1.7. Drehimpulserhaltung 1.7.1. Der Drehimpuls Das 2. Newtonsche Axiom beschreibt die Translation (geradlinige Bewegung) von Körpern im Raum: F = ma dv F = m dt d(m v) , da m = const: F = dt Wirkung: Beschleunigung Widerstand: Masse m v Ursache: Kraft dv m dp dt Kraft = Änderungsrate des Impulses F = d(m∙v) = m∙dv Für die Rotation ist es sinnvoll, diese Gleichung mit dem Abstandsvektor r der Masse m von der Drehachse vektoriell zu multiplizieren. Wegen | r F | = r∙F∙sin(α) wird dabei nur die Hebelkraft F∙sin(α) senkrecht zum Hebelarm r berücksichtigt. Die Lagerkraft F∙cos(α) dagegen drückt nur auf das Drehlager und bewirkt keine Drehung: rF = r M = dp dt d(r p) , da r = const. dt Drehachse Drehmoment Drehimpulsänderung dL M = dt Drehmoment = Änderungsrate des Drehimpulses mit L = rp Drehimpuls = Hebelarm ∙ Impuls Impulsänderung m Hebelkraft F∙sin(α) ∙ Lagerkraft F∙cos(α) α Kraft Der Drehimpuls L hat keine eigene Einheit und wird in der Regel in kg∙m2∙s−1 = N∙m∙s ausgedrückt. Seine Richtung weist wie das Drehmoment M senkrecht zu Hebelarm r und Impuls p in Richtung der Drehachse. Übungen: Aufgaben zur Drehimpulserhaltung Nr. 1 - 3 1.7.2. Die Keplerschen Gesetze Johannes Kepler (1571 – 1630) war als Astrologe und Mathematiklehrer in Graz, Prag und Linz beschäftigt. Als Mitarbeiter und Nachfolger des habsburgischen Hofastronomen Tycho Brahe nutzte er dessen modernes Observatorium in der Nähe von Prag zur Vermessung der Marsbahnen und entwickelte auf der Basis dieser Daten rein empirisch (ohne theoretische Begründung) die drei folgenden Gesetze. 1. Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen, in deren Brennpunkt die Sonne steht. Eine Ellipse ist die Bahn eines Punktes um zwei Brennpunkte B1 und B2, wenn die Summe seiner Abstände zu den beiden Brennpunkten immer gleich bleibt: r + r’ = 2a. Wichtige Kennzeichen der Ellipse sind die große Bahnachse a, die Exzentrizität e und die numerische e Exzentrizität ε = . a Die kleine Bahnachse b dagegen ist für die Planetenbahnen ohne Bedeutung, da der Zentralkörper nicht im Mittelpunkt, sondern in einem der Brennpunkte steht. Das 1. Keplersche Gesetz folgt aus der Energieerhaltung. Die Berechnung der Ellipsenbahnen erfordert allerdings die Integration der Energiebilanz in Zylinderkoordinaten und wird hier nicht dargestellt. r B1 r’ e e a B2 b 1 2. Der Radiusvektor überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen: L r ds 1 = = const. Diese Gleichung beschreibt die rv = 2m 2 2dt dL des dt vorigen Abschnitts: Da kein äußeres Drehmoment M auf die Planeten dL wirkt, ist die Änderungsrate des Drehimpulses gleich Null und der dt Drehimpuls L bleibt konstant. Drehimpulserhaltung und folgt aus der Gleichung M = a3 = const. Dies folgt für den T2 Spezialfall der Kreisbahn einfach daraus, dass die Zentripetalkraft Fz gleich der Gravitationskraft FG sein muss: 2 r3 M M Mm 2 FZ = FG ⇔ m∙ω2r = γ 2 ⇔ r = γ 2 ⇔ 2 = = const. T T r r 4 2 3. Die Quadrate der Umlaufzeiten verhalten sich wie die Kuben der großen Bahnachsen: Übungen: Aufgaben zur Drehimpulserhaltung Nr. 5 - 10 1.7.3. Das Trägheitsmoment und die Rotationsenergie Um die Bewegung eines aus vielen kleinen Massenelementen mi zusammengesetzten Körpers zu beschreiben, muss man die Summe Σ der einzelnen Drehmomente M i bzw. Drehimpulse L i bilden: M = i i i dLi dt m2 Mi ist gleich dem gesamten äußeren Drehmoment M , welches i z.B. über eine Welle oder als Kräftepaar auf den Körper wirkt. Die Summe i dLi der Änderungsraten der Drehimpulse ist gleich der dt Änderungsrate dL des gesamten Drehimpulses. dt Sie lässt sich vereinfachen, indem man die bei starren Körpern für alle Massenelemente m i gleiche Winkelgeschwindigkeit ω ausklammert: Mit L i = r i pi = r i (mi vi ) = r i (mi r i ) = mi ri2 erhält man Li = mi ri2 = J mit dem i Trägheitsmoment J = i mi ri2 . Den Wegfall des Kreuzproduktes und der Vektorpfeile sollte man sich mit der Rechtei Hand-Regel klarmachen! Das Trägheitsmoment J ist ein Ausdruck für den Widerstand, den der Körper dem Drehmoment entgegensetzt. Man erhält nun für die Rotation eine Gleichung, die dem 2. Newtonschen Axiom für die Translation entspricht. Der Beschleunigung a = dv d wird dabei durch die Winkelbeschleunigung = ersetzt: dt dt Ursache: Drehmoment M Widerstand: Trägheitsmoment Wirkung: Winkelbeschleunigung M = dL dt = J J ⇒ d dt M = J∙ 2 Die Rotationsenergie eines mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden starren Körpers ist die Summe der kinetischen Energie seiner Massenelemente mi im Abstand ri zur Drehachse: Erot = 1 2 m v i 2 i i = 1 1 mi 2 ri2 = 2 J∙ω2. 2 i 1 mv2 übernimmt auch in diesem Fall das Trägheitsmoment J die Rolle der 2 Masse m und das Winkelgeschwindigkeit ω die Stelle der Translationsgeschwindigkeit v. Im Vergleich zur Translationsenergie Etrans = Trägheitsmomente werden in kg∙m2 angegeben. Für ihre Berechnung benötigt man die Integration in Zylinderkoordinaten ähnlich wie beim 1. Keplerschen Gesetz. In den Formelsammlungen sind die Ergebnisse für die wichtigsten Körper und verschiedene Drehachsen aufgeführt. Wenn die Drehachse auf der Symmetrieachse liegt, ergeben sich für einen dünnen Hohlzylinder, dessen gesamte Masse auf den Radius r konzentriert ist, J = mr2; für 2 1 einen Vollzylinder J = mr2 und für eine Kugel J = mr2. Je näher die 5 2 Massenelemente an die Drehachse rücken, desto kleiner wird der wirksame Hebelarm und desto kleiner wird auch das Trägheitsmoment im Verhältnis zum Hohlzylinder. Dreht sich ein Körper um eine Achse, die um die Strecke s vom Schwerpunkt entfernt ist, so kommt einfach das Trägheitsmoment ms2 der entsprechenden Punktmasse in der Entfernung s von der Drehachse hinzu (Satz von Steiner). Ein Stab der Länge l, der ähnlich wie ein Propeller um eine Achse senkrecht zur 1 Längsachse durch die Mitte rotiert, hat das Trägheitsmoment J = m∙l2. Wird er 12 aber um eines seiner Enden geschleudert, so wächst das Trägheitsmoment auf J‘ = J 2 1 1 1 1 l + ms2 = m∙l2 + m = ml2 = ml2. 3 12 4 2 12 r J = mr2 r J= mr2 r J= mr2 l/2 Übungen. Aufgaben zur Drehimpulserhaltung Nr. 11 - 17 l l/2 J= ml2 J= ml2 3