Pharmazeutische Chemie - Ceritinib Ceritinib (Zykadia®) Genetische Veränderungen im ALK-Gen (ALK = Anaplastische-Lymphom-Kinase) treten bei ungefähr 3-6% der Patienten mit einem nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) auf. Durch ALK-Genumlagerungen entstehen Fusionsonkogene - vorwiegend EML4-ALK-Fusionsonkogene mit dem EML4-Gen (EML = echinoderm microtubule-associated protein-like 4) -, deren Translationsprodukte eine konstitutive ALK-Tyrosinkinase-Aktivität aufweisen (Iacono et al. 2015). Bereits seit 2012 gibt es mit dem Tyrosinkinase-Inhibitor Crizotinib (Xalkori®) eine gute Therapieoption für ALK-positive Tumoren (s. Neue Arzneistoffe 2012 Crizotinib). Meistens ist der Tumor auch in fortgeschrittenen Stadien initial hochsensitiv für Crizotinib, allerdings entwickeln nahezu alle Patienten innerhalb eines Jahres Resistenzen gegenüber Crizotinib (Shaw et al. 2014, Solomon et al. 2014, Iacono et al. 2015). In solchen Fällen bleibt dann als Therapieoption oftmals nur eine klassische Chemotherapie. Dementsprechend läuft die Suche nach neuen ALK-Inhibitoren, die auch bei Crizotinib-Resistenz noch wirksam sind, auf Hochtouren. Abbildung 1 Ein solcher ALK-Inhibitor der zweiten Generation ist Ceritinib (Zykadia®) (Strukturformel s. Abbildung 1, s. Tabelle 1). Ceritinib zeigte in vorklinischen Studien eine 20-fach größere Potenz als Crizotinib sowie in vitro eine Wirksamkeit auch bei Crizotinib-resistenten Mutationen (Marsilje et al. 2013). ALK-Inhibitor Zulassung Indikation Crizotinib (Xalkori®) 2012 ALK NSCLC Ceritinib (Zykadia®) 2015 ALK NSCLC, wenn Progression unter Crizotinib Tabelle 1: + + Dosierung/ Art der Einnahme 2x täglich 250mg (500mg/d), mit oder ohne Nahrung 1x täglich 750mg, Nüchterneinnahme Vergleich der beiden zugelassenen ALK-Inhibitoren Crizotinib und Ceritinib 1 CA 2.6.2015 Pharmazeutische Chemie - Ceritinib Ceritinib ist nun zugelassen bei ALK-positivem NSCLC, wenn zuvor Crizotinib eingesetzt wurde und trotz Crizotinib-Therapie eine Progression der Erkrankung beobachtet wird oder aber wenn Crizotinib nicht vertragen wird. Die Dosierung beträgt 750mg Ceritinib einmal täglich, d.h. es werden fünf 150mgHartkapseln auf einmal eingenommen. Die Resorptionsrate und damit die Bioverfügbarkeit des Ceritinibs werden stark von der Art der Anwendung beeinflusst. Insbesondere die Einnahme zusammen mit einer fettreichen Mahlzeit führen zu einer immensen Erhöhung von AUC und cmax im Vergleich zur Nüchterneinnahme. Um eine verlässliche, gleichbleibende Resorption zu gewährleisten, sollte die Einnahme immer auf nüchternen Magen erfolgen und die letzte Mahlzeit mindestens zwei Stunden zurückliegen (Fachinformation Zykadia® 2015). Genauso wie Crizotinib ist Ceritinib ein ATP-kompetitiver ALK-Inhibitor. Im Gegensatz zu Crizotinib zeigt Ceritinib keine Aktivität gegenüber der MET-Kinase, hemmt aber den IGF-1-Rezeptor (IGF-1 = insulin-like growth factor 1). Allerdings ist die Hemmung des IGF-1-Rezeptors etwa um den Faktor 50 schwächer als die Hemmung der ALK-Tyrosinkinase (Shaw et al. 2014). In vitro erweist sich Ceritinib als hochwirksam gegen häufige ALK-Mutationen wie L1196M, G1269A, S1206Y und I1171T, allerdings schwächer wirksam gegenüber seltenen ALK-Mutationen wie z.B. C1156Y, G1202R und L1152P (Friboulet et al. 2014, Li et al. 2015). Ceritinib zeigt in der Klinik Response-Raten von 50 bis 60% bei Patienten mit einer sekundär erworbenen Crizotinib-Resistenz. Außerdem zeigte Ceritinib gute Wirksamkeit bei Patienten mit Crizotinib-Resistenz, bei denen aber keine Mutation festgestellt werden konnte (Iacono et al. 2014). Von der chemischen Struktur her zeigen Crizotinib und das neue Ceritinib keine Ähnlichkeiten. Ceritinib besitzt als bewährtes chemisches Template wie schon der erste zugelassene Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib (Glivec®) eine PhenylaminoPyrimidin-Partialstruktur (s. Abbildung 2). Abbildung 2: Strukturvergleich der Phenylaminopyrimidine (in rot) Ceritinib und Imatinib sowie Crizotinib 2 CA 2.6.2015 Pharmazeutische Chemie - Ceritinib Ausgangspunkt für die Entwicklung des Ceritinibs bei Novartis war die Leitstruktur TAE684, die bereits die Phenylamino-Pyrimidin-Struktur beinhaltet und sich in vitro als starker und selektiver ALK-Inhibitor zeigte (Marsilje et al. 2013, Chen et al. 2013). Durch den Austausch der Methoxy-Gruppe am Anilin-Ring durch eine IsopropoxyGruppe konnte die Selektivität für ALK weiter erhöht werden. Als Nachteil für eine weitere klinische Entwicklung erwies sich aber die p-Phenylendiamin-Partialstruktur, die nach metabolischer Oxidation äußerst reaktive Spezies lieferte, die leicht zur Adduktbildung neigten (z.B. mit den nukleophilen Basen der DNS). Durch eine Vereinfachung der chemischen Struktur und durch Wegfall der p-PhenylendiaminStruktur konnte die metabolische Stabilität erhöht werden. Eine Methyl-Gruppe in pPosition zur Isopropoxy-Gruppe reduzierte die metabolische Oxidation am PhenylRing weiter, so dass die Gefahr reaktiver Metaboliten vollständig vermieden werden konnte (s. Abbildung 3). Abbildung 3: Entwicklung des Ceritinibs ausgehend vom TAE684 3 CA 2.6.2015 Pharmazeutische Chemie - Ceritinib Literatur: Chen, J. et al. J Med Chem 2013, 56, 5673 Fachinformation Zykadia® 2015, Novartis Pharma GmbH Friboulet, L. et al. Cancer Discov 2014, 4, 662 Iacono, D. et al. Lung Cancer 2015, 87, 211 Li, S. et al. Clin Lung Cancer 2015, 16, 86 Marsilje, T.H. et al. J Med Chem 2013, 56, 5675 Shaw, A.T. et al. N Engl J Med 2014, 370, 1189 Solomon, B.J. et al. N Engl J Med 2014, 371, 2167 4 CA 2.6.2015