CAMPUS INNENSTADT KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE MOLEKULARGENETISCHE UND UMWELTBEDINGTE RISIKO- UND RESILIENZFAKTOREN AFFEKTIVER STÖRUNGEN IM KINDES- UND JUGENDALTER Eine Studie der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie Dr. Alica C. Dieler, Psychologin, M.Sc. AGENDA Prävalenz und Symptome Ursachen einer Depression: Risiko- und Resilienzfaktoren Die Studie KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE PRÄVALENZ UND FAKTEN Ca. 2% der Grundschulkinder (Kashani et al., 1983) und 5-8% der Jugendlichen (Lewinsohn et al., 1994) leiden an einer Depression 70% davon durchleben auch im Erwachsenenalter immer wieder depressiven Episoden (Rao et al., 1995). Erkrankungsrisiko steigt mit dem Alter (Meltzer et al. 2000) Leichte Zunahme der depressiven Störungen (früheres Erreichen der Pubertät) Geschlechtseffekte: vor der Pubertät kaum vorhanden (tendenziell mehr Jungs), danach mehr Mädchen/Frauen erkrankt (ca. 2:1) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE WAS IST EINE DEPRESSION ICD-10 (WHO, 2011) DSM-IV-TR (APA, 2000) F32.0 - F32.3 oder F33.0 - F33.4 296.21 - 296.24 oder 269.31 - 269.34 Depressive Stimmung (A)-Kriterien (min. 5 über 2 Wochen) Verlust von Interesse (Anhedonie) Antriebsmangel & erhöhte Ermüdbarkeit Verminderte(s) Konzentration & Aufmerksamkeit Selbstwertgefühl & Selbstvertrauen Schuldgefühle & Gefühle von Wertlosigkeit Negative & pessimistische Zukunftsperspektiven Suizidgedanken oder Suizidhandlungen / Selbstverletzung Schlafstörung Verminderter oder gesteigerter Appetit Depressive Verstimmung (Reizbarkeit) Anhedonie Gewichtsverlust Schlaflosigkeit oder vermehrter Schlaf Psychomot. Unruhe oder Verlangsamung Müdigkeit / Energieverlust Gefühle von Wertlosigkeit, Schuldgefühle Konzentrationsprobleme oder verminderte Entscheidungsfähigkeit Gedanken an den Tod, Suizidgedanken, Suizidversuch oder Planung eines Suizids (B) Die Symptome erfüllen nicht die Kriterien einer Gemischten Episode (C) Leidensdruck (D) nicht erklärbar durch Wirkung einer oder Krankheit Substanz (E) nicht erklärbar durch Trauerreaktion KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE URSACHEN - RISIKOFAKTOREN Genetik (Polymorphismen) Kindliche Risikofaktoren Perinatale Komplikationen, Geburtskomplikationen Kind hat schwere Krankheit / Verletzung / Unfall Institutionelle Erziehung, Fremdunterbringung Verlusterlebnisse Trennung / Scheidung der Eltern Tod von Vater / Mutter Tod von anderen nahestehenden Bezugsperson Umzug Migration / soziale Verpflanzung / Vertreibung / Verfolgung Umzug aus beruflichen/finanziellen Gründen der Eltern Schulschwierigkeiten Probleme in der Familie Schwere Krankheit / Verletzung / Unfall eines Familienmitgliedes Psychische Erkrankung einer nahestehenden Bezugsperson Behinderung eines Familienmitgliedes Alkohol-/Drogenkonsum in der Familie Familienmitglied in Konflikt mit dem Gesetz (Inhaftierung) Streit / Machtkämpfe / Disharmonie in der Familie Vernachlässigender oder überbehütender Erziehungsstil Mangel an Wärme in der Eltern-Kind Beziehung Feindliche Ablehnung oder Sündenbockzuweisung gegenüber dem Kind Isolierte Familie Mobbing / Bullying, Nichtakzeptanz bei Schülern/Lehrern Abweichende Elternsituation (Stiefvater, Stiefmutter, ...) Schulwechsel Arbeitslosigkeit von Mutter oder Vater Traumatische Ereignisse Finanzielle Probleme Missbrauch Gewalterlebnisse Naturkatastrophen KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE URSACHEN - SCHUTZFAKTOREN Schutzfaktoren innerhalb der Familie stabile emotionale Beziehung zu einer Bezugsperson offenes, unterstützendes Erziehungsklima familiärer Zusammenhalt Modelle positiven Bewältigungsverhaltens Schutzfaktoren innerhalb des sozialen Umfeldes soziale Unterstützung positive Freundschaftsbeziehungen positive Schulerfahrungen Persönlichkeitsrelevante Schutzfaktoren positives Sozialverhalten positives Selbstwertgefühl aktives Bewältigungsverhalten Kohärenzsinn Optimismus positives Temperament (flexibel, aktiv, offen) überdurchschnittliche Intelligenz Genetik KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE URSACHEN - ZUSAMMENFASSUNG Gene Umwelt Im Erwachsenenbereich konnte gezeigt werden, dass genetische Faktoren als eine Ursache der Depressionen unbestreitbar sind (Binder et al., 2004; Lucae et Risikofaktoren durch die Umwelt, wie z.B. traumatische und belastende Faktoren etc. (Brown et al., 2007; Cervilla et al., 2006 ; Lopez-Leon et al., 2007; Binder, 2009) Schutzfaktoren: z.B. Optimismus, Rückhalt aus dem sozialen Umfeld Nicht ein einzelnes Gen, sondern mehrere Gene sind ursächlich beteiligt (z.B. 5HTTLPR, DAT) al., 2007; Kaufman et al., 2004) Je geringer das Ersterkrankungsalter, umso größer die genetische Beteiligung (Kendler et al., 2007; Nierenberg et al., 2007) Gen x Umwelt Interaktion (z.B. Caspi et al., 2003; Cervilla et al., 2007; Risch et al., 2009; Zimmermann et al. 2009) KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE GEN-UMWELT INTERAKTION - BEISPIEL Depressive Symptome Eigenanamnese Diagnose einer Majoren Depression Diagnose einer Majoren Depression & Misshandlung Suizidgedanken/ Suizidversuche Depressive Symptome Fremdanamnese Caspi et al., 2003, Science: Influence of life stress on depression: Moderation by a polymorphism in the 5-HTT gene KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE STUDIE GENETIK DER DEPRESSION Kooperationsprojekt zwischen: Kinder- und Jugendpsychiatrie LMU München Molekulargenetische Untersuchungen im Institut Life and Brain, Bonn Statistische Analyse der Genetik am Max-Planck Institut für Psychiatrie, München KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE STICHPROBE Jungen und Mädchen von 8 bis 17.11 Jahren IQ > = 85 Fallgruppe Kontrollgruppe Ambulante, stationäre, oder ehemalige Patienten Einschlussdiagnosen: Kinder- und Jugendliche aus der Bevölkerung F31: Bipolare affektive Störung Ausschluss: F32: Depressive Episode F33: Rezidivierende depressive Einschluss: Affektive Störung (= Einschlussdiagnosen der Störungen F34: Zyklothymia, Dysthymia Fallgruppe) Alle Ausschlussdiagnosen der Fallgruppe F43.21: Anpassungsstörung Ausschlussdiagnosen: F1x.2/F1x.3: Abhängigkeits-/Entzugssyndrom F0: Organisch bedingte psychische Störungen F2: Schizophrenie, schizotype/wahnhafte Störungen F40: Phobische Störungen F41: Andere Angsstörungen F43.1: PTBS F90: Hyperkinetische Störung KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE STUDIE GENETIK DER DEPRESSION - ABLAUF Diagnostik strukturiertes diagnostisches Interview mit Kind/Jugendlichem und dessen Eltern (Kinder-DIPS) Fragebögen Schweregraderfassung mittels: Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche (DIKJ): 8-13 Jahre Beck Depressions-Inventar, Revision (BDI-II): >13 Jahre Fragebogen (ausgefüllt durch Kind und Eltern): Sozio-ökonomische Informationen Lebensereignissen (Life Event Survey; Adams & Adams, 1991) Familienklima (KiGGS Studie, Robert Koch Institut, 2003) Sozialer Unterstützung (Social Support Scale; Donald & Ware, 1984) Probleme in der Schule / im Freundeskreis / mit dem Gesetz Familiäre Widrigkeiten (Family Adversity; Rutter & Quinton, 1977) Fragebogen zur subjektiv empfundenen Beeinträchtigung durch körperliche und psychische Symptome der Eltern (SCL-90-R) Blutentnahme Kind und Eltern KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE ÜBERBLICK STICHPROBE ZUM JETZIGEN ZEITPUNKT Kontrollen Patienten N 145 159 Alter 14.26 ± 2.62 14.84 ± 2.22 T(283.39) = 2.09, p = .0391 Geschlecht (weiblich) 83 104 χ2(1) = 2.14, p = .14 Aktuell Depressiv - 95 Ersterkrankungsalter - 12.35 ± 2.73 alle (n = 129) - 22.82 ± 14.75 akut (n = 41) - 31.39 ± 14.43 BDI DIKJ Antidepressiva früher (n = 48) - 12.79 ± 8.13 wiederkehrend (n = 40) - 26.08 ± 14.46 alle (n = 25) - 16.24 ± 9.48 akut (n = 8) - 24.13 ± 11.05 früher (n = 11) - 10.82 ± 6.19 wiederkehrend (n = 6) - 15.67 ± 4.32 MAOI - 2 Tri/Tetracyclic - 2 SSRI - 44 Statistik SNRI - 3 NERI - 2 Familiäre Belastung 30 (115) 99 (53) χ2(1) = 54.47, p < .001 Soziale Unterstützung 33.82 ± 6.04 27.94 ± 7.86 T(207.89) = -6.19, p < .001 Lebensereignisse 2.64 ± 1.72 4.24 ± 2.24 T(293.80) = 7.00, p < .001 Family Adversity 0.85 ± 0.92 2.1 ± 1.73 T(244.39) = 7.98, p < .001 Familienklima 25.3 ± 4.48 21.2 ± 5.64 T(285.77) = -6.95, p < .001 KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE WAS SOLL WEITER UNTERSUCHT WERDEN Alter Geschlecht Fam. Klima Soziale Unterstütz. Fam. Belastung? Kind Dep? Lebensereignisse Fam. Widrigkeiten Genvarianten KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE Dauer: ca. 1,5 Stunden Was gibt es dafür: 20 Euro Kontakt: Depressive: [email protected] Kontrollen: [email protected] KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT! FRAGEN? KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE ITEMS - SKALEN Items Live Event Survey Items Family Adversity Index 1. Trennung der Eltern 2. Alkohol/Drogenkonsum in Familie 3. Krankheit/Unfall eines Familienmitgliedes 4. Todesfall Familie/Freundeskreis 5. Streitigkeiten in Familie 6. Sexueller Missbrauch 7. Arbeitslosigkeit der Eltern 8. Umzug 9. Schulwechsel 10. Trennung von Freund/Freundin 11. Schulversagen 12. Konflikt mit Gesetz 13. Krankheit/Unfall 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Psych. Störung in der Familie Elternteil ohne Schulabschluss/Ausbildung Mutter/Vater alleinerziehend, angespannte Partnerschaft Eltern, Anzahl Geschwister >= 4, beengte Wohnverhältnisse Kind ist fremduntergebracht KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE ITEMS - SKALEN (2) Familienklima 1. Jeder geht auf Sorgen/Nöte des anderen 2. In unserer Familie ist man sehr besorgt umeinander 3. In unserer Familie gibt es keine Geheimnisse 4. Wir können offen und ehrlich miteinander reden 5. In unsere Familie hat jeder das Gefühl, dass man ihm zuhört und auf ihn eingeht 6. Wir kommen wirklich gut miteinander aus 7. Bei uns zeigt man sich mit Worten und Gesten, dass wir uns gern haben 8. Die Atmosphäre bei uns ist freundlich und positiv 9. Wir haben zusammen Spaß und Freude 10. In unserer Familie wird wenig gelacht und Spaß gemacht 11. Wir haben kaum Kontakt miteinander uns jeder ist mehr für sich Soziale Unterstützung Gibt es jemanden… der dir zuhört, wenn du gern mit jemandem reden möchtest? 2. der dir zeigt, dass er dich gern mag und dich lieb hat? 3. mit dem du zusammen Spaß haben kannst? 4. der dir hilft und Informationen gibt, wenn du etwas nicht verstehst? 5. der dich umarmt? 6. mit dem du dich zusammen entspannen kannst? 7. mit dem du etwas unternehmen kannst, um dich abzulenken? 8. der dich liebt und der dir das Gefühl gibt, geliebt und gebraucht zu werden? 9. der dich lobt und dir sagt, dass er stolz auf dich ist? 10.der dich tröstet und aufmuntert, wenn bei dir etwas nicht so gut gelaufen ist? 1. KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN® KLINIK UND POLIKLINIK FÜR KINDER- UND JUGENDPSYCHIATRIE, PSYCHOSOMATIK UND PSYCHOTHERAPIE