-ERNÄHRUNGSPLANUNG- "Nutrient-Timing" - Alles zu seiner Zeit von Matthias Repp Oecotrophologe, lizensierter Fitness- und Triathlontrainer, Autor, Tutor und Dozent der Academy of Sports, Inhaber und Geschäftsführer von SPERCO SportErnährung-Coaching sowie Mitgründer von "Die Sportskanonen 3.0" Die Ernährungswissenschaft macht es uns nicht leicht. Ständig neue Erkenntnisse, die unter Umständen alles über den Haufen werfen, was wir in den letzten Jahren gelernt und mühsam in die Praxis umgesetzt haben. Allerdings lassen wir uns auch leicht beeinflussen und verunsichern. Daher würde ich an dieser Stelle gerne darauf aufmerksam machen, dass es so viele Neuerungen eigentlich gar nicht gibt. diese auch anerkennen und publizieren. Das Ganze darf nicht damit verwechselt werden, dass diese anerkannten Institutionen langsam und nicht innovativ sind. Es geht lediglich darum, nur etwas in die Öffentlichkeit zu tragen, wenn es auch wirklich erwiesen ist. Als Ernährungswissenschaftler kann ich aus Erfahrung sprechen. Täglich lese ich über bahnbrechende Neuigkeiten aus der Ernährungsbranche. Leider handelt es sich zumeist nicht einmal um Vermutungen, sondern lediglich um falsch verstandene Aussagen oder um eindimensional betrachtete Fakten, die aber so verlockend klingen, dass sie direkt in den Medien landen. Viele von diesen Aussagen und Fakten halten sich sogar über Jahre, so dass niemand mehr weiß, wer diese Empfehlung eigentlich einmal ausgesprochen hat. Zu beachten ist zunächst einmal die Quelle, die eine vermeintlich neue Erkenntnis hervorbringt. Oft werden diese einfach falsch interpretiert oder schlichtweg überbewertet. Schuld sind dabei nicht die Wissenschaftler, sondern zum Großteil boulevardpublizistische Berichte, die in der Hoffnung, als Erste eine Sensationserkenntnis vermelden zu können, die entscheidenden Parameter einer Studie nicht beachten. Nicht selten, liegt es aber auch einfach an mangelnden fachlichen Kenntnissen, die es schlichtweg nicht erlauben, Schlüsse aus einer Studie zu ziehen. Egal wer eine neue Empfehlung herausgibt. Es muss zunächst immer die Beweiskraft überprüft werden. Denn auch sogenannte Experten versuchen sich gelegentlich mit revolutionären Empfehlungen bekannt zu machen. Nicht ohne Grund müssen immer erst mehrere unabhängige Studien oder eine Metaanalyse (= eine Studie, die mehrere Studien zusammenfasst) beweisen, dass es sich bei einer neuen Erkenntnis tatsächlich um eine Tatsache handelt, bevor offizielle Organe Die bahnbrechenden News aus der Welt der Ernährungswissenschaften! Wer kennt sie nicht, die Einleitung einer neuen Erkenntnis in den Boulevardmedien: Eine Studie aus den USA hat gezeigt...oder 1 -ERNÄHRUNGSPLANUNG- wenigstens: Eine Studie der University of...hat herausgefunden, dass... Genau solche Nachrichten sind mit Vorsicht zu genießen. Eine Studie allein verändert nicht die Welt. Hinzu kommt, dass hier so gut wie nie, die genaue Vorgehensweise der Studie dargestellt wird. Aber genau das ist wichtig, um eine erste Bewertung der Aussage vornehmen zu können. Es macht ja schließlich einen Unterschied, ob lediglich zwei Probanden oder mehrere hundert zur Verfügung standen. Eine Studie richtig zu interpretieren ist eine aufwändige Sache, weil viele Parameter berücksichtigt werden müssen (Anzahl der Probanden, Methodik u.v.m.). Da diese Bewertung für den Verbraucher recht kompliziert und zeitintensiv ist, gibt es unabhängige Institutionen, die dies übernehmen. Es ist also zunächst wichtig zu überprüfen, wie zuverlässig und seriös ist die Quelle ist, aus dieser die neue Erkenntnis stammt. Jeder Leistungssportler arbeitet nicht nur mit einem periodisierten Trainingsplan, sondern auch mit einer an die Trainings- und Wettkampfziele angepassten Ernährungsplanung. In der Sporternährungsforschung geht es daher darum, welche Nährstoffe, respektive Lebensmittel, zu welchem Zeitpunkt zugeführt werden müssen, um die bestmögliche Leistung abzurufen. "NutrientTiming" ist also lediglich ein Begriff dafür, was sowieso schon jeder Sportler macht. Sein Essen optimal auf seine Anforderungen abzustimmen. Was steckt hinter dem Begriff "NutrientTiming"? Um eine Ernährungsplanung vornehmen zu können, ist es zunächst wichtig, die Nährstoffe entsprechend der Aktivitäten bzw. passend zum Tagesablauf zu planen. Hierzu möchten ich den Begriff des "Nutrient-Timing" ins Spiel bringen. Eines vorweg, es ist keine Diätform oder eine Ernährungsweise für die ich bestimmte Nahrungsergänzungsmittel benötige. Nein, unter dem Namen verbirgt sich nichts anderes als die Mahlzeiten an die Aktivitäten eines Tages anzupassen. Ich erwähne das Ganze an dieser Stelle so exzessiv, weil es mir wichtig ist, dass meine Ernährungsbetreuung nicht mit einer speziellen Ernährungsform oder ganz und gar mit dem Verkauf von Sportnahrungsprodukten in Verbindung gebracht wird. Als unabhängiger Ernährungsexperte geht es mir darum, dabei zu helfen, die alltägliche Ernährung zu optimieren, umso die gewünschten Ziele zu erreichen. Dabei zählen einzig und allein wissenschaftliche Erkenntnisse, die zwar nicht immer ganz neu, dafür aber zu 100% nachgewiesen sind und von den auf diesem Fachgebiet weltweit führenden 2 -ERNÄHRUNGSPLANUNG- Wissenschaftlern publiziert und angewendet werden. Verbindung mit der Zunahme von Muskelfaserschädigungen und einem unterdrückten Immunsystem. Außerdem ist in den ersten 45 Minuten nach Belastungsende die Resyntheserate erhöht. Also eine vermehrte Einspeicherung von Glykogen. Daher sollte auch das angesprochene Nährstofftiming die Basis der bedarfsgerechten Ernährung eines Sportlers sein. Es ist wissenschaftlich unumstritten, dass eine zeitlich abgestimmte Nahrungsaufnahme die Anpassung an einen Trainingsreiz und die Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit während eines Wettkampfes signifikant beeinflusst. eine ständig ausgeglichene Proteinbilanz So können Muskelschädigungen verhindert werden und das Hormonprofil wird gefördert. ein zu jedem Zeitpunkt hydrierter Zustand Bereits Flüssigkeitsverluste von mehr als 2% führen zu Leistungsdefiziten. Flüssigkeitsmangel ist der leistungslimitierende Faktor Nummer eins. Sportartenübergreifend bilden hierzu fünf Prinzipien die Grundlage des Nährstofftimings für einen leistungsorientierten Sportler. schnelle Rehydration im Anschluss an eine sportliche Betätigung Prinzipien des "Nutrient-Timing" Nur mit Hilfe eines ausgeglichenem Flüssigkeitshaushaltes können alle Umbau- und Wiederherstellungsmechanismen stattfinden. Zudem sind energiereiche Getränke eine verdauungsfreundliche Möglichkeit, notwendige Nährstoffe schnell bereit zu stellen. gut gefüllte Glykogendepots vor einer sportlichen Betätigung Für jede sportliche Betätigung wird Energie benötigt. Kohlenhydrate sind der Energielieferant Nummer 1. Daher ist der Ausnutzung der muskulären Kohlenhydratspeicher oberste Priorität zu verleihen. zügige Resynthese der Glykogenspeicher nach einer sportlichen Betätigung Natürlich unterscheiden sich die Details und Prioritäten in Bezug auf die ausgeübte Sportart oder die persönliche Zielsetzung. Besonders wichtig, wenn die Regenerationszeit zwischen zwei Belastungen kurz ist. Entleerte Glykogenspeicher stehen in Das "Nutrient-Timing" bildet also das Grundgerüst. Der genaue Nährstoffbedarf und die Lebensmittelauswahl sind dann von individuellen Gegebenheiten abhängig. Daher 3 -ERNÄHRUNGSPLANUNG- bleiben wir zunächst auch beim Thema Nährstofftiming. Wie plane ich das Nährstofftiming? Energiebereitstellung mit oder ohne Sauerstoff? Ist der Fettstoffwechsel bei der Energiebereitstellung involviert? Hieraus lässt sich dann ableiten, welche Energieträger hauptsächlich benötigt und letztendlich zugeführt werden sollten. Müssen z. B. die Glykogenspeicher zu Beginn der Belastung vollständig gefüllt sein oder handelt es sich um eine kurze Belastung. Auch die Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme während der sportlichen Betätigung muss hier hinterfragt werden. Es macht Sinn, eine "Timeline" für Trainingseinheiten und Wettkämpfe festzulegen. Hier können dann bequem die Mahlzeiten und Getränke, entsprechend der Bedürfnisse von Zielsetzung und Sportart, eingetragen werden. Dadurch ist sichergestellt, dass zur richtigen Zeit auch die richtigen Nährstoffe zugeführt werden. Bewährt hat sich folgendes Raster: 4Std. vor der Belastung 2 Std. vor der Belastung < 2 Std. vor der Belastung < 1Std. vor der Belastung Während der Belastung < 45 Minuten nach der Belastung < 2 Std. nach der Belastung 2 Std. nach der Belastung Was ist die generelle Zielsetzung? Will der Sportler sich auf einen Wettkampf vorbereiten und durch die Ernährung eine größtmögliche Anpassung an den Trainingsreiz unterstützen. In einem solchen Fall steht eine schnelle Regeneration im Vordergrund. Eine ausreichende Energiezufuhr durch Kohlenhydrate und Baustoffe in Form von Eiweiß sind essentiell. Ist hingegen eine Gewichtsreduktion gewünscht, um sich etwa in der wettkampffreien Zeit ein paar Kilo herunter zu trainieren, sollte die Energiezufuhr eingeschränkt werden. Beim Ausfüllen des Rasters kann es hilfreich sein, folgende Fragen im Hinterkopf zu haben. Welche Formen der Energiebereitstellung kommen zum tragen? Wann findet die sportliche Betätigung statt? Der Trainingsplan ist hier ausschlaggebend. Zu beachten ist auch, ob evtl. mehrere Trainingseinheiten oder Wettbewerbe an einem Tag stattfinden. Um diese Belastungen wird dann das Nährstofftiming aufgebaut. Wann findet die nächste sportliche Betätigung statt? Je eher die nächste Belastung bevorsteht, umso schneller sollte die Nahrungszufuhr nach einer Belastung erfolgen, um die Regenration in Gang zu bringen. 4 -ERNÄHRUNGSPLANUNG- Vertrauensverhältnis gefestigt. Natürlich können die Erläuterungen auch hilfreich sein, wenn das Schema für eigene Zwecke erstellt wird. So kann man später nachvollziehen, warum gerade diese Mahlzeit gewählt wurde und ggf. bei einer erneuten Planung Anpassungen vornehmen. Ich persönlich trage zudem im Rahmen der Übersichtlichkeit, Mahlzeiten und Getränke in verschiedene Spalten ein. Ein Praxisbeispiel Um das Ganze zu veranschaulichen folgt nun ein Praxisbeispiel (s. Tabelle 1) für ein "Nutrient-Timing". Ich habe mich für einen Fußballspieler entschieden. Die Planung bezieht sich auf einen Spieltag. Das Spiel findet dabei um die Mittagszeit statt, so dass es sich bei der ersten Mahlzeit (" 4 Std. vor dem Spiel") um ein Frühstück handelt. Die zugeführten Mengen sind natürlich abhängig von den physiologischen Gegebenheiten. Da es sich im Folgenden jedoch um ein Beispiel handelt, welches lediglich ein Verständnis für die Planung eines "Nutrient-Timing" vermitteln soll, wird auf Zufuhrmenge nicht näher eingegangen. Das "Nutrient-Timing" kann bequem in eine vordefinierte Tabelle eingetragen werden. Im Beispiel bedienen wir uns dem bewährten Muster, welches bereits auf Seite 4 dargestellt wurde. In der Beratungspraxis macht es Sinn, die Empfehlungen zu erläutern, damit der Sportler auch den Hintergrund der ausgewählten Mahlzeiten kennt. Schließlich soll der Sportler ein Verständnis für das Nährstofftiming entwickeln und die Gedankengänge des Beraters nachvollziehen können. Außerdem wird dadurch das 5 -ERNÄHRUNGSPLANUNG- Tabelle 1 - Nährstofftiming für einen Fußballspieler 4 Std. vor dem Spiel 2 Std. vor dem Spiel < 2 Std. vor dem Spiel < 1Std. vor dem Spiel Während des Spiels < 45 Minuten nach dem Spiel Frühstück: Haferflocken mit Trockenfrüchten, Nüssen und fettarmer Milch Snack: fettarmer Naturjoghurt oder Hüttenkäse mit einer Banane Snack: Energieriegel Getränke: natriumreiches Mineralwasser Getränke: natriumreiches Mineralwasser Getränke: natriumreiches Mineralwasser Getränke: natriumreiches Mineralwasser Getränke: Natriumreiches Mineralwasser und Sportgetränke Erläuterung: Letzte große Mahlzeit vor dem Spiel mit einem hohen Anteil komplexer Kohlenhydrate und einem geringen Fettund Proteinanteil. Die Auffüllung der Glykogenspeicher steht am Spieltag im Vordergrund. Um ausreichend hydriert in das Spiel gehen zu können, sollte bereits jetzt ausreichend getrunken werden. Erläuterung: Mahlzeit mit niedrigem bis mittlerem glykämischen Index, damit noch einmal Energie geliefert, der Blutzuckerspiegel aber nicht unnötig in die Höhe getrieben wird. Erläuterung: Letzte feste Mahlzeit bevor das Warm-up beginnt. Hier geht es hauptsächlich darum, kein Hungergefühl aufkommen zu lassen. Erläuterung: Wichtig ist, das Mineralwasser in kleinen Schlucken zu trinken. In der letzten Viertelstunde vor Spielbeginn maximal 500 ml zuführen. Erläuterung: Alle 30 Minuten maximal 250 ml Trinken. Zunächst Mineralwasser. Gegen Ende des Spiels auf Getränke mit einem Kohlenhydratanteil von 6 bis 8% zurückgreifen. Die Halbzeitpause kann bei einem bestehenden Hungergefühl dazu genutzt werden, Energie in Form einer Banane oder eines Energieriegels zuzuführen. Keine feste Mahlzeit mehr aufnehmen. Keine feste Mahlzeit während des Spiels. Ausnahme siehe Halbzeitpause. Eine feste Mahlzeit ist aufgrund der Verträglichkeit noch nicht notwendig. 6 < 2 Std. nach dem Spiel 2 Std. nach dem Spiel Snack: fettarmer Naturjoghurt mit Früchten Abendessen: Fisch oder mageres Fleisch mit Kartoffeln und Gemüse Getränke: Sportgetränke Getränke: Molkedrink Getränke: natriumreiches Mineralwasser Erläuterung: Kohlenhydratreiche Getränke mit einem hohen glykämischen Index, um die Glykogendepots schnellstmöglich wieder aufzufüllen. Insbesondere dann, wenn während des Spiels keine Energie über Getränke zugeführt werden konnte. Erläuterung: Eiweiß ist jetzt wichtig, um Muskelschäden zu verhindern und um die Resynthese der Glykogenspeicher zu unterstützen. Erläuterung: Eine ausgewogen, nährstoffreiche Mahlzeit, um die Regenration zu unterstützen. Den Flüssigkeitshaushalt weiterhin ausgleichen, bis kein Durstgefühl mehr besteht. -ERNÄHRUNGSPLANUNG- Hinweis: Quellen: Natürlich kann das Nährstofftiming auch grob formuliert werden. Sinn macht das Ganze bei festgelegten Zielen. Zum Beispiel muss ein Kampfsportler in den letzten Tagen vor dem Wettkampf noch oft ein paar Kilo verlieren, um in die Gewichtsklasse zu passen, für die er oder sie gemeldet sind. American Dietetic Association, Dietitians of Canada, & American College of Sports Medicine. (2009). Position of the American Dietetic Association, Dietitians of Canada and the American College of Sports Medicine:Nutrition and Athletic Performance. Journal of the American Dietetic Association Austin, & Seebohar. (2011). Performance Nutrition: Applying the Science of Nutrient Timing. Champaign: Human Kinetics. ISBN 9780736079457 Jeukendrup. (2010). Sports Nutrition - From Lab to Kitchen. Aachen: Meyer & Meyer Sport (UK). ISBN 9781841262963 Ich teile das Ganze dann wie folgt ein: 3 Tage vor einem Wettkampf 2 Tage vor einem Wettkampf 1 Tag vor einem Wettkampf 12 Std. vor dem Wiegen Nach diesem Schema ist es möglich eine allgemeine Marschroute zu definieren. Für 2 Tage vor dem Wettkampf kann dann beispielsweise in der Planung stehen: Reduzieren der Kalorienaufnahme um 50 % gegenüber der üblichen Kalorienzufuhr. Für eine detaillierte Planung ist dann wiederum das Muster aus Tabelle 1 zuständig, welches das Nährstofftiming um die Trainingseinheiten herum festlegt. Mit dem Grundprinzip des "Nutrient-Timing", wie es aufgebaut werden kann und vor allem mit dem Wissen, dass es wichtig ist, was, wann und wie viel ein Sportler essen muss, haben wir jetzt die Basis gelegt. Im weiteren Verlauf der Serie geht es nun darum, welche Nährstoffe in welcher Menge und in was für einem Verhältnis notwendig sind. Natürlich bezogen auf die durchgeführte Belastungsart, die persönlichen Zielsetzungen und unter Berücksichtigung der aktuellsten Erkenntnisse führender Wissenschaftler aus dem Fachgebiet der Sporternährung. 7