CAMPUS INNENSTADT KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE MÖGLICHE URSACHEN VON DEPRESSION UND DIE BEHANDLUNG BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN Gerd Schulte-Körne Die Depression gehört zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen weltweit. 121 Millionen Menschen leiden an einer Depression (WHO). ist die wichtigste Krankheitsursache für den Verlust von gesunden Lebensjahren durch gesundheitliche Einschränkungen. Die geschätzten Kosten in Europa, verursacht durch depressive Störungen über die gesamte Lebensspanne, liegen bei 113 Milliarden Euro 2011. Stationären Behandlungszahlen von 10- bis 18-Jährigen wegen einer depressiven Störung in NRW innerhalb von 8 Jahren verfünffacht (von 500 auf 2500). KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 2 HÄUFIGKEIT DEPRESSIVER STÖRUNGEN Vorschulkinder ca. 1% Schulkinder 2-3% Jugendliche 9,4 – 18,5% Geschlechtsunterschiede ab Pubertät ♀>♂ (2:1) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 3 VERLAUF Generell: höhere Wiedererkrankung bei jüngeren Menschen. Hohe Kontinuität zwischen später Adoleszenz (17 Jahre) und frühe Erwachsenenalter (24 Jahre), ca. 45% depressiver Jugendlicher entwickeln eine weitere Episode. Depressive Störungen sind durch ihren episodenhaften Verlauf gekennzeichnet. Die Länge der Episoden schwankt erheblich, bei Kindern und Jugendlichen liegt die mittlere Länge einer Episode zwischen 2-6 Monaten. Schwere Formen der Depression beginnen meist früh und haben ein größeres Risiko, wieder aufzutreten. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 4 INANSPRUCHNAHME PROFESSIONELLER HILFEN Depressive Störungen werden im allgemeinen Gesundheitssystem zu wenig erkannt. Hilfen werden zu wenig in Anspruch genommen. • Finnland: • Nur die Hälfte der Familien mit einem 8Jährigen mit psychischen Problemen sucht professionelle Hilfen auf. • Nur 2% der 18Jährigen sucht professionelle Hilfe auf. • Deutschland: • 12,7% Rate der psychische Auffälligkeiten, nur 3,3% der Kinder und Jugendlichen sind in professioneller Behandlung. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 5 Warum wird ein Großteil der Depressionen bei Kindern und Jugendlichen übersehen? Andere Probleme stehen im Vordergrund, z. B. Verhaltensauffälligkeiten (z.B. hyperaktives und oppositionelles Verhalten). Angst der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien vor psychiatrischer Diagnose bzw. Kontakt zur Psychiatrie („Ich bin doch nicht krank“). Diagnostische Abgrenzung von „normaler“ Entwicklung in der Pubertät schwierig. Emotionen, Stimmung, Gefühle der Jugendlichen für Eltern und Lehrer häufig schwierig einzuordnen. Jugendliche nehmen ihre veränderte Stimmung und Emotionen anders wahr. Angst vor Stigmatisierung. Fehlendes Wissen über depressive Störungen und ihre Behandelbarkeit. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 6 SYMPTOMATIK DEPRESSIVER STÖRUNGEN Kognitive Störungen • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung • Formale Denkstörungen (Denkhemmung, Verlangsamung) • Zukunftsangst • Vermindertes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, Gefühle von Wertlosigkeit • Negative und pessimistische Zukunftsperspektive • Grübeln, Todes- und Suizidgedanken KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 7 SYMPTOMATIK DEPRESSIVER STÖRUNGEN Affektstörung: Antriebsstörung: • Gedrückte Stimmung / Traurigkeit/ gereizte Stimmung • Freudlosigkeit • Angst, Gequältsein • Verminderte Aktivität • Interessensverlust • Ermüdbarkeit • Aktivitätseinschränkung • Motorische Unruhe KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 8 SYMPTOMATIK DEPRESSIVER STÖRUNGEN Körperlichen Symptome • Schlafstörungen: Ein-, Durchschlafstörungen, frühmorgendliches Erwachen, Morgentief • Appetitverlust (oder – steigerung) • Vegetative Beschwerden (Kopf-, Bauchschmerzen, Verdauungsstörungen) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 9 KOMORBIDITÄT Störung des Sozialverhaltens (ca. 40%) Substanzmissbrauch (ca. 19%) Angststörungen (ca. 36%), geht häufig der depressiven Phase voraus. Essstörungen (1525%) Schulische Entwicklungsstörungen (ca. 14%) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 10 Umweltfaktoren Psychosoziale Faktoren: Traumata, Verlusterlebnisse, chronische Überlastung, Stress Gen-UmweltInteraktion Intermediierende Systeme: Neurobiochemische (Serotonin, Noradrenalin, Dopamin) und neuroendokrinologische Korrelate (Cortisol) Genetische Prädisposition Organische Faktoren (Hirnerkrankung, körperliche Allgemeinerkrankung, Substanzen) Persönlichkeitsvariablen Depressive Symptomatik KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 11 FAMILIÄRE BELASTUNG Erkrankungswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit, ob die Eltern an einer Depression erkrankt sind. % an Depression erkrankter Kinder KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® Alter der Ersterkrankung KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 12 GENETISCHE FAKTOREN • Präpubertär: Umweltfaktoren bedeutend Heritabilität: 37%-70% • Postpubertär: genetische Faktoren GenUmweltInteraktion • Ca. 35% der Depression wird durch G-UInteraktion erklärt. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 13 GEN-UMWELT-INTERAKTION KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 14 UMWELTBEZOGENE ERKLÄRUNGSANSATZ Eltern-Kind-Interaktion •Depression bei einem Elternteil, insbesondere der Mutter Lebensereignisse (life events) als Symptomauslöser oder – verstärker •Psychische Erkrankungen eines Elternteils •Körperlicher Missbrauch •Sexueller Missbrauch •Vernachlässigung •Gewalt in der Familie •Chron. Körperliche Erkrankung •Tod eines Elternteils Bedeutung von life events •Chronische Belastung bedeutsamer als Einzelereignisse •Wirkung hängt entscheidend davon ab, was nachher passiert •Wechselwirkung mit genetischen Faktoren, bei hoher genetischer Belastung nur geringerer Stressor notwendig •Bedeutung von early life events größer für die erste Episode KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 15 BEHANDLUNG KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE INDIKATION FÜR BEHANDLUNGSFORMEN Ambulant •Leichte Form der Depression (ohne Komorbidität). Teilstationär •Leichte und mittelgradig schwere Depression, häufig bei komorbid auftretenden schulischen Entwicklungsstörungen oder Aufmerksamkeitsdefizit/Hperaktivitätsstörung (ADHS) Stationär •Bei mittelgradiger und schwerer Form der Depression •Wiederkehrendes Risiko für selbstverletzende Handlungen, Selbsttötungsabsichten •Anhaltende Vernachlässig in wesentlichen lebensrelevanten Bereichen •Ambulante Behandlung ohne Erfolg KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 17 EMPFEHLUNG DER THERAPIEFORM IN ABHÄNGIGKEIT DES SCHWEREGRADES DER DEPRESSION •Psychoedukation •Beratung Leichte Form der •Psychotherapie Depression •Psychotherapie und Pharmakotherapie •Psychotherapie: Empfehlung für kognitive Verhaltenstherapie, interpersonelle Psychotherapie, Kurzzeit-Familientherapie Mittelgradig und •Pharmakotherapie: Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, hier schwere Form Fluoxetin. der Depression KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 18 BEHANDLUNGSLEITLINIEN Für Deutschland liegen die S3-Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie vor. S3-Behandlungsleitlinien für Kinder- und Jugendliche, 2013 Veröffentlichung (http://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/028043.html). Für Erwachsene: S3- Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression für Erwachsene KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 19 BEHANDLUNGSEMPFEHLUNGEN BEI LEICHTER FORM DEPRESSIVER STÖRUNG ohne Komorbidität, ohne nennenswerte Risikofaktoren, ohne familiäre Vorbelastungen durch affektive Störungen oder Warnsignale für einen Rückfall kann zunächst aktive Unterstützung, Beratung oder Psychoedukation über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen ausreichend sein (aktiv abwartende Maßnahmen). Auch bei Kindern und Jugendlichen, die diese aktiv abwartenden Maßnahmen ablehnen, sollte eine Nachkontrolle nach zwei Wochen vereinbart werden. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 20 BEHANDLUNGSEMPFEHLUNGEN BEI LEICHTER FORM DEPRESSIVER STÖRUNG Voraussetzung für dieses aktive Zuwarten ist eine vollständige, altersgerechte Alltagsbewältigung. Kindern und Jugendlichen mit leichten depressiven Störungen und ihren Angehörigen unabhängig von anderen Interventionen sollen altersgerechte Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit empfohlen werden. Bei Fortbestehen der Symptomatik müssen weitere Interventionen geplant werden. (Klinischer Konsenspunkt) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 21 BEHANDLUNGSSETTING- AMBULANT Evidenz: keine vergleichenden Studien zur Wirksamkeit von ambulant vs. teilstationär/stationärem Behandlungssetting. Empfehlung: Kinder und Jugendliche mit depressiven Störungen können im Regelfall ambulant behandelt werden. Voraussetzung ist ein für ein ambulantes Behandlungssetting angemessenes allgemeines psychosoziales Funktionsniveau (gemäß Achse VI des MAS). KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 22 BEHANDLUNGSSETTING- STATIONÄR/ TEILSTATIONÄR Empfehlung für stationäre Behandlung: Suizidalität verbunden mit fehlender Absprachefähigkeit Erheblicher Mangel an Ressourcen oder erhebliche aktuelle abnorme psychosoziale Belastungen gemäß Achse V des MAS Erhebliche psycho-soziale Funktionseinschränkungen gemäß Achse VI des MAS, insbesondere bei unzureichender Alltagsbelastbarkeit Eine teilstationäre Behandlung ist unter Berücksichtigung des Schweregrades der Störung, der Ressourcen des familiären und sozialen Umfeldes sowie der regionalen Versorgungskapazitäten zu prüfen und gegebenenfalls zu empfehlen. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 23 BEHANDLUNG DER ERSTEN WAHL Für Kinder unter acht Jahren kann aufgrund mangelnder empirischer Evidenz keine Empfehlung gegeben werden. Ältere Kinder und Jugendliche mit depressiven Störungen sollen eine kognitivverhaltenstherapeutische oder eine interpersonelle Psychotherapie oder das Medikament Fluoxetin oder eine Kombination aus kognitivverhaltenstherapeutischer Psychotherapie und Fluoxetin erhalten (Empfehlungsgrad A) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 24 BEHANDLUNG DER ERSTEN WAHL Einer Psychotherapie ist Vorrang zu geben, da eine Pharmakotherapie zu einer Verstärkung von Suizidgedanken und weiteren unerwünschten Nebenwirkungen führen könnte. (Empfehlungsgrad A) Einer Psychotherapie ist bei leichter bis mittelgradiger Depression zunächst Vorrang zu geben. Bei einer schweren Depression sollte eine Kombinationstherapie in Erwägung gezogen werden. (Klinischer Konsenspunkt) Bei Pharmakotherapie sollten das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen gut beobachtet und die empfohlenen Kontrolluntersuchungen durchgeführt werden. (Klinischer Konsenspunkt) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 25 ALTERNATIVEN ZUR BEHANDLUNG DER ERSTEN WAHL Wenn bei älteren Kindern oder Jugendlichen mit depressiven Störungen eine kognitiv-verhaltenstherapeutische oder eine interpersonelle Psychotherapie nicht möglich oder nicht gewünscht ist, sollten eine psychodynamische oder eine systemische Psychotherapie empfohlen werden. (Empfehlung, Empfehlungsgrad B) Wenn die Gabe des Medikaments Fluoxetin nicht möglich oder nicht gewünscht ist, sollten die Medikamente Escitalopram, Citalopram oder Sertralin empfohlen werden. (Empfehlung, Empfehlungsgrad B) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 26 WEITERE ANTIDEPRESSIVA Trizyklische Antidepressiva (TZA) sollen bei Kindern und Jugendlichen mit depressiven Störungen nicht eingesetzt werden (Starke Empfehlung, Empfehlungsgrad A) Paroxetin, Venlafaxin und Mirtazapin sollen bei Kindern und Jugendlichen mit depressiven Störungen nicht eingesetzt werden (Starke Empfehlung, Empfehlungsgrad A) Moclobemid (ein Monoaminoxidasehemmer, MAOI) sollte bei Kindern und Jugendlichen mit depressiven Störungen nicht eingesetzt werden (Empfehlung, Empfehlungsgrad B) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 27 ÜBERPRÜFUNG DES THERAPIEERFOLGS Zu Beginn der therapeutischen Maßnahme sollen mit den Patientinnen, Patienten und ihren Bezugspersonen Zielkriterien der Therapie festgelegt werden. Es sollte eine regelmäßige Überprüfung des Therapieerfolges stattfinden. Der Therapieerfolg kann frühestens nach vier Wochen durch die Patientinnen und Patienten selbst, ihre Bezugspersonen und die Behandelnden eingeschätzt werden. Wenn sich nach 12 Wochen keine klinisch bedeutsame Verbesserung eingestellt hat bzw. wenn bei Pharmakotherapie nach vier Wochen keine Response vorliegt, kann eine Veränderung der Behandlungsmodalitäten vorgenommen werden. (Klinischer Konsenspunkt) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 28 VORGEHEN NACH EINEM GESCHEITERTEN ERSTEN BEHANDLUNGSVERSUCH Kinder und Jugendliche mit depressiven Störungen, die nach einem ersten Behandlungsversuch gemäß den Empfehlungen dieser Leitlinie keine Verbesserung zeigen, können eine bisher nicht verwendete Form der Psychotherapie oder ein bisher nicht verwendetes Medikament (Fluoxetin, Escitalopram, Citalopram oder Sertralin) oder eine bisher nicht eingesetzte Kombination aus kognitiv-verhaltenstherapeutischer Psychotherapie und einem der genannten Medikamente erhalten. Auch kann ein Wechsel des Behandlungssettings gemäß den Empfehlungen dieser Leitlinie erwogen werden. (Offene Empfehlung) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 29 FORTSETZUNG DER BEHANDLUNG Nach einer Erholung (d.h. einer Zeit von mindestens zwei Monaten ohne klinisch relevante Symptome) sollte eine medikamentöse Behandlung für mindestens sechs weitere Monate fortgesetzt werden. (Empfehlung, Empfehlungsgrad B) Nach einer Erholung von mindestens sechs Monaten Dauer kann bei einer Erstmanifestation einer depressiven Störung das Absetzen der Pharmakotherapie erwogen werden. (Klinischer Konsenspunkt) Es sollte eine regelmäßige kinder- und jugendpsychiatrische Überprüfung des Therapieerfolges stattfinden. (Klinischer Konsenspunkt) Bei älteren Jugendlichen mit einer rezidivierenden depressiven Störung sollte die nationale Versorgungsleitlinie für Erwachsene mit unipolarer Depression angewendet werden. (Klinischer Konsenspunkt) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 30 UMSETZUNG EINES STATIONÄREN VERHALTENSTHERAPEUTISCHEN BEHANDLUNGKONZEPTES IN DER UNIVERSITÄTSKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE DER LMU MÜNCHEN Manualisiertes Behandlungskonzept - TADS Für Jugendliche im Alter 13 bis 17 Jahren mit einer leichten bis schweren depressiven Episode Dauer 9 Wochen Einzelsitzungen Elternsitzungen Unterstützt durch ein aktivitätssteigerndes pädagogisches Programm KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 31 DIE THERAPEUTISCHE BEZIEHUNG Stimmlage Aktives Zuhören Empathie Höflichkeit Echtheit Wärme Augenkontakt Erklären von Hausaufgaben Pünktlichkeit Wechselseitiger Rapport Timing Transparenz in Bezug auf die Behandlung Gemeinschaftlicher Empirismus KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 32 MODELL DER KOGNITIVEN VERHALTENSTHERAPIE Die drei Teile unserer Persönlichkeit Gefühle Verhalten Gedanken Jeder Teil hängt mit den anderen Teilen zusammen. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 33 MODELL DER KOGNITIVEN VERHALTENSTHERAPIE Wie Gedanken und Verhalten unsere Gefühle beeinflussen Negatives zieht uns runter Negativer Gedanke Negatives Verhalten „Dieses Mädchen mag mich nicht.“ Rückzug oder Schmollen Negatives Verhalten Negativer Gedanke Nicht für eine Prüfung lernen „Ich werde die Prüfung eh nicht bestehen.“ Negatives Gefühl Traurigkeit Negatives Gefühl Hoffnungslosigkeit Positives baut uns auf Positiver Gedanke „Es gibt viele Leute, die meine Freunde sein können.“ Positives Verhalten Für eine Prüfung lernen Positives Verhalten Positives Gefühl Neue Leute kennenlernen Freude Positiver Gedanke Positives Gefühl „Ich werde die Prüfung bestehen.“ Selbstvertrauen KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 34 THEMEN/INHALTE DER AUSGEWÄHLTEN TADSSITZUNGEN 1. Behandlungsmodell und Zielsetzung 2. Stimmungsbeobachtung 3. Wie setzt man sich Ziele? 4. Steigerung angenehmer Aktivitäten 5. Probleme lösen 6. Automatische Gedanken und kognitiver Verzerrungen 7. Realistische Gegengedanken 8. Bilanzierung Parallel dazu: 2 psychoedukative Sitzungen mit den Eltern KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 35 AUFBAU DER SITZUNGEN Erster Teil: „Themen und Ereignisse“ oder „eine Tagesordnung festlegen“ In diesem Teil entscheidest Du mit Hilfe des Therapeuten an was Du in der Sitzung arbeiten möchtest. Hausaufgaben besprechen In diesem Abschnitt besprichst Du mit dem Therapeuten die „Hausaufgaben“, die Du seit der letzten Sitzung gemacht hast. Mittlerer Teil: Fähigkeiten In diesem Teil wirst Du neue Fähigkeiten mit Hilfe des Therapeuten lernen. Letzter Teil: Arbeit an den „Themen und Ereignissen“ In diesem Teil arbeitet Ihr die Tagesordnung ab. Neue Hausaufgaben Gegen Ende der Sitzung, bekommst Du eine neue Hausaufgabe, die Dir helfen soll neue Fähigkeiten zu trainieren oder neue Arten des Denkens auszuprobieren. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 36 GEMEINSAME SITZUNG: BEHANDLUNGSMODELL UND ZIELSETZUNG 1. Kurzer Überblick über die wesentlichen Ergebnisse aus der Diagnostikphase 2. Ziele der Eltern und des Jugendlichen für die Behandlung, sich auf gemeinsame Ziele einigen 3. Vorgehen der kognitiv-behavioralen Therapie 4. Entwicklung eines Depressionsmodell 5. Anti-Suizidvertrag und Beantwortung von Fragen zur Behandlung 6. Behandlungsauftrag wiederholen KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 37 KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 38 KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE 39 WWW.KJP.MED.UNI-MUENCHEN.DE Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie der Universität München Nußbaumstr. 5a 80997 München Tel. –49 89 440055900 Fax.—49 89 440055902 KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE