WISSEN AKTUELL · KONGRESS Fortbildung des interdisziplinären Ärztenetzwerks „Interdigest“ Das Rektumkarzinom – eine interdisziplinäre Betrachtung für den Hausarzt Das Rektumkarzinom ist ein Leiden, welches das Leben des Patienten von Grund auf bleibend verändert und unter Umständen eine sehr lange Behandlungsphase erfordert. Es ist eine Krankheit, die beispielhaft interdisziplinär behandelt werden muss und bei welcher die Hausärztin/der Hausarzt eine zentrale Rolle einnehmen sollte. Ziel der Fortbildung war, den Weg des Patienten von der Diagnose bis zur Nachsorge aus interdisziplinärer Sicht für die Hausärztin/den Hausarzt nachzuzeichnen. S ymptome und Diagnosestellung wurden aus der Sicht des Hausarztes und des Gastroenterologen dargestellt. Der Hausarzt Dr. Stefan Zinnenlauf hat sich bei der Vorbereitung seines Referates gefragt, ob es denn das Rektumkarzinom im Zeitalter häufiger Endoskopien überhaupt noch gäbe. Sein letzter Fall in der Praxis liegt rund fünf Jahre zurück, es konnte anhand der Symptome Blut­abgang und etwas Bauchschmerzen mit einem ein- Dr. Stefan Zinnenlauf drücklichen rektalen Tastbefund vermutet werden. In Deutschland treten pro Jahr 30 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner auf, was absolut rund 25 000 Fällen entspricht. Der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 70. und 80. Lebensjahr, Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Klinisch manifestiert sich das Rektumkarzinom auf drei verschiedene Arten: durch suspekte Symptome, als Zufallsbefund und selten anlässlich einer Notfallsituation durch Obstruk­tion oder Blutung. Dr. Beat Helbling Von den Symptomen ist die veränderte Stuhlgewohnheit mit 70% am häufigsten vorhanden, das Problem ist aber, dass dieses Symptom in der Grundversorgerpraxis sowieso sehr häufig ist und die Hausärztin/der Hausarzt enorm gefordert ist, aufgrund der persönlichen Kenntnis des Patienten und seiner Krankengeschichte abzuschätzen, wer abgeklärt werden muss und wer nicht. Blutabgang und Bauchschmerzen treten bei gut 50% der Fälle auf, Gewichtsverlust, Inappetenz und Müdigkeit bei rund einem Drittel bis einem Viertel, die Leitsymptome Tenesmen und Schmerzen im Rektum nur in 8 resp. 5%. Als suspektes Zeichen wird in 57% eine Anämie gefunden, der rektale Tastbefund kann bei hoch gelegenen Karzinomen fälschlicherweise negativ sein. Gastroenterologie Der Gastroenterologe kann laut Dr. Jiri Havelka bereits auf den Angaben des Hausarztes aufbauen, z.B. dem Befund einer mi­krozytären Anämie oder der Angabe eines Blutabgangs, auf der Beschreibung des Stuhlaspekts durch den Patienten als ein Gemisch von rotem, braunem und gelbem Material oder der Form wie ein Bleistift oder dem Symptom des falschen Freundes. Die Rektalpalpation ist zwingend notwendig, wichtig ist, die ganze Zirkumferenz über 360 Grad durch Rotation des Fingers abzusuchen. Sie ist manchmal schwierig durchzuführen, darf nicht schmerzhaft sein und erfordert gelegentlich eine Sedation. An Spezialuntersuchungen folgt die Rektoskopie, die besser ist für ganz distal gelegene Tumore, und immer auch eine totale Koloskopie, um zusätzliche höher gelegene Befunde gleich bei Diagnosestellung miterheben zu können. Auch der Gastroenterologe kann die Diagnose nicht von Auge stellen, so dass immer eine Biopsie zur histologischen Untersuchung zwingend erfolgen muss. Schliesslich kann die Diagnose differenziert als Analkarzinom oder als distales resp. proximales, nicht tastbares Rektumkarzinom gestellt werden, Dr. Jiri Havelka ergänzt durch exakte Angabe der Distanz vom distalen Tumorrand zur Linea ano-cutanea und der Grösse und Ausdehnung des Tumors. Staging Zum Staging kamen der Endosonographiker und der Radiologe zum Wort. Das Ziel des Staging des Rektumkarzinoms ist nach dem Gastroenterologen Dr. Beat Helbling eine Beurteilung der Prognose des Tumors als GrundlaDr. Thomas Bischof ge zur Definition des Therapiekonzeptes zu haben und einen Beitrag zur Prävention von Beschwerden zu leisten. Deshalb erfordert jede Diagnose eines Rektumkarzinoms zuerst ein Staging, und erst danach soll entschieden werden, ob eine Therapie gewünscht wird und wie und wann therapiert werden soll. Das lokale Staging mittels flexibler Endosonographie definiert am genauesten das T-Stadium, insbesondere die wichtigen Stadien uT2 (u: Bestimmung durch Ultraschall, T2: Tumor infiltriert nur die Tunica submucosa und „ritzt“ die Muskularis höchstens an) versus uT3 (Tumor durchbricht die Muskularis). Zudem erfasst sie den Abstand des Tumors zum analen Sphinkter, eine Infiltration des Sphinkters, der Vagina sowie der Samenblasen sehr genau. Somit erlaubt sie die Planung der operativen Strategie. Darüber hinaus hängt die Indikat­ion zur neoadjuvanten Radiochemotherapie vom T- und N- Stadium ab in dem Sinn, dass beim lymphonodal negativen uT2-Stadium nur operiert wird, hingegen ein Stadium uT3 _ 2014 _ der informierte arzt 5002 © Dr. Monika Jermann WISSEN AKTUELL · KONGRESS Abb. 1: Infusionspumpe, 9 cm im Durchmesser, 4 cm dick. Infundiert Medikament kontinuierlich über 48 Stunden resp. uN1 eine neoadjuvante, das heisst präoperative Radiochemotherapie notwendig macht. Für die Endosonographie ist als Vorbereitung meistens nur ein Einlauf notwendig, die Untersuchung dauert 15 bis 30 Minuten, ist schmerzlos, kann aber auf Wunsch in Sedation durchgeführt werden. Das Resultat liegt sofort vor. Die Bedeutung der Schnittbildverfahren CT, MRI und PET-CT für das Staging wird vom Radiologen Dr. Thomas Bischof erläutert. Sowohl bezüglich Staging wie auch Therapie kommt der mesorektalen Faszie, ventralseits als Denonvillier’sche Faszie benannt, als Umhüllung des Rektums eine zentrale Rolle zu. Der Begriff “circumferential resection margin“ (CRM) entspricht dieser in funktioneller Hinsicht. Der Abstand des Tumors zu diesem Rand kann mittels MRI mit einer Genauigkeit von < 0.5 mm gemessen werden. Ein Abstand des Tumors zum CRM von > 5 mm bedeutet „good“ tumor, von > 5 mm „bad“ tumor, wobei dieser Abstand prognostisch wichtiger ist als das T-Stadium. Bei der von Heald (Heald RJ et al, Br J Surg 1982) beschriebenen totalen mesorektalen Exzision (TME) erfolgt die Resektion entlang der mesorektalen Faszie resp. der CMR, was heute als Goldstandard angesehen wird. Zum Staging mittels MRI muss festgehalten werden, dass ein Tumorstadium T3 in ein Substadium a, b und c aufgeteilt werden kann anhand einer Distanz von 5, 5–10 und > 10 mm, um welche die Muskularis pro- Dr. Basil Bättig pria vom Tumor überschritten wird. Ein Stadium T4 bedeutet Infiltration der umgebenden Strukturen wie Prostata und Samenblase beim Mann, Uterus und Vagina bei der Frau und Blase bei beiden. Die Stärke des MRI ist das T-Staging, v.a. der Stadien T3 und T4, sowie die Beurteilung der Relation des Tumors zum CRM. Zum N-Staging ist die Lokalisation des Primärtumors wichtig: Beim tiefliegenden Tumor kann die lymphogene Aussaat in Richtung inguinale Lymphknoten erfolgen, beim mittleren lateral in obturatorische, iliacal interne Lymphknoten oder entlang der Mesenterica inferior. Das Problem ist, dass das MRI auch unter Zuhilfenahme von Diffusions- Sequenzen gerade bei kleinen Lymphknoten (94% der befallenen Lymphknoten sind < 5 mm!) nicht zuverlässig genug zwischen neoplastischen und unspezifisch vergrösserten Lymphknoten unterscheiden kann, so dass sich die Genauigkeit des MRI bezüglich Lymphknotendetekder informierte arzt _ 02 _ 2014 tion lediglich auf 71 bis 91% berechnen lässt. Eine deutliche Verbesserung der Spezifität von 75 auf 93% würde die Kontrastierung mit sehr kleinen Eisenoxyd-Partikeln (USPIO) bringen, die leider wegen Verträglichkeitsproblemen weder in den USA noch bei uns zugelassen sind. Eine wesentliche Bedeutung hat das MRI auch in der Verlaufskontrolle nach neoadjuvanter Therapie. Das CT hat kaum eine Bedeutung im lokalen Staging, dagegen ist präoperativ ein CT von Thorax und Abdomen zur Erfassung von Metastasen Routine. Dem PET-CT kommt bei der Primärdiagnostik keine Bedeutung zu. Bei der Abklärung von Rezidiven ist das MRI lokal, das CT im M-Bereich und das PET-CT generell gut geeignet. Therapie Bei der Therapie kommt heute der neoadjuvanten Radiochemotherapie, d.h. der Behandlung mit Fluorouracil (5-FU) und Bestrahlung vor der Operation, bei Tumorstadien T3/4 oder N+ eine zentrale Bedeutung zu. Der Onkologe Dr. Basil Bättig untermauert diese Aussage mit den wesentlichen historischen Schritten, die zum aktuellen Therapiekonzept geführt haben. Das Auftreten eines lokoregionären Rezidivs (LRR) konnte durch Anwendung der totalen mesorektalen Exzision von 30 auf 11% reduziert werden im Vergleich zur alten darmnahen Prof. Peter Buchmann Rektumresektion. Durch eine zusätzliche postoperative Radiotherapie reduziert sich die Inzidenz eines LRR rund auf die Hälfte, das Überleben wird nicht eindeutig verlängert. Ein weiterer Vergleich (Dutch trial) widmete sich der Frage der Wirksamkeit einer präoperativen Bestrahlung vor TME, die Rate von LRR wurde von 8.2 auf 2.4% gesenkt. Über die Wirksamkeit einer präoperativen Radiochemotherapie durch Zugabe von 5-FU gegenüber einer alleinigen Radiotherapie gibt eine Cochrane-Studie Auskunft: Das Überleben wird nach 5 Jahren nicht beeinflusst, die Rate der LRR um eine Odds-Ratio (OR) von 0.53 reduziert. Abschliessend folgte der Vergleich präoperative versus postoperative Radiochemotherapie mit dem Resultat einer LRR-Rate von 13 versus 6% nach 5 Jahren zu Gunsten des präoperativen Armes. 5-FU wird während der Bestrahlung standardmässig als Radiosensitizer in tiefer Dosis über eine ambulante Dauerinfusion an den Tagen 1–5 und 29–34 verabreicht (Abb. 1). 51 WISSEN AKTUELL · KONGRESS Modifikationen an der Komponente „Chemotherapie“, z.B. durch geringer Blutverlust und keine intraoperativen Komplikationen. Zugabe von Oxaliplatin oder von Antikörpern gegen VEGF oder Kriterien für onkologisch korrekte Resektion sind zentrale Ligatur, EGFR, die sich in der Behandlung des fortgeschrittenen Kolonkar- TME ohne Verletzung der umhüllenden Faszie, ein Resektionsrand zinoms alle als wirksam erwiesen haben, führen in der neoadjuvan- von mind. 2 cm und die Anzahl der resezierten Lymphknoten. ten Situation lediglich zu gesteigerter Toxizität, ohne am Resultat Diese onkologischen Kriterien müssen anhand des Pathologie­ Wesentliches zu ändern. berichtes beurteilt werden können. Auf diese Kriterien ging der Pathologe PD Dr. Der Chirurg Prof. Peter Buchmann erläutert die Philip Went ein, machte aber zuvor klar, dass die Vorteile eines implantierten venösen Zugangs (Port) histologische Aufarbeitung des Resektionspräparawie folgt: Repetitive peripher-venöse Punktionen, wie tes nicht mehr der Diagnose, sondern dem Staging sie im Rahmen einer Chemotherapie notwendig sind, dient mit dem Ziel, etwas über prädiktive Marker führen in 8 bis 15% der Fälle zu Extravasaten. Zudem und die Prognose des Patienten aussagen zu können. sind sie für ambulante Dauerinfusionen nicht geeigDiese ist abhängig von Eigenschaften des Tumors, net. Ein implantierter Port gewährleistet eine sichere aber auch von der behandelnden Einheit! In der PräPunktion, ist angenehmer für den Patienten und einanalytik muss beachtet werden, dass der Darm durch facher für das Personal. Als Nachteile werden Fremddie Fixierung bis zu 50% schrumpfen kann. Arzt und körper, Infektionsgefahr, Gefahr einer Thrombose und Patient möchten das Resultat der pathologischen Hautperforation erwähnt; alle lassen sich in den meisUntersuchung so rasch wie möglich haben, jedoch ten Fällen durch entsprechendes Handling vermeiden, Dr. Daniel Christen führt eine Verlängerung der Fixationszeit zu einer insbesondere ist die konsequente Spülung mit Heparin erhöhten Detektionsrate von Lymphknoten: die Zahl nach jedem Gebrauch zwingend. Auf jeden Fall ist ein der gewonnenen Lymphknoten ist ein QualitätskriPort sicherer als wiederholte Punk­tionen von Venen. terium für den Chirurgen und den Pathologen und Über Indikationen zu einem Stoma, das anatoauch der wichtigste Prognosefaktor für das Gesamtmisch-pathologische Konzept der Operation sowie die überleben des Patienten. Die Anzahl von LymphKriterien für eine technisch und eine onkologisch korknoten nimmt bezüglich Grösse und Anzahl unter rekte Resektion informierte der Chirurg Dr. Daniel neoadjuvanter Therapie um 30 bis 40% ab, so dass Christen. Die Frage nach einem Stoma ist für alle Pabei 10 bis 15% der Patienten mit einer Lymphknotentienten mit Rektumkarzinom vordringlich. Bei einer zahl von < 12 zu rechnen ist. Der erste Schritt ist die tiefen Rektumresektion nach Vorbestrahlung tritt eine makroskopische Beurteilung der mesorektalen FasInsuffizienz in 10 bis 15% der Fälle auf. Ziel eines prozie, die intakt sein soll. Das Präparat wird nicht mehr tektiven Stomas (meist als Ileo­stoma angelegt) ist die PD Dr. Philip Went längs eröffnet, sondern in toto fixiert und anschliesVerhinderung von Folgen der Insuffizienz in Form von send in standardisierten queren Schnitten beurteilt. Abszess und irregulärer Vernarbung. Es kann nach 12 Dabei wird der Regressionsgrad nach Dwo­rak zur Tagen oder besser nach 4 bis 6 Wochen rückverlegt Beurteilung des Ansprechens auf die neoadjuvanwerden. Ein definitives Stoma wird bei sehr tief lokalite Therapie beurteilt. Hingegen sind nach neoadjusierten Tumoren, die nur unter Resek­tion des Sphinkvanter Therapie zahlreiche morphologische Kriterien ters mittels Rektumamputation onkologisch korrekt wie Grading, Tumorbudding, Proliferationsrate u.a. entfernt werden können, als Deszendostomie angelegt. Die eigentliche Resektion des Tumors erfolgt durch nicht mehr anwendbar. Prädiktive Marker wie KRAS, eine tiefe vordere Rektumresektion mit totaler mesoNRAS und BRAF und Mikrosatellitenanalyse sollten rektaler Exzision unter Schonung der neuronalen Plebesser an unbehandeltem Material gemacht werden, xus in toto nach vorgängiger zentraler Gefässligatur so, d.h. am diagnostischen Biopsiematerial, sofern genüDr. Monika Jermann dass ein Abstand zum Tumor von mindestens 1.5 bis 2 gend Tumormaterial zur Verfügung steht. cm verbleibt. Der Ort der Ligatur bestimmt das AusFrau Dr. Monika Jermann erläutert als Onkolomass der Resektion. Dabei handelt es sich um einen für gin die adjuvante Chemotherapie beim fortgeschritden Patienten sehr tiefgreifenden Akt, der sein Leben für Mona- tenen Rektumkarzinom. Das 5-Jahresüberleben korreliert direkt te und evtl. Jahre verändern wird. Er führt zum Verlust eines Mel- mit dem Tumorstadium, wobei Lokalrezidive und Fernmetas­tasen deorgans und Reservoirs, so dass der Patient den Stuhldrang oft etwa gleich häufig auftreten. Das Ziel einer adjuvanten Therapie ist zu spät spüren und sehr häufige Darmentleerungen haben wird. kurativ; als zusätzliche, unterstützende Therapie soll sie bei einem Dies kann zur sozialen Isolation führen. Entgegen früheren Mei- lokalisierten Tumor durch Elimination von okkulten Tumorzelnungen ist eine Besserung aber über Jahre möglich. Potenziel- len Fernmetastasen verhindern und die Mortalität reduzieren. Der le Kollateralschäden der Operation sind Verletzungen des Plexus Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie nach vorgängiger neoadhypogastricus mit Miktionsproblemen, retrograder Ejakulation juvanter Radiochemotherapie ist allerdings durch direkte Studien und beeinträchtigter Lubrifikation, des Plexus pelvinus mit erek- schlecht belegt, so dass sich Guidelines z.T. auf die Analogie zum tiler Dysfunktion sowie Verletzungen von Ureter und Milz. Der sehr gut untersuchten Kolonkarzinom berufen. Dementsprechend Plexus pelvinus kann auch bereits durch die vorgängige Bestrah- heterogen fallen die Empfehlungen aus, von Empfehlung für adjulung geschädigt sein. Kriterien für eine technisch korrekte Resek- vante Chemotherapie bei allen Patienten des amerikanischen Natition sind Intaktheit neuraler Strukturen, niedrige Insuffizienzrate, onal Comprehensive Cancer Network (NCCN) bis zur Feststellung _ 2014 _ der informierte arzt 5202 WISSEN AKTUELL · KONGRESS „There is insufficient evidence on the benefit of adjuvant chemo“ Stuhlentleerung entwickeln, und 10 bis 20% eine Stuhlinkontider European Rectal Cancer Conference. Als Kriterium zum Thera- nenz. Ursächlich kommen eine Verminderung des Reservoirs und pieentscheid kann der Grad des Ansprechens auf die neoadjuvan- der Compliance des Neorektums in Frage, eine Störung der reflekte Behandlung genommen werden, Patienten ohne Downstaging torischen Internusrelaxation, eine Einschränkung der anorektahaben eine schlechtere Prognose, unklar ist aber, ob sie auch len Sensibilität, ein verminderter Tonus des Analsphinkters, eine schlechter auf eine adjuvante Therapie ansprechen. Gemäss einer verkürzte Darmpassage mit erniedrigter Stuhlkonsistenz und Metaanalyse darf von einer adjuvanten Chemotherapie erhöhtem Stuhlvolumen. Zur Behandlung stehen beim nodal positiven Kolonkarzinom mit einer Redukmedikamentöse Massnahmen mit insbesondere Imotion des Rückfallrisikos um rund 25% und der Mortadium® zur Verfügung, die Beckenbodengymnastik lität um 17% gerechnet werden. Wenn man sich für die mit oder ohne Elektrostimulation und v.a. die TheraTherapie entscheidet, kommt standardmässig FOLFOX pie mittels Biofeedback. Der wesentliche Fortschritt (5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin) zur Anwendung (Gabe aus Sicht der Chirurgie ist die Methode der sakralen über einen Venenport, 5-FU mittels Pumpe über 48 Neuromodula­tion (SNM), welche zu einer VerbesStunden, Abb. 1.). Hauptsächliche Nebenwirkung ist serung der motorischen Antwort führt, zur Verbesdie Polyneuropathie; aber auch Fatigue, Inappetenz, serung der Sensorik, der Kolonfunktion und der Thrombopenie und seltener Nausea und Diarrhoe könautonomen Nervenaktivität. Neuere Studien zeinen auftreten. Als Alternative kommt XELOX in Frage, gen, dass eine Modulation nicht nur auf spinaler hier wird die Infusion mit 5-FU durch das peroral ver- Rita Schmeh da Silva sondern auch zentraler Ebene erfolgt. Ein sakraler abreichbare Capecitabine (Xeloda®) ersetzt, Oxaliplatin Schrittmacher wird zunächst während zwei Wochen alle 3 Wochen gegeben. Bei Patienten über 70 Jahre ist extern ausgetestet und erst bei gutem Therapieresulder Benefit von Oxaliplatin geringer, so dass diese von tat implantiert. einer Monotherapie mit Capecitabine in einer um rund Dr. Marcel Halama erläutert Indikation und Vorein Drittel reduzierter Dosis profitieren können. Häugehen zur Tumornachsorge. Diese erfolgt gemäss der figste Nebenwirkung von Capecitabine ist das Handinterdisziplinär durch alle involvierten Fachgruppen Fuss-Syndrom mit Rötung, Schwellung und Schmerzen erarbeiteten Consensus-Empfehlung, welche unter www.sggssg.ch/uploads/media/NaSo_CRC_d.pdf der Handflächen und Fusssohlen sowie Schuppung der zugänglich ist. Ein Nachsorge-Programm ist indiHaut. ziert für qualifizierende Patienten/-innen im StadiNachsorge um II-III (T3/4 oder N+, M0), bei denen aufgrund Zur Nachsorge kamen die Pflege eines Stomas, funkti- Dr. Marcel Halama von Alter und Allgemeinzustand grundsätzlich eine onelle Störungen nach tiefer Anastomose, KontinenzRezidiv- bzw. Metastasentherapie in Frage kommt. probleme und die Tumornachsorge zur Sprache. Die Die Nachsorge ist eine interdisziplinäre Aufgabe, Stomatherapeutin Rita Schmeh da Silva bezeichnedie von einer Stelle aus unter Einbezug und laufente als häufigste Ursache für Probleme mit einem Stoma der Orientierung der beteiligten Ärzte (operierendie Anlage desselben unter dem Niveau der Haut. Weider Chirurge, Hausarzt, Gastroenterologe, Radio-/ tere Ursachen sind Wundheilungsstörungen, parastoOnkologe, Radiologe etc.) koordiniert wird. Vorausmale Nahtdehiszenz und Hernie, Platzbauch, Narben, gesetzt wird eine vollständige Koloskopie präoperaHautunebenheiten und sich verändernde Stomagröstiv oder baldmöglichst postoperativ (vorzugsweise se. Alle diese Faktoren können bewirken, dass die Stoinnert 3 Monaten) sowie präoperative bildgebende maversorgung nicht dicht angebracht werden kann, Staging-Untersuchungen wie oben besprochen. Kliso dass die Haut mit Stuhl in Kontakt kommt, mit der nische Untersuchungen und CEA-Titer erfolgen im Dr. Daniela Zeller Konsequenz von Mazeration und Ero­sion. In diesen ersten Jahr vierteljährlich, im 2. und 3. Jahr halbjährschwierigen Situationen lohnt es sich, eine spe­ziell auslich und im 4. und 5. Jahr jährlich. Die 3-monatligebildete Stomatherapeutin beizuziehen. che Rektalpalpation ist dabei durch den operierenden Der Motilitätsspezialist und Gastroenterologe Dr. Marcel Halama Chirurgen sicherzustellen. Um ein Lokalrezidiv zu erfassen erfolerläutert zum Verständnis von funktionellen Störungen nach Rek- gen in den ersten 2 Jahren halbjährlich Rekto-Sigmoideoskopie tumchirurgie das wichtige Zusammenspiel von Struktur (rektale und Endosonographie. Für die Erfassung von Fernmetas­tasen CT Kapazität), Sphinkterfunktion und Perzeption (anorektale Wahr- von Thorax-Abdomen während 5 Jahren jährlich. Koloskopie mit nehmung). Dem Gas­ troenterologen stehen zwei Untersuchun- Frage nach metachronem oder Zweit-Karzinom ein und vier Jahre gen zur anorektalen Funktionstestung zur Verfügung, einerseits postoperativ, dann alle 5 Jahre. die anale Manometrie des Drucks von Sphincter ani internus und wwDr. med. Hans Kaspar Schulthess externus, andererseits die Barostatuntersuchung zur Prüfung von Perzeption, Kapazität und Compliance des Rektums. Die Chirurgin Dr. Daniela Zeller erinnert, dass bis zu 75% der Quelle: Fortbildung des interdisziplinären Ärztenetzwerks „Interdigest˝ vom Operierten eine Darmfunktionsstörung, ein sog. Post-Resektions28. November 2013 in Zürich syndrom mit imperativem Stuhldrang, erhöhter Stuhlfrequenz, schmerzhafter Defäka­ tion und fraktionierter unvollständiger der informierte arzt _ 02 _ 2014 53