verhaltensforschung Pferdeflüsterer .... und was die Pferde davon halten Von Dr. Willa Bohnet Dieser Artikel geht dem Mythos der „Pferdeflüsterer“ auf den Grund und beleuchtet vor lerntheoretischem Hintergrund die neuen Erziehungsmethoden für Pferde. Pferde, Pferdehalter und „Pferdeflüsterer“ Pferde dienen dem Menschen seit 5.000 Jahren – früher als Arbeitstier, heute als „Sportkamerad“ und „Freizeitpartner“. Mit dem Nutzungswandel des Pferdes änderte sich auch das „Betreuungspersonal“. Die meisten Menschen, die heute Pferde halten und sie auf vielfältige Weise nutzen, sind nicht mit ihnen aufgewachsen, sondern erst später im Leben mit Pferden in Kontakt gekommen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auf breiter Basis Kommunikationsprobleme zwischen Mensch und Pferd bestehen. An diesem Punkt treten die „Pferdeflüsterer“ in den Vordergrund: Menschen, die aufgrund ihrer Erfahrung und ihres langjährigen Umgangs mit Pferden mit ihnen kommunizieren können und dies in unterschiedlichen Methoden vermarkten. Wie lernt das Pferd? Pferde lernen hauptsächlich über Klassische und Operante Konditionierung. Dabei spielen positive und negative Verstärker eine Rolle, die angenehme oder unangenehme Emotionen (Freude, Erleichterung, Angst, Frustration) bewirken. Positive Verstärker sind angenehme Umweltreize, die angeboren (primäre positive Verstärker: Futter, Sozialkontakt, Entspannung) oder erlernt sind (sekundäre positive Verstärker: Lobwort, Streicheln). Sie bewirken, dass ein Verhalten in Zukunft mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ausgeführt wird. Analog führt ein negativer Verstärker (unangenehmer Umweltreiz) dazu, dass das betreffende Verhalten in Zukunft mit geringerer Wahrscheinlichkeit auftritt. Schmerz und andere Stressoren, auf die die Pferde mit Meide- und Fluchtverhalten reagieren, sind primäre negative Verstärker. Sekundäre negative Verstärker können z.B. Gerte, Peitsche oder Gestik Klassische Konditionierung: Durch die wiederholte Paa- Operante Konditionierung: Das Pferd lernt etwas über rung eines neutralen Umweltsignals (Klappern eines Eimers) mit einem angeborenen Signal (Futter), das eine spezifische angeborenen Verhaltensreaktion auslöst (Speichelsekretion), wird das vorher neutrale Umweltsignal zu einem erlernten Auslösereiz für das entsprechende Verhalten (Klappern des Futtereimers löst Speichelsekretion aus). Zu den klassisch konditionierbaren Verhaltensreaktionen gehören alle angeborenen Reaktionen des Pferdes, also auch Stressreaktionen und Emotionen. Klassisch konditionierte (Verhaltens-) Reaktionen sind nicht willentlich oder bewusst durch das Pferd kontrollierbar. die Konsequenzen seines eigenen Verhaltens. Hat das Verhalten bezüglich eines Umweltsignals eine Steigerung des Wohlbefindens zur Folge, zeigt das Pferd das Verhalten wieder (Pferd stupst an die Jackentasche des Besitzers – Pferd erhält das Brötchen aus der Tasche; Folge: Pferd stupst in Zukunft wieder an die Jackentasche). Umgekehrt wird das Pferd das betreffende Verhalten einstellen, wenn etwas folgt, das dem Wohlbefinden abträglich ist (Pferd macht bei Berührung des elektrischen Weidezauns eine unangenehme Erfahrung; Folge: Pferd meidet den Zaun). Bei dieser Art der Konditionierung hat das Pferd die Wahl, ein Verhalten zu zeigen oder nicht zu zeigen und damit die Möglichkeit, eine Situation bewusst zu kontrollieren. 50 hundkatzepferd 04|08 rubrik Clicker-Training nach Alexandra Kurland Beschreibung Das Clicker-Training ist eine auf den Erkenntnissen der Verhaltensforschung basierende Methode [10], die ihren Namen durch die Verwendung eines akustischen Signal-Gebers, dem „Clicker“ erhielt. A. Kurland übertrug die Methode auf das Training von Pferden [11]. Aufgebaut wird der Clicker über Klassische Konditionierung (Ton + Futtergabe). Danach wird er in der Operanten Konditionierung als „Marker-Signal“ eingesetzt. Soll das Pferd dem Trainer folgen oder vor ihm weichen, fordert der Trainer das Pferd durch seine Körpersprache dazu auf. Zeigt das Pferd erwünschtes Verhalten, wird zuerst mit dem Clicker bestätigt, dann folgt eine Futtergabe oder Mähnenkraulen. Unerwünschtes Verhalten wird ignoriert oder der Trainer verlässt sogar den Trainingsort. Analyse Das Pferd erhält eine positive Rückmeldung bezüglich erwünschtem Verhalten über den Clicker-Ton und anschließender Futtergabe oder „sozialer Fellpflege“ in Form von Mähnenkraulen (R+). Unerwünschtes Verhalten wird durch Entziehen der Aufmerksamkeit bestraft, was dem Entfernen von etwas Angenehmem entspricht (P–). hundkatzepferd 04|08 Die ankündigende Wirkung des primären Verstärkers (Futter) durch den Clicker vermittelt Sicherheit in der Übung, wodurch das Erlernen eines neuen Verhaltens sehr schnell erfolgt [12]. Verstärker dieser Methode sind: uPrimärer positiver Verstärker: Futtergabe, soziale Fellpflege uSekundärer positiver Verstärker: ClickerTon uPrimärer negativer Verstärker: Entziehen der Aufmerksamkeit, Entziehen des Sozialkontakts oben Nicht nur der Trainer, auch das Pferd, hat Spaß am Clicker-Training … das fördert auf beiden Seiten die Motivation zum Ausprobieren! mitte Auch beim Clicker-Training beobachten die Pferde sehr genau die Körpersprache des Trainers. Man achte auf die Blickrichtung des Pferdes und die gleiche Fußfolge von Pferd und Trainer! Der ausgeschachtete Penis ist ein Zeichen der „positiven Erregung“ des Wallachs. unten Hilfsmittel beim Clicker-Training: Clicker und Futter („Leckerlies“) 51 TTEAM nach Linda Tellington-Jones Hilfsmittel bei TTEAM: Führkette und „Zauberstab“ Beschreibung Die Abkürzung „TTEAM“ steht für Tellington – Touch (Berührung) – Equine (Pferd) – Awareness (Bewusstsein) – Methode. TTEAM soll Gleichgewicht, Koordination und Körperbewusstsein des Pferdes stärken [9] und basiert bei der Bodenarbeit auf dem Einnehmen spezieller Führpositionen des Trainers [8]. Ziele sind ruhiges Stehen und konzentriertes, aufmerksames Folgen des Pferdes beim Führen. Der Pferdebesitzer soll bestimmte Führpositionen erlernen, die einprägsame und assoziative Namen haben (z.B. „Eleganter Elefant“). TTEAM arbeitet mit zwei Hilfsmitteln: Einer Führkette, die in einer speziellen Weise über den Nasenrücken des Pferdes geführt wird und einer weißen Gerte, dem „Zauberstab“. Die Führkette ist nicht als strafendes Signal gedacht und soll das Pferd nicht ängstigen. Ihr Effekt soll darin bestehen, dem Pferd „etwas klarzumachen“. Die Anweisungen zur Handhabung bei unerwünschtem Verhalten sehen einen kurzen Ruck der Kette aus dem Handgelenk vor. Danach soll das Pferd durch lobende Worte und Streicheln wieder beruhigt werden. Überholt das Pferd den führenden Menschen und reagiert nicht auf das entspre- chende Signal mit der Führkette, soll das Ende des Zauberstabs klopfend auf dem Nasenbein eingesetzt werden, um das Pferd zu bremsen [8]. Zeigt das Pferd erwünschtes Verhalten, wird verbal gelobt, Futter gereicht oder das Pferd gestreichelt. Analyse Führkette und Gerte werden bei TTEAM als strafende Signale (P+) eingesetzt, wenn das Pferd ein unerwünschtes Verhalten zeigt. Die immer gleich durchgeführte, deutliche Körpersprache der verschiedenen Führpositionen wird für das Pferd allerdings schnell zu einem eindeutigen Signal, auf das es mit einem gewünschten Verhalten reagieren und dadurch die Situation kontrollieren kann. Bei der TTEAM-Bodenarbeit arbeiten die Pferde daher auch sehr konzentriert mit und achten auf die Gestik des Menschen [9]. Erwünschtes Verhalten wird belohnt (R+) (Futter, verbales Lob, Streicheln). Verstärker dieser Methode sind: uPrimärer negativer Verstärker: Schmerz uSekundäre negative Verstärker: Führkette, Zauberstab uPrimärer positiver Verstärker: Futter uSekundäre positive Verstärker: Körpersprache (eindeutige Führpositionen), verbales Lob, Streicheln Willa Bohnet, geb. 1962 in Hannover, studierte Biologie an der Leibnitz-Universität in Hannover und an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Im Anschluss an Ihr Diplom erfolgte eine 2-jährige Forschungstätigkeit in der Abteilung Neuroethophysiologie des Deutschen Primatenzentrums Göttingen mit anschließender Promotion. Dr. Bohnet arbeitete von 1992 bis 1996 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Versuchstierkunde der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Dort forschte Sie über das Lernverhalten von Hunden. Heute ist sie als akademische Rätin am Institut für Tierschutz und Verhalten der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover tätig und vielseitig im Bereich Tierschutz und verhaltensgerechte Haltung von Pferden engagiert. Das aktuelle Forschungsinteresse von Dr. Bohnet gilt der Grundlagenuntersuchung zum Ausdrucksverhalten von Pferden. 52 sein. Damit sekundäre Verstärker als solche beim Pferd wirken, müssen sie zuvor klassisch konditioniert werden. Die „Vier Alternativen der Lehre“ Positive und negative Verstärker können sowohl als Belohnung als auch als Bestrafung im Training von Pferden eingesetzt werden. Beispiel: Wird Futter gegeben, so wirkt dies positiv verstärkend als Belohnung; wird Futter verweigert oder sogar entfernt, wirkt dies bestrafend. Prinzipiell hat ein Trainer vier Alternativen zur Verfügung 1. Belohnung aEtwas Angenehmes wird zugefügt = positive Reinforcement (R+); Emotion: Freude bEtwas Unangenehmes wird entfernt = negative Reinforcement (R-); Emotion: Erleichterung 2. Bestrafung aEtwas Unangenehmes wird zugefügt = positive Punishment (P+); Emotion: Angst bEtwas Angenehmes wird entfernt = negative Punishment (P-); Emotion: Frustration Die „Pferdeflüsterer“ und ihre Methoden Schon lange gibt es Menschen, die besonders geschickt mit Pferden umgehen können und selbst die widerspenstigsten Pferde zähmen. John S. Rarey war 1857 der erste „Pferdeflüsterer“, der sein Können auch öffentlich zeigte [1]. Ihm folgten bis in die heutige Zeit viele unterschiedliche PferdeBändiger, -Zähmer und -Flüsterer. Jeder der heutigen „Pferdeflüsterer“ hat ganz eigene innovative Methoden, spezielle Hilfsmittel und eine besondere Sprache. Die „neuen“ Methoden sind oft alte Methoden, die nur in Vergessenheit geraten sind und nun einen pseudo-wissenschaftlichen Rahmen erhalten [2]. Die im Folgenden aus Sicht der Klassischen Lerntheorie analysierten Methoden wurden ausgewählt, da sie als „gewaltfrei“ der traditionellen Pferdeausbildung entgegen gestellt werden und sich in ihren grundlegenden Ansatzpunkten unterscheiden. hundkatzepferd 04|08 Wie sehen die Pferde die ­Methoden der „Pferdeflüsterer“? Alle vorgestellten Methoden verwenden Belohnung und Strafe, um das Verhalten von Pferden zu formen. Es besteht aber ein grundlegender Unterschied, ob durch negative Verstärkung Flucht- und Meideverhalten ausgelöst wird (Monty Roberts, TTEAM) oder das Pferd frustriert ist, weil angebotenes Verhalten nicht belohnt wird (Clicker-Training). Auch dürfte es für das Wohlbefinden eines Pferdes eine Rolle spielen, ob angebotenes Verhalten die Emotion „Erleichterung“ (Monty Roberts) oder „Freude“ (TTEAM, Clicker-Training) zur Folge hat. Das Clicker-Training ist die einzige der hier vorgestellten Methoden, bei der die Pferde nicht auf den Trainer reagieren müssen, sondern selber agieren können, ohne dass ihnen etwas Unangenehmes zugefügt wird. Pferde, die mit dieser Methode gearbeitet werden, zeigen daher auch ausgeprägtes Erkundungs- und Spielverhalten. Treiben Körpersprache des Trainers: Angehobener Arm in Richtung der Hinterhand des Pferdes (Treiben); Reaktion des Pferdes: Vorwärtsbewegung Erkunden Der Trainer stellt das Treiben ein; Reaktion des Pferdes: Erkundungsverhalten (Kopf und restlicher Körper in Richtung des Trainers orientiert; seitlich gestellte Ohren und zusammen gepresste Lippen deuten auf Irritation hin) Annähern Der Trainer zeigt passive Körpersprache (entspannte Körperhaltung, Blick abgewendet); Die Reaktion des Pferdes: aufmerksame Annäherung (Ohren und Blick nach vorne gerichtet) Folgen Der Trainer bewegt sich mit ent­ spannter Körperhaltung fort – das Pferd folgt Literatur [1] R ichardson, C. (1999): Die Wahrheit über Pferdeflüsterer. Cadmos Verlag, Lüneburg. [2] M cLean, A., P. McGreevy, (2006): Horse whisperers. In: P. McGreevy (ed.): Equine Behavior, 296 - 297. [3] R oberts, M. (2002): Die Sprache der Pferde. Verlagsgruppe Lübbe, Bergisch Gladbach. [4] B ohnet, W., C. Gohl (2006): Pferde lesen wie ein Buch – Teil 3: Wie sehen Pferde die Roundpen-Methode? Pegasus 2006/11, 38 – 42. [5] K rüger, K. (2007): Behaviour of horses in the „round pen technique“. Appl. Anim. Behav. Sci. 104, 162-170. [6] Z eitler-Feicht, M. (2006): Agonistische Verhaltensweisen von Pferden in Offenlaufställen unter besonderer Berücksichtigung der Unterlegenheitsgesten. In: Aktuelle Arbeiten zur artgemäßen Tierhaltung 2006, KTBL-Schrift 448, 147-156. [7] Z eeb, K. (1959): Die „Unterlegenheitsgebärde“ des noch nicht ausgewachsenen Pferdes (Equus caballus). Zeitschrift Tierpsych., 16, 489 - 496. [8] T ellington-Jones, L. (2002): TTouch und TTeam für Pferde. Kosmos Verlag, Stuttgart. [9] B ohnet, W., C. Gohl (2006): Pferde lesen wie ein Buch – Teil 4: Wie sehen Pferde die TTEAM-Methode? Pegasus 2006/12, 36 – 40. [10] P ryor, K. (1999): Positiv bestärken – sanft erziehen. Kosmos Verlag, Stuttgart. [11] K urland, A. (1999): Pferdetraining mit dem Clicker. Cadmos Verlag, Lüneburg. [12] L angbein, J., K. Siebert, G. Nürnberg, G. Manteuffel (2007): The impact of acoustical secondary reinforcement during shape discrimination learning of dwarf goats (Capra hircus). Appl. Anim. Behav. Sci. 103, 35-44. Fotos: Kerstin Kühn > [email protected] hundkatzepferd 04|08 Join-Up-Methode nach Monty Roberts Beschreibung Analyse Ziel des „Join Up“ ist es, dass das Pferd dem Trainer im Round Pen folgt [3]. Hilfsmittel bei dieser Methode sind die Körpersprache des Trainers und ein Strick von 9 m Länge. Das Pferd wird durch die Körpersprache des Trainers (erhobener Arm in Richtung Pferd) dazu gebracht, sich auf der äußeren Zirkellinie vorwärts zu bewegen. Reagiert das Pferd nicht auf die Körpersprache, wird mit dem Strick geschlenkert oder er wird in Richtung Pferd geworfen. Sobald das Pferd eine bestimmte Körpersprache zeigt, stellt der Trainer das Treiben ein. Er bleibt still stehen, wendet sich ab und senkt den Blick. Das Pferd hält daraufhin an, geht auf den Trainer zu und bleibt neben ihm stehen. Der Trainer streichelt das Pferd an der Stirn und lobt es verbal („Good Boy“). Dann geht er langsam vom Pferd weg, wobei das Pferd ihm folgt – das „Join Up“ ist vollzogen. Bei dieser Methode wird dem Pferd so lange etwas Unangenehmes in Form der Bedrohung durch Körpersprache und Strick zugefügt (P+), bis das Pferd ein Absenken von Hals und Kopf, Kauen und Lecken zeigt [4,5]. Diese Signale sind Beschwichtigungs- oder Unterlegenheitsgesten des Pferdes, die als Reaktion auf eine Bedrohung gezeigt werden [6,7]. Daraufhin wird vom Trainer das Treiben des Pferdes beendet (R-). Verstärker dieser Methode sind: uPrimärer negativer Verstärker: Bedrohung (Körpersprache) uSekundärer negativer Verstärker: Seil uPrimäre positive Verstärker: Ruhepause, Sozialkontakt uSekundäre positive Verstärker: verbales Lob („Good Boy“), körperliches Lob (Stirn streicheln) 53