Auszug 1 - Susannah Haberfeld

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Wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des akademischen
Grades eines Master of Advanced Studies in Arts Administration
Universität Zürich
Philosophische Fakultät
DIE KIRCHENOPER
Eine musikwissenschaftliche und kunstsoziologische Bestandsaufnahme
Vorgelegt von
Susannah Haberfeld
Blumenweg 16, CH-8008 Zürich, Telefonr.: 0041 (0)76 392 90 89
[email protected], www.susannah-haberfeld.com
Zürich, 2.April 2013
Betreuer: Prof. Dr. Anselm Gerhard
Die Kirchenoper
Musik ist eine heilige Kunst“
(Hugo von Hofmannsthal, Richard Strauss, ‚Ariadne auf Naxos’)
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Die Kirchenoper
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Die Kirchenoper
Inhalt
1. Vorwort............................................................................................................................... 8 2. Einleitung ......................................................................................................................... 10 3. Musikhistorischer Hintergrund ......................................................................................... 12 4. Biographische Zugänge .................................................................................................... 19 4.1 Olivier Eugène Prosper Charles Messiaen (1908 – 1992) ............................................. 19 4.2 Benjamin Britten ( 1913-1974) ...................................................................................... 21 4.3 Peter Maxwell Davies (*1934)....................................................................................... 25 4.4 John Tavener (*1944) .................................................................................................... 27 4.5 Jonathan Dove (*1953) .................................................................................................. 29 4.6 Komponisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz......................................... 31 5. Aufführungspraxis ............................................................................................................ 33 5.1. Der «Carinthische Sommer» ......................................................................................... 33 5.1.1 Finanzielles .............................................................................................................. 34 5.1.2 Publikum.................................................................................................................. 35 5.1.3 Programm ................................................................................................................ 36 5.1.4.1 Bruno Strobl (*1949) ............................................................................................ 37 5.1.4.2 Peter Deibler (* 1963) .......................................................................................... 38 5.1.4.3 Die Entstehung des Stücks ................................................................................... 39 5.1.4.4 Personen und Instrumente .................................................................................... 40 5.1.4.5 Handlung .............................................................................................................. 40 3.1.4.6 Proben ................................................................................................................... 46 5.1.4.7 Uraufführung ........................................................................................................ 47 5.2 Das «Origen»-Festival ................................................................................................... 49 5.2.1 Giovanni Netzer (*1967) ......................................................................................... 49 5.2.2 Finanzielles .............................................................................................................. 50 5.2.3 Die Bergwelt als Theaterkulisse .............................................................................. 53 5.2.4 Organisation ............................................................................................................ 54 5.2.5 Publikum.................................................................................................................. 55 5.2.6 Programm ................................................................................................................ 55 5.2.7 Die Themen des Festivals 2005-2013 ..................................................................... 56 5.2.8 Laudes und Complet ................................................................................................ 59 5.2.9 Ausblick ................................................................................................................... 60 6. Schlussfolgerung .............................................................................................................. 61 7. Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 64 7.1 Primärliteratur: ............................................................................................................... 64 7.2. Sekundärliteratur ........................................................................................................... 64 8. Anhang ............................................................................................................................. 67 6
Die Kirchenoper
1. Vorwort
Das Telefon klingelt, der Agent aus Wien ist am Apparat. «Für die Uraufführung der
Kirchenoper ‹Die Geburt des Täufers› des finnischen Komponisten Jyrki Linjama wird
dringend eine Mezzosopranistin gesucht – hätten Sie Lust, sich für diese Rolle zu bewerben?»
Ich sage spontan zu, obwohl ich mir unter Kirchenoper nichts vorstellen kann.
Das Werk von Jyrki Linjama sollte 2010 einer der Höhepunkte bilden des Carinthischen
Sommers, eines traditionsreichen Musik- und Kulturfestivals in Kärnten. Während den
Vorbereitungen war die Mezzosopranistin kurzfristig ausgestiegen, jetzt suchte der Intendant
– Daniel Thomas Schlee – dringend einen Ersatz.
Mir wurde der Klavierauszug des Täufers per Email geschickt und ich begann so schnell als
möglich die Arien der Elisabeth, der Mutter des Täufers, zu lernen. Ich arbeitete damals in
Milano am Teatro alla Scala in der Oper «Aus einen Totenhaus» von Leoš Janáček in der
Inszenierung von Patrice Chéreau. Die Premiere anlässlich der Wiener Festwochen hatte
Pierre Boulez dirigiert, in Milano stand nun Esa Pekka-Salonen am Dirigentenpult. Seit der
Premiere 2007 war dieses Stück in verschiedenen europäischen Metropolen aufgeführt
worden. In Milano begann ich nun mit Hilfe der Korrepetitoren der Scala mich mit der Musik
von Jyrki Linjama zu beschäftigen – eine schöne, aber schwierige Aufgabe. Besonders der
rhythmische Aufbau dieser Musik stellte eine Herausforderung dar. Linjama liebt
ungewöhnlich angelegte Triolen, die zu lernen viel Zeit in Anspruch nimmt. Schliesslich fuhr
ich im Zug von Milano nach Wien zum Vorsingen, das in der Wohnung des Intendanten
stattfand. Bereits während der zweiten Arie der Elisabeth unterbrach mich Daniel Thomas
Schlee und sagte: «Danke, das genügt. Sie sind engagiert.»
Es bedeutete mir sehr viel, bei diesem renommierten Festival eine Uraufführung singen zu
können, zumal der Regisseur der bekannte Japanische Schauspieler Yoshi Oida war. Damit
schloss sich in meinem Leben ein Kreis: Ein Schlüsselerlebnis in meiner Jugend war am
Zürcher Theaterspektakel der Besuch des von Peter Brook inszenierten Theaterstücks
«Mahabaratha» in dem Yoshi Oida mitspielte. Dieses Kunsterlebnis prägte meinen
beruflichen Werdegang; damals wurde mir klar, welche Bühnenkunst mich anzog: eine
Theaterform, die sich mit der Essenz des Menschsein auseinandersetzt. 1998 bekam ich eine
Anfrage von der Académie Européenne d'Aix-en-Provence in einer Produktion von Peter
Brook mitzuwirken. Der englische Theaterregisseur hatte sich die Oper «Don Giovanni»
vorgenommen. Yoshi Oida war mit von der Partie, er leitete während den Proben das
Körpertraining. Das Stück mit Peter Mattei in der Hauptrolle des Don Giovanni wurde im
Rahmen einer Welttournee 89 Mal aufgeführt. Jetzt würde ich also Yoshi wieder begegnen.
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Die Kirchenoper
Damals sang ich im Chor, jetzt war ich Solistin und Hauptdarstellerin; damals beschäftigte
uns eine «Opera buffa», eine musikalische Komödie, jetzt stand eine Kirchenoper auf dem
Programm.
So begann ich mich für das Genre Kirchenoper zu interessieren. Bald zog mich diese
Mischung von Tradition und Innovation, von alten religiösen Sehnsüchten und Neuer Musik
in ihren Bann. Könnte es sein, dass zeitgenössische Musik einen Zugang schaffen könnte zu
spirituellen Erfahrungen längst vergangener Zeiten? Könnte die urmenschliche Sehnsucht
nach Ruhe, Einkehr, nach ewig Bedeutungsvollem vielleicht die Ohren öffnen für die
musikalischen Ausdrucksformen der Gegenwart?
Als Solistin übernahm ich anlässlich des Carinthischen Sommers nach 2010 auch 2012 die
Titelrolle bei der Uraufführung einer Kirchenoper. Wiederum wurde eine biblische
Geschichte vertont: Bei der von Bruno Strobl geschriebenen Oper «Sara und ihre Männer»,
bildete «Sara» den Mittelpunkt der Handlung. Im Zusammenhang mit meiner universitären
Ausbildung im Bereich Kulturmanagement drängte es mich nun, mich mit dem Thema
Kirchenoper auseinanderzusetzen.
Jyrki Linjama und Bruno Strobl sind nicht die ersten modernen Komponisten, die sich für
religiöse Themen und Motive interessieren. Vor ihnen sind etwa auch schon Benjamin Britten,
Peter Maxwell Davies, John Tavener oder Jonathan Dove mit entsprechenden Werken
aufgefallen. Ich ging davon aus, dass ich mein Erkenntnisinteresse bei der Lektüre von
musikwissenschaftlichen Monografien würde schärfen können. Doch zu meinem grossen
Erstaunen fand ich nur sehr wenig Fachliteratur zum Thema Kirchenoper. Wie kommt das?
Warum interessiert sich heute kaum jemand für diese Genre? Ist die Kirchenoper ein letzter
Reflex eines längst verlorenen Gottesglaubens, vergessener Rituale? Oder ist – im Gegenteil
– die Kirchenoper früher Vorbote einer neuen Religiosität?
Wieso suchen so viele Menschen nach spirituellen Erlebnissen, gehen aber sowohl den
etablierten Kirchen als auch der ernsten Musik aus dem Weg? Was sind das für Menschen,
die sich beispielsweise anlässlich des Carinthischen Sommers zeitgenössische Kirchenmusik
anhören? Würden gläubige Menschen sich freuen, wenn während des Gottesdienstes in der
Kirche zeitgenössische Musik gespielt würde? Wie kommt es, dass traditionelle geistliche
Musik, die etwa im Rahmen des Origen-Festivals ausserhalb der Kirchen, an ungewöhnlichen
Orten und oft auch draussen in der Natur aufgeführt wird, sich als Publikumsmagnet erweist?
Würden Menschen, die ihren Glauben verloren haben, eine Kirche betreten, um dort diese
Musik zu hören? Oder zerfällt, mit der Mitgliederbasis der Landeskirchen, auch die
Daseinsberechtigung und die ökonomische Grundlage dieser Musik?
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Die Kirchenoper
Was ist eine Kirchenoper überhaupt? Was macht dieses Genre aus? Welche Komponisten
haben sich damit auseinander gesetzt? Warum haben sie das getan? Was braucht es, dass
dieses Genre sein Publikum findet und dass die damit beschäftigten Musiker ein Auskommen
haben?
Die vorliegende Arbeit wird das gegenwärtige Kirchenoper-Schaffen anhand von
ausgewählten Biografien und Werken dokumentieren. Durch Interviews mit Komponisten,
Künstlern und Intendanten, die sich jüngst um die Kirchenoper verdient gemacht haben,
werden künstlerische Visionen und kommerzielle Möglichkeiten dieses Genres aufgezeigt
werden. Weiter wird an Hand von zwei Festivals der Frage nachgegangen, wie dieses Genre
am besten vermarktet und einem breiten Publikum näher gebracht werden kann: dem
«Carinthischen Sommer» in Österreich, der seit über zwanzig Jahren die Kirchenoper in den
Mittelpunkt stellte und dem jungen «Origen»-Festival in der Schweiz, das sich diesem Genre
äusserst innovativ annähert. Das «Himmel-auf-Erden»-Festival in der Lutherstadt Wittenberg,
das seit 2011 ein erfolgreicher Treffpunkt für Liebhaber dieser Themen geworden ist, hat
leider auf meine verschiedentlichen Versuche, Kontakt aufzunehmen, nicht reagiert. Es wird
deswegen nicht vertieft vorgestellt. Interessant ist, dass dies eines der wenigen Festivals ist,
dass in einem reformierten und nicht katholischen Ort entstanden ist. Das Festival arbeitet
längerfristig auf das Luther Jahr 2017 hin.
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