ohne dass direkt gezeigt wird, was passiert, kann der Zuschauer beim Sehen dieser Bilder eine Idee davon entwickeln, was sich in den Lagern abspielte. Das Wissen um die Vergangenheit hat zur Folge, dass der Zuschauer beim Anblick dieser Zeichen weiß, was den Hauptfiguren an Leiden bevorsteht. Dieses Wissen hat der Zuschauer sich durch bereits erschienen Dokumentationen im kollektiven Gedächtnis aufgebaut. Zahlreiche dokumentarische Produktionen von Film und Fernsehen haben uns ein Bild vom Holocaust geschaffen, was bedeutet, dass die Bildmedien eine erhebliche Rolle bei der Bildung unseres kollektiven Gedächtnisses beitragen. Bei Betrachtung der Holocaust-Filme seit den neunziger Jahren sind drei Tendenzen zu beobachten. Diese spezifischen Tendenzen sind nach Lorenz in drei Gruppen zu gliedern: zum Ersten das sinnentleerte Zitieren des Holocaust in Nicht-Holocaust-Filmen, des Weiteren eine Ausweitung der Opfergruppen des Holocaust und Drittens die Bereicherung des Holocaust-Films um das Genre der Komödie.58 Diese letzte Tendenz ist sehr bemerkenswerte. Bekanntestes Beispiel für die Verarbeitung des Themas Holocaust in einer Komödie ist 56 Ebenda, S. 277. Matthias N. Lorenz: Der Holocaust als Zitat. In: Sven Kramer (Hg.): Die Shoah im Bild. München 2003, S. 267-296. 58 Ebenda, S. 267. 57 25 Benignis La Vita é Bella (1998). Dieser Film war in Deutschland sehr erfolgreich und ist nach Kathy Laster und Heinz Steinert als „gelungene Bewältigung einer neuen Problemstellung in der Darstellung der Shoah durch und für die Generation nach den Überlebenden und den Tätern“59 zu bezeichnen. Benigni setzt „auf das Lachen als einen möglichen Bewältigungsversuch des Unfassbaren. Die Komödie ist ein Versuch, das sprachlos Machende zu überwinden.“60 Im Film lässt Vater Guido seinen Sohn Giosué glauben, dass ihre Deportation eine Reise ist, ein Spiel, das sie versuchen müssen zu gewinnen. Dabei ist dem Zuschauer klar, dass Guido sich dem Ernst der realen Situation bewusst ist, und dadurch wird auch im Film nicht der Bezug zu Furcht und Schrecken der Situation verloren. Das Tabu einer Holocaust-Komödie wird mit diesem Film erstmals gebrochen. Kurz danach kommt dann Mihaileanu’s Zug des Lebens (1998) in die Kinos. Der Film erzählt von der Flucht nach Palästina, die in einem falschen Deportationszug ermöglicht wird. Mihaileanu will in seinem Film nicht die Gräueltaten und Vernichtungslager zeigen, sonders etwas längst „Ausgelöschtes, Ausradiertes: Das Leben im Shtetl, jenem Ort jüdischen Lebens in Osteuropa, das es nicht mehr gibt.“ Er erklärt seine Wahl für diese Darstellungsweise indem er sagt, dass man nicht ewig und immer die Shoah auf der Ebene des visuell dargestellten Schreckens und der Tränen behandeln kann. „Das was nicht gezeigt wird, sei gerade deshalb oftmals schrecklicher in seiner Wirkung, als wenn man versucht, es in allen Einzelheiten zu visualisieren.“61 Als zweiter Trend ist das sinnentleerte Zitieren des Holocaust in Nicht-HolocaustFilmen zu erkennen. Mit diesem „Zitieren“ ist gemeint, dass mittlerweile so etwas wie eine „Ikonografie des Holocaust“62 entstanden ist. Der Holocaust wird gerne als Schema oder Maschinierie des Bösen verwendet. Aspekte des Holocaust werden in fiktionalen Auseinandersetzungen verwendet, wie auf der Hühnerfarm in dem Animationsfilm Chicken Run (Hennen rennen) von Nick Park (2000). In der Animation wird eine Geschichte von existenzieller Bedrohung und Fluchtversuch erzählt. Der Hühnerfarm gleicht einem Konzentrationslager, in dem man Holzbaracken, Stacheldrahtzaüne, Hundepatrouillen und Wachttürme sieht. Der Film ist kein Holocaust-Film, aber die Umstände geben den Film die 59 Ebenda, S. 269 zitiert nach: Kathy Laster / Heinz Steinert: La Vita e bella. Absurdismus und Realismus in der Darstellung der Shoah. In: Mittelweg 36, 8 (1999) H. 4, S.88. 60 Ebenda, S. 270. 61 Ulrich Behrens: Zug des Lebens. In: http://www.filmzentrale.com/rezis/zugdeslebensub.htm 62 Matthias N. Lorenz: Der Holocaust als Zitat. In: Sven Kramer (Hg.): Die Shoah im Bild. München 2003, S. 272. 26 Struktur einer Holocausterzählung. Aus den Juden sind „befreiungssuchende“ Hühner geworden. Die visuellen Zeichen des Holocaust werden in den Animationsfilm transferiert.63 Für ein anderes Beispiel des ‚sinnentleerten Zitierens’ steht der zweite Band von Harry Potter64. In diesem Band geht es um den Kampf zwischen reinrassigen Zauberern und „Schlammblütern“, wobei Parallelen mit der nationalsozialistischen „Rassenhygiene“ wach gerufen werden.65 Das bestimmte Aspekte des Holocaust „zitiert“ werden, dient der Emotionalisierung, und nicht der Information oder dem Gedenken. Die ‚Ausweitung der Opfergruppen’ gilt als dritte Tendenz des neueren HolocaustFilms. Es handelt sich hier um drei nicht-jüdische Opfergruppen. In Hasenjagd (Andreas Gruber 1995) wird den Massenmord an russischen Kriegsgefangenen thematisiert, in Zug des Lebens (Mihaileanu 1998) treffen flüchtende Juden auf eine Gruppe Sinti und Roma, denen das gleiche Schicksal wie den Juden bevorsteht und ebenfalls einen Fluchtplan hegen und die Filme Bent (Sean Mathias 1997) und Aimée und Jaguar (Max Färberböck 1999) handeln von Homosexuellen und Lesben, die ebenfalls im Dritten Reich verfolgt worden sind. 1994 erscheint das Buch Aimée und Jaguar. Eine Frauenliebe. Berlin 1943. Die Publizistin Erika Fischer rekonstruiert die Liebesgeschichte zwischen Lilly Wust und Felice Schragenheim, die sich im Dritten Reich ereignete. Dieses Buch dient als Vorlage für den gleichnamigen Film von Max Färberböck, welcher 1998 in die Kinos kommt. Es ist eine auf der Tatsachenwirklichkeit basierende Geschichte, in der es um die lesbische Beziehung zwischen der „Arierin“ Lilly Wust und der Jüdin Felice Schragenheim geht. Lilly Wust, geboren 1913, ist Mutter von vier Söhnen, Trägerin des Mutterkreuzes in Bronze und verheiratet mit einem parteitreuen Frontsoldaten der Hitler-Armee. Die Situation der 1922 geboren Jüdin Felice ändert sich ab 1938 radikal. Eine Vielzahl von Vorschriften und Regeln machen das Leben unangenehm und schwierig. Als dann der Depotationsbescheid für den Tansport nach Auschwitz ansteht, entscheidet sie sich dafür unterzutauchen. Die erste Begegnung zwischen den Frauen findet am 27. November 1942 statt, in den Monaten darauf beginnt dann die Liebesgeschichte. Lilly, genannt ‚Aimée’, wird charakterisiert als die „zu verführende blonde Unschuld,“ und Felice, genannt ‚Jaguar’, sei der „dominante Vamptyp.“66 Zu Beginn der Beziehung weiß Lilly noch nicht, dass ihre Freudin Jüdin ist und damit in ständiger Gefahr lebt entdeckt und verhaftet zu werden. Doch Felice sagt ihrer Freundin 63 Joan Kristin Bleicher: Zwischen Horror und Komödie. S. 176ff. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 64 J.K. Rowling: Harry Potter und die Kammer des Schreckens. 1998 65 Matthias N. Lorenz: Der Holocaust als Zitat. In: Sven Kramer (Hg.): Die Shoah im Bild. München 2003, S. S. 274. 66 Ebenda, S. 281. 27 schlieβlich die Wahrheit und diese entscheidet sich dann dafür, ihrer Geliebten Schutz und Sicherheit zu geben. Lilly hat mittlerweile die Scheidung von ihrem Ehemann beantragt, der sich währenddessen mit der Haushalthilfe vergnügt. Felice zieht in die Wohnung zu Lilly und ihren vier Kindern. Über die Möglichkeit der Flucht wird diskutiert, aber Felice gibt ihre Flucht auf. Kurz darauf, am 21. August 1944, wird sie verhaftet und schließlich nach Auschwitz abtransportiert. Lilly trauert um Felice und und den Verlust ihrer Liebe. Es ist eine relativ selbstbezogene Trauer: Die geliebte Felice ist fort und für Lilly scheint das Leben sinnlos. Lilly konzentriert sich ausschlieβlich auf den eigenen Schmerz, auf ihre Verlustängste und die Vorstellung, dass sie ihre Freundin vielleicht nie wiedersehen wird.67 Thematisiert wird die Liebe zwischen den Frauen und das Leiden der deutschen Bevölkerung. Das andere genannte Bespiel, in dem die Opfergruppe der Homosexuellen thematisiert wird, ist Bent. Dieser Film spielt im KZ-Dachau, wo die beiden Schwulen Max und Horst einander kennen lernen. Sie verlieben sich in einander, und obwohl sie sich weder berühren, noch miteinander sprechen dürfen, bauen sie eine enge emotionale Beziehung auf. Geht es in Bent um das Gedenken an die homosexuellen Opfer des Holocaust? Oder dient der Nationalsozialismus als Folie für die Darstellung eines ‘Gruselkabinetts’? Häftlinge, Führer und SS-Leute, sowohl ‘Gute’ als auch ‘Böse’ sind in diesem Film schwul. Holocaust im Sinne von Massentötung kommt genau so wenig vor wie die Realität in den Lagern. Somit ist Bent ebenfalls ein Beispiel für „sinnentleertes Zitieren des Holocaust“.68 Der Opferstatus als sexuell Verfolgte(r) ist aber sowohl in in Aimée und Jaguar als auch in Bent nicht das Hauptthema. Zugleich sind die Hauptpersonen nämlich auch jüdisch. Die homosexuelle Veranlagung wird also nicht als alleiniger Verfolgungsgrund angeführt und somit ist nicht die Homosexualität im Besonderen Thema der Filme. Als drittes Beispiel für die Ausweitung der Opfergruppen ist Hasenjagd zu nennen. Der Film erzählt von der Flucht russischer Gefangenener aus dem österreichischen KZ Mauthausen. Die Flucht erfolgt in einer Nachtaktion, aber nur etwa 150 der 500 Gefangenen können tatsächlich entkommen. Die Einwohner des KZ-nahen Dorfes werden von der SS informiert, alle verfügbaren Männer sollen sich an der Verfolgung der Flüchtlinge beteiligen. Die Verbrecher sollen auf der Stelle liquidiert werden: Eine Hasenjagd beginnt. Eine Annäherung an die Vergangenheit, bei der der Fokus auf persönlichen Schicksalen liegt, ist also ein wesentlicher Aspekt der neueren Filme. Da die Totalität der 67 Waltraud >Wara< Wende. Die Geschichte hinter der Geschichte. Aimée und Jaguar. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.). Holocaust im Film. Heidelberg 2007, A.a.O. 227-258. 68 Matthias N. Lorenz: Der Holocaust als Zitat. In: Sven Kramer (Hg.). Die Shoah im Bild. München 2003, S. 275f. 28 Grausamkeiten des Holocaust nicht in einem Film darstellbar ist, bieten Filme eine Möglichkeit zur Wiedergabe von einzelnen Aspekten, indem sie das individuelle Schicksal einzelner Menschen oder Gruppen darstellen. Eine überschaubare Gruppe von Personen durchlebt eine Geschichte, die aus einer Reihe von überschaubaren Situationen besteht. Der Zuschauer kann sich in die gezeigten Situation hineinversetzen und bekommt so eine Vorstellung davon, was Holocaust bedeutet, d.h. er wird emotional nachfühlbar. So wird das kollektive Schicksal durch die individuelle Geschichte für den Zuschauer erlebbar gemacht.69 Selbstverständlich spielt in vielen Filmen der Unterhaltungswert und nicht historische Aufklärungsarbeit die zentrale Rolle. Durch die Darstellung von Schicksalen einzelner Personen oder Personengruppen wird dem Zuschauer eine Erlebnisdimension angeboten. Es werden Gefühlshorizonte und Erlebnisdimensionen erschlossen, die das alltägliche und ‚wirkliche’ Leben so nicht bereithält.70 Um solch eine Erfahrungsdimension zu ermöglichen werden bestimmte Figuren in Filmen als Identifikationsfiguren aufgebaut, mit denen der Zuschauer mitfühlt. Die Wahrnehmung von Identifikationsfiguren erfolgt sowohl kognitiv als emotional. Indem man sich mit einer Person identifiziert, kann eine Vorstellung gewonnen werden, wie es ist oder wäre diese Person zu sein. Zu einem gewissen Grad kann man verstehen, warum und wie diese Person handelt und empfindet. Identifikation ist möglich, wenn man sich in eine andere Person hineinversetzt, diese mit sich selbst vergleicht und Übereinstimmungen feststellt. Identifikation richtet sich auf Personen, ist aber an den sozialen Rollen orientiert, die im Film eingenommen werden. Diese Rollen sind an soziale Situationen und deren Interaktion gebunden, denen eine Emotionalstruktur zu Grunde liegt. Eine Identifikation wäre zum Beispiel die Opferrolle, die Rolle der Geliebten oder die des Verräters.71 „Für die Dauer der Besichtigung von ‚Der Untergang’ und ‚Sophie Scholl’ dürfen wir Nachgeborenen behaupten, wir seien dabei gewesen. Viel mehr geistigen Mehrwert bieten diese Werke nicht und wollen ihn auch nicht bieten. Schließlich geht es ihren im Entertainment-Geschäft gestählten Machern vor allem darum, den offenkundigsten Thrill abzuschöpfen. Von jenem History-Thrill leben auch all jene Filme, die auf individuellen Lebenszeugnissen beruhren, die Nazizeit aus der Perspektive der kleinen Leute beleuchten; doch obwohl sie narrative Ausschmüchungen brauchten, lässt – so paradox es klingt – gerade die identifikationsbedürftige und vergegenwärtigende Fantasie des Zuschauers sie weniger fiktiv erscheinen; das gilt für Margarethe von 69 Knut Hickethier. Der Krieg, der Film und das mediale Gedächtnis. S. 358. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Krieg und Gedächtnis. Würzburg 2005. 70 Astrid Erl: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005, S. 146, 147. 71 Lothar Mikos: Film- und Fernsehanalyse. Konstanz 2003, S. 165ff. 29 Trottas ‚Rosenstraße’ebenso wie für Max Färberböcks ‚Aimée und Jaguar’ oder Stefan Ruzowitzkys ‚Die Fälscher’.“72 Filme repräsentieren reale oder mögliche Welten und sind von besonderer Bedeutung bei der Bewältigung historischer Ereignisse. Bestimmte Aspekte der komplexen historischen Wirklichkeit können in einer Erzählung überschaubar gemacht werden. Die Komplexität der Vergangenheit wird in Spielfilmen auf eine überschaubare Abfolge von Ereignissen reduziert, was zur Erleichterung ihrer Komplexität und ihrer Bewältigung führt. Historische Komplexität wird reduziert, um Zielgruppen zu erreichen, um Aufklärungsarbeit zu betreiben und um bestimmte Aspekte der Vergangenheit darzustellen. Historische Ereignisse werden zum Thema von Spielfilmen und bieten dem Zuschauer Unterhaltung und emotionale Identifikationsmöglichkeiten. In historischen Spielfilmen dient ein historischer Kontext oft als Rahmen, in dem sich eine fiktive Geschichte abspielt. Dabei sind filmische oder künstlerische Darstellungen der Vergangenheit stets Rekonstruktionen, sie sind also keine wahrheitstreue oder objektive Wiedergabe der Vergangenheit. Weder Faktentreue noch Objektivität ist zu erwarten. In Spielfilmen geht es nicht um Authentizität, Daten- und Faktentreue sondern werden ‚fiktionale’ ‚Als-ob-Welten’73 angeboten. Spielfilme unterscheiden sich von anderen Medien. Viele Aspekte wie Bilder, Töne, Musik, Identifikationsfiguren, Realität und Fiktion kommen in einem Film zusammen und sollten den Zuschauer in seinen Bann ziehen. „Spielfilme – anders als Reden oder wissenschaftliche Abhandlungen – sind aufgrund ihrer mehrfachen kodierten Materialität aus Bildern, Texten und Tönen komplexe ästhetische Gebilde, die es sich erlauben, mit Ambivalenzen, Assoziationen und Identifikationen zu spielen und dem Zuschauer mehrere Bedeutungen zugleich zu suggerieren. Damit gelingt es fiktionalen Filmen (öfter als dokumentarischen), im Zuschauer verborgene Wünsche und Ängste zu aktivieren, Phantasien freizusetzen, kollektive Stimmungslagen anzusprechen und Meinungen zu katalysieren.“74 Bei der Gestaltung von Spielfilmen spielt Fiktion eine große Rolle. Imaginäre und authentische Elemente werden aufgenommen, und so kommen Bereiche des Realen und des Imaginären in einem Film zusammen. “Is fact watched as fiction? And fiction fact?”75 Werden Fakten als Fiktion wahrgenommen? Oder bekommt das Imaginäre den Status des 72 Jan Schulz-Ojala: Wilkommenn in der Geisterbahn. In: www.tagesspiegel.de/kultur/;art772,2127008. Waltraud >Wara< Wende: Die Wahrheit ist nur eine zweifelhafte Angelegenheit. S. 322. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.) Wie die Welt lacht. Lachkulturen im Vergleich. Würzburg 2008 74 Anton Kaes: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film. München 1987, S. 6. 75 Ebenda, S. 37. 73 30 Realen? In einem Spielfilm werden fiktive Elemente in einen historischen Kontext hineinversetzt. Sie werden „realisiert“, was bedeutet, dass sie im Medium eine Bestimmtheit und gewisse Realität erlangen, die sie zuvor nicht besaßen. Umgekehrt können reale Elemente „irrealisiert“ werden. Diese Elemente aus der Realität werden im Film, dem Medium der Fiktion, dargestellt und nehmen im Kontext der fiktional dargestellten Welt andere Bedeutungen an. Der fiktionale Kontext fiktionalisiert die realen Elemente mit. Auf diese Weise kommen Elemente des imaginären und realen Bereichs zusammen und werden durch diese neue Verbindungen neu strukturiert. Durch Fiktion kann dasjenige ins Bild gesetzt werden, von dem es noch keine Bilder oder Vergegenwärtigung gab. Beispielsweise können in einer Vergangenheitsdarstellung Elemente aus dem historischen Kontext mit fiktiven Elementen verknüpft werden. Um ein historisches Moment darzustellen, können fiktive Erzählinstanzen eingesetzt werden wie zum Beispiel die Familie Weiß in der amerikanischen Serie Holocaust. Die Hauptfiguren sind fiktiv, aber ihre Schicksale stehen stellvertretend für die realen Opfer. Eine fiktive Erzählinstanz wird eingesetzt um so die Vergangenheitsdarstellung zu ermöglichen. Filme repräsentieren sowohl reale wie auch mögliche Welten, straffen die Vergangenheit in spannende zweieinhalb Stunden, sind medial und ästhetisch gestaltet und stehen in textuellen, kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Kontexten.76 Historische Ereignisse können in Filmen nur annäherungsweise rekonstruiert werden. Eine filmische Gedächtnisnarrative, die angebotene Lesart, bietet eine mögliche Rekonstruktionen an. Eine Wiedergabe der Totalität des Holocaust ist nicht möglich, gleichwohl muss „aus Geschichte in der Regel eine erzählbare Geschichte“77 werden, es werden also „Geschichten aus Geschichte“78 erzählt. 4.2 Die ‚Undarstellbarkeit’ des Holocaust Claude Lanzmann sagt: „[E]s ist meine tiefste Überzeugung, dass jede Darstellung [des Dritten Reichs] verboten ist“, weil sie „die Einzigartigkeit des Holocaust“ in Frage stellt, also die Unmöglichkeit ihn filmisch zu rekonstruieren, nachzustellen, oder zu simulieren. Er 76 Lothar Mikos: Film- und Fernsehanalyse. Konstanz 2003, S. 39. Beate Schlanstein: Echt wahr! In: Alles authentisch? Konstanz 2008, S. 12. 78 Waltraud >Wara< Wende: Medienbilder und Geschichte. Zur Medialisierung des Holocaust. S. 13 In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 77 31 vertritt weiter die Meinung dass „Bilder die Imagination töten.“79 Sogar der Versuch, den Holocaust mit historischem Dokumentarmaterial darzustellen, lehnt er ab. Lanzmann ist der Regisseur des 9-Stunden Films Shoah, eine Dokumentation über das Erinnern an den Holocaust. Lanzmann reist 11 Jahre lang – von 1974 bis 1985 – durch Europa, um Zeitzeugen zu befragen. Sein Film dient als Gegenentwurf zu bisherigen Formen filmischer Gedächtnisbildung. Lanzmann verzichtet sowohl auf den Einsatz von Musik als auch auf einen Kommentar, um so eine Emotionalisierung der Zuschauer bei den Aufnahmen ehemaliger Vernichtungstätten zu verhindern. Außerdem verwendet er kein historisches Bildmaterial in seinem Film Shoah, denn er ist der Auffassung, dass „sich das Grauen nicht abbilden lässt.“80 Nachdem Schindlers Liste in die Kinos kam, vertritt er die Ansicht, dass das Medium Film grundsätzlich ungeeignet für die Darstellung des Holocaust ist. Spielberg hat „Bilder eingesetzt, wo in Shoah keine waren.“81 Lanzmann findet, dass es keine angemessene Repräsentation des Holocausts gibt. Im „Pathos des Primären“ 82 allein, in der Zeugenaussage, findet Lanzmann eine angemessene Form filmischer Annäherung an den Holocaust. Die Zeugenaussage sei nicht durch eine andere Repräsentationsform zu ersetzen. Filmische Bilder, mit ihrer Kombination von Bildern und Tönen, erwecken häufig den Anschein von Wirklichkeitsrekonstruktion, sie besitzen eine große Glaubwürdigkeit. Lanzmann sagt: „wenn man ihn [den Holocaust] zeigt, wird er zu dem, was man zeigt“. Die Einwände gegen eine Fiktionalisierung behaupten, dass „mit falschen Mitteln“ eine Sinnstiftung betrieben wird, die den Zuschauer „zu einer emotionalen Identifizierung mit den Opfern drängt.“83 Elie Wiesel und Claude Lanzmann ziehen eine Grenze für Filmregisseure, sie sprechen ein ‚Bilderverbot’ aus. Wiesel und Lanzmann zufolge hat jede Imagination zwangsläufig eine Banalisierung und Verfälschung von historischem Geschehen zur Folge. Sie gehen von einem Zusammenhang des filmischen Bilderverbots mit dem Bilderverbot im Judentum und dem zweiten Gebot des alten Testaments aus.84 Im 5. Buch Mose der Bibel ist geschrieben: „Du sollst dir kein Bildnis machen in irgendeiner Gestalt, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, 79 Georg-Michael Schulz: Docu-Dramas - oder: Die Sehnsucht nach der >Authentizität<. S. 158 zitiert nach: Claude Lanzmann: Ihr sollt nicht weinen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5. März 1994. 80 Manuel Köppen: Holocaust im Fernsehen. Die Konkurrenz der Medien um die Erinnerung. S. 283 In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 81 Ebenda, S. 283 zitiert nach Claude Lanzmann: Ihr sollt nicht weinen. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 5. März 1994. 82 Ebenda. S. 283 83 Anja Oster / Walter Uka: Der Holocaust als Filmkomödie. In: Sven Kramer (Hg.): Die Shoah im Bild. S. 251. 84 Ebenda. 32 was im Wasser unter der Erde ist.“85 ‚Bildnis’ kann in diesem Kontext definiert werden wie: „konkrete Wiedergabe einer gedanklichen ‚Vorstellung’ von etwas in der Realität Vorhandenem“. Wenn ein Bildnis gemacht wird, bekommt eine Vorstellung eine Gestalt, sie wird repräsentiert und wahrnehmbar gemacht. Gott als „absolutes Positivum“86 widersetzt sich jeder bildlichen Repräsentation. Lanzmann hält das Orignal, den Holocaust, für das einzig Wahre, welches man auf keine Weise nachstellen kann. Wenn man es jedoch versucht, dann wird der Holocaust zu dem, was man zeigt und nicht das, was er tatsächlich war. Wird eine rekonstruierte Darstellung für das Wahre und das Original gehalten, dann schwindet die Autorität des Authentischen. Der Holocaust besteht aus vielen Ereignissen und Erfahrungen, die sich in einer Zeitspanne von etwa 5 Jahren abgespielt haben, die zusammen eine Art von Kollektiverfahrung und Kollektivbild bilden. Da man ihn nach Lanzmann und Wiesel nicht mit fiktionalen Bildern darstellen darf, jedoch die Erinnerung an ihn nicht verloren gehen soll, scheint ein Bilderverbot unrealisierbar zu sein.87 Lanzmann stellt fest, dass es sich bei dem Holocaust um ein „Grenzereignis“ handelt, dass allein in der individuellen Erinnerung repräsentierbar ist. Jeder Spielfilm über den Holocaust ist zu verwerfen, weil er nicht ‚authentisch’ genug sei. Die Zeugenaussage allein kann den Status des Authentischen bekommen, denn sie ist wahrhaftig. Daraus leitet sich ab, dass „keine Inszenierung akzeptabel [ist], denn authentisch ist im Grunde nur das Geschehene selbst“88 und darauf bezieht sich auch die Überlegung: „Holocaust has succeeded in conveying the message of the Final Solution as no other show before it. Is this a positive achievement? Or was the result simply to trivialize the event? Would it have been better left unmade?”89 Es bleibt die Frage, ob bei Zeugenaussagen ein großer Wirklichkeitsbezug vorhanden ist. Manuel Köppen hat darauf hingewiesen, dass: “die das Grauen bezeugenden Opfer in ihrer stetigen Wiederholung zu abstrakten Zeichen würden, denen im Laufe der Zeit das Signifikat verloren ginge. Die dokumentarischen Bilder würden ‚verbergen,’ was sie dokumentieren sollen.“90 Das Problem der Authentizität spielt also auch in Dokumentationen 85 Antonya Visser: Du sollst dir kein Bildnis machen. S. 281 zitiert nach 5 Moses 5,8. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 86 Anja Oster / Walter Uka: Der Holocaust als Filmkomödie. In: Sven Kramer (Hg.) Die Shoah im Bild. S. 251 87 Anthonya Visser: Du sollst dir (k)ein Bildnis machen. S. 181ff. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 88 Georg-Michael Schulz: Docu-Dramas - oder: Die Sehnsucht nach der >Authentizität. S. 145. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 89 Ebenda. S. 150 zitiert nach Judith E. Doneson: The Holocaust in American Film. A.a.O. S. 183. 90 Anja Oster / Walter Uka: Der Holocaust als Filmkomödie. In: Sven Kramer (Hg.) Die Shoah im Bild. S. 251. 33 eine zentrale Rolle. Der Unterschied zwischen Spielfilmen und Dokumentarfilmen besteht darin, dass Spielfilme für reine Unterhaltung sorgen, Dokumentarfilme dagegen auch einen Lerneffekt haben sollen. In einem Dokumentarfilm sollen Tatsachen als ‚wahr’ inszeniert werden, hierfür muss der Regisseur auf „Authentisierungsstrategien“ zurückgreifen. Lanzmann spricht in diesem Zusammenhang davon, dass sein Film Shoah „eine Fiktion aus dem Wirklichen“ sei.91 Würde man ein Bilderverbot durchsetzen, dann wäre mit Blick auf das Medium Film ein Schweigeverbot die Konsequenz.92 Wenn man weder historisches noch nachgestelltes Bildmaterial verwenden darf, da kein Bild der Wirklichkeit auch nur nahe kommt, wäre jeder Versuch der filmischen Darstellung des Holocaust umsonst gewesen.93 Wenn es aber keine angemessene Darstellungsformen für den Holocaust gibt, wie soll dann der jüngeren Generation die Vergangenheit vermittelt werden? Je mehr Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergeht, desto größer wird die Rolle der medialen Vermittlung der Thematik. Der wachsende Abstand steht in Verbindung mit der Entwicklung von „Sagbarkeits- und Zeigbarkeitsregel“ und den Schweige- oder Bilderverboten. In den vergangenen Jahren konnte die Generation der Überlebenden noch ihre authentischen Erfahrungen vermitteln. Sobald die letzten Zeitzeugen des Krieges gestorben sind, können wir nicht mehr auf massenmediale Vermittlungsformen verzichten. Lanzmanns Shoah kann als eine Art Grenzmarkierung der Darstellungsmittel und –methoden betrachtet werden. Nach Shoah wurde das Pathos des Primären wurde durch ein Ethos der Sekundären abgelöst.94 Jeder Versuch die Erfahrungen der Überlebenden mit sprachlichen oder bildlichen Mitteln wiederzugeben, kann wie eine Annäherung an die Vergangenheit interpretiert werden. „[...]Spielfime können in die Position eines „Mittlers“ zwischen Vergangenheit und Gegenwart sowie zwischen Gegenwart und Zukunft gebracht [werden].“95 In dieser Rolle als ‚Mittler’ helfen die Medien beim Weitergeben von Erfahrung, damit die Bilder vom Holocaust weiterleben und im kollektiven Gedächtnis aufgenommen werden können. So wird verhindert, dass wir die Vergangenheit vergessen. 91 Ebenda, S. 253. Georg-Michael Schulz: Docu-Dramas - oder: Die Sehnsucht nach der >Authentizität. S. 150. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 93 Ebenda, S. 154ff. 94 Manuel Köppen: Holocaust im Fernsehen. Die Konkurrenz der Medien um die Erinnerung. S. 287 In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 95 Waltraud >Wara< Wende: Die Wahrheit ist nur eine zweifelhafte Angelegenheit. S. 320. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.) Wie die Welt lacht. Würzburg 2008. 92 34 Das Ins-Bild-setzen des Holocaust wird damit nach Anthonya Visser zum Akt der Erinnerung und des Widerstands. Das Leiden von Millionen von Menschen können und wollen wir nicht vergessen, und darum ist die Verwendung sprachlicher oder bildlicher Mittel notwendig um zukünftigen Generationen den Schrecken des Holocaust vermitteln zu können.96 Als Ausgangspunkt soll nicht länger die Frage nach der „Problematisierung der Darstellbarkeit überhaupt“ im Mittelpunkt stehen, sonder die Frage nach Formen der Erinnerung. Denn „was vom Holocaust erinnert wird, hängt davon ab, wie es erinnert wird,“97 und Filme bieten Möglichkeiten, um die Vergangenheit im Gedächtnis zu halten. „Die Zerstörung von Menschen durch Todesangst, die Mordlust der Täter, die Ambivalenz der Moral in chaotischen Zeiten und unter existentieller Bedrohung kann man nicht dokumentieren. Um es begreiflich zu machen, was geschah, braucht es eben die literarische und dramatische Form,“98 so Wolfgang Benz. Und damit ist „das filmische Erzählen des Holocaust ein Versuch, das Unfassbare in eine Erzählstruktur zu überführen und damit fassbar zu machen.“99 Der Holocaust kann in Filmen zwar nur annäherungsweise dargestellt werden, aber das ist besser, als gar kein Bild zu vermitteln. „[...] Kein Film kann mit der Wirklichkeit, die er vorführt mithalten. Doch so viel kann man als sicher annehmen: Wer Schindlers Liste gesehen hat, geht heim mit einer Ahnung, wie es war. – Das ist nicht viel, aber viel mehr, als die ratlosen Aufklärer geleistet haben.“100 96 Anthonya Visser: Du sollst dir (k)ein Bildnis machen. S. 183. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 97 Georg-Michael Schulz: Docu-Dramas - oder: Die Sehnsucht nach der >Authentizität<. S. 156 zitiert nach James Edward Young: Beschreiben des Holocaust. Darstellung und Folgen der Interpretation. (Engl. 1988) Frankfurt a.M. 1992, S. 13. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 98 Ebenda, S. 158 Zitiert nach: Wolfgang Benz: Bilder statt Fuβnoten. In: Die Zeit, 4. März 1994, zitiert nach: ‚Der gute Deutsche’. A.a.O. 146ff. 99 Joan Kristin Bleicher: Zwischen Horror und Komödie. S. 165 In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 100 Georg-Michael Schulz: Docu-Dramas - oder: Die Sehnsucht nach der >Authentizität<. S. 158 zitiert nach: Henryk M. Broder: Deutsch wie ein Lodenmantel. In: Die Woche, 21. April 1994. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Heidelberg 2007. 35 5. Die Fälscher In diesem Kapitel folgt die Auseinandersetzung mit dem kürzlich erschienen Film Die Fälscher. Dieser Film ist eine auf der Tatsachenwirklichkeit basierte Geschichte. Das Buch Des Teufels Werkstatt dient als Quelle für den Film und wurde von dem Zeitzeugen Adolf Burger geschrieben. 5.1 Des Teufels Werkstatt „Dieses Buch wurde geschrieben, damit nie vergessen werde, was geschah.“ Des Teufels Werkstatt, „gewidmet meiner Frau Gisela Burger, geboren am 30. Mai 1920, bei einer Selektion im Dezember 1942 von einem SS-Arzt mit einer Fingerbewegung zur Ermordung in die Gaskammer geschickt.“101 So beginnt Adolf Burger sein Buch. Er wurde 1917 in einer jüdischen Familie in der Slowakei geboren. Am Fuße der Hohen Tatra lebte er zusammen mit seinem Geschwister und Eltern in einem Bergdorf. Als sein Vater 1921 starb und seine Mutter den bäuerlichen Betrieb nicht weiterführen konnte, zog die Familie in die kleine Stadt Poprad. Nach seiner Schulzeit wurde Burger zum Drucker ausgebildet. Die bestimmende politische konservative Kraft in der Slowakei war die von einem Priester gegründete Katholische Volkspartei. Nach dem Tod des Priesters am 16. August 1938 wurde Monsignore Josef Tiso zu seinem Nachfolger gewählt. Mit dem Münchner Diktat102 vollzog sich eine verhängnisvolle Wende in der Slowakei. Die Angehörigen der slowakischen Volkspartei nutzten die politische Gunst der Stunde und die Schwäche des Staates. Sie forderten eine weitgehende Autonomie. Kurz darauf bildete Tiso eine autonome Slowakische Regierung. Die Kommunistische Partei wurde aufgelöst, die Mitglieder wurden verfolgt. Die KP musste von nun an in der Illegalität, im Untergrund operieren. Die Hlinka-Garde, eine Organisation eine verlässliche Stütze der deutschen NSVerbrecher nach dem Vorbild der SS, wurde aufgestellt. Die Aufgabe der Garde war es, die Ideologie des Regimes zu verbreiten und politische Gegner auszuschalten. Tiso wurde von 101 Adolf Burger: Des Teufels Werkstatt. S. 8. München 2007. Das Münchner Abkommen wurde in der Nacht zum 30. September 1938 von Großbritannien, Frankreich, Italien und dem Deutschen Reich unterzeichnet. Das Abkommen bedeutete faktisch das Ende der 1918 entstandenen multinationalen Tschechoslowakei. 102 36 Hitler eingeladen, denn Hitler forderte von der Slowakei, dass sie sich von den böhmischen Gebieten trennen müssten. Tiso kam Hitlers Forderung nach und das slowakische Parlament gründete am 14. März 1939 den slowakischen Staat. Dann wurde die Slowakei in das Deutsche Reich eingegliedert. Im September 1941 wurden die Nürnberger Gesetze eingeführt: Die Situation für die slowakischen Juden wurden von Tag zu Tag kritischer. Burger erzählt: „Damit begann die Tragödie der slowakischen Juden, in einem Staat, der sich rühmte, ein christlicher Staat zu sein, und dessen Präsident ein Priester war. Ein Staat, der in der ganzen Welt beteuerte, dass er sich vom Grundsatz der Liebe zum Nächsten, vom Respekt vor den Geboten Gottes und vor der Gleichheit der menschlichen Geschöpfe vor dem Antlitz des Schöpfers leiten lassen.“103 Nach einem Gespräch mit einer Freundin, die schon bei der Kommunistischen Partei mitarbeitete, entschloss sich Adolf Burger ebenfalls Mitglied zu werden. „Diese Entscheidung sollte mein ganzes Leben verändern“, so sagt Burger. Als Drucker konnte er bei der geheimen Arbeit sehr nützlich sein, er stellte verschiedene Dokumente her, unter anderem gefälschte Taufscheine. Nach drei Jahren Arbeit im Untergrund geriet Burger Ende Juni 1942 ins Blickfeld der slowakischen Gestapo. Während einer Durchsuchung seiner Wohnung wurden zehn Bücher linksgerichteter Autoren beschlagnahmt. Am 11. August 1942 wurde auch Burger verhaftet und in einem Sammellager für politische Häftlinge festgehalten. Einige Tage später wurden seine Frau Gisela und er in das KZ Zilina deportiert, von dort aus wurde Gisela weiter nach Auschwitz transportiert. Hier trennten sich die Wege von Adolf und Gisela, sie sahen einander nie wieder. Burger arbeitete im KZ in verschiedenen Arbeitskommandos und wog, als mittelgroßer Mann, schließlich höchstens noch 40 Kilo. Unter entsetzlichen Bedingungen, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, ohne wärmende Kleidung musste im Lager gearbeitet werden. Sein großer Zeh erfrohr, der von einem Mitgefangenen amputiert wurde. Vor dem Hungertod wurde Burger aber gerettet, als er nach Birkenau verlegt wurde, wo er im Aufräumungskommando arbeiten durfte. Hier wurde das Gepäck der neueingelieferten Gefangenen, in dem oft Proviant war, sortiert. So blieb Burger gut und kräftig ernährt. In Birkenau experimentierten SS-Ärzte an Häftlingen mit Medikamenten gegen Flecktyphus. Auch Burger wurde mit Typhus infiziert. Er erhohlte sich aber und kehrte zum Aufräumungskommando zurück. März 1944 erfolgte seine Versetzung vom KZ Birkenau ins 103 Adolf Burger. Des Teufels Werkstatt. S. 12. München 2007. 37 KZ Sachsenhausen, in die sogenannte ‘Fälscherwerkstatt’.104 Ab 1942 waren mehr als 100 jüdische Handwerker, Bankiers und Kleinkriminelle in dieser ‚Fälscherwerkstatt’ tätig. „Unternehmen Bernhard,“ wurde in der ‚Fälscherwerkstatt’ ausgeführt, er galt als die größte Geldfälschungsaktion der Geschichte. Von 1942 bis 1945 fälschten 144 jüdische Häftlinge brititsche Pfundnoten in Milliardenwerten, Wertpapiere, Briefmarken und Dokumente als Teil der faschistischen Kriegsführung. Die Lebensumstände im Fälscherblock im Vergleich zu denen der normalen Häftlinge waren besser, die Fälscher bekamen mehr zu essen, sogar wurde in ‚normalen’ Betten geschlafen. Diese priviligierte Position hat Burger während seiner Zeit und Arbeit in Sachsenhausen nicht beschäftigt. Die Umständen waren zwar besser, aber noch immer waren sie nichts anderes als „Tote auf Urlaub“. Um die Geheimhaltung bewahren zu können, mussten die Geheimnisträger nach getaner Arbeit beseitigt werden. „Die wollten uns liquidieren. Das war die beste Art der Geheimhaltung“ erklärt Burger. „Das Einzige, was wir nicht wussten, war, wann.“105 Er beschreibt weiter: „Der Blockälteste brachte uns Brot, setzte sich zu uns und sagte: „Freunde, von hier gibt es keine Rettung. Nur ein Zufall könnte uns helfen, mit dem Leben davonzukommen. Aber auf diesen müssen wir vertrauen[...].“106 Eines Tages kündigt ein SS-Mann an, dass ein Experte die Fälschergruppe verstärken würde. „Morgen kommt der erfahrenste Geldfälscher zu uns. Wir kennen ihn schon lange, konnten aber seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort erst jetzt ausfindig machen. Der Mann ist für unsere Werkstatt wie geschaffen. Lange haben wir auf ihn gewartet. Jetzt ist es endlich soweit. Mit seiner Hilfe werden wir unsere schwierigen Aufgaben bewältigen.“107 Der Experte hieß Salomon Smolianoff, geboren am 26. März 1887 in Poltawa, Russland. In Odessa besuchte er die Kunsthochschule, er emigierte 19717 nach Deutschland. Mit Kunst war wenig Geld zu verdienen und so nutzte Smolianoff seine Fähigkeiten, Banknoten zu fälschen. 1936 wurde er in Berlin geschnappt, er wurde zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Nachdem er seine Strafe verbüßt hatte, kam er ins KZ Mauthausen. Krüger entdeckte den „König der Fälscher,“ und ließ ihn nach Sachsenhausen bringen. Anfang 1945 rückte die Rote Armee näher, das Fälscherkommando wurde im März nach Österreich verlegt. Das Kommando kam hier ins KZ-Ebensee, wo sie am 5. Mai von US-Amerikanischen Truppen befreit wurden. Das gefälschte Geld wurde im Auftrag von den Nationalsozialisten in Kisten 104 Ebenda, S. 10ff.. Ebenda, S. 119. 106 Ebenda. 107 Ebenda. S. 160 105 38 verpackt und im See versenkt. Nach der Befreiung des Lagers hat Burger sich zum amerikanischen Freiheitskomitee gemeldet, um bei der Verhaftung von SD und Gestapo helfen zu können.108 Kurz nach der Befreiung fing Burger an, zahlreiche Dokumente, wie zum Beispiel Namenlisten aller SS-Männer, zu sammeln. 1951 brachte er seine Geschichte zum ersten Mal in Buchform heraus, in den folgenden Jahren erschienen immer wieder neue ergänzte Ausgaben. Seit 30 Jahren reist er durch Deutschland und erzählt Schülerinnen und Schülern vom Nationalsozialismus und vom Antisemitismus. Mit zahlreichen Dokumenten, Fotos und Zeichnungen erzählt er die Geschichte der NS-Geldfälscherwerkstatt in seinem Buch nach. Burger begleitete die Filmaufnahmen von Die Fälscher, der Film der auf seiner Geschichte basiert. Im Juni 2004 schreibt Burger: „Meine 14 Freunde von der Tschechischen Republik, die mit mir in der Fälscherwerkstatt arbeiteten, leben nicht mehr. Auch meine österreichische Kameraden sind verstorben. Mein damaliger Vorarbeiter Abraham Jacobsen aus den Niederlanden lebt auch nicht mehr. Von den 15 deutschen Freunden lebt nur noch einer in Berlin. Und ich lebe noch, ich der Slowake Adolf Burger. Ich habe dem Tod zwei Jahre tagtäglich in Auschwitz und Birkenau ins Auge geschaut. Habe die Typhusversuche der IG-Farben überlebt, habe im Sonderkommando 18 Monate auf der Rampe von Auschwitz gestanden und erleben müssen, wie täglich Tausende Frauen, Kinder, Männer, alle über 40 Jahre, in Lastautos zu den Gaskammern gefahren wurden. Ich überlebte die Selektionen der SS-Ärzte Dr. Mengele, Dr. Klaubert, Dr. Fürst, Dr. Fischer oder wie sie heißen. Wenn sie mit dem Finger auf einen Häftling zeigen, dann bedeutet dieses das Todesurteil. Wenn ich zur Selektion antreten mußte, ich wog nur noch 35 Kilogramm, dann betete ich zu Gott, daß der SS-Arzt nicht auf mich zeigen möge – und ich überlebte. Ich überlebte auch die schrecklichste Nachricht, die ich je erhalten habe. Meine Frau Gisela, 22 Jahre jung, und weitere Freunde wurden eine Woche vor Weihnachten 1942 bei einer Selektion der SS-Ärzte ins Gas geschickt und ermordet. So manches Mal habe ich mich gefragt, warum habe ich all diese schrecklichen Jahre überlebt? Heute im Alter von 87 Jahren weiß ich die Antwort. Ich überlebte, damit ich als der überlebende Zeuge der jungen Generation die unzähligen Verbrechen erklären und erläutern kann; damit sich so etwas nie wiederholt. Ich warne die Menschen vor die Ideologie des grausamen Mordens, die sich auch heute noch oder schon wieder in dieser oder jener Form und Region unserer Erde zeigt. Das ist meine Verantwortung, darum lebe ich.“109 108 109 Ebenda. Ebenda. S. 268. 39 5.2 Die Fälscher Immer wieder erscheinen neue Erzählungen oder Filme, die während des Zweiten Weltkrieges spielen und in welchen statt der allgemeinen Darstellung anonymen Grauens Einzelschicksale im Vordergrund stehen. Genannt seien Der Untergang, Sophie Scholl und Aimée und Jaguar. In die Reihe dieser Filme gehört auch Die Fälscher (Regie: Stefan Ruzowitzky, 2007). Grundlage des Films ist der Bericht von dem ehemaligen KZ-Häftling Adolf Burger, der die „Operation Bernhard“ überlebte. Das zentrale Thema des Filmes ist die Frage, ob es moralisch vertretbar ist, mit den Nazis zu kollaborieren weil man sich so erhofft, das eigene Leben retten zu können. Die Fälscher lieferte bei seiner Premiere auf der Berlinale in reichem Maße Diskussionsstoff. Filmkritiker reagierten durchaus ambivalent. Der Film wurde freilich trotz aller Kritik sogar für die Oscar nominiert, den er 2008 in der Kategorie ‚Bester Ausländischer Film’ auch gewann. Außerdem wurde Die Fälscher mit sieben Nominierungen zum dritten Favoriten beim Deutschen Filmpreis gekürt. Die moralischen Entscheidungen, die im Film getroffen werden müssen, werden „beeindruckend“110 dargestellt. Ruzowitzky hat, so Bert Rebhandl, den Zwiespalt sehr effektvoll inszeniert: „Hier der wendige Sorowitsch, da der aufrechte Burger. Auf der anderen Seite die Peiniger: Neben dem dekadenten Herzog ist es Aufseher Holst, der es an Sadismus nicht mangeln lässt und der oft wie eine Karikatur aller hässlichen Nazis der Filmgeschichte wirkt.“111 “The prisoners inside the unit are always trapped between these two things, between the horror of what they are going through, and the guilt that they aren’t going through more. Karl Markovics captures the essence of Sorowitsch’s fear brilliantly, he gets the sense of suavity that enables Sally to survive and also gives him an increasingly haunted melancholy as the film continues.”112 “Es geht in Die Fälscher um Moral und Realismus, und die Stärke des Films ist es, immerzu die Waage zu halten.“113 110 Suzanne Schmetkamp: Überleben im goldenen KZ-Käfig. In: www.zeit.de/2007/13/Film-Die-Faelscher Bert Rebhandl: Die Fälscher. In: Der Standart vom 23. März 2007 112 Henry Midgley: The Counterfeiters. In: www.bitsofnews.com/contact/view/6325 113 Holger Kreitling: Es gibt kein richtiges Leben im Fälschen. In: www.welt.de/kultur/article771608/es_gibt_kein_richtiges_Leben_im_Fälschen.html 111 40 Peter Körte hingegen kommt zu dem Urteil, dass die Hauptpersonen im Film kaum über eine grobe Typisierung hinaus kommen, vom gusseisernen Kommunisten über den gerissenen Überlebenskünstler und den sadistischen Aufseher bis zum SS-Kommandanten, „viel mehr ist da nicht.“114 Schließlich wird Ruzowitzkys Film Die Fälscher manchmal vorgeworfen, dass er einen falschen Schwerpunkt setzt. Er sei mehr Kriminalfilm als Holocaustfilm. Doch nun zum Inhalt: Der 94 Minuten dauernde Film beginnt in Monte Carlo: ein Mann mit einem Koffer voller Geld hat beim Kartenspiel im Casino alle Triumphe in der Hand und gewinnt viel Geld. Er begegnet einer Frau und verbringt mit ihr die Nacht. Sie erkennt erschrocken eine Tätowierung am Unterarm des Mannes: Eine Nummer, wie sie in Konzentrationslagern jedem Häftlingen gegeben wurde. Dann erfolgt eine Rückblende: Berlin 1936: Salomon Sorowitsch ist ein russischstämmiger Jude, der seinen Lebensunterhalt mit dem Fälschen von Ausweisen, Dokumenten und Geld verdient. Eines Tages wird er verhaftet und ins KZ Mauthausen deportiert. Dann wird er eines Tages nach Sachsenhausen verlegt, wo er in eine Spezialabteilung kommt, wo an einer Geheimoperation gearbeitet wird: Es wird Geld gefälscht. Um die Wirtschaft der Kriegsgegner zu schwächen, verlegen die Nazis alle Fälscher, die in Gefängnissen in Deutschland sitzen, in das KZ Mauthausen und verlangen von ihnen, das englische Pfund und den amerikanischen Dollar zu fälschen. Die Operation trägt den Namen ‚Unternehmen Bernhard’. Jeder einzelne versucht auf seine eigene Weise im KZ zu überleben. Es folgt eine Auseinandersetzung mit moralischen Fragen: Jeder einzelne muss für sich entscheiden, ob er mit der privilegierten Situation im KZ, in die er durch die Hilfe an die Nazis kommt, mit seinem Gewissen vereinbaren kann oder nicht. Dann rücken die Alliierten näher, und die deutschen Wachmannschaften fliehen. Die Gefangenen übernehmen das Lager. „Weg hier, alles schnell vergessen...“ Wieder in Monte Carlo: Im Casino setzt Sorowitsch sein ganzes Vermögen wahllos ein und verliert alles. Dann geht er nach außen und starrt ins Meer. Die Frau, die zu Anfang des Films seine KZ-Tätowierung entdeckte, versucht ihn über den Verlust seines Geldes hinwegzutrösten. Sorowitsch sagt aber nur unberührt und empfindungslos: „Wir können uns Neues machen...“ Die Fälscher ist in die Hauptgeschichte, die im KZ spielt, und Blenden die in der Gegenwart spielen, aufgeteilt. Sorowitsch erzählt die Geschichte aus seiner Perspektive. Die Fälscher handelt von den moralischen Konflikten der Hauptdarsteller. Es wird die Frage 114 Peter Körte: Die Fälscher. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Februar 2007 41 aufgeworfen, wie lange man sein Gewissen unterdrücken kann, um in den Genuss von Privilegien zu kommen, die das KZ-Leben erträglicher machen. Die KZ-Häftlinge der Fäscherabteilung müssen aber trotzdem jeden Tag mit existentiellen Bedrohungen rechnen und sie müssen um ihr nacktes Überleben kämpfen. Diese wesentlichsten Aspekte des Films werden mit Szenarien dargestellt, in denen sich die Hauptdarsteller zwischen Moral und Überleben entscheiden müssen. Diese Gewissensfragen stehen im Zentrum der Filmhandlung und sie werden auf angemessene Weise in den Figuren ausgearbeitet. Soll man für seine Überzeugungen und Ideale sterben, oder soll man trotz allem versuchen Tag für Tag auszuharren? Soll man dabei Schuldgefühle haben, weil man in besseren Umständen lebt als die anderen? Oder sollte man sich glücklich preisen, weil man dem täglichen Gräuel entkommt? So werden Fragen wie Freiheitsentzug, Angst, Macht und Gefangenschaft im Szene gesetzt. Die Protagonisten Die Hauptpersonen stellen jeweils eine bestimmte Meinung und Position innerhalb der Gruppe dar. Die moralische Auseinandersetzung bildet den Kern des Films. Die Auseinandersetzung dreht sich vor allem um einerseits den überzeugten Kommunisten, der für seine Überzeugung sterben will und andererseits um den Kriminellen, der immer an seine Ganovenehre festhält. Der Kommunist Burger (gespielt von August Diehl), repräsentiert die moralische Instanz im Film. Burger ist Idealist. Er rebelliert gegen die Mitarbeit und droht mit Sabotage. Er betrachtet die Situation stets von einer moralischen Position aus und ist entschlossen, aktiv zu werden. Die Tatsache, dass die Fälscher genug zu essen bekommen und in priviligierten Umständen leben, während die anderen Häftlinge in unmittelbarer Nähe verhungern und umgebracht werden, kann er vor seinem Gewissen nicht rechtfertigen. Burger, der die kommunistische Lehre folgt, betrachtet Solidarität als sein größtes Ideal. Schon bei der Ankunft in Sachsenhausen verursacht er einen Aufruhr, indem er seine ‚neue’ Jacke auf den Boden wirft. An dieser klebt nämlich ein kleiner Zettel mit dem Namen des jüdischen Vorbesitzers. Auf indirekte Weise realisieren die Fälscher, was mit anderen Juden geschehen ist und welches Schicksal ihnen und vielen anderen bevorsteht. Burger zufolge sind die kapitalistischen Unternehmer, die großbürgerlichen Ausbeuter, die wahren Kriminellen. Sie sind diejenigen, die den Faschismus ermöglicht haben. Burger sieht im Kapitalismus die Ursache für den Faschismus. Dr. Viktor Hahn, ehemaliger Mitarbeiter der preußischen Bank, vertritt die Kapitalisten. Er empfindet es als unter seiner Würde als anständiger Bürger, bei dieser 42 Fälschungsaktion mitzuarbeiten. Als er bemerkt, dass Sorowitsch einen grünen Winkel an der Jacke trägt, der ihn als jüdischen Kriminellen brandmarkt, kommentiert er empört „die Verbrecher waren bisher nur die in den Nazi-Uniformen.“ Er fühlt sich nun auch in seiner Ehre getroffen, mit Kriminellen zusammenarbeiten zu müssen, und seine Ehre ist das einzige, was man ihm bei dem Eintritt in das KZ nicht weggenomen hat. Burger und seine Frau Gisela drucken Flugblätter gegen die Nazis und werden deswegen verhaftet. Sie werden nach Auschwitz deportiert, wo er im Aufräumkommando das Gepäck der neu angekommenen Häftlinge sortieren muss. Oft ist Proviant im Gepäck, dadurch bleibt er kräftig und gut ernährt. Da Burger vor dem Krieg als Lichtdrucker tätig war, sind seine Kenntnisse für das Fälscherteam wertvoll und er wird nach Sachsenhausen verlegt. An einem bestimmten Zeitpunkt verweigert er aber die Mitarbeit beim Fälschen. „Wir sind Drucker um die Wahrheit zu vervielfältigen,“ das ist sein Standpunkt und dabei bleibt er. Seine Mitarbeit und priviligierte Position erzeugen bei ihm das Gefühl, ein Feigling oder Verräter zu sein. Er versucht die Fälscheraktion zu durchkreuzen und die Nazis zu überlisten. Er bleibt seinen systemkritischen, am Kommunismus orientierten Grundsätzen treu, aber gefährdet damit auch das Leben der anderen Fälscher. Burger will nur noch politisch und moralisch richtig handeln, und damit ist sein Überleben nicht mehr oberste Priorität. Als Burger die ersten Gegenmaßnahmen ergreift, wird der Film bedrohlich. Der Leiter der Fälscherwerkstatt Herzog (gespielt von Devid Striesow) vermutet bald auch Sabotage und stellt ein Ultimatum. Wenn nicht innerhalb von vier Wochen perfekte Dollar-Noten hergestellt werden können, sollen fünf Häftlinge liquidiert werden. Der Druck auf Sorowitsch und die anderen Fälscher wird erheblich größer und die Spannungen unter ihnen wachsen. Im weiteren Verlauf des Films nimmt der Kontrast zwischen Solidarität und Gefährdung eine größere Rolle ein. Einer der Fälscher, Zilinski, (gespielt von Andreas Schmidt) fürchtet um sein Leben, denn er ist einer der Fünf, die nach Ablauf des Ultimatums getötet werden sollen. Er wird zum Fast-Verräter. Nach allem was er schon im Krieg erlebt hat, kämpft er für seine eigene Postion. Er hat das Recht zum Überleben! Der Kampf zwischen dem Drang zu überleben und dem Wissen, dass dafür ein hoher Preis gezahlt wird, bestimmt jedes Mal das moralische Dilemma. Darf man den Nazis Millionen gefälschter Dollar zur Verfügung stellen um damit sein Leben zu schützen? Nach vier Wochen werden die Gefangenen zur Verantwortung gezogen. Da sie noch immer keine perferkten Dollar Blüten aushändigen können, will Zilinski die Wahrheit sagen. Er zweifelt und stammelt... in dem Moment kommt Sorowitsch (gespielt von Karl Marcovics) hereingestürmt: er hat den perfekten Dollar in der Hand. In diesem entscheidenden Moment 43 ist Sorowitschs Handeln von ausschlaggebender Bedeutung. Burgers Unverständnis und seine emotionalen Schwierigkeiten in Hinsicht auf die Situation kommen in einem Tischtennispiel zwischen Sorowitsch und ihm zum Ausdruck. Die Tischtennisplatte ist zwischen zwei Baracken aufgestellt. Hinter der Zäune, angrenzend an das KZ, hören die Fälscher, wie ein erschöpfter Gefangener zusammenbricht. Ein Wärter befehlt ihm wieder aufzustehen, der Häftling ist aber zu Tode erschöpft und fleht um sein Leben. Der Wärter ist jedoch unbarmherzig und erschießt den Häftling. Ungläubig realisieren die Fälscher, was passiert ist. Nur die Reaktion Burgers weicht von den anderen Reaktionen ab. Er will weiter Tischtennis spielen. Denn es ist ja Alltag in einem KZ, dass unschuldige Leute erschossen werden. Burger lockt durch seine Bemerkungen Sorowitsch soweit aus seiner Reserve, dass die Situation in einer Prügelei eskaliert. Die Spannung zwischen den Häftlingen, zwischen Freiheitswillen und Herrschaft, zwischen Leben und Tod, werden stärker. Sorowtisch verkörpert die Figur eines Knastbruders. Wie geht dieser mit Gewalt und Betrügereien um? Wie passt er sich an die Situation an? Sorowitsch, König der Fälscher in Berlin in der 1930er Jahren, ist ein Opportunist. Er wird verhaftet und landet im KZ Mauthausen, wo er in einem Steinbruch arbeiten muss. Er wagt es darauf, die Aufmerksamkeit auf sich zu richten, er geht ein Risiko ein. Als ein Wärter einschläft, nimmt Sorowitsch ein Blatt Papier von ihm, auf dem er einen Soldaten zeichnet. Der Wärter wird den nächsten Tag auf die Zeichnung aufmerksam. Das Porträt gefällt ihm, er will wissen, wer es gemalt hat. Sorowisch meldet sich und er hat das Glück belohnt zu werden: Sorowitsch wird Lagermaler. So kann er seiner Leidenschaft frönen, gleichzeitig entkommt er der harten Arbeit. Sorowitsch ist ein eigennütziger Mann, der auf seine eigene Weise versucht zu überleben. Als professioneller Krimineller und ehemaliger Knastbruder ist Ehre für ihn ‚Ganovenehre’, dass heißt, dass Sorowitsch sich an den Ehrenkodex der kriminellen Unterwelt hält. Ähnlich wie Burger aus politischer Motivation agiert, handelt Sorowitsch nach seiner Ganovenehre. Diese gibt ihm eine Entschlossenheit, die die Nationalsozialisten nicht korrumpieren können. Seine Vorgehensweise wirkt nüchtern und selbstgerichtet, gleichzeitig aber sympatisch. Sorowitsch’ Haltung ist beobachtend. Er sieht, wie die anderen auf die Situation reagieren, verfahren und entscheiden. Er weiß, dass Burger sabotiert, aber „man verrät keine Kumpel.“ Sorowitsch handelt aus Eigennutz und pragmatischen Erwägungen. Sein Pragmatismus führt dazu, dass er sich unentbehrlich machen will, um so seine Überlebenschancen zu erhöhen. Sorowitsch sieht die Sache ganz nüchtern: „Lieber morgen ins Gas geschickt, als heute erschossen.“ Wenn es um seine Existenz geht, würde er dafür 44 extreme Dinge tun. „Wir leben,“ so sagt er und „das ist mir ganz viel wert.“ Seine Mission ist nicht der Kampf, sondern das Überleben. Er rettet den Fanatiker Burger vor sich selber und verrät ihn nicht, er verhütet den Tod seiner Kumpel und schützt den kranken Jungen Kolja. Diesem begegnet Sorowitsch auf dem Transport nach Sachsenhausen. Kolja ist ein 20jähriger Junge, der verletzt und hungrig ist. Zwischen den beiden entsteht eine Freundschaft, in der Sorowitsch seine gefühlvolle Seite zeigt. Man sieht sein verzerrtes Gesicht mit tiefen Falten und Schatten unter den Augen. Ein Mann, der auch mal Familie hatte. Dann wird Kolja eines Tages krank, er bekommt Fieber und hustet immer öfter. Dr. Klinger stellt eine TBC Erkränkung fesst, Kolja ist sein Leben nicht länger sicher. Aus Angst vor Ansteckungsgefähr darf niemand von seiner Erkrankung erfahren, es würde sein Tod bedeuten. Sorowitsch schafft es aber, ein Geschäft mit Herzog abzuschließen, um so Kolja mit Medikamenten versorgen zu können. Für Sorowitsch ist jedes Leben kostbar, alle seine Freunde sollen überleben. Und so hält der Ganove mit seinem Pragmatismus und seiner Menschlichkeit die Fälscher zusammen. Der Politische und der Kriminelle haben beide ihre eigenen Motive des Handels, wobei die Sorowitsch´ erfolgreicher scheinen als die Burgers. Der Politische leistet moralisch richtigen Widerstand gegen die Nazis, der Kriminelle hat die größten Überlebenschancen. Burger wird durch seine gefühlsbetonte Art bis an seine Grenzen belastet. Zilinski ist der Fast-Verräter, der nur sein eigenes Leben retten will und daher sehr egoistisch handelt. Dr. Hahn, der ehemalige Bankmitarbeiter, geht fast an seinem tief getroffenen Ehrgefühl zugrunde. Den harmlosen und wehrlosen Jungen umsorgen alle, letztendlich aber vergeblich, denn er wird Opfer des harten, erbarmunglosen Systems. Die Fälscher erleben ein Wechselbad der Gefühle: Sie haben einerseits den Wunsch den Holocaust zu überleben, und würden alles dafür tun, wissen aber andererseits, wie nur einige Meter weiter andere Menschen erniedrigt, geqäult und ermordet werden. Es sind „zwischen- und innermenschliche Zerreißproben,“115 die das Herzstück der Geschichte bilden. Wer aber trifft die richtigen Entscheidungen in diesem moralischen Dilemma? Letztendlich kann man schließen: Es gibt kein richtiges Leben im Fälschen. Die Nazis werden in Die Fälscher durch die Hauptrollen von SS-Sturmbannführer Herzog (Devid Striesow) und Hauptscharführer Holst (Martin Brambach) dargestellt. In der recht stereotypen Figurengestaltung haben sie die klassische Rollenaufteilung des ‘good guy’ und ‘bad guy’. Beide Männer gehen auf ihre eigene Weise mit ihrer Machtsposition um, sie 115 Suzanne Smetkamp: Überleben im goldenen KZ-Käfig. In: www.zeit.de/2007/13/Film-Die-Faelscher 45 haben unterschiedliche Beweggründe, die zu ihrem Handeln führen. Holst ist ein launischer Mensch, der am Schikanieren, Quälen, Einschüchtern und sogar Töten anderer Menschen Gefallen findet. Er ist der sadistische Nazi, der unter dem Kommando von Herzog steht. Holsts Machtgier und seine krankhaften Neigungen zu Machtdemonstrationen sind die Triebfedern seines Handelns. Er nutzt seine Position, um seine Macht über die Häftlinge auszuüben. Man spürt kalte Verachtung, wenn man sieht, wie Holst mit seiner Macht umgeht. Ist sein Vorgesetzter Herzog abwesend, dann führt Holst ein Willkürregime: er prügelt und tötet wahllos. Er missbraucht seine Macht. Seine hohnlachende Brutalität zeigt, dass er dies auch weiß. Sein Sprachgebrauch ist hart und frech, er befiehlt und schreit. Keiner der Gefangenen kann seine Fragen jemals ‚richtig’ beantworten. Holst reagiert impulsiv und aggressiv. Er findet Befriedigung im Abwerten, Provozieren und sinnlosen Ermorden der Häftlinge. So erschießt er zum Beispiel einen Mann in der Dusche, weil er sich zur falschen Zeit am falschen Ort befindet. Auch Koljas Leben ist nichts mehr wert, als Herzog die perfekten Blüten in seinen Händen hält: Holst erschieβt Kolja. In einer Szene trifft Holst auf Sorowitsch, der die Toiletten putzt. Sorowitsch’ Gesicht wird in Nahaufnahme gezeigt und der Fokus bleibt auch dann auf Sorowitsch gerichtet, als Holst tatsächlich auf ihn pinkelt. Sorowitsch’ Reaktion, still aber wütend, steht für das Dilemma mit dem er sich im ganzen Film auseinandersetzt. „There’s no possible resolution or payback or escape,” und das ist genau das moralische Problem: „there are no options for right behaviour, only wrong and differently wrong, options that leave individual burdened by guilt and fear. Everyone is cheated, endlessly.”116 Der andere Nazi ist der kluge und joviale Herzog. Herzog hat als Manager der Todesfabrik die Verantwortlichkeit für die Herstellung der Blüten. Der Mann gibt sich nicht wie ein scharfer Hund, sondern wie ein kluger Leiter, dessen Benehmen sogar sympathisch wirkt. „Wenn man Menschen wie Dreck behandelt, werden sie keine Leistung bringen,“ mit diesem Grundsatz leitet er die Fälscherwerkstatt. Im Gegensatz zu Holst nutzt Herzog nicht jede Situation um seine Macht auszunutzen. So lässt er Loszek ohne Konsequenzen davon kommen, als sich herausstellt, dass Loszek gar nicht die richtigen Fähigkeiten hat, um in der Fälscherwerkstatt zu arbeiten. Damit beweist er, dass er kein Sadist ist, denn er nutzt seine Position nicht aus um Macht über seine Häftlinge auszuüben. Herzog hat aber auch seine trügischen Seiten. Sobald er vermutet, dass die Geldfälschung sabotiert wird, fürchet er um seine eigene Position. Dann versucht er die 116 Cythia Fuchs: The Counterfeiters. In: www.popmatters.com/pm/film/reviews/555888/the-counterfeiters-diefaelscher/ 46 Häftlinge zu erpressen, um die schnelle Herstellung der Banknoten zu erreichen. Ein unerwarteter Befehl von ihm erzeugt Panik und Angst. Er lässt die Gefangen in der Nacht wecken, nur um mitzuteilen, dass der Bank of England die Geldscheine überprüft hat und auf ihre Fälschung hereingefallen ist. Die Männer werden mit einer Tischtennisplatte belohnt. Einerseits eine positive Geste, die zur Ablenkung der Männer führt, andererseits zeigt solch eine Belohnung auch die Geringschätzung des Ernsts der Situation. Herzog übt seine Macht durch ständige unterschwellige aber auch direkte Art der Bedrohung aus. Er droht den Fälschern mit Strafmaßnahmen beispielsweise, dass er sie zurückschickt in die Lager oder erschießen wird. Er will den Männern Angst einjagen, um sie so zu guter Arbeit anzuspornen. Sie sollten fit und motiviert sein. Herzog setzt seine Drohung jedoch nicht in die Tat um. Sein Benehmen als Leiter im KZ versucht Herzog zu rechtfertigen. Wenn das Ende des Krieges nähert, lädt Herzog Sorowitsch bei ihm zu Hause ein. Herzog wohnt in der Nähe vom Lager zusammen mit seiner Frau und drei Kindern. Er erzählt von seinen wirklichen Beweggründen den Nazis zu dienen, nämlich um den Unterhalt seiner Familie bestreiten zu können. Gegen die Juden hat er aber grundsätzlich nichts, so erzählt er. Sorowitsch werden die Handschellen abgenommen und er wird als ‚echter’ Gast empfangen. Herzog versucht mit diesem Verhalten Sympathie und Verständnis bei Sorowitsch zu erzeugen, denn er braucht die Dienste Sorowitsch’. Herzog steht unter Druck und schließt ein Geschäft mit Sorowitsch ab. Im Tausch für den Dollar bekommt Sorowitsch die Medikamente für den kranken Kolja. Herzog weiß, dass der Krieg bald vorbei sein wird, und macht Pläne Deutschland zu verlassen. Er gibt sich gegenüber Sorowitsch als ehemaliger Kommunist zu erkennen und meint, nun gelte es, sich der Zukunft zu widmen. Von Sorowitsch lässt er sich mit Papieren ausstatten, die ihn als Schweizer Staatsbürger ausweisen. Er will, das Sorowitsch mit seiner Unterschrift bezeugt, dass die Juden der Fälscherwerkstatt Herzog das Leben verdanken, weil er sie aus den anderen Konzentrationslagern herausgeholt hat. Sorowitsch unterschreibt und Herzog übergibt ihm die Medikamente. Kurz vor seinem Aufbruch ins Ausland geht Herzog abends noch einmal in die Fälscherwerkstatt, um von ihm versteckte Blüten aus ihrem Versteck zu holen. Er wird aber von Sorowitsch erwischt. Sorowitsch ergreift Herzogs Pistole und bedroht ihn. Seine Gelegenheit zur Rache ist da. Herzog beteuert seine Unschuld an Koljas Tod, bietet Sorowitsch an, das Falschgeld mit ihm zu teilen. Sorowitsch entsichert die Pistole, aber kann im entscheidenden Augenblick nicht genug Hass mobilisieren, um Herzogs Leben auszulöschen. 47 Solidarität, Macht und Kollaboration Der Großteil des Films spielt sich in dem engen Raum der Fälscherwerkstatt ab. Nicht nur der Raum ist eng, er ist auch stets voll mit Menschen, die Bedrohungen, Zwängen und Restriktionen ausgesetzt sind und zwischen denen auch starke Spannungen untereinander bestehen. Die Gefangenen arbeiten in dem Bewusstsein, dass sie, sobald sie nicht mehr gebraucht werden, liquidiert werden. Sie führen aber ein ‚KZ-Leben erster Klasse.’ Sie genießen den Luxus von sanitären Anlagen, in der Freizeit darf Tischtennis gespielt werden und dann und wann gibt es sogar Zigaretten. Die Fälscher werden zwar relativ „gut versorgt“, aber sie werden auch schikaniert und permanent mit dem Tode bedroht. Das Sterben der anderen nicht privilegierten Gefangenen ist in jedem Moment präsent, ständig sind bellende Hunde, martialisch gebrüllte Anweisungen und Exekutionen zu hören. Die Häftlinge werden mit Gewissensfragen konfrontiert. Darf man für die Nazis arbeiten, um sein eigenes Leben zu retten? Und darf man gleichzeitig den verhassten Krieg finanzieren? Kann man andererseits die Mitarbeit verweigern? Welche Entscheidungen haben den Tod zur Folge? Und gibt es eine Möglichkeit, die Geldfälschung zu sabotieren? Kann man in einem KZ überhaupt Widerstand leisten? Thematisiert wird Solidarität in Gefangenschaft. Welche Bedeutung hat Solidarität, wenn man sich in einem KZ befindet? Kann man in einem KZ überhaupt Solidarität zeigen? Würde es den anderen Gefangenen helfen, wenn die Fälscher nicht länger fälschten oder würde dies nur das Gewissen der Fälscher beruhigen? Sollte man auch in dieser lebensbedrohenden Situation einmütig handeln? Wie geht die Gruppe mit internem Widerstand um? Vor allem die Rolle Burgers zeigt, wie mit Kollaboration umgegangen wird. Bringt es aber überhaupt etwas, die Fälschungsaktion zu sabotieren? Und darf Burger das Leben seiner Kumpel aufs Spiel setzen? Oder sabotiert man die Aktion und nimmt den sicheren Tod des gesamten Teams in Kauf? Unterstützt man in der Hoffnung auf das eigene Überleben den Blütenkrieg der Nazis? Darf man sich mit einem korrupten Lagerleiter verbunden und ihm kurz vor Kriegsende falsche Pässe und eine Persilschein ausstellen, um seine Überlebungschancen zu erhöhen? Der Kampf gegen das Schicksal zwingt Menschen zu unmöglichen Entscheidungen. Die Fälscher werden dauernd konfrontiert, sich mit Moralfragen auseinanderzusetzen. Jeder geht auf seine eigene Weise mit Gewalt und Bedrohung um. Jeder handelt danach, was er für 48 gut und richtig hält. Ob man überleben oder politisch handeln will, ist eine Frage von Moral. Die Entscheidungen der Fälscher werden von einem totalitären Machtsystem bestimmt, in dem kein Mensch seines Lebens sicher ist. Die Fälscher spielt vorwiegend im KZ, jenem Schauplatz der in jeder KZ-Verfilmung so schwierig zu visualisieren ist. Farben tragen in Die Fälscher zur Bedeutung bei, sie verstärken durch ihre visuelle Wirkung die Szenen und haben eine zusätzliche Bedeutung, denn Farben können mit Emotionen und Gefühle verbunden werden. Die Farbgestaltung verweist unmittelbar auf die grausamen Umständen im Film. So werden mit den verwendeten Farben Grün/Grau Kälte, Einsamkeit, Unempfindlichkeit und Traurigkeit verbunden. Um den gewünschsten Effekt zu erreichen, ist das Licht ungewöhnlich. Oft gibt es dunkle Stellen im Bild, sehr körnige Bildoberflächen, in dem es offensichtlich nicht um eine schulmäßige Ausleuchtung ging, in der alles in gleicher Weise sichtbar und erkennbar ist. Die Beleuchtung bewirkt Unübersichtlichkeit, die Gesichter werden von Schatten bedeckt, was die grausame Atmosphäre verstärkt.117 In dieser Atmosphäre permanenter Bedrohungen und Ängste wird aber eine direkte Auseinandersetzung mit Gewalt vermieden. Es sind die Off-Töne, wie die Schüsse, das Schreien der SS-Männer und das Hundegebell hinter der Bretterwand, die das Grauen des KZ nicht vergessen lassen. Die genaue Vorstellung dieser Sequenzen werden aber der individuellen Phantasie der Zuschauer überlassen. Für Holger Kreitlung ist Die Fälscher mehr als ein KZ-Drama. Er bemerkt, dass der Film durch seine Darstellungsweise an Stil gewinnt, denn „Ruzowitzky widersetzt sich dem Grauen, er schickt seine Figuren unter echte Duschen und lässt die Todesmühlen der Nazis aus dem Off wirken.“118 Der ‚Horror’ wird nicht bildlich dargestellt. Es geht im Film nicht um eine Konfrontation mit den erbärmlichen Umständen im KZ, sondern um das Erzählen einer spannenden Geschichte. Diese Darstellungsweise ist ein neuer Blickwinkel, aus dem versucht wird alles schlicht und unsentimental wiederzugeben. Es gelingt so, das Restleben dicht an der Exterminierungszone des Lagers echt erscheinen zu lassen.119 Ruzowitzky wollte keinen Film drehen, der im KZ spielt, denn „das ist ein Bereich, der sich im Film nicht darstellen lässt.“120 Die Fälscherwerkstatt war aber privilegiert und von der Werkstatt aus konnte auf indirekte Weise vom Wesen des KZs berichtet werden. Die 117 Ekkehard Knörer: Realistischen Dreck reinbringen. In: htttp://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2007/03/22/a0197 118 Holger Kreitling: Es gibt kein richtiges Leben im Fälschen. In: www.welt.de/kultur/article771608/es_gibt_kein_richtiges_Leben_im_Fälschen. 119 Jan Schulz-Ojala: Wilkommenn in der Geisterbahn. In: www.tagesspiegel.de/kultur/;art772,2127008 120 Martin Schickert: Täter verstehen. In: www.tagesspiegel.de/kultur/;art772,2127008 49 Fälscher spielt nicht im KZ, sondern an dessen Rand. Dass er diesen Blickwinkel gewählt hat, lässt sich nach ihm mit einer Generationsfrage beantworten. So erklärt er, dass die Täter nicht mehr mit Aussagen der Zeitzeugen konfrontiert werden können, da diese Generation schwindet. Vor einigen Dezennien hatte die Zurückhaltung der Funktionalisierung des Holocaust noch Sinn gemacht.121 Heute aber sind viele Opfer und Täter sehr alt oder schon tot. Es macht wenig Sinn, der jüngeren Generation die Anklage ins Gesicht zu werfen. Das Publikum sind die Enkel und Urenkel, für die packenden Geschichten erfunden werden müssen, denn „es geht nicht mehr um den erzieherischen, den enzyklopädischen Blick.“122 Realität, Phantasie und Zeugenschaft stehen alle in Beziehung zueinander und reine Fiktion ist legitim. Heute sollen Vergangenheitsdarstellungen aber angepasst und aktualisiert werden, um so kollektiv wirksam zu werden. Der Film hat nicht zum Ziel Aufklärungsarbeit zu liefern, was aber von manchen Filmkritikern anders verstanden wird. So kritisiert Het Parool: “Die Fälscher brengt een curieuze voetnoot in de geschiedenis van de Holocaust vaardig tot leven – Ruzowitzky is een uitstekende regisseur – maar draagt nicht bij aan inzicht in de Holocaust.”123 Normalerweise glaubt man zu wissen, wenn man sich in einem Holocaustfilm wähnt, was zu erwarten ist. Aber ganz ungewöhnlich beginnt der Film mit Szenen in einem Casino am Mittelmeer. Erst wenn die eintätowierte Nummer auf dem Arm der Hauptfigur bemerkt wird, ist die Assoziation mit dem Holocaust da. Neben den Schrecken-Klischees und Zeichen der Holocaust-Ikonografie werden auch Anspielungen auf das typisch Jüdische vermeiden. So kommen das Feiern des Sabbats oder das Spielen jiddischer Musik nicht im Film vor. Die Juden im Film sind normale durchschnittliche Deutsche, die zufällig jüdisch sind. Einige Hauptpersonen sprechen mit Dialektfärbung, damit wird den Prozess „aus Deutschen wurden Juden“ rückgängig gemacht.124 In Die Fälscher wird auf genre-typische Filmmusik verzichtet. Musik ist ein Gestaltungselement, die normalerweise die Grundstimmung unterstützt. Die verschiedenen Arten von Musik haben jeweils verschiedene Wirkungen und werden auf den gewünschten Effekt auf die Zuschauer abgestimmt. Musik regt Emotionen bei den Zuschauern an und lenkt ihre Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Handlung, Person oder einen Gegenstand.125 In 121 Ebenda. Hans Georg Rodek: Gespräch mit Stefan Ruzowizky. In: www.welt.de/kultur/kino.article767098/DieFälscher.html 123 Jos van den burg: Die Fälscher – Moreel dilemma in concentratiekamp. In: www.filmkrant.nl/av/prg/filmkrant/archief/fkzgz/falscher.html 124 Barbara Schweizerhof: Ohne Scham. In: www.freitag.de/2007/12/07121003.php. 125 Lothar Mikos: Film- und Fernsehanalyse. Konstanz 2003, S. 181. 122 50 einem Holocaust-Film könnte eine Verstärkung von Emotionen der Angst oder Drohung durch Musik erwartet werden. In Die Fälscher sind es dagegen klassische Melodien die regelmäßig zu hören sind. Die Operetten-Musik wird während der Arbeit im Fälscherblock gespielt um die negativen Geräusche aus dem Lager, wie die Schüsse, Schreie und die Schritte des Schuhläuferkommandos zu übertönen. „Vergessen wir mal die Umstände,“ so wie Herzog sagt. Militärmusik wird mit Kampfbereitschaft assoziiert, sie steht für die Gefangenen aber für die Destruktivität und Grauen des Naziregimes. Die klassische Musik dagegen nicht. Die Operette lenkt von den Umständen ab und wirkt beruhigend, was der präzisen Arbeit zu Gute kommt. In voller Ruhe sollte die feine Arbeit erledigt werden. Musik hilft bei der Konzentration und soll zur Motivation beitragen. Typische Musik aus dem Nationalsozialismus, ist nur ein Mal im Film zu hören, nämlich das Horst-Wessel Lied, die offizielle Parteihymne der NSDAP. Diese Musik wird bei der Arbeit Sorowitsch’ als Lagermaler gespielt. Die Fälscher wirkt durchaus als Entertainment, was dann auch der am meisten kontroverse Aspekt des Films ist. Fast einen ganzen Film lang werden die jüdischen Insassen des Lagers dargestellt. Es entsteht eine interessante Dynamik zwischen den Hauptpersonen, was Tiefe, mit den daraus folgenden Gewissensfragen, erwirkt. Um das Publikum zu berühren und zu erreichen wird eine bestimmte Darstellungsform gewählt und Unterhaltung ist ein wesentlicher Bestandteil des Films. Der Plot fungiert als Sprungbrett und daraus ergibt sich das moralische Dilemma der Hauptpersonen. Im Fokus der Filmkritiken steht die Frage, wie man über den Holocaust erzählen darf. Sind „die deutschen Konzentrationslager nicht Ort, um Fakten und Fiktion durcheinander zu bringen?“126 Als Ergebnis kann gesagt werden, dass der Film einen gelungenen Beitrag zur Medien-Diskussion um die Darstellbarkeit von Holocaust leistet. Im Kino geht es darum, ob und inwieweit ein Film dazu beitragen kann, die Erfahrungswelt seiner Zuschauer zu erweitern. Es geht nicht um Aufklärungsarbeit, nicht um die Frage nach dem ‚Wahr’ oder ‚Falsch’ einer Erzählung, sondern die Frage nach Bedeutungsreichtum, Erfahrungsdimension und Vieldeutigkeit spielt eine zentrale Rolle.127 Es dreht sich im Film um die Kollaboration um zu überleben. Der Film gibt keine Antworte, es werden nur Angebote gemacht und genau das ist seine Stärke. 126 Holger Kreitling: Es gibt kein richtiges Leben im Fälschen. In: www.welt.de/kultur/article771608/es_gibt_kein_richtiges_Leben_im_Fälschen.html 127 Waltraud >Wara< Wende: Das >andere< Leben im >anderen< Deutschland. In: Ortrud Gutjahr (Hg.): Intrakulturelle Fremdheit. Deutsch-deutsche Differenzen in Literatur und Film nach der Wende. Würzburg 2008. 51 Die Identifikationsangebote führen der Zuschauer emotional durch die Erzählung. Empathie für die Häftlinge erhöht zur gleichen Zeit die Distanz zu den Tätern. Aber Sorowitsch ist bestimmt kein Held, denn auch er denkt an erster Stelle an sich selber und nicht an die anderen. Herzog steht auf der Seite der Bösen, aber auch für ihn kann der Zuschauer manchmal Sympathie empfinden. „Vor allem aber sorgt die ausgeklügelte Kombination gemischter Charaktere unter den Insassen dafür, dass Die Fälscher sich von den Vorgängerfilmen signifikant unterscheidet. Diese aus anderen KZs zusammengeholten Gefangenen versuchen allesamt, ihre Haut zu retten, und der Zuschauer hat in Sachen Identifikation die freie Wahl.“128 Die Stärke des Films besteht auch darin, dass er den Zuschauer das Gefühl gibt, Ereignisse aus eigener Anschauung mitzuerleben. Die Fälscher macht es für die Zuschauer nachvollziehbar, wie es sich anfühlt in einer lebensbedrohlichen Situation zu leben; Die Fälscher lässt die Zuschauer nacherleben, mit welchen moralischen Dilemmas man sich auseinandersetzen muss in einer solchen Situation; Die Fälscher zeigt welche psychische Belastung es ist, wenn man nicht weiß, welcher Tag der letzte sein wird. 128 Jan Schulz-Ojala: Wilkommenn in der Geisterbahn. In: www.tagesspiegel.de/kultur/;art772,2127008 52 Fazit Die filmische Auseinandersetzung mit dem Thema Holocaust ändert sich im Laufe der Zeit. Das Massenpublikum ist in den Nachkriegsjahren nicht an Holocaust-Filmen interessiert. In den fünfziger Jahren dominieren dann auch die Heimatfilme die Kinos. Es werden zwar auch Kriegsfilme produziert, jedoch wird in diesen Filmen der Nationalsozialismus nicht thematisiert. Ein Wandel in der Vergangenheitsbewältigung tritt in den sechziger Jahren ein. Zu dieser Zeit erregen zunächst die Prozesse gegen Nazi-Größen Aufmerksamkeit. Auch finden in den späten sechziger Jahren die Studentenbewegungen statt, die sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzen. Die amerikanische Miniserie Holocaust wird 1979 zum Riesenerfolg, damit entzündet die Diskussion um die Darstellbarkeit von Geschichte im Film in den achziger Jahren aufs Neue. Steven Spielberg erreicht 1993 weltweite Aufmerksamkeit mit Schindlers Liste. Innerhalb weniger Jahre wird der Holocaust in mehreren weiteren erfolgreichen Spielfilmen thematisiert. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Gedächtnis-Phänomen beginnt in den zwanziger Jahren mit Aby Warburg und Maurice Halbwachs. Beide Wissenschaftler entwerfen Theorien über das Gedächtnis und die Gemeinsamkeit der beiden Konzepte liegt in der Erkenntnis, dass Kultur einerseits in der Vermittlung sozialer Handlungen und Gebräuche und andererseits in der Weitergabe materieller Objekte fortbesteht. Kultur und ihre Äußerungsformen sind Produkte menschlicher Tätigkeit. Eine weitere Übereinstimmung besteht darin, dass die Gedächtnisforschung ein gesamtkulturelles Thema ist und bei der Forschung eine fächerüberschreitende Methodik angewendet werden sollte. Jan und Aleida Assmann übernehmen die bereits entworfen Theorien. In ihrem Konzept ist die Rede von zwei Gedächtnis-Rahmen: Dem kommunikativen und kulturellen Gedächtnis. Auch sind zwei Merkmale des Erinnerns besonders zu betonen: Nämlich zum einen sein Gegenwartsbezug und zum anderen sein konstruktiver Charakter. Der Gegenwartsbezug deutet darauf hin, dass die Rekonstruktion ein aussageskräftiges Indiz für die Bedürfnisse und Belange der Erinnernden in der Gegenwart ist. Daraus kann man schließen, dass sich die Rekonstruktion von Vergangenheit im Abhängigkeit vom Kontext verändert. Der rekonstruktive Charakter des Erinnerungsprozesses ist darin zu sehen, dass Erinnerungsleistungen selektiv erfolgen. Aus einer großen Menge von Ereignissen, 53 Umständen, Personen, Daten und Medien werden Elemente ausgewählt, die in ihrem Zusammenspiell dann eine Erinnerung formen. Dabei wird die Frage aufgeworfen welchen möglichen Einfluss die Medien auf das Gedächtnis haben. Da die Generation der Zeitzeugen des Holocaust schwindet, werden die mündlichen Überlieferungen von Erfahrungen weniger und enden schließlich. Der Diskurs kann deswegen nicht länger von den Überlebenden bestimmt werden, sondern die Auseinandersetzung wird von späteren Generationen geführt. Die Repräsentation der Vergangenheit durch die Medien spielt in diesem Bereich eine wichtige Rolle und dabei kann man sich fragen, ob sich mit der jeweiligen Gestaltung des Erinnerns auch die Inhalte des Gedächtnisses verändern. Im Prozess des Erinnerns fungieren Medien als Schaltstellen zwischen der individuellen und kollektiven Dimension der Erinnerung. Durch mediale Repräsentation und Distribution kann eine individuelle Erinnerung zur kollektiven Erinnerung werden. Persönliche Erfahrungen, wie Augenzeugenerfahrungen, gelangen über Kommunikation und Medienrezeption aus dem individuellen in das kollektive Gedächtnis. Die Medien, die die Botschaft vermitteln, sind aber keine neutralen Träger, denn die Botschaft wird immer auch vom Medium geprägt. Medien entfalten eine Wirkkraft, welche die Modalitäten unseres Denkens, Wahrnehmens, Erinnerns und Kommunizierens prägt. Die Vergangenheit wird nicht einfach abgebildet, sondern es wird ein Versuch gemacht, die Vergangenheit zu rekonstruieren. Die Gedächtnismedien leisten eine Deutungs- und Sinnstiftung und beeinflussen damit die Zuschauer. Spielfilme wirken darum auf das Denken und Fühlen der Zuschauer und tragen damit zur Meinungsbildung des Zuschauers bei. Massenmedien sind also nicht bedeutungsneutral. Sie selektieren, strukturieren, interpretieren und bewerten Phänomene und Ereignisse. Die Vermittlung von Inhalten in Filmen ist genauso kontextabhänigig wie jede andere Form der Erinnerung. Der zeitliche und sozio-kulturelle Kontext bestimmt den Umgang, Interpretation und Bewertung von historischen Ereignissen. Der Umgang mit dem Holocaust in Spielfilmen hat sich im Laufe der Zeit geändert. Wurden die Holocaust-Filme in den ersten Jahren nach dem Krieg noch von Klischee-Bildern geprägt, so ändert sich dies in den neunziger Jahren. Es sind drei Tendenzen in neueren Holocaust-Filmen zu erkennen, die alle den Holocaust aus ‚neuen’ Blickwinkeln darstellen. So dient die Vergangenheit in kürzlich erschienen Holocaust-Filmen manchmal als historischer Kontext, in dem sich eine fiktive Geschichte abspielt. Statt historische Aufklärungsarbeit zu liefern, spielt Unterhaltungswert eine zentrale Rolle. Der Entwurf von Geschichten sollte dem Rezipienten eine Erfahrungsdimension ermöglichen, die das wirkliche Leben so nicht ermöglicht. Bestimmte Figuren werden in Filmen als Identifikationsfiguren 54 aufgebaut, die den Zuschauern ermöglichen, sich in de Hauptfiguren hineinzuversetzen. In den vergangen Jahren und heutzutage noch kann die Generation der Überlebenden ihre authentischen Erfahrungen vermitteln. In naher Zukunft und oft auch schon heute sind die Nachgeborenen aber von sekundären Quellen abhängig. Das filmische Erzählen des Holocaust ist ein Versuch, das Unfassbare in eine Erzählstruktur zu überführen und damit fassbar zu machen. Sobald die letzten Überlebenden des Holocaust gestorben sind, kann nicht mehr auf massenmediale Vermittlungsformen verzichtet werden. Dann darf die Frage nach der Darstellbarkeit des Holocaust nicht mehr im Mittelpunkt stehen, man sollte sich stattdessen mit neuen Formen der Erinnerung und der Darstellung beschäftigen. Das zentrale Thema des Films Die Fälscher ist die Frage, ob es moralisch vertretbar ist, mit den Nazis zu kollaborieren weil man sich so erhofft, das eigene Leben retten zu können. Im Film werden existentielle Bedrohungen, Umgang mit Macht und Solidarität im KZ thematisiert. Es geht um Entscheidungen, die getroffen werden müssen und moralische Dilemmas, vor die die Fälscher gestellt werden. Meiner Meinung nach kann es auch über fünfzig Jahre nach dem Holocaust nicht genug Versuche geben, das Grauen des Dritten Reiches in Bilder zu fassen. Da die Generation der Zeitzeugen schwindet, muss man neue Möglichkeiten finden, Geschichte und Geschichten weiterzugeben und Filme sind eine dieser Möglichkeiten. 55 Literatur Backer, Peter de: Die Fälscher. In: www.digg.be/movie.php?id=1515 vom 11. Oktober 2007. (08. März 2008) Behrens, Ulrich: Zug des Lebens. In: http://www.filmzentrale.com/rezis/zugdeslebensub.htm (22. März 2009) Bleicher, Joan Kristin: Zwischen Horror und Komödie. Das Leben ist schön von Roberto Benigni und Zug des Lebens von Radu Mihaileanu. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 163-180. Burg, Jos van den: Die Fälscher – Moreel dilemma in concentratiekamp. In: www.filmkrant.nl/av/prg/filmkrant/archief/fkzgz/falscher.html. (10. Juni 2008) Burger, Adolf: Des Teufels Werkstatt. München 2007. Buβ, Christian: Die Fälscher. In: http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,472671,00.html. (5. März 2009) Erll, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Stuttgart 2005. Eschrisch, Kerstin: Die Fälscher. http://jungle-world.com/artikel/2007/12/19316.html. (10. Juni 2008) Finger, Evelyn: Geld oder Leben. Die Zeit 08.02.2007, In: www.zeit.de/2007/07/B-Faelscher. 10. Juni 2008 Fuchs, Cynthia: The Counterfeiters. In: www.popmatters.com/pm/film/reviews/555888/the-counterfeiters-diefaelscher/. (8. März 2008) Hickethier, Knut: Ermittlungen gegen die Unmenschlichkeit. Der Prozeβ von Eberhard Fechner. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 127-142. Hickethier, Knut: Der Krieg, der Film und das mediale Gedächtnis. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Krieg und Gedächtnis. Ein Ausnahmezustand im Spannungsfeld kultureller Sinnkonstruktionen. Würzburg 2005, S. 347-365. Kaes, Anton: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film. München 1987. Knörer, Ekkehard: Realistischen Dreck reinbringen. Intervieuw Ekkehard Knörer. http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2007/03/22/a0197. (5. März 2009) Köppen, Manuel: Holocaust im Fernsehen. Die Konkurrenz der Medien um die Erinnerung. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 273-290. Körte, Peter: Die Fälscher. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Februar 2007 Kramer, Sven: (Hg.) Die Shoah im Bild. München 2003, S. 7-12. Kreitling, Holger: Es gibt kein richtiges Leben im Fälschen. In: www.welt.de/kultur/article771608/es_gibt_kein_richtiges_Leben_im_Fälschen.html. (6. Juni 2008) Loewy, Hanno: Märtyrerromanzen. Die >befreite< Anne Frank. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 85-110. 56 Lorenz, Matthias N.: Der Holocaust als Zitat. In: Sven Kramer (Hg.). Die Shoah im Bild. München 2003, S. 267-296. Lutz, Felix Phillip: Geschichtsbewusstsein. In: Werner Weidenfeld / Karl-Rudolf Korte (Hg.): Handbuch der deutschen Einheit. Frankfurt 1999, S. 392-401. Martenstein, Harald: Die Fälscher. In: www.tagesspiegel.de/kultur/;art772,2018286. (10. Juni 2008) Meyer, Franziska: Die Amerikaner haben uns unsere Geschichte weggenommen. Frank Beyers und Peter Kassovitz’ Jakob der Lügner. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 193-226. Midgley, Henry: The Counterfeiters. In: www.bitsofnews.com/contact/view/6325. (8. März 2008) Mikos, Lothar: Film- und Fernsehanalyse. Konstanz 2003. Nünning, Ansgar und Vera (Hg.): Konzepte der Kulturwissenschaften. Stuttgart 2003. Oster, Anja / Uka, Walter: Der Holocaust als Filmkomödie. In: Sven Kramer (Hg.): Die Shoah im Bild. München 2003, S. 249-266. Pauli, Harald: KZ-Thriller „die Fälscher“ im Gespräch. In: Focus Dezember 2007. Rebhandl, Bert: Die Fälscher. In: Der Standart vom 23. März 2007 Rodek, Hans-Georg: Gespräch mit Stefan Ruzowitzky. In: www.welt.de/kultur/kino.article767098/DieFälscher.html. (12. Juni 2008) Schickert, Martin: Täter verstehen. In: www.tagesspiegel.de/kultut/;art772,2127008. (15. Juni 2008) Schlanstein, Beate: Echt wahr! In: Alles authentisch? Thomas Fischer, Rainer Wirtz (Hg.) Konstanz 2008. Schmetkamp, Suzanne: Überleben im goldenen KZ-Käfig. Die Zeit 22.03.2007 Nr. 13 In: www.zeit.de/2007/13/Film-Die-Faelscher. (10. Juni 2008) Schulz, Georg-Michael: Docu-Dramas - oder: Die Sehnsucht nach der >Authentizität<. Rückblicke auf Holocaust von Marvin Chomsky und Schindlers Liste von Steven Spielberg. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 143-162. Schulz-Ojala, Jan: Wilkommenn in der Geisterbahn. In: www.tagesspiegel.de/kultur/;art772,2127008. (20. Juni 2008) Schweizerhof, Barbara: Ohne Scham. In: www.freitag.de/2007/12/07121003.php. 10. Juni 2008 Visser, Anthonya: Du sollst dir (k)ein Bildnis machen. Zur Überlieferung von überlieferter Geschichte in Art Spiegelmans Maus, Roberto Benignis La vita e bella und Doron Rabinovicis Die Suche nacht M. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 181-192. Vree, Frank van: Auschwitz liegt in Polen. Krieg, Verfolgung und Vernichtung im polnischen Film 1945-1963. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 41-60. Welzer, Harald: Gedächtnis und Erinnerung. In: Friedrich Jäger / Jürgen Straub: Handbuch der Kulturwissenschaften. Band 3. Stuttgart 2004, S. 155-174. 57 Wende, Waltraud >Wara<: Kultur, Medien und Literatur. Würzburg 2004. Wende, Waltraud >Wara<: Der Krieg ist immer – Die Medien und der Krieg. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Krieg und Gedächtnis. Ein Ausnahmezustand im Spannungsfeld kultureller Sinnkonstruktionen. Würzburg 2005, S. 8-30. Wende, Waltraud >Wara<: Medienbilder und Geschichte. Zur Medialisierung des Holocaust. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.): Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 9-28. Wende, Waltraud >Wara<: Die Wahrheit ist nur eine zweifelhafte Angelegenheit. In: Waltraud >Wara< Wende (Hg.) Wie die Welt lacht. Lachkulturen im Vergleich. Würzburg 2008, S. 320344 Wende, Waltraud >Wara<: Das >andere< leben im >anderen< Deutschland. Demnächst in: Ortrud Gutjahr (Hg.). In: Intrakulturelle Fremdheit. Deutsch-deutsche Differenzen in Literatur und Film nach der Wende. Würzburg 2008, Zitate aus dem Manuskript. 58