verstehen - Kwizda ONLINE

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Rheuma
verstehen
g Kompakte Informationen zu Diagnose und Therapie
g Experten-Wissen verständlich aufbereitet
Im Detail: Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis,
Morbus Bechterew, Arthrose
I N H A LT
4
Editorial
EDITORIAL
6
Leben mit Rheuma
KAPITEL 1
16
Rheumatoide Arthritis (chronische Polyarthritis)
KAPITEL 2
24
Morbus Bechterew
KAPITEL 3
30
Psoriasis-Arthritis
KAPITEL 4
36
Arthrose
KAPITEL 5
44
Medikamentöse Behandlung
KAPITEL 6
56
Nicht medikamentöse Therapie
KAPITEL 7
64
Rezeptfreie Präparate
KAPITEL 8
70
Aktiv gegen Schmerz
KAPITEL 9
74
Bewegung und Ernährung bei Rheuma
KAPITEL 10
82
Selbsthilfe, Interview mit Daniela Loisl
KAPITEL 11
Wissenschaftlicher Beirat dieser Ausgabe:
Prim. Dr. Gabriele Eberl;
Ärztliche Direktorin des Klinikum Malcherhof Baden; Baden bei Wien
Univ.-Doz. Prim. Dr. Ludwig Erlacher;
Leiter der 2. Medizinischen Abteilung im SMZ Süd; Wien
Univ.-Prof. Dr. Winfried Graninger;
Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie am LKH-Universitätsklinikum Graz; Graz
Prim. Doz. Dr. Günter Höfle;
Leiter der Abteilung für Innere Medizin, Landeskrankenhaus Hohenems; Hohenems
Mitwirkende dieser Ausgabe:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Michael Frass;
Leiter der Abteilung Homöopathie bei malignen Erkrankungen, AKH Wien
Prim.Univ.-Doz.Dr. Christian Huemer;
Leiter der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde, LKH Bregenz
Prim.Univ.-Prof.Dr. Peter Knoflach;
Leiter der Abteilung für Innere Medizin am Klinikum Wels-Grieskirchen
Univ.-Doz. Mag. Dr. Ingrid Kiefer;
Ernährungswissenschaftlerin am Institut für Sozialmedizin der Medizinischen Universität Wien
und Gesundheitspsychologin
Prim. Dr. Burkhard Leeb;
Leiter der 1. und 2. Medizinischen Abteilung, Niederösterreichisches Zentrum für
Rheumatologie, Landesklinik Weinviertel Stockerau
Univ.-Prof. Dr. Robert R. Müllegger;
Vorstand der Abteilung für Dermatologie am Schwerpunktkrankenhaus Wiener Neustadt (NÖ)
Prim.ao.Univ.-Prof.Dr. Michael Schirmer;
Vorstand der Abteilung für Innere Medizin
A.ö. Krankenhaus der Elisabethinen GmbH, Klagenfurt
Dr. Tanja Stamm;
Universitätsklinik für Innere Medizin III, Abt. für Rheumatologie, AKH Wien
Univ.-Prof. Dr. Reinhard Windhager;
Vorstand der Universitätsklinik für Orthopädie in Graz und Leiter des Österreichischen
Endoprothesenregisters
Prof. Dr. Andrea Dungl-Zauner; Willi Dungl Gesundheitszentren Betriebs GmbH,
Gars am Kamp
2
IMPRESSUM:
Herausgeber und Medieninhaber: MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH, 1070 Wien‚ Seidengasse 9/Top 1.1; Verleger: Mag. Wolfgang
Maierhofer; Projektleitung: Mag. Barbara Koller, [email protected]; Redaktionsteam: Mag. Silvia Feffer-Holik, Mag. Barbara Koller, Hannelore Mezei, MedMedia Verlags- und Mediaservice GesmbH; Mag. Bernd Tschiltsch, Geschäftsführer b3 consult, Agentur für Gesundheitsfragen,
Layout und Grafik: Phase5, Michael Beran; Panthera, Walter Moraru; Lektorat: [email protected]; Druck: Bauer Druckerei, Bildagenturen:
Foto-Begsteiger, Fotolia, Waldhäusl
Alle Texte in „Rheuma verstehen“ sind nach bestem Wissen recherchiert. Irrtümer sind vorbehalten. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Verlag
und Medieninhaber keine Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird jeweils nur die männliche
Form der Bezeichnung von Personen (z.B. der Patient) verwendet. Damit ist aber sowohl die weibliche als auch die männliche Form gemeint.
3
EDITORIAL
Mag. pharm. Dr. Christiane Körner, Vizepräsidentin der Österreichischen
Apothekerkammer wünscht der großen Serie „Gesundheit verstehen“ mit
der ersten Ausgabe „Rheuma verstehen“ viel Erfolg.
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
Wissen ist Alles! Die Notwendigkeit, auch als Nicht-Mediziner einen möglichst
breiten Wissensstand zu erwerben, stellt sich für jeden, der von Schmerzen oder
anderen Krankheitszeichen betroffen ist. Nur mit ausreichendem Wissen kann
man die Fähigkeit erwerben, mit sich selbst und mit den Krankheiten richtig
umzugehen, um schmerzfrei zu sein und eine gute Funktion des gesamten Organismus zu behalten. Mit dieser Informationsbroschüre wird Ihnen eine umfassende
Information zu einigen rheumatischen Erkrankungen des Bewegungsapparates
angeboten. Die einzelnen Kapitel wurden von Medizinjournalisten nach ausführlichen Interviews mit den mitwirkenden Fachleuten erstellt. In einem sorgfältigen
Überarbeitungsprozess haben dann die Mitglieder des ärztlichen Beirates Korrekturen, Anpassungen und Ergänzungen vorgenommen und dabei darauf geachtet,
die schwierige Balance zwischen dem Reichtum an Detailinformationen und der
Verständlichkeit zu halten.
Wir sind bemüht, eine ausgewogene und unabhängige Darstellung der Behandlungsmöglichkeiten zu erreichen, dies besonders angesichts der fehlenden wissenschaftlichen Daten zu vielen Methoden der Komplementärmedizin und der Nahrungsergänzungsmittel. Dieses Kompendium von Informationen ist eine Mischung
aus vielen Expertenmeinungen und darf daher nicht als Grundlage für medizinische
Streitfragen angesehen werden. Wir sind aber überzeugt, dass es Ihnen eine große
Hilfe für das in jedem Fall notwendige Gespräch mit Ihrer Ärztin oder ihrem Arzt
darstellt, wenn Sie mit dieser Broschüre schon ein Grundwissen für sich selbst
erworben haben.
Mit den besten Wünschen für Ihr Wohlbefinden
Univ.-Prof. Dr.Winfried Graninger,
Graz
4
Univ.-Doz. Prim. Dr. Ludwig Erlacher,
Wien
Sehr geehrte Kundinnen und Kunden!
Ich freue mich über den Start der neuen Serie von Gesundheitsratgebern für Österreichs Apothekenkundinnen und -kunden. Vor allem chronisch kranke Menschen
wollen Informationen über ihre Krankheit haben und alle damit zusammenhängenden Antworten erfahren. Ab Juni können wir Ihnen auch mit Hilfe dieses Buches
viele Fragen zum Thema Rheuma, einer schmerzhaften und langwierigen Erkrankung, beantworten.
Der erste Band mit dem Thema „Rheuma verstehen“ ist ein fachlich anspruchsvolles, für Laien gut verständliches Buch. Es ist nach dem Frage-Antwort-Prinzip
aufgebaut, wodurch es optimal auf die Bedürfnisse der Apothekenkundinnen und
-kunden eingeht. Fragen wie zum Beispiel „Vergeht Rheuma von selbst wieder?“
oder „Woran merke ich eine rheumatische Erkrankung bei meinem Kind?“ werden
ebenso behandelt wie komplexe Themen rund um die Frage der Medikation. Auch
werden hier Antworten zu Ansuchen um finanzielle Unterstützung, zu der Sinnhaftigkeit von Selbsthilfegruppen oder zu wichtigen Kontaktadressen erstmals gemeinsam gegeben. Besonders die sinnvoll strukturierte Gliederung in die einzelnen
Kapitel macht dieses Buch für Leserinnen und Leser gut und einfach verständlich.
Ich beglückwünsche die Autoren zu der gelungenen Arbeit und begrüße dieses
Projekt außerordentlich.
In diesem Sinne wünsche ich allen interessierten Lesern viele zufrieden stellende
Antworten auf die Fragen rund um das Thema Rheuma.
Ihre Christiane Körner
Vizepräsidentin der Österreichischen Apothekerkammer
5
KAPITEL 1
Rheuma ist doch was für
alte Leute?
Leben mit Rheuma
Habe ich Rheuma – und
heilt das von allein wieder?
Im Schnitt setzen sich Betroffene leider
erst viel zu spät nach dem Auftreten der
ersten Warnsignale mit der Möglichkeit
einer rheumatischen Erkrankung auseinander. Es ist für die Gesunderhaltung
der Gelenke wertvolle Zeit, die hier
verstreicht.
Optimismus liegt in der Natur der
Menschen. „Es wird schon wieder
vergehen!“ sind meist Aussagen von
Erkrankten vor Diagnosestellung. Sie
hoffen darauf, dass sich die Schmerzen
oder Bewegungseinschränkungen mit
der nötigen Schonung in nichts auflösen
werden. Dem ist leider nicht so.
6
Für alle Formen von Rheuma gilt:
Ohne entsprechende Behandlung
verschwinden die Symptome nicht.
Wer einmal an Rheuma erkrankt ist,
der ist oft mit einer Therapie auf Dauer
konfrontiert. Insbesondere der Entzündungsrheumatismus schreitet, wenn
nicht entsprechend behandelt wird, in
jedem Fall fort und führt nach und nach
zu einer starken Beeinträchtigung des
gesamten Bewegungsapparates.
Bei mangelnder Achtsamkeit droht
Behinderung, Arbeitsunfähigkeit und in
schweren Fällen auch Frühpensionierung. Nicht berücksichtigt ist hier die
massive seelische Belastung in Hinblick
auf die Schmerzen, die diese Erkrankung
für die Betroffenen mit sich bringt.
Irrtum. Viel zu oft sitzen Menschen
immer noch dem Trugschluss auf, dass
sie für eine rheumatische Erkrankung
noch zu jung seien. Rheuma ist nicht
zwangsläufig an ein hohes Lebensalter
gekoppelt. Der typische Patient, der an
einer chronischen entzündlich-rheumatischen Systemerkrankung wie rheumatoide Arthritis leidet, ist um die 40 Jahre
jung und weiblich. Patienten, die an
einer Fibromyalgie erkranken, sind im
Schnitt 35 Jahre alt. Morbus Bechterew,
eine weitere entzündliche rheumatoide Erkrankung, tritt mit seinen ersten
Symptomen um das 23. Lebensjahr in
Erscheinung. Ebenso wenig ist Arthrose aber auch eine Alterserscheinung, der
man notgedrungen ausgeliefert ist.
Was ist Rheuma eigentlich?
Unter diesem Begriff fasst man alle
länger anhaltenden Schmerzen und
Funktionsstörungen am Bewegungs-
Typisch für die
rheumatische
Erkrankung ist die
Unberechenbarkeit. Zwei Millionen
Erkrankte in Österreich wissen das
nur allzu genau.
apparat (sprich an Knochen, Gelenken
und Muskeln), ungeachtet ihrer Ursache
zusammen. Rheuma – als die Krankheit
mit den „vielen Gesichtern“ – dient
sozusagen als Oberbegriff für rund 350
Erkrankungen, hinter denen sich eine
unendliche Vielzahl an Beschwerden
verbirgt. Eine Einteilung rheumatischer Erkrankungen kann anhand des
rheumatischen Formenkreises nach den
Ursachen getroffen werden:
1. Verschleißrheumatismus: degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenveränderung (z.B. Arthrose)
2. Entzündungsrheumatismus:
entzündlich-rheumatische Gelenkerkrankung (z.B. Arthritis)
3. Weichteilrheumatismus – auch
extraartikulärer Rheumatismus
(z.B. Fibromyalgie)
4. Stoffwechselbedingte Gelenkerkrankung – auch pararheumatische
Erkrankungen (z.B. Gicht)
Bei Verschleißrheuma nutzt sich der
Gelenkknorpel ab, was so weit gehen
kann, dass die Knochen aneinander reiben. Abgelöste Knorpelstücke können
die Gelenkschleimhaut reizen, was starke Schmerzen hervorruft. Häufigkeit:
rund 1,3 Mio. an Arthrose-Erkrankte in
Österreich.
Bei Entzündungsrheuma kommt es
in unterschiedlichen Gelenken des
Körpers zu immer wiederkehrenden
oder ständig bestehenden (chronischen)
Entzündungen eines (Arthritis) oder
7
KAPITEL 1
mehrerer Gelenke (Polyarthritis). Der
Grund liegt in einer überschießenden
Reaktion des Immunsystems, das sich
gegen den eigenen Körper richtet.
Häufigkeit von rheumatoider Arthritis
in Österreich: 70.000–80.000.
Unter Weichteilrheumatismus werden
sowohl entzündliche als auch nichtentzündliche Erkrankungen subsumiert.
Sie betreffen das Unterhautbindegewebe, Sehnen, Sehnenscheiden, Muskeln,
Bänder und Schleimbeutel ebenso wie
innere Organe (z.B. Fibromyalgie oder
Polymyalgie). Häufigkeit: im Schnitt
5% der Bevölkerung.
Bei der stoffwechselbedingten rheumatischen Erkrankung handelt es
sich um eine Veränderungen im Knochen- oder Gelenkstoffwechsel, die zu
Beschwerden führen. Es zählen Gicht,
Osteoporose oder Rachitis dazu. Bei
Gicht kommt es beispielsweise zu einer
Ansammlung von Harnsäure im Blut,
wodurch sich Harnsäurekristalle ausbilden, die sich in den Gelenken ablagern.
Die WHO hat
Rheuma als
Volkskrankheit
Nummer eins
deklariert.
8
Welche Signale meines
Körpers sollte ich ernst
nehmen?
Die Beschwerden werden von Betroffenen oft als diffus und schwer zuzuordnen dargestellt. Meist denken sie, sie
hätten nur wieder schlecht gelegen oder
ihren Körper überanstrengt. Wie sich
mitunter nach monatelangen Schmerzen herausstellt, waren dies jedoch die
Vorboten einer rheumatischen Erkrankung. Es gilt gerade bei rheumatischen
Erkrankungen: Je früher diagnostiziert
und mit einer entsprechenden Therapie begonnen wird, umso besser sind
die Behandlungserfolge, und es kann
damit bleibenden Schäden vorgebeugt
werden.
Mögliche erste Symptome bei:
1. einer entzündlichen rheumatischen
Erkrankung:
• Gelenkschmerzen und -schwellung
ohne nachvollziehbaren Grund an
mehr als zwei Gelenkregionen
• Nachtschweiß
• Müdigkeit
• Morgensteifigkeit in den Fingern,
Händen oder auch großen Gelenken
• Symmetrische Schwellungen der
gleichen Gelenke auf beiden Körperseiten
2. einer degenerativen Erkrankung
• Schmerzen, die am Beginn einer
körperlichen Tätigkeit auftreten
und nach kurzer Zeit der Bewegung
wieder nachlassen; Anlaufschmerzen
• Gefühl der Spannung in den Gelenken vor allem bei Wetterumschwung zu nasskalten Perioden
3. Weichteilrheumatismus:
• bohrender Schmerz in Muskeln und
Bindegewebe
• die Schmerzattacken betreffen mal
diese, mal jene Körperregion
4. stoffwechselbedingten, rheumatischen Erkrankungen (hier Gicht):
• Schmerz, Druckempfindlichkeit und
Schwellung über Nacht
• mitunter vorangegangen: intensiver
Alkoholkonsum kurz vor dem
Gichtanfall
Was hat mein Immunsystem
mit Rheuma zu tun?
Unser Immunsystem ist dafür verantwortlich, mittels Lymphozyten (weißer
Blutkörperchen) und Makrophagen
(Fresszellen) Fremdsubstanzen, die in
unseren Körper eindringen, zu eliminieren. Bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen kommt es jedoch
zu einer Störung des Immunsystems.
Es kann nicht zwischen fremden und
eigenen Substanzen unterscheiden, und
somit greift der Körper mit Killerzellen und Eiweißen seine eigenen
Strukturen, wie zum Beispiel die Gelenkinnenhaut (bei der rheumatoiden
Arthritis) an. Es werden fälschlicherweise auf den Zellen des Körpers bestimmte Andockstellen ausgebildet, die
dem Immunsystem als Ziel dargeboten
werden. So meint das Immunsystem
die körpereigenen Zellen als Feind
zu erkennen. Das Immunsystem läuft
sozusagen Amok. Die Entzündungsreaktion nimmt ihren Lauf, das betroffene Gelenk schwillt an, wird unter
Umständen warm und schmerzt.
Was ist der Auslöser für
mein fehlgeleitetes
Immunsystem?
Ein eindeutiger Auslöser für das „Verrücktspielen“ des Immunsystems konnte noch nicht dingfest gemacht werden.
In einigen Fällen sind jedoch familiäre
und geschlechtsspezifische Häufungen festgestellt worden. Der Einfluss
genetischer Faktoren kann also nicht
ausgeschlossen werden. Das bedeutet
jedoch nicht, dass eine rheumatische
Erkrankung direkt vererbt wird, sondern
lediglich die Disposition, d.h. die Neigung zu erkranken, ist erhöht.
Welche Ursachen gibt es
dann bei Verschleißrheumatismus?
Zu den Ursachen für degenerative
Erkrankungen gehören Gelenkfehlstellungen, Überlastung der Gelenke durch
Übergewicht, Bewegungsmangel oder
Leistungssport (siehe Kapitel 5).
Kann Entzündung schuld an
einer Arthritis sein?
Grundsätzlich ja. Hier muss jedoch
klar unterschieden werden. Es kann
beispielsweise bei der direkt bakteriel9
KAPITEL 1
len Arthritis eine Infektion eine eitrig
bakterielle Gelenkentzündung hervorrufen – nachgewiesen in der Gelenkflüssigkeit. Diese Akuterkrankung lässt sich
in der Regel nach dem Ansetzen einer
Kultur gut mittels Antibiotika sanieren.
Davon zu unterscheiden ist die reaktive
Arthritis, eine postinfektiöse Gelenkerkrankung (also Gelenkerkrankung in
Folge einer Infektion), wo ein Infekt als
Auslöser für eine Arthritis zu nennen
ist. Dabei können in den betroffenen
Gelenken selbst keine Keime festgestellt, sehr wohl aber Keime im Harn
oder in einer Stuhlprobe gut nachgewiesen werden. Auch in diesem Fall
ist eine Antibiotikatherapie angezeigt.
Problematisch, aber nicht sehr häufig
beobachtet, ist der Übergang zu einer
chronischen Arthritis.
Die drei „W“-Fragen vor
dem Arztbesuch beantworten:
• Wann, sprich zu welcher Tageszeit, bei
welchem Wetter tritt der Schmerz auf?
• Wo, – an welchen Gelenken – Großoder Kleingelenken tritt der Schmerz
auf?
• Wie, kann man eine Schwellung bemerken, wird das Gelenk warm, ist das
Gelenk am Morgen steif etc.?
Orthopäden sind ausgebildete Fachärzte, die einerseits operativ, andererseits konservativ, mittels Infiltrationen,
Injektionen, Fehlhaltungskorrekturen,
Schuheinlagen die Beschwerden am
Bewegungsapparat zu korrigieren versuchen. Orthopäden können die Zusatzspezialisierung für Rheumatologie haben.
Untersuchungen durchzuführen oder zu
veranlassen. Darauf aufbauend erstellen
sie einen Befund und besprechen geeignete Maßnahmen. Nach der Einstellung
auf eine für den Patienten optimalen
Therapie kann dieser die nachfolgenden
Routinekontrollen oftmals beim Praktiker durchführen lassen.
Ein Rheumatologe ist ein Facharzt für
Innere Medizin mit einer dreijährigen
Zusatzausbildung im Bereich der Rheumatologie. Er hat spezielle Kenntnisse
in der Diagnose und der Therapie
von Patienten mit entzündlichen und
degenerativen Skelett-, Weichteil- und
Autoimmunerkrankungen. Rheumatologen sind ausgebildet, gezielte körperliche, laborchemische, radiologische
Wie sollte der Diagnoseablauf vor sich gehen?
Die erste Anlaufstelle wird in der Regel
der Praktiker sein. Dieser ist dahingehend ausgebildet, einen Patienten
mit Verdacht auf eine rheumatische
Erkrankung in ein Labor zu einem
Blutbefund und zum Röntgen weiterzuverweisen. So sich der Verdacht durch
Wozu dient eine Anamnese?
Sie soll die Krankengeschichte der
einzelnen Person widerspiegeln und
Aufschlüsse für eine richtige Diagnose
geben. Sie ist der erste Schritt in jeder
Diagnosefindung. Sinnvoll ist es für
den Betroffenen, folgende „W“-Fragen
schon vor dem ersten Arztbesuch für
sich zu beantworten.
Zu wem gehe ich, wenn ich
Gelenkschmerzen habe?
Der Praktiker, Praktische Arzt, Allgemeinmediziner oder Hausarzt ist der
Arzt des Vertrauens und sollte seine
Patienten „weiterleiten“ und führen.
10
Anamnese: Vererbung, Dauer der Schmerzen, Auftreten von Schmerzen
So er dies für notwenig erachtet und die
Befunde auf eine rheumatische Erkrankung hinweisen, muss er den Patienten
im Sinne der optimalen Betreuung
einem Facharzt, in diesem Fall einem
Rheumatologen, zuweisen.
Patient
beobachtet
Gelenkschmerz
Labor
Praktischer
Arzt
Bildgebende
Verfahren
(Röntgen)
Kein
eindeutiger
Befund
(über 70%
der Fälle)
degenerativ
MRT,
hochauflösender
Ultraschall
Rheumatologen
entzündlich
11
KAPITEL 1
die Laborwerte und den Röntgenbefund
erhärtet, soll der Patient an einen Rheumatologen weitergeleitet werden, damit
umgehend mit einer medikamentösen
Therapie begonnen werden kann. Sind
diese Werte nicht aussagekräftig genug,
um eine klare Entscheidung zu treffen
– was zu 80% in einem frühen Stadium
der Fall ist –, der Patient aber weiterhin
über Gelenkschmerzen klagt, müssen
genauere Untersuchungen angeordnet
werden (siehe Kapitel 2–5).
Was heißt „moderne
Rheumatherapie“?
Wichtigstes Element in der Therapie
ist die enge Zusammenarbeit zwischen
Arzt und Patient. Der Betroffene muss
sich von seinem behandelnden Arzt
verstanden fühlen. Das Therapiekonzept soll maßgeschneidert sein, Medikamente und Behandlungen werden dazu
miteinander kombiniert. Die Auswahl
der Medikation hängt ganz wesentlich
von der Ursache und dem Verlauf der
rheumatischen Erkrankung ab. Ziel
einer rechtzeitigen und richtigen Therapie ist es, die Gelenkzerstörungen zu
Für jeden einzelnen Patienten
muss seine individuelle Therapie
quasi „maßgeschneidert“
werden.
12
verhindern und -funktionen zu erhalten.
In einem ersten Schritt ist es natürlich
auch wesentlich, die Schmerzen der
Betroffenen in den Griff zu bekommen. Heute kann das Fortschreiten der
Erkrankung verzögert, im besten Fall
sogar gestoppt werden. Wird jedoch
nicht oder unzureichend behandelt,
bedeutet das für Patienten ein Leben
mit Schmerzen und fortschreitender
körperlicher Behinderung.
Bei juveniler idiopathischer Arthritis
(kindlicher Entzündung der Gelenke, mit
unbekannter Ursache) sind für Eltern die
Schonhaltungen spezieller Gelenke der
Kinder am augenscheinlichsten. Wenn sie
klein sind, können sie nicht artikulieren,
dass und wo es schmerzt. Die häufigste
Lokalisation ist das Knie- oder Sprunggelenk. Auffälligkeiten können auch sein,
dass das Kind in der Früh hinkt oder seine
Beine nicht gleich belastet.
Welche Rolle spielt meine
Psyche im Krankheitsverlauf?
Wächst sich Rheuma bei
Kindern aus?
An Rheuma Erkrankte unterschätzen
zu Beginn oft die psychische Belastung,
die diese chronische – also lebenslange Erkrankung – mit sich bringt. Viel
Selbstdisziplin ist für die oft jahrelange
Medikamenten- und Physiotherapie
vonnöten. Schmerz- und Stressmanagement gewinnen zunehmend an Bedeutung, denn bei Rheuma haben psychische Faktoren einen hohen Stellenwert
auf den Krankheitsverlauf. Chronischer
Stress kann direkte Auswirkungen auf
den Hormonspiegel und damit auf das
Immunsystem haben. Eine psychologische Hilfe – von Stresstraining,
autogenem Training bis hin zu Verhaltenstherapie – kann sich vorteilhaft auf
den Krankheitsverlauf auswirken.
Welche Auffälligkeiten bei
Kindern sollten mich als Elternteil an eine rheumatische
Erkrankung denken lassen?
Nein, in keinem Fall. Man konnte
beobachten, dass im Falle einer Entzündung im Kniegelenk dieses betroffene Bein innerhalb von ½ Jahr eine
Längendifferenz von 1–1,5 cm aufweist.
Ganz zu schweigen von den Begleiterscheinungen, die sich durch die Schonhaltung ergeben, wie Muskelatrophie,
aber auch die psychische Belastung.
Wer erkennt juvenile
idiopathische Arthritis?
Grundsätzlich ist der Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde in Österreich
dafür ausgebildet, diese Erkrankung zu
diagnostizieren. Es gilt eine Palette an
unterschiedlichen Möglichkeiten für die
vorgestellte Symptomatik abzuklären.
Ausführliche Infos im Buch: „Kindliches
Rheuma“ im Springer Verlag erhältlich.
Warum gelten in Österreich
so viele Menschen mit
Rheuma als nicht therapiert?
In Österreich ist die Versorgung mit den
entsprechenden Medikamenten, Physiotherapie und alternativen Hilfestellungen sehr gut bis ausgezeichnet. Das
Problem ist wo anders zu suchen: Jeder
zweite Rheumatiker war mit seinen
Beschwerden noch nie beim Arzt.
Die Betroffenen ordnen ihre Beschwerden oft nicht einer rheumatischen Erkrankung zu. Somit kann der
Allgemeinmediziner die Zuweisung zu
einer Laboruntersuchung oder zu einem
Rheumatologen gar nicht veranlassen.
Ist Heilung von Polyarthritis
möglich?
Eine dauernde Remission ist das
vorrangige Ziel der Behandlung. Es
stehen dazu wirksame Medikamente
zur Verfügung, die den Krankheitsverlauf stark verlangsamen oder das Fortschreiten völlig eindämmen können.
Damit kann die Beweglichkeit bis ins
hohe Alter erhalten bleiben.
Entzündungshemmende Präparate
bremsen die Zerstörung der Gelenke,
und Schmerzmittel bessern die Bewegungseinschränkungen. Zusätzlich
kann mit ergotherapeutischen Übungen, physikalischen Anwendungen,
Kuren, aber unter gegebenen Umständen auch mit einer Operation heutzutage sehr gut geholfen werden.
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Selbsttest zu entzündlichem Rheuma:
Selbsttest zu degenerativem Rheuma – Arthrose:
1. Haben Sie zwei oder mehr Gelenkschwellungen an Ihren Fingergrundoder Fingermittelgelenken bzw. Zehengrund- oder Zehenmittelgelenken?
2. Leiden sie unter Gelenkschmerzen seit
mehr als 6 Wochen, die nicht von einer
Verletzung herrühren?
3. Sind Ihre Hände morgens so steif, dass
Sie länger als eine Stunde Probleme
haben, eine Faust zu machen?
4. Verstärken sich Ihre Gelenkschmerzen,
wenn Sie sich bewegen?
5. Haben Sie Schmerzen beim Stufensteigen bzw. Treppabgehen?
6. Können Sie in Gelenknähe oder Knochenvorsprüngen unter der Haut
liegende Knötchen ertasten?
7. Haben Sie Beschwerden in Gelenkregionen auf beiden Körperseiten
(beide Hände, beide Schultergelenke,
beide Fußgelenke etc.) schon über
einen Zeitraum von sechs Wochen?
8. Hat Sie in der letzten Zeit einmal ein
Arzt nach einer Blutuntersuchung
darauf hingewiesen, dass Ihre Entzündungswerte im Blut erhöht sind?
9. Haben Sie Schmerzen beim Händedruck?
10. Leiden ein Elternteil oder nahe Verwandte an entzündlichem Rheuma
(Veranlagung als Ursache)?
1. Sind Sie älter als 40 Jahre?
2. Sind Sie übergewichtig?
3. Sind in Ihrer Familie Fälle mit Gelenkerkrankungen oder Fehlhaltungen oder
Arthrose bekannt?
4. Haben Sie einen Beruf, wo sie oft
schwer tragen müssen, oder hauptsächlich kniende Tätigkeiten ausführen?
5. Bewegen Sie sich täglich weniger als
30 Minuten?
6. Leiden Sie unter „Anlaufschmerzen“,
Druckschmerzen oder plötzlichem
Bewegungsausfall?
7. Haben Sie das Gefühl, Ihre Gelenke
reiben bei Bewegung aneinander, oder
„krachen“?
8. Schmerzen die Knie- oder Hüftgelenke
bei den ersten Schritten und „gehen
sie sich dann ein”?
9. Treten Ihre Beschwerden auch in Ruhephasen – sprich keine Bewegung –
auf?
10. Hatten Sie bereits Gelenkverstauchungen oder Prellungen?
Wenn Sie mehr als drei Fragen mit „Ja“
beantwortet haben, sollten Sie umgehend einen Spezialisten (Rheumatologen) aufsuchen.
KAPITEL 1
z
r
e
m
h
c
S ’
lass ch!
na
wärmend
bei chronischen und älteren Verletzungen des Bewegungsapparates
sowie rheumatischen Beschwerden
Wenn Sie Frage 1 mit „Ja“ beantworten
oder bei den restlichen Fragen mehr
als drei mit „Ja“ beantwortet haben,
sollten Sie umgehend einen Spezialisten
- Rheumatologen aufsuchen.
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Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker.
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KAPITEL 2
Stress – bewirkt eine Schwächung
des Immunsystems – oder hormonelle
Komponenten sein.
Rheumatoide Arthritis
(chronische Polyarthritis)
Was ist RA oder CP und
wen betrifft es?
toider Arthritis. Jährlich gibt es zwischen
2.400 und 4.800 Neuerkrankungen.
Rheumatoide Arthritis (Abk. RA) oder
auch chronische Polyarthitis (Abk. CP)
ist eine oftmals schubweise verlaufende, entzündliche Erkrankung des
Binde-, Stütz- und Muskelgewebes mit
Hauptmanifestation an der Gelenkinnenhaut und an gelenknahen Strukturen
(z.B. Schleimbeutel).
Gibt es einen Auslöser, der
für RA verantwortlich gemacht werden kann?
Die rheumatoide Arthritis ist die häufigste und bekannteste der entzündlichrheumatischen Erkrankungen und betrifft
Frauen dreimal häufiger als Männer
mit einem Altersgipfel im 40. Lebensjahr. Speziell in Österreich leiden rund
70.000 bis 80.000 Menschen an rheuma16
Die Mediziner können nach bisherigem Erkenntnisstand keinen einzelnen
Auslöser für den Ausbruch von RA
verantwortlich machen. Bei vorhandener erblicher Veranlagung und unter
Einwirkung von äußeren Faktoren führt
das Zusammenspiel mehrerer Faktoren
zu einer Fehlleistung des Immun- oder
Abwehrsystem. Das heißt, das Immunsystem richtet sich gegen den eigenen
Körper, in diesem Fall gegen das Gelenkgewebe. Äußere Faktoren können
Man gelangte in den letzten Jahren zu
der Erkenntnis, dass in Tiermodellen
Retroviren am Ausbruch der Erkrankung beteiligt sein dürften. Allerdings
gibt es hier beim Menschen noch keine
beweisenden Untersuchungsergebnisse,
so dass eine ursächliche Behandlung
derzeit noch nicht existiert.
Was passiert bei der RA?
Normalerweise produziert die Gelenkinnenhaut (= Synovialis oder
Membran) die Gelenkschmiere, die
für reibungsarme Bewegungen des
Gelenks verantwortlich ist und das
Knorpelgewebe versorgt. Bei RA
kommt es durch das überschießende
Immunsystem zu einer Entzündung
dieser Gelenkinnenhaut. Schlüsselrolle
in dieser Entzündungskaskade spielen
die so genannten pro-inflammatorischen
(entzündungsfördernden) Zytokine. Sie
sind Proteine und Botenstoffe, die im
Immunsystem die körpereigene Abwehr
steigern und Entzündungen verstärken
oder verursachen. Zu den bekanntesten
pro-inflammatorischen Zytokinen gehört beispielsweise TNF-alpha (TumorNekrose-Faktor alpha), Interleukin-1
oder Interleukin-6. Unter dem Einfluss
dieser pro-inflammatorischen Zytokine
kommt es eben zu dieser erhöhten Produktion von veränderter Gelenkschmiere. Daraus resultieren schmerzhafte
Schwellungen, aber auch Überwärmungen der Gelenke und unter Umständen
eine Ergussbildung (Wasser in den
Gelenken). Später wächst die Gelenkinnenhaut wie ein gutartiger Tumor in
das Gelenk hinein. Knorpelgewebe und
auch der darunter liegende Knochen
werden angegriffen, und das Gelenk
verformt sich.
Woran merke ich, dass ich
RA habe?
Die RA zeigt sich individuell unterschiedlich, sie kann plötzlich ausbrechen oder sich schleichend durch
unspezifischere Symptome ankündigen.
Am häufigsten ist die klassische Verlaufsform:
• uncharakteristische Vorboten wie
Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme,
starkes Schwitzen, erhöhte Temperatur und Abgeschlagenheit
• Gelenkschmerzen oder -schwellungen, die länger als 6 Wochen anhalten
• erste Gelenkbeschwerden, wovon
zunächst meist symmetrisch beide
Handgelenke sowie die Fingergrundund -mittelgelenke betroffen sind,
später auch größere Gelenke
• Schwellung, Überwärmung und
Druckschmerzhaftigkeit mehrerer
Gelenke
• schmerzhafte Bewegungseinschränkungen
• Ruheschmerz und Nachtschmerz
• Besserung der Schmerzen bei Bewegung
17
KAPITEL 2
• Morgensteifigkeit, die das tägliche
Anziehen und Waschen erschweren.
Symptome verschwindet je nach
Schwere und Aktivität der Erkrankung im Laufe des Tages.
• Auftreten von Rheumaknoten –
derbe Knötchen unter der Haut,
oft an der Streckseite der Ellbogengelenke.
Was passiert, wenn keine
Therapie eingeleitet wird?
Wenn das fehlgesteuerte Immunsystem nicht eingebremst wird, schreitet
die Zerstörung unaufhaltsam voran.
Entzündungen bilden sich teilweise
nach Wochen zurück, um dann schubweise wieder aufzutreten und dabei
die Gelenkstrukturen zu ruinieren. Da
es sich bei der rheumatoiden Arthritis
um eine Systemerkrankung handelt, ist
bei längerer Krankheitsdauer auch ein
entzündlicher Befall innerer Organe
möglich, wie zum Beispiel an den Gefäßen, Herz, Niere, Leber und Lunge. Die
Krankheit birgt per se ein gesteigertes
Infektionsrisiko. Ebenso steigt in der
Statistik bei einer unbehandelten RA die
Wahrscheinlichkeit, an Lymphdrüsenkrebs zu erkranken. Mit fortschreitender
Jeder Patient
mit RA hat seine
eigene Krankheit
und seine eigene
Geschichte.
18
Gelenkzerstörung kann die Krankheit durch Gelenkversteifungen und
Gelenkdeformitäten bis zur Invalidität
führen.
Was kann einen Schub
auslösen, und wie sieht er
typischerweise aus?
Einhellige Meinung herrscht darüber,
dass psychische Aspekte oft eine Rolle
spielen. Stress, Sorgen und ungelöste
Probleme können das Immunsystem
schwächen. Für einen an RA Erkrankten kann dies einen neuen Schub
bedeuten. Bemerkbar für den Betroffenen macht sich ein Schub an der
Zunahme an Gelenkschmerzen und
-schwellungen, Abgeschlagenheit und
deutlich stärkeren Bewegungs- und/
oder Ruheschmerzen.
Was zeigen meine
Befunde?
Laborbefunde allein liefern leider
keinen eindeutig gesicherten Beweis
für das Vorliegen einer RA. Ergänzend
zum klinischen Befund (= Schmerzen
des Patienten und Schwellungen der
Gelenke) sind sie aber oft bestätigend.
Weiters sind sie bei vorliegender Diagnose nützlich, um die Aktivität der
Krankheit zu beurteilen.
Die Blutwerte zeigen bei einer Entzündung häufig erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit und ein erhöhtes Creaktives Protein (CRP). Der Wert der
Blutsenkung und des CRP gibt jedoch
lediglich an, dass eine Entzündung im
Körper vorliegt, enthält aber keinerlei
Aussage darüber, ob es sich um eine
Entzündung der Gelenke handelt.
Was sind Rheumafaktoren?
Rheumafaktoren (RF) sind Abwehrstoffe, die sich an die eigenen Immunglobuline (= Antikörper) binden, die also
gegen ihresgleichen gerichtet sind. Sie
werden im Blut oder in der Gelenkflüssigkeit nachgewiesen. Der Rheumafaktor kann den ärztlichen Verdacht über
das Vorliegen einer RA bestätigen, ist
jedoch alleine noch nicht beweisend
für eine Rheumaerkrankung. Er kann
zum Beispiel auch manchmal bei alten
Menschen in bester Gesundheit gefunden werden. Der Rheumafaktor ist ein
Baustein, der neben den vom Patienten
geäußerten Beschwerden und dem Ergebnis der körperlichen Untersuchung
durch die Ärztin für die Diagnose wichtig ist. Bei einer gesicherten RA-Diagnose gibt die Menge des RF im Blut im
Verlauf der Erkrankung eine Auskunft
über die Aggressivität der RA.
Bei bis zu 85 Prozent der Patienten
mit rheumatoider Arthritis werden im
Laufe der Erkrankung im Blutserum
Rheumafaktoren nachgewiesen. Der
Arzt kann sich hier aber auch nicht
eindeutig auf diesen Faktor zum
Nachweis einer RA verlassen. Es gibt
auch Patientinnen mit RA, die keinen
RF haben (Rheumafaktor negativ).
Der Umkehrschluss ist in keinem Fall
zulässig: Wer diesen Faktor im Blut
hat, muss nicht zwangsläufig an Rheuma erkranken. Bis zu 20 Prozent der
gesunden alten Menschen weisen einen
erhöhten Rheumafaktor auf.
Auch die modernste Labormethode zur
Diagnoseabsicherung, der CCP-Test
(Test zum Nachweis der Antikörper
gegen Cyclisches Citrulliniertes Protein) ist schon sehr aussagekräftig für
das Vorliegen einer RA. Bei Bestehen
klinischer Beschwerden des Patienten
ohne eindeutigen Blutbefund bedarf es
weiterer Schritte, um eine eindeutige
Diagnose zu stellen (siehe „Welche Bedeutung haben bildgebende Verfahren?“
und „Welche Untersuchungen sind zur
Abklärung notwendig?“).
Welche Bedeutung haben
bildgebende Verfahren?
Im Röntgen können die für die RA
typischen Veränderungen nachgewiesen
und der Zustand der Gelenke sichtbar
gemacht werden. Es sind dies gelenknahe Erosionen (= Defekte im Bereich der
Knorpel-Knochen-Grenze) zu Beginn
der Erkrankung. Im Spätstadium sehen
die im Gelenkbereich aufgerauten
Knochen wie zusammengewachsen aus.
Mittels Röntgen können jedoch nur bereits vorhandene irreparable Zerstörungen nachgewiesen werden. Bei Frühformen einer RA und (noch) unauffälligem
Röntgen ist der Einsatz einer MRT
(Magnetresonanz-Tomographie oder
19
KAPITEL 2
Kernspintomografie) sinnvoll. Mittels
MRT gelingt es, ohne Strahlenbelastung
aktive Gelenkentzündungen frühzeitig
zu erkennen, noch bevor schwerwiegende Zerstörungen an Knorpel oder
Knochen eingetreten sind. Zu diesem
Zwecke wird Kontrastmittel injiziert.
Nachteil dieses Diagnoseinstruments
ist, dass mitunter auch jene Entzündungen als massiv dargestellt werden, die
der Körper allein reguliert und durch
die es nie zu einer Gelenkschädigung
kommen wird.
Vorteil eines hochauflösenden Ultraschalls (Gelenkultraschall) ist einerseits
das Fehlen jeglicher Strahlenbelastung
und andererseits, dass die Beobachtung
in Bewegung gemacht werden kann.
Es können hier mit Hilfe des Schalls
Entzündungen der Gelenkinnenhaut
(Synovitis) aufgespürt, nachgewiesen
und betroffene Bereiche genau lokalisiert werden. Ultraschalluntersuchungen kommen besonders bei Hand- und
Fingergelenken, aber auch bei Vorfuß-,
Fußwurzel- und Schultergelenken zum
Einsatz.
Welche Untersuchungen
sind zur Abklärung
notwendig?
Einmal mehr kommt hier der Anamnese entscheidende Bedeutung zu. Die
Schilderungen des Patienten lassen
einen praktischen Arzt ja erst vermuten,
dass es sich womöglich um RA handelt,
(diehe „Woran merke ich, dass ich RA
20
habe?“). Zur Diagnosesicherung stehen
Röntgen und Laboruntersuchungen zur
Verfügung, durch die der Arzt seinen
Verdacht erhärten kann. Wenn die
Befunde vorliegen und der Verdacht
bestätigt wurde, sollte der Patient
unbedingt zur Beratung und optimalen
Therapieeinstellung einen Rheumatologen aufsuchen.
Was geschieht, wenn nach
den ersten Befunden keine
eindeutige Aussage über
das Vorliegen einer RA
getroffen werden kann?
In einem Großteil der Fälle kann man
nach den ersten Blutuntersuchungen
und dem klassischen Röntgen keine
Aussage treffen, ob der Patient an einer
RA leidet. Es müssen weitere Untersuchungen gemacht werden.
Zu diesen aussagekräftigeren Untersuchungen zählen das MRT mit Kontrastmittel und/oder der hochauflösende
Gelenkultraschall. So ein Patient mit
klinischen Beschwerden, aber ohne
definitivem Befund beim Rheumatologen vorstellig wird, kann dieser
aufgrund seiner speziellen Ausbildung
auch weitere Fakten abklären und so die
Bestätigung für eine rheumatologische
Erkrankung liefern, wie zum Beispiel:
1. Morgensteifigkeit der Gelenke, die
länger anhaltend als 30 Minuten ist,
2. Kompressions-, (Druck-)schmerz
der Fingergrundgelenke und
3. mindestens ein geschwollenes
Gelenk.
Der Facharzt ist speziell darauf geschult,
diese sehr individuellen Faktoren wie
zum Beispiel Schwellungen (bei jedem
Rheumapatienten tritt beispielsweise
eine andere Art der Schwellung zu
Tage), Funktionsbeeinträchtigungen,
Hautveränderungen etc. zu bewerten.
Welche Ziele verfolgt eine
Therapie von RA?
Ganz klar stehen die Schmerzlinderung und die Beseitigung der Entzündung an erster Stelle. Die abschwellenden Rheumaschmerzmittel (NSAR,
nichtsteroidale Antirheumatika) sind
dabei sehr wirksam. Der Rheumatologe
wird unmittelbar nach Diagnosestellung
versuchen, mit Hilfe eines so genannten
Basistherapeutikums die Entzündung
und das fehlgesteuerte Immunsystem in
den Griff zu bekommen. Dazu ist eine
monatelange Einnahme von Medikamenten aus der Gruppe der Basistherapeutika notwendig. Am häufigsten
kommt hier der Wirkstoff Methotrexat
(MTX) zum Einsatz. Die Wirkung des
Basistherapeutikums tritt oft erst nach
2–3 Monaten ein, wobei nicht alle
Patienten auf die Basistherapie gleich
ansprechen. In der Regel tritt bei 40%
der Betroffenen eine 50%ige Besserung
der Entzündungsreaktion ein. In 15%
der Fälle kann sogar von einer gänzlichen Remission (Wegfall der Krankheitssymptome) gesprochen werden.
Aufgrund des verzögerten Wirkeintritts
schlägt der Rheumatologe oft vor, das
körpereigene Nebennierenhormon Kortison für die Zeit der Überbrückung bis
zum Wirkeintritt der Basistherapie einzusetzen. Bei gleichzeitiger Einnahme
von Kortison mit einem NSAR muss
in jedem Fall ein Magenschutzpräparat
gegeben werden, um das Risiko für Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre
zu senken. Obwohl viele Patienten die
Kortisonmedikamente zuerst zögerlich
betrachten, ist die Wirkung vor allem.
bei ausgeprägten Gelenkschwellungen doch meist so befreiend, dass der
Betroffene die Präparate gerne einige
Wochen einnimmt.
So es mit der Basistherapie nicht zum
gewünschten Erfolg – also zu einem
Aufhalten der Entzündung – kommt,
kann auf ein anderes Basistherapeutikum umgestiegen oder ein zweites dazugegeben werden (Kombinationstherapie). Eine weitere viel versprechende
Option bieten die so genannten Biologika, allen voran die TNF-alpha-Blocker.
Sie kommen zum Einsatz, wenn die Behandlungsmöglichkeiten mit herkömmlichen, chemischen Basistherapeutika
oder der Kombination von Basistherapeutika nicht erfolgreich sind. Die
Biologika wirken aber auch am besten
in Kombination mit herkömmlichen Basistherapeutika. Innerhalb von wenigen
Wochen weiß man, ob die gewünschte
Wirkung eintritt. Sollte dies nicht der
Fall sein, besteht die Möglichkeit, noch
einen anderen TNF-alpha-Blocker zu
21
KAPITEL 2
probieren oder auf ein anderes Wirkprinzip zu wechseln.
Wird die Entzündung dauerhaft nicht
reduziert oder gestoppt, stehen dem
Rheumatologen noch drei ganz moderne immuntherapeutische Konzepte zur
Verfügung:
1. Hemmung der B-Zellen mittels der
Substanz Rituximab.
2. Der Einsatz der Substanz Abatacept, welche die Aktivierung von TZellen bremst und so die zerstörende Immunreaktion an den
Gelenken hemmt.
3. Ab 2009 wird es eine dritte Substanz geben, die so genannte Interleukin-6-Rezeptorblocker. Dies ist
ein interessanter Ansatz, der ein rasches Ansprechen der Therapie verspricht. Allerdings gibt es noch
keine Langzeitstudien.
Langfristig gesehen sollte es zu einer
dauerhaften Stabilisierung der erreichten Erfolge, also dem Eindämmen der
Gelenkzerstörung durch Herabsetzen der Entzündungsparameter und
Schmerzfreiheit kommen (siehe
Kapitel 6).
Was ist entscheidend für
eine erfolgreiche Therapie?
Der Behandlungserfolg ist abhängig
vom Behandlungsbeginn: Ein optimales Behandlungsergebnis ist bei
Frühtherapie schon 12–16 Wochen
22
nach Krankheitsbeginn zu erwarten.
Die Entwicklung der Erkrankung hängt
von der Mitwirkung des Patienten
ab, sprich konsequente Einnahme der
Medikamente, regelmäßige Kontrolltermine beim Facharzt, Einhaltung der
vereinbarten physiotherapeutischen und
ergotherapeutischen Maßnahmen.
Welche Zusatzbehandlungen gibt es?
Bei der Schmerzbehandlung gibt es
die Möglichkeit der Thermotherapie,
Homöopathie, verhaltenstherapeutische Maßnahmen, Traditionelle
Chinesische Medizin, Heilgymnastik,
Ultraschall, Elektrotherapie im Niederfrequenzbereich und Akupunktur.
Bewegungsstörungen können effektiv
mit Heilgymnastik und Ergotherapie
gebessert werden. Eine Kräftigung der
Muskulatur wird mit Physiotherapie
und gezielter Heilgymnastik erzielt.
Massagen tragen zur Steigerung der
Durchblutung und Muskelentspannung
bei, denn Patienten mit RA leiden nicht
selten an massiven Muskelverspannungen. Nichtmedikamentöse Therapie
macht vor allem im Schmerzbereich
immer dann Sinn, wenn der Patient sein
subjektives Wohlbefinden und seine
Lebensqualität steigern kann.
Grundsätzlich sollte bei dieser Erkrankung die Anwendung von starker
Wärme oder der Aufenthalt in zu
heißem Wasser (über 32° C) vermieden
werden. Besonders im akuten Schub
sind Kryotherapien (Kryo = Kälte)
empfehlenswert, so es subjektiv vom
Patienten als angenehm empfunden
wird. Vorsicht! Bei einem akuten Schub
sind Heilgymnastik und Elektrotherapie
kontraindiziert.
Eine weitere Möglichkeit bietet der
Gelenkersatz mittels Metall, Keramik
oder Polyäthylen. Bei einer Endoprothese werden Gelenkkopf und/oder die
Gelenkpfanne ersetzt. Die Eingriffe
sind in fast allen Gelenken möglich.
Welche Hilfen gibt es für
den Alltag?
Wenn alltägliche Tätigkeiten, wie das
Halten einer Kaffeeschale, das Schneiden von Brot oder das Zuknöpfen des
Hemdes unmöglich werden, gibt es
Hilfsmittel im gut sortierten Fachhandel. Finger- und Handhalterungsschalen
können ebenso helfen, wie die so genannten Knopfloch- und Schwanenhalsschienen oder Metacarpalspangen.
Spezielle Messer (Griff ist 90 Grad von
der Klinge weggebogen) und Flaschenöffner erweisen ebenfalls gute Dienste.
Wann ist welche Operation
unumgänglich?
Operationen werden dann durchgeführt,
wenn andere Therapieformen nicht den
erwarteten Erfolg bringen.
Tipps für den Alltag:
Tragen Sie Lasten mit Rucksack
=> gleichmäßige Verteilung.
Vermeiden Sie Erschütterungen der
Gelenke (vibrierende Geräte, Schütteln
der Gelenke).
Überschreiten Sie nicht Ihre Belastungsgrenzen, muten Sie sich nicht zu viel zu.
Unterstützen Sie Ihr Handgelenk bei
belastenden Tätigkeiten.
Achten Sie öfter mal auf Ihre Haltung
beim Sitzen und Stehen.
Bei einer Synovektomie – eine gelenkerhaltende Therapiemaßnahme – wird
die entzündete Gelenkinnenhaut durch
Ausschälung des betroffenen Gelenks
operativ entfernt. Innerhalb einiger
Wochen wächst die Gelenkinnenhaut
wieder nach (Regenerat).
23
KAPITEL 3
Durch chronische Entzündungsprozesse der kleinen Wirbelkörpergelenke
kommt es zu knöchernen Verwachsungen und Umbildungen der Wirbelsäule
im Laufe der Jahre.
Wer ist vor allem betroffen?
Morbus Bechterew
Woher kommt der Name,
und ist es eine Zivilisationskrankheit?
„Morbus“ kommt aus dem lateinischen
und heißt Erkrankung. „Bechterew“ ist
der Name eines aus Moskau stammenden Neurologen, der die Erkrankung
zwar nicht als Erster beschrieb, aber um
1890 eine recht detaillierte Beschreibung der Krankheit veröffentlichte.
Der genaue medizinische Begriff ist
Spondylitis ankylosans; Abkürzung:
SpA. (Bedeutung: -itis steht immer für
Entzündung, Spondyl = Wirbelsäule,
ankylosans = versteifend). International
ist der Begriff „ankylosing spondylitis“,
Abkürzung: AS gebräuchlich.
24
Bereits vor 4.000 Jahren soll – so sind
sich Historiker sicher – Mb. Bechterew
sein Unwesen getrieben haben. Sogar
der Pharao Ramses II. soll schon an der
Erkrankung gelitten haben. Also keine
Rede von Zivilisationskrankheit.
Was genau passiert bei
dieser Erkrankung?
Mb. Bechterew ist eine Erkrankung,
die mit einer chronischen Entzündung
hauptsächlich im Bereich der Wirbelsäule (Achsenskelett) und den Beckenschaufelgelenken einhergeht und in den
schwersten Fällen bis zur Versteifung
führen kann. Es ist eine Autoimmunerkrankung, wobei sich das Abwehrsystem gegen den eigenen Körper richtet.
Die ersten Symptome treten im Schnitt
im 23. Lebensjahr auf. Diagnostiziert
wird die Erkrankung also hauptsächlich
zwischen dem 15. (!) und 40. Lebensjahr. Österreichweit sind rund 50.000
Menschen von Mb. Bechterew betroffen (0,8% der Gesamtbevölkerung),
wobei die Meinungen divergieren, ob
eine signifikante Häufung der Fälle
beim männlichen Geschlecht auftritt.
Fürsprecher meinen, dass die Krankheit
Männer bis zu drei Mal häufiger als
Frauen trifft, Gegner dieser Theorie
erklären, dass es nur bei Frauen viel
schlechter diagnostiziert wird.
Vererbung – einziger Grund?
Das Erbmerkmal HLA-B27 kommt an
der Zelloberfläche von 90% der Patienten mit Mb. Bechterew vor, während es
nur bei 7–10% aller Gesunden zu finden
ist. Das HLA-System ist wie ein genetischer Fingerabdruck, entstanden aus der
Kombination der väterlichen und der
mütterlichen Gene. Jedoch kann man
nicht von einer Verursachung des Mb.
Bechterew durch das HLA-B27 sprechen, sondern nur von einer verstärkten
Wahrscheinlichkeit dieser Diagnose,
wenn entsprechende Schmerzsymptome
und das angeborene HLA-B27 vorliegen. Das heißt, es muss ein Mensch, der
dieses Gen trägt, nicht notwendigerweise an Mb. Bechterew erkranken, denn,
wie oben erwähnt, haben rund 10%
der „Nicht Erkrankten“ diesen HLAMarker in sich – (vergleiche: nur 0,8%
der Bevölkerung erkranken an Mb.
Bechterew).
Wann bricht die Krankheit
aus?
Es gibt unbewiesene Theorien, die
besagen, dass mitentscheidend für den
Ausbruch der Erkrankung eine Infektion im Darm oder in den Harnwegen ist.
Die Keime, wie zum Beispiel Chlamydien, Yersinien, Salmonellen, können
nicht an der Stelle, wo die Entzündung
auftritt, von der örtlichen Abwehr ausreichend bekämpft werden. Es kommt
nicht zur Eliminierung des Erregers. In
weiterer Folge kommt es zur Fehlsteuerung des Immunsystems und zur
Entzündung der kleinen Wirbelgelenke.
Woran erkenne ich, ob ich
Mb. Bechterew habe?
Nächtlich weckende tief sitzende
Kreuzschmerzen, morgendliche Steifigkeit in der Wirbelsäule, Sehnenansatzschmerzen (rund um die Fersen, am
Sitzbein), Brustkorbschmerzen, Rippenschmerzen, Schwellung großer Gelenke
(Knie), stärkere Hüftschmerzen in der
Leiste, Vorkommen des Mb. Bechterew
in der Verwandtschaft.
25
KAPITEL 3
Wie sieht der Verlauf von
Mb. Bechterew aus?
Ihren Ausgangspunkt hat die Erkrankung
meist im Sacroiliakalgelenk, das ist der
Bereich zwischen dem Kreuz- und dem
Darmbein, daher auch der tief sitzende
Kreuzschmerz. Oft strahlen die Schmerzen in der Folge in die Gesäßbacken und
in die Beine aus – was oft zu einer trügerischen Fehldeutung führt, es handle sich
um einen Hexenschuss.
Langsam kommt es zu einer Abflachung
der unteren Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule), die weitere „Verknöcherung“
nimmt dann an der gesamten Wirbelsäule ihren Verlauf. Sollte spätestens
in diesem Stadium keine adäquate
Therapie begonnen werden, kann dies
Im Schnitt wird
erst acht Jahre
nach den ersten
Symptomen, die
für Morbus Bechterew sprechen,
die richtige Diagnose gestellt! Oft
ist dann unwiederbringliche Zeit
für die Erhaltung
der Funktion und
der Lebensqualität
verstrichen.
26
zu einer völligen Versteifung der Wirbelsäule führen, die mit einer starken
Halsvorneigung einhergeht. Ein Buckel
bildet sich aus, da sich die Brustwirbelsäule verstärkt krümmt. Der Betroffene
kann schwer noch geradeaus blicken.
Im Stadium der Spangenbildung im
Bereich der Wirbelsäule und der damit
verbundenen eingeschränkten Beweglichkeit ist die Knochendichte des Achsenskeletts nahezu immer vermindert
(Osteoporose), was mitunter zu einer
erhöhten Gefahr von Wirbelkörperbrüchen führt. Die Erkrankung verläuft
typischerweise in Schüben. Möglich
sind auch Schmerzen an Sehnen- und
Muskelansatzstellen, wie z.B. dem
Ansatz der Achillessehne am Fersenbein. Diese Stelle reagiert vor allem auf
Druck schmerzempfindlich.
Mb. Bechterew – heißt das,
ich bekomme automatisch
einen Buckel?
Nein, natürlich nicht. Alles entscheidend ist auch bei dieser Erkrankung die
frühzeitige Diagnosestellung ebenso
wie der frühzeitige Therapiebeginn,
abgestimmt auf die Bedürfnisse und
Fähigkeiten des Einzelnen. Diese ausgeprägte Form verbunden mit starker
Verformung und kompletter Versteifung
der Wirbelsäule kommt nur bei etwa
10–20% der Erkrankten vor.
Können andere Organe
auch betroffen sein?
Am häufigsten (bis zu 50% der an Mb.
Bechterew-Erkrankten) konnte man
eine Entzündung der Regenbogenhaut
im Auge beobachten, was zu einer
Einschränkung der Sehkraft führt. Auch
der Befall von Gliedmaßengelenken –
meist die Hüft- und/oder Kniegelenke –
kann mit der Erkrankung einhergehen.
Tragisch ist dies, da es sich oft auch
um sehr junge Menschen handelt, die
dann oftmals einen Hüftgelenkersatz
benötigen. In seltenen Fällen konnten
Herzrhythmusstörungen beobachtet
werden.
Wie erfolgt eine Diagnose?
Anamnese (Befragung durch den Arzt):
Sie soll vor allem Aufschluss über schon
bestehende Mb. Bechterew-Erkrankungen in der Familie und die Frühsignale
(Morgensteifigkeit, tief sitzender Rückenschmerz etc.) geben soll.
Klinische Untersuchung: Der spezialisierte Arzt – Rheumatologe – kann
die Verminderung der Flexibilität im
Bereich der Lenden-, Brust- und Halswirbelsäule mit gezielter Technik gut
visualisieren. Zum Beispiel die Drehungen in der Wirbelsäule sind oft schon zu
Beginn der Erkrankung eingeschränkt.
Auch die genaue Schmerzlokalisation
kann Aufschluss über das Vorliegen von
Mb. Bechterew geben.
Laboruntersuchung: Mittels Blutsenkungsgeschwindigkeit und CRP-Wert
kann ein erhöhter Entzündungswert
im Falle des akuten Stadiums von Mb.
Bechterew festgestellt werden. Bei
90% der Betroffenen kann dann auch
das Merkmal HLA-B27 nachgewiesen
werden (nur einmal im Leben sinnvoll,
da angeboren). Ein Rheumafaktor ist
nicht nachweisbar.
Röntgenuntersuchung: Hier können
vor allem in einem späteren Stadium
Röntgenbilder der Wirbelsäule und der
Kreuzdarmbeingelenke aufschlussreich
für das Vorliegen der Mb. BechterewErkrankung sein. Verknöcherungen
können jedoch nur eine Darstellung der
bereits erfolgten Schädigungen geben.
Sollte der Facharzt den Verdacht auf
eine Mb. Bechterew-Erkrankung haben,
die Röntgenbefunde diesen aber nicht
erhärten, kann er ein MRT oder CT
anordnen. Diese Schnittbildtechniken
können schon in früheren Stadien der
Erkrankung Veränderungen zeigen.
Wie wird richtig behandelt?
Welche Behandlungen in Kombination
zum Tragen kommen, ist im Wesentlichen davon abhängig, in welchem
Stadium der Erkrankung sich der
Betroffene befindet. Gerade beim Mb.
Bechterew aber ist das sinnvolle Ineinandergreifen von medikamentösen und
nichtmedikamentösen Therapieoptionen
äußerst wichtig. Generell ist es oberstes
Ziel der Therapie, den Entzündungsprozess und die Schmerzen zu bekämpfen
und die Wirbelsäulenbeweglichkeit so
gut wie möglich zu erhalten.
27
KAPITEL 3
Wie sinnvoll ist Gymnastik?
Das tägliche Trainieren stellt ein Muss in
der erfolgreichen Therapie dar und sollte
so gut wie möglich in den Alltag integriert werden. Gerade in Phasen hoher
Krankheitsaktivität gehört enorm viel
Selbstdisziplin dazu, sich täglich aufzuraffen. Es hat sich gezeigt, dass Übungen
am effektivsten helfen, die dem Einzelnen auch Spaß machen, denn nur dann
werden sie regelmäßig gemacht. Die
Übungen müssen auf die Bewegungseinschränkungen Rücksicht nehmen. Auch
sollen Fehlbelastungen durch falsches
Eintrainieren von Übungen vermieden
werden. Zuständig ist dafür ein speziell geschulter Physiotherapeut, der in
regelmäßigen Abständen die Gymnastik
kontrollieren muss. Ziel ist es, die Beweglichkeit der Wirbelsäule zu erhalten
oder sogar zu verbessern.
Günstige Sportarten für
Mb. Bechterew-Patienten:
Schwimmen, spazieren gehen,
Skilanglauf, Nordic Walking
Wie sieht die medikamentöse Therapie aus?
An erster Stelle gilt es die Schmerzen
zu lindern. Mittel der Wahl sind NSAR
(kortisonfreie = nichtsteroidale Antirheumatika). Sie verhindern damit die
28
schmerzbedingte Schonhaltung und
machen Krankengymnastik oft erst
möglich. Bei akuten Schüben ist Kortison – vom Arzt direkt in den Gelenkspalt gespritzt – angezeigt. Es wirkt vor
allem lokal gut entzündungshemmend.
Sind auch Gliedmaßengelenke betroffen,
so hat sich eine Therapie mit Basistherapeutika, also langfristig krankheitsmodifizierenden Medikamenten als sinnvoll
erwiesen. Ob eine Basistherapie mit
konventionellen synthetischen Medikamenten auch beim Morbus Bechterew
ohne periphere Gelenkbeteiligung hilfreich ist, ist nach heutigem Wissenstand
zweifelhaft. Beim Mb. Bechterew sind
die Erfahrungen mit einer Basistherapie
nicht so langjährig wie bei der rheumatoiden Arthritis. Der Versuch einer
Basistherapie sollte aber immer dann
gestartet werden, wenn die Entzündung
der peripheren Gelenke (außerhalb der
Wirbelsäule) durch die oben genannten
Maßnahmen nicht ausreichend kontrolliert werden kann.
Bleibt die Krankheitsaktivität trotz
Ausschöpfung aller erwähnten Behandlungsarten hoch, dann stehen heute mit
den TNF-alpha-Blockern (Tumornekrosefaktor-alpha-Blocker) stark entzündungshemmende Medikamente zur Verfügung. Neuere Studien belegen, dass
ein großer Teil der Patienten mit Mb.
Bechterew durch die Verabreichung
dieser Substanzen zu einer herausragenden Verbesserung von Schmerzen,
Beweglichkeit, Entzündungszeichen
und Lebensqualität gelangt. Es ist
jedoch nicht eindeutig geklärt, ob die
fortschreitende Versteifung der Wirbelsäule endgültig gestoppt werden kann.
Eine ursächliche – also die Krankheit
völlig beendende Therapie gibt es bei
der Mb. Bechterew-Erkrankung nicht.
(siehe dazu ausführlich Kapitel 6)
Welche Vorteile bringt ein
Rehab-Aufenthalt?
Die Anwendung von physikalischer
Therapie, Wärmetherapie (auch in
Form der Heilstollentherapie) bringt
den Mb. Bechterew-Patienten oftmals
über Monate auch noch nach der Kur
Erleichterung. Lokale Wärme- oder
Kälteanwendungen, aber auch Massagen können die Befindlichkeit der Patienten verbessern. Massagen wirken sich
muskelentspannend aus. Das ist insbesondere vor der Krankengymnastik
angewendet sinnvoll, da die Muskulatur
dann gelockert ist. In den Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation wird den
Patientinnen die Bechterew-Gymnastik
ganz hervorragend gelehrt.
Gibt es zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten?
• Tai-Chi und Qi Gong sind fließend
ausgeführte Bewegungsübungen, die
zum Sammeln und Harmonisieren
von Energie dienen. Die Übungen
sind geeignet, da keine ruckartigen
Bewegungen und die Kombination
aus innerer Ruhe, Atemübungen und
Bewegung gerade bei dieser Erkran-
kung ideal sind.
• Homöopathie
• Neuraltherapie
• Traditionelle Chinesische Medizin
Was ist Radiumchlorid?
Seit 1948 steht den Medizinern dieser
Wirkstoff als mögliche Alternative
zur Verfügung. Er wurde schon in den
60er Jahren als Thorium X intravenös gespritzt und ist eine radioaktive
Substanz, ein Alpha-Strahler. Diese hat
bei vielen Patienten zu einer anhaltenden wesentlichen Verbesserung
der Schmerzsymptomatik des Mb.
Bechterew bei angeblich akzeptabler
Strahlenbelastung geführt. Derzeit kann
man diese Therapie wegen der vierfach
erhöhten Rate an tödlichen akuten Leukämien nicht empfehlen.
Operation – immer sinnvoll?
Bei stark eingeschränkter Beweglichkeit
kann dem Patienten mit einer Operation
geholfen werden. Bei einer Synovektomie wird beispielsweise die Gelenkinnenhaut entfernt. Bei fortgeschrittener
Erkrankung kann das versteifte Gelenk
durch ein künstliches ersetzt werden –
dies geschieht meist im Hüftgelenk. Bei
ausgeprägten Verkrümmungen der Wirbelsäule nach vorne kann diese operativ
aufgerichtet und die damit verbundenen
Gesichtsfeldeinschränkungen verbessert
werden. Sollte eine Operation ins Auge
gefasst werden, ist es immer sinnvoll,
eine zweite Meinung einzuholen.
29
KAPITEL 4
Wie äußert sich die
Krankheit?
Oft zeigt sich einige Jahre nach der
Entstehung einer Psoriasis auch eine
schmerzhafte entzündliche Veränderung
der Gelenke. Bei zirka jedem zehnten
Betroffenen stellt sich der Hautbefall
erst nach der Gelenkerkrankung ein.
Meist treten Haut- und Gelenkprobleme
jedoch gemeinsam auf (bei 10 bis 20
Prozent der Patienten).
Psoriasis-Arthritis
Was ist eine PsoriasisArthritis?
Eine Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris) ist eine chronische Hauterkrankung,
die sich durch Schuppung der Haut in
ausgedehnten entzündlichen Herden am
ganzen Körper oder nur in bestimmten
Regionen äußert.
Tritt eine Schuppenflechte gemeinsam
mit Gelenkentzündungen auf, dann
spricht man von einer Psoriasis-Arthritis (PsA).
In Österreich leiden rund 80.000 bis
240.000 Menschen an einer Schuppenflechte, davon erkranken 10–20% auch
an schmerzhaften Gelenkentzündungen.
30
Männer und Frauen sind dabei gleich
häufig betroffen, meist beginnen die
Beschwerden zwischen dem 35. und 45.
Lebensjahr.
Was sind die Ursachen für
Psoriasis-Arthritis?
Bei der Psoriasis-Arthritis handelt es
sich um eine Autoimmunerkrankung,
d.h. das Immunsystem bekämpft
körpereigenes Gewebe als Fremdkörper. Bei genetischer Veranlagung kann
es durch äußere Auslöser – wie etwa
Umwelteinflüsse oder auch durch Viren
bzw. Bakterien, welche die Herde der
Schuppenflechte besiedeln – zu diesem
Fehlverhalten des Immunsystems
kommen.
Welche Körperteile sind
hauptsächlich betroffen?
Am Erkrankungsprozess sind Gelenke,
Knochen sowie teilweise auch der Sehnenapparat des Skeletts in unterschiedlicher Ausprägung beteiligt. Am häufigsten zeigt sich die Psoriasis-Arthritis an
den kleinen Gelenken von Händen und
Zehen. Wenn die Psoriasis-Arthritis
nicht rechtzeitig behandelt wird, kann es
ähnlich wie bei anderen rheumatischen
Gelenkerkrankungen zu einer Zerstörung von Gelenkstrukturen kommen.
Welche Symptome sind
typisch für die PsA?
• Strahlenförmige Entzündung aller
Glieder (z.B. in einem Finger oder
einer Zehe). Der betroffene Körperteil ist von der Hand bzw. vom Zehenrand bis in die Spitze wurstförmig geschwollen, rot und verursacht
starke Schmerzen.
• Sehr häufig sind die Mittel- bis
Endgelenke betroffen (Daktylitis)
– im Vergleich zu anderen Formen
des entzündlichen Rheuma, wo körpernähere Gelenke befallen sind.
• Entzündung des Sehnenansatzes, die
sich in einer ausgeprägten Schwellung zeigt.
• kann auch die Wirbelsäule betreffen,
vor allem das untere Rückendrittel.
Dort liegen die so genannten Ileosakralgelenke, also die Gelenkverbindungen zwischen Becken und
Kreuzbein, die häufig beeinträchtigt sind. Die Betroffenen klagen
über Schmerzen in den Gesäßbacken.
• Ein Zehen- oder Fingernagelbefall
ist ebenfalls ein wesentliches Merkmal für die Psoriasis-Arthritis. So
zeigt sich auf den Nägeln oft ein
stecknadelkopfgroßes Grübchen.
Der Nagel kann sich vom Nagelbett
abheben. Charakteristisch sind auch
so genannte „Ölflecke“: Innerhalb
der Nagelplatte bilden sich weißlich
bis gelblich glänzende, scharf begrenzte rundlich bis ovale Inseln.
• Im Gegensatz zur rheumatoiden
Arthritis ist die Gelenkbeteiligung
bei der Psoriasis-Arthritis oft asymmetrisch, d.h. es sind auf der rechten oder auf der linken Körperhälfte unterschiedliche Gelenkregionen
befallen.
Wie sieht der Verlauf der
Erkrankung aus?
Die Erkrankung verläuft in der Regel
schubweise. Es kommt zu schmerzhaf31
KAPITEL 4
ten Gelenkentzündungen, wobei sich
die Schmerzen auf die arthritischen
Gelenke beschränken.
Woran erkenne ich
Psoriasis-Arthritis bei
meinem Kind?
Im Kindesalter zeigt eine Psoriasis-Arthritis kein einheitliches Krankheitsbild.
Untersuchungen haben gezeigt, dass
Kinder häufig um das zweite bzw. fünfte Lebensjahr erkranken. Die kleinen
Patienten leiden häufig an einer Schwellung bzw. Entzündung der Finger- oder
Zehengelenke. Die Kinder belasten
das betroffene Gelenk weniger, wollen
getragen werden oder greifen auffällig.
Bei älteren Kindern zeigen sich Entzündungen der Sehnenansätze oder auch
der Wirbelsäulengelenke, die sich durch
Schmerzen in der Lendenwirbelsäule
äußern können.
Auch Fieber, das über einen längeren
Zeitraum mit oder ohne Hautentzündungen auftritt, oder eine rheumatische
Entzündung der Regenbogenhaut am
Auge können die ersten Anzeichen
sein. Dies kann aber nur ein Augenarzt
diagnostizieren. Die Behandlung erfolgt mit denselben Basismedikamenten wie bei Erwachsenen, am häufigsten mit Methotrexat. Bei der Mehrheit
der Kinder lässt sich die Krankheit in
den Griff bekommen, so dass sie ein
normales Leben führen können
(siehe Kapitel 6).
32
Wie stellt der Arzt die
Diagnose?
Der Arzt beurteilt das Krankheitsbild
nach
• dem Befallmuster der Gelenke
• der Ausprägung des Erkrankung
• dem Erscheinungsbild der Haut
• dem Verlauf
• möglichen anderen Begleiterscheinungen.
Bei der Psoriasis-Arthritis ist es
wichtig, die Erkrankung von anderen
rheumatischen Krankheitsbildern,
wie beispielsweise der rheumatoiden
Arthritis oder dem Morbus Bechterew
abzugrenzen. Nicht immer zeigt die
Haut an bestimmten Körperstellen
Psoriasisbefall und weisen Zehen oder
Finger bestimmte Merkmale der Veränderung auf (siehe „Welche Symptome
sind typisch für die PsA?“) – dann wird
eine eindeutige Diagnose schwierig.
Häufig leiden Patienten an ausgeprägten
Arthrosen sowie an der Hauterkrankung
Psoriasis vulgaris. Dabei kommt es
bei Aktivierung der Arthrose auch zu
Schwellung und Rötung der betroffenen
Gelenke. Hier ist besonders im Frühstadium der Erkrankung die Differentialdiagnose zur Psoriasis-Arthritis manchmal
schwierig, aber durch den erfahrenen
Rheumatologen gewährleistet.
Welche Laboruntersuchungen gibt es bei der
Erkrankung?
Eine Blutuntersuchung kann hilfreich
sein, auch wenn es keine eindeutigen
Marker, aber doch Hinweise für die Erkrankung gibt. Bei der Psoriasis-Arthritis kann es zu schweren Entzündungsreaktionen kommen, die sich mit Hilfe
einer Laboruntersuchung – veränderte
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG),
erhöhtes C-reaktives Protein (CRP)
– oftmals nachweisen lassen. Neben
Entzündungszeichen wird dabei auch
der Rheumafaktor bestimmt, der in
aller Regel negativ (nicht nachweisbar)
ist – im Gegensatz zur rheumatoiden
Arthritis. Gelegentlich können bei der
Psoriasis-Arthritis auch leicht erhöhte
Harnsäurespiegel auftreten.
Welche bildgebenden
Verfahren helfen bei der
Diagnose?
Das Skelettröntgen ist ein wesentliches
bildgebendes Verfahren, sowohl an den
Gelenken als auch an der Wirbelsäule.
Häufig sind ausgewiesene Veränderungen asymmetrisch und zeigen Usuren
(= lochartige Substanzdefekte) oder
Proliferationen (= knöcherne Anlagerungen). Im Bereich von Sehnenansätzen
bei der Hüfte (Trochanter), der Kniescheibe (Patella) und des Fersenbeines
sind Verknöcherungen und Kalkeinlagerungen möglich. In sehr fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung entstehen
groteske Verformungen am Knochen.
Gelegentlich wird auch der gezielte
Ultraschall oder die Magnetresonanz-
tomographie (MRT) zur Diagnostik
eingesetzt. Insbesondere bietet sich das
MRT als wertvolles Hilfsmittel zur
früheren Differenzierung eines erosiven, zu einem nicht erosiven Verlauf
der Arthritis an. Der großflächigen
Anwendung des MRT bei der frühen
Diagnostik stehen jedoch noch Vorbehalte bei der Indikationsstellung wegen
der hohen Kosten dieser Diagnostik
entgegen. In Zweifelsfällen kann
zur Abgrenzung gegenüber anderen
Erkrankungen auch eine Untersuchung
der Gelenkflüssigkeit sinnvoll sein.
Das Gelenk wird dabei unter sterilen
Bedingungen punktiert.
Wie wird die Erkrankung
grundsätzlich behandelt?
Die Gabe von Medikamenten – und
hier insbesondere einer „Basistherapie“ – ist die wichtige therapeutischste
Maßnahme. Darüber hinaus stellt die
Physiotherapie (siehe Kapitel 7) eine
weitere additive Behandlungsform dar.
Sie stärkt die Muskulatur, entlastet die
Gelenke und hilft dem Betroffenen,
richtige Bewegungsmuster einzulernen.
Gelegentlich ist ein operativer Eingriff
nötig.
Mit welchen Medikamenten geht man gegen diese
Erkrankung vor?
Medikamente aus der Substanzgruppe
der nichtsteroidalen Antirheumatika
lindern wirksam Schmerzen, den Ver33
Anzeige
lauf der Psoriasis-Arthritis können sie
aber nicht beeinflussen. Antirheumatika
werden eingesetzt, insbesondere wenn
die Erkrankung sehr milde ausgeprägt
ist. Bei Schüben der Psoriasis-Arthritis
kann Kortison verabreicht werden. Therapeutisch werden so genannte immunmodulierende Substanzen eingesetzt,
insbesonders Methotrexat, mit dessen
Hilfe man gute Erfolge erzielen kann.
Salazopyrin und Leflunomid gehören
ebenfalls zu den nicht spezifischen
immunmodulierenden Wirkstoffen,
diese sind sowohl in den Gelenken sehr
wirksam als auch teilweise an der Haut.
Eine wichtige Rolle in der Behandlung
spielen die hochwirksamen Biologika.
Dazu zählen die TNF-alpha-Blocker
(Tumor Nekrose Faktor Alpha). TNFalpha ist eine körpereigene Substanz,
die neben vielen anderen Mechanismen
an der Entstehung von entzündlichen
Prozessen beteiligt ist – sowohl in
den Gelenken als auch auf der Haut.
TNF-alpha-Blocker – dazu gehören die
Substanzen Adalimumab, Etanercept,
Infliximab – beeinflussen den Krankheitsverlauf, indem sie der Entzündung
und der Gelenkzerstörung entgegenwirken. Bevor es zur Anwendung
kommt, muss jegliche Infektion wie
etwa Tuberkulose oder HIV ausgeschlossen werden. Je nach Verträglichkeit und Entwicklung der Erkrankung
kann – aber nur nach ausdrücklicher
Rücksprache mit dem Arzt – eine Einnahmepause eingelegt werden.
34
Wer erhält Biologika?
Der Einsatz von Biologika ist derzeit
vor allem aus Kostengründen erst
möglich, wenn vorher ein bestimmtes
Stufenschema der konventionellen Therapie eingehalten wird – zum Beispiel
Methotrexat oder Leflunomid. Falls
diese Standardtherapie nicht adäquat
hilft, nicht vertragen wird bzw. starke
Nebenwirkungen zur Folge hat, kommen TNF-alpha-Blocker zum Einsatz.
Gibt es bestimmte Begleiterkrankungen zur Psoriasis-Arthritis?
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Bei rheumatoider Arthritis,
Arthrose und vorbeugend
zum Erhalt der gesunden
Gelenke und Knorpel.
Es stellt sich zunehmend heraus, dass
bestimmte Erkrankungen besonders
häufig bei Personen mit Psoriasis-Arthritis auftreten. Dazu zählen beispielsweise Stoffwechselerkrankungen wie
erhöhte Blutfettwerte, Diabetes, starkes
Übergewicht, erhöhte Harnwerte, aber
auch Depressionen. Die Ursachen dafür
sind noch nicht restlos geklärt: Bekommen Psoriatiker manche Erkrankungen
aufgrund des Umstandes, dass sie an
einer chronischen Krankheit leiden?
Oder ist die Neigung zu bestimmten
Krankheitsbildern genetisch bedingt?
Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen sowie bewusste Ernährung,
der Verzicht auf die Zigarette sowie
gezielte Bewegung (siehe Physiotherapie) können das Wohlbefinden positiv
beeinflussen.
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KAPITEL 5
Schwellungen im Bereich der betroffenen Gelenke. Mit der Zeit kann es
zu Gelenkverformungen und damit zu
einer nicht mehr rückbildungsfähigen
Funktionseinschränkung kommen.
Im Gegensatz zu den entzündlichen Gelenkleiden (Arthritis) liegt bei der Arthrose eine fortschreitende – primär nicht
entzündliche – Abnutzungserkrankung
vor. Auch ein Trauma (Unfall, Verletzung) kann die Entstehung von Arthrose
begünstigen („Welche Risikofaktoren
begünstigen eine Arthrose?“).
Arthrose
Wer ist in Österreich
hauptsächlich von Arthrose
betroffen?
Zwei Millionen Österreicherinnen und
Österreicher sind im Lauf ihres Lebens
von Erkrankungen des Bewegungs- und
Stützapparates betroffen. Rund 1,4 Millionen Menschen leiden hierzulande an
degenerativen rheumatischen Gelenkerkrankungen (Arthrose).
In der Regel sind mehr Frauen als
Männer betroffen. Die Erkrankung
beginnt meist zwischen dem 50. und 60.
Lebensjahr, je nach Ursache mitunter
auch schon früher (z.B. nach einem
Unfall oder einer Verletzung).
36
Welche Gelenke sind hauptsächlich betroffen?
Wie entsteht Arthrose?
Arthrosen sind chronische Gelenkerkrankungen, die aufgrund von Veränderungen des Gelenkknorpels und des
darunter liegenden Knochengewebes
entstehen. Die Ursachen sind Umbauprozesse im Knorpelgewebe und im
gelenknahen Knochengewebe. Dabei
kommt es zu einer Störung des Gleichgewichts im Knorpelstoffwechsel,
wobei der Abbau von Knorpelsubstanz
überwiegt.
Den Verlust von Knorpelgewebe kann
der Körper nicht mehr wettmachen. Die
Betroffenen leiden unter Schmerzen,
Muskelverspannungen, Bewegungseinschränkungen und vereinzelt auch unter
• Knie- und Hüftgelenke. Diese
Gelenke sind sehr belastet, da sie
einen großen Teil des Körpergewichts tragen müssen. Die verminderte Beweglichkeit und Belastbarkeit infolge einer Arthrose ändert die
Haltung und den Gang, womit
Schmerzen und weitere degenerative
Veränderungen wie z.B. der Wirbel
säule die Folge sein können. Unterschiedlich stark ausgeprägte Verschleißerscheinungen im Hüftgelenk
können schon bei Personen in einem
Alter zwischen 30 und 40 Jahren
festgestellt werden.
• Auch die Arthrose der kleinen Fingergelenke (Polyarthrose), die vor
allem die Fingerendgelenke (Heberdenarthrose), Fingermittelgelenke
(Bouchardarthrose) sowie die
Daumensattelgelenke (Rhizarthro-
se) betrifft, kommt sehr häufig vor.
Welche Risikofaktoren begünstigen eine Arthrose?
• Einer der stärksten Risikofaktoren
für Arthrose ist das Alter: Fast jeder
Zweite über 70-Jährige hat Abnutzungserscheinungen der Gelenke,
die sich unterschiedlich stark mit
Schmerzen bemerkbar machen
können.
• Genetik: Es gibt Familien, bei
denen die Erkrankung häufiger
auftritt. Ursache dafür dürften arthrosespezifische Gene sein.
• Starkes Übergewicht belastet die
Gelenke und fördert auch die Entstehung von Abnutzungserscheinungen. Vor allem die Kniegelenke, in geringerem Ausmaß auch die
Hüftgelenke, aber auch die Gelenke
von Händen und Fingern sind bei
fettleibigen Menschen betroffen.
• Fehlstellungen: Gelenke, die von
Geburt fehlgestellt sind (X-Beine,
O-Beine) bzw. Personen, die Verletzungen (wie unbehandelte Meniskusschäden!) erlitten haben, neigen
besonders zur Entwicklung einer
Arthrose. Durch ein UltraschallScreening von Neugeborenen kann
eine Fehlstellung der Hüfte festgestellt und bereits früh behandelt
werden – zum Beispiel durch breites
Wickeln oder eine so genannte
Spreizhose. Jedenfalls sollten Knieoder Hüftschmerzen von Kindern
und Jugendlichen ernst genommen
37
KAPITEL 5
und behandelt werden. So hat beispielsweise kaum ein Mensch gleich
lange Beine. Das Resultat: An der
Hüfte des längeren Beines werden
Abnützungen begünstigt. Schuheinlagen beziehungsweise eine entsprechende Erhöhung der Schuhsohle
können helfen.
• Zu wenig Bewegung: Körperlich
aktive Menschen erkranken weniger
und wenn, dann erst später an Arthrose als Bewegungsmuffel. Bewegung führt zu einer ausreichend ausgebildeten Muskulatur, welche die
Gelenkregion gut „polstert“ und
bestehende Defizite von Seiten einer
Arthrose kompensieren kann.
• Stoffwechselstörungen wie Gicht
oder Eisenspeicherkrankheit können
Gelenke schädigen.
• Überbelastung: Jahrelange schwere
körperliche Arbeit – wie etwa lange
Tätigkeiten im Stehen mit zusätzlichem Anheben von schweren
Gewichten (schaufeln, hacken etc.)
oder eine hohe Belastung bestimmter
Gelenke bzw. Gelenkregionen
(z.B. Kniescheiben bei Fließenlegern) – kann Arthrose fördern.
• Auch bei Extremsportlern können
die Gelenke in Mitleidenschaft
gezogen werden: Fußballer leiden
häufiger an einer Arthrose der Knie,
der Hüfte oder auch der Knöchelgelenke, Radsportler an Veränderungen
der Knieschieben bzw. der Kniegelenke, Balletttänzer an Arthrose in
den Sprunggelenken.
38
Wie sieht der typische
Verlauf aus?
Der Verlauf ist variabel, üblicherweise aber langsam fortschreitend. Vom
Erscheinungsbild her unterscheidet man
das klinisch stumme Stadium (Arthrose
im Röntgenbild ohne Beschwerden),
das chronische Stadium (leichte bis
starke Schmerzen bei verschiedenen
Belastungsniveaus) und das Stadium
der akuten (bzw. aktivierten) Arthrose
mit Gelenkschwellung, Überwärmung,
Ergüssen und Schmerzen, die fast zur
Bewegungsunfähigkeit des Gelenks
führen.
Welcher Schmerz ist
typisch für meine
Erkrankung?
Typisch ist der Startschmerz zu Beginn einer Bewegung, der dann nach
wenigen Schritten nachlässt. Es kann
aber auch zu einem Belastungsschmerz
kommen, der sich etwa bei längeren
Gehstrecken oder beim Treppabsteigen
äußert. Im Ruhezustand oder im Schlaf
tritt der Schmerz selten auf.
Mit der Zeit kann es zu Gelenkverformungen mit Ergüssen und Rötungen
kommen. Die betroffenen Gelenke sind
hart und knöchern, oft knotig verändert,
aufgetrieben und „knirschen, reiben
oder knacksen“ bei bestimmten Bewegungen. Eine Berührung des Gelenks
schmerzt, und es lässt sich nur eingeschränkt bewegen.
Welche Untersuchungen
sind zur Abklärung von
Arthrose notwendig?
Die Untersuchung von Bewegungseinschränkungen, der Funktion und der
Bandstabilität, Schmerztests, der Gelenkkontur und auch das Abklären von
Fehlstellungen (z.B. der Beine) ergeben
einen ersten Verdacht. Wichtig ist auch,
wann und bei welchen Tätigkeiten der
Schmerz auftritt.
Mit welchen bildgebenden
Verfahren lässt sich
Arthrose erkennen?
• Mit Hilfe einer Röntgenuntersuchung lassen sich unter anderem
Veränderungen wie Gelenkspaltverschmälerung, Defekte und Zerstörung von Gelenkknorpel und
Knochen, Verhärtung von Gewebe
sowie Zystenbildung feststellen.
Der Grad der Schmerzen ist nicht
vom Ausmaß der Abnützungen
abhängig. Es können schwere Veränderungen auf dem Röntgenbild sichtbar sein, und der Patient hat aber nur
wenig Schmerzen. Andere leiden
sehr, obwohl das Röntgen nur Anfangsstadien der Erkrankung zeigt.
• Bei Auftreten einer Gelenkschwellung wird mit einer Punktion Gelenkflüssigkeit entnommenen und
im Labor untersucht. Die Gelenkpunktion nimmt die schmerzhafte Spannung vom Gelenk, und es
ist möglich, verschiedene Gelenker-
krankungen voneinander abzugrenzen (bakterielle Infektionen, Kristallablagerungserkrankung, u.a.).
• Bei Unklarheiten wird eine Magnetresonanztomografie (MRT) oder
eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt. Der Ultraschall eignet sich
zur Beurteilung von Sehnen, Muskeln, Schleimbeutelentzündungen,
Zysten und Gelenkergüssen. Zur
Beurteilung des Knorpels hat sich
das MRI (Magnetic Resonance
Imaging, ein bildgebendes Verfahren zur Darstellung der Gewebestrukturen im Körperinneren) bewährt. Auch bei Knochennekrosen
(Absterben von Knochengewebe),
die ähnliche Beschwerden wie
Arthrosen verursachen können, führt
die Kernspintomographie früher als
das Röntgenbild zum diagnostischen
Beweis.
Welche Laborwerte deuten
auf eine Arthrose hin?
Laborbefunde, die Arthrose beweisen, gibt es noch nicht. Es sollen aber
laborchemisch Arthrose verursachende
Erkrankungen bzw. Erkrankungen, die
sich ähnlich wie Arthrose präsentieren
können, ausgeschlossen werden.
• Rheumafaktor: ist normal
• Blutsenkungsgeschwindigkeit: ist
normal oder nur leicht erhöht
• Anti-CCP: sind negativ. Anti-CCP
sind Antikörper gegen cyklische
citrullinierte Peptide, sie werden zur
39
KAPITEL 5
Diagnose des Frühstadiums einer
rheumatoiden Arthritis verwendet.
• Harnsäure: ist normal.
Wie wird die Erkrankung
grundsätzlich behandelt?
Bei der Arthrosetherapie geht es
darum, Beschwerden zu lindern und
ein Forschreiten der Erkrankung zu
verlangsamen. Wichtige Maßnahmen
sind ausreichende Bewegung ohne
Überlastung, der Schutz vor Gelenkverletzungen, die Verhinderung bzw.
der Abbau von Übergewicht sowie eine
medikamentöse Therapie.
Meist wird eine Behandlung aber nicht
im Frühstadium begonnen, sondern
erst dann, wenn die Arthrose bereits
Entgegen der weit
verbreiteten Meinung sollten die
Gelenke bei Arthrose nicht ruhiggestellt werden.
merkliche Schmerzen verursacht hat
und eine deutliche Gelenkveränderung
stattgefunden hat.
Trotz des Gelenkverschleißes soll dann
mit Hilfe der Therapie die Belastbarkeit und Beweglichkeit des Gelenks
noch für möglichst lange Zeit erhalten
bleiben. Sind die Zerstörungen zu groß
und die Schmerzen unerträglich, bleibt
nur noch der Ersatz des Gelenks (siehe
Kapitel 7).
Was versteht man unter
nicht medikamentösen
Maßnahmen?
Physikalische Maßnahmen wie Wärme und Mechanik (dazu zählen die
Sporttherapie, die Krankengymnastik,
Ergotherapie und Massagen) sowie
Elektrotherapie sollten die Erkrankung
in ihrer langen Dauer immer begleiten.
Die Krankengymnastik bedient sich
Hilfsmitteln wie Gummibändern, Bällen bis hin zu aufwendigen Geräten, die
gezielt bei Bewegungseinschränkungen,
Muskelverkürzungen und -schwächen
zum Einsatz kommen. Besonders hilfreich und wirksam ist auch die Behandlung im Wasser (Aquatraining).
Spezielle Hilfsmittel im Alltag unterstützen die Gelenke und verzögern das
Fortschreiten der Erkrankung. Eventuell
können Schienen, festes Schuhwerk
oder die Verwendung eines Stockes die
Gelenke entlasten.
40
Wie verläuft die medikamentöse Behandlung?
Ein wesentliches Ziel der medikamentösen Therapie ist in einem ersten
Schritt die Schmerzlinderung. Dafür
gibt es mehrere Möglichkeiten:
• Rheumasalben: Sie sind zur lokalen Anwendung als entzündungshemmende Salben bzw. Gels
erhältlich. Salbenverbände haben
den Vorteil, dass der Wirkstoff nicht
so schnell in der Haut verschwindet,
sondern ein ausreichend großer
Anteil als „Nachschub“ auf der Haut
verbleibt. Grob geschätzt lässt sich
der Schmerz bei ungefähr der Hälfte
der Patienten mit äußerlich aufgetragenen Substanzen besonders im
Anfangsstadium der Erkrankung
sehr gut behandeln. Schmerzmittel
können zwar die der Erkrankung
zugrunde liegende Schädigung des
Knorpels nicht beeinflussen, aber
erst durch weitgehende Schmerzfreiheit ist es möglich, Bewegungstherapie durchzuführen – und Bewegung
wiederum ist erforderlich, um den
Knorpelstoffwechsel zu verbessern.
• Nichtsteroidale Antirheumatika
(NSAR): Diese Antirheumatika
wirken im Unterschied zu anderen
Schmerzmitteln nicht zentral im
Gehirn, sondern im beteiligten
Gewebe. Sie blockieren dort Gewebshormone (Prostaglandine), die
den Schmerz weiterleiten. Neben der
schmerzlindernden besteht auch eine
entzündungshemmende Wirkung,
die u.a. Schwellungen lindert. NSAR
werden nicht von allen Patienten
vertragen, und deshalb sollten sie
nur nach Absprache mit dem Arzt
eingenommen werden.
• Kortison: Ist die Gelenkinnenhaut
eines einzelnen Gelenks stark krankhaft verändert bzw. entwickelt sich
ein entzündlicher Verlauf, so kann
über einen kurzen Zeitraum Kortison
gezielt ins Gelenk gespritzt werden.
Es wirkt stark entzündungshemmend.
• Diacerein beeinflusst Botenstoffe
der Entzündung (wie z.B. Interleukin-1, Interleukin-6 und Tumor-Nekrose-Faktor alpha) und kann
dadurch schwach schmerzlindernd
wirken.
• Ein krankes Gelenk kann keine Hyaluronsäue mehr produzieren, die
den Abrieb von Knorpelsubstanz
reduziert. In der Praxis ist die Gabe
von Hyaluronsäure direkt ins Kniegelenk in Form von Spritzen möglich, und man erhofft eine schmerzlindernde Wirkung.
• Knorpelschutzsubstanzen oder
Aufbaupräparate: Dies sind Substanzen, die den Knorpelabbau
bremsen sollen, wie Glucosamin
(sulfat), Chondroitinsulfat.
41
KAPITEL 5
Wie soll beispielsweise die
knorpelschützende Substanz Chondroitinsulfat
wirken?
Chondroitinsulfat ist ein körpereigener
Stoff, der beim gesunden Menschen
in ausreichenden Mengen vorhanden
ist. Seine wichtigste Funktion ist die
Bindung von Wasser im Knorpel.
Bei einem arthrotisch-degenerativ
veränderten Knorpel beobachtet man
eine Abnahme des Chondroitinsulfatgehaltes. Demzufolge geht das Wasserbindungsvermögen verloren, und
eine Degeneration (= Abnützung) des
Knorpels schreitet voran. Der Knorpel
nützt sich ab, Bewegungseinschränkungen und Schmerzen sind die Folge.
Durch die Gabe von Chondroitinsulfat
(in Tablettenform, täglich eine) soll das
Stoffwechselgleichgewicht der Gelenkknorpel wiederhergestellt und ein
Fortschreiten der Erkrankung verzögert
werden.
Mittels einer über drei bis sechs Monate
verordneten „Gelenkskur“ versucht man
dem weiteren Knorpelabbau Einhalt zu
gebieten. Ob diese Substanz tatsächlich die strukturmodifizierenden und
schmerzlindernden Wirkungen entfaltet,
muss wissenschaftlich weiter untersucht
werden.
Wann wird eine Arthroskopie durchgeführt?
Die Arthroskopie ist eine spezielle
42
endoskopische Untersuchung von
Gelenken. Dabei führt man ein Arthroskop (ähnlich einer kleinen Kamera) durch einen kleinen Hautschnitt in
einen Gelenkraum ein. Auf diese Weise
kann der Arzt direkt die Gelenkstrukturen betrachten. Diese Maßnahme wird
vor allem bei der Untersuchung und
Behandlung von Knie-, Sprung- und
Schultergelenk eingesetzt. Meistens
werden Arthoskopien eingesetzt, um
zeitgleich mit der Diagnostik auch
Operationen zur Gelenksanierung
durchzuführen. Gegenüber den offenen
chirurgischen Verfahren besitzt die
minimal-invasive Chirurgie den Vorteil
der geringeren Belastung für den Organismus, geringerer Schmerzen nach der
Operation, kürzerer Heilungszeiten und
einer schnelleren Wiedereingliederung
in die Alltagsaktivitäten.
Bei starken Beschwerden und Behinderungen kann ein künstliches Gelenk
Erleichterung schaffen und die Beweglichkeit wiederherstellen. Auch nach
einem Eingriff bleiben die richtige
Physiotherapie und Bewegung Voraussetzungen dafür, die Funktion des
Kunstgelenks zu gewährleisten.
Was ist nach der Operation
zu beachten?
Im Allgemeinen beginnt die Mobilisation schon am Tag nach der Operation.
Dazu gehören Bewegungsübungen und
leichte Gymnastik unter Anleitung.
Diese Übungen sind sehr wichtig und
senken unter anderem das Risiko für
eine Thrombose. Später folgt intensive
Krankengymnastik, um den Muskelaufbau zu fördern und die Beweglichkeit zu
verbessern. Ein spezielles Bewegungsprogramm sollte dann täglich durchgeführt werden.
Promotion
Initiative gesunde Gelenke –
Nehmen Sie Ihre Gesundheit selbst in die Hand!
Was passiert bei einer
Abrasion?
1995 wurde die „Initiative gesunde Gelenke“ ins Leben gerufen. Es ist eine Plattform für Patienten und Experten, die über degenerative Gelenkserkrankungen, vor allem die Arthrose, aufklären möchte.
Mit dem Begriff Abrasion (von lat.
abrasio = Abkratzung) wird in der
orthopädischen Medizin ein Verfahren
bezeichnet, mit dem organisches Material, z.B. Knochen, mechanisch abgetragen wird. Eine Anwendungsform ist die
Abrasionsarthroplastik, mit deren Hilfe
die Regeneration von körpereigenem
Knorpel angeregt werden soll. Dies ist
jedoch nicht bewiesen.
Ihre Aufgabe sieht die Initiative darin, verschiedene Diagnosen und Therapiemöglichkeiten patientengerecht
zu erklären.
Wann sollte man eine OP
eventuell mit Gelenkersatz
erwägen?
An den Bedürfnissen der Arthrose-Patienten ausgerichtet
Im Detail sieht das so aus:
Informationen erhalten Interessierte in einem persönlichen Gespräch über die Infohotline der „Initiative
gesunde Gelenke“. Dort können sie individuelle Fragen stellen und eine breite Palette an Unterlagen, wie
Broschüren, aber auch Materialien wie Trainingsbälle für die Finger anfordern. Weiters stehen gemeinsam
mit Experten erarbeitete Poster zur Verfügung, worauf gelenkschonende Übungen zum Nachmachen für zu
Hause dargestellt sind.
Auf der Internetseite von „Initiative gesunde Gelenke“ können neben Informationen zur Erkrankung alle Termine der nächsten Veranstaltungen in ganz Österreich abgerufen werden. Außerdem sind Foren eingerichtet,
wo Gleichgesinnte Tipps für Wanderungen, Rezepte und vieles mehr austauschen können.
Nehmen Sie ihre Gesundheit jetzt in die Hand und werden Sie aktiv. Denn wesentlich ist: Bleiben Sie mobil
– trotz Arthrose.
Initiative gesunde Gelenke, Postfach 40, 1082 Wien, Hotline Arthrose: Di & Do 9–14 Uhr, 0664/826 01 80.
www.gesundegelenke.at
KAPITEL 6
Medikamentöse Behandlung
Welche Medikamente gibt
es zur Behandlung von Entzündungsrheuma?
Zu den Arzneimitteln, die primär
ent-zündungshemmend und schmerzstillend wirken, zählt die große Gruppe
der nichtsteroidalen Antirheumatika
(NSAR = kortisonfreie Rheumaschmerzmittel). Im Gegensatz dazu sind
jene entzündungshemmenden Rheumaarzneien, die das körpereigene Hormon Kortison enthalten, zu erwähnen.
Beide Medikamentengruppen entfalten eine rasche Wirkung. Sie wirken
jedoch nur gegen die Krankheitszei-
Schmerzbekämpfung
und
Entzündungshemmung
Bekämpfung der
Gelenkschwellung
Bekämpfung der
radiologischen
Veränderung
(Gelenkdeformation)
NSAR
Ja
Ja
Nein
Kortison
Ja
Ja
Nein
(im Frühstadium Ja)*
Klassische
Basistherapeutika
Ja
Ja
Ja
Biologika
Ja
Ja
Ja
chen, wie beispielsweise Schmerz
und Schwellung, beeinflussen aber
den längeren Krankheitsverlauf nicht.
Umso wichtiger ist der Einsatz von so
genannten Basistherapeutika oder auch
DMARDs, die zumeist als Dauermedikation verabreicht werden. Sie können
den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, die aktive Entzündung über
einen längeren Zeitraum zum Stillstand bringen und somit eine Erhaltung
der Gelenkfunktion sicherstellen. Zu
der Gruppe der Basistherapien gehören auch die zu guter Letzt seit 1999
am Markt befindlichen so genannten
Biologika, allen voran die TNF-alphaBlocker.
Was heißt Basistherapie
oder DMARD (Disease
modifying antirheumatic
Drugs)?
Basistherapeutika sind Medikamente,
die bei entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen zu einer Verbesserung
der Gelenksymptomatik und zu einer
Verminderung bzw. im Idealfall zum
Stopp der Gelenkzerstörung führen. Der
englische Begriff „Disease modifying
antirheumatic Drugs“, also krankheitsbeeinflussendes Medikament, trifft den
Effekt der Substanz damit wohl schon
eher. Folgende Wirkstoffe zählen zu den
Basistherapeutika und finden in Österreich häufige Anwendung: Sulfasalazin,
Hydroxychloroquin, Lefunomid, Methotrexat. Letzteres ist das am häufigsten eingesetzte Präparat in der Gruppe
der Basistherapeutika. Die Dosierung
ist üblicherweise 1-mal pro Woche bis
zu 30 mg entweder als Tablette oder als
Spritze unter die Haut.
Was tun Basistherapeutika?
Sie greifen in die Kaskade der überschießenden Reaktion des Immunsystems ein. Sie „dämpfen“ oder
normalisieren diese „überschießende“
Antwort des Immunsystems, daher in
dem Zusammenhang auch der Begriff
der Immunmodulation. Das führt zu
einer Verringerung der entzündlichen
Reaktionen in den Gelenken, wodurch
Gelenkschwellungen und -zerstörung
verhindern werden sollen. Die Wirkung der Substanz zeigt sich oft erst
nach einigen Monaten, soll aber nach
längerer Einnahme zu einer deutlichen
Besserung der Beschwerden bis hin zur
Beschwerdefreiheit und im Idealfall zu
einem Stillstand der Erkrankung führen.
Basistherapeutika haben eine Langzeitwirkung auf den Krankheitsverlauf, indem sie die fortschreitende Zerstörung
der Knorpel und Knochen verhindern
oder zumindest verzögen. Sie müssen
regelmäßig eingenommen werden und
dürfen nur nach Absprache mit dem
Arzt abgesetzt werden. Im klinischen
Alltag konnte bis dato jedoch nur vereinzelt ein völliges Absetzen dieser
Basistherapeutika erzielt werden, viel
eher kann bei gutem Therapieansprechen des Patienten die Dosis reduziert
oder die Intervalle der Verabreichungen
verlängert werden.
* keine Indikation für Langzeittherapie
44
45
KAPITEL 6
Gibt es Nebenwirkungen
von Basistherapeutika?
Wie bei allen Medikamenten können
selbstverständlich vereinzelt Nebenwirkungen auftreten, und deshalb muss
von Beginn an eine kontinuierliche
Kontrolle durch den behandelnden Arzt
erfolgen – (anfangs alle 4–6 Wochen,
danach in 2–3-monatigem Abstand). So
können frühzeitig, oft nicht sichtbare
Nebenwirkungen rasch und zielgerichtet behandelt werden. Die häufigsten
Nebenwirkungen sind: Übelkeit, Durchfall, leichter Haarausfall, Nieren- und
Leberfunktionsstörungen. Die Medikamente können weiters das Erbgut in
den Keimzellen schädigen. Daher raten
Ärzte, eine Schwangerschaft erst mehrere Monate nach dem Abschluss der
Behandlung in Betracht zu ziehen.
Wann kommen Basistherapeutika zum Einsatz?
Bei rheumatoider Arthritis, PsoriasisArthritis, bei ankylosierender Spondylarthritis mit Gelenkschwellungen
und zum Teil bei Kollagenosen.
NSAR – die Allrounder unter
den Schmerzmitteln: Was
können sie?
NSAR – nicht-steroidaleAntirheumatika – sind klassische Schmerzmittel.
Sie wirken entzündungshemmend und
schmerzstillend. Der komplexe Name
besagt nichts anderes, als dass es sich
46
um Substanzen handelt, die nichts
mit Kortison zu tun haben (= nichtsteroidal). Diese Präparate sind alle mit
Aspirin im weitesten Sinne verwandt.
Sie hemmen die Bildung von Schmerzbotenstoffen, der Prostaglandine (=
hormonähnliche Substanzen, welche die
Empfindsamkeit der Schmerzrezeptoren
steigern). Die Wirkung von NSAR tritt
oft schon innerhalb von Stunden ein.
Die Wirkdauer beträgt in der Regel zwischen zwei und vier Stunden. Je nach
Bedarf kann bis zu einer festgesetzten
Maximaldosierung die Einnahme erhöht
werden. Sie können als Tablette, Zäpfchen oder Spritze verabreicht werden.
Auch Präparate in Retardform sind
erhältlich. Ihre Wirkung setzt sozusagen
mit Zeitverzögerung ein. Häufig verordnete Substanzklassen: Dexibuprofen,
Lornoxicam, Diclofenac und viele andere. Die Wahl des geeigneten Mittels
sollte in jedem Fall mit dem behandelnden Arzt abgestimmt werden.
Gibt es Nebenwirkungen
von NSAR?
Je länger die Behandlungsdauer und je
höher die Dosis der Einnahme, umso
eher können unerwünschte Effekte
auftreten. Vor allem die Schleimhaut
des Magen-Darm-Trakts wird zur
Zielscheibe dieser Nebenwirkungen.
Schätzungen gehen davon aus, dass bei
einer längeren Anwendung diese Medikamente bei etwa 10% der Patienten
ein Magengeschwür oder Zwölffingerdarmgeschwür ausbilden, von dem sie
zumeist nicht das Geringste spüren. Der
Vorteil der Schmerzlinderung wird hier
zum Nachteil, denn die jetzt entstandenen Magenprobleme werden durch die
„Dämpfung des Schmerzempfindens“
nicht wahrgenommen. Neben den
Schädigungen im Bereich des MagenDarm-Trakts können NSAR vor allem
bei älteren Patienten die Nierenfunktion
beeinträchtigen und zu einer Wasseransammlung in den Beinen (Ödeme) oder
zu einem hohen Blutdruck führen.
Was ist bei der Einnahme
von NSAR zu beachten?
Es ist darauf zu achten, dass NSARPräparate nicht auf nüchternen Magen
eingenommen werden. Alkohol sollte
nicht konsumiert werden, vor allem
nicht gemeinsam mit den NSAR.
Besonders gefährdet sind Patienten,
• die älter als 65 Jahre sind,
• die in ihrer Vergangenheit bereits
einmal ein Magengeschwür oder
Zwölffingerdarmgeschwür (Ulcus)
hatten oder
• die neben den NSAR zusätzlich
Kortison erhalten oder
• die blutverdünnende Medikamente
einnehmen.
Wurde auch ein Aspirin gleichzeitig mit
einem NSAR verordnet, sollte Aspirin immer 2 Stunden vor dem NSAR
eingenommen werden. Periodische
Blutkontrollen, in Bezug auf Leberund Nierenwerte, sind wesentlich. Die
Einnahme zweier verschiedener NSAR
erhöht das Risiko der Nebenwirkungen
massiv. Wechselwirkungen mit Präparaten, welche die Blutgerinnung hemmen
sollen oder den Blutzucker senken, sind
nicht selten und daher mit dem behandelnden Arzt zu besprechen.
Was heißt Magenschutz im
Zusammenhang mit NSAR?
Da das Angreifen der Magenschleimhaut zu einer der wesentlichen Nebenwirkungen der NSAR gehört, sollte insbesondere bei den vorhin beschriebenen
Risikopatienten eine „Magenschutztherapie“ zum Einsatz kommen. Bereits
seit einigen Jahren werden erfolgreich
neben den Rheuma-Schmerzmitteln
solche Medikamente verordnet, die
den empfindlichen Magen abschirmen
sollen.
Zwei Wirkprinzipien stehen dabei zur
Verfügung:
• Protonenpumpenblocker (PPI): sie
reduzieren die Magensäure und verhindern so, dass es zu Defekten an
der Magenwand kommt.
• Prostaglandine: sie schützen die
Magenschleimhaut.
COX-2 Hemmer – klingt
kompliziert?
Diese Substanzgruppe steht dafür, dass
sie zwar die Wirkung, nicht jedoch die
unerwünschten Nebenwirkungen der
NSAR im Bereich des Magen-Darm47
KAPITEL 6
Trakts haben. Die verbesserte MagenDarm-Verträglichkeit dieser COXIBE
beruht auf der unterschiedlichen Hemmung der beiden Cyclooxygenase-Enzyme (COX-1 und COX-2), die Anfang
der 90er Jahre entdeckt wurden. Wie
die nichtsteroidalen Antirheumatika
(NSAR) hemmen auch die COXIBE die
Bildung der körpereigenen Schmerzbotenstoffe Prostaglandine (dies erfolgt
über eine COX-2-Hemmung). COX-2
wird vor allem bei Entzündungsprozessen im geschädigten Gewebe
aktiviert. COX-1, für den Schutz der
Magenschleimhaut vor Magensäure
verantwortlich, wird allerdings nicht
gehemmt. COXIBE lassen also die
Wirksamkeit des schützenden COX-1Enzyms unberührt, unterdrücken
jedoch gezielt die Funktion des Enzyms
COX-2.
Gibt es Nebenwirkungen
bei COX-2 Hemmern?
Leider sind auch selektive COX-2Hemmer nicht völlig frei von der
Möglichkeit von Nebenwirkungen.
Aufgrund des Wirkprinzips kann die
Rate an gefährlichen Magen- und
Darm-Nebenwirkungen von kortisonfreien Antirheumatika deutlich gesenkt
werden. Wie bei allen anderen NSAR
ist allerdings bei bekannter Herz- oder
Nierenerkrankung besondere Vorsicht
geboten. Weiters konnten in seltenen
Fällen Hautreaktionen, Atemnot, Konzentrationsschwäche und Schläfrigkeit
beobachtet werden. Der Einsatz von
48
COX-2-Hemmern hat durchaus seine
Berechtigung nach dem Ausschluss von
Herzkrankheiten, nämlich bei Patientengruppen mit einem Risiko für das
Auftreten von Magen-Darm-Nebenwirkungen durch ein NSAR.
Kortison – wie wirkt das?
Kortison ist der Oberbegriff für eine
ganze Wirkstoffgruppe. Es handelt sich
dabei um Abkömmlinge eines körpereigenen Hormons, Cortisol, das in der
Nebenniere gebildet wird. Es übernimmt
zahlreiche Aufgaben im Stoffwechsel
und im Abwehrsystem. Wegen dieser
Eigenschaften entwickelte man es zu
einer Arzneimittelsubstanz weiter.
Kortisone bremsen die Immunreaktionen
und wirken damit effizient gegen starke
Entzündungen. Gerade bei rheumatischen Erkrankungen kommt eben dieser
starke, entzündungshemmende Effekt
zum Tragen. Kortison unterdrückt eine
Entzündung in Gelenken wirksam
und schnell. Meistens bessern sich die
Beschwerden innerhalb von 1–2 Stunden
nach der Einnahme. Oft werden sie als
Überbrückung verwendet, bis die Basistherapie greift. Kortison beseitigt aber
nur das Symptom, eine Heilung kann
dadurch nicht bewirkt werden.
sierten Kortisonbehandlungen aus den
siebziger Jahren, als man noch keine
Langzeiterfahrungen hatte. Durch die
hohe Dosierung und unbedacht lange
Anwendung kam es zu den mittlerweile
weitreichend bekannten Nebenwirkungen. Heute weiß man, dass große
Mengen Kortison nur für kurze Zeit
zumeist unbedenklich sind und dass
die Nebenwirkungen von vernünftig
dosiertem Kortison wesentlich geringer
ausgeprägt sind als früher.
Was ist bei der Einnahme
von Kortison zu beachten?
Kortisonpräparate müssen regelmäßig
und zum vorgesehenen Einnahmezeitpunkt eingenommen werden. Sie sollten
niemals plötzlich abgesetzt werden,
da der Körper während der Therapie
die eigene Kortisonproduktion einstellen kann und es daher bei plötzlichem
Absetzen des Präparats zu lebensgefährlichen Reaktionen kommen kann. Die
Dosis muss Schritt für Schritt verringert
werden. Weiters muss das Risiko für das
Auftreten von Osteoporose vor Beginn
der Therapie mittels Knochendichtemessung abgeklärt werden. Ebenso sind
regelmäßige Blutdruck-, Blutzucker- und
Gewichtskontrollen sinnvoll.
Warum ist Kortison so
gefürchtet?
Was sind Biologika, und wie
wirken sie?
Kaum spricht ein Arzt den Namen aus,
macht sich Angst breit. Das begründet
sich in den Erfahrungen mit überdo-
Biologicals, auch Biologics oder Biologika sind biotechnologisch hergestellte
Eiweiße, die gezielt in die Mechanismen
des Krankheitsgeschehens eingreifen.
Sie sind in der Lage, die Regulationsmechanismen bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen wesentlich zu
beeinflussen. Sie unterscheiden sich also
im Wirkansatz wesentlich von den restlichen in der Rheumatherapie zum Einsatz
kommenden Präparaten. Sie greifen
gezielt in den immunologischen Abwehrmechanismus des Körpers ein, indem sie
beispielsweise Zytokine – also Botenstoffe, die für die Immunantwort des
Körpers zuständig sind – ausschalten.
Spätfolgen vieler immunologischer Erkrankungen (z.B. Gelenkveränderungen
bis hin zu Gelenkzerstörungen) können
mithilfe von Biologika vermindert,
gestoppt oder zumindest hinausgezögert
werden.
Es handelt sich dabei um Substanzen,
die mit modernster Biotechnologie und
unter sehr hohem technischen Aufwand
hergestellt werden.
Art der Verabreichung: Da diese
Eiweiße im Magen-Darm-Trakt zerlegt werden und so nicht am Wirkort
eintreffen würden, werden sie entweder
per Infusion durch den Arzt oder vom
Patienten selbst subkutan, also unter das
Unterhautfettgewebe injiziert.
TNF-alpha-Blocker gehören
zu den Biologika – was tun sie?
Ein typisches Beispiel für den oben
genannten Wirkmechanismus sind die
49
Promotion
„COMEBACK INS LEBEN“
Hervorragender Titel für eine Initiative mit beeindruckenden Zielen:
Rheumapatienten soll der Weg zurück zu einem aktiven Leben erleichtert werden, und durch breite
Aufklärung soll in Zukunft die Öffentlichkeit Betroffenen mit Verständnis begegnen. Wie das gelingt,
zeigt die Initiative "Comeback ins Leben".
TNF-alpha-Blocker (Tumor-NekroseFaktor alpha). Sie blockieren den
körpereigenen, entzündungsauslösenden Botenstoff TNF-alpha und hemmen
damit das weitere Fortschreiten der
rheumatischen Entzündung, womit es
zu einer Eindämmung der Progression
von Gelenkdestruktion und Funktionsverlust kommt. TNF-alpha wird also
inaktiviert, wodurch – im Falle eines
Behandlungsansprechens – in der Folge
Schmerzen, Schwellungen und das
Fortschreiten der Erkrankung eingedämmt wird.
50
Die von der Firma Wyeth-Lederle Pharma GmbH gegründete Initiative ist eine Informationsplattform für
Menschen mit rheumatischen Erkrankungen und wird von führenden Experten unterstützt.
Die Website www.comebackinsleben.at bereitet übersichtlich Themen über rheumatoide Arthritis,
Morbus Bechterew, Psoriasis oder Psoriasis-Arthritis auf. So gibt es beispielsweise ein Patientenportal, wo nach Eingabe der Chargennummer wesentliche Fragen zum Präparat geklärt werden können. Denn wer kennt das nicht; kaum zu Hause mit dem neuverordneten Präparat angekommen,
denkt man an unzählige Fragen, die man dem Arzt hätte stellen sollen.
6 Broschüren, die begleiten
Broschüren, bei denen Wert darauf gelegt wird, das Wesentliche auszuführen, Belangloses aber beiseite zu lassen. Kostenlos auf der Homepage downloaden, per Mail oder Telefon 0699/81 85 08 98
bestellen – das ist wegbereitend für ein aktiveres, unbeschwerteres Leben!
„Was Sie über Rheuma und rheumatoide Arthritis wissen sollten.“
Von der Diagnosestellung bis zu therapeutischen Maßnahmen –
Rheuma rechtzeitig erkennen und gezielt therapieren!
„Therapiemöglichkeiten bei rheumatischen Erkrankungen.“
Auf 6 Seiten werden mögliche medikamentöse Therapien von
rheumatischen Erkrankungen detailliert erläutert.
„Psoriasis-Arthritis – eine Erkrankung mit versteckten Tücken.“
Neben interessanten Tipps für den Alltag ist hier ein interessanter
Selbstcheck integriert.
Wann beginnt man mit
Biologika-Therapien und
welchen Vorteil haben sie?
TNF-alpha-Blocker werden erst nach
erfolglosen Versuchen mit Basistherapeutika eingesetzt. Die Biologicals
sind also für die Behandlung jener Patienten zugelassen, bei denen Basismedikamente wie Methotrexat, Leflunomid oder Sulfasalazin nicht oder nicht
ausreichend wirken. Die gleichzeitige
Einnahme von Basistherapeutika ist
immer angezeigt (Kombinationstherapie). Bis zur Hälfte der mit den neuen
Wirkstoffen behandelten Patienten
„Ernährungstipps zur Therapieunterstützung bei rheumatoider Arthritis.“
40% der Patienten mit chronischer Polyarthritis weisen Fehl- oder Mangelernährung auf. Dem kann mit Hilfe der Broschüre erfolgreich entgegengewirkt werden.
„Praktischer Ratgeber für Morbus-Bechterew-Patienten.“
Der wohl ausführlichste unter den „Begleitern“.
„Information zu sozialer und finanzieller Unterstützung
bei rheumatischen Erkrankungen.“
Antworten auf Fragen zur finanziellen Förderung im Alltag.
AUT-ENB01-0608
Vorteile gegenüber herkömmlichen
Basismedikamenten sind das oft gute
und rasche Ansprechen der Patienten und neben der anti-entzündlichen
Wirkung auch ein hemmender Effekt
auf das Voranschreiten der Knochenveränderungen. Nachteile sind die hohen
Kosten. Weiters gilt es vor dem Verabreichen der Substanz das Vorliegen
einer schwerwiegenden Infektion und
hier insbesondere von Tuberkulose auszuschließen. Die gängige Therapie sieht
so aus, dass die Gabe von Basistherapeutika beibehalten wird, wenn mit einer Biologika-Therapie begonnen wird.
Innerhalb von zwei bis vier Wochen tritt
oftmals eine Besserung ein, nach rund
acht Wochen ist ein Wirkungsmaximum
erreicht. Sollte nach drei Monaten kein
entsprechender Therapieerfolg erzielt
worden sein, muss ein Wechsel auf
einen anderen TNF-alpha-Blocker oder
auf ein anderes Wirkprinzip ins Auge
gefasst werden.
Momentan sind folgende Substanzen
auf dem Markt:
Etanercept: zur Behandlung von Morbus Bechterew, rheumatoider Arthritis,
Psoriasis-Arthritis, juveniler idiopathischer Arthritis. Anwendung: 2-mal
wöchentlich mit 25 mg oder 1-mal
wöchentlich 50 mg Dosierung subkutan
(in das Unterhautfettgewebe) injiziert.
Infliximab: zur Behandlung der
rheumatoiden Arthritis, der PsoriasisArthritis, von Morbus Crohn, Colitis
ulcerosa und Morbus Bechterew. Es
wird alle 4–8 Wochen eine Infusion
vom Arzt verabreicht. Dosierung: 3–5
mg/kg Körpergewicht.
Adalimumab: zur Behandlung von
rheumatoider Arthritis, Psoriasis,
Morbus Bechterew und Morbus Crohn;
Dosierung: 40 mg subkutane Injektion
oder Verabreichung mittels Pen alle 1–2
Wochen.
Am besten, Sie besuchen die Homepage und machen sich selbst ein Bild, wie informiert man als Betroffener oder auch als Angehöriger sein kann.
KAPITEL 6
berichtet, dass sich ihre Beschwerden
deutlich besserten – wobei auch hier
wieder der rechtzeitige Beginn der
Behandlung entscheidend für den Therapieerfolg ist.
Eine zweite Infusion erhält der Betroffene zwei Wochen danach, weitere Infusionen erfolgen meist in achtwöchigen
Abständen. In der Regel fallen sechs bis
acht Infusionen pro Jahr an.
Das Wirkprofil und die Verträglichkeit
sprechen mitunter dafür, dass Biologika
vielleicht schon bald noch früher zum
Einsatz kommen dürften. Dagegen sprechen momentan die enormen Kosten,
die durch die aufwendige Herstellung
der Substanz anfallen.
Die Wirkung tritt sehr rasch innerhalb
weniger Tage nach der ersten Infusion
ein. Schmerzen und die Morgensteifigkeit werden reduziert. Auch die Entzündungszeichen im Blut (CRP, Blutsenkung) bessern sich. Wesentlich ist es, die
Behandlung weiter fortzuführen, auch
wenn sich die Symptome verbessert haben, andernfalls kann sich die Krankheit
wieder verschlimmern.
Bei welchen Erkrankungen
kommen Biologika zum
Einsatz?
Rheumatoide Arthritis, Psoriasis,
Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew,
chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Regenbogenhautentzündung
und andere.
Basistherapeutika gibt es
in Form von Infusionen,
wo liegen die Vorteile?
Die Substanz Infliximab ist ein Trockenpulver, das unmittelbar vor der Verabreichung in einer Injektionslösung aufgelöst
und vom Facharzt verabreicht wird. Es
wird über eine Vene des Patienten über
einen Zeitraum von rund zwei Stunden
in der Praxis oder der Ambulanz verabreicht. Der Patient bleibt im Normalfall
noch rund eine Stunde danach sitzen,
sodass der behandelnde Arzt seinen
Allgemeinzustand überwachen kann.
52
Besonders vorteilhaft empfinden Patienten, dass sie sich um nichts kümmern
müssen. Das bedeutet, dass die Sorge um
die Lagerung der Substanz, wenn man
beispielsweise auf Urlaub fährt, wegfällt. Ebenso entfallen Umstände bei der
Selbstverabreichung.
TNF-alpha-Blocker sind
ebenso als Pen erhältlich:
Wie sind hier die Vorteile
gelagert?
Die Substanz Adalimumab ist der erste
vollständig humane monoklonale Antikörper gegen TNF-alpha. Das bedeutet,
dass die Substanz keine Anteile von
Maus-Eiweißen hat. Die Therapie mit
dieser Substanz kann als subkutane
Injektion (s.c.) mit einer Fertigspritze
erfolgen, das heißt unter die Haut ins
Fettgewebe gespritzt werden; oder seit
Jänner 2008 ist Adalimumab zusätzlich
auch als erster Wirkstoff dieser Klasse
in der Darreichungsform eines Pens in
Österreich am Markt erhältlich.
Die erste Verabreichung der Wirksubstanz sollte unter Anleitung des behandelnden Arztes erfolgen. Hat der Patient
genügend Sicherheit in der eigenständigen Anwendung erlangt, verabreicht
er sich den Wirkstoff zu Hause selbst.
Dies stellt einen wichtigen Vorteil für
viele Patienten dar, weil sie damit unabhängig vom Spital oder vom behandelnden Arzt (z.B: Urlaubsplanung etc.)
sind. Wesentlich ist es allerdings darauf
hinzuweisen, dass der Betroffene zu
Hause für eine entsprechende Kühlung
der Substanz im Kühlschrank (bei 4° C)
zu sorgen hat.
Der Pen ist vorgefüllt und zur einmaligen Anwendung vorgesehen. Er
wurde gemeinsam mit Patienten, die
an Rheuma erkrankt sind, entwickelt.
Man legte bei der Entwicklung Wert
darauf, dass den eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten, speziell jenen der
Handgelenke, Rechnung getragen wird.
Die Substanz kann als fertige Lösung in
dem vordosierten Pen mit inkludierter
Nadel ohne weitere Vorbereitungsmaßnahmen verabreicht werden.
Die Dosierungsempfehlung lautet:
40 mg pro Verabreichung, 2-mal pro
Monat. Daten aus einer Befragung bestätigen, dass der Großteil der Patienten die Form des Pens im Vergleich zu
der Injektion aufgrund der einfachen
Anwendung vorziehen.
Welche Bedeutung kommt
der B-Zellen-Therapie zu?
Es handelt sich hierbei um einen gänzlich neuartigen Therapieansatz. Im Gegensatz zu den TNF-alpha-Blockern,
wo man das Hauptaugenmerk auf die
Regulation von Zytokinen legt, richtet
sich die Aufmerksamkeit hier auf die
Bedeutung der B-Zelle. B-Zellen oder
B-Lymphozyten sind eine Unterklasse der weißen Blutkörperchen. Eine
wichtige Aufgabe der B-Zellen ist es,
Antikörper zu bilden. B-Zellen haben
darüber hinaus aber noch eine Reihe
weiterer wichtiger Aufgaben. Wenn
sie durch körperfremde Substanzen
aktiviert werden, spezialisieren sie sich
entweder zu Antikörper produzierenden Plasmazellen oder zu Gedächtniszellen. Bei rheumatoider Arthritis
werden sie zur Attacke gegen das
Gelenk auf den Plan gerufen.
Durch die Behandlung mit dem seit
2006 auf dem österreichischen Markt
für die rheumatiode Arthritis befindlichen Wirkstoff Rituximab werden
B-Zellen, die auf ihrer Oberfläche ein
spezielles Merkmal (CD20) tragen,
stark vermindert. Es kann die Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritis und die radiologisch nachweisbare Zerstörung des Knorpelgewebes
mindern.
53
KAPITEL 6
Rituximab wurde ursprünglich für die
Therapie von Erkrankungen des lymphatischen Systems entwickelt. Nach
der Infusion des Antikörpers kommt es
innerhalb von kurzer Zeit zu einer raschen und praktisch kompletten Beseitigung aller CD20-positiven B-Zellen
im Blut. Zellen wie zum Beispiel
Plasmazellen, die das Merkmal CD20
nicht tragen, werden nicht eliminiert,
wodurch ein Teil der körpereigenen
Abwehrkraft gut erhalten bleibt.
Die Wirkung dieser Substanz führt
innerhalb der ersten 24 Stunden zu
einem vollständigen Verschwinden
dieser speziellen B-Zellen. Zwei Infusionen werden in der Regel im Abstand
von 14 Tagen verabreicht – so sich keine Wirkung zeigt, kommt es zu keinem
weiteren Einsatz von Rituximab. Wenn
sich ein positiver Effekt der Therapie zeigt, hält dieser zwischen sechs
Monaten und einem Jahr an. Meist
wird es mit einem Basistherapeutikum
kombiniert.
Hemmung der T-Zellen
– warum das?
Als weitere Alternative für einen Rheumatologen und seine Patienten kann die
Therapie mit Abatacept, einem gentechnologisch hergestellten Entzündungshemmer in Kombination mit einem
Basistherapeutikum angeführt werden.
Diese Substanz ist zur Behandlung von
Patienten mit moderater bis schwerer
RA zugelassen, die unzureichend auf
54
eine Therapie mit Basistherapeutika und
mindestens einem TNF-alpha- Blocker
angesprochen oder diese nicht vertragen
haben.
Seine immunsuppresive Wirkung
kommt durch die Blockade der Aktivierung von T-Zellen zustande. Der
Wirkstoff hemmt die Aktivierung
von T-Lymphozyten und unterdrückt
dadurch die Entzündungsvorgänge.
T-Lymphozyten – oder kurz T-Zellen
– sind eine für die Immunabwehr
wichtige Gruppe, sie spielen bei der
Steuerung von Abwehrvorgängen des
Immunsystems eine wichtige Rolle.
die Aktivität von IL-6, einem anderen
wichtigen Auslöser des Entzündungsprozesses, unterdrückt.
Welche Kontrollen sind
bei einer Dauertherapie
wesentlich?
Diese Wirkungsweise reduziert die
Entzündung der Gelenke und lindert
die systemischen Symptome der rheumatoiden Arthritis. Diese Möglichkeit
wird neben der Hemmung der B-Zellen
und jener der T-Zellen ein weiteres
Standbein neben den TNF-alpha-Blockern in naher Zukunft darstellen.
Regelmäßig sollten folgende Werte
kontrolliert werden, damit Schäden, die
subjektiv nicht merkbar sind, rechtzeitig
erkannt werden: Blutbild, Leberwerte,
Nierenwerte, Blutgerinnung, Rheumafaktor, Harn. Einige Präparate oder
die Kombination mehrerer erfordert noch
zusätzliche Kontrolluntersuchungen.
Auch hier kann der Wirkeintritt der
Substanz erst nach drei bis sechs Monaten bei den Betroffenen festgestellt
werden.
Interleukin-6-RezeptorBlocker kommen vermutlich
ab 2009 auf den Markt – welchen Fortschritt bringen sie?
Nach und nach kommt die Forschung
immer mehr Faktoren auf die Spur,
die in dem entzündlichen Geschehen
eine Rolle spielen. So wird vielleicht
ab 2009 das erste Medikament einer
Arzneimittelklasse mit neuartigem
Wirkungsmechanismus auf den Markt
kommen.
Es handelt sich um einen humanisierten monoklonalen Antikörper gegen
den Interleukin-6-Rezeptor (IL-6), der
55
KAPITEL 7
Welche Operationsmethoden gibt es?
• Synovektomien (Entfernung der
entzündeten Gelenkschleimhaut)
• Korrekturoperationen bei Gelenkfehlstellungen oder bei Funktionseinschränkungen (präventive und
rekonstruktive Eingriffe)
• Gelenkersatz (Teil- oder Totalendoprothesen) und
• Arthrodesen, Spondylodesen (stabilisierende Versteifungsoperation)
Nicht medikamentöse Therapie
Rheumatische Erkrankungen: Wann ist eine Operation sinnvoll?
Eine Operation hat grundsätzlich den
Sinn, die Funktionsfähigkeit des Gelenks zu verbessern und Schmerzen zu
lindern. Sie wird in den meisten
Fällen dann durchgeführt, wenn
alle herkömmlichen Methoden (wie
physikalische Therapie, Medikamente, Hilfsmittel etc.) ausgeschöpft sind
und trotzdem anhaltende Schmerzen
in einem Gelenk bestehen. Wichtig
ist dabei festzuhalten, dass Operationen niemals als Ersatz oder an Stelle
einer medikamentösen Therapie und
hier insbesondere einer Basistherapie
gesehen werden dürfen, sondern erst
56
nach Ausschöpfung dieser zum Einsatz
kommen.
Operationen können eine vorbeugende
oder wiederherstellende Maßnahme
sein. Präventive, das heißt vorbeugende Eingriffe: Die Operation erfolgt
früh, wenn das Knorpelgewebe und die
Sehnen noch intakt sind, um irreversible Schäden an Gelenken und Sehnen
zu verhindern oder hinauszuzögern.
Die Funktion soll erhalten bleiben.
Rekonstruktive, das heißt wiederherstellende Eingriffe: Die geschädigte
Funktion von Gelenken soll wiederhergestellt und Schmerzen sollen reduziert werden.
Was ist eine Synovektomie?
Darunter versteht man die Entfernung
von entzündeter Gelenkinnenhaut.
Voraussetzung ist, dass die Gelenkflächen noch intakt sind. Mit Hilfe dieser
chirurgischen Behandlung kann das
Fortschreiten der Gelenkzerstörung
entscheidend verzögert und in manchen
Fällen zum Stillstand gebracht werden.
Durch die Möglichkeiten der so genannten Schlüssellochchirurgie mittels
Arthroskopie (Gelenkendoskopie) kann
der Eingriff vor allem am Knie oder an
der Schulter ohne große Schnitte erfolgen. Es wird das entzündliche Gewebe
im Gelenk mit Hilfe des Endoskops
entfernt, mit dem Ziel, das Fortschreiten
der Erkrankung zu verlangsamen und
Folgeschäden wie sekundäre Arthrosen
oder Fehlstellungen zu begrenzen.
Vor allem bei kleineren Gelenken, wie
den Hand- oder Fingergelenken, ist die
Arthroskopie oft jedoch nicht möglich,
weil Bänder oder Sehnen mitbehandelt
werden müssen. Dann kann lediglich
eine „offene“ Synovektomie erfolgen,
die größere Schnitte notwendig macht.
Nach dem Eingriff wächst die Gelenkinnenhaut (Synovia) innerhalb weniger
Wochen wieder nach. Synovektomien
können grundsätzlich an allen Gelenken
vorgenommen werden.
Worum handelt es sich bei
der Radiosynoviorthese?
Bei der Radiosynoviorthese wird eine
schwach radioaktiv strahlende Flüssigkeit in ein chronisch entzündetes
Gelenk injiziert. Dadurch verödet die
entzündete Gelenkinnenhaut oberflächlich. Diese Behandlungsform sollte
jedoch erst dann angewendet werden,
wenn die Basistherapie und Kortisongabe direkt ins Gelenk nicht ausreichend
wirksam waren.
Wann muss ein Gelenk
operativ ersetzt werden?
Ist ein bestimmtes Maß an Zerstörung
erreicht, bleibt nur noch der künstliche Gelenkersatz mit Materialien wie
Metall, Keramik, Polyäthylen oder
Silastik. Bei einer totalen Endoprothese
werden sowohl Gelenkkopf als auch
die Gelenkpfanne ersetzt, bei einer
Teilprothese nur der Gelenkkopf ohne
Gelenkpfanne. Die Eingriffe sind in fast
allen Gelenken möglich: etwa Schulter-,
Ellenbogen-, Hand-, Finger-, Hüft-,
Kniegelenke, oberes Sprunggelenk,
57
KAPITEL 7
Zehengelenke. Am häufigsten wird sie
beim Hüftgelenk durchgeführt.
Im Allgemeinen kann gesagt werden,
dass Kunstgelenke zu einem hohen Prozentsatz Schmerzfreiheit und annähernd
normale Beweglichkeit erwarten lassen
können.
Wie lange hält im Schnitt
ein künstliches Gelenk?
90 bis 95% der Implantate halten mindestens 15 Jahre lang, bei sehr aktiven
jüngeren Patienten kann es etwas kürzer
sein. Bestimmte Materialpaarungen
haben einen extrem niedrigen Abrieb,
wie z.B. Keramik-Keramik, womit auch
eine starke Belastung im Rahmen sportlicher Betätigung möglich wird.
Was versteht man unter einer Versteifungsoperation?
Eine operative Gelenkversteifung wird
beispielsweise bei einer sehr schweren
rheumatischen Erkrankung vorgenommen (oft bei kleineren Gelenken im Bereich der Fuß- und Wirbelgelenke) und
dient vor allem der Schmerzlinderung.
Die Bewegungsfähigkeit des Gelenks
wird unterbunden, die Knochenteile des
versteiften Gelenks wachsen zusammen.
Welche Operationsmöglichkeiten gibt es ...
... bei der rheumatoiden Arthritis?
Je nach Stadium wird die entzündlich
58
veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie),
zerstörte Sehnen wiederhergestellt, eine
Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) durchgeführt, eine Gelenkversteifung (Arthrodese) gemacht
oder ein künstliches Gelenk eingesetzt.
Künstliche Gelenke werden häufig im
Bereich der Hüfte, Knie und Schulter
eingesetzt, im Bereich des Ellbogens
oder Sprunggelenks eher seltener. Bei
kleineren Gelenken wird auch häufig
eine Versteifungsoperation durchgeführt.
Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis
kommt es häufig im Bereich des 2.
Halswirbelkörpers zu entzündlichen
Veränderungen, die im fortgeschrittenen
Stadium zu neurologischen Ausfällen führen können. Die beginnende
Schädigung des Rückenmarks zeigt sich
durch Hinterkopf-Nacken-Schmerzen,
eine Schwächung an den Extremitäten
und auch Unsicherheit beim Gehen.
Durch eine Versteifungsoperation kann
das Rückenmark geschützt und eine
weitere Schädigung verhindert werden.
Die Wahl des richtigen Operationszeitpunkts ist hierbei ganz entscheidend.
... bei Morbus Bechterew?
Im Vordergrund steht lebenslange
Gymnastik zur Kräftigung der Rückenstrecker. Wenn der Krankheitsverlauf
jedoch so stark fortschreitend ist und
die Krümmung der Wirbelsäule stark
zunimmt, sollte rechtzeitig eine Versteifungsoperation im Bereich der Wirbel-
säule durchgeführt werden: Schrauben
werden in die Wirbelkörper eingebracht
und untereinander mit Stäben verbunden, um eine Stabilisierung zu erzielen.
Diese Implantate sind nur vorübergehend als Stabilisatoren gedacht, bis eine
knöcherne „Brücke“ entsteht, die das
Fortschreiten der Erkrankung stoppt.
In einem sehr späten Stadium des Morbus Bechterew werden bei der Methode
der sehr aufwendigen Osteotomie die
Wirbelkörper getrennt, die aufgrund der
Erkrankung verwachsen sind. Die Wirbelsäule wird in der Achse korrigiert
und wieder aufgerichtet.
... bei der Psoriasis-Arthritis?
Je nach Stadium werden die entzündlich
veränderte Gelenkkapsel oder Sehnenscheide entfernt (Synovektomie),
zerstörte Sehnen wiederhergestellt, eine
Gelenkteilentfernung (Resektionsarthroplastik) durchgeführt, eine Gelenkversteifung (Arthrodese) gemacht oder
ein künstliches Gelenk eingesetzt.
... bei Arthrose und Abnützungserscheinungen?
Bei allen großen und mittleren Gelenken (wie Hüfte, Knie, Schulter) ist der
Gelenkersatz die erfolgreichste Therapieform, wenn
• trotz medikamentöser Behandlung
ständig Schmerzen vorhanden sind
und
• die Funktionalität des Gelenks stark
eingeschränkt ist.
Bei der Versorgung von Hüfte und
Knie sollte die Operation nicht zu
lange hinausgezögert werden, weil die
Muskulatur und andere Gelenke leiden.
Im Bereich des unteren Sprunggelenks
oder des Mittelfußgelenks sind nur
Versteifungsoperationen möglich.
Welche komplementärmedizinischen Maßnahmen
stehen bei Rheuma zur
Verfügung?
Manche Patienten sprechen auf die
Behandlung mit komplementären
Methoden sehr gut an, andere wieder
nicht. Diese Methoden sind im Einzelfall
einen Versuch wert, sollten aber immer
in Absprache mit dem behandelnden
Arzt durchgeführt werden. Wichtig ist
dabei festzuhalten, dass sämtliche komplementären Maßnahmen niemals als
Ersatz einer medikamentösen Therapie
und hier insbesondere einer Basistherapie gesehen werden dürfen, sondern
zusätzlich zu einer solchen Therapie zur
Anwendung kommen sollen. Darüber
hinaus dürfen diese Maßnahmen niemals
selbstständig als ein „Therapieversuch“
vor Begutachtung durch einen internistischen Rheumatologen erfolgen, da
dadurch wertvolle Zeit verloren gehen
kann, bis eine wirksame Basistherapie
begonnen wird.
Inwiefern kann Akupunktur
die Rheuma-Therapie
unterstützen?
Sie wird in erster Linie ergänzend
zur Schmerzlinderung eingesetzt. Bei
59
KAPITEL 7
der Akupunktur werden bestimmte
Schmerzpunkte am Körper mit Hilfe
von Akupunkturnadeln aktiviert. Diese
Punkte liegen auf bestimmten Linien
auf der Haut – so genannten Meridianen
– sie entfalten bei mechanischer Reizung bestimmte Wirkungen im Körper.
Mit Hilfe der Akupunktur werden dünne Nervenfasern im Muskel angesprochen, die Impulse zum Rückenmark leiten, wodurch in der Schmerzlinderung
zusammenwirkende Gehirnregionen
aktiviert werden. Bestimmte körpereigene Botenstoffe werden freigesetzt,
die Schmerzen unterdrücken, indem die
Weiterleitung blockiert wird. Manche
Patienten sprechen auf eine Therapie
mit Akupunktur gut an.
Wichtig zu wissen: Die Akupunktur
kann zwar chronische Schmerzen lindern, aber den Verlauf der Erkrankung
nicht beeinflussen.
Was versteht man in diesem
Zusammenhang unter der
Tuina-Technik?
Diese Behandlungsform gehört auch
zur Traditionellen Chinesischen
Medizin (TCM) und orientiert sich an
der Akupunktur. Grundlegend sind die
Energiepole Yin und Yang, die laut
TCM bei einem gesunden Menschen im
Gleichgewicht sind. Bei einer Krankheit allerdings ist dieses Gleichgewicht
gestört. Mit Tuina sollen Blockaden der
Meridiane (Energiebahnen im Körper,
60
durch welche Qui fließen soll) aufgelöst
und der Energiefluss gefördert werden.
Das Qui beinhaltet die körpereigene
Energie als Antriebskraft aller Vorgänge.
Bei der Behandlung werden teilweise
andere Meridiane berührt als bei der
Akupunktur. Wesentlichster Unterschied
ist aber, dass bei Tuina keine Nadeln
verwendet, sondern die Meridiane und
Akupunkturpunkte mittels spezieller
Grifftechniken behandelt werden.
Können Heilkräuter bei der
Behandlung von Rheuma
unterstützen?
Bestimmte Heilkräuter (z.B. Beinwell,
Brennnessel, Löwenzahn, Raute, Salbei,
Sauerdorn, Scharfgarbe, Wacholder,
Weide) können Beschwerden lindern. Die Heilkräuter werden auch in
Mischungen angeboten. Mit Hilfe von
Umschlägen und Auflagen wird bei
rheumatischen Erkrankungen versucht,
den Schmerz positiv zu beeinflussen.
Wann ist Homöopathie für
Patienten mit rheumatischen Erkrankungen
sinnvoll?
Das Erstgespräch über die Beschwerden des Rheumapatienten ist sehr
ausführlich, enthält auch Modalitäten
wie z.B. die Frage, ob bei Beschwerden
Kälte oder Wärme gut tut, Sitzen oder
Stehen den Schmerz beeinflussen, ob es
angenehm ist, nachts auf den schmerzhaften Stellen zu liegen oder nicht. Für
die Homöopathie liegt die Ursache von
Krankheiten in der Störung der „Lebenskraft“, also dessen, was uns am Leben hält. Wenn diese Störung behoben
werden kann, dann verschwindet auch
die Erkrankung. Homöopathie kann
nicht auf die Diagnose allein, sondern
immer nur sehr individuell auf den
einzelnen Menschen zugeschnitten sein.
Aus diesem Grund können auch keine
allgemein gültigen homöopathischen
Tropfen oder Globuli für rheumatische
Erkrankungen beschrieben werden. Wesentlich ist aber, dass nur durch aktive
Mitarbeit des Leidenden eine Genesung
möglich ist. Ärztlicher Rat kann nur
eine Begleitung sein, das Wichtigste ist
Achtsamkeit und Selbtsverantwortung.
Physikalische Maßnahmen,
Ergotherapie und Psychotherapie – wann sind sie
wichtig?
Physikalische Maßnahmen sind bei allen Erkrankungen des Bewegungs- und
Stützapparats und für den Erhalt der
Gelenkbeweglichkeit wichtig.
Zu den physikalischen Maßnahmen
zählen:
Homöopathie
behandelt keine
Krankheiten, sondern den kranken
Menschen!
• die Bewegungstherapie
• die Wärme- und Kältetherapie
• die Massage, manuelle und Reflextherapie
• die Elektrotherapie.
Warum ist Bewegung so
wichtig?
Mit Heilgymnastik kann eine Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit, eine
Kräftigung der Muskulatur sowie eine
Schmerzlinderung erreicht werden.
Vorsicht: Bei einem akuten Schub sollte die Heilgymnastik pausiert werden.
Wann kommt Wärme, wann
Kälte zur Anwendung?
Durch die Wärmetherapie sollen
Schmerzen gelindert und Muskeln entspannt werden. Warme Wickel, Bäder,
Moor-, Fango- oder Schlickpackungen,
Heusack- oder Paraffin als Wärmeträger
(oft bei Arthrose in den Finger- oder
Kniegelenken) sowie Bestrahlung mit
Infrarot-Lampen sind Möglichkeiten
der Wärmebehandlung.
Vorsicht: Bei akuten Entzündungen
soll Wärme nicht angewendet werden,
denn diese kann die Symptomatik der
Erkrankung verschlimmern.
Die Kältetherapie wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und bewegungsfördernd. Sie wird bei geschwollenen Gelenken, bei Schmerzen und
akuten Entzündungen angewandt. Die
61
KAPITEL 7
Techniken reichen von Eispackungen,
kalten Moorpackungen, Kryopacks und
Kältebädern (15° C) bis hin zu Ganzkörpertherapien in Kältekammern mit Temperaturen bis Minus 110 Grad Celsius.
Nicht angewandt werden darf die
Kältetherapie bei Fieber, Nieren- und
Blasenleiden, Kälteüberempfindlichkeiten sowie bei Gefäßentzündungen.
Was bringen Massagen?
Massagen entspannen verhärtete Muskulatur, was sich wiederum entlastend
auf die Gelenke auswirkt. Massagen
fördern die Durchblutung und regen den
Muskeltonus an. Wichtig ist, dass sie
vom Patienten als angenehm empfunden wird. Sie kommen vor allem im
Vorfeld der Heilgymnastik zum Einsatz,
wo es darum geht, den Körper aus dem
verspannten Zustand zu bringen.
Was ist Elektrotherapie?
Die Verfahren der Elektrotherapie
unterscheiden sich sowohl physikalisch
als auch biologisch voneinander. Sie
beinhalten die therapeutische Anwendung von elektrischem Strom in der
Medizin. Die Hochfrequenztherapie ist
eine reine Wärmetherapie mit großer
Tiefenwirkung. Sie ist eine Reiztherapie, wobei mittels spezieller Elektroden
hochfrequenter Strom mit sehr geringer
Leistung auf die Haut geleitet wird.
Für Patienten mit Prothesen im zu
behandelnden Gebiet oder Herzschrittmachern ist diese Form der Therapie
62
nicht geeignet. Die Niederfrequenztherapie arbeitet im Frequenzbereich
bis zu 1.000 Hz. Gleichstromverfahren
sind Galvanisation, Iontophorese oder
hydroelektrische Bäder. Sie dient der
Schmerzlinderung und der Durchblutungsförderung, Gegenanzeigen stellen
z.B. aktive Entzündungen oder Hautdefekte dar. Sie können zur Schmerzlinderung auch bei älteren Menschen
eingesetzt werden, weil sie Herz und
Kreislauf wenig belasten.
Was bietet die Ergotherapie
für Rheumapatienten?
Die Ergotherapie versucht, dem erkrankten Menschen die größtmögliche
Selbstständigkeit und Handlungsfreiheit
im Alltag zu ermöglichen, d.h. nach
oder während einer beeinträchtigenden
Erkrankung wiederherzustellen bzw. zu
erhalten. Die Ergotherapie bietet eine
Gelenkschutzinstruktion und Hilfsmittelberatung an. Gemeinsam mit dem
Betroffenen werden Hilfsmittel ausprobiert und gegebenenfalls angeschafft, die
Alltagsprobleme lösen helfen. Es wird
genau besprochen, wie z.B. der Arbeitsplatz gelenkschonend gestaltet wird oder
welche Übungen bei den Sportausübungen weniger belastend sind. Es gibt auch
spezielle orthopädische Hilfsmittel wie
die Versorgung des betroffenen Gelenks
mit Schienen, die helfen, den Alltag zu
besser zu meistern. Das Ziel ist mehr
Selbständigkeit im täglichen Leben,
weniger Schmerzen und eine Schonung
des betroffenen Gelenks.
Was bedeutet Gelenkschutz?
Gelenkschutz heißt nicht „NichtsTun“, sondern bedeutet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Ruhe und
Belastung. Gelenkschutz ist Prophylaxe. Die Gelenke sollten achsengerade belastet, das heißt nicht verdreht
werden, wie es z.B. beim Auswinden
eines Tuches passiert. Gelenke sollten
auch keiner Vibration ausgesetzt sein,
z.B. nicht mit dem Küchenmixer arbeiten oder zu viel am Traktor sitzen, der
(besonders ältere Modelle) starke Vibrationen erzeugen kann. Die Belastungen sollten auf so viele Gelenke wie
möglich verteilt werden, z.B. sollten
Lasten beidhändig getragen werden,
Trinkgefäße mit beiden Händen gehalten werden etc.
Welche Hilfen gibt es für
den Alltag?
Wenn alltägliche Tätigkeiten, wie das
Halten einer Kaffeeschale, das Schneiden von Brot oder das Zuknöpfen des
Hemdes unmöglich werden, gibt es
Hilfsmittel im gut sortierten Fachhandel.
Finger- und Handhalterungsschalen können ebenso helfen wie die so genannten
Knopfloch- und Schwanenhalsschiene.
Spezielle Messer (Griff ist 90 Grad von
der Klinge weg gebogen) und Flaschenöffner erweisen an Rheuma Erkrankten
hilfreiche Dienste. Ergonomische Tastaturen für den Computer ermöglichen es,
die Handgelenke in einer achsengeraden
Position zu lassen, es gibt eine Compu-
ter-Maus, die für die Handgelenke nicht
belastend ist. Auch Handstöcke und
Gehstützen können bei Schmerzen beim
Gehen entlastend wirken.
Welche Maßnahme wird
wo gesetzt?
Zur Schmerzbehandlung:
Thermotherapie, Elektrotherapie, Ultraschall, Massagen (allerdings je nach
Schmerzursache sehr unterschiedliche
Auswahl der Therapieverfahren)
Zur Entzündungshemmung:
Thermotherapie (Kälte bei akuten, Wärme
bei chronischen Entzündungen
Zur Behandlung von
Bewegungsstörungen:
Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie
Zur Muskelentspannung und
Verbesserung der Durchblutung:
Heilgymnastik, klassische Massage,
Wärmetherapie, Kältetherapie
Zur Muskelkräftigung:
Heilgymnastik, (Reizstromtherapie,
Elektrotherapie)
Zur Verhütung und Korrektur
von Fehlstellungen:
Heilgymnastik, Ergotherapie, Sporttherapie
63
KAPITEL 8
Es gilt als eines der sichersten Schmerzmittel in der Schwangerschaft.
Welchen Vorteil bietet
Paracetamol im Vergleich
zu anderen Wirkstoffen?
Anders als die NSAR, weist Paracetamol nicht das beschriebene
Nebenwirkungsprofil (Magen-DarmProblematik) auf. Wegen dieser guten
Verträglichkeit kann Paracetamol
auch bei Gelenkschmerzen, bei denen
eine Verordnung von NSAR unmöglich wäre, hier empfohlen werden.
Wirksamkeit und Verträglichkeit von
Paracetamol sind auch bei Kindern gut
dokumentiert.
Rezeptfreie Präparate
Die Darreichung in Form von Kapseln
wird von betroffenen Rheumapatienten
als angenehm, weil leicht zu schlucken,
beschrieben. Die Einzeldosierung
liegt zwischen 500 mg und 1000 mg,
Maximaldosis 4 Tabletten = 2 g. Auch
Paracetamol sollte in großen Mengen
nur nach Rücksprache mit dem Arzt
geschluckt werden, da es bei Überdosierung für die Leber schädlich sein
könnte. Mit dem Wirkeintritt ist nach
rund einer halben Stunde zu rechnen.
Anzeige
Selbstmedikation –
was heißt das genau?
Nicht selten wollen Patienten zusätzlich
zu den vom Arzt verordneten Präparaten selbst etwas dazu beitragen, um
ihren Gesundheitszustand zu verbessern. Hier steht der Patient aufgrund des
großen Angebots oft vor der „Qual der
Wahl“.
Grundsätzlich kann man rezeptfreie, also
nicht verschreibungspflichtige Präparate in der Apotheke erhalten. Sie sind
selbst zu bezahlen, und es obliegt der
Entscheidung des Patienten, den Nutzen
von diesen Produkten abzuwägen. Im
Anschluss kann nur ein Auszug der in
gut sortierten Apotheken erhältlichen
64
Präparate gemacht werden. Sinnvoll ist
es, sich hier vom geschulten Fachmann,
dem Apotheker beraten zu lassen.
Zusätzliche Schmerztherapie – wie sinnvoll?
Als Zusatztherapien im Sinne der
Selbstmedikation – das heißt Anwendung von rezeptfreien Präparaten – sind
Schmerzmittel, wie Paracetamol, gut
geeignet. Diese schmerzstillenden
Mittel (Analgetika) werden oft zusätzlich von den Patienten bei Bedarf nach
vorheriger Absprache mit dem Arzt
eingenommen. Sie haben keinerlei entzündungshemmende Wirkung, wirken
sich jedoch positiv auf die Schmerzsymptomatik aus.
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Promotion
Tipp von
Dr. med. Alfred Bartalsky,
med. Berater von Gebro Pharma
Unterstützung für Ihre Gelenke
Bei akuten und chronischen Gelenkerkrankungen – umgangssprachlich „Rheuma“ genannt – können
Wirkstoffe aus der Natur zusätzlich zur Therapie unterstützend eingesetzt werden. So wird z.B. aus der
neuseeländischen Grünlippmuschel ein hochwertiger Lipidextrakt gewonnen, der Gelenkentzündungen –
und damit die Beweglichkeit – positiv beeinflussen kann.
Hilfe aus der Natur
Bei entzündlich-rheumatischen Gelenkbeschwerden hat sich die Wirkstoffkombination aus Grünlippmuschel-Lipidextrakt und wertvollen Fischölen als hilfreich erwiesen. Sie kann die Beweglichkeit positiv beeinflussen und Schmerzen lindern. Auch die so genannte Morgensteifigkeit wird verringert.
Alpinamed® Mobilitätskapseln:
Präparate mit Grünlippmuschel-Lipidextrakt (z.B. Alpinamed® Mobilitätskapseln + Omega 3) können bei
entzündlichen Gelenkerkrankungen – zusätzlich zur Standardtherapie eingenommen – die Beweglichkeit
positiv beeinflussen und Schmerzen verringern. Wichtig ist die Einnahme über mindestens 4-6 Wochen.
Die Alpinamed® Mobilitätskapseln + Omega 3 sind gut verträglich und belasten den Magen nicht. Fragen
Sie Ihren Arzt!
Alpinamed® Aktivbalsam:
Zur Pflege und Entspannung Ihrer Gelenke
Wer noch mehr für seine Gelenke tun will, für den empfiehlt sich der Alpinamed® Aktivbalsam. Dieser
enthält ebenfalls Grünlippmuschel-Extrakt, zusätzlich Glukosaminglykane (GAG) sowie ätherische Öle.
Glykosaminglykane dienen vorwiegend dem Aufbau des Gelenkknorpels und des Bindegewebes. Aufgrund dieser Wirkstoffkombination kommt es zu einer erhöhten Elastizität der Gelenke. Der Knorpel in den
Gelenken wird wieder mit Nährstoffen versorgt. Für entspannende, erholsame Lockerungsmassagen. Bei
regelmäßiger Anwendung kann der Balsam die Gesunderhaltung der Beweglichkeit unterstützen.
Das Geheimnis der Grünlippmuschel
Alpinamed® Mobilitätskapseln + Omega 3 enthalten einen hochwertigen Lipidextrakt aus Grünlippmuscheln kombiniert mit wertvollem Fischöl. Die Grünlippmuschel kommt nur in den Küstengewässern
Neuseelands vor. Bei den dortigen Ureinwohnern, den Maoris, sind rheumatische Erkrankungen nahezu
unbekannt, allerdings nur, wenn sie in Küstennähe leben. Dort zählt nämlich die Grünlippmuschel schon
seit Jahrhunderten zu einem der wesentlichen Nahrungsbestandteile. Maoris im Binnenland dagegen
erkranken gleich häufig an Rheuma wie die europäischen Einwanderer. Diese Beobachtung hat dazu veranlasst, nach entzündungshemmenden Wirkstoffen in der Muschel zu suchen. Heute weiß man, dass die
spezielle Zusammensetzung der Lipide in der Grünlippmuschel für die positiven Wirkungen bei entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen verantwortlich ist. Diese Lipide hemmen bestimmte Prozesse, die
während der rheumatischen Entzündung ablaufen. So kommt es zu weniger Entzündungen und damit zu
weniger Schmerzen.
Die Kraft der Omega 3-Fettsäuren
Zusätzlich zum Grünlippmuschel-Lipidextrakt enthalten die Alpinamed® Mobilitätskapseln Omega 3-Fettsäuren aus hochwertigen Kaltwasserfischölen. Diese greifen u.a. regulierend in Entzündungsprozesse ein,
indem sie z.B. als Gegenspieler zur Arachidonsäure, die Entzündungsprozesse fördert, wirken. So können
sie z.B. bei entzündlich-rheumatischen Krankheiten unterstützend helfen und stellen damit eine ideale
Ergänzung zum Grünlippmuschel-Lipidextrakt dar.
Alpinamed® Mobilitätskapseln + Omega 3 können bei entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen als
diätetische Behandlung – zusätzlich zur medizinischen Standardtherapie – eingesetzt werden.
Mehr Infos auf www.alpinamed.at und in Ihrer Apotheke!
KAPITEL 8
Was können Hagebutten gegen Schmerzen bewirken?
Das Hagebuttenpulver kann geringfügig in die entzündlichen Prozesse bei
Gelenkbeschwerden eingreifen. Es soll
verhindert werden, dass fehlgeleitete
weiße Blutkörperchen in das Entzündungsgebiet einwandern, um dort das
Knorpelgewebe zu schädigen, und dass
freie Radikale gebildet werden.
Eine Doppelblindstudie aus Dänemark
mit Hagebuttenpulver brachte folgende Ergebnisse: Die Gelenkschmerzen
konnten reduziert werden, die Beweglichkeit nahm zu. Der Schmerzmit-
telverbrauch wurde in dieser Studie
deutlich gesenkt (siehe dazu auch: Rein
et al.; Phytomed 2004). Große Studienergebnisse liegen allerdings nicht vor.
Was können Lachsöl und
Präparate mit Omega-3Fettsäuren?
Lachsöl gilt als Nahrungsergänzungsmittel und ist in der Apotheke in Form
von Kapseln erhältlich. Sie führen dem
Körper bestimmte Nähr- oder Wirkstoffe zu. Diese Substanz hat einen hohen
Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und soll
einen positiven Einfluss auf Entzündungsprozesse haben.
Was bedeutet orthomolekulare Medizin?
Orthomolekulare Medizin (Bedeutung
griechisch: ortho: richtig/gut; molekular: aus Bausteinen) beinhaltet die
Erhaltung von Gesundheit und Behandlung von Krankheiten durch Veränderung der Konzentration einzelner
Substanzen. Sie nutzt ausschließlich
Mikronährstoffe (wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente), die
sowohl in der Nahrung, als auch im
Körper selbst vorkommen. Aufgrund
von gewissen Faktoren (Alter, Gesundheitszustand, Ernährungsgewohnheiten) kann sich dieser Bedarf allerdings
individuell steigern bzw. ändern.
Promotion
Ausgangspunkt für die Überlegungen
der orthomolekularen Medizin ist die
Hypothese, dass es heutzutage nur sehr
schwer möglich sei, mittels ausgewogener Ernährung ausreichend mit Mikronährstoffen versorgt zu werden. Die
orthomolekulare Medizin bietet speziell
für diese postulierten individuellen
Ansprüche Lösungen an. Im Wesentlichen kommt es auf die ausgewogene
Kombination und die richtige Dosierung an. So können beispielsweise
bei arthrotisch veränderten Gelenken
hypothetische Knorpelschutzstoffe in
einer Kapsel-Granulat-Kombination
zum Einsatz gebracht werden. Große
Studien mit harten Endpunkten liegen
nicht vor.
Orthomol Arthro®
Innovative Ernährungstherapie bei Arthrose
• Besserung des Beschwerdebildes*
• Schmerz- und Symptomlinderung*
• Verbesserung der Lebensqualität*
• Einsparung von Schmerzmitteln*
Die Tagesportion besteht aus einem Granulat
mit Chondroprotektiva (Glucosaminsulfat, Chondroitinsulfat, Kollagenhydrolysat)
und Mikronährstoffen (wie Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, sekundären Pflanzenstoffen) und zwei Omega-3-Fettsäure Kapseln.
*Verlaufdokumentation zur nutritiven Arthrosetherapie mit Orthomol Arthro 2007, Beobachtungszeitruam 4 Monate
68
www.orthomol.at
KAPITEL 9
interpretiert und wie reagiert wird. Eine
entsprechende Schmerzreaktion erfolgt
innerhalb weniger Sekundenbruchteile. Es werden Botenstoffe wie zum
Beispiel Endorphine zur Regulation
ausgeschüttet. Diese körpereigene Substanz ähnelt dem stark schmerzlindernden Wirkstoff Morphin. Die Endorphine
dämpfen die Intensität der Schmerzen.
Aktiv gegen Schmerz
Wie entsteht Schmerz, und
welchen Sinn hat er?
Schmerz ist das Alarmsystem des Körpers, welches signalisiert, dass etwas
nicht in Ordnung ist. Von der Entwicklung her gesehen eine durchaus sinnvolle Einrichtung, da es den Menschen
dazu bringt, eine schützende Reaktion
zu veranlassen.
Schmerzen haben meist einen nachweisbaren Anlass, bei den entzündlichrheumatischen Erkrankungen (rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew
und Psoriasis-Arthritis) ist es die
Entzündung per se. Bei der Arthrose –
der degenerativen Gelenkerkrankung
– sind es eher mechanische Gründe
70
(abgenützte Gelenkflächen, Muskelverspannungen, jahrelange Fehlhaltung, Übergewicht, sportliche massive
Überbelastung, aber auch Muskelrückbildung infolge fehlender körperlicher
Aktivität), die zu einer Schmerzentwicklung führen können.
Vom Entstehungsort werden die
Schmerzreize als elektrische Impulse
über einen Nerv zum Rückenmark geleitet. Dort bewegen sie sich entlang der
Rückenmarksnervenbahnen im Wirbelkanal ins Gehirn. Erst im Gehirn wird
die schmerzende Stelle lokalisiert und
der Schmerz an sich „bewertet“. Das
Gehirn beispielsweise vergleicht sie
mit früheren schmerzhaften Erfahrungen und bestimmt so, wie der Schmerz
1. Schmerz ist nicht gleich Schmerz. Jeder
Mensch empfindet den Schmerz anlagebedingt unterschiedlich stark, und der
Schmerz kann beim Einzelnen auch von
Tag zu Tag variieren.
2. Schmerz kann man nicht sehen, daher
ist es wichtig, ihn auszudrücken, weil
das Umfeld nicht einschätzen kann, wie
es dem Betroffenen gerade geht.
3. Manche Menschen haben eine erniedrigte Schmerzschwelle, sodass sie häufiger und intensivere Schmerzen empfinden als andere Personen.
Wie kann man Schmerzen
beschreiben?
Schmerzen können:
1. stechen, klopfen, brennen, einschießen, bohren, ziehen oder auch
dumpf sein,
2. immer an derselben Stelle auftreten
oder schwer zu lokalisieren sein.
3. zu einer gewissen Tageszeit,
4. unter Einfluss gewisser Faktoren
wie Wetter, Stress, Belastung,
5. bei Bewegung oder in Ruhe,
6. periodisch oder länger anhaltend
auftreten.
Schmerzen können als massiv beeinträchtigend empfunden oder akzeptiert
werden.
Schmerzgedächtnis – was
heißt das?
Länger andauernde (chronische)
Schmerzen können Spuren in den
Nervenbahnen, im Gehirn und Rückenmark hinterlassen. Die sensiblen
Nervenzellen sind genauso lernfähig
wie das Großhirn. Wenn sie immer wieder Schmerzimpulsen ausgesetzt sind,
verändern sie ihre Aktivität. Mitunter
reicht schon ein leichter, sensibler Reiz,
wie eine Berührung, Wärme oder Dehnung aus, um als Schmerzimpuls registriert und als unangenehm empfunden zu werden. Es erreicht das Gehirn
die Meldung „Schmerz“ und veranlasst
eine Schmerzreaktion, obwohl der Reiz
an sich harmlos war. Der chronische
Schmerz schützt den Körper somit
nicht, sondern meldet wie eine steckengebliebene Klingel keine wirkliche
Gefahr. Das Schmerzgedächtnis erklärt
die Chronifizierung, also das langfristige Wiederauftreten der starken
Schmerzempfindung bei nur minimalen
71
KAPITEL 9
Auslösern. Das zermürbt die Betroffenen physisch und psychisch.
Um der Gefahr der Chronifizierung der
Schmerzen entgegenzuwirken, ist es
sinnvoll, wiederholte bzw. chronische
Schmerzimpulse frühzeitig effektiv zu
behandeln. Solche Strategien können
sein: Entspannungsübungen (z.B.
Jacobson Entspannung), medikamentöse Therapien, Psychotherapie.
Was hat Schmerz mit der
persönlichen Einstellung
und Angst zu tun?
72
Es stellt sich in diesem Zusammenhang
dann die Frage des Schmerzmanagements: „Wie gehe ich mit der Angst
um?“. Die richtige persönliche Strategie
zur Schmerzbewältigung zu finden ist
nicht immer leicht; scheitern die Bemühungen für eine zufrieden stellende
Schmerzkontrolle, kann es auch zu
kontraproduktivem Verhalten, wie körperlicher Inaktivität oder übermäßigem
Alkoholkonsum kommen.
Wie werde ich mein eigener
Schmerzmanager?
Die Schmerzempfindung kann sehr
anschaulich am Beispiel der Fakire oder
auch Feuertänzer dargestellt werden.
Die Einstellung zum Schmerz kann die
Schmerzschwelle deutlich herabsetzen.
„Managen“ heißt führen bzw. leiten.
Wenn man also vom eigenen Schmerzmanager spricht, bedeutet das für den
Betroffenen, er übernimmt für seinen
Schmerz die Verantwortung, wird aber
auch geführt.
Es wurde weiters erwiesen, dass das
Schmerzempfinden besonders stark
von Angstgefühlen beeinflusst wird.
Gerade bei rheumatischen Erkrankungen treten eine Vielzahl von Ängsten
kurz nach der Diagnoseerstellung auf.
Fragen wie “Werde ich nun mein Leben
lang als behindert gelten und auch so
behandelt werden?“ sind sehr belastend
und angstbesetzt. Angst im Sinne von
Befürchtungen kann die Wahrnehmung
eines Schmerzreizes deutlich verstärken. Noch schwieriger für die Betroffenen einzuordnen ist die Angst vor
dem Schmerz an sich, der diesen damit
wieder verstärkt. Der Beginn eines
Teufelskreises.
Folgende Tipps sollen helfen:
1. Sprechen Sie über Ihre Ängste!
Es ist nur natürlich, dass im Anfangsstadium viele Sorgen ungeklärt sind; sprechen Sie mit Menschen, bei denen Sie sich verstanden fühlen.
2. Überspielen Sie den Schmerz nicht.
Für andere ist Ihr Schmerz äußerlich oft nicht ersichtlich.
3. Halten Sie fest, was Ihre Schmerzen lindert, das kann Ihnen in
„Durststrecken“ wieder weiterhelfen.
4. Werden Sie körperlich aktiv und
ziehen Sie sich nicht zurück.
5. Finden Sie Ihre Balance; zu starke
seelische wie körperliche Belastung
ist ebenso nachteilig wie Langeweile und Untätigkeit.
6. Suchen Sie Gleichgesinnte. Das
Aufsuchen von Selbsthilfegruppen
kann gerade zu Beginn die Rat- und
Hilflosigkeit durchbrechen.
7. Seien Sie nicht enttäuscht, wenn
Rückschläge auftreten.
8. Den Fokus sollten Sie auf positive
Verstärkung legen, „Ich war heute
sehr tüchtig, dass ich mich überwunden habe zu turnen.“
9. Versuchen Sie sich so gut es geht
vom Schmerz abzulenken, z.B.
Freunde besuchen, Theaterbesuch, Kabarett – denn wie es so
schön heißt: „Lachen macht gesund“!
WHO Stufenplan für
Schmerztherapie:
Nach den heutigen Standards wird die
medikamentöse Schmerzbehandlung
von chronischen Schmerzen nach den –
allerdings für die Therapie von Tumorschmerzen aufgestellten – Regeln der
Weltgesundheitsorganisation (WHO)
durchgeführt.
Wichtiger Punkt zu Beginn ist eine differenzierte Schmerzdiagnostik. Der oralen Applikation (Einnahme durch den
Mund) der Medikamente ist der Vorzug
zu geben. Als Basistherapie (Stufe 1)
werden nichtopioide Analgetika (reine
Schmerzmittel, wie z.B. Paracetamol,
NSAR) verwendet. Wenn diese Medikation nicht ausreicht oder nicht vertra-
gen wird, erfolgt eine Kombination mit
schwach wirksamen Opioiden (Stufe 2).
Erst nach Ausschöpfung dieser Möglichkeit kommen starke Opioide zum
Einsatz (Stufe 3).
(Siehe Kapitel 6).
Schmerzmanagementplan
Medikamentöse Therapie:
Welche Medikamente nehme ich,
zu welcher Zeit,
unter welchen Umständen,
in welcher Dosierung ein?
Übungen:
Welche Turn-, Entspannungsübungen
praktiziere ich,
zu welcher Tageszeit,
wie oft in der Woche?
Andere Gewohnheiten:
Was tut mir sonst gut, wenn ich Schmerzen habe (z.B. Freunde anrufen, spazieren
gehen, etc.)?
73
KAPITEL 10
Bewegung und Ernährung
bei Rheuma
Bewegen, ohne allzu sehr
zu belasten – geht das?
Regelmäßige Bewegung ist gerade bei
Rheumatikern ein entscheidender Faktor im Kampf gegen Schmerzen und die
Steifigkeit der Gelenke. Es kommt nicht
darauf an, sportliche Höchstleistungen
zu erzielen, sondern die Muskulatur auf
schonende Weise zu kräftigen. Vor jeder
Sportausübung sollte aber Rücksprache
mit dem Arzt gehalten werden.
Was kann man Grundsätzliches zu „Sport bei Rheuma“ sagen?
Jede körperliche Bewegung kann die
Gelenkschmerzen lindern, die Beweg74
lichkeit fördern und die Muskelkraft
erhöhen. Außerdem hilft jegliche körperliche Betätigung beim Abnehmen,
denn bedenken Sie: Jedes Kilogramm
Übergewicht belastet Ihre Gelenke
unnötig und verschlimmert Ihre Beschwerden! Neben der medikamentösen
Therapie gelten Krankengymnastik (als
Trockentherapie oder im Bewegungsbad), Ergotherapie und die physikalische Therapie (Wärme, Kälte, Massagen, Elektrotherapie) als die wichtigsten
Elemente der Rheumabehandlung.
Man hört, dass richtiges
Krafttraining gesund ist.
Muss ich wegen meines
Rheumas darauf
verzichten?
Nein, ganz und gar nicht! Im Gegenteil: Krafttraining ist das Pendant zu
Ausdauertraining und zielt darauf ab,
das Organ „Muskel“ gesund zu erhalten. Es gilt als erwiesen, dass Krafttraining das Muskel- und Skelettsystem
stärkt und dessen Funktionszustand
nachhaltig verbessern kann. Gerade
bei einer rheumatischen Erkrankung
kommt einem gesunden Muskelsystem eine sehr bedeutende Rolle zu:
Die Aktivitäten des täglichen Lebens
werden Ihnen dadurch leichter fallen,
und das Verletzungsrisiko wird durch
funktionales Krafttraining – Stichwort Sturzprophylaxe – auch deutlich
gesenkt. Eine finnische Studie, die an
70 Patienten über einen Zeitraum von
zwei Jahren durchgeführt wurde, kam
zu dem Ergebnis, dass ein wohldosiertes unter fachkundiger Anleitung ausgeführtes Krafttraining auf
Schmerzempfinden, Knorpelabbau und
Entzündungsintensität einen positiven
Effekt erzielt. Die Schmerzen jener
Patienten, die ein regelmäßiges Krafttraining absolvierten, gingen um 67
Prozent, die Entzündungsintensität und
der Knorpelabbau um je ca. 50 Prozent
zurück. Als die Patienten der aktiven
Gruppe nach zwei bzw. nach fünf Jahren nochmals getestet wurden, hatten
diese deutlich weniger Schmerzen, und
es war ihnen eine höhere Geschwindigkeit beim Treppensteigen möglich.
Als effizienteste Trainingsmethode hat
sich Krafttraining mit zusätzlichen Gewichten, also mit freien Hanteln oder
mit Kraftmaschinen bewährt.
Tipps und Tricks fürs
Krafttraining:
• Trainieren Sie die großen Muskelpartien
des Körpers, wie Beine, Brust, Rücken
und Schultern. Wählen Sie dazu anfangs
leichte Hanteln, Gymnastikstäbe, Gummibänder (Theraband®) oder Expander
und machen Sie Liegestütze und Halteübungen für Schultern, Arme und Beine.
• Vermeiden Sie „Über-Kopf-Übungen“,
also Übungen, bei denen Sie Gewichte
höher als über die Schulter heben.
• Absolvieren Sie das Krafttraining zunächst nur ein- bis zweimal die Woche.
Später können Sie auf dreimal die Woche
steigern, jedoch nicht an zwei aufeinander folgenden Tagen.
• Ruhig und kontrolliert trainieren! Konzentrieren Sie sich auf den beanspruchten Muskel, und vermeiden Sie dabei
Ablenkung (Radio, TV, Plauderei).
• Überfordern Sie sich nicht! Beginnen Sie
mit leichten Gewichten – 0,5 kg bis max.
2,5 kg in Abhängigkeit von der jeweiligen
Übung – steigern Sie das Gewicht dann
langsam. Speziell für Männer: Hier gilt
nicht das Prinzip „je mehr, umso besser!“.
• Pro Übung sollten Sie zwei bis drei Sätze
mit jeweils 10 bis 15 Wiederholungen
anstreben.
75
KAPITEL 10
Gibt es denn keine
„sanften“ Alternativen zu
Krafttraining?
Die Feldenkrais-Methode ist eine
Bewegungslernmethode, bei der im
Mittelpunkt die individuelle Verbesserung der Bewegungsqualität und der
persönlichen Bewegungslernprozesse
steht.
Pilates ist ein sanftes, aber sehr effizientes Training, das den ganzen Körper
beansprucht. Die Muskeln werden so
trainiert, dass aus den durch Rheuma
geplagten Muskelknoten lang gestreckte, geschmeidige Muskelstränge
werden.
Was mache ich, wenn die
Schmerzen eine Sportausübung unmöglich machen?
Wenn Sie vor Rheumaschmerzen kaum
die Treppe hinaufkommen, werden Sie
sich wahrscheinlich kaum vorstellen
können, Sport zu betreiben. Doch es
bieten sich eine Vielzahl von Sportarten
für einen Einstieg an, und so können
auch ältere Menschen und Ungeübte
das Bewegungsprogramm finden, das
ihrem Körper gut tut und gleichzeitig
Spaß macht! Viele Rheumakranke berichten auch davon, dass nur die ersten
paar Schritte (Walking, Jogging) oder
Schläge (Tennis, Tischtennis, Golf) sehr
unangenehm bis schmerzhaft sind, diese
aber nach einer kurzen „Warmlaufphase“ wieder verschwinden.
76
Heißt das, dass Ball- und
Mannschaftssportarten für
Rheumakranke gar nicht
verboten sind?
Alle Sportarten, bei denen die Akteure
heftigen Belastungen der Gelenke durch
Stöße ausgesetzt sind, sind für Rheumakranke nur sehr bedingt empfehlenswert
(Basket-, Volleyball). Jedoch gibt es hier
keine generellen Richtlinien. Finden Sie
für sich persönlich heraus, welche Sportart Ihnen liegt oder die Sie schon vor der
Erkrankung ausgeübt haben, und besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob und welche
Gefahren für Sie bestehen könnten.
Welche Sportarten sind für
die Gelenke nicht allzu
belastend?
Als geeignete Sportarten etwa bei Arthosen der Hüft-, Knie- oder Sprunggelenke gelten Rad fahren, Schwimmen,
Aqua-Gymnasik und (Nordic) Walking.
Beim Rad fahren sollte man aber starke
Steigungen wegen des erhöhten Drucks
auf das Knie- oder Hüftgelenk meiden.
Viele Rheumatiker führen Gymnastikübungen auch gerne in der Gruppe
durch, da man hilfreiche Bewegungsabläufe genau einlernt, Fehlhaltungen
werden korrigiert.
Ernährung bei Rheuma:
Was soll auf den Teller?
Die Frage nach der richtigen Ernährung bei rheumatischen Erkrankungen,
oder wie man mit einer entsprechenden
Kostform oder Nahrungsergänzungsmitteln (in Pillen- oder Kapselform)
Einfluss auf Rheuma nehmen kann,
wird seit Jahren kontroversiell diskutiert.
Es ist wichtig zu wissen, dass verschiedene Studien teilweise uneinheitliche
Ergebnisse erbracht haben. Mit einer
„normalen“ ausgewogenen Ernährung
werden üblicherweise ausreichend Vitamine und Spurenelemente aufgenommen. Somit soll eine Einnahme dieser
Stoffe in Pillen oder Kapselform nur
nach Rücksprache mit dem Arzt erfolgen. Ebenso kann mit einer Ernährungsumstellung niemals eine rheumatische
Erkrankung „geheilt“ werden (Ausnahme Gicht), und diese ersetzt somit niemals z.B. eine Basistherapie. In der auf
strengen Qualitätskriterien basierenden
Evidenz-basierten Medizin können milde, aber unumstrittene Vorteile nur für
die Nahrungsergänzung mit Omega-3Fettsäuren (Fischöl-Kapseln) gefunden
werden. Für Vermeidungsdiäten oder
Zufuhr an Vitaminen, Mineralien und
Antioxidantien ist die Wirksamkeit bei
rheumatischen Krankheiten nicht einheitlich bewiesen. Unumstritten ist die
Notwendigkeit der Kalziumzufuhr zur
Vorbeugung des Knochenschwundes.
Vitamin-D- und kalziumreiche Ernährung beugt Osteoporose vor.
Die gängige Praxis der Diätberatung
folgt der Theorie, dass bestimmte Inhaltsstoffe in Lebensmitteln Entzündun-
gen fördern bzw. hemmen können und
so die Beschwerden lindern.
So sollen Rheumakranke Wert auf eine
Kost legen, die arm an Arachidonsäure
und reich an Omega-3-Fettsäuren bzw.
Linolsäure ist. Arachidonsäure wird
vom Körper selbst hergestellt bzw. ist
in vorwiegend tierischen Produkten
enthalten. Aus Arachidonsäure bildet
der Körper u.a. Entzündungsbotenstoffe
wie z.B. die Prostaglandine, sie sind
wichtige Auslöser von entzündlichen
Reaktionen. Arachidonsäure findet
sich besonders häufig in Fleisch- und
Wurstprodukten. Besonders hoch ist ihr
Anteil in Schweineschmalz (1.700 mg
pro 100 g), Schweineleber (870 mg pro
100 g), Eigelb (297 mg pro 100 g) und
Leberwurst (230 mg pro 100 g). Werden Lebensmittel mit Arachidonsäure
gemieden – also die Zufuhr auf weniger
als 50 mg pro Tag gedrosselt – so steht
dem Körper weniger für die Produktion
von entzündungsfördernden Prostaglandinen zur Verfügung. Dadurch
soll es bei Patienten mit rheumatoiden
Arthritis, aber auch bei Herz- und
Lungenkrankheiten zu einer Verbesserung des Krankheitsbildes kommen. Es
wurde postuliert, dass in Ländern, die
einen höheren Fleischverzehr aufweisen, mehr Menschen an rheumatischen
Erkrankungen leiden als etwa in Japan
oder bei den Eskimos, die sehr viel
Fisch essen.
Als einziges gesichert empfehlenswert
ist die regelmäßige Aufnahme von
77
KAPITEL 10
Omega-3-Fettsäuren durch Fischöle,
Kaltwasserfische wie Lachs, Makrele,
Hering etc. An Omega-3-Fettsäure
reiche Lebensmittel senken den Arachidonsäurespiegel im Blut und hemmen
so die Bildung von Prostagladinen.
Ebenfalls empfehlenswert ist die AlphaLinolensäure, die sich in Lein-, Raps-,
Walnuss- und Sojaöl findet.
Einige Untersuchungen haben postuliert,
dass Patienten mit entzündlichen rheumatischen Erkrankungen einen Mangel
an den Vitaminen A, C und E (so genannten Antioxidantien) aufweisen und
dass Vitamin E besonders im entzündeten Gelenk stark vermindert ist.
Antioxidantien werden umgangssprachlich auch als „Radikalfänger“ bezeichnet. Sie binden schädliche Stoffe – so
genannte freie Radikale im Stoffwechsel – und machen sie dadurch unschädlich. Zu den klassischen Antioxidantien
zählen Vitamin C, E, Beta-Carotin,
das im Körper in Vitamin A umgewandelt wird, und Selen. Bei entzündlichen
Prozessen im Körper soll der Bedarf an
Selen höher sein. Zusätzlich sind Kupfer, Mangan und Zink an schützenden, im Körper produzierten Enzymen
beteiligt.
Obst und Gemüse enthalten wichtige
Antioxidantien. Aufgrund des hohen
Gehaltes an Carotinoiden sind dunkelgrüne, rote und orangefarbige Früchte
besonders günstig. Vollkorngetreide,
Nüsse, Weizenkeime, Sonnenblumen78
kerne und pflanzliche Öle liefern viel
Vitamin E und Selen.
Reichlich Vitamin C enthalten frische
Kräuter, Zitrusfrüchte, Kiwis, schwarze
Johannisbeeren, Erdbeeren, Sanddorn,
aber auch verschiedene Gemüsesorten
wie Paprika, Kohl oder Tomaten.
Beta-Carotin, das im Körper in Vitamin A umgewandelt wird, findet sich
ebenfalls in verschiedenen Obst- und
Gemüsesorten wie Marillen, Pfirsichen,
Tomaten, Paprika, Brokkoli, Karfiol,
Grünkohl, Spinat und Karotten.
Was kann ich sonst noch
tun?
• Übergewicht abbauen: Jedes
Kilogramm Gewichtsabnahme bringt
besonders bei Menschen mit Arthrose Entlastung für Knorpel und Bänder, Kniegelenke, Hüfte und Wirbelsäule. Zu empfehlen ist hier eine
energiereduzierte Mischkost, bei der
nicht weniger als 1.500 kcal (Männer) oder 1.200 kcal (Frauen) pro Tag
zugeführt werden.
• Fasten bewirkt bei Patienten mit
rheumatoider Arthritis oft eine
Besserung der Beschwerden, allerdings ist die Wirkung nur von kurzer
Dauer. Längere Fastenkuren sollten
daher nur mit ärztlicher Hilfe durchgeführt werden, da die Gefahr einer
mangelhaften Ernährung sonst zu
groß ist.
• Menschen mit Gicht können ein
Übermaß an Harnsäure schlechter
über die Niere ausscheiden. Harnsäure entsteht im Körper beim
Abbau bestimmter Zellbestandteile,
der so genannten Purine. Bei hohen
Konzentrationen von Harnsäure im
Blut lagert sie sich in Form von
Kristallen insbesondere in Gelenken
ab und führt zu schmerzhaften Entzündungsattacken.
Purine werden neben der körpereigenen Produktion auch mit bestimmten Nahrungsmitteln zugeführt. Dazu gehören vor allem Innereien, Wurst, Fleisch, Grammeln,
aber auch ein Übermaß an Hülsenfrüchten, Kakao, Nüssen oder Bier
wäre ungünstig.
Die empfohlene Kost bei Gicht:
viel frisches Obst, Gemüse und
Salat, mehr Vollkornprodukte, wenig
Fleisch, Fett, Zucker und Alkohol,
Gichtkranke sollten auch Übergewicht reduzieren. Gichtpatienten
sollen unbedingt an einer professionellen Beratung durch DiätologInnen teilnehmen.
• Rauchen und auch Stress verschlechtern immunologisch bedingte
Erkrankungen. Raucher leiden doppelt so häufig an rheumatoider Arthritis als Nichtraucher.
• Alkohol in größeren Mengen meiden.
• Vorbeugung von Osteoporose: Die
Osteoporose (Knochenschwund)
ist eine eigenständige Erkrankung,
aber sie kann durch eine rheumatische Erkrankung entstehen. Die
Gründe sind Entzündungen, bestimmte Medikamente und Bewe-
gungseinschränkungen. Um die
Knochen zu stärken, sollten Sie
auf die Zufuhr von Kalzium achten
(1 Gramm pro Tag) und Bewegung
an der frischen Luft, damit der
Körper Vitamin D bilden kann. Vitamin D fördert den Kalziumeinbau in
die Knochen.
Die besten Kalziumquellen sind
fettarme Milchprodukte, Kohlgemüse, Broccoli, Kohlrabi, Lauch, Fenchel, Sellerie, Löwenzahn, kalziumangereicherte Mineralwässer.
Man soll 1.000 mg Kalzium
pro Tag essen (= 1 Gramm)
Was enthält wie viel?
• ¼ Liter Milch/Buttermilch/Joghurt:
300 mg
• 5 dag Käse je nach Fett:
300–500 mg
• 10 dag gekochte Broccoli oder Spinat:
100–150 mg
In 100 ml Milch oder Joghurt sind gleich
viel Kalzium enthalten wie in 30 g Weichkäse oder 15 g Hartkäse
Gibt es so etwas wie Ernährungsregeln bei Rheuma?
• Abwechslungsreiche Kost mit
Schwerpunkt auf pflanzlichen Lebensmitteln – reich an Gemüse, Obst
und Vollkorn-Getreide-Produkte
• Wenig (mageres) Fleisch – nur noch
79
KAPITEL 10
maximal 2-mal pro Woche (dies
enthält viel Arachidonsäure).
• Keine Innereien (Hirn, Leber, Blutwurst, Niere)
• meiden von Wurstwaren
• viel Kaltwasserfisch, mindestens
2-mal pro Woche (hoher Anteil an
Omega-3-Fettsäuren)
• Verwendung hochwertiger Pflanzenöle wie Walnussöl, Leinöl, Rapsöl, Sojaöl (diese enthalten keine
Arachidonsäure und haben eine hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren
und Vitamin E)
• Milch- und Milchprodukte sind von
großer Bedeutung (Osteoporoseprophylaxe!); sie sollten täglich auf
dem Speiseplan stehen und enthalten
in fettreduzierter Form kaum bzw.
keine Arachidonsäure
• Sojaprodukte: Sie sind ein hochwertiges pflanzliches Eiweiß, enthalten keine Arachidonsäure und sind
reich an Linol- und Linolensäure,
wichtige Vitamin-E-Lieferanten!
• Wenig Alkohol (Alkohol fördert die
Bildung von Oxidantien), wenig
Zucker
• Ausreichende Bewegung an frischer
Luft (dadurch wird der Knochenanbau und die Bildung von Vitamin D
im Körper gefördert)
• Trinken Sie mindestens 2 bis 2,5 Liter Flüssigkeit (Wasser, Mineralwasser oder ungesüßter Tee); liegt
gleichzeitig zum Rheuma eine Herzoder Nierenerkrankung vor, ist der
Flüssigkeitsbedarf individuell festzulegen.
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• Auf schonende Zubereitung achten,
um Vitamine zu erhalten.
Wo finde ich soziale und
finanzielle Unterstützung?
Von Kostenbefreiung und Förderung
bis hin zum Pflegegeld: Es gibt einige
Möglichkeiten für finanzielle und soziale Förderungen, die Rheumakranke in
Anspruch nehmen können.
Grundsätzlich hängen die Leistungen
bzw. deren Höhe vom individuellen Gesundheitszustand und den finanziellen
Gegebenheiten ab.
• Die erste Anlaufstelle ist das Bundessozialamt. Dort wird ein Antrag
gestellt, indem der derzeitige Gesundheitszustand sowie der Grad der
körperlichen Einschränkung festgestellt werden. Beträgt dieser mindestens 50%, so genießen Sie besonderen Schutz und finanzielle Erleichterungen wie besonderen Kündigungsschutz als Dienstnehmer, Förderungen und den Anspruch auf einen Behindertenpass. Nähere Auskünfte geben die Bundessozialämter
bzw. unter www.basb.bmsg.gv.at
• Steuer-Spar-Tipps: Wer unter einer
chronischen Krankheit leidet, kann
mit einer steuerlichen Erleichterung
– auch durch Abschreiben von „außergewöhnlichen Belastungen“ – beim
zuständigen Finanzamt rechnen. Alle
Informationen finden Sie im Steuerbuch, das beim Finanzamt erhältlich
ist bzw. auch unter www.bmf.gv.at
• Bezug von Pflegegeld: Wenn Sie
Unterstützung bei den täglichen
Aufgaben brauchen, sollten Sie
einen Antrag auf Pflegegeld stellen.
Das Pflegegeld ist eine zweckgebundene Leistung, die für die Abdeckung von pflegebedingten Mehraufwendungen bestimmt ist. Es
wird in 7 Stufen – je nach Pflegebedarf – monatlich ausbezahlt.
Sie können das Pflegegeld je nach
dem jeweiligen Landespflegegesetz
beim Magistrat, der Bezirkshauptmannschaft bzw. dem Gemeindeamt beantragen.
Siehe: www.help.gv.at -> Suche
-> Pflegegeld
Anprechpartner in
sozialen Fragen:
• Bundessozialamt: 1010 Wien,
Babenbergerstraße 5, Tel. 05/99 88
(österreichweit zum Ortstarif),
Fax: 05/99 88-2131,
[email protected];
www.basb.bmsk.gv.at
• Bundesministerium für Finanzen:
1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b,
Bürgerservice: Tel. 0810/001 228
(österreichweit zum Ortstarif),
www.bmf.gv.at
• Fonds soziales Wien, Pflege und
Betreuung,
SozialRuf Wien: Tel. 01/533 77 77,
www.fsw.at
• Bundesministerium für Soziales
und Konsumentenschutz (BMSK),
1010 Wien, Stubenring 1,
Tel. 01/711 00 – 0,
www.bmsk.gv.at,
Behindertenanwaltschaft
• Im Internet: www.help.gv.at
• Gebührenfreie Hotlines:
- Behindertenanwaltschaft:
0800/80 80 16
- Pflegetelefon: 0800/20 16 22
- Sozialtelefon: 0800/20 16 11
Selbsthilfegruppen:
• Österreichische Rheumaliga (ÖRL);
Daniela Loisl (Präsidentin),
1010 Wien, Mahlerstraße 3/2/7;
Tel. 0699/155 41 679;
www.rheumaliga.at
• Österreichische Vereinigung
Morbus Bechterew (ÖVMB);
Ing. Paul Pocek (Präsident),
1020 Wien, Obere Augartenstraße 26-28,
Tel. 01/332 28 10;
www.bechterew.at
• PSO Austria (Psoriatiker Vereinigung);
Renate Reichl (Obfrau),
1200 Wien, Jägerstraße 3/2,
Tel. 0699/10748379;
www.pso-austria.at.tt
Rheumaambulanzen:
siehe auf www.rheumaliga.at oder
www.rheumatologie.at
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KAPITEL 11
Selbsthilfe
Interview mit Daniela Loisl
Rheuma verstehen (Rv): Sehr geehrte Frau Loisl, Sie sind seit 17 Jahren
in Selbsthilfegruppen engagiert und seit
sechs Jahren Leiterin der Österreichischen Rheumaliga. Was sind die Vorteile
einer Selbsthilfegruppe für Rheumatiker?
Loisl: Selbsthilfegruppen haben die
Aufgabe, eine Plattform für den Erfahrungsaustausch von Betroffenen zu sein,
und dienen der praktischen Lebenshilfe
sowie der gegenseitigen emotionalen
Unterstützung. Es geht uns als Österreichische Rheumaliga darum, unseren
Mitgliedern juristische und seelische
Begleitung anzubieten.
Rv: Was bieten Sie Ihren Mitgliedern
alles an?
82
Loisl: So Betroffene das wünschen,
können sie ein Gespräch mit dem
jeweiligen Landesgruppenleiter führen.
Weiters gibt es mittlerweile zahlreiche
Themenabende, wo wir Spezialisten
zur Diskussion mit unseren Mitgliedern
einladen. Weiters veranstaltet jedes
Bundesland einen Rheumatag. Zusätzlich gibt die Österreichische Rheumaliga eine Zeitung viermal im Jahr
unter dem Namen „Aktiv mit Rheuma“
heraus, wo wir über die wichtigsten
Neuheiten – sowohl was Forschungsergebnisse als auch neue Medikamente
am Markt betrifft – berichten.
Rv: Was ist Ihnen mit Ihrer jahrelangen Erfahrung wichtig, Betroffenen zu
vermitteln?
Loisl: Betroffene sollen sich unbedingt
an die wenden, die am meisten mit
diesem Krankheitsbild zu tun haben,
bis sie eine adäquate medikamentöse
und auch nichtmedikamentöse Therapie besprochen haben. Rheuma ist
eine ernsthafte Erkrankung, die man
in keinem Fall auf die leichte Schulter
nehmen darf. Vorsicht sei auf alle Fälle
geboten vor Scharlatanen, die Ihnen
vielleicht sogar raten, auf alle Medikamente verzichten zu können. Sprechen
Sie mit Ihrem Rheumatologen, er ist in
Ihrer Erkrankung Ihr Vertrauensarzt.
Seriöse Komplementärmedizin hat
eine Berechtigung, aber es soll immer
ein „Miteinander“ der therapeutischen
Maßnahmen sein – zum Wohle Ihrer
Gesundheit. Wir sind dazu da, Betroffene zu beraten und ihnen bei Ansuchen
um Unterstützungen zu helfen. Da wir
alle ehrenamtlich tätig sind und bei den
Krankenkassen und in der Politik um
Akzeptanz von „Rheuma“ kämpfen, ist
eine große Mitgliederzahl ausschlaggebend. Je mehr Rheumapatienten
sich zusammenschließen, desto mehr
können wir erreichen. Aus diesem
Grund ersuchen wir Betroffene, sich als
Mitglied anzuschließen.
Rv: Wo sehen Sie heutzutage Probleme
mit denen an Rheuma erkrankte Menschen zu Beginn zu kämpfen haben?
Loisl: Rheuma ist keine schicke Krankheit. Ein Rheumakranker wird gerne
mit „alt“ und „wehleidig“ gleichgesetzt. Die Gesellschaft akzeptiert die
Erkrankten nicht. Nicht selten konnten
Betroffene von Problemen am Arbeitsplatz berichten, wo sie als Tachinierer
hingestellt wurden.
Rv: Meinen Sie, dass es typische
Phasen gibt, die ein Erkrankter nach der
Diagnosestellung durchmacht?
Loisl: Es ist hinlänglich bekannt, dass
die Bewältigung von Erkrankungen
in mehrere Phasen eingeteilt werden
kann. Wir konnten immer wieder
beobachten, dass nach einer „Zeit der
Verzweiflung“ über die Schmerzen und
womöglich das Aufgeben beliebter
Gewohnheiten (Sportarten) eine Phase
des „Nicht-wahrhaben-Wollens“ eintritt. Die Schübe werden im wahrsten
Sinne des Wortes „weggeschoben“.
Oft stellt sich danach eine Phase der
„aufbrechenden Emotionen“ (Aggression und Wut) ein – so es sich um eine
positive Auseinandersetzung mit der
Erkrankung handelt. Oftmals kann
man dann mit der Unterstützung der
Angehörigen die Phase der „Anpassung und Akzeptanz“ beobachten. Die
Phasen sind individuell verschieden
lang. Jeder muss sich auch die Zeit
zugestehen, die er sich selbst für die
Bewältigung gibt. Ziel sollte es sein,
sich und das Leben mit der Erkrankung anzunehmen. Wir konnten die
Beobachtung machen, dass Menschen,
die das Gespräch über ihre Erkrankung
zulassen und Begleitung suchen, oft
schon am halben Weg zur Akzeptanz
ihrer Erkrankung sind.
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