Zahlenbereichserweiterungen MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 1 Literatur (Teil 1-allgemeiner Teil) 1. Andreas ULOVEC, Wenn sich Vorstellungen wandeln – Ebenen der Zahlenbereichserweiterungen, in: mathematiklehren 142 (2007) S14ff 2. Lisa Hefendehl-Hebeker und Susanne Prediger, Unzählig viele Zahlen: Zahlbereiche erweitern – Zahlvorstellungen wandeln in: Praxis der Mathematik in der Schule 48 (2006)11, S. 1ff Link 3. Jürgen Roth, Didaktik der Zahlenbereichserweiterungen http://www.dms.unilandau.de/roth/lehre/skripte/did_zahlbereichserweiterungen/did_zahlbereichserweit erungen_2_natuerliche_zahlen.pdf MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 2 Exkurs: Historisches zu den Zahlen Die Methode des Zählens zur Bestimmung der Größe einer Gesamtheit (etwa einer Mammutherde) ist sicherlich so alt wie die Menschheit. Mit Entwicklung der Schrift wurden auch Zahlzeichen (Ziffern) eingeführt, die meistens auf dem Dezimalsystem beruhen und größere Zahlen durch Zusammenfassung darstellen. Der Grund dafür ist offenbar in der Anzahl der Finger zu suchen. Das englische Wort digit für Ziffer stammt vom lateinischen digitus (Finger) ab und man kann vermuten, dass die sprachliche Verwandtschaft des Zahlwortes „zehn“ mit „Zehen“ kein Zufall ist. Die bis heute üblichen Ziffern 0,1,…,9 sind um 400 v. Chr. in Indien entstanden., wobei das Symbol 0 zunächst nicht für eine Zahl stand, sondern nur als Hilfsmittel in Zusammensetzungen wie 201 Sinn machte. Die Null als Zahl sowie die negativen ganzen Zahlen wurden erst einige Jahrhunderte später einbezogen. Reiss, K. & Schmieder, G. (2005). Basiswissen Zahlentheorie. Heidelberg: Springer. MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 3 Exkurs: Historisches zu den Zahlen Entwicklung unserer heutigen Ziffernsymbole MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 4 Die natürlichen Zahlen Die Menge ℕ der natürlichen Zahlen umfasst die natürlichsten Zahlen, nämlich jene, die beim Zählen von Gegenständen begegnen. Konkret handelt es sich dabei um folgende Menge: ℕ={0,1,2,3,...} Bis ins 19. Jahrhundert wurde versucht, den Zahlbegriff auf den psychologischen Vorgang des Zählens zurückzuführen. Die axiomatische Darstellung der natürlichen Zahlen durch G. Peano (italienischer Mathematiker, 1858 – 1932) präzisiert und verallgemeinert die intuitive Vorstellung von den Eigenschaften der natürlichen Zahlen! Es sieht wie folgt aus: Die natürlichen Zahlen sind eine Menge, für die gilt: Peano Axiome (vereinfacht) • 0 ist eine natürliche Zahl. • Jede natürliche Zahl n hat eine natürliche Zahl n` als Nachfolger. • 0 ist kein Nachfolger einer natürlichen Zahl. • Natürliche Zahlen mit gleichem Nachfolger sind gleich. • Induktionsprinzip! Enthält eine Menge M die 0 und mit jeder natürlichen Zahl n auch deren Nachfolger n`, so bilden die natürlichen Zahlen eine Teilmenge von M. MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 5 Aspekte natürlicher Zahlen Kardinalzahlen Die verschiedenen Aspekte der Verwendung von natürlichen Zahlen in der Alltagswelt sollen ständig die Erarbeitung der Zahlbereiche begleiten. 1. Verwendung als Kardinalzahl Idee: Zahlen beschreiben die Mächtigkeit von Mengen, also die Anzahl der Elemente. • Das Seminar wird von 27 Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht. • Martina hat 2 Brüder. • Der Parkplatz bietet Parkmöglichkeiten für 120 Fahrzeuge. Frage: Wie viele? MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 6 Aspekte natürlicher Zahlen Ordinalzahlen 2. Verwendung als Ordinalzahl Idee: Gibt den Rangplatz eines Elementes in einer geordneten Reihe an • Heute ist das erste Seminar zum Thema „Didaktik der Zahlbereiche“. • Lena steht an dritter Stelle in der Warteschlange. • Michael hat den fünften Platz im Marathonlauf erreicht. Frage: Der/die/das Wievielte? ODER Idee: Folge der natürlichen Zahlen, die beim Zählen durchlaufen wird (durch Zählzahlen wird auch Reihenfolge beschrieben) • Im Buch bin ich auf Seite 34 • Das Haus mit der Nummer 14 MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 7 Aspekte natürlicher Zahlen Maßzahlen 3. Verwendung als Maßzahl Idee: Zahlen sind Maßzahlen in Größenangaben • • • • Die Vorlesung dauert 90 Minuten. 5 kg Äpfel kosten 2,49 €. Der Bahnhof ist 4 km vom Hauptgebäude der Universität entfernt. Die Höchstgeschwindigkeit des Autos liegt bei 195 km/h. Mögliche Fragen: Was kostet? Wie lange? Wie groß? MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 8 Aspekte natürlicher Zahlen Operatoren 4. Verwendung als Operatoren Idee: Zahlen beschreiben die Vielfachheit einer Handlung oder eines Vorgangs • Das Medikament muss 3mal täglich genommen werden. • Die Vorlesung findet 2mal in der Woche statt. • Mit einem Abonnement kommt man 6mal in der Saison in die Oper. Frage: Wie oft? MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 9 Die Behandlung der Zahlenbereiche im Mathematikunterricht „Der Aufbau des Zahlensystems von den natürlichen bis zu den komplexen Zahlen ist eine Kulturleistung von höchster Perfektion, die im Unterricht der Sekundarstufe durch sukzessive Erweiterung der Zahlbereiche nachvollzogen wird. Aus der Perspektive der Lernenden zeigen sich dabei Herausforderungen und Hürden, die nur durch gewandelte Zahlvorstellungen zu überwinden sind!“ Aus: Unzählig viele Zahlen: Zahlbereiche erweitern – Zahlvorstellungen wandeln Lisa Hefendehl-Hebeker und Susanne Prediger Praxis der Mathematik in der Schule 48 (2006)11, S. 1-7 MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 10 Anlässe für Zahlenbereichserweiterungen Aus: Unzählig viele Zahlen: Zahlbereiche erweitern – Zahlvorstellungen wandeln Lisa Hefendehl-Hebeker und Susanne Prediger Praxis der Mathematik in der Schule 48 (2006)11, S. 1-7 MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 11 Probleme bei den Zahlenbereichserweiterungen Mit neuen Zahlenbereichen sind aber auch oft Verluste im Vergleich zum alten Zahlenbereich verbunden. Zitat: „Wir rechnen jetzt auch mit Minuszahlen. Die sind eigentlich ganz okay, aber manchmal ziemlich komisch. Guck mal, da soll –10 weniger sein als -4, das haben sich die Mathe-Lehrer echt seltsam ausgedacht. Warum ist das nicht wie bei den normalen Zahlen? Deswegen mach ich das manchmal auch andersrum, das ist dann falsch...“ oder - Subtraktion verkleinert, aber : (-5)-(-7)=2 - Ordnungsverlust von ℝ auf ℂ - Eindeutigkeit zwischen Zahl und Zahlzeichen geht von ℕ auf ℚ verloren - …. MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 12 Hürden bei den Dezimalzahlen MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 13 3 Ebenen der Zahlenbereichserweiterungen • Mathematisch-formale Ebene: Natürliche Zahlen: Peano-Axiome Bruchzahlen: sind Äquivalenzklassen geordneter Paare -> andere LV • Darstellungsebene: • Vorstellungsebene: MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 14 Darstellungsebene Kontinuitäten und Diskontinuitäten Zahldarstellung Natürliche Zahlen ℕ Bruchzahlen ℚ+ Ganze Zahlen ℤ Rationale Zahlen ℚ Reelle Zahlen ℝ Komplexe Zahlen ℂ Eindeutig (z.B.: 134) Unendlich vieldeutig 1 2 3 (z.B.: = = ) 2 4 6 In Dezimaldarstellung: 0,576….eindeutig, wenn unendlich viele Nachkommastellen und Periodizität zugelassen sowie unendliche Neunerperioden ausgeschlossen werden Eindeutig (z.B.: -134) Unendlich vieldeutig 1 2 3 (z.B.: − = − = − ) 2 4 6 In Dezimaldarstellung: -0,576….eindeutig, wenn unendlich viele Nachkommastellen und Periodizität zugelassen sowie unendliche Neunerperioden ausgeschlossen werden Nicht eindeutig (z.B.: 4 2 = 16 ) Nicht endlich darstellbar außer als Symbol ( 2, 𝑒, 𝜋) Eindeutig im Sinne von a+bi=c+di, wenn a=c und b=d, aber Darstellung von a und b nicht eindeutig (wie in ℝ ) Aus mathematiklehren 142 Wenn sich Vorstellungen wandeln von Andreas Ulovec S15 MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 15 Vorstellungsebene Übergang von den natürlichen Zahlen zu den Bruchzahlen Kontinuitäten und Diskontinuitäten Natürliche Zahlen Bruchzahlen Grundvorstellungen (inhaltliche Vorstellungen) zu Zahlen Zahlen werden aufgefasst als: • Kardinalzahl • Ordinalzahl • Maßzahl • Operator Zahlen werden aufgefasst als: • Bruch als Teil eines Ganzen • Bruch als relativer Anteil • Bruch als Resultat einer Division • Bruch als Verhältnis • … (siehe Kapitel 2) Ordnungsrelation Jede Zahl hat einen eindeutigen Nachfolger Keinen unmittelbaren Nachfolger (abgeschwächt: für jede Bruchzahl existiert eine größere Bruchzahl) rechnerische Ausführung schwieriger als Interpretation Grundvorstellungen für Operationen Addition: Hinzufügen, Zusammenfügen Addition und Subtraktion bleiben der Vorstellung nach gleich, der Einfachheit der Vorstellung entspricht keine vergleichbare Einfachheit der Durchführung Subtraktion: Wegnehmen, Vermindern Multiplikation: Abgekürzte Addition, „von“Deutung (Vierfaches von 3), Streckung Division: (Ver)teilen, Aufteilen MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 Multiplikation und Division mit eingeschränkten und modifizierten Interpretationen: „von“ Deutung Streckung und Stauchung Multiplikation vergrößert nicht immer 16 Grundvorstellungen zu Bruchzahlen OperatorVorstellung (Bruch als multiplikative Rechenanweisun g): Der Gewinn 3 beträgt 4 von 120 Euro (Rechenoperation wird auf dem Bruch angewendet). MMag. Martina Greiler-Zauchner 3 4 AnteilsVorstellung (Bruch als Teil eines Ganzen, als Teil mehrerer 3 Ganzer): 4 von einer Pizza oder von 3 Pizzen. Verhältnis-Vorstellung (Bruch als (Mischungs-) Verhältnis: Apfelsaft und Wasser werden im Verhältnis 3:4 gemischt. Zahlenbereichserweiterungen – 1 17 Vorstellungsebene Übergang zu den Negative Zahlen Kontinuitäten und Diskontinuitäten Negative Zahlen Grundvorstellungen zu Zahlen relative Zahlen bezüglich einer fest gewählten Vergleichsmarke Maßzahl Richtungen Gegensätze Ordnungsrelation Jede Zahl hat einen eindeutig bestimmten unmittelbaren Nachfolger (auch Vorgänger) Die Begriffe „mehr“ und „weniger“ sind neu deutungsbedürftig leitende Idee für Ordnungsrelation: Orientierung der Zahlengerade Grundvorstellungen für Operationen Addieren und Subtrahieren: Die Grundvorstellung des Zusammenfügens und Hinzufügens muss modifiziert werden. (Fügt man zu -2€ Schulden -4€ Schulden hinzu!) Hinzufügen ist nicht stets Vermehren! Wegnehmen ist nicht stets Vermindern! Multiplizieren und Dividieren: Grundvorstellung von Multiplizieren als abgekürzte Addition ist nur mehr ein Spezialfall „Von“-Deutung muss aufgegeben werden (Das -4-fache von 3) Deutung als Streckung: Auch Richtungsumkehr möglich MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 18 Vorstellungsebene Übergang zu den Reellen Zahlen Kontinuitäten und Diskontinuitäten Reelle Zahlen Grundvorstellungen zu Zahlen Grundvorstellungen ergeben sich aus Konstruktion der beliebig genauen Näherung globale Sicht: geschlossene Lücken auf der Zahlengerade (Vollständigkeit) Ordnungsrelation Keine unmittelbaren Nachfolger bzw. Vorgänger! Grundvorstellungen für Operationen keine neuen Grundvorstellungen nötig Da Unterricht selten zu grundlegenden Fragen vordringt (etwa: wie addiert man nicht abbrechende Dezimalzahlen?), werden hier selten Probleme erlebt. MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 19 Vorstellungsebene Übergang zu den Komplexen Zahlen Kontinuitäten und Diskontinuitäten Komplexe Zahlen Grundvorstellungen zu Zahlen Zahlen als • Zahlenpaare (a,b) oder (r,𝞿) • formal als Lösung einer Gleichung Ordnungsrelation Keine Ordnung Grundvorstellungen für Operationen Operationen mit Punkten und Pfeilen (geometrisch) MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 20 Workload Lit: Zahlen fallen nicht vom Himmel Ein Blick in die Geschichte der Mathematik Aus: ml142 Kapitel: - Ein didaktischer Blick auf historische Zahlbereichserweiterungen - Entstehung der Bruchzahlen aus den natürlichen Zahlen Fassen Sie die Inhalte der Kapitel zusammen und recherchieren Sie zum Inhalt, falls es Unklarheiten und Probleme bezüglich Verständnis gibt! MMag. Martina Greiler-Zauchner Zahlenbereichserweiterungen – 1 21