EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Kapitel 14: Die Gruppen 8, 9 und 10 Die Eisengruppe (Fe, Co, Ni) und die Platin-Metalle (Ru, Os, Rh, Ir, Pd, Pt) 14.1 Allgemeines 14.1.1 Häufigkeit (in der Erdkruste): 8. Gruppe Eisen Fe (26) 62000 ppm (4. häufigstes Element)1 Ruthenium Ru (44) 0,0001 ppm Osmium Os (76) 0,005 ppm 9. Gruppe Cobalt Co (27) 29 ppm Rhodium Rh (45) 0,0001 ppm Iridium Ir (77) 0,001 10. Gruppe Nickel Ni (28) 99 ppm Palladium Pd (46) Platin Pt (78) 1 Die Ursache für die Häufigkeit von Eisen liegt in den Entstehungsprozessen der Elemente. Eisen bildet den Endpunkt der Elemente, die durch Fusionsprozesse gebildet werden, seine Bildung ist exotherm. Der Erdkern besteht vermutlich zu etwa 86% aus Eisen (neben 7% Ni, 1% Co und 6% S). 14.1.2 Valenzelektronen / Elektronenkonfiguration / Oxidationsstufen 146 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Valenzelektronen 1 Gruppe 8 Gruppe 9 Gruppe 10 8 9 10 Ni 0, 1, 2, 3, 4 Fe −2, −1, 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 Co −1, 0, 1, 2, 3, 4 OxidationsRu −2, −1, 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 Rh −1, 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 Pd 0, 1, 2, 3, 4 stufen Os −2, −1, 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 Ir −1, 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 Pt 0, 1, 2, 3, 4, 5, 6 1 Die Unterteilung in n s und (n-1) d-Elektronen ist unterschiedlich in den Gruppen und ist nur für die Elemente von Bedeutung. Für chemische Verbindungen sind die Valenzelektronen immer dElektronen. Das ist sehr hilfreich, so ist z.B. die Valenzelektronenkonfiguration von Fe(II) = [Ar]3d6 und die von Rh(I) = [Kr]4d8 und von Pt(III) = [Xe]5d7. • • • Die maximal höchste Oxidationsstufe wird nur noch beim Osmium erreicht (Ionisierungenergien werden zu hoch): [OsO4], bei Ru nur [RuO4]− (vgl. [MnO4]−). Tendenziell sind höhere Oxidationstufen bei größeren Elementen stabiler. Die Unterschiede zwischen den 3d-Elementen und den 4d und 5d Elementen sind groß vor allem in Gruppe 9 und 10 sind die wichtigsten Oxidationsstufen meist nicht identisch. 14.2 Vorkommen, Darstellung und Verwendung Eisen: Vorkommen: • Oxide: Hämatit (Fe2O3) (Bluteisenstein); Magnetit (Fe3O4): natürlich vorkommender Magnet, Namensgeber für den Magnetismus; Brauneisenerz (Fe2O3 . ½ H2O): nicht stöchiometrisch, häufigstes Eisenerz zur Stahlgewinnung. • Pyrit (FeS2): Katzengold; Fe(II)-Ionen und S22−-Ionen bilden eine Steinsalz-artige Struktur • Chromit (FeCr2O4): Chromeisenstein oben: Pyrit links: Hämatit auf Halde Darstellung: Verhüttung von Fe2O3 mit Koks und Zuschlägen (mehr dazu später) im Hochofen. Alternativ: Fe2O3 + 3 H2 → 2 Fe + 3 H2O; Hochreines Eisen: Fe(roh) + 5 CO –(80°C, erhöhter Druck)→ [Fe(CO)5] –(250°C, Normaldruck)→ Fe(rein) + 5 CO. Eisenpentacarbonyl lässt sich bis zu jeder beliebigen Reinheit destillieren. Verwendung: Bei der Verhüttung wird entweder Roheisen hergestellt, welches dann in Stahl umgewandelt wird oder es wird durch gemeinsame Verhüttung von Eisenoxiden mit anderen Metalloxiden direkt Stahl oder andere Eisen-Legierungen hergestellt. Mehr dazu später. 147 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Cobalt: Vorkommen: Meist mit Fe in Oxiden, bisweilen auch mit Cu in Sulfiden und Oxiden vergesellschaftet. Reine Kobaltmineralien: Smaltit (CoAs2), Linneit (Co3S4) Darstellung: A) Cobalt in Eisenerzen wird mitverhüttet. B) Reines Co: Die Reduktion von Cobalt-Erzen mit Kohlenstoff ist möglich, jedoch sind die Erze S- oder As-haltig und bringen eine verschärfte Abgas-Problematik mit. Prozess: 1) Co-Erze –(Röstprozess)→ M, MOn + As4O6 As4O6 wird abkondensiert und dient der As-Gewinnung 2) M, MOn –(H2SO4)→ Ni, Co. Fe lösen sich auf, Cu bleibt zurück. 3) Versetzen mit CaCO3: Ni2+ und Co2+ bleiben in Lösung Fe2O3.H2O↓ fällt aus. 4) Umsetzung mit Hypochlorit: Co(OH)3↓ + Ni2+ Abtrennen 5) Erhitzen/Trocknen von Co(OH)3 → Co2O3 → 2 Co + 3 CO 6) Reduktion mit Kohle (Lichtbogen): Co2O3 –(C)→ Verwendung: in Keramikfarben, Blau-Pigment, Verbindungen als Katalysatoren für Oxidationsreaktionen. Co ist für den Menschen (und viele andere Organismen) essentiell → Coenzym B12 Nickel: Vorkommen: • Laterite: Ni-Oxide und -Silikate wie Garnierit (Ni,Mg)Si4O10(OH)8 oder Limonit (Fe,Ni)O(OH).nH2O • Sulfide wie Pentlandit: (NiFe)9S8 • Arsenide wie Kupfernickel (!): NiAs (Strukturtyp), Smaltit (Ni,Co,Fe)As2 oder Nickelglanz NiAsS Darstellung: • Nickel (vgl. Cobalt) durch Röst-Reduktion: erst Nickeloxide durch Rösten aus den Sulfiden, dann Trennen von Co und Fe (siehe Co) oder direkter Einsatz der Ni-Oxide zur Stahlerzeugung • Reinigung von Nickel (auch Recycling) nach dem Mond-Verfahren: Ni + 4 CO –(50°C)→ [Ni(CO)4] (destillierbar) –(230°C)→ Ni + 4 CO • Nickel elektrolytisch (Galvanik) Verwendung: • Neusilber für Bestecke: Ni 10-35%, Cu 55-65%, Rest Zn • Monelmetall: für Korrosionsbeständige Geräte, z.B. beständig gegen F2 oder HF • Nickel ist ferromagnetisch TCurie = 375°C (Neben Ni sind nur Fe, Co, und Gd, Dy, Ho ferromagnetische Metalle) • Nickel ist für viele Lebewesen essentiell (siehe dazu später) Ruthenium, Osmium, Rhodium, Iridium, Palladium, Platin Vorkommen: Pd und Pt kommen in Alluvialsedimenten (durch Schwemmprozesse natürlich aufkonzentriert) vor ansonsten als Sulfide oder Arsenide zusammen mit den anderen PGMs (Platinum Group Metals). 148 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Hauptquelle für die Darstellung: sogenanntes Platinkonzentrat oder Anodenschlamm aus der Nickel- oder Kupfer-Raffination (siehe Kap. 15, Kupfer) Darstellung: Platin, Palladium und Gold werden aus diesen Quellen durch Auslaugen mit Königswasser (aqua regia = 3×HCl + 1×HNO3) entfernt. Silber wird durch Erhitzen mit PbCO3 und anschließendem Auslaugen mit HNO3 als AgNO3 abgetrennt. − Pt, Pd, Au PGM Rückstand − Ag Schmelzen mit NaHSO4 dann Auslaugen Rh2(SO4)3-Lösung Rückstand Schmelzen mit Na2O2 dann Auslaugen IrO2-Rückstand Lösung von [RuO4]2−−, [OsO2(OH)4]2−− Überleiten von Cl2 und Erhitzen OsO4 Aufnehmen in NaOH/ROH + RuO4 HCl + ∆ Lösung von [OsO2(OH)4]2−− H3RuCl6-Lösung NH4Cl NH4Cl (NH4)3[RuCl6] [OsO2(NH3)4Cl2] H2 H2 Ru Os Verwendung: 1) Autoabgaskatalysatoren (Pt, Pd, Rh) 2) Schmuck (Pt, Rh, Ir) 3) Elektronik (Pt) 4) Elektrodenmaterialien (Pt + Ir) 5) Homogenkatalysatoren (Komplexe) (Os, Ru, Rh, Pd) 6) Dentallegierungen (Pd) 7) Tiegel (Pt, Ir) 149 Platin-Schmuck EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Schema eines AutoAbgaskatalysators; Je nach Hersteller werden Pt, Pd und Rh als katalytisch aktive Metalle verwendet, mit ihnen wird der Keramik-Träger imprägniert. Reaktionen: 2 CO + O2 2 CO2 C6H6 + 15/2 O2 6 CO2 + 3 H2O 2 NO + 2 CO N2 + 2 CO2 14.3 Darstellung und Verwendung von Eisen Die Reduktion mit Kohlenstoff zu den Elementen ist ab dieser Gruppe im Prinzip möglich. Carbide bilden sich nur noch in untergeordnetem Maß (siehe Phasendiagramm Fe/C) und können durch Folgeprozesse später eliminiert werden (siehe Eisen/Stahldarstellung). Eisen und Stahl - Chemische Abläufe im Hochofen Prozessführung In einem Hochofen laufen im Wesentlichen zwei Prozesse ab: 1. Die Reduktion der Eisenoxide zu Eisen 2. Die Verflüssigung der Gangart zu Schlacke Der Hochofen wird von oben schichtweise mit einer Mischung aus Erz und Zuschlägen (Möller) und Koks beschickt. Von unten wird Heißluft in den Hochofen eingeblasen, wodurch der Koks teilweise zu Kohlendioxid und Kohlenmonoxid verbrannt wird. Die bei der Verbrennung frei werdende Energie sorgt im unteren Teil des Hochofens für Temperaturen um 1500°C. Die entstandenen aufsteigenden Gase führen zu einer stufenweise Reduktion der Eisenoxide zu metallischem Eisen. 150 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Stahlabstich Das flüssige Roheisen sammelt sich schließlich auf dem Boden des Hochofens. Die Schlacke, die sich durch die Umsetzung der Gangart mit den Zuschlägen gebildet hat, schwimmt auf dem Roheisen. Roheisen und Schlacke werden von Zeit zu Zeit abgestochen. Das von oben nachrutschende Füllgut durchläuft immer wärmere Temperaturzonen und dehnt sich dabei zunächst aus. An der breitesten Stelle des Hochofens, dem so genannten Kohlensack, schmelzen das Roheisen und die Schlacke, das Volumen nimmt ab. Die Hochofenform folgt dieser Entwicklung. In der Vorwärmzone wird das Erz getrocknet und aufgelockert. In der Reduktionszone wird das Eisenoxid durch Kohlenmonoxid oder fein verteilten Kohlenstoff zu Eisen reduziert. Das bei der Reduktion entstandene fein verteilte Eisen wirkt in der Kohlungszone als Katalysator für eine Zerlegung des Kohlenmonoxids in Kohlenstoff und Kohlendioxid. Der dabei entstehende staubfeine Kohlenstoff verbindet sich mit dem glühenden Eisen, das Eisen wird "gekohlt". Der Schmelzpunkt der entstehenden Eisen-Kohlenstoff-Legierung liegt bei etwa 1200°C, während der des reinen Eisens 1536°C beträgt. Sinkt das gekohlte Eisen in die Schmelzzone, schmilzt es und sammelt sich als flüssiges Roheisen im Gestell. Die Reaktionen im Einzelnen: C (s) + O2 CO2 + C (s) 3 Fe2O3 + C (s) Fe3O4 + CO FeO + CO CO2 2 CO 2 Fe3O4 + CO 3 FeO + CO2 Fe + CO2 ∆H = −393,5 kJ/mol ∆H = +172,5 kJ/mol ∆H = −49,5 kJ/mol ∆H = +33 kJ/mol ∆H = −16 kJ/mol Versuch: Darstellung von FeO: Fe(C2O4) (Eisenoxalat) FeO + CO2 + CO FeO wird sofort an der Luft (unter Feuererscheinung) oxidiert: 2 FeO + ½ O2 Fe2O3 Bildung der Schlacke: SiO2 (Gangminerale) + CaCO3 → CaSiO3 + CO2 (g) Die Schlacke ist leichter als Fe und schwimmt auf dem Fe. Der Abstich erfolgt oberhalb des geschmolzenen Eisens (Bild oben). 151 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Energie- und Stoffbilanz: Erhalten wird auf diese Weise Gusseisen mit teilweise erheblichen Gehalten an C, Si und P (Gusseisen = Roheisen: > 1,7% C; Stahl: < 1,7 % C): siehe dazu das Phasendiagramm Eisen/Kohlenstoff Verfahren zur Gewinnung von Stahl (Reduktion von C, Si, P etc.): a) Bessemer-Verfahren: in einem Konverter wird Luft in flüssiges Fe eingeblasen und Mn zugesetzt. b) Siemens-Martin-Verfahren: wie a), nur andere Verfahrenstechnik c) Blasverfahren: wie a), nur unter Verwendung von reinem Sauerstoff d) Elektroschmelzprozess: Heizen des Metalls durch Induktion oder mit dem Lichtbogen (Darstellung von hochreinem Eisen oder Fe-Legierungen) 152 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Reines metallisches Eisen: α-Eisen 906°C kubisch innenzentriert γ-Eisen 1401°C kubisch dichtest δ-Eisen 1535°C Schmelze kubisch innenzentriert schmiedbar paramagnetisch ferromagnetisch β-Eisen: α-Eisen 768°C β-Eisen kubisch innenzentriert kubisch innenzentriert ferromagnetisch paramagnetisch Curie-Temperatur Verwendung von Eisen Griechische Axt, ca. 100 v.Chr. – 100 n.Chr. Delhi, Eiserne Säule aus der GuptaDynastie (ca. 500 n.Chr.) Coalbrookdale, Brücke über den Severn; Erbaut 1779 von A. Darby Paris, Eiffelturm, erbaut 1887-1889, ca. 7300 t Eisen 153 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 14.4 Biologische Bedeutung von Fe, Co, Ni, Cu, Zn und Pt 14.4.1 Metalloenzyme Von den 3d-Elementen Fe, Co, Ni, Cu und Zn gibt es eine große Zahl von sogenannten Metalloenzymen (Metall-enthaltende oder Metall-abhängige Enzyme). Enzyme katalysieren biochemische Reaktionen (Säure-Base oder Elektrontransfer). Die Geschwindigkeiten werden dabei teilweise dramatisch gesteigert (um Faktor 5-10) und häufig ist Substratspezifität (Selektivität) zu beobachten. Komplette funktionsfähige Enzyme werden Holo-Enzyme genannt. Die Holoenzyme setzen sich aus den Apoenzymen (= Protein(e) mit Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur) und den Coenzymen (häufig kleine molekulare Einheiten) zusammen. In Metalloenzymen sind die Coenzyme Metallkomplexe, im einfachsten Fall einzelne Metallionen koordiniert an die Seitengruppen des Proteins. Das 5d-Element Platin ist nicht essentiell, wird aber in der Chemotherapie eingesetzt. 14.4.2 Fe: Hämoglobin Das Coenzym im Hämoglobin ist ein Häm = Eisen-Ion + Porphyrin. Hämoglobin ist für die Aufnahme und den Transport von O2 in roten Blutkörperchen verantwortlich. Oxy-Form: Deoxy-Form: 154 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 14.4.3 Co: Cobalamin = Coenzym B12 Anstelle von 5’-Deoxyadenosin können auch folgende Liganden stehen: - CH3: Methylcobalamin (MeB12) CN: Cyanocobal-amin (Vitamin B12) OH: Hydroxy-cobalamin H2O: Aqua-cobalamin Das Coenzym B12 ist ein mittelgroßes Molekül mit einer Masse von ca. 1580 Da*. Seine spezifische Reaktivität kann es nur zusammen mit den entsprechenden ApoEnzymen (für jeden Organismus unterschiedliche) entwickeln. Struktur des Coenzyms B12 (Cobalamin) *Dalton (Abkürzung Da) ist eine nach dem englischen Naturforscher John Dalton benannte Masseeinheit, die vor allem in der Biochemie und der Polymerchemie gebraucht wird. Ein Dalton entspricht der Masse eines Wasserstoffatoms (1,66 . 10−24 g) und ist damit gleich der atomaren Masseneinheit u. (kDa = Kilo Dalton = 1000 Dalton). • Auffallend am Cobalamin ist die „Wahl“ von Cobalt als Zentralatom: Cobalt ist das seltenste Element der 3d-Reihe es ist ein Spurenelement (Mn: 1060 ppm; Fe: 62000 ppm; Co: 29 ppm; Ni: 99 ppm; Cu: 68 ppm). Co ist offensichtlich aufgrund einer spezifischen Funktion „ausgewählt“ worden. • Der Corrin-Ring (15 Atome) ist kleiner als die Porphyrine (16 Atome) (eine CH2-Einheit weniger im Ring, siehe Liganden). Co-Porphyrinkomplexe sind keine Funktionsmodelle für Cobalamine. Die Bindungsebene ist verzerrt planar (entatisch). • Mit der Variante MeB12 ist das Coenzym die einzige gesicherte Metallorganische Verbindung in Lebewesen. MeB12 ist Wasser-stabil. • Vitamin B12 wurde zur Behandlung einer gravierenden (perniziöse) Anämie in den 20erJahren des 20. Jhds entdeckt. Verabreicht wurden zunächst Extrakte aus Tierleber, wenig später fand man heraus, dass Cobalt essentieller Bestandteil ist. Erst 1948 gelang die Synthese von Cyanocobalamin = Vitamin B12 (kommt im Körper so nicht vor, als Therapeutikum jedoch wirksam). • Coenzym B12 wird von Tieren produziert und in der Leber gespeichert (s.u.). 155 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 • Die Struktur von Vitamin B12 und danach des Coenzyms B12 gelang Dorothy CrowfootHodgkins (NP 1964). • Zwischen Veganern und „Fleischessern“ gibt es einen trefflichen Streit darüber, ob für eine ausreichende B12-Versorgung des Menschen Fleisch oder sonstige Tierprodukte notwendig sind (siehe Internet). 14.4.4 Ni: Urease • • • • • • • erstes in reiner, kristalliner Form isoliertes Enzym (Sumner, 1926) Ni-Gehalt 1975 festgestellt, erste Röntgenstrukturanalyse 1995 in Pflanzen, Algen, Pilzen, Bakterien hydrolysiert Harnstoff (HWZ der unkatalysierten Reaktion: 3,6 a bei 38°C) Geschwindigkeitserhöhung durch Urease um Faktor 1014! bedeutsam in Landwirtschaft und Medizin (u.a. helicobacter pylori*) Mechanismus am aktiven Zentrum: Deprotonierung von gebundenem Wasser und Addition der so gebildeten nukleophilen OH-Funktion an Harnstoff. * Helicobacter Pylori ist ein Bakterium und wurde unlängst (erstmals 1983, bis 2000 nicht allgemein anerkannt) als Verursacher von Magenstörungen bis hin zum Magengeschwür identifiziert (NP 2005 für B. J. Marshall und J. R. Warren). H.p. produziert große Mengen von Urease (Grund unklar) und kann dadurch leicht diagnostiziert werden. 156 Struktur der hp Urease EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 14.4.5 Cu: Hämocyanine Hämocyanine sind kupferhaltige Proteine mit Sauerstofftransportfunktion in einigen Arthropoden (Spinnen, Krebstiere) und Mollusken (Schnecken und Tintenfische). Die Molmassen liegen zwischen 450 kDa (Arthropoden, 6 Untereinheiten zu 75 kDa (s.u.)) mit je einem dimeren Cu-Zentrum und bis zu 9 MDa, (Mollusken, bis zu 160 Untereinheiten zu 50-55 kDa, mit bis zu 8 aktiven Zentren). rechts: Die 6 Untereinheiten von Hämocyaninen bei Arthropoden oben: blaues Blut links: Paul (Gemeiner Krake – Octopus vulgaris) *26.01.2008 †26.10.2010 Struktur des Metall-haltigen Zentrums: Die Sauerstoffbindung erfolgt mittels einer Reduktion des Disauerstoffs O2 + 2 e− O22− und der Oxidation der zwei Kupfer-Ionen 2 Cu+ 2 Cu2+ + 2 e− reversibel (!). Es ist allerdings noch unklar in welcher Weise das Peroxid-Ion O22− gebunden ist (s.u.). • • • • • Die Kupferionen in diesem Typ III Protein sind trigonal von drei Histidinresten koordiniert, davon zwei fest in Abständen von 1.9 und 2.2 Å, und eines locker im Abstand von 2.7 Å. Der Cu...Cu Abstand beträgt 3.56 Å. In der oxidierten Form sind durch Superaustausch (super exchange) die beiden Cu2+ antiferromagnetisch gekoppelt und damit EPR-silent. Aus Resonanz-Raman: νO−O = 750 cm−1 (extrem niedrig) intensive Absorption bei λ = 350 nm (LMCT: O22− - Cu2+). 157 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Das aktive Zentrum (Coenzym) in Hämocyaninen besteht nur aus zwei Cu-Ionen koordiniert durch die Aminosäure Histidin in der Peptid-Kette O O C NH CH C NH CH2 [M] N NH 14.4.6 Zn: Carboanhydrase (CA) • • • • • • maßgebliches Enzym des Bicarbonatsystems in Pflanzen, Tieren, Menschen (Bicarbonat = HCO3−) (Atmungs-/CO2-Regulation, Säure-BaseHaushalt, Carbonat-Aufbau) Halbwertszeit der Hydratisierung von CO2 CO2 + H2O HCO3− + H+ ~20s bei 20°C, CA beschleunigt Hydratisierung um den Faktor ca. 107 pKS von (NHis)3Zn-OH2: ~6 Protein: 259 AS, 30 kDa, Koordination verzerrt tetraedrisch: 3x N-His, 1x H2O (mit H-Brücke zu benachbarter AS und weiterem H2O-Molekül) CA ist ebenfalls ein effektives Hydrolyse-Enzym Menschliche CA I enthält 503 H2O-Moleküle, 2 am Zn-Zentrum, 16 weitere im Innern des Proteins, 485 auf der Oberfläche. Entscheidender Schritt ist der Angriff des Nukleophils Zn−OH am C und elektrophiler WW des Zinks mit dem O. 14.4.7 Chemotherapie mit Platin-Komplexen Entdeckung Die cytostatischen Eigenschaften von cis-[PtCl2(NH3)2] (Cisplatin) wurden in the 60er Jahren des 20. Jhds von Barnett Rosenberg entdeckt. Rosenberg untersuchte die Auswirkungen von Wechselstrom auf das Wachstum von Escherichia coli. Zunächst beobachtet er eine Hemmung der 158 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Zellteilung und dementsprechend filamenöses Wachstum der Bakterien, allerdings korrelierten die Beobachtungen nicht mit den angelegten Wechselstromfrequenzen oder ähnlichen Parametern. Schließlich fanden Rosenberg und Mitarbeiter heraus, dass sich die vermeintlich inerten PlatinElektroden unter den experimetnellen Bedinungen teilweise auflösen und dass die dadurch gebildeten Platin-Komplexe cis-[PtIV(NH3)2Cl4] und cis-[PtIICl2(NH3)2] für die Hemmung der Zellteilung verantwortlich sind. Normale und verlängerte E. coli: (a) Scanning Electron Microphotograph (SEM) von normalen E. coli (Gram-negativer stamm); (b) SEM von E. coli in einer Lösung die wenige ppm cisdiamminedichloroplatinum(II) enthält. http://www.chemcases.com/cisplat/cisplat01.htm . Das Potential für die Bildung von [PtCl4,6]2− unter den experimentellen Bedingungen beträgt nur ca. +0,7 V (vgl. Cyanid-Laugerei bei Au). In wässriger Lösung: Pt + 3 H2O PtO + 2 H3O+ + 2 e− PtO + 3 H2O PtO2 + 2 H3O+ + 2 e− In Gegenwart von Cl‒-Ionen Pt + 4 Cl − [PtCl4]2− + 2 e− [PtCl4]2− 6 Cl − [PtCl6]2− + 2 e− | E0 = +0,980 | E0 = +1,045 | E0 = +0,758 | E0 = +0,726 Cisplatin ist seit 1978 für den klinischen Gebrauch zugelassen und wird einzeln, häufiger jedoch als Kombinationspräparat zusammen mit anderen Cytostatika wie Bleomycin, Vinblastin, Adriamycin, Cyclophosphamid oder Doxorubicin gegen Hoden- Ovarial-, Blasenoder Lungenkrebs eingesetzt, bisweilen auch gegen Tumore im Kopf oder Halsbereich. Einer der größten Erfolge ist der Einsatz gegen Hoden- und Blasenkrebs, durch seinen Einsatz konnte die Mortalitätsrate von ca 90 auf deutlich unter 10% gesenkt werden. Prominentestes Beispiel ist wohl der amerikanische Radprofi Lance Armstrong, der einen Hodenkrebs, im Endstadium erst diagnostiziert, mittels einer Kombinationstherapie aus Etoposide, Ifosfamide und Cisplatin (1996-1998) erfolgreich bekämpft hat. 159 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Weitere Platin-haltige Komplexe in der Krebstherapie Nach Cisplatin haben auch eine Reihe weiterer Platin-Komplexe medizinische Anwendung gefunden, viele weitere werden in prä-klinischen und klinischen Tests untersucht. Ziel der Bemühungen ist es die Selektivität für Tumorgewebe zu erhöhen (Cytostatika schädigen grundsätzlich alle Zellen), die Anwendung auf weitere Tumore zu ermöglichen, Resistenzen zu umgehen und für weniger Nebenwirkung zu sorgen. Desweiteren wäre eine orale Aufnahme wünschenswert. Wirkungsweise von Cisplatin Der Wirkmechanismus von Cisplatin liegt in der Bindung des [Pt(NH3)2]2+-Komplexfragmentes (aus [Pt(NH3)2Cl2] an DNA (7-Gua wird präferiert) im Zellkern (siehe Abbildung). Dadurch wird die Zellteilung inhibiert was schlußendlich zur Apoptose (programmierter Zelltod) führt. Bindungsmöglichkeiten von Cisplatin an DNA GpG: Duplex G-O-PO2-OG G: Guaninnukleotid N: andere Nukleotide Die intrazelluläre Chemie und der Wirkmechanismus von Cisplatin ist recht gut untersucht und verstanden. Ebenso wurden Reparaturmechanismen untersucht, die die Bindung von Cisplatin reparieren. Dies ist eine der Hauptursachen für die Resistenz von Krebszelllinien gegenüber Platin. 160 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Struktur eines quadratisch planaren [Oligonucleotide-Pt(NH3)2] complex (vgl. intrastrand GpG) ******************************************************************************** EXKURS - ELEKTRONISCHE STERUERUNG DER KOORDINATION IN KOMPLEXEN In erster Näherung wird die Koordinationszahl und die entsprechenden Koordinationspolyeder durch die Größenverhältnisse von Zentralatom (Metall) und Liganden bestimmt (vgl. FestkörperStrukturen). Im Rahmen dieser Näherung ergeben sich die Polyeder aus den repulsiven LigandLigand-Wechselwirkungen. - Bei Koordinationszahl 6 resultiert aus der gegenseitigen Abstands-Optimierung der Oktaeder und für die Koordinationszahl 4 der Tetraeder. - Für die Koordinationszahl 5 ergibt sich räumlich kein großer Unterschied zwischen quadratisch pyramidal und trigonal bipyramidal. Allerdings kann beobachtet werden, dass bei Komplexen des Typs [MA2B2C] (A, B, und C sind verschiedene Liganden) werden die größeren Liganden in der trigonalen Ebene einer trigonalen Bipyramide zu finden sein. Darüberhinaus gibt es eine Reihe von Strukturen die zu diesen Regeln nicht passen, in diesen Fällen „steuert“ die Metall-Ligand-Bindung die Strukturen. Dies ist insbesondere im Fall der quadratisch planaren Anordnung für die Koordinationszahl 4 auffallend, denn in räumlicher Hinsicht ist diese Struktur suboptimal. Grund für die Beeinflussung der Komplex-Geometrie durch Liganden ist die Aufhebung der Entartung (Energiegleichheit) der fünf d-Orbitale: Oktaedrische Umgebung (Ligandenfeld): eg Energie d-Orbitale dz2 dx2-y2 6 Dq 10 Dq 4 Dq t2g dxz dxy dyz d-Orbitale isoliertes Ion kugelsymmetrisches Ligandenfeld oktaedrisches Ligandenfeld 161 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Die Ligandenfeld-Stabilisierungsenergie (LFSE) wird in 10 Dq ( = ∆) angeben. Wichtig: Wenn die LFSE recht groß wird, kann es sein, dass bei der Befüllung mit Elektronen (Aufbauprinzip) gegen die Hundsche Regel verstoßen wird. Energie eg dz2 dx2-y2 eg dz2 dx2-y2 6 Dq 6 Dq 10 Dq 10 Dq 4 Dq t2g 4 Dq dxz dxy dyz SpinPaarungsenergie high spin S = 5/2 schwaches Ligandenfeld t2g Für den gezeigten Fall einer d5Konfiguration ist für den Fall eines schwachen Ligandenfeldes (links) offensichtlich die Spinpaarungsenergie P größer als die LFSE, für den Fall eines starken Feldes (rechts) ist die LFSE größer als P. Der Gesamtspin S ist im schwachen Feld = 5/2 (high spin) im starken Feld = ½ (low spin) dxz dxy dyz low spin S = 1/2 starkes Ligandenfeld Beziehung der Spinpaarungsenergie P und der LFSE für oktaedrische d6-Komplexe. Faktoren, die die Größe von 10 Dq beeinflussen 1. Oxidationsstufe des Metalls: Mit zunehmender Oxidationsstufe des Metalls steigt die LFSE 2. Stellung des Metalls im d-Block: mit 3d < 4d < 5d steigt die Stabilisierungsenergie stark 3. Art, Zahl und Anordnung der Liganden 162 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Die Art der Liganden ist von erheblichem Einfluss; Empirisch (aus den Absorptionsspektren) lassen sich für jedes Metallion die so genannten spektrochemische Reihen aufstellen: I- < Br- < S2‒ < SCN‒ < Cl‒ < N3‒ ≈ F‒ < OH‒ < ox ≈ O2‒ < H2O < NCS‒ < py ≈ NH3 < en < bpy ≈ phen < NO2‒ < CN‒ < PR3 < CO Tetraedrisches Ligandenfeld: dxz dxy dyz t2 4 DqT d-Orbitale 10 DqT 6 DqT e dz2 dx2-y2 kugelsymmetrisches Ligandenfeld tetraedrisches Ligandenfeld Oben gezeigt ist ein würfelförmiges Ligandenfeld (weiße und schwarze Kugeln). Die tetraedrische Anordnung hat nur den halben Ligandensatz (nur schwarze Kugeln), was aber lediglich die Gesamtenergie verringert, im Vergleich zum Oktaeder (6 Liganden) ist die LFSE bei tetraedrischer Symmetrie = DqT = 4/9 DqO (eines entsprechenden Oktaederfeld) Tetragonale Verzerrung der Oktaeder-Symmetrie – Quadratisch planare Koordination: dx2-y2 dxy dz 2 dxz dyz sphärisches Kristallfeld oktaedrisch quadratisch planar Vergleicht man nun, was für eine d8-Elektronenkonfiguration günstig ist, dann ist von den zwei Alternativen tetraedrisch oder quadratisch planar die quadratisch planare für den Fall eines starken Ligandenfeldes deutlich günstiger, während für ein schwaches Feld die tetraederische Struktur besser ist. 163 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Für PtII mit einer d8-Konfiguration werden nur quadratisch planare Komplexe gefunden, da Pt als 5d-Element über eine sehr hohe LSFE verfügt. Nach dieser Betrachtung lassen sich auch besonders stabile Kombinationen von dElektronenkonfiguration und Komplex-Geometrie angeben: oktaedrisch tetraedrisch dz2 dx2-y2 dz2 dx2-y2 dz2 dx2-y2 dxz dxy dyz dxz dxy dyz dxz dxy dyz d3 (high spin) d5 high spin d6 low spin dxz dxy dyz dxz dxy dyz dxz dxy dyz dz2 dx2-y2 dz2 dx2-y2 dz2 dx2-y2 d2 d4 low spin d7 Die Varianten high spin und low spin gibt es beim Oktaeder nur für die Konfigurationen d4 bis d6, für den Tetraeder von d3 bis d5. Quadratisch planar tritt nur bei d8 bei starkem Feld auf. Diese einfache Näherung (der Aufhebung der Entartung der fünf d-Orbitale entsprechend der Komplex-Symmetrie ist durchaus eine gute Näherung, wie das folgende Bild eines MO-Diagramms zeigt. 14.5 Reaktionen und Verbindungen 14.5.1 Reaktivität von Eisen 164 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Rosten: 4 Fe + 3 O2 + 6 H2O 4 Fe3+ + 12 OH− (Fe3+ als FeO(OH) oder Fe(OH)3) idyllisches ... allegorisches ... und gefährliches Rosten Untergang der „Erika“ vor der Pointe de Penmarc’h 1999 Passivieren: Eisen reagiert mit verdünnter Schwefelsäure als unedles Metall: Fe Fe2+(aq) + 2 e− E0 = −0,44 V (im Sauren) 2 H3O+ + 2 e− H2 + 2 H2O oder als Gesamtgleichung: Fe + H2SO4 + 2 H2O Fe2+(aq) + SO42−(aq) + H2↑ + 2 H2O Eisen scheint mit konzentrierter Schwefelsäure nicht zu reagieren. Tatsächlich passiviert Fe unter Bildung von FeSO4, welches in konzentierter Schwefelsäure nicht löslich ist. Fe + H2SO4 FeSO4↓ + H2↑ Es ist daher möglich konzentrierte H2SO4 in Stahltanks zu transportieren und zu lagern: Transport von H2SO4 in Tankwagen Havarie eines Tankschiffes mit Der havarierte Tanker wird aus H2SO4 am 13.01.2011. Oben der Fahrrinne geschleppt Burg Katz bei Goarshausen 14.5.2 Vergleich Co und Ni Konfiguration Co = [Ar]3d74s2 Ni = [Ar]3d84s2 Oxidationsstufen +2, +3, (−1 bis +4) +2, +3, (−1 bis +4) Metallradius 124 pm 125 pm Co(II): 72 pm (hs, KZ4); 89 pm (hs, KZ6) Co(III): 69 pm (ls, KZ6); 75 (hs, KZ6) Fazit: recht ähnliche Elemente, mit ähnlichen Eigenschaften Ionenradius Trennung von Ni und Co: 165 Ni(II): 69 pm (KZ4); 83 pm (KZ6) Ni(III): 70 pm (hs, KZ6) EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 H CoCl2 und NiCl2 in wässriger Lösung + Dimethylglyoxim (H2diac): H3C [Co(Hdiac)Cl2]2− löslich + [Ni(Hdiac)2]↓ roter Nds. O O N N CH3 N CH3 Ni H3C N O O H Nickelbis(diacetyldioxim) Kapitel 15: Die „späten“ Übergangsmetalle (Gruppen 11 und 12) 15.1 Übersicht Gruppe 9 Kobalt Co (27) Rhodium Rh (45) Iridium Ir (77) Gruppe 10 Nickel Ni (28) Palladium Pd (46) Platin Pt (78) Gruppe 11 Kupfer Cu (29) Silber Ag (47) Gold Au (79) Gruppe 12 Zink Zn (30) Cadmium Cd (48) Quecksilber Hg (80) Gruppe 13 Gallium Ga (31) Indium In (49) Thallium Tl (81) Münzmetalle: Cu, Ag, Au 15.2 Kupferraffination (Gewinnung der Edelmetalle) Reaktionsgleichung: Cu Prozess (siehe Schema): Cu2+ + 2e− E0 = +0,337 V (in saurer Lösung) Anodische Oxidation: Cu (unrein) → Cu2+ + 2e− Kathodische Reduktion: Cu2+ + 2e− → Cu (rein) 166 Gruppe 14 Germanium Ge (32) Zinn Sn (50) Blei Pb (82) EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Die Elektrolyse wird in großen Wannen, in denen einige hundert Elektroden hintereinander geschaltet sind, bei Spannungen von 0,4 - 1 Volt durchgeführt. Dabei laufen folgende Prozesse ab: An der Anode erfolgt eine Oxidation des Kupfers und aller unedleren Metalle, so dass die Kupferionen (Cu2+) und unedleren Metallionen (Zn2+) in Lösung gehen. Verunreinigungen aus edleren Metallen, die ein deutlich größeres Normalpotential (E0 = U0) als Kupfer besitzen, werden nicht oxidiert und fallen, da sich die Garkupferelektrode auflöst, als so genannter Anodenschlamm zu Boden. An der Kathode werden diejenigen Kationen der Lösung reduziert (Cu2+), die das größte Normalpotential (E0) besitzen. Das reine Kupfer scheidet sich an der Kathode ab, während alle unedleren Metallionen wie Eisen-, Zink- und Bleiionen in der Lösung bleiben. Kupferelektrolyse großtechnisch ... ... und im Labor Vorteile des Verfahrens: Der Anodenschlamm bildet ein wertvolles Nebenprodukt. Aus ihm werden in den Kupferhütten durch weitere Aufarbeitung größere Mengen Silber, Gold und Platinmetalle sowie weitere Übergangsmetalle wie Molybdän und außerdem Selen und Tellur gewonnen. Das sehr reine, metallische Kupfer ist sehr weich, aber auch sehr zäh, schmiedbar und dehnbar. Nachteile: Das Verfahren ist sehr kostspielig und Energie-aufwendig: Der Energiebedarf für die Herstellung von einer Tonne Reinkupfer beträgt etwa 250 kWh. 15.3 Die Münzmetalle 15.3.1 Einige Eigenschaften Gold hat die höchste EN aller Metalle. Silber ist der beste metallische Leiter. EN 1. Ionisierungsenergie (eV) 2. Ionisierungsenergie (eV) 3. Ionisierungsenergie (eV) Schmelzpunkt (°C) Siedepunkt (°C) Standardpotentiale (V) M / M+ M / M2+ M / M3+ 167 Cu 1,9 7,7 20,3 37,1 1083 2595 Ag 1,9 7,6 21,5 34,8 961 2212 Au 2,4 9,2 20,4 30,5 1063 2660 +0,52 +0,34 - +0,80 +1,39 - +1,69 +1,50 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Kupfer fast ebenso gut, jedoch viel billiger. M / [MI(CN)2]− Dichte (g.cm-3) Elektrische Leitfähigkeit (Ω−1cm−1) −0,43 8,93 5,7.105 −0.31 10,49 6,1.105 -0.60 19,32 4,1.105 15.3.2 Verwendung der Münzmetalle 15.3.3 Wichtige Reaktionen 15.3.3.1 Cu: Bildung von Deckschichten (Patina) 2 Cu + 1/2 O2 Cu2O (rot) mit CO2 bzw. SO2 bilden sich Schichten von Cu2(CO3)(OH)2 bzw. Cu2(SO4)(OH)2 15.3.3.2 Ag: Anlaufen von Silber (Besteck) 2 Ag + H2S + 1/2 O2 Ag2S + H2O Ag2S ist schwerlöslich und bildet schwarze, gut haftende Filme z.B. auf Silberbesteck. 15.3.3.3 Versuche Ag-Spiegel 15.3.3.4 Au: Auflösen in Königswasser (aqua regia = HNO3 : HCl im Verhältnis 1:3) HNO3 + 3 HCl NOCl + 2 Cl + 2 H2O NOCl = Nitrosylchlorid, Cl = naszierendes Chlor Au + aqua regia → [AuIIICl4]− + NO + NOCl + ... 168 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Salpetersäure (HNO3) löst Silber auf, Gold jedoch nicht. Es trägt daher auch den Namen "Scheidewasser". Da Au und Ag stets vergesellschaftet vorkommen, war das „Scheiden“ von Ag und Au eine wichtige Technik: Degussa = Deutsche Gold und Silber Scheideanstalt (heute: EVONICS). 15.4 Die 12. Gruppe: Zink, Cadmium und Quecksilber Häufigkeit (in der Erdkruste): Zn(30) 76 ppm (vgl. Cu: 68 ppm) Cd(48) 0,16 ppm Hg(80) 0,08 ppm Verwendung Zn: Korrosionsschutz, Trockenbatterien (Zink-Kohle-Batterien) Cd: stark giftig, kaum Verwendung Hg: - Elektrodenmaterial (teilweise hohe Überspannung), z.B. Chloralkalielektrolyse - Amalgam-Metallurgie: Darstellung von Legierungen M + M’ + Hg → Amalgam –(∆)→ MM’-Legierung + Hg (g) - Quecksilberdampf-Lampen Eigenschaften der Elemente • • • • • Hg hat einen hohen spez. Widerstand → Definition der Einheit Ohm Hg ist flüssig bei Normalbedingungen Bei sehr tiefen Temperaturen < 4,2 K wird Hg supraleitend (1913 Nobelpreis für Physik an Heike Kamerlingh Onnes). Zn und Cd sind recht reaktive Metalle vergleichbar mit Magnesium (selbe e--Konfiguration). Oxidationsstufe: ausschließlich +2. Hg ist etwas weniger reaktiv, reagiert im Prinzip aber mit X2, O2, S8, P4. Wenig Affinität zu O2: Hg + ½ O2 → HgO erst ab 350°C und HgO → Hg + ½ O2 bereits bei 400°C. Hg bildet normal die Oxidationsstufe +2 und +1 in [Hg-Hg]2+. Verbindungen und Reaktionen alle binären Halogenide sind bekannt: ZnF2 (Rutil-Struktur) ZnCl2 ZnBr2 CdF2 CdCl2 (Schichtstruktur) CdBr2 HgF2 (Fluorit-Struktur) HgCl2 (Molekül-Gitter) HgBr2 ZnI2 CdI2 (Schichtstruktur) HgI2 (Struktur: Hg[HgI4]) ZnF2 hat Rutilstruktur wie MgF2: r(Zn2+) ≈ r(Mg2+) ⇒ gleiche Struktur HgF2 hat Fluorit-Struktur wie CaF2: r(Hg2+) ≈ r(Ca2+) ⇒ gleiche Struktur HgCl2 ist das sog. Sublimat, reagiert ätzend (früher Verwendung gegen Hautkrankheiten) HgI2 zeigt Polymorphie: die α-Form ist rot, die β-Form gelb; in Wasser schlecht löslich als lineares [I−Hg−I]-Molekül gelbe Quecksilber(I)-Halogenide: Hg22+ (es gibt keine Verbindungen mit Hg+-Ionen!!!) Hg2F2 Hg2Cl2 Hg2Br2 Hg2I2 169 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Kapitel 16: Die schweren Elemente (Actiniden und Transurane) 16.1 Eigenschaften der Actiniden Alle Elemente sind radioaktiv. Bis auf Th, Pa und U (primordiale Elemente) müssen alle künstlich hergestellt werden. Elektronenkonfiguration /Oxidationsstufen /Atom-, Ionenradien Nach dem Edelgas Radon (dessen „volle“ Elektronenkonfiguration im folgenden als [Rn] bezeichnet wird) erfolgt der sukzessive Einbau von 2 7s-Elektronen (Francium und Radium), Actinium erhält anschließend ein 6d-Elektron. Die Elektronenkonfiguration der Actinide ergibt sich theoretisch durch den sukzessiven Einbau der 14 5f-Elektronen. Allerdings gibt es Abweichungen, da der Unterschied zwischen den 5f- und 6d-Orbitalen nur gering ist: Actinium Thorium Ac Th [Rn]6d17s2 [Rn]6d27s2 Berkelium Bk [Rn]5f96d07s2 Protactinium Pa [Rn]5f26d17s2 Californium Cf [Rn]5f106d07s2 Uran U [Rn]5f36d17s2 Einsteinium Es [Rn]5f116d07s2 Neptunium Np [Rn]5f46d17s2 Fermium Fm [Rn]5f126d07s2 Plutonium Pu [Rn]5f66d07s2 Medelevium Md [Rn]5f136d07s2 Americum Am [Rn]5f76d07s2 Nobelium No [Rn]5f146d07s2 Curium Cm [Rn]5f76d17s2 Lawrencium Lr [Rn]5f146d17s2 Oxidationsstufen: Die häufigsten Oxidationsstufen der Actinide sind +3 und +4. Generell gilt natürlich, dass sich die maximalen Oxidationsstufen durch die vollständige Abspaltung aller Valenzelektronen ergeben (Beispiel: Ac → +3, Th → +4, U → +6). Im Gegensatz zu den Lanthaniden erreichen die Actiniden somit auch höhere Oxidationsstufen als +4. Allerdings sind die Untersuchungen für die Transurane (Np – Lr) alles andere als vollständig. Ac Th Pa U Np +III +IV +III, +V +III, +IV, +V, +VI +III, +IV Pu +III, +IV Am +III, +IV Cm +III, +IV Bk +III, +IV Cf +III, +IV Es +III, +IV Fm +III, +IV Md +III, +IV No +III, +IV Lr +III, +IV 16.2 Häufigkeit / Vorkommen der Actiniden Häufigkeit: Nur Thorium (Th): 8,1 ppm, Protactinium (Pa): extrem selten und Uran (U): 2,3 ppm kommen natürlich vor, alle anderen Elemente müssen künstlich hergestellt werden. Vorkommen: Pechblende: UO2; Uranitit: U3O8 = U(IV)U(VI)2O8; Uranothorit: (Th,U)-Silikat; Monazit: LnPO4 (enthält ThPO4) 16.3 Darstellung und Verwendung von Uran 170 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Uran: "UO3" Uranerze U H2SO4Aufschluss * [UO2(SO4)3]4- Reduktion durch Ca/Mg Uranylsulfat NH3 (NH4)2U2O7 UrantetraUF4 fluorid (grün) in getrockneter Form sog. "Yellow Cake" Anreicherung als UF6 durch spez. Verfahren HF HNO3 H2 ∆ UO2(NO3)2 UO3 Uranylnitrat Uran(VI)oxid UO2 Uran(IV)-oxid Reinigung: gelöstes UO2(NO3)2 wird mit Tributylphosphat (TBP) als [UO2(NO3)2(TBP)2] mit Kerosin extrahiert. * alternativ Soda-Aufschluss Uran wird in Kernreaktoren verwendet zur Energiegewinnung. Dazu muss jedoch das Isotop 235U zu mindestens 3% im entsprechenden Material vorkommen. Natürliches Uran enthält aber (derzeit!) nur ca. 1% 235U (Rest 238U, ca. 99%) und muss angereichet werden. Die Anreicherung erfolgt in Form von UF6 (Gasdiffusion- oder Zentrifugenverfahren u.a.) auf 3-5% für Kernkraftwerke. Für waffentaugliches Material ist eine weit höhere Anreicherung notwendig. Abgereichertes Uran (depleated uranium; im Wesentlichen 238U, ca. 0,3% 235U) ist im Prinzip nutzlos (radioaktiv: α-Strahler) und muss endgelagert werden. Verwendung für Munition ergibt sich aus der hohen Dichte von Uran von 18,97 g/cm3 (vgl. Fe: 7,874; Pb: 11,342 g/cm3) und der sich daraus ergebenden Durchschlagskraft. Halbwertszeiten der Uranisotope: U: t1/2 = 700 Mio. Jahre 238 U: t1/2 = 4500 Mio. Jahre 234 U: t1/2 = 25000 Jahre 235 ******************************************************************************** <EXKURS: RADIOAKTIVITÄT> Radioaktivität – Definitionen - Allgemeines Als Radioaktivität bezeichnet man die spontane Emission von Strahlung durch einige Elementisotope (= Radionukleide). Nicht alle Isotope eines Elementes müssen dabei radioaktiv sein. Als Strahlung werden α-Teilchen (Helium-Kerne), β- (Elektronen) oder γ-Strahlung und Neutronen emittiert. Zudem geht der Zerfall mit einem Massenverlust unter Bildung eines neuen Isotops einher. Dieser Verlust entspricht der emittierten Energie nach der Einstein-Beziehung: E = m . c2. Es gibt natürliche (primordiale oder kosmogene) und künstliche Radionukleide (Radioisotope): 171 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 a) Primordiale Isotope sind bei der Entstehung der Materie aus der sich die Erde aufbaut entstenden und haben so lange Halbwertzeiten, dass sie noch in zählbaren Mengen vorkommen. Z.B. 40K (0,012% nat. Häufigkeit, HWZ 1,3.109 a, β-Strahler). b) Weitere Radionuklide sind Bestandteile von natürlichen Zerfallsreihen, z.B.220Rn, 210Po ... c) Kosmogene Radionukeide entstehen ständig z.B. durch natürliche Höhenstrahlung oder Neutroneneinfang z.B. 3H (Tritium, HWZ 12,3 a) und 14C (5730 a). d) Durch kerntechnische Versuche werden weitere (künstliche) Radionuklide produziert und in Umlauf gebracht. Z.B. durch Kernspaltung entstehen vor allem Massen zwischen 90 und 140, z.B. 85K, 89Sr, 131I, 134Cs und 137Cs (134Cs: t1/2 = 2,04 a, β- und γ-Strahler; 137Cs: t1/2 = 30 a, β- und γ-Strahler). Durch Brüten entstehen schwerere Kerne wie 239Pu (t1/2 = 24390 a, αStrahler); 60Co: β- und γ-Strahler in der Medizin; t1/2 = 5,27 a. Ein Großteil der derzeitigen künstlichen Radionuklide in der Umwelt wurde im Rahmen der Atombombenstest Mitte des 20. Jhd. und Unfällen von kerntechnischen Anlagen freigesetzt, vor allem Harrisburg 1979, Chernobyl 1986 und Fukushima 2011. Dabei ist die effektive Strahlenbelastung, die in Deutschland zu erwarten ist, wie folgt: Strahlungsart primordiale Strahlung (Boden) primordiale Strahlung (Trinkwasser, Luft) kosmogene Strahlung Dosis ca. 0,4 mSv/a ca. 1,7 mSv/a ca. 0,3 mSv/a ca. 0,008 mSv/h künstliche Strahlung ca. 1,5 mSv/a davon 95% Röntgendiagnostik, Rest kerntechnische Anlagen inkl. Černobyl 0,02 mSv/a und Kernwaffenversuche 0,01 mSv/a 172 Bemerkungen Deutschland im Mittel Bestrahlung von innen ! bei N.N. im Flugzeug auf 12000 m Quelle: Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Die Zerfalls-Aktivität von Radionukliden wird häufig in Becquerel gemessen: 1 Bq = 1 Aktivität/s Eine andere (und davon unterschiedliche) Einheit ist die biologische Strahlenwirkung: 100 rem (roentgen equivalent men) = 1 Sv (Sievert) (= effektive Äquivalentdosis entsprechend der unterschiedlichen Wirkung der verschiedenen Strahlungsarten) Typen von Kernreaktionen: Kernumwandlungen: 1) Elektroneneinfang + e‒ → 136C + νe (Neutrino) oder in komprimierter Schreibweise: 13N (e‒,νe) 13C Co + e‒ → 57Fe + νe Dahinter steckt natürlich die Umwandlung eines Protons in ein Neutron: p+ + e‒ → n + νe 13 7N 57 Häufig tritt Elektroneneinfacng zusammen mit β‒ oder β+ (Positronen)-Zerfall auf: 40 K + e‒ → 40Ar + νe (11%) 40 40 ‒ K → Ca + e + νe‘ (89%) (νe‘ = Elektron-Neutrino; νe‘ = Elektron-Antineutrino) 40 40 + K → Ar + e + νe (0,001%) 2) Neutroneneinfang Au + n → 198Au + γ (Gamma-Strahlung) oder in komprimierter Schreibweise: 197N (n,γ) 13C 98 Mo + n → 99Mo + γ → / 99Mo → 99mTc + e‒ + νe‘ 59 Co + n → 60Co + γ 238 U + n → 239U + γ / 239U - e‒ → 239Np / 239Np - e‒ → 239Pu (Brutreaktion) 197 Häufigste Methode zur Erzeugung nützlicher Nuklide für medizinische Anwendungen oder für spaltbare Isotope. 3) weitere I + γ → 128I + n N + α → 17O + p 129 14 γ-Einfang (Bremsstrahlungs-Laser) α-Einfang (Rutherford 1917) γ- oder ν-Einfang könnte auch zur Transmutation von langlebigen zu lagernden (Abfall) Nukliden genutzt werden und damit helfen die Lagerung von radioaktivem Müll zu entschäfen. Kernspaltung 4) 235 U + n → 95Kr + 140Ba + 3 n (Otto Hahn 1938) Kernzerfälle 5) β‒- oder Elektronenemission: z.B. 146C → 147N + e‒ Reaktionspartner: 146C = 14,003242 u; 147N = 14,003074 u ⇒ Massenverlust = 0,000168 u Energie nach E = m . c2: 931 MeV/u, d.h. 0,000168 u = 0,156 MeV (kinetische Energie des e‒) 173 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 6) β+- oder Positronenemission: z.B. 116C → 115B‒ + e+ 7) α-Teilchenemission (bei schweren Elementen sehr häufig): z.B. 23290Th → 22888Ra + 42He 8) γ-Emission während des α-Zerfalls: z.B. 23892U → 23490Th + 42He Berechnet nach dem Massenverlust sollte eine Energie von 4,18 MeV frei werden, das α-Teilchen hat aber nur eine kinetische Energie von 4,13 MeV. Der Rest (0,05 MeV) wird als γ-Strahlung der Wellenlänge 25 pm abgestrahlt. Stabilität und Halbwertszeit - Kinetik Die Strahlungsemission ist ein spontaner, von Druck und Temperatur unabhängiger Prozess. Kinetik: Anzahl der Zerfälle / Zeit: -∆n (Anzahl der zerfallenen Kerne) / ∆t = k . n n = n0 . e-kt 2 = e + kt1/2 t1/2 = ln2/k = 0,693/k (t1/2 = Halbwertszeit; k = Geschwindigkeitskonstante) Geschwindigkeitsgesetz erster Ordnung: Beispiel: Zerfall von 146C, t1/2 = 5570 Jahre (a), dient zur Altersbestimmung weitere Beispiele: 238 234 4 . 9 . -18 -1 s 92U → 90Th + 2He; t1/2 = 4510 Mio. a (= 4,51 10 a) ⇒ k = 4,87 10 216 212 4 . -4 . -4 -1 85At → 83Bi + 2He; t1/2 = 3 10 s ⇒ k = 4.33 10 s Das Oklo-Phänomen – ein natürlicher Atomreaktor: 1972 entdeckte der französische Physiker Francis Perrin in der Urananreicherungsanlage von Pierrelatte (Frankreich) eine Anomalie im Isotopenverhältnis von UF6, das aus dem Uranerz der Oklo-Mine aus Gabun gewonnen worden war. Insbesondere das Isotop 235U wies einen im Vergleich zu allen anderen auf der Welt befindlichen Lagerstätten niedrigeren Anteil auf. Statt des üblichen Anteils von 0,7202% wurde nur ein Anteil von 0,7171% 235 U gemessen. Diese Differenz ist zwar gering, aber signifikant, da das Isotopenverhältnis im Natururan auf der Erde, im Mondgestein und Schematischer Schnitt durch die geologischen auch bei gefundenen Meteoriten stets sehr exakt Verhältnisse der Oklo-Uranlagerstätte. Das die bei 0,7202% für 235U liegt (±0,006%). Es Uranerze umgebende Tongestein enthält bis zu wurden später in anderen Proben aus der Oklo- 15% Wasser. Mine sogar noch geringere 235U Anteile (teilweise bis 0,3%) gemessen. 174 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 Es handelt sich bei dieser Lagerstätte um einen natürlichen Kernreaktor. Der Reaktor war vor ca. 2 Milliarden Jahren (Protozoikum) für ca. 500000 Jahre aktiv. Zu Beginn dürfte der Anteil 235U ca. 3% (HWZ 235U ca. 704.106 a) betragen haben. Während der Aktivitäten wurde bei einer thermischen Leistung von bis zu 100 kW, Energie im unteren dreistelligen TWh-Bereich frei gesetzt. Das entspricht in etwa der Energiemenge, die ein durchschnittliches Atomkraftwerk in einem Zeitraum von 4 Jahren erzeugt. Im Zuge dessen wurden insgesamt 4-6 t Uran nuklear gespalten. Da der Reaktor längst erloschen ist, fehlen in seinem Umfeld alle Reaktionsprodukte kurzer Halbwertszeit. Reaktionsprodukte längerer Halbwertszeit existieren in genau jenem Isotopenverhältnis, wie man es von einem Reaktor mit verbrauchtem Brennstoff erwartet. Neue Untersuchungen zeigen, dass dieser natürliche Reaktor durch Zufluss von Grund-Wasser moderiert wurde, was eine zyklische Aktivität nach sich zog: Für etwa 30 Minuten bremste das Wasser die Neutronen auf die erforderliche Geschwindigkeit für die Kernspaltung ab. Dabei erhitzte es sich und verdampfte. Ohne Wasser waren die Neutronen zu schnell für eine Kettenreaktion, was zur Folge hatte, dass diese zeitweilig zum Erliegen kam. In dieser Zeit lief Wasser nach, bis wieder genügend für die Kettenreaktion vorhanden war und der Zyklus von vorne begann. Der Ursprung der Neutronen zum Start der Reaktion ist jedoch unklar. Mittlerweile sind die Überreste von insgesamt 17 Naturreaktoren in Oklo und im 30 km entfernten Bangombé entdeckt worden, weltweit sonst allerdings keine weiteren. Ihre Aktivitäten kamen vor mindestens ca. 1,5 Milliarden Jahren zum Erliegen, da sich der natürliche Isotopenanteil von 235U zu diesem Zeitpunkt so weit reduziert hatte, dass die Bedingungen für selbsterhaltende Spaltungsprozesse nicht mehr gegeben waren. Literatur: A. P. Meshik et al.: Record of Cycling Operation of the Natural Nuclear Reactor in the Oklo/Okelobondo Area in Gabon. Phys. Rev. Lett. 2004, 93, 182302. ******************************************************************************** 16.4 Die Superschweren Elemente Auf die Actiniden folgen die so genannten superschweren Elemente. Diese folgen dem Lawrencium (Lr) und füllen die 6d-Schale auf, sind also d-Block-Elemente und somit die (bislang) schwersten Homologen von Titan, Vanadium, Chrom etc. Da ihre Darstellung schwierig ist und bisher nur winzige Mengen gewonnen werden konnten, spielen sie in der Chemie keine Rolle. Z 103 Kürzel Name Lr Lawrencium 104 105 106 Rf Db Sg Rutherfordium Dubnium Seaborgium 107 108 Bs Hs NielsBohrium Hassium 109 110 111 112 Mt Ds Rg Cn Meitnerium Darmstadtium Röntgenium Copernicum Bemerkungen letztes Actiniden-Element (benannt nach Ernest Lawrence, N.P. 1939) nach Sir Ernest Rutherford (N.P. 1908), vormals Dubnium In Dubna (Russland) hergestellt; vormals Hahnium nach G. T. Seaborg (N.P. 1951) entdeckt im Lawrence Livermore National Laboratorium nach N. Bohr (N.P. 1922) 1984 entdeckt am GSI in Darmstadt (Hessen); GSI: Gesellschaft für Schwerionenforschung 1982 am GSI entdeckt, nach Lise Meitner (Eka-Iridium) GSI (Eka-Platin) GSI (Eka-Gold) GSI (Eka-Quecksilber) 175 EINFÜHRUNG IN DIE ALLGEMEINE, ANORGANISCHE UND ANALYTISCHE CHEMIE I (6362) IM WS 2011/2012 113 114 115 116 117 … Uut Fl Uup Uuh Ununtrium Flerovium Ununpentium Ununhexium (Eka-Thallium) in Dubna 2003 erstmals hergestellt (Eka-Blei); Dubna; nach Georgi Flejorow (Eka-Bismut) (Eka-Polonium) Interessant ist die Frage, wie ein neues Element von seinen Entdeckern nachgewiesen werden muss. Dies ist in einer IUPAC-Richtlinie festgelegt (IUPAC = International Union of Pure and Applied Chemistry) und kann für die Elemente 110-112 im IUPAC technical report 2001 nachgelesen werden: Pure Appl. Chem. Vol. 73, No.6, pp. 959-967, 2001. Auf der Suche nach noch schwereren Elementen: Quelle: GSI 176