Karawane der Astronomie Kleine Astronomielektion in 7 Einheiten von Susanne M. Hoffmann Autorin: Sanne M. Hoffmann ©Urania Uhura, 2007 Grafik: Sanne M. Hoffmann Typographie: Sanne M. Hoffmann Titelbild: Jérôme Blößer (Mauretanien 2005) 2 Inhaltsverzeichnis 1 Kulturgeschichte der Astronomie 1 2 Tag der Sonne: Erleuchtungen 2 2.1 Astronomie für den Alltag . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2.2 Nach unten zum Himmelspol . . . . . . . . . . . . . . . 3 2.3 Was sind eigentlich die Gestirne? . . . . . . . . . . . . . 3 2.4 Genüssliche Himmelsbeobachtung . . . . . . . . . . . . . 5 2.5 Warum ist es in der Sahara so trocken? . . . . . . . . . 7 3 Tag des Mondes 11 3.1 Die islamische Sichel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.2 Der Mond im Christentum . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.3 Entstehung der Mondphasen 3.4 Lunare Einflüsse auf die Erde . . . . . . . . . . . . . . . 16 3.5 Der himmlische Kalender . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4 Tag des Mars 4.1 . . . . . . . . . . . . . . . 14 20 Die großen Planeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 5 Tag des Merkur: Unterwegs 25 5.1 Drehbare Sternkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 5.2 Der Sternhimmel auf Reisen . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6 Tag des Himmelsherrschers 28 6.1 Orientierungshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 6.2 Sternbilder der Saison . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 6.3 Bilder und Zeichen im Jahreslauf . . . . . . . . . . . . . 33 I 7 Tag der Venus 35 7.1 Die Milchstraße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 7.2 Galaxien am Nachthimmel . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 8 Tag des Saturn 37 8.1 Sternentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 8.2 Moderne Astrophysik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 8.3 Daten und Fakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 8.4 Monatsdefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 9 Über diese Monographie 41 9.1 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 9.2 Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II 1 Kulturgeschichte der Astronomie Astronomische Motive durchkämmen aus historischen Gründen unseren Alltag – sei es in den Namen von Autos (Trabant wegen des Baujahrs 1957 des Sputnikstarts oder Subaru für Plejaden) oder Süßigkeiten (MilkyWay- oder Mars-Schokoriegel). Oftmals wird sie mit Astrologie verwechselt, doch da muss ich leider von vornherein enttäuschen: Die Sternkunde und die Sterndeutung haben zwar historisch gemeinsame Wurzeln. Heute haben sie miteinander nichts mehr zu tun. Auf einiges Wissenswerte dazu werden wir beim Thema Sternbilder eingehen. Die schleichenste Verwendung astronomischer Motive finden wir im christlichen Kulturkreis bei den Wochentagen. Wir haben sieben Wochentage, weil im Altertum sieben Planeten bekannt waren, also sieben Hauptgottheiten, nach denen die Tage benannt wurden. Noch nie bemerkt? Machen wir es uns einmal bewusst: deutsch Sonntag Montag Dienstag engl. Sunday Monday Tuesday Wednesday Donnerstag Freitag Thursday Friday Saturday Sonne Mond Tiuz Wodan Donar/ Thor Freia/Frigga französisch lat. lundi mardi mercredi jeudi vendredi Luna Mars Merkur Jupiter Venus Saturn Im arabischen sind die Namen der Wochentag übrigens nicht von den Planeten abgeleitet, sondern erzählen von Gottes Schöpfung der Welt binnen sieben Tagen laut dem Alten Testament. Niemand weiß, ob es mehr Sandkörner in der Sahara als Sterne im Universum gibt. Im Folgenden möchten wir Sie auf eine einwöchige Reise durch die einsamen Weiten der Sandwüste und des Sternhimmels mitnehmen. 1 2 2.1 Tag der Sonne: Erleuchtungen Astronomie für den Alltag Zur Orientierung in Raum und Zeit sind astronomische Motive besonders gut geeignet, da sie (im Gegensatz zu Strukturen in der Landschaft) auch bei ausgedehnten, längeren Reisen stabil bleiben. Ein sehr nützlicher Tipp ist tags das Finden der Südrichtung anhand des Sonnenstandes mit einer Uhr und nachts das Finden der Nordrichtung mit dem Polarstern. Abbildung 1: Tagbogen der Sonne. Am Tage Die Sonne wandert von 6 bis 18 Uhr einen Halbkreis über den Himmel, der Stundenzeiger läuft in (diesen) 12 Stunden aber einen ganzen Kreis. Mittags um 12 Uhr (Ortszeit!, meist nicht Zeitzone von Deutschland) steht die Sonne per definitionem im Süden – jetzt legen wir unsere Uhr so hin, dass der Stundenzeiger auf die Sonne zeigt. Nach Westen zeigt jetzt die Ziffer 3“, doch dauert der Nachmittag ” bekanntlich 6 Stunden bis zum Sonnenuntergang um 18 Uhr. Die Sonne ist also halb so schnell wie der Uhrzeiger: während er einen vollen Umlauf (auf dem Zifferblatt) in 12 Stunden schafft, braucht die Sonne für einen vollen (scheinbaren) Umlauf am Himmel eines Erdbewohners 24 Stunden. Zur Orientierung am Vor- und Nachmittag heißt das für uns: Richtet man den kleinen Zeiger auf die Sonne, weist nicht die 12“ nach Süden, ” sondern die Mitte zwischen ihr und dem Stundenzeiger. (Siehe Abb. 2) 2 Abbildung 2: Richtet man am Tag den kleinen Zeiger einer Uhr auf die Sonne, so weist die Winkelhalbierende zur Zwölf nach Süden. Übrigens: funktioniert so nur auf der Nordhalbkugel. Auf der Südhalbkugel muss für diesen Trick“ die Uhr überkopf gehalten werden und unsere Linie ” weist nach Norden. 2.2 Nach unten zum Himmelspol Am Nachthimmel empfiehlt sich der Große Wagen zum Auffinden des Polarsterns. Dieser ist bei Weitem nicht der hellste Stern des Himmels (schon sechs der sieben Sterne im Großen Wagen sind heller), aber er steht an ausgezeichneter Stelle am Himmel und hilft uns daher in zweierlei Hinsicht: Fällen wir ein Lot von hier zum Horizont, haben wir die Nordrichtung gefunden. Ein Kompass, der sich am Magnetfeld der Erde orientiert, zeigt übrigens zum magnetischen Süd pol der Erde, also derzeit nach Canada. Daraus ergibt sich eine größere Missweisung in Europa und Afrika, die nur in Amerika klein ist. 2.3 Was sind eigentlich die Gestirne? Wir unterscheiden am Himmel zwischen leuchtenden und beleuchteten Körpern. Die Begriffe Sonne und Stern sind synonym, da es sich bei diesen um große, selbstleuchtende Gaskugeln handelt, die ihre abzustrahlende Energie durch Kernfusion selbst erzeugen. 3 Abbildung 3: Beobachtungen mit dem bloßen Auge: Der Große Wagen (eigentlich Teil der Großen Bärin) wandert um den Polarstern. Etwa gegenüber liegt das Sternbild Cassiopeia, das Himmels- W“. Beide ge” hen in Europa niemals unter. Der Polarstern ist übrigens die Deichselspitze des Kleinen Wagens (respektive die Schwanzspitze der Kleinen Bärin). Diesem Begriff gegenübergestellt werden die Planeten, die nicht selbst leuchten, sondern von einem Stern angestrahlt werden. Unsere Sonne beleuchtet die Körper des Sonnensystems, weshalb man die größten als kleine Lichtpunkte am Nachthimmel sehen kann. Mit dem Teleskop können wir sie evtl. sogar auflösen und ein paar Charakteristika erkennen. 4 Abbildung 4: Die Missweisung des Kompass hängt von der geografischen Breite ab. Da die Magnetpole nicht mit den geografischen (Rotation) übereinstimmen, weist der Kompass (rot) nicht zum Nordpol, sondern nach Canada. 2.4 Genüssliche Himmelsbeobachtung Beobachtungen mit dem bloßen Auge Was können wir eigentlich alles sehen? . . . tja, das hängt z. B. vom Wetter, vom Standort und der Güte der eigenen Augen ab. Ein Stück weit sind die Augen trainierbar: Suchen Sie z. B. einmal die junge Mondsichel, nur wenige Stunden nach Neumond oder die Venus am Tag! Wie weit kann man schauen? . . . es kommt immer darauf an, wo man hin schaut. Leicht kann man mit dem freien Auge den Andromeda-Nebel sehen, der unsere nächste Nachbargalaxie ist. Also sieht man schon mit dem bloßen Auge in eine Entfernung von 2.2 Millionen Lichtjahren. Wo aber z. B. der Mond Entfernteres verdeckt, sehen wir aber nur eine Lichtsekunde weit. – Egal, ob mit freiem Auge oder dem Teleskop, denn auch mit einem Fernrohr können wir nicht durch ihn hindurch schauen. Wozu braucht man ein Teleskop? Die Übersetzung des Wortes ins Deutsche ist Fern-Sehen, also ein Gerät, mit dem man in die Ferne 5 schaut. Im Alltag kennt man es als Vergrößerungsglas – ein schöner Nebeneffekt für die Astronomie; viel wichtiger ist uns aber hauptsächlich etwas anderes: Nachts ist die Hauptaufgabe eines jeden Teleskops seine Funktion als Lichteimer“: es soll viel Licht sammeln, da entfernte ” Objekte uns sehr schwach am Himmel erscheinen und evtl. unter der Wahrnehmungsgrenze liegen. Dies erfordert eine große Öffnung, d. h. großen Objektivdurchmesser. Abbildung 5: Teleskope gibt es in verschiedenen Bauarten: links: Reflektoren; rechts: Refraktor. Je nachdem, auf welches optische Bauteil das Licht zuerst trifft, unterscheidet man Linsenfernrohre (Refraktoren) und Spiegelfernrohre (Reflektoren). Beim astronomischen (Keplerschen) Fernrohr wird das Licht durch eine Sammellinse fokussiert, um kurz hinter dem Brennpunkt ein verkleinertes, aber sehr helles Bild zu erzeugen. Dieses Bild wird durch das Okular betrachtet und mithin vergrößert. Die Funktionsweise von Reflektoren ist ähnlich, nur dass hier das Licht mit Spiegeln eingefangen wird. Die Abbildung 5 zeigt verschiedene Fernrohrtypen, von denen jedes seinen konkreten Anwendungszweck hat. 6 2.5 Warum ist es in der Sahara so trocken? Jedes Kind weiß: Die Wüste ist heiß, weil da immer die Sonne scheint. Weil es so heiß ist, regnet es nicht – oder regnet es nicht, weil es so heiß ist? – Beides ist richtig. Überlegen wir mal genauer, stellen wir fest: Unsere Erde wird von zwei breiten Wüstenstreifen umspannt, die um die Wendekreise liegen. Offenbar hat dies also mit der Sonneneinstrahlung zu tun. Betrachten wir daher zuerst die wichtigen Bestrahlungszonen der Erde und den Sonnenlauf. Die Rotationsachse der Erde (gestri- Abbildung 6: Die Bestrahlung der Erde durch die Sonne. Am Äquator (0◦ ) befindet sich der tropische Regenwald (grün). Nördlich und südlich davon wird es trockener bis zu den Wüstenregionen (orange) der Wendekreise (WK) bei jeweils 23.◦ 5 Breite. Die Subtropen und gemäßigten Breiten werden polwärts durch die Polarkreise (PK) begrenzt. chelt in Abb. 6) ist um 23.◦ 5 gegen die Bahnebene des Erdumlaufs um die Sonne (die Horizontale in der Abbildung) geneigt. Daher wird ein bestimmter polnaher Bereich der Erde nicht vom Sonnenlicht erfasst. In der Abbildung ist es der Bereich nördlich des gelben (obersten) Sonnenstrahls. Auf der Nordhalbkugel ist daher Winter, am Nordpol herrscht Polarnacht, am Südpol Polartag. Am südlichen Wendekreis trifft das Sonnenlicht (4. Strahl von unten) senkrecht auf die Erde; die Sonne steht also mittags im Zenit. Dieser Zeitpunkt wird Wintersonnenwende (der Nordhalbkugel) genannt; es ist der 21. Dezember. 7 Da die Sonne am Sternhimmel nun den Bahnabschnitt namens Capricornus (oder deutsch auch Steinbock ) betritt, heißt diese südliche Breite Wendekreis des Steinbocks. In Namibia findet man dies z. B. am Straßenrand ausgeschildert. Abbildung 7: Der Wendekreis des Steinbocks. Wie im Himmel so auf Erden: ein Straßenschild in Namibia. Während des Erdumlaufs um die Sonne, neigt sich die Nordhalbkugel dem Zentralgestirn entgegen: Am 21. März steht es genau über dem Äquator. Da an diesem Tag überall auf der Erde Tag und Nacht gleich lang sind, heißt dieses Datum Äquinoktium oder deutsch Tagund Nachtgleiche. Wenn die Sonne nun weiter nach Norden läuft, wird im Laufe des Jahres die Ausgangssituation umgekehrt: Am 21. Juni ist wieder eine Sonnenwende, weil die Sonne über dem nördlichen Wendekreis steht und mithin ihren nördlichsten Punkt erreicht hat. Die alten Griechen nannten den Bahnabschnitt unter den Sternen, den sie an diesem Tag betritt Krebs, weil sich von nun an die bisherige Bewegungsrichtung der Sonne umkehrt (so wie das Tier rückwärts geht, läuft sie nun wieder nach Süden). Für Nordhalbkugelbewohner heißt das: Die Tage werden wieder kürzer, die Nächte länger; auf der Südhalbkugel invers. Am 23. September ist wieder Tag- und Nachtgleiche und am 21. Dezember beginnt das Spiel erneut. Klimata der Tropen Das griechische Wort klima (κληµα) bedeutet eigentlich Breitenkreis und wurde von dem Philosophen Parmenides (6./5. Jh. v. Chr.) eingeführt, als er die Erdkugel1 mit einem Gradnetz 1 Die Kenntnis von der Kugelgestalt der Erde ist seit ca. 500 v. Chr. bei den Pythagoräern belegt. In der Antike zweifelte niemand daran, dass die Erde kugelförmig 8 überzog. Heute meint man mit diesem Wort das großräumige Wettergeschehen, weil dies weitgehend mit dem Breitenkreis zusammenhängt. Betrachten wir zuerst das Wetterszenario zur Tag- und Nachtgleiche: Wenn die Sonne über den Tropen steht und den Regenwald aufheizt, dehnt sich die Luft aus und nimmt viel Feuchtigkeit auf. Vormittags drückt die warme, feuchte Luft rasch nach oben und bildet dicke Haufenwolken. Je dicker sie sich auftürmen, desto weniger kommt die Sonnenstrahlung hindurch. Auf der Erde wird es etwas kühler und am Nachmittag hat der aufwärts gerichtete Luftstrom so weit nachgelassen, dass sich die Wolken abregnen können. So entsteht das im Tagesrhythmus wiederkehrende Wetter des Regenwaldes. Am Äquator bildet sich daher eine Kette von Tiefdruckgebieten, die äquatoriale Tiefdruckrinne. Abbildung 8: Die tropische Passatzirkulation Die tropische Passatzirkulation Aus den Hochdruckgebieten an den Wendekreisen drückt die Luft heraus und bildet bodennah starke, äquatorwärts wehende Winde aus. Der Bereich in der Mitte, wo der ist. Man konnte sich nur nicht vorstellen, dass sie sich bewege, insbesondere um die Sonne – dahingehende Theorien z. B. von Herakleides Pontikus oder Aristarch von Samos wurden als Irrlehren bekämpft. 9 nördliche und der südliche Passatstrom aufeinanderteffen, heißt innertropische Konvergenz (siehe Abb. 8). Die trägen Luftmassen bleiben hinter der raschen Drehung der Erde (innerhalb von ca 24 Stunden um die eigene Achse, d. h. am Äquator mit einer Geschwindigkeit des Erdbodens von fast 1 700 km/h!) von West nach Ost ein wenig zurück. So scheinen diese Strömungen abglenkt zu werden und wehen daher auf der Nordhalbkugel aus Nordost und auf der Südhalbkugel aus Südwest. So kennt man sie als Passatwinde (bzw. im asiatischen Raum als Monsun). Abbildung 9: Wendekreiswüsten nördlich und südlich der Tropen: die Sahara im Norden und die Namid und Kalahri im Süden Afrikas. Auf den anderen Kontinenten gibt es Analoga. Wenn der Sonnenstand sich im Laufe des Jahres nach Norden oder Süden verschiebt, folgt ihm das Windsystem. In Mauretanien auf der Nordhalbkugel gibt es also z. B. im September/Oktober und im März/ 10 April den Passat. Da der Nordpassat aus Nordosten kommt, bringt er in der südlichen Sahara ausschließlich trockene Luft der Nordsahara oder Arabiens. Im Dezember/ Januar ist die Passatzirkulation so weit in den Süden verschoben, dass die subtropischen Winde aus Westen dominieren. Im Juni/ Juli bewirkt der hohe Sonnenstand ein Tiefdruckgebiet und mithin nur schwache horizontale Luftbewegungen. Entstehung der Wüste. Wenn die warme Luft aufsteigt, kühlt sie ab. Sie zieht sich folglich zusammen und da sie nun schwerer ist als die warme Luft, zieht die Erde sie an. Die nachkommende warme Luft von unten verhindert aber, dass die kalte fällt und während die Wassertropfen zu Wolken zusammenklumpen, strömt die kühlere Luft polwärts (also seitwärts in Abb. 8). Erst über den Wendekreisen kann sie absteigen, weshalb sich dort große Hochdruckgebiete bilden. Da die Luft dann alle Feuchtigkeit bereits verloren hat, entstehen an den Wendekreisen große Trockenzonen – also Sandwüsten wie die Namib und die Sahara. 3 Tag des Mondes In allen Kulturen der Welt hat der Mond große Bedeutung. Für die moderne globale Zivilisation ist er die Schwelle zur Kosmoserkundung: Als unser nächster Himmelskörper wurde der Mond bereits im 20. Jahrhundert als einziger von Menschen betreten. Da seine Masse und Maße viel kleiner sind als die der Erde, hat er eine deutlich geringere Anziehungskraft: Springt ein Astronaut auf der Erde einen halben Meter hoch, so triebe ihn dieselbe Kraft auf dem Mond ca. 3 m in die Höhe. (weitere Daten des Mondes sind im Anhang, Kap. 8.3 augeführt.) Der deutsche Dichter Christian Morgenstern (1871 – 1914) schrieb über ihn als Merkspruch: Als Gott den lieben Mond erschuf gab er ihm folgenden Beruf: beim Zu- sowohl wie beim Abnehmen 11 sich deutschen Lesern zu bequemen, ein A formierend und ein Z, dass keiner groß zu denken hätt’. (. . . ) So sollten sich die Leute merken, wie man beim Anblick einer Sichel die aktuelle Phase herausfinden kann – und dafür wird der Merkspruch auch noch heute genutzt. Ein Jammer nur, dass kaum noch jemand die alten Schriftzeichen aus dem 19. Jahrhundert lesen kann, bei denen das so hübsch offensichtlich ist. Allerdings funktioniert diese Regel ohnehin nur auf der Nordhalbkugel der Erde. Da wir uns im Süden gen Norden wenden, um den Mond zu sehen2 , erscheint uns dort genau das Gegenteil der Fall zu sein. Der abnehmende Mond hat den Bogen des Z“ und der zuneh” mende den des A“. ” Geschickter ist folglich die Merkregel: Sehen wir die (schmale) Sichel des Mondes abends, nimmt der Mond zu. Sehen wir die Mondsichel morgens, nimmt er ab. Abbildung 10: Am Abend nimmt die Sichel zu, am Morgen nimmt sie ab. Überlegen kann man sich das anhand der Skizze 10 sehr einfach. Dann sieht man auch, dass allein der Vollmond (der Sonne gegenüber stehend) die ganze Nacht durch zu sehen ist. Er geht auf, wenn die Sonne untergeht und mit ihrem Aufgang verschwindet er. Jeder Halbmond ist z. B. nur eine Hälfte der Nacht (und die jeweils angrenzende Hälfte des Tages) am Himmel zu sehen. 2 Auf der Nordhalbkugel wandert der Mond mit den Gestirnen über Süden. 12 3.1 Die islamische Sichel Die liegende Sichel beobachtet man in Mitteleuropa nur sehr selten oder nie. Die Ursache für dieses Phänomen ist, dass wir die schmale Sichel meist in der Dämmerung und mithin in der Nähe des Horizontes wahrnehmen. Er wirkt für uns daher wie eine Linie, auf der man beim Schreiben die Buchstaben anordnet. Da der Himmelsäquators und alle Sternbahnen an äquatornahen Orten der Erde wesentlich steiler aufund untergehen als in gemäßigten und polaren Breiten (siehe Abb. 18), kippt sich auch die Mondbahn und die Sichel. Dieser Unterschied macht sich schon zwischen Nordeuropa und der arabischen Welt bemerkbar und ist bei der Mondsichel besonders eindrucksvoll beobachtbar. Da die Mondbahn gegen die Sonnenbahn und diese gegen den Äquator geneigt ist, verhält es sich im Grund etwas komplizierter als Abb. 11 es vermuten lässt. So kann es bei (seltenen) Extremstellungen sogar in Deutschland schon eine liegende Sichel geben: In München geht es noch wirklich waagerecht, aber je weiter man nach Norden kommt, desto aufrechter steht der Mond. 3.2 Der Mond im Christentum Da die Christen den römischen Sonnenkalender übernahmen und als ihre Ikone kein Gestirn, sondern ein Folterinstrument wählten, sind astronomische Zusammenhänge weniger offensichtlich. Neben dem (Weihnachts-)Stern von Bethlehem3 ist die wichtigste astronomische Aufgabe wohl die Berechnung des Oster-Datums, also des höchsten Festes der Christenheit. Jesu Kreuzigung wird laut Bibel mit dem jüdischen Pascha-Fest in Zusammenhang gebracht, weshalb zur Datierung wieder ein Mondkalender genutzt wird. Die Vorschrift ist: Ostersonntag ist der Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühjahr. Frühlingsbeginn ist (ebenfalls ein astronomischer Termin) am 21. März, da dann Tag und Nacht gleich lang sind (Äquinoktium; siehe Kap. 2.5). 3 Wahrscheinlich handelte es sich dabei um eine dreifache Konjunktion (enge Begegnung) von Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische, die sich im Jahre 7 abspielte. 13 Abbildung 11: Die Sichel des Mondes liegt in den Teilabbildungen in der gleichen Weise zwischen den Himmelslinien. Doch die Mondbahn verläuft im Süden steiler, weshalb in der arabischen Welt die Schüsselsichel häufiger ist als in Europa. Die gestrichelte Linie unterm Mond ist das auftreffende Sonnenlicht längs seiner Bahn. 3.3 Entstehung der Mondphasen Die Halbmonde, Sicheln und sonstigen Teilfiguren des kreisrunden Vollmondes heißen Phasengestalten“. Sie entstehen durch den wechseln” den Anblick des von der Sonne beleuchteten Himmelskörpers bei seinem Umlauf um die Erde. Die Abbildung zeigt den Umlauf des Mondes um die Erde unter Bestrahlung durch die Sonne. Von der Mondkugel steht immer eine Hälfte im Sonnenlicht, während die andere Hälfte im Schatten ist. Der außen stehende Betrachter sähe den Mond stets halb beleuchtet (Außenring im Abb. 12). Da wir meist von der Erde aus beobachten, können wir stets nur diejenige Seite sehen, die uns zugewandt ist – und von dieser ist immer ein anderer, wechselnder Anteil beleuchtet. In der Abbildung entspricht der Teil innerhalb der Kreisbahn der von uns gesehenen Seite. Dies herausgreifend, ist im inneren Ring der Anblick des Mondes am Him14 Abbildung 12: Die Entstehung der Mondphasen. Der Stern und der Kreis sind Markierungspunkte, die dem Textverständnis dienen. mel des irdischen Betrachters dargestellt. In ungefähr einer Umlaufzeit (1 Monat) dreht sich der Mond auch um die eigene Achse. Durch diese Drehung kehrt er der Erde immer die gleiche Seite zu. In der Abbildung 12 ist dies durch den Kreis und das Sternchen veranschaulicht. Sie seien Strukturen auf der Mondoberfläche, vielleicht ein bestimmter Berggipfel, Krater o. ä. Der Stern befindet sich auf der uns stets abgewandten Seite und wäre von der Erde aus immer unsichtbar. Den Kreis sähe ein Erdenbewohner auf der rechten Seite der Mondscheibe“. Bei zunehmendem Mond liegt ” der Kreis auf der beleuchteten Seite; bei abnehmenden Mond auf der schattigen, unsichtbaren Seite. Da die synodische Umlaufzeit des Trabanten nicht exakt seiner Rotationsdauer entspricht, kippt und nickt das scheinbare Mondgesicht dergestalt, dass insgesamt ca. 60 % der Oberfläche beobachtbar sind. 15 Unser Trabant umläuft beständig den Erdenball und ist so wendig, dass er uns stets zeigt das Gesicht; den Hinterkopf sehen wir nicht. Der gute Mond wiegt mit Bedacht sein weises Haupt in stiller Nacht. Mal zeigt er uns das rechte Ohr, dann kommt das linke mal hervor. Quittiert’s Geschehn mit leichtem Nicken, so könn’ wir Kinn und Stirn erblicken. Darum im Lauf der Zeit man kennt, mehr als die Hälft’, sechzig Prozent. (Dalena) 3.4 Lunare Einflüsse auf die Erde Selbstverständlich hat der Mond Wirkungen auf die Erde! Allerdings sind sie sicher nicht derart mannigfaltig, wie sie mancher Mondgläubiger uns einreden möchte. Gewiss: Er ist das einzige wandelbare Gestirn, dessen schnelle, regelmäßige Veränderung wir mit unseren Sinnen erfassen können. Eine hell erleuchtete Vollmondnacht erleben alle Pflanzen und Tiere völlig anders als eine mondlose Nacht. Da die Mondperiode dem Sexualzyklus der menschlichen Frau4 ähnelt, gibt und gab der Mond auch Anlass für viele Rätsel und Mythen. Physikalisch. . . ist lediglich sein Einfluss auf die irdischen Meere in Form des Tidenhubs messbar: Ein Flutberg entsteht auf der Erde genau unter dem Mond und einer ihm gegenüber5 . Da die Erde sich 4 übrigens auch der Primaten-Weibchen Entstehung des ersten Flutberges ist durch die Anziehungskraft des Mondes schnell plausibel. Der zweite ist ein Resultat der Fliehkraft von der Eier“bewegung ” der Erde um den Schwerpunkt, um den sie und der Mond sich drehen. 5 Die 16 unter diesen beiden Kraftrichtungen hinweg dreht, wird jeder Ort binnen eines Tages zweimal leicht angehoben“. Während dies auf dem ” Festland kaum spürbar ist, entstehen auf den Weltmeeren zwei Flutberge (Abb. 13). Daher erlebt jeder Küstenort zweimal täglich Ebbe und Flut. Sie hängen ursächlich von der Anziehungskraft des Mondes ab, können aber von der der Sonne verstärkt oder geschwächt werden. Die Tiden sind besonders hoch, wenn sich die Anziehungskräfte der Sonne und des Mondes addieren (Springflut bei Vollmond und Neumond) und besonders niedrig, falls Sonne und Mond einander entgegen wirken (Halbmond). Abbildung 13: Die Gezeiten werden durch den Mond verursacht. Licht. Besonders in weiten, nicht urbanisierten Gegenden fallen die großen Beleuchtungsunterschiede zwischen Vollmond und Halbmond auf. Nicht nur die Nomaden der Sahara berichten von Pflanzen, die nur bei Vollmond wachsen und blühen. Auch Nachtschwestern in Krankenhäusern und Altenheimen mitten in Europa berichten von größerer Unruhe ihrer Patienten in hellen Vollmondnächten. Es steht außer Frage, dass die größere Helligkeit allem, das Augen hat, bewusst ist. Ob dieser Effekt allerdings tatsächlich existiert, konnte bisher nicht statistisch erwiesen werden. Vielleicht beruht die Vollmondschlaflosigkeit 17 so wie der vermeintliche Mondeinfluss auf Geburtenraten auf selektiver Wahrnehmung? Gewiss dürfen sonstige – quasi magische“ – lunare Wirkungen auf ” Mensch, Tier und Pflanzen in Frage gestellt werden. Für das Fällen von Bäumen, die Saat von Tomaten6 oder die Geburt eines Kindes sind ebenfalls andere Einflüsse wesentlich entscheidender als die des Mondes. Der Termin für den nächsten Friseurbesuch muss sicher nicht von der Mondphase abhängig gemacht werden. 3.5 Der himmlische Kalender Der Monat ist die Zeiteinheit eines Mondumlaufes – soweit weiß man das aus der Schule. Genauer betrachtet gibt es aber den“ Monat gar ” nicht, sondern tatsächlich verschiedene Arten der Zählweise. Was wir in unserem Kalender nachlesen können und mit Januar, Februar,. . . usw. bezeichnen, sind festgelegte Einheiten von 28 bis 31 Tagen, die sich ergeben, indem die Anzahl der Tage des Jahres (365) in zwölf etwa gleich lange Stücke geteilt wird. Unser Kalender ist ein Sonnenkalender, was z. B. an der Definition von Geburtssternzeichen der Astrologie (siehe Kap. 6.3) offensichtlich ist. Demnach steht die Sonne am Himmel an einem bestimmten Datum (z. B. einem Geburtstag) jedes Jahr vor dem gleichen Sternbild. Betrachten wir aber an einem bestimmten Datum über viele Jahre die Mondphase (z. B. an Ihrem Geburtstag), dann werden wir feststellen, dass diese von Jahr zu Jahr verschieden ist. Im Sonnenkalender ist also das Jahr diejenige Zeit, die die Sonne braucht, bis sie wieder vor dem gleichen Punkt am Himmel steht (im gleichen Sternbild). Eine andere Möglichkeit zur Erklärung eines Kalenders ist, sich ausschließlich nach dem Mond zu richten. Abzählen kann man, dass binnen unseres Sonnenjahres im Schnitt zwölf Vollmonde auftreten. Eher mondorientierte Kulturen (typischerweise dort ansässig, wo es nicht ganz so starke saisonale Wetteränderungen gibt wie in Mitteleuropa) haben daher zwölf Vollmonde zu einem Jahr zusammengefasst. Die 6 Vielleicht geht die Saat bei Vollmondlicht schneller auf, aber an einem Einfluss auf die Gesundheit oder den Ertrag der Pflanzen darf gezweifelt werden. 18 Zeit von einem Vollmond zum nächsten mit 29.5 d nennen Astronomen synodischen Monat, um ihn vom siderischen (u. a.) Monat zu unterscheiden (siehe Anhang, Kap. 8.3). Ausrechnen zeigt, dass 12·29.5 d = 354 Tage sind und somit anderthalb Wochen weniger als das Sonnenjahr. Wenn – wie z. B. im Islam der Fall – kein Abgleich mit dem Sonnenjahr stattfindet, dann verschiebt sich das Mondjahr gegenüber dem Sonnenjahr im Laufe der Zeit. Ein bestimmter Monat des Mondkalenders (z. B. der islamische Fastenmonat Ramadan) ist also mal in unserem Februar, mal im September. Praktische Anwendung Weil der Mond innerhalb von ca. 30 Tagen um die Erde läuft, rückt er am Himmel jeden Tag ein Stück weiter. Seine Laufrichtung ist dabei von West nach Ost(!); er läuft also wie die Sonne von den Fischen in den Widder, in den Stier. . . Dabei ändert er seine Gestalt (Kap. 3.3). So zeigt er uns einen weiteren praktischen Nutzen astronomischer Kenntnisse auf: Da wir im Urlaub nicht mehr in unserem gewöhnlichen Arbeitsrhythmus sind und man mithin leicht die Wochentage vergisst, ist die Beobachtung des Mondauf- bzw. -untergangszeitpunkts eine gewitzte Methode der Datumbestimmung. Durch Abschätzen des Winkels, den der Mond bisher zurücklegte (anhand der Phasengestalt oder z. B. mit den Händen, siehe Abb. 19 auf S. 28), kann selbst ein einsamer Wanderer auf seiner Reise ohne größere Schwierigkeiten das Datum oder die Anzahl der Tage seit Reisebeginn bestimmen. Man weiß, dass der Mond binnen eines Monats um die Erde läuft – präziser dauert ein synodischer Monat, also die Dauer von einem Vollmond zum nächsten genau 29.5 Tage. Folglich muss der Mond binnen ca. 30 Tagen 360◦ um die Erde laufen, d. h. er rückt pro Tag ungefähr 360◦ /30 = 12◦ vor. Das entspricht übrigens ca. 24 mal seinem eigenen Durchmesser. Da er täglich 12◦ weiter östlich steht, entfernt sich der zunehmende Mond jeden Tag etwas weiter von der Abendsonne in Richtung Süden. Folglich geht er jeden Tag etwas später unter. Als Vollmond steht er der Sonne genau gegenüber. Die weitere Bewegung nach Osten von diesen Antipoden ist eine Bewegung auf die Morgensonne zu, d. h. der abnehmende Mond geht täglich etwas später auf bis er ein letztes Mal vor Neumond nur kurz vor Sonnenaufgang in der Dämmerung glänzt. 19 Der Betrag, um den sich Auf- bzw. Untergang Tag für Tag verschieben, ist leicht überschlagbar: In 24 h läuft der Himmel scheinbar 360◦ um uns, also durchläuft er 12◦ in ungefähr 12◦ · (24 · 60) min/360◦ = 48 min, also einer guten dreiviertel Stunde. Ein Beispiel (für vergessliche Urlauber): Am ersten Tag unserer Reise war Vollmond, d. h. der Mond steigt genau dann im Osten empor, wenn die Sonne im Westen verschwindet. Geht der Mond nun im Verlauf der Reise erst 3 Stunden nach Sonnenuntergang auf, dann ist es bereits der vierte Reisetag (3 · 60 min = 180 min Verschiebung des Aufgangszeitpunktes entsprechen 180 min: 48 min/d = 3.75 Tagen) – für einwöchige Urlauber ist leider bereits die Hälfte der Reise vorbei. 4 Tag des Mars Der germanische Tiuz (der Leuchtende) ist der Kriegsgott, der mit dem römischen Mars (griechisch Ares) identifiziert wird. Nach ihm ist unser Dienstag (engl. Tuesday, frz. mardi) benannt. Abbildung 14: Die Geometrie einer Mondfinsternis: Vollmondkonstellation, der Mond tritt in den Schatten der Erde ein, so dass nur noch wenig Sonnenlicht durch die Erdatmosphäre zu ihm hin gebrochen wird. Folglich erscheint er am Himmel kupferrot. Schattenspiele. Glutrot sinkt die Sonne unter den Westhorizont. Im Osten steigt ein großer dunkelgrauer Horizont empor, selten so 20 klar und deutlich abgegerenzt erkennbar wie hier. Es ist der Erdschatten, der hier aufgeht und sich bald als nächtliche Dunkelheit über uns ergießt. Falls gerade Vollmond ist, sollte man Acht geben, wo sich unser Trabant befindet. Nicht dass uns noch eine Mondfinsternis entgeht! – Was dabei passiert, zeigt Abb. 14. Abbildung 15: Die Geometrie einer Sonnenfinsternis: Neumondkonstellation, der Schatten des Mondes trifft auf die Erde. Da der Mond sehr viel kleiner ist als sie, streift die Spitze seines Schattenkegels nur einen schmalen Bereich ihrer Oberfläche; eine Sonnenfinsternis ist daher nicht von jedem Punkt der Erde aus beobachtbar. 4.1 Die großen Planeten Planeten gehören zu den hellsten Gestirnen und darum auch zu den ersten, die wir nach Einbruch der Dämmerung sehen. Bereits in der Antike wurde beobachtet, dass sich manche Objekte sehr langsam vor dem Hintergrund des Fixsternhimmels bewegen. Man nannte sie folglich Wandelsterne oder Planeten. Die Planeten unseres Sonnensystems sind bis zum Saturn ohne Mühe mit freiem Auge am Himmel zu sehen – selbstverständlich sieht man sie nur als helle Punkte und so werden sie bei flüchtigem Hinschauen dem Laien wie Sterne erscheinen. Ein geübter Beobachter nimmt ihr Licht ruhiger wahr als das der funkelnden Sterne. Merkur ist der sonnennächste Planet, eine heiße Steinwüste von 450◦ C. 21 Da er innerhalb von 88 Tagen die Sonne umläuft, würden Sie auf dem Merkur ca. die vierfache Anzahl von Geburtstagen feiern. Am Himmel ist er zwar sehr hell, entfernt sich aber kaum von der Sonne und steht er fast nur in der Dämmerung überm Horizont. In gemäßigten bis hohen nördlichen Breiten erschwert seine sonnennahe Stellung allerdings die Beobachtung. Venus. Ebenfalls nur wenige Stunden (höchstens) glänzt unser innerer Nachbarplanet abwechselnd als Morgenstern oder als Abendstern. An Größe der Erde ebenbürtig, jedoch von dichten Wolken aus Kohlendioxid umhüllt, leidet Venus an starkem Treibhauseffekt. Ihre Oberfläche ist mit ca. 400◦ C sehr heiß und der Druck beträgt das 90fache der Erdatmosphäre. Die Wolken versperren uns die Sicht auf die Oberfläche und so erscheint sie stets strahlend weiß. Sie ist so hell, dass sie mitunter auch ohne Hilfsmittel am Taghimmel erkannt wird! Mars. Der äußere Nachbarplanet der Erde ist zirka halb so groß wie unser Heimatplanet. Seine Atmosphäre ist sehr dünn, so dass die Farbnuancen auf der Oberfläche erkennbar sind. Der rote Sandboden gibt 22 ihm seine charakteristische, bereits mit bloßem Auge erkennbare Farbe. Im Fernrohr heben sich die weißen Polkappen deutlich ab. Durch die geneigte Rotationsachse hat er ähnliche Jahreszeiten wie die Erde. Seine zwei Monde sind kartoffelförmige Gesteinsbrocken mit den Namen Phobos (Furcht) und Deimos (Schrecken), die ihren Planeten gegenläufig umkreisen. Jupiter ist mit ca. 10fachem Erddurchmesser der größte Planet unseres Sonnensystems. Der Gasriese, der zu etwa 90 % aus Wasserstoff und zu etwa 10 % aus Helium besteht, schmückt sich mit faszinierenden Wolkenstrukturen: streifenförmig wechseln sich hellere und dunklere Bänder ab. Ein Wirbelsturm von ca. doppelter Erdgröße ist als Großer Roter Fleck berühmt. Trabanten besitzt Jupiter in großer Zahl, darunter den größten Mond des Sonnensystems, Ganymed. Am Himmel übertrifft Jupiters Helligkeit alle Sterne; vier seiner Monde sind bereits im Feldstecher erkennbar. Saturn ist der entfernteste Planet, der mit dem bloßen Auge sichtbar ist. Vergleichbar hell wie die hellsten Sterne unterscheidet man ihn von diesen durch Kenntnis der Konstellationen. Berühmt ist er durch sein ausgeprägtes Ringsystem, welches allerdings erst im Fernrohr sichtbar wird. Der Ring des Saturn ist gewiss der ausgeprägteste des Sonnensystems. Der Planet zeichnet sich durch seine große Polabplattung aus. Ähnlich wie Jupiter besteht er hauptsächlich aus Wasserstoff (75 %) und Helium (25 %). 23 Uranus weist neben Wasserstoff (83 %) und Helium (15 %) auch 2 % Methan auf, die ihm seine bläuliche Farbe verleihen. Er hat ein Ringsystem, dessen Größe jedoch nicht mit dem des Saturn konkurrieren kann und ein Heer von Monden. Seine Oberfläche erweist sich als einigermaßen strukturlos. Uranus wurde erst 1781 bei der Himmelsdurchmusterung von Herschel entdeckt. Seine Helligkeit ist an der Wahrnehmungsgrenze für das menschliche Auge; er ist so schwach und unauffällig, dass er historisch nie bemerkt wurde. Wer gute Augen hat, kann ihn mit einer Sternkarte und etwas Ehrgeiz auch ohne optische Hilfsmittel ausmachen. Die Entdeckung des Neptun erfolgte 1846 nach Berechnungen des französischen Astronomen Leverrier. Der Beobachter Johann G. Galle an der Berliner Sternwarte erspähte den Planeten zuerst durchs Fernrohr. Neptuns Größe ist etwa die des Uranus, seine grünliche Farbe rührt von ähnlicher chemischer Zusammensetzung. Abbildung 16: Die Geometrie des Sonnensystems. Transneptune Am weitesten von der Sonne entfernt sind die Zwergplaneten. Der erste von ihnen wurde 1930 gefunden und Pluto ge24 tauft. Wahrscheinlich besteht er aus einem Stein-Eis-Gemisch wie es für Körper des äußeren Sonnensystems typisch ist. Pluto bewegt sich auf einer Bahn um die Sonne, die sich z. B. durch ihre große Exzentrizität von den Bahnen der anderen Planeten auszeichnet. Ungewöhnlich ist auch, dass sie die Bahn des Neptun schneidet, während andere Planetenbahnen einander nicht kreuzen. Von seiner gesamten Umlaufzeit von 248 Jahren hält er sich ca. 20 Jahre lang innerhalb der Neptunbahn auf. Gemeinsam mit seinem großen Mond, Charon, wird Pluto gelegentlich auch als Doppelplanet bezeichnet. Die beiden Körper in vollständig gebundener Rotation haben ein Massenverhältnis von 1 : 10, was im Vergleich zu anderen Planet-Mond-Verhältnissen groß ist. Von Plutos Begleiter Charon erlangten wir erst 1978 Kenntnis und die kleineren Hydra und Nix wurden erst 2005 entdeckt. Kleinere Körper gibt es im äußeren Sonnensystem in großer Zahl. Man zählt bereits über 10 000 und entdeckt weitere. Sie werden als Kuipergürtel zusammengefasst. Sehr große Objekte wie Quoar und Sedna, die in den letzten Jahren entdeckt wurden, werden mitunter als weitere Planeten bezeichnet. Extrasolare Planeten Der Planetenbegriff ist niemals klar definiert worden, was gerade in jüngerer Zeit im Zusammenhang mit Entdeckungen von extrasolaren Planeten neu diskutiert wird. 1995 wurde von den Astronomen Michel Mayor und Didier Queloz der erste Planet um einen sonnenähnlichen Stern entdeckt. Seither entwickelte sich die Methodenvielfalt und Feinheit der Messungen, so dass mittlerweile ca. 160 Planeten um andere Sterne bekannt sind – und ständig weitere gefunden werden. 5 Tag des Merkur: Unterwegs Der blitzschnelle römische Götterbote Merkur (griechisch Hermes) ist der Schutzherr der Reisenden. Als gedankenschneller Bote ist er darüber hinaus auch für Klugheit der Intelligenzia zuständig. Übrigens wird in der Alchimie nach ihm das schnell veränderliche Flüssigmetall Quecksilber (engl.: mercury wie der Planet) benannt. 25 5.1 Drehbare Sternkarten Diese nützliche Erfindung besteht aus einer Grundplatte, die den sichtbaren Himmel über einem bestimmten Ort auf der Erde darstellt. Darüber befindet sich ein transparentes Deckblatt mit einer 24-stündigen Uhrzeitskala. Die Grundplatte ist von einem Jahreskalender gesäumt, so dass man Uhrzeit und Datum zur Deckung bringend den sichtbaren Himmelsausschnitt angezeigt bekommt. Für Nordhalbkugel-Sternkarten ist der Mittelpunkt der Polarstern. Befindet man sich südlicher als der Ort, für den die Karte gemacht ist, steht dieser Stern tiefer am Nordhorizont und im Süden sind Sterne noch sichtbar, die auf der Karte nicht mehr abgebildet sind. Diese Abweichungen wachsen mit zunehmender Nord-Süd-Distanz zu dem Ort der Karte. Abbildung 17: Für Himmelsbeobachtungen stellen wir uns eine große Himmelskugel um uns als Zentrum vor. Der Scheitelpunkt genau über uns heißt Zenit, der Punkt genau unter uns Nadir und die Nord-SüdLinie (Großkreis) durch diese beiden Punkte Meridian. 26 5.2 Der Sternhimmel auf Reisen Da der Polarstern den Himmelsnordpol markiert, also den Durchstoßpunkt der Erdrotationsachse durch die scheinbare Himmelskugel, scheint er am lokalen Himmel still zu stehen. Alle Sternbilder scheinen sich um ihn zu drehen. Man fälle nur das Lot vom Nordstern zum Horizont, so weist er Norden. Die Höhe des Polarsterns über dem Horizont gibt die geographische Breite an. Am Nordpol, d. h. bei 90◦ n. B. steht er 90◦ überm Horizont (im Zenit), während er am Äquator bei 0◦ auf dem Horizont liegt. In der Sahara steht er also deutlich tiefer als in Deutschland. Dafür erhebt sich allerdings in südlicheren Gefilden noch ein Teil des Himmels über den Horizont, der uns im Norden verborgen bleibt. Bei dem berühmten Sternbild Crux (Kreuz) nennt man dies umgangssprachlich sogar im Namen: Kreuz des Südens. Abbildung 18: In der Sahara steht der Pol tiefer am nördlichen Horizont. Ein südlicher Stern, der in Deutschland unterm Horizont bleibt, kann hier bereits aufgehen und eine kleine Bahn über Süden ziehen. Da die Bahnen im Süden steiler auf dem Horizont stehen, dauert auch die Dämmerung in den Tropen nicht so lange wie in Europa. Reist man über den Äquator hinaus, so wird der Südpol des Himmels im Süden aufsteigen, während der Nordpol endgültig unterm Nordhorizont verschwindet. Dann scheint sich der Himmel also um den Südpol zu drehen, der übrigens keinen auffälligen Polarstern hat. Da die Richtung der Erddrehung sich nicht ändert, gehen die Sterne zwar auch auf der Südhalbkugel im Osten auf und im Westen unter. Ihre Bahn am Himmel führt aber über Norden und nicht über Süden wie bei uns. 27 6 Tag des Himmelsherrschers Dem römischen Göttervater Jupiter (daher frz. jeudi) oder griechischen Zeus entspricht dem germanischen Gott Odin. Die Funktion des BlitzeSchleuderers (Zeus bei den Griechen) hat bei den Germanen Odins Sohn Thor (Donnar), ein Gewitter- und Fruchtbarkeitsgott. Nach ihm ist der Donnerstag (Thursday) der germanischen Sprachen benannt. Abbildung 19: Abstände am Himmel schätzen. 6.1 Orientierungshilfen Benannt sind die Sternbilder am nördlichen Himmel nach Sagengestalten der griechischen Mythologie. Am Südhimmel sind viele Namen erst durch die christlichen Seefahrer erfunden worden. Sie haben beispielsweise die Ikone ihres Glaubens, das Kreuz (Christi), an den Himmel versetzt. Darüber hinaus gibt es ein komplettes Schiff, aber auch eine Luftpumpe, den chemischen Ofen, Teleskop, Lineal und Oktant. Bevor wir das Spazierengucken am Himmel beginnen, einigen wir uns einige grobe Abschätzungen, mit denen man Entfernungen am Himmel gut abschätzen kann. Hält man die Hand am ausgesteckten Arm, kann man Winkelmaße abschätzen. Die gespreitzen Finger erstrecken sich vom Daumen bis zum kleinen Finger über nicht ganz 20◦ , der Daumen ist ca. 2◦ breit, und die Faust ist 7 bis 9◦ breit. 28 Abbildung 20: Das Frühlingsdreieck. 6.2 Sternbilder der Saison Frühling Im Frühling stehen hoch am Himmel die Sternbilder Löwe, Jungfrau und Bootes. Ihre hellsten Sterne formieren ein rechtwinkliges Dreieck, das so genannte Frühlingsdreieck. Im Uhrzeigersinn: sind die Sterne namentlich der goldene Arktur, die weiße Spica (die Kornähre im Schoß der Jungfrau) und Regulus, der kleine König im Herzen des Löwen. Der Stern der Bären, Arktur7 , ist leicht auffindbar, in dem man die gebogene Deichsel des Großen Wagens weiterschwingt. Über ihm zäumt sich ein großes Drachenviereck auf. Arktur ist ein orangefarbener Riesenstern in 36 Lichtjahren Entfernung, 200fache Sonnenleuchtkraft, aber nur 4 260◦ C Oberflächentemperatur. In 86 Lichtjahren Entfernung befindet sich der blaue Riesenstern Regulus, der sogar mehrere 100 Sonnenleuchtkräfte hat. Beide Sterne werden übertroffen von Spica, einem Stern mit 22 000◦ C Ober7 Man sieht die Verwandtschaft der Worte Arktis“ (das Land im Norden, wo ” die Bären wohnen, also Bärenland“) und Arktur“ (also Bärenstern“). Der Stern ” ” ” im Ochsentreiber (Bootes) nimmt also auf die Bärinnen Bezug. 29 flächentemperatur, 8 Sonnendurchmessern und 15 000 Sonnenleuchtkräften. Sommer Auch der typische Sommerhimmel wird von einem großen Dreieck dominiert, das wir folglich Sommerdreieck nennen. Die hellen Sterne Wega (Leier), Deneb (Schwan) und Ata’ir (Adler) bilden ein gewaltiges, gleichschenkliges Dreieck, das auf der Spitze stehend einer Zuckertüte ähnelt. Abbildung 21: Das Sommerdreieck. Wega ist ein deutlich heißerer Hauptreihenstern als die Sonne, befindet sich in 26 Lichtjahren Entfernung. Ata’ir ist ihr in Temperatur und Größe ähnlich, allerdings nur 16 Lichtjahre entfernt. Deneb ist ein Überriese von ebenfalls ähnlicher Temperatur, aber in einer Entfernung von 1600 Lichtjahren. Herbst Der Abendhimmel im Herbst hat nicht viele helle Sterne. Daher fällt ein großes nahezu rechtwinkliges Viereck auf, von dem drei 30 Sterne zum Bild des Pegasus gehören - daher mitunter auch Pegasusquadrat genannt. Der vierte Stern ist Alpheratz, der den Kopf der Prinzessin Andromeda markiert. Seine frühere Zuordnung zum Sternbild des Flügelrosses erkennt man an seinen zwei Namen, die sich vom arabischen Nabel des Pferdes“ ableiten. ” Abbildung 22: Das Herbstviereck. Winter In den Wintermonaten zieren den Sternhimmel besonders schöne Sternbilder. Als Orientierungshilfe dient ein riesiges Wintersechseck. Es wird gebildet von den Sternen Capella (Fuhrmann), Pollux (Zwillinge), Procyon (Kl. Hund), Sirius (Gr. Hund), Rigel (Orion), Aldebaran (Stier). Jeder der sechs Sterne gehört in ein anderes Sternbild, aber die große Wabe, die sie am Himmel aufspannen, fällt gut auf. Capella ist die Ziege Amalthea, mit deren Milch der Göttervater Zeus großgezogen wurde. Sie wird auf den Schultern eines Ziegenhirten getragen, der im Laufe der Geschichte in Fuhrmann umgetauft wurde. Der Stern Capella ist ein sonnenähnlicher Stern in einer Entfernung von 44 Lichtjahren. Pollux und Castor sind heroische Zwillingsbrüder mit derselben, sterblichen Mutter. Da der Vater von Pollux war Zeus, was ihn unsterblich machte. Castor war der Sohn eines Sterblichen. Nach tödlicher Verwundung von Castor im Kampf, erbat Pollux dessen halbjährliche Rückkehr aus dem Hades, indem er auf seinen Platz im Olymp ver- 31 Abbildung 23: Das Wintersechseck. zichtete. Castor ist ein Vierfachstern in einer Entfernung von 45 Lichtjahren und Pollux ist orangeroter Stern in 35 Lichtjahren Distanz. Aldebaran, der Nachfolgende“ verfolgt die sieben schönen Nymphen ” in Gestalt der Figur der Plejaden. Im Stier, der die Königstochter Europa nach Kreta entführt, stellt der rote Riesenstern in 67 Lj. Distanz das blutunterlaufene Auge dar. Er prankt im offenen Sternhaufen der Hyaden (Regengestirn), die jedoch mit ca. 200 Lichtjahren deutlich entfernter angesiedelt sind. Blaue Riesensterne wie Rigel im Orion sind mit ca. 10 000◦ C deutlich heißer als die Sonne (6 000◦ C). Rigel“ ist das arabische Wort für ” Bein“ und markiert den Fuß. Dieser Stern stellt einen sehr auffälligen ” Farbkontrast dar zum roten Riesenstern Beteigeuze, an der gegenüber liegenden Schulter des Himmelsjägers. 32 Innerhalb von nur 8 Jahren erreicht uns das Licht des weißen Sterns Sirius, der der hellste des gesamten Nachthimmels ist. Er funkelt als Hundsstern in den Winternächten und hatte bei vielen alten Völkern besondere Bedeutung. In dem Gestirn Sothis der Ägypter beispielsweise galt er als Bringer der Nilflut. Procyon ist der Stern, der dem Hundsstern vorauseilt, daher der griechische Name vor Hund“. Das Sternfeld enthält wenig markante Ster” ne und bildet daher keine besondere Figur. Der sonnenähnliche Stern ist 11 Lichtjahre entfernt. 6.3 Bilder und Zeichen im Jahreslauf Die Erde läuft innerhalb von einem Jahr (ca. 365.25 d) einmal um die Sonne. Stellen wir uns nun den Sternhimmel als eine riesengroße (unendlich weit entfernte) Himmelskugel um Sonne und Erde vor, dann bilden die Sterne sozusagen Markierungen auf einer gigantischen (Kugel-)Leinwand. Wenn wir von der Erde aus in Richtung Sonne schauen, dann erscheint es uns, als zöge sie vor einem bestimmten Streifen auf dieser Leinwand ihre Bahn – also nicht nach Norden oder Süden davon abweichend. Diesen Streifen nennen wir Tierkreis und stellen ihn uns nun wie ein großes Zifferblatt vor – nur sind die zwölf Abschnitte nicht mit Ziffern durchnummeriert, sondern tragen die Namen von zwölf der 88 Sternbilder. Das ist in Abb. 24 graphisch dargestellt. Steht die Sonne vor der 9“ unseres Zifferblatts, dann ist die ” 3“ an unserem Nachthimmel und umgekehrt. Analog ist auch z. B. ” der Widder am Nachthimmel, wenn die Sonne in der Waage steht und umgekehrt (gestrichelte Diagonale im Diagramm). Bemerkungen: 1. Im christlichen Kulturkreis hielt sich die babylonische Astrologie, die jedem Menschen das Geburtszeichen zuordnet, an dem die Sonne am Tag der Geburt gestanden hätte. Ein Steinbock-Geborener ist also kein Hornvieh, sondern jemand, an dessen Geburtstag die alten Babylonier die Sonne im Sternbild Steinbock (Ca33 Abbildung 24: Aufgrund des Erdumlaufes durchläuft die Sonne binnen eines Jahres am Himmel scheinbar den Tierkreis (Zodiakus). Was hinter ihr steht, ist mit ihr am Taghimmel der jeweiligen Jahreszeit. Was ihr gegenüber liegt, sehen wir nachts. Mit dem Lauf der Sonne von einem Tierkreissternbild zum nächsten, verändert sich allmählich auch der Anblick des Nachthimels. 34 pricornus) gesehen hätten. Folglich ist dieses Sternbild am jeweiligen Geburtstag nicht am Nachthimmel zu sehen. Wer es suchen möchte, sollte einige Monate vorher oder nachher an den Himmel schauen. 2. Übrigens haben sich die tatsächlichen Sternbilder am Himmel gegenüber den Sternzeichen aus dem alten Babylon verschoben. Da die Erde taumelt wie ein sehr langsamer Brummkreisel, zeigen ihre Rotationsachse und Äquatorebene jetzt nicht mehr an die gleiche Stelle wie vor einigen Jahrtausenden. So sind Sternbilder und Sternzeichen heute um eins gegeneinander versetzt, d. h. wenn jemand sagt, er sei Fische-Geborener, stand die Sonne höchstwahrscheinlich im Wassermann, für die Widder-Geborenen in den Fischen usw. 3. Die größte Verwirrung haben aber die vielen Menschengenerationen in der Zwischenzeit selbst verschuldet: bereits in der Antike änderten sie die Sternbildnamen und -grenzen, so dass die Sonne jetzt nach einwöchigem Aufenthalt im Skorpion nicht etwa in den Schützen wechselt, sondern in den Schlangenträger, der kein Pendant in der Astrologie hat und quasi das 13te Sternbild des Tierkreises ist. Obschon die Sonne sich dort etwa dreimal so lange aufhält wie in dem Stückchen Skorpion, das sie streift, wurde die Astrologie nicht geändert. Geburtstagskinder Anfang Dezember wären demnach in der Logik der Babylonier heute Schlangen” träger“. 7 Tag der Venus Venus heißt bei den Griechen Aphrodite (die aus dem Meeresschaum geborene) und als Göttin der Liebe und Schönheit ist ihre germanische Entsprechung Frigga oder Freia. Gerade bei den Griechen war diese Göttin auch eine besondere Patronin der Handwerker und Künstler, weil ihre Domäne das Ästhetische war. So passt es auch, das wir uns heute mit den Juwelen des tieferen Blicks in den Himmel beschäftigen. 35 7.1 Die Milchstraße Der kleine Herkules war für die Entstehung dieses Phänomens verantwortlich. Auf Wunsch seines Vaters Zeus sollte er heimlich von der Milch der Himmelskönigin Hera gesäugt werden, was bei dieser jedoch auf Abscheu stieß. Der kräftige Knabe hatte jedoch so stark am Busen der Göttin gesogen, dass ihre Milch sich quer über den Himmel ergoß. Mit dem Fernrohr lösen sich die imposanten Wolken in Millionen von Sternen auf. Sie bilden ein großes, spiralförmiges Sternsystem. Am Nachthimmel gibt es auch kugelförmige, elliptische, zigarrenförmige Sterneninseln, die man mit dem Oberbegriff Galaxie“ bezeichnet – ” ein Wort, das sich von der obigen griechischen Geschichte ableitet. Unsere Heimatgalaxie hat eine tellerförmige Struktur. Wie die Krempe eines Hutes den ganzen Kopf umgibt, so sehen wir auch am Nachthimmel in einem uns völlig umgebenden Streifen besonders viele Sterne. Es sind so viele, scheinbar so dicht stehende Sterne, dass sie nicht mehr einzeln wahrgenommen werden können. Vielmehr registriert das menschliche Auge eine verschwommene, milchige Wolkenstruktur am Nachthimmel – die Milchstraße. Abbildung 25: Die Abbildung zeigt unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, links in der Aufsicht, wobei der Stern die Position der Sonne markiert. rechts ist das Szenario im Profil dargestellt. Von unserer Position sehen wir im senkrechten Lichtkegel aus der Milchstraßenebene hinaus; in der waagerechten Ebene dagegen insbesondere zur Mitte hin eine sehr hohe Sterndichte. 36 7.2 Galaxien am Nachthimmel Alle Sterne, die wir sehen, gehören in unsere Galaxis. Nur an wenigen Stellen, wo wir zwischen diesem Sternenwald hindurch nach draußen schauen, können wir Nachbargalaxien sehen. In den Büchern steht, man könne nur drei andere Galaxien freien Auges erkennen: die Andromeda-Galaxie (M 31), die der Milchstraße Schwester im All ist und die beiden Zwerggalaxien, die die Milchstraße begleiten, die Magellanschen Wolken. Schauen Sie doch mal, ob Sie weitere finden! 8 Tag des Saturn Der Saturn (griechisch Kronos) gilt als Hüter der Zeit – ein uralter Gott, Vater des Zeus, an den er die Herrschaft verlor. Wie alle traditionellen Kulturen verknüpften auch die Griechen jedoch Alter nicht mit Gebrechlichkeit, sondern vor allem mit Weisheit. So ist es nur folgerichtig, den letzten Tag unseres kleinen Streifzuges nach ihm zu benennen. Ein kleiner Sprung ins 20. Jh. katapultiert uns astronomische und astrophysikalische Begriffe in großer Zahl um die Ohren. Wir hören von Quantentheorie und Relativitätstheorie, Braunen und Weißen Zwergen, Roten Riesen und Schwarzen Löchern. Auch hier möchte ich für Details auf die Literatur verweisen. Hier nur wenige Worte zur Sternentwicklung, um diese Schlagwörter wenigstens zu entmystifizieren: 8.1 Sternentwicklung Sterne entwickeln sich wie Menschen: sie werden geboren, erzeugen eine Weile viel Energie. Im Alter blähen sie sich mächtig auf und erröten dabei: Wir nennen sie Rote Riesen. Lange hält dieser Zustand jedoch nicht an, sondern bald fällt der Stern in sich zusammen und schleudert seine äußere Hülle davon. Was übrig bleibt, ist eine Sternleiche: ein so genannter Weißer Zwerg. 37 Am Himmel sehen wir einige Rote Riesensterne tatsächlich rötlich oder orange strahlen (siehe Kap. 6). Schauen Sie doch mal hoch und beobachten die Sternengreisen! 8.2 Moderne Astrophysik. Nach dem Newtonschen Gravitationsgesetz ziehen zwei beliebige Massen einander an, z. B. die Erde den Mond, der sich in Folge dessen um sie herum bewegt. Die Allgemeine Relativitätstheorie erweitert diese Massenanziehung auf Licht, d. h. auch Licht wird von der Erde angezogen. Abbildung 26: Gravitation (Massenanziehung) bestimmt die Fluchtgeschwindigkeit von einem Himmelskörper. Auf dem Mond ist kleiner als auf der Erde; auf der Sonne sogar so groß, dass sogar das Licht abgelenkt wird. Nun wissen Sie, dass wir normalerweise Raketen brauchen (also Geschwindigkeiten größer als ein Auto oder Flugzeug sie hat), um die Erde zu verlassen. Vom Mond brauchte man aber eine kleinere Rakete, da er kleiner ist und weniger Masse hat. Umgekehrt können wir nun einen größeren Körper nehmen und bräuchten folglich eine schnellere Rakete – z. B. bei der Sonne oder dem Jupiter. Drücken wir jetzt in Gedanken unser Gravitationspedal“ weiter durch ” und machen also unseren Himmelskörper immer schwerer oder klei38 ner, muss die Startgeschwindigkeit unserer Rakete irgendwann Lichtgeschwindigkeit sein. Bis dahin ist alles ok. Doch wenn es nur wenig mehr wäre als diese, dann kommt das Licht nicht mehr von dort weg. – Das Ergebnis ist natürlich ein schwarzer Volumen. . . und weil die Naturgesetze verbieten, dass irgendwas schneller sein darf als das Licht, kommt überhaupt nichts mehr von da weg. Folglich kann diese Kugel jetzt keine Information mehr ans restliche Universum senden. Da wir keine Chance haben, das Innere zu ergründen, ist es ein Loch“ in ” unserem Wissen – ein so genanntes Schwarzes Loch“. ” 8.3 Daten und Fakten Der Mond (der Erde): Äquatorradius: Masse: Oberflächenschwerkraft: Mittlere Dichte: Mittlere Erdentfernung: Bahnneigung gegen Ekliptik: 1.738 km (0.3 Erdradien) 7.35 · 1025 g (1 % Erdmassen) 0.166 g (1/6 Erdanziehung) 3.34 g/cm3 (0.6 der Erddichte) 384 400 km 5.◦ 9 Die Sonne: Oberflächeneffektivtemperatur: Äquatorradius: Masse: Oberflächenschwerkraft: Mittlere Dichte: Mittlere Erdentfernung: 6000 K 700 000 km (109 Erdradien) 2 · 1033 g (333 000 Erdmassen) 28 g (28· Erdanziehung) 1.4 g/cm3 149.6 Mio km (Alle Daten nach: Brockhaus, abc astronomie, Brockhaus Verlag, Leipzig 1973) 8.4 Monatsdefinitionen Die Zeit von einem Vollmond zum nächsten mit 29.5 d nennen Astronomen synodischen Monat, um ihn vom siderischen (mit der Mondstellung am Sternhimmel definierten) zu unterscheiden. Darüber hinaus 39 kann man zum tropischen Monat einen kleinen Unterschied feststellen, weil man sich dort auf den Frühlingspunkt bezieht oder Punkte der Mondbahn wie den erdnächsten Punkt (Perigäum) oder einen Schnittpunkt (einen Knoten) mit der scheinbaren Sonnenbahn betrachten. Monat synodisch siderisch tropisch anomalistisch drakonitisch Bezugspunkt Mondphase Fixsterne Frühlingspkt. Perigäum Mondknoten 29 27 27 27 27 d d d d d d Dauer h min 12 44 7 43 7 43 13 18 5 5 s 2.9 4.7 11.5 33.2 35.8 Der Frühlingspunkt ist unter den Sternen verankert. Der subtile Unterschied zwischen dem tropischen und siderischen Monat im Sekundenbereich kommt durch die Präzession, die langsame Kreiselbewegung der Erdachse zustande. Weil die Mondbahn und mit ihr die Mondknoten und das Perigäum sich ebenfalls um die Erde drehen, sind der drakonitische und anomalistische Monat wiederum davon verschieden. Die Perigäumdrehung ist ein Effekt, der erst mit der Allgemeinen Relativitätstheorie erklärt werden kann. 40 9 Über diese Monographie Verzeichnis der Abbildungen selbst angefertigt. Alle Grafiken sind von der Autorin Die Fotos sind von der Autorin selbst angefertigt, sofern nicht anders ausgewiesen. 9.1 Ergänzende und weiterführende Literatur Celnik, Hahn: Astronomie für Einsteiger, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2002 Unsöld, Baschek: Der neue Kosmos, Springer G. D. Roth [Hrsg ] Handbuch für Sternfreunde, Springer Hoffmann, Susanne [Hrsg ] Augen des Amateurastronomen, ArchenholdSternwarte Berlin, 2003 G. D. Roth: Sterne und Planeten erkennen und beobachten, BLV Verlagsgesellschaft mbH, München, 1972 Mellinger, Axel, Hoffmann, Susanne: Der Große KOSMOS Himmelsatlas, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart, 2002 Allen, R. H.: Star Names, their Lore and Meaning, Dover Publications Inc. Bonov, A.: Sternbilder – Sternsagen, Urania Verlag, 1986 Brecht, Bertolt: Leben des Galilei 41 9.2 Nachwort Seit ca. 1992 beschäftigt sich die Autorin mit Astronomie als raumzeitliche Orientierung auf allen Reisen. Insbesondere bei Wanderungen und Karawanen in der Sahara fällt die Schönheit des Himmels auf und im Dialog mit den maurischen Begleitern die kulturellen Besonderheiten diskutiert: stehen doch am Himmel christliche Sternbilder neben arabischen Sternnamen und islamische Sicheln neben antiken Helden. Informationsauswahl und didaktisches Konzept dieses Büchleins sind also nicht etwa bloß den Überlegungen eines Theoretikerhirns entsprungen, sondern direkt aus praktischen Bedürfnissen gereift. Hoffentlich kann es viele Leser so befriedigen wie die Zuhörer. Besonderer Dank gilt Jérôme Blößer für gute Zusammenarbeit mit seiner Firma wüstenwandern.de und Mohamed Mahmoud M’beiry für sein pausenloses Dis moi!“ (Sag mir. . . ) und die vielen Informationen ” über arabische Sternnamen. 42