Das Rektumkarzinom - Gastroenterologie Bethanien

Werbung
WISSEN AKTUELL · KONGRESS
Fortbildung des interdisziplinären Ärztenetzwerks „Interdigest“
Das Rektumkarzinom – eine interdisziplinäre
Betrachtung für den Hausarzt
Das Rektumkarzinom ist ein Leiden, welches das Leben
des Patienten von Grund auf bleibend verändert und unter
Umständen eine sehr lange Behandlungsphase erfordert. Es
ist eine Krankheit, die beispielhaft interdisziplinär behandelt
werden muss und bei welcher die Hausärztin/der Hausarzt
eine zentrale Rolle einnehmen sollte. Ziel der Fortbildung war,
den Weg des Patienten von der Diagnose bis zur Nachsorge
aus interdisziplinärer Sicht für die Hausärztin/den Hausarzt
nachzuzeichnen.
S
ymptome und Diagnosestellung wurden aus der Sicht des Hausarztes und
des Gastroenterologen dargestellt. Der
Hausarzt Dr. Stefan Zinnenlauf hat sich
bei der Vorbereitung seines Referates gefragt, ob es denn das Rektumkarzinom im
Zeitalter häufiger Endoskopien überhaupt
noch gäbe. Sein letzter Fall in der Praxis liegt rund fünf Jahre zurück, es konnte anhand der Symptome Blut­abgang und
etwas Bauchschmerzen mit einem ein- Dr. Stefan Zinnenlauf
drücklichen rektalen Tastbefund vermutet werden. In Deutschland treten pro Jahr
30 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner auf, was absolut rund 25 000 Fällen entspricht. Der Häufigkeitsgipfel liegt
zwischen dem 70. und 80. Lebensjahr,
Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Klinisch manifestiert sich das Rektumkarzinom auf drei verschiedene Arten:
durch suspekte Symptome, als Zufallsbefund und selten anlässlich einer Notfallsituation durch Obstruk­tion oder Blutung. Dr. Beat Helbling
Von den Symptomen ist die veränderte
Stuhlgewohnheit mit 70% am häufigsten
vorhanden, das Problem ist aber, dass dieses Symptom in der Grundversorgerpraxis sowieso sehr häufig ist und die Hausärztin/der Hausarzt enorm gefordert ist, aufgrund der persönlichen Kenntnis des
Patienten und seiner Krankengeschichte abzuschätzen, wer abgeklärt
werden muss und wer nicht. Blutabgang und Bauchschmerzen treten
bei gut 50% der Fälle auf, Gewichtsverlust, Inappetenz und Müdigkeit bei rund einem Drittel bis einem Viertel, die Leitsymptome Tenesmen und Schmerzen im Rektum nur in 8 resp. 5%. Als suspektes
Zeichen wird in 57% eine Anämie gefunden, der rektale Tastbefund
kann bei hoch gelegenen Karzinomen fälschlicherweise negativ sein.
Gastroenterologie
Der Gastroenterologe kann laut Dr. Jiri Havelka bereits auf
den Angaben des Hausarztes aufbauen, z.B. dem Befund einer
mi­krozytären Anämie oder der Angabe eines Blutabgangs, auf
der Beschreibung des Stuhlaspekts durch den Patienten als ein
Gemisch von rotem, braunem und gelbem Material oder der
Form wie ein Bleistift oder dem Symptom des falschen Freundes. Die Rektalpalpation ist zwingend notwendig, wichtig ist,
die ganze Zirkumferenz über 360 Grad durch Rotation des Fingers abzusuchen. Sie ist manchmal schwierig durchzuführen, darf
nicht schmerzhaft sein und erfordert gelegentlich eine Sedation.
An Spezialuntersuchungen folgt die Rektoskopie, die besser ist für
ganz distal gelegene Tumore, und immer
auch eine totale Koloskopie, um zusätzliche höher gelegene Befunde gleich bei
Diagnosestellung miterheben zu können. Auch der Gastroenterologe kann
die Diagnose nicht von Auge stellen, so
dass immer eine Biopsie zur histologischen Untersuchung zwingend erfolgen
muss. Schliesslich kann die Diagnose differenziert als Analkarzinom oder
als distales resp. proximales, nicht tastbares Rektumkarzinom gestellt werden,
Dr. Jiri Havelka
ergänzt durch exakte Angabe der Distanz vom distalen Tumorrand zur Linea
ano-cutanea und der Grösse und Ausdehnung des Tumors.
Staging
Zum Staging kamen der Endosonographiker und der Radiologe zum Wort.
Das Ziel des Staging des Rektumkarzinoms ist nach dem Gastroenterologen Dr. Beat Helbling eine Beurteilung
der Prognose des Tumors als GrundlaDr. Thomas Bischof
ge zur Definition des Therapiekonzeptes
zu haben und einen Beitrag zur Prävention von Beschwerden zu leisten. Deshalb erfordert jede Diagnose eines Rektumkarzinoms zuerst ein
Staging, und erst danach soll entschieden werden, ob eine Therapie gewünscht wird und wie und wann therapiert werden soll.
Das lokale Staging mittels flexibler Endosonographie definiert am
genauesten das T-Stadium, insbesondere die wichtigen Stadien uT2
(u: Bestimmung durch Ultraschall, T2: Tumor infiltriert nur die
Tunica submucosa und „ritzt“ die Muskularis höchstens an) versus uT3 (Tumor durchbricht die Muskularis). Zudem erfasst sie den
Abstand des Tumors zum analen Sphinkter, eine Infiltration des
Sphinkters, der Vagina sowie der Samenblasen sehr genau. Somit
erlaubt sie die Planung der operativen Strategie. Darüber hinaus
hängt die Indikat­ion zur neoadjuvanten Radiochemotherapie vom
T- und N- Stadium ab in dem Sinn, dass beim lymphonodal negativen uT2-Stadium nur operiert wird, hingegen ein Stadium uT3
_ 2014 _ der informierte arzt
5002 © Dr. Monika Jermann
WISSEN AKTUELL · KONGRESS
Abb. 1: Infusionspumpe, 9 cm im Durchmesser, 4 cm dick.
Infundiert Medikament kontinuierlich über 48 Stunden
resp. uN1 eine neoadjuvante, das heisst präoperative Radiochemotherapie notwendig macht. Für die Endosonographie ist als Vorbereitung meistens nur ein Einlauf notwendig, die Untersuchung
dauert 15 bis 30 Minuten, ist schmerzlos, kann aber auf Wunsch in
Sedation durchgeführt werden. Das Resultat liegt sofort vor.
Die Bedeutung der Schnittbildverfahren CT, MRI und PET-CT
für das Staging wird vom Radiologen Dr. Thomas Bischof erläutert. Sowohl bezüglich Staging wie auch Therapie kommt der mesorektalen Faszie, ventralseits als Denonvillier’sche Faszie benannt,
als Umhüllung des Rektums eine zentrale Rolle zu. Der Begriff “circumferential resection margin“ (CRM) entspricht dieser in funktioneller Hinsicht. Der Abstand des Tumors zu diesem Rand kann
mittels MRI mit einer Genauigkeit von < 0.5 mm gemessen werden. Ein Abstand des Tumors zum CRM von > 5 mm bedeutet
„good“ tumor, von > 5 mm „bad“ tumor, wobei dieser Abstand
prognostisch wichtiger ist als das T-Stadium. Bei der von Heald (Heald RJ et al,
Br J Surg 1982) beschriebenen totalen
mesorektalen Exzision (TME) erfolgt die
Resektion entlang der mesorektalen Faszie resp. der CMR, was heute als Goldstandard angesehen wird. Zum Staging
mittels MRI muss festgehalten werden,
dass ein Tumorstadium T3 in ein Substadium a, b und c aufgeteilt werden kann
anhand einer Distanz von 5, 5–10 und
> 10 mm, um welche die Muskularis pro- Dr. Basil Bättig
pria vom Tumor überschritten wird. Ein
Stadium T4 bedeutet Infiltration der umgebenden Strukturen wie
Prostata und Samenblase beim Mann, Uterus und Vagina bei der
Frau und Blase bei beiden. Die Stärke des MRI ist das T-Staging,
v.a. der Stadien T3 und T4, sowie die Beurteilung der Relation des
Tumors zum CRM. Zum N-Staging ist die Lokalisation des Primärtumors wichtig: Beim tiefliegenden Tumor kann die lymphogene Aussaat in Richtung inguinale Lymphknoten erfolgen, beim
mittleren lateral in obturatorische, iliacal interne Lymphknoten
oder entlang der Mesenterica inferior. Das Problem ist, dass das
MRI auch unter Zuhilfenahme von Diffusions- Sequenzen gerade
bei kleinen Lymphknoten (94% der befallenen Lymphknoten sind
< 5 mm!) nicht zuverlässig genug zwischen neoplastischen und
unspezifisch vergrösserten Lymphknoten unterscheiden kann, so
dass sich die Genauigkeit des MRI bezüglich Lymphknotendetekder informierte arzt _ 02 _ 2014
tion lediglich auf 71 bis 91% berechnen lässt. Eine deutliche Verbesserung der Spezifität von 75 auf 93% würde die Kontrastierung
mit sehr kleinen Eisenoxyd-Partikeln (USPIO) bringen, die leider
wegen Verträglichkeitsproblemen weder in den USA noch bei uns
zugelassen sind. Eine wesentliche Bedeutung hat das MRI auch in
der Verlaufskontrolle nach neoadjuvanter Therapie. Das CT hat
kaum eine Bedeutung im lokalen Staging, dagegen ist präoperativ ein CT von Thorax und Abdomen zur Erfassung von Metastasen Routine. Dem PET-CT kommt bei der Primärdiagnostik keine
Bedeutung zu. Bei der Abklärung von Rezidiven ist das MRI lokal,
das CT im M-Bereich und das PET-CT generell gut geeignet.
Therapie
Bei der Therapie kommt heute der neoadjuvanten Radiochemotherapie, d.h. der Behandlung mit Fluorouracil (5-FU) und
Bestrahlung vor der Operation, bei
Tumorstadien T3/4 oder N+ eine zentrale Bedeutung zu. Der Onkologe Dr. Basil
Bättig untermauert diese Aussage mit
den wesentlichen historischen Schritten, die zum aktuellen Therapiekonzept
geführt haben. Das Auftreten eines lokoregionären Rezidivs (LRR) konnte durch
Anwendung der totalen mesorektalen
Exzision von 30 auf 11% reduziert werden im Vergleich zur alten darmnahen
Prof. Peter Buchmann
Rektumresektion. Durch eine zusätzliche
postoperative Radiotherapie reduziert
sich die Inzidenz eines LRR rund auf die Hälfte, das Überleben wird
nicht eindeutig verlängert. Ein weiterer Vergleich (Dutch trial) widmete sich der Frage der Wirksamkeit einer präoperativen Bestrahlung vor TME, die Rate von LRR wurde von 8.2 auf 2.4% gesenkt.
Über die Wirksamkeit einer präoperativen Radiochemotherapie
durch Zugabe von 5-FU gegenüber einer alleinigen Radiotherapie gibt eine Cochrane-Studie Auskunft: Das Überleben wird nach
5 Jahren nicht beeinflusst, die Rate der LRR um eine Odds-Ratio
(OR) von 0.53 reduziert. Abschliessend folgte der Vergleich präoperative versus postoperative Radiochemotherapie mit dem Resultat
einer LRR-Rate von 13 versus 6% nach 5 Jahren zu Gunsten des
präoperativen Armes. 5-FU wird während der Bestrahlung standardmässig als Radiosensitizer in tiefer Dosis über eine ambulante Dauerinfusion an den Tagen 1–5 und 29–34 verabreicht (Abb. 1).
51
WISSEN AKTUELL · KONGRESS
Modifikationen an der Komponente „Chemotherapie“, z.B. durch geringer Blutverlust und keine intraoperativen Komplikationen.
Zugabe von Oxaliplatin oder von Antikörpern gegen VEGF oder Kriterien für onkologisch korrekte Resektion sind zentrale Ligatur,
EGFR, die sich in der Behandlung des fortgeschrittenen Kolonkar- TME ohne Verletzung der umhüllenden Faszie, ein Resektionsrand
zinoms alle als wirksam erwiesen haben, führen in der neoadjuvan- von mind. 2 cm und die Anzahl der resezierten Lymphknoten.
ten Situation lediglich zu gesteigerter Toxizität, ohne am Resultat Diese onkologischen Kriterien müssen anhand des Pathologie­
Wesentliches zu ändern.
berichtes beurteilt werden können.
Auf diese Kriterien ging der Pathologe PD Dr.
Der Chirurg Prof. Peter Buchmann erläutert die
Philip Went ein, machte aber zuvor klar, dass die
Vorteile eines implantierten venösen Zugangs (Port)
histologische Aufarbeitung des Resektionspräparawie folgt: Repetitive peripher-venöse Punktionen, wie
tes nicht mehr der Diagnose, sondern dem Staging
sie im Rahmen einer Chemotherapie notwendig sind,
dient mit dem Ziel, etwas über prädiktive Marker
führen in 8 bis 15% der Fälle zu Extravasaten. Zudem
und die Prognose des Patienten aussagen zu können.
sind sie für ambulante Dauerinfusionen nicht geeigDiese ist abhängig von Eigenschaften des Tumors,
net. Ein implantierter Port gewährleistet eine sichere
aber auch von der behandelnden Einheit! In der PräPunktion, ist angenehmer für den Patienten und einanalytik muss beachtet werden, dass der Darm durch
facher für das Personal. Als Nachteile werden Fremddie Fixierung bis zu 50% schrumpfen kann. Arzt und
körper, Infektionsgefahr, Gefahr einer Thrombose und
Patient möchten das Resultat der pathologischen
Hautperforation erwähnt; alle lassen sich in den meisUntersuchung so rasch wie möglich haben, jedoch
ten Fällen durch entsprechendes Handling vermeiden, Dr. Daniel Christen
führt eine Verlängerung der Fixationszeit zu einer
insbesondere ist die konsequente Spülung mit Heparin
erhöhten Detektionsrate von Lymphknoten: die Zahl
nach jedem Gebrauch zwingend. Auf jeden Fall ist ein
der gewonnenen Lymphknoten ist ein QualitätskriPort sicherer als wiederholte Punk­tionen von Venen.
terium für den Chirurgen und den Pathologen und
Über Indikationen zu einem Stoma, das anatoauch der wichtigste Prognosefaktor für das Gesamtmisch-pathologische Konzept der Operation sowie die
überleben des Patienten. Die Anzahl von LymphKriterien für eine technisch und eine onkologisch korknoten nimmt bezüglich Grösse und Anzahl unter
rekte Resektion informierte der Chirurg Dr. Daniel
neoadjuvanter Therapie um 30 bis 40% ab, so dass
Christen. Die Frage nach einem Stoma ist für alle Pabei 10 bis 15% der Patienten mit einer Lymphknotentienten mit Rektumkarzinom vordringlich. Bei einer
zahl von < 12 zu rechnen ist. Der erste Schritt ist die
tiefen Rektumresektion nach Vorbestrahlung tritt eine
makroskopische Beurteilung der mesorektalen FasInsuffizienz in 10 bis 15% der Fälle auf. Ziel eines prozie, die intakt sein soll. Das Präparat wird nicht mehr
tektiven Stomas (meist als Ileo­stoma angelegt) ist die PD Dr. Philip Went
längs eröffnet, sondern in toto fixiert und anschliesVerhinderung von Folgen der Insuffizienz in Form von
send in standardisierten queren Schnitten beurteilt.
Abszess und irregulärer Vernarbung. Es kann nach 12
Dabei wird der Regressionsgrad nach Dwo­rak zur
Tagen oder besser nach 4 bis 6 Wochen rückverlegt
Beurteilung des Ansprechens auf die neoadjuvanwerden. Ein definitives Stoma wird bei sehr tief lokalite Therapie beurteilt. Hingegen sind nach neoadjusierten Tumoren, die nur unter Resek­tion des Sphinkvanter Therapie zahlreiche morphologische Kriterien
ters mittels Rektumamputation onkologisch korrekt
wie Grading, Tumorbudding, Proliferationsrate u.a.
entfernt werden können, als Deszendostomie angelegt.
Die eigentliche Resektion des Tumors erfolgt durch
nicht mehr anwendbar. Prädiktive Marker wie KRAS,
eine tiefe vordere Rektumresektion mit totaler mesoNRAS und BRAF und Mikrosatellitenanalyse sollten
rektaler Exzision unter Schonung der neuronalen Plebesser an unbehandeltem Material gemacht werden,
xus in toto nach vorgängiger zentraler Gefässligatur so,
d.h. am diagnostischen Biopsiematerial, sofern genüDr. Monika Jermann
dass ein Abstand zum Tumor von mindestens 1.5 bis 2
gend Tumormaterial zur Verfügung steht.
cm verbleibt. Der Ort der Ligatur bestimmt das AusFrau Dr. Monika Jermann erläutert als Onkolomass der Resektion. Dabei handelt es sich um einen für
gin die adjuvante Chemotherapie beim fortgeschritden Patienten sehr tiefgreifenden Akt, der sein Leben für Mona- tenen Rektumkarzinom. Das 5-Jahresüberleben korreliert direkt
te und evtl. Jahre verändern wird. Er führt zum Verlust eines Mel- mit dem Tumorstadium, wobei Lokalrezidive und Fernmetas­tasen
deorgans und Reservoirs, so dass der Patient den Stuhldrang oft etwa gleich häufig auftreten. Das Ziel einer adjuvanten Therapie ist
zu spät spüren und sehr häufige Darmentleerungen haben wird. kurativ; als zusätzliche, unterstützende Therapie soll sie bei einem
Dies kann zur sozialen Isolation führen. Entgegen früheren Mei- lokalisierten Tumor durch Elimination von okkulten Tumorzelnungen ist eine Besserung aber über Jahre möglich. Potenziel- len Fernmetastasen verhindern und die Mortalität reduzieren. Der
le Kollateralschäden der Operation sind Verletzungen des Plexus Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie nach vorgängiger neoadhypogastricus mit Miktionsproblemen, retrograder Ejakulation juvanter Radiochemotherapie ist allerdings durch direkte Studien
und beeinträchtigter Lubrifikation, des Plexus pelvinus mit erek- schlecht belegt, so dass sich Guidelines z.T. auf die Analogie zum
tiler Dysfunktion sowie Verletzungen von Ureter und Milz. Der sehr gut untersuchten Kolonkarzinom berufen. Dementsprechend
Plexus pelvinus kann auch bereits durch die vorgängige Bestrah- heterogen fallen die Empfehlungen aus, von Empfehlung für adjulung geschädigt sein. Kriterien für eine technisch korrekte Resek- vante Chemotherapie bei allen Patienten des amerikanischen Natition sind Intaktheit neuraler Strukturen, niedrige Insuffizienzrate, onal Comprehensive Cancer Network (NCCN) bis zur Feststellung
_ 2014 _ der informierte arzt
5202 WISSEN AKTUELL · KONGRESS
„There is insufficient evidence on the benefit of adjuvant chemo“ Stuhlentleerung entwickeln, und 10 bis 20% eine Stuhlinkontider European Rectal Cancer Conference. Als Kriterium zum Thera- nenz. Ursächlich kommen eine Verminderung des Reservoirs und
pieentscheid kann der Grad des Ansprechens auf die neoadjuvan- der Compliance des Neorektums in Frage, eine Störung der reflekte Behandlung genommen werden, Patienten ohne Downstaging torischen Internusrelaxation, eine Einschränkung der anorektahaben eine schlechtere Prognose, unklar ist aber, ob sie auch len Sensibilität, ein verminderter Tonus des Analsphinkters, eine
schlechter auf eine adjuvante Therapie ansprechen. Gemäss einer verkürzte Darmpassage mit erniedrigter Stuhlkonsistenz und
Metaanalyse darf von einer adjuvanten Chemotherapie
erhöhtem Stuhlvolumen. Zur Behandlung stehen
beim nodal positiven Kolonkarzinom mit einer Redukmedikamentöse Massnahmen mit insbesondere Imotion des Rückfallrisikos um rund 25% und der Mortadium® zur Verfügung, die Beckenbodengymnastik
lität um 17% gerechnet werden. Wenn man sich für die
mit oder ohne Elektrostimulation und v.a. die TheraTherapie entscheidet, kommt standardmässig FOLFOX
pie mittels Biofeedback. Der wesentliche Fortschritt
(5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin) zur Anwendung (Gabe
aus Sicht der Chirurgie ist die Methode der sakralen
über einen Venenport, 5-FU mittels Pumpe über 48
Neuromodula­tion (SNM), welche zu einer VerbesStunden, Abb. 1.). Hauptsächliche Nebenwirkung ist
serung der motorischen Antwort führt, zur Verbesdie Polyneuropathie; aber auch Fatigue, Inappetenz,
serung der Sensorik, der Kolonfunktion und der
Thrombopenie und seltener Nausea und Diarrhoe könautonomen Nervenaktivität. Neuere Studien zeinen auftreten. Als Alternative kommt XELOX in Frage,
gen, dass eine Modulation nicht nur auf spinaler
hier wird die Infusion mit 5-FU durch das peroral ver- Rita Schmeh da Silva
sondern auch zentraler Ebene erfolgt. Ein sakraler
abreichbare Capecitabine (Xeloda®) ersetzt, Oxaliplatin
Schrittmacher wird zunächst während zwei Wochen
alle 3 Wochen gegeben. Bei Patienten über 70 Jahre ist
extern ausgetestet und erst bei gutem Therapieresulder Benefit von Oxaliplatin geringer, so dass diese von
tat implantiert.
einer Monotherapie mit Capecitabine in einer um rund
Dr. Marcel Halama erläutert Indikation und Vorein Drittel reduzierter Dosis profitieren können. Häugehen zur Tumornachsorge. Diese erfolgt gemäss der
figste Nebenwirkung von Capecitabine ist das Handinterdisziplinär durch alle involvierten Fachgruppen
Fuss-Syndrom mit Rötung, Schwellung und Schmerzen
erarbeiteten Consensus-Empfehlung, welche unter
www.sggssg.ch/uploads/media/NaSo_CRC_d.pdf
der Handflächen und Fusssohlen sowie Schuppung der
zugänglich ist. Ein Nachsorge-Programm ist indiHaut.
ziert für qualifizierende Patienten/-innen im StadiNachsorge
um II-III (T3/4 oder N+, M0), bei denen aufgrund
Zur Nachsorge kamen die Pflege eines Stomas, funkti- Dr. Marcel Halama
von Alter und Allgemeinzustand grundsätzlich eine
onelle Störungen nach tiefer Anastomose, KontinenzRezidiv- bzw. Metastasentherapie in Frage kommt.
probleme und die Tumornachsorge zur Sprache. Die
Die Nachsorge ist eine interdisziplinäre Aufgabe,
Stomatherapeutin Rita Schmeh da Silva bezeichnedie von einer Stelle aus unter Einbezug und laufente als häufigste Ursache für Probleme mit einem Stoma
der Orientierung der beteiligten Ärzte (operierendie Anlage desselben unter dem Niveau der Haut. Weider Chirurge, Hausarzt, Gastroenterologe, Radio-/
tere Ursachen sind Wundheilungsstörungen, parastoOnkologe, Radiologe etc.) koordiniert wird. Vorausmale Nahtdehiszenz und Hernie, Platzbauch, Narben,
gesetzt wird eine vollständige Koloskopie präoperaHautunebenheiten und sich verändernde Stomagröstiv oder baldmöglichst postoperativ (vorzugsweise
se. Alle diese Faktoren können bewirken, dass die Stoinnert 3 Monaten) sowie präoperative bildgebende
maversorgung nicht dicht angebracht werden kann,
Staging-Untersuchungen wie oben besprochen. Kliso dass die Haut mit Stuhl in Kontakt kommt, mit der
nische Untersuchungen und CEA-Titer erfolgen im
Dr. Daniela Zeller
Konsequenz von Mazeration und Ero­sion. In diesen
ersten Jahr vierteljährlich, im 2. und 3. Jahr halbjährschwierigen Situationen lohnt es sich, eine spe­ziell auslich und im 4. und 5. Jahr jährlich. Die 3-monatligebildete Stomatherapeutin beizuziehen.
che Rektalpalpation ist dabei durch den operierenden
Der Motilitätsspezialist und Gastroenterologe Dr. Marcel Halama Chirurgen sicherzustellen. Um ein Lokalrezidiv zu erfassen erfolerläutert zum Verständnis von funktionellen Störungen nach Rek- gen in den ersten 2 Jahren halbjährlich Rekto-Sigmoideoskopie
tumchirurgie das wichtige Zusammenspiel von Struktur (rektale und Endosonographie. Für die Erfassung von Fernmetas­tasen CT
Kapazität), Sphinkterfunktion und Perzeption (anorektale Wahr- von Thorax-Abdomen während 5 Jahren jährlich. Koloskopie mit
nehmung). Dem Gas­
troenterologen stehen zwei Untersuchun- Frage nach metachronem oder Zweit-Karzinom ein und vier Jahre
gen zur anorektalen Funktionstestung zur Verfügung, einerseits postoperativ, dann alle 5 Jahre.
die anale Manometrie des Drucks von Sphincter ani internus und
wwDr. med. Hans Kaspar Schulthess
externus, andererseits die Barostatuntersuchung zur Prüfung von
Perzeption, Kapazität und Compliance des Rektums.
Die Chirurgin Dr. Daniela Zeller erinnert, dass bis zu 75% der
Quelle: Fortbildung des interdisziplinären Ärztenetzwerks „Interdigest˝ vom
Operierten eine Darmfunktionsstörung, ein sog. Post-Resektions28. November 2013 in Zürich
syndrom mit imperativem Stuhldrang, erhöhter Stuhlfrequenz,
schmerzhafter Defäka­
tion und fraktionierter unvollständiger
der informierte arzt _ 02 _ 2014
53
Herunterladen