Übersicht Das maligne Melanom und seltene Hauttumoren Erwin S. Schultz Hautklinik, Klinikum Nürnberg-Nord Zusammenfassung Parallel zur demographischen Entwicklung mit einer zunehmenden Alterung der Bevölkerung nimmt die Zahl der Neuerkrankungen an Hautkrebs seit Jahren kontinuierlich zu. Neben Präventionsmaßnahmen spielt vor diesem Hintergrund die Früherkennung von Hautkrebs eine herausragende Rolle, um die Morbidität und Mortalität zu senken. Hier kommt dem Dermatologen eine Schlüsselposition zu, wobei seine Expertise nicht nur bei der Diagnostik und Behandlung von Basalzellkarzinomen, Plattenepithelkarzinomen und Melanomen gefragt ist, sondern auch bei selteneren Hauttumoren wie dem Merkelzell-Karzinom und dem Dermatofibrosarcoma protuberans. Schlüsselwörter: Melanom, Merkelzellkarzinom, Dermatofibrosarcoma protuberans wurde. Bezüglich des Gesamtüberlebens konnte in dieser Metaanalyse allerdings kein eindeutiger Vorteil nachgewiesen werden. In einer weiteren Metaanalyse derselben Arbeitsgruppe, in der individuelle Patienten über einen längeren Zeitraum nachverfolgt wurden, zeigte sich ebenfalls eine signifikante Verbesserung des rezidivfreien Überlebens, darüberhinaus aber auch ein statistisch signifikanter Vorteil hinsichtlich des Gesamtüberlebens, welcher mindestens drei Prozent nach fünf Jahren betrug. Diese positiven Therapieeffekte waren überraschenderweise weder von der verwendeten Dosis noch von der Dauer der Behandlung abhängig. Eine Subgruppenanalyse ergab, dass die Patienten mit einem ulzerierten Primärtumor besonders stark von der Behandlung profitieren. Summary Due to the demographic trend with an increasing elderly population the incidence of skin cancer is continuously rising. In addition to prevention measures early detection is essential to reduce morbidity and mortality caused by skin cancer. Dermatologists play a crucial role while their experience is not only demanded for melanoma, basal cell and squamous cell carcinoma but also for less frequent tumours such as merkel cell carcinoma and dermatofibrosarcoma protuberans. Key words: melanoma, merkel cell carcinoma, dermatofibrosarcoma protuberans Malignes Melanom (Abb. 1) Die Inzidenz des malignen Melanoms ist weiterhin steigend. Das Robert Koch-Institut geht von ca. 15.000 Neuerkrankungen jährlich in Deutschland aus. Gleichzeitig hat die Mortalität in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen, was einer verbesserten Früherkennung zu verdanken ist. Die Prognose des fortgeschrittenen Melanoms hingegen hat sich trotz großer Anstrengungen in der Grundlagen- und klinischen Forschung in den letzten Jahrzehnten nicht entscheidend verbessert. Adjuvante Immuntherapie – was ist evidenzbasiert? In der adjuvanten Situation stellt nach wie vor die Immuntherapie mit Interferon-alpha die Standardtherapie dar. Allerdings bleibt trotz zahlreicher Studien mit vielen tausend Patienten die ideale Dosis und Behandlungsdauer 02/10 weiterhin umstritten (1). Während in den USA bevorzugt die Hochdosis-Therapie über ein Jahr durchgeführt wird, überwiegt in Europa die Mittelhochdosis- bzw. Niedrigdosis-Therapie. Nach mehr als 20 Jahren Forschung und klinischer Erfahrung mit Interferon-alpha gibt es somit immer noch keinen weltweit einheitlichen Standard. Es stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse zur Wirksamkeit dieser Therapie heute als gesichert angesehen werden können. Einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung dieser Frage haben Wheatley und Mitarbeiter in einer 2003 publizierten Metaanalyse von zwölf klinischen Studien zur Wirksamkeit einer adjuvanten Immuntherapie mit Interferon-alpha geleistet (2). Das Ergebniss dieser Metaanalyse war, dass die Gabe von Interferon-alpha das rezidivfreie Überleben signifikant verlängert, wobei das Risiko des Rezidives durchschnittlich um sieben Prozent reduziert Was lässt sich daraus für die Praxis schlussfolgern? Die adjuvante, niedrigdosierte Immuntherapie mit 3 x 3 Mill. IE Interferon-alpha über 18 Monate wird bislang in Deutschland ab einer Tumordicke von >1,5 mm durchgeführt, wobei international zunehmend erst ab einer Tumordicke von >2 mm therapiert wird, da die Prognose der Patienten mit einer Tumordicke von 1,01–2 mm ohne Ulzeration des Primärtumores mit einer Fünfjahresüberlebensrate von 89 Prozent sehr gut ist. Besonders erfolgsversprechend ist die Interferontherapie bei Vorliegen einer Ulzeration des Primärtumors. In diesem Fall erscheint es sinnvoll, auch Patienten mit Tumordicken <2 mm zu behandeln. Bei lokoregionärer Lymphknotenmetastasierung wird in der Regel ebenfalls eine adjuvante Immuntherapie mit Interferon-alpha angeboten, wobei hier unterschiedliche Dosierschemata zum Einsatz kommen. Während in den USA die Hochdosistherapie über ein Jahr als Standard etabliert ist, wird in Europa häufig die Mittelhochdosis- und Niedrigdosis-Therapie bevorzugt. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere Patienten mit einer Mikrometastasierung in den regionären Lymphkno71 Übers i c h t Abb. 1: Das maligne Melanom imponiert zumeist als polyzyklisch begrenzter, asymmetrischer Tumor mit Polychromasie. ten von der Interferontherapie profitieren, während der Nutzen bei fortgeschrittener Metastasierung weniger gut belegt ist. Schliesslich gibt es derzeit keine Evidenz dafür, dass eine längere Therapiedauer über mehrere Jahre die Wirksamkeit der adjuvanten Therapie verbessert. Neue immuntherapeutische Ansätze Mit Spannung erwartet werden die Ergebnisse von zwei großen Phase-III-Studien zu alternativen immuntherapeutischen Ansätzen bei Melanompatienten nach erfolgter operativer Entfernung von Lymphknotenmetastasen. In einer Studie der EORTC-Melanom-Gruppe wird ein monoklonaler anti-CTLA-4 Antikörper (Ipilimumab) über drei Jahre lang gegen Placebo getestet. Dieser anti-CTLA-4 Antikörper bewirkt ähnlich wie Interferon-alpha eine unspezifische Aktivierung des Immunsystems mit dem Ziel, im Körper verbliebene Tumorzellen zu erkennen und abzutöten. Eine weitere Phase-III-Studie überprüft die Wirksamkeit einiger Vakzine gegen das Tumorantigen MAGE-3, welches von ca. 65 Prozent der Melanommetastasen exprimiert wird. Wirkmechanismus ist die Induktion einer Antigen-spezifischen Immunantwort zur gezielten Eliminierung der MAGE-3-positiven Tumorzellen. Um die Immunität der Vakzine zu steigern, wird dem Tumorantigen ein immunologisches Adjuvans hinzugefügt, welches das Immunsystem zusätzlich unspezifisch stimuliert. Systemische Therapie des fortgeschrittenen Melanoms Im Stadium der Fernmetastasierung stellt nach wie vor die Monochemotherapie mit Dacarbazin den Therapiestandard dar. Hier konnte bislang weder durch den Einsatz neuer 72 Abb. 2: Das Merkelzellkarzinom zeigt sich klinisch als rötlich-livider, dermal gelegener Knoten ohne erkennbare epidermale Beteiligung in sonnenexponierten Arealen. Chemotherapiesubstanzen, noch durch den Einsatz von Tumorvakzinen oder Signaltransduktions-Inhibitoren eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit erzielt werden. Ebenfalls mit Spannung erwartet werden die Ergebnisse einer großen randomisierten Phase-III-Studie, in der Dacarbazin +/- Zugabe eines anti-Bcl-2-Oligonukleotides, welches die Chemosensitivität von Melanomzellen erhöhen soll, getestet wird. Im Gegensatz zu anderen soliden Tumoren wie dem Bronchialkarzinom und dem Nierenzellkarzinom konnte beim fortgeschrittenen Melanom bislang kein nachhaltiger Erfolg durch den Einsatz von Tyrosinkinaseinhibitoren erzielt werden. So konnte die Wirksamkeit einer Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel durch die zusätzliche Gabe von Sorafenib, einem Multikinaseinhibitor, welcher unter anderem den RAF-MEK-ERKSignaltransduktionsweg hemmt, nicht gesteigert werden (3), obschon der oben genannte Signaltransduktionsweg in vielen Melanomen durch Mutationen der Proteinkinase BRAF aktiviert ist. Obwohl sich das Melanom erneut als therapieresistent auch gegen moderne, zielgerichtete Therapieansätze erweist, besteht die begründete Hoffnung, diese Therapieresistenz durch den Einsatz neuer Substanzen mit breiterem Wirkungsspektrum beziehungsweise höherer Hemmaktivität zu durchbrechen. Ein Beispiel ist der Wirkstoff PLX 4032, welcher selektiv die aktivierende BRAF-Mutation in Melanomen hemmt. PLX 4032 erwies sich in einer kleinen Phase-I-Studie an 16 Patienten mit metastasiertem Melanom und nachgewiesener BRAF-Mutation als wirksam (4). Dieses Beispiel zeigt den Weg hin zur individualisierten Krebstherapie nach vorausgegangener molekularer Analyse auch bei Melanompatienten auf. Ein weiteres Beispiel ist das gute Ansprechen von Melanompatienten, deren Tumor eine aktivierende Mutation der Rezeptortyrosinkinase KIT aufweist, auf eine Therapie mit dem Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib, wie es schon seit längerem von den gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) bekannt ist (5). Während sich solche Mutationen bei 75 bis 80 Prozent der GIST nachgewiesen werden können, kommen sie beim Melanom allerdings deutlich seltener und nur bei bestimmten Typen vor. So wurden in einer rezenten Studie 189 Melanome auf das Vorhandensein einer KIT-Mutation untersucht und die Autoren konnten eine solche in 23 Prozent (2 von 13) der akrolentiginösen Melanome, aber nur in 1,7 Prozent (1 von 58) der kutanen Melanome anderer Lokalisation nachweisen (6). Neben den akrolentiginösen Melanomen wiesen auch Schleimhautmelanome in immerhin 15,6 Prozent (7 von 45) der Fälle solche Mutationen auf, während dies bei keinem der untersuchten Uveamelanome (0 von 60) der Fall war. Folgerichtig erwies sich Imatinib als wirkungslos in der Behandlung des metastasierten Uveamelanoms (7). Merkelzellkarzinom (Abb. 2) Das Merkelzellkarzinom ist ein seltener, aber aggressiver Tumor neuroendokrinen Ursprungs, welcher zumeist als rötlicher bis violetter, dermal gelegener Knoten in lichtexponierten Arealen (Gesicht und Extremitäten) imponiert. Das durchschnittliche Erkrankungsalter beträgt 69 Jahre, die Inzidenz liegt bei ca. 0,23 pro 100.000 Einwohner jährlich. Auch beim Merkelzellkarzinom ist durch die steigende Lebenserwartung in Verbindung mit steigender UV-Belastung von einer kontinuierlichen Inzidenzzunahme auszugehen. Äthiopathogenetisch wurde bislang insbeson02/10 Übersicht Abb. 3: Das Dermatofibrosarcoma protuberans beginnt zumeist als rötlich-bräunliches plaqueförmiges Infiltrat, auf dessen Boden im weiteren Verlauf derbe Tumorknoten entstehen. Eine nennenswerte epidermale Beteiligung ist aufgrund der dermalen Lokalisation nicht gegeben. dere eine erhöhte UV-Exposition sowie eine generelle Immunsuppression angeschuldigt. Folglich wird das Merkelzellkarzinom gehäuft bei organtransplantierten Patienten oder bei Patienten mit B-Zell-Neoplasien beobachtet. In dieses Szenario der Tumorentstehung auf dem Boden eines kompromittierten Immunsystems fügt sich auch die rezente Entdeckung, dass sich in Merkelzelltumoren häufig DNA eines bislang unbekannten Polyomavirus nachweisen lässt, welches provisorisch als Merkel cell polyoma virus (MCPyV) bezeichnet wurde (8). Dieses Virus steht im Verdacht, ursächlich an der Tumorentstehung beteiligt zu sein. Allerdings konnte MCPyV in neueren Arbeiten auch in Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen nachgewiesen werden (9, 10). Weitere Untersuchungen müssen nun Aufschluss darüber geben, welche Rolle das Virus tatsächlich bei der Tumorentstehung spielt, und ob sich daraus neue therapeutische Ansätze ableiten lassen. Die derzeitigen Therapieempfehlungen beinhalten die komplette Exzision des Tumors mit einem großzügigen Sicherheitsabstand. Klassischerweise schließt sich eine adjuvante Radiatio des Tumorbettes und der regionären Lymphknotenstation an. Zunehmend wird eine Wächterlymphknoten-exstirpation beim Merkelzellkarzinom empfohlen, welche möglicherweise eine zusätzliche Radiatio der Lymphabflussregion ersetzen kann. ben Knoten aus. Das Wachstum ist sehr langsam und kann sich über Jahre erstrecken. Das Durchschnittsalter der Patienten liegt bei 40 Jahren, die häufigste Lokalisation ist der Körperstamm. Therapie der Wahl ist die komplette Exzision mit ausreichendem Sicherheitsabstand, da der Tumor für seine Rezidivfreudigkeit bei knapper Exzision bekannt ist. Neuere molekularbiologische Untersuchungen konnten zeigen, dass beim DFP gehäuft eine Translokation zwischen den Chromosomen 17 und 22 (17q22; 22q13) vorliegt, welche zu einer Fusion eines für Kollagen kodierenden Gens (COL1A1) mit dem für den zellulären Wachstumsfaktor „platelet-derived growth factor“ (PDGFβ) kodierenden Gen führt. Das daraus resultierende COL1A1-PDGFβ-Fusionsprotein bewirkt über die Bindung an den PDGFβ-Rezeptor eine autokrine, kontinuierliche Wachstumsstimulation der Tumorzellen. Der Tyrosinkinaseinhibitor Imatinib hemmt diese PDGFβ-Rezeptor-vermittelte Wachstumsstimulation und führt in einer Dosierung von 600 mg täglich zu einer Rückbildung des Tumors nach vier bis acht Wochen Therapiedauer (11). Imatinib ist zur Therapie von nicht resezierbaren oder metastasierten Tumoren, welche für eine operative Therapie nicht in Frage kommen, zugelassen. Dermatofibrosarcoma protuberans (Abb. 3) Das Dermatofibrosarcoma protuberans (DFP) ist ein Tumor von fibroblastischer Differenzierung, welcher lokal destruierend wächst, aber nur selten metastasiert. Klinisch zeichnet sich das DFP als initial rötlich-bräunlicher Plaque mit zunehmender Ausbildung von der- 1. Ascierto PA, Kirkwood JM: Adjuvant therapy of melanoma with interferon: lessons of the past decade. Journal of Translational Medicine 2008; 6:62 02/10 in combination with carboplatin and paclitaxel as secondline treatment in patients with unresectable stage III or stage IV melanoma. Clin. Oncol. 2009; 27(17):2823-2830. 4. Flaherty K et al., J Clin Oncol 2009; 27(15s) (Suppl. Abstr. #9000). 5. Hodi FS, Friedlander P: Major response to imatinib mesylate in KIT-mutated melanoma. J Clin Oncol 2008; 26 (12): 2046-2051 6. Beadling C, Jacobson-Dunlop E, Hodi FS et al.: KIT gene mutations and copy number in melanoma subtypes. Clin. Cancer Res. 2008; 14(21):6821-6828. 7. Hofmann UB, Kauczok-Vetter CS, Houben R et al.: Overexpression of the KIT/SCF in uveal melanoma does not translate into clinical efficacy of imatinib mesylate. Clin. Cancer Res. 2009; 15(1):324-329. 8. Feng H, Shuda M, Chang Y et al.: Clonal integration of a polyomavirus in human Merkel cell carcinoma. Science 2008; 19(5866):1049-1050 9. Kassem A, Technau K, Kurz AK et al.: Merkel cell polyomavirus sequences are frequently detected in non melanoma skin cancer of immunosuppressed patients. Int J Cancer 2009;125(2):356-361. 10. Dworkin AM, Tseng SY, Allain DC et al.: Merkel cell polyomavirus in cutaneous squamous cell carcinoma of immunocompetent individuals. J Invest Dermatol. 2009; Jun. 25. 11. Ugurel S, Utikal J et al.: Imatinib in locally advanced dermatofibrosarcoma protuberans (DFSP): a phase II trial of the Dermatologic Cooperative Oncology Group (DeCOG). J Clin Oncol 2006; 24 (Suppl): 535s (Abstract 9561) Literatur 2. Wheatley K, Ives N, Hancock B et al.: Does adjuvant interferon-α for high-risk melanoma provide a worthwhile benefit? A meta-analysis of the randomised trials. Cancer Treatment Reviews 2003; 29: 214-252 3. Hauschild A, Agarwala SS, Trefzer U et al.: Results of a phase III, randomized, placebo-controlled study of sorafenib Korrespondenzadresse Prof. Dr. med. Erwin S. Schultz Hautklinik, Klinikum Nürnberg-Nord Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1 90419 Nürnberg E-mail: [email protected] 73