Das Judentum Reinhold Then Teil B Eine kultur- und religionsgeschichtliche Einführung Verantw. Hrsg.: Josef Ruf, GF des Religionspädagogischen Seminars der Diözese Regensburg, © 1991, 3. Aufl, 1998, Alle Rechte vorbehalten 1 5.5.2 5.6 5.6.1 Inhaltsverzeichnis 1 Was jeder vom Judentum wissen muß 1 2 Inhalte im Religionsunterricht zum Thema Judentum. Ein Kurzüberblick 2 3 Wer ist ein Jude? 11 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 Wichtige religiöse Literatur des Judentums Die Bibel Die hebräische Bibel (Tenach) Die griechische Bibel (Septuaginta) Das Targum Die "mündlichen" Überlieferungen und Bibelauslegungen Die Mischna Der Talmud Der Midrasch Jüdische Traditionsliteratur (Grafik) Antike jüdische Literatur außerhalb der Bibel Mittelalterliche jüdische Literatur Jiddische Literatur 13 15 15 17 20 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.3 4.4 4.5 5 5.0 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.4 5.5 5.5.1 Geschichte des Judentums Einleitung Die Väterzeit (18.-13. Jh.) Exodus, Wüstenwanderung, Landnahme und Richterzeit Die Königszeit (10.-6.Jh.) Saul und David (10. Jh.) Die Salomonische Ära und die Zeit der getrennten Reiche Der Untergang des Nordreiches (722 v. Chr.) Die erste judäische Deportation Judas (597 v. Chr.) Der Untergang Judas und die Tempelzerstörung (587 v. Chr.) Das babylonische Exil (587-538 v. Chr.) Die Heimkehr der Judäer und der Wiederaufbau des Tempels Konflikte zwischen Heimkehrern, nichtexilierten Judäern und Israeliten 5.6.2 5.6.3 5.6.4 21 21 24 25 27 28 28 28 5.7 5.8 5.9 40 5.10 5.10.1 5.10.2 5.10.3 5.10.4 5.10.5 5.10.6 5.10.7 5.10.8 5.10.9 5.11 5.12 5.13 5.14 5.15 5.15.1 5.15.2 5.15.3 41 5.15.3 a 29 30 32 33 33 34 36 37 38 39 2 Die Trennung der Samaritaner von den Juden (4. Jh.) Die hellenistische Periode Judas (ab 334 v. Chr.) Die Nachfolger Alexanders des Großen und die Makkabäer Pompeius "befreit" Jerusalem (63 v. Chr.) Herodes der Große Frühjüdische Gruppierungen und Strömungen 1. Priester 2. Leviten 3. Zadokiden 4. Sadduzäer 5. Pharisäer 6. Hasidäer/Chasidim 7. Essener 8. Therapeuten 9. Zeloten 10. Sikarier 11. Johannes der Täufer und die Täuferbewegung 12. Judenchristen Der jüdische Krieg (63-70 n. Chr.) Die jüdische Diaspora im Frühjudentum Das rabbinische Judentum bis zur islamischen Eroberung Das Judentum des Mittelalters Das sefardische Judentum Das aschkenasische Judentum Die jüdische Mystik (Kabbala) Die dunkle Seite des Mittelalters Die Kreuzzüge Der "Schwarze Tod" - Die Pest Ritualmordlegenden und Hostienfrevel "Kammerknechtschaft" Vertreibungen (13. Jh.) Auf dem Weg in die Neuzeit Die jüdische Aufklärung (Haskala) Der Antisemitismus Der Massenmord an den Juden (Holocaust) Zionismus und der moderne Staat Israel Land und Menschen in Israel/Palästina Palästina und Palästinenser Das Ende des britischen Mandats in Palästina und der Staat Israel bis 1987 Politische Struktur des Staates Israel 43 44 45 48 48 50 50 51 51 51 52 53 53 54 55 55 55 56 57 58 60 63 64 65 65 66 66 68 68 68 69 70 72 74 76 78 79 84 86 89 5.15.4 5.15.5 5.15.6 Israel und seine Nachbarn seit 1975 Der neueste Friedensprozeß Der Vatikan und der Staat Israel 89 92 95 6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 Der jüdische Alltag Im Kreislauf des Lebens Werdendes Leben bis zur Geburt Frühe Kindheit und Beschneidung Erziehung und Mündigkeit vor dem Gesetz (Bar Mizwa) Heirat Das Alter Sterben und Tod Die Heiligung des Alltags Jüdisches Beten Jüdische Gebete "Höre Israel" (Schma Israel) "Achtzehn-Bitten-Gebet" (Schmone Esre) "Heiliger" (Kaddisch) Struktur des "Achtzehn-Bitten-Gebets (Schmone Esre) Das jüdische Jahr mit Festkalender Das jüdische Jahr Der Festkalender im einzelnen Fest- und Fasttage im einzelnen Der Sabbat Die Feste der ernsten Tage Das Neujahrsfest (Rosch Haschana) Der Versöhnungstag (Jom Kippur) Die Wallfahrtsfeste Pascha Wochenfest (Schavuot) Laubhüttenfest (Sukkot) und Torafreudenfest (Simchat Tora) Weihe- und Lichterfest (Chanukka) Das Losfest (Purim) 97 97 97 99 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.2.1 6.2.2.2 6.2.2.3 6.2.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.3.1 6.3.3.2 6.3.3.2.1 6.3.3.2.2 6.3.3.3 6.3.3.3.1 6.3.3.3.2 6.3.3.3.3 6.3.3.3.4 6.3.3.3.5 7 8 101 102 104 104 105 108 111 111 113 116 9 Paulus und das Judentum 153 10 Moderne Juden über Jesus und das Christentum 157 11 Das christlich-jüdische Gespräch 161 12 Gemeinsamkeiten in der christlichen und jüdischen Liturgie 163 Offizielle Verlautbarungen der katholischen Kirche A) Das II. Vatikanische Konzil 1. Nostra aetate 2. Dei Verbum 14-16 167 167 167 173 Anhang: 13 B) Die deutschen Bischöfe I. Jesus Christus - unser Zugang zum Judentum II. Das geistliche Erbe Israels für die Kirche III. Die Grundaussagen der Schrift und der Kirche über das Verhältnis von Kirche und Judentum IV. Glaubensunterschiede V. Umdenken VI. Gemeinsame Aufgaben 116 118 118 120 122 122 130 130 131 133 134 141 14 14 a 14 b 141 142 143 14 c 14 d Messiaserwartung im Judentum und Christentum 145 14 e 14 f Jesus und das Judentum 150 15 3 Anschriften jüdischer Einrichtungen Zentralrat der Juden in Deutschland Anschriften jüdischer Landesverbände und Gemeinden Jüdische Gemeinden in der Bunderepublik Liberale Jüdische Gemeinden und Vereine in Deutschland Jüdische Gemeinden (Österreich) Jüdische Gemeinden (Schweiz) Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit 175 175 175 185 194 195 200 202 2 2 2 2 2 2 2 16 Deutsch - Israelische Gesellschaften 2 17 Institute und Jüdische Sammlungen in deutschen Bibliotheken 2 18 18 a Deutschsprachige jüdische Publikationen Seminare und Workshops 2 2 19 Literatur zum Judentum in Auswahl (und zitierte Literatur) 2 20 Materialien, Hilfsmittel, Musiknoten, CD's 2 21 Internetadressen 2 22 Zahlen-Daten-Fakten, Die Info-Hotline 2 Nachtrag zur 2. Auflage: Grundlagenvertrag zwischen dem Hl. Stuhl und dem Staat Israel (1993) • Jesus von Nazaret war, dem Fleische nach, ein Jude. Er lebte wie ein Jude und dachte wie ein Jude. Jeder Christ beruft sich in seinem Glauben auf Jesus. Es ist deshalb vorteilhaft, wenn er Jesus auch als Juden kennt. • In seinen Anfängen war das Christentum ein (Reform-)Judentum. Die Christen der ersten Generationen verstanden sich als endzeitliches Israel. Entsprechend hat das Judentum die Kirche Christi in ihrer Geschichte geprägt. Viele Übereinstimmungen in Christentum und Judentum lassen sich aus der gemeinsamen Vergangenheit verstehen. 2 Nachtrag zur 3. Auflage: Die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel Wort der deutschen Bischöfe aus Anlaß des 50. Todestages der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zu den Juden. Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah 2 Karten 2 Stichwortverzeichnis 2 1 • Das Judentum gehört zu den großen Weltreligionen. Es verdient deshalb, als selbständige Größe in seinem eigenen Selbstverständnis dargestellt zu werden. Der jüdische Baum - um ein Bild zu gebrauchen - lebt bis zur Gegenwart von seiner Wurzel, der Bibel (Altes Testament), die ihn immer wieder nährt und trägt. Eine Beschreibung des Judentums wird deshalb von der Bibel auszugehen haben. 2 2 Was jeder vom Judentum wissen muß Jede Beschäftigung mit dem Judentum im katholischen Religionsunterricht sollte drei Aspekte berücksichtigen: 4 Liebe und Gerechtigkeit prägen das Gottesbild. 1 Sam 2,27; 3,21; 9,15; 2 Sam 7,27; Ijob 33,16; 36,10ff. 2 Inhalte im Religionsunterricht zum Thema Judentum. Ein Kurzüberblick 1 Das Judentum in seinem Selbstverständnis 1.1 Hoffnung auf Zukunft Es besteht Kontinuität in der Geschichte Israels und des Judentums in allen Epochen: Tempelzerstörungen bedeuten Neuorientierung, jedoch nicht den Hinweis auf ein heilsgeschichtliches Gefälle. Der mißverständliche Begriff Spätjudentum wird seit Jahren durch den zutreffenderen Begriff Frühjudentum ersetzt. Die Geschichte Israels hat einen eigenständigen Wert. Nur im Glauben eines Christen findet die Geschichte Israels in Jesus Christus ihr Ziel. 1.1.1 Von Abraham bis zur Zerstörung des 1. Tempels Gen 12 bis 1 Kön 25; 1 und 2 Chr. 1.1.2 Von der Zerstörung des 1. Tempels bis zur Zerstörung des 2. Tempels Esr; Neh; 1 und 2 Makk; Jer 39-44; Ez; Hag; Sach; Mal. 1.1.3 Von der Zerstörung des 2. Tempels bis zur islamischen Eroberung 1.1.4 Von der islamischen Eroberung bis zur jüdischen Aufklärung 1.1.5 Von der jüdischen Aufklärung bis heute 1.2 Gott 1.2.1 Einzigartigkeit Jahwes Dtn 6,4; 5,8; Ex 3,14; 20,4; 1 Kön 18; Jes 41,24.29; 44,9. 1.2.2 1.2.3 Schöpfer Gen 1,1-2,4a; 2,4b-3,24; Jdt 9,7; 16,15-19; Ijob 3,8; Ps 8; 19,1-7; 104; 93,2; 96,10; 139,7-12; Spr 8,23-30; Weish 9,1-3; Sir 24,3-8; Jes 41,4; 44,6; 48,12. Vater 5 1.2.4 Offenbarer Offenbarung Gottes im AT ist nie theoretisch. Sie wird immer durch Gottes Handeln an Welt und Mensch in der Geschichte verdeutlicht: Gen 32,22-32; Dtn 4,32-34; 29,29; Ps 147,19f; 119,18; Am 3,7. 1.2.5 Erlöser Dahinter steht meist der Loskauf aus der Knechtschaft und damit die Befreiung. Ex; Dtn 7,8; 13,6; Ijob 19,25. 1.3 Bund Bund meint Vertrag, Verpflichtung. Er kann eine einseitige Verpflichtung sein, so z.B. Gen 9,8-17 oder eine gegenseitige Verpflichtung, so z.B. Gen 17. Der Bund wird häufig mit der Bundesformel eingeleitet: "Du wirst mein Volk sein, ich werde dein Gott sein" Somit sind Gesetze als Bundesurkunden anzusehen: Ex 19; Lev 17-26. Der einmal geschlossene Bund zwischen Gott und seinem Volk wird niemals aufgehoben. Gen 17,19; Ri 2,1; Sir 17,12; Jer 31,31-34. 1.3.1 Tora Die Tora ist eine lebensspendende "Weg-Weisung", nicht ein reglementierendes "Gesetz". Sie enthält den jüdischen Heilsweg, ist Geschenk Gottes und Zeichen der Erwählung. Jesu Kritik an der Tora ist eine innerjüdische Auseinandersetzung. Jesus und Judenchristen halten an der Tora fest, d. h., das AT behält für Christen seine Verbindlichkeit. 1.3.2 Abraham Gen 15; 17; Ex 2,24; 1 Chr 16,15-17. 1.3.3 Mose Ex 19; 31,18. 1.3.4 Könige David: 2 Sam 23,5; Ps 89,4.29; Sir 45,25. Joschija: 2 Kön 23,3. 1.5.2 1.3.5 Propheten Jer 31,31-24; 32,37-41; Ez 16,60-63; 34,25-31; 37,15-28; Hag 2,5. 1.5.2.1 "Höre Israel" (Sch’ma Israel) 1.4 Land und Volk Die Gabe des Landes ist Zeichen der Erwählung durch Gott für sein Volk. Die Verheißung an Abraham ist durch die Führung des Volkes Israel in das Land Kanaan erfüllt. 1.4.1 Abraham Gen 12,1-3 1.4.2 Landverheißung Gen 12,1-3.7; 15,7ff. 1.4.3 Exodus Ex 1-15 1.4.4 Landnahme Ex 3,8; 13,5; Dtn 6,3; 11,8f; Jos 5,6f; 21,43-45. 1.4.5 Jerusalem "Stadt Gottes" Ps 87,3. "Tochter Zion" Jes 62,11; Dtn 12,5.21; Ez 47,1-12; Ps 122,6. 1.4.6 Diaspora Jes 27,12f; Joh 7,35. 1.4.7 Staat Israel Der Staat versteht sich durch göttliche Zusagen legitimiert und besitzt damit religiöse Bedeutung. Seine Gründung wurde durch die zionistische Bewegung vorbereitet und durch den Holocaust entscheidend motiviert: "Haus gegen den Tod" 1.5 1.5.1 Hauptgebete 1.5.2.2 "Achtzehn"-Bittengebet (Sch’mone Esre) 1.5.2.3 Kaddisch 1.5.3 Festbräuche 1.5.4 Hauptfeste 1.5.4.1 Sabbat Gen 2,2-3; Ex 23,12; 31,16f; Hos 2,11; Num 28,9f. 1.5.4.2 Neujahrsfest 1.5.4.3 Versöhnungstag 1.5.4.4 Pascha Ex 12,1-49; 23,18; Dtn 16,1-8; Lk 22,15; 1 Kor 5,7. 1.5.4.5 Wochenfest 1.5.4.6 Laubhüttenfest 1.5.4.7 Weihe- und Lichterfest 1.5.4.8 Purim "Fest der Lose" Gottesdienst Wesentlich ist die innere Hingabe an Gott und damit an den Menschen: Hos 6,6; Jes 58,6f. Synagoge "Versammlungsraum", "Ort der Begegnung mit Gott" 6 1.6 Messiaserwartung 1.6.1 Messias 1.6.2 Gesalbter: Der König 1 Sam 10,1.16.13; 2 Sam 2,4; 5,3; 1 Kön 1,39; 19,16; 2 Kön 9,6; 11,12. 1.6.3 Gesalbter: Der Priester Lev 4,3.5.16; 6,15. (deutsch: Der Gesalbte) Die Evangelien bezeugen uns, daß Jesu Leiden und Tod Gottes Heilswillen verdeutlichen. Damit sind historische Rückfragen erschwert. Die Hauptverantwortung für Jesu Hinrichtung liegt beim römischen Statthalter Pontius Pilatus, der ein politisches Urteil fällt. Sadduzäische Anführer begünstigen das Urteil, weil sie mit Jesu Tempelwort den Tempeluntergang und damit einen Umsturz befürchten. Der Prozeß vor dem Hohen Rat ist aufgrund der widersprüchlichen Angaben in der Passionsgeschichte für eine historische Rekonstruktion problematisch. Die Pharisäer spielen bei der Verurteilung Jesu keine Rolle. Pauschale Schuldzuweisungen für Jesu Tod wie "die Juden" sind historisch unzutreffend und theologisch nicht gerechtfertigt. 1.6.4 Gesalbter: Der Prophet 1 Kön 19,16; Jes 61,1; Sir 48,8. 1.6.5 Gesalbte: Die Väter 1 Chr 16,22; Ps 105. 1.6.6 Gesalbter: Ps 17 1.6.7 Pseudomessiase Bar Kochba; Schabbtai Zwi; Jakob Frank. 2 Moderne Juden über Jesus und das Christentum 3 Jesus als Jude 4 (Ur-)Christentum und Judentum 3.1 Jesu Leben als Jude 4.1 Gemeinsamkeiten 3.2 Ethik und Botschaft Jesu Sie haben ihren Ausgangspunkt vor dem atl.-frühjüdischen Hintergrund. Jesu Botschaft hat viele Parallelen im jüdischen Denken: Nächstenliebe: Lev 19,18 Feindesliebe: Ex 23,4f; Spr 25,21f; Sir 27,30-28,3. 4.1.1 3.3 Jesus und seine Gegner 3.3.1 Pharisäer 3.3.2 Sadduzäer 3.3.3 Hoher Rat Er ist eine politische und religiöse Körperschaft in Palästina in griechisch-römischer Zeit. Den Vorsitz führt der Hohepriester. Interne Streitigkeiten bestehen zwischen Sadduzäern und Pharisäern. Hl. Schrift Die Bibel Jesu und des Urchristentums, das Alte Testament, ist bis heute für jeden Juden verbindlich. AT und NT der Christen enthalten die Botschaft Gottes zum Heil der Menschen. Das AT darf deshalb nicht gegen das NT abgewertet werden. Das AT, neuerdings versuchsweise das Erste Testament (Erich Zenger) genannt, hat als Wort Gottes auch den Christen unverkürzt seine Botschaft zu sagen. Gottes Offenbarung an Jesus Christus ist nicht ohne das AT verständlich, da das Urchristentum Ereignisse und Weissagungen des AT auf Christus gedeutet hat. Messianisch gedeutete Texte sind u.a. Gen 49,9f; Num 24,17-19; 2Sam 7,14; Ps 2; 72; 110; Jes 7,14; 9,1-6; 11,1-5; Mich 5,1f. Typologisch gedeutete Texte sind: Adam-Christus: Röm 5,12-21. Melchisedek-Christus: Hebr 7,1-23. 3.4 Autorität und Anspruch Jesu Reden Jesu in Vollmacht: wie ein Prophet: mit messianischem Anspruch: 4.1.2 Gottesglaube Der Gott des AT und NT ist derselbe. Juden und Christen beten zum selben Gott. 4.1.3 Ethik 3.5 Der endzeitliche Retter Mk 1,22 Mk 8,21 Mk 8,22 Verantwortung für Jesu Tod 7 Die christliche Ethik gründet in der jüdischen (Jesus und Paulus waren praktizierende Juden). Alle wesentlichen Weisungen der Tora haben für Christen immer noch Gültigkeit (z.B. Dekalog, Gottes- und Nächstenliebe, Feindesliebe). Hinweise für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in der Predigt und in der Katechese der katholischen Kirche vom 24. Juni 1985 5.3 5.3.1 Die deutschen Bischöfe Erklärung über das Verhältnis der Kirche zum Judentum vom 28.04.1980. 4.2 Unterschiede 4.2.1 Ostern 5.4 Einrichtungen für ein christlich-jüdisches Gespräch: 4.2.2 Schriftverständnis: Verheißung/Erfüllung Die zwischen Juden und Christen abweichende Schriftdeutung beruht auf dem Glauben an Jesus Christus. 5.4.1 Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum des vatikanischen Einheitssekretariats 4.2.3 Paulus und das Gesetz/Judentum 5.4.2 Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit 4.2.4 Alter/Neuer Bund Das Schema Alter/Neuer Bund darf nicht zu Lasten des Judentums gedeutet werden. Der sog. Neue Bund (Jes 31,31-33) bestreitet nicht die gegebene Heilszusage Israels vgl. Ez 16,60. Der Alte Bund bei Paulus (Gen 4,21-31; 2 Kor 3,4-11) muß im Licht von Röm 9,4; 11,25-27 gesehen werden. Ein "Veralten" des "ersten Bundes" (Hebr 8,13; 8,1-10,18) unter christologischer Akzentsetzung meint den gleichen Vorbehalt wie bei Paulus. "Neuer Bund" in Jesus Christus enthält keine Sinnspitze gegen Israel, da Gottes Gnade und Berufung unwiderruflich sind (vgl. Röm 11,29). 5.4.3 Koordinierungsrat für christlich-jüdische Zusammenarbeit 5.4.4 Gesprächskreis Juden und Christen 5.4.5 Zeitschriften zum christlich-jüdischen Dialog 5.3.2 5.4.5.1 Freiburger Rundbrief 5.4.5.2 Informationsdienst des Vatikanischen Einheitssekretariats 5.4.5.3 Bibel und Israel 5.4.5.4 Kirche und Israel 5 Christlich-jüdisches Gespräch 5.1 Die katholische Kirche in ihren Verlautbarungen 5.1.1 Das II. Vatikanische Konzil 5.1.1.1 Nostra aetate 5.1.1.2 Dei Verbum 14-16 5.2 Kommission Judentum. für die religiösen Beziehungen zum 8 3 sowohl die Volkszugehörigkeit als auch die Zugehörigkeit zur religiösen Gemeinschaft bezeichnen kann. Wer ist ein Jude? Trotz vieler Ausnahmen und Sonderregelungen kann festgehalten werden: Jude ist im jüdischen Sinne, • • • In der nachfolgenden Zeit stehen im hebräisch-aramäischen und im griechischen Sprachgebrauch die Bezeichnungen "Israel(it)" und "Jude" austauschbar nebeneinander.Für die älteste Zeit des Judentums spricht das Alte Testament von "Israel(it)". wer eine jüdische Mutter hat, wer beschnitten ist (vgl. Gen 17) und wenn möglich wer an Jahwe, den einzigen Gott Israels, glaubt (Dtn 6,4). Seit der Reichstrennung nach dem Tod Salomos (1Kön 12) erhält der Begriff "Israel" eine doppelte Bedeutung. Er bezeichnet das Nordreich mit den zehn Stämmen, denen das Südreich "Juda" mit den Stämmen Juda und Benjamin gegenübersteht. "Israel" bleibt aber auch Bezeichnung für den gesamten Volkskörper. Es gibt jedoch drei Sonderregelungen: 1. Ein Heide oder ein Christ, der sich zum Judentum bekehrt, sich also beschneiden läßt und an Jahwe, den einzigen Gott Israels glaubt, ist nach dieser Definition kein Volljude, denn er hat keine jüdische Mutter. Man bezeichnet ihn als Proselyt (griech.: Hinzugekommener). 2. Eine Vielzahl moderner Juden fühlt sich nicht gläubig. D.h., der Glaube an den Gott ihrer Väter bedeutet ihnen nichts. Sie haben aber eine jüdische Mutter und sind beschnitten. Können diese Juden noch als Juden bezeichnet werden? Wenn auch die religiöse Bindung zum Judentum fehlt, so rechnet man sie meist doch zum jüdischen Volk, wie dies auch ethnisch definiert sein mag. Eine abschließende Diskussion bei den Rabbinen über die areligiöse Haltung von Juden gibt es noch nicht. 3. Eindeutig nicht mehr zum Judentum gehört, wer trotz jüdischer Mutter und Beschneidung sich zu einer fremden Religion bekennt. Eher negativ wird die Frage beantwortet, ob moderne Judenchristen, dies sind meist Juden, die sich zum Christentum bekennen, ohne ihr Judesein aufgeben zu wollen, noch als Juden anerkannt werden können. Eine Ehe zwischen Juden und Christen gilt jedenfalls nach jüdischem Recht des Staates Israel als nicht existent, da davon ausgegangen wird, daß die Kinder getauft werden und somit einer anderen Religion angehören. In der Literatur ist es üblich, für die Zeit vom Exodus bis zum Ende des Exils (12. Jh. v. Chr. bis 538 v. Chr.) die Begriffe "Israel" und "israelitisch" und in nachexilischer Zeit (ab 5. Jh. v. Chr.) die Begriffe "Judentum" und "jüdisch" zu verwenden. Die unterschiedliche Terminologie weist nicht auf geschichtliche Diskontinuität, sondern nur auf verschiedene gesellschaftliche Erscheinungsformen hin. So meinen auch die Bezeichnungen "Volk Israel" und "jüdisches Volk" ein und dasselbe. Die Bezeichnung Jude, Israelit - Israel, Judentum Die ausdrückliche Bezeichnung "Jude" und von daher auch der abgeleitete Name "Judentum" findet sich in den alten Quellen erstmals in Sach 8,23 und im Buch Ester. Hier hat das Wort jehudi die Bedeutung "Jude" bzw. "jüdisch" angenommen, und zwar in dem Sinne, daß es 9 4 4.3.4.4 Das slawische Henochbuch 4.3.4.5 Die Sibyllinischen Orakel Wichtige religiöse Literatur des Judentums Jüdische Literatur (Auswahl) Überblick 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 Die Bibel Die hebräische Bibel (Tenach) Die griechische Bibel (Septuaginta) Das Targum 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 Die "mündlichen" Überlieferungen und Bibelauslegungen Mischna Talmu Midrasch Jüdische Traditionsliteratur 4.3 4.3.1 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.1.3 4.3.1.4 4.3.1.5 4.3.1.6 Antike jüdische Literatur außerhalb der Bibel Apokalyptische Literatur Äthiopischer Henoch Syrischer Baruch 4 Esra Himmelfahrt des Mose Martyrium des Jesaja Leben Adams und Evas 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.3.2.3 4.3.2.4 4.3.2.5 4.3.2.6 Handschriftenfunde aus Qumran Die Regel der Einung Die Damaskusschrift Die Kriegsrolle Der Habakuk-Kommentar Die Loblieder Die Tempelrolle Mittelalterliche jüdische Literatur Pijut Schulchan Aruch Pessach-Haggada Sohar 4.5 Jiddische Literatur 4.6 Modern hebräische Literatur Jüdische Literatur (Auswahl) Erklärungen 4.1 Die Bibel 4.1.1 Die hebräische Bibel (Tenach) Die hebräische Bibel ist Teil der Offenbarungen Gottes an Israel. Doch heißt diese hebräische Bibel nicht wie bei den Christen Altes Testament, sondern Mikra (das zu Lesende, d.h. die Schrift) oder Kitbe haqodäsch (Heilige Schriften) oder Tenach. Dies ist die Abkürzung für Tora (Pentateuch), Nebiim (Propheten: Jos - 2Kön und Jes - Mal) und Ketubim (die "übrigen" Schriften). Die Konsonanten von Tenach sind den Anfangsbuchstaben dieser drei Buchgruppen entlehnt (der K-Laut im Hebräischen wird, sobald ein Vokal vorausgeht, zum Ch-Laut, deshalb Tenach und nicht Tenak). So hat man mit diesem abstrakten Wort einen wertneutralen Begriff gefunden. Das Christentum hatte mit der Bezeichnung Altes Testament das Adjektiv "alt" doch häufig im Sinne von "überholt" mißverstanden und nicht, wie es angemessen verstanden werden müßte, als "älter" aufgefaßt. Das ältere Testament gegenüber dem jüngeren, dem Neuen Testament. Neuerdings wurde von Erich Zenger versuchsweise der Begriff "Erstes Testament" eingeführt, um damit den mißverständlichen Begriff "alt" zu umgehen. 4.3.3 Aus dem Einflußgebiet der Qumrangemeinde 4.3.3.1 Das Jubiläenbuch 4.3.3.2 Die Testamente der zwölf Patriarchen 4.3.4 4.3.4.1 4.3.4.2 4.3.4.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 Hellenistische Literatur aus Ägypten Der Aristeas-Brief Das 3. Makkabäerbuch Das 4. Makkabäerbuch 10 Die hebräische Bibel zeigt in ihrem dreiteiligen Aufbau mit ihren 39 Schriften im Gegensatz zum christlichen Alten Testament ein qualitatives Gefälle: versuchten zwar noch orthodoxe Juden ob dieser Blasphemie beim preußischen Kaiser zu intervenieren, doch die wissenschaftlich kontrollierte Exegese konnte nicht mehr aufgehalten werden. Die Tora ist am würdigsten, weil sie die verbindliche Sinaioffenbarung enthält. Ihr Inhalt ist nach jüdischem Glauben auf Geheiß Gottes von Mose direkt niedergeschrieben worden. So gibt es im Judentum heute zwei Lager: die einen, die Orthodoxen, die nach wie vor an der wörtlichen Inspiration, der Autorschaft des Mose für die Tora, festhalten und die anderen, die Liberalen, die der modernen Pentateuchkritik folgen, wonach die Tora in verschiedene Quellen aufgeteilt werden muß. Ihre Überlieferung ist über Jahrhunderte gewachsen, bis sie zu dem wurde, was uns heute als Pentateuch vorliegt. Die zweite Abteilung, die Nebiim, die Propheten, wurden zwar durch Propheten weitergegeben oder niedergeschrieben, doch kommt ihnen nicht mehr die gleiche Offenbarungsqualität zu wie der Tora. Den geringsten Grad an Autorität innerhalb der hebräischen Bibel genießt die dritte Abteilung, die Ketubim, die "übrigen" Schriften allerdings gelten auch sie wie die ganze Bibel als "Wort Gottes". Diese Beobachtung findet ihren Niederschlag in der Verwendung des Tenach im synagogalen Gottesdienst: 4.1.1 Die griechische Bibel (Septuaginta) Die Septuaginta (griech.: siebzig, häufig auch mit LXX (70) abgekürzt) ist eine der griechischen Übersetzungen des Frühjudentums. Im Aristeasbrief, einer legendären Erzählung aus dem 1. Jh. v. Chr., entstanden in Alexandrien, wird überliefert, wie es zur griechischen Übersetzung der Tora, des Pentateuch, gekommen ist: Die Tora (Pentateuch) wird regelmäßig und in fortlaufender Folge am Sabbat gelesen. Die Propheten werden nur in Auswahl und zur Toralesung passend gelesen. Die Schriften finden in der liturgischen Schriftlesung nahezu keine Verwendung. Eine Ausnahme machen nur die fünf "Festrollen"), die an bestimmten Festtagen gelesen werden. Hld zu Pesach, Rut zu Schawuot, Klgl zu Tischa be Aw, Koh zu Sukkot, Est zu Purim. Aristeas erzählt in einem Brief an seinen Bruder Philokrates, der ptolemäische Herrscher in Ägypten, Ptolemaios II. (282-246 v. Chr.), wünsche in seiner berühmten Bibliothek in Alexandria auch die hebräische Bibel der Juden in Umschrift und Übersetzung. Aristeas reist im Auftrag Ptolemaios mit einer Gesandtschaft nach Jerusalem und bittet den Hohenpriester Eleasar um Übersetzer. 72 Männer - sechs aus jedem Stamm Israels - reisen nach Ägypten auf die Insel Pharos (in der Nähe von Alexandria) und übersetzen in 72 Tagen die Tora. Jeder einzelne sitzt in einer Höhle und übersetzt für sich alleine die Tora. Am Ende stellt sich heraus, daß alle Übersetzer genau gleich übersetzt haben. Im orthodoxen Judentum wird diese qualitative Abstufung der hebräischen Bibel auf die vorausgesetzte wörtliche Inspiration zurückgeführt. Für die Tora nimmt man an, Mose habe sie am Sinai - wie geschrieben steht - von Gott so erhalten, wie sie auch heute noch überliefert wird. Historisch zutreffend ist, daß in dieser Zeit die hebräische Bibel ins Griechische übersetzt wurde; zunächst die Tora, dann die Propheten und dann die übrigen Schriften. Daß die Übersetzung auf eine wörtliche Inspiration zurückzuführen ist, versucht man durch legendäre Ausschmückungen zu untermauern: 12 x 6 Übersetzer, in 72 Tagen, jeweils voneinander unabhängig, eine wörtlich übereinstimmende Übersetzung. Zweifel an dieser Einschätzung wurden im Judentum erst seit der Aufklärung angemeldet (z. B. Baruch Spinoza (1632-1677) in seinem Tractatus Theologico-Philosophicus). Als im 19. Jh. in der protestantischen Theologie die kritische Exegese einsetzte und die Autorschaft des Mose für die Tora widerlegt wurde, 11 Umstritten ist, für wen die Übersetzung angefertigt wurde. Sollte es eine Streitschrift der Juden für Nichtjuden sein, denn die Heiden verstanden ja kein Hebräisch? Oder galt die Übersetzung den eigenen Glaubensgenossen, die in der weitläufigen, aufgeklärten Weltstadt Alexandria kein Hebräisch mehr konnten und denen damit die eigene Überlieferung nahegebracht werden sollte? Deuterokanonische Schriften und Apokryphen Ferner umfaßt die alexandrinische Bibel oder der alexandrinische Kanon, wie die griechische Bibel auch noch genannt wird, biblische Bücher, die in der hebräischen Bibel fehlen. Hierzu gehören die bib-lischen Bücher: 3Esra, Jesus Sirach, Weisheit, 1-4 Makk, Tobit, Judit, Baruch, Brief des Jeremia, Zusätze zu Daniel, Gebet des Manasse und Ps 151. Man darf auch nicht übersehen, daß Hebräisch seit dem Exil (6. Jh. v. Chr.) eine tote Sprache war, die nur noch in der Liturgie verwendet wurde. Man sprach Aramäisch bzw. seit dem 3. Jh. v. Chr. Griechisch. Das bedeutet also: Die LXX (Septuaginta) ist eine Übersetzung von Juden für Juden. Auch scheint es zu diesem Zeitpunkt noch andere griechische Übersetzungen gegeben zu haben, die mit der Aristeaslegende zugunsten der inspirierten LXX abgewertet werden sollten. Die katholische Kirche nennt die biblischen Bücher, die sie aus der griechischen Bibel in ihren verbindlichen Kanon übernommen hat, die jedoch nicht in der hebräischen Bibel enthalten sind, "Deuterokanonen" oder "deuterokanonische" Bücher. Sie meint damit, daß diese Bücher einem zweiten (griech.: deuteros), dem alexandrinischen Kanon angehören. Diese griechischsprachigen Bücher werden in der katholischen Kirche zu Recht mit gleicher Wertschätzung geachtet wie die anderen biblischen Bücher. Nur die Bücher 3 Esra; 3-4 Makk; Gebet des Manasse und Ps 151 nennt sie apokryph. Heute weiß man aufgrund genauer sprachlicher Untersuchungen, daß die einzelnen biblischen Bücher je für sich und von verschiedenen Übersetzern angefertigt wurden. Zunächst bedurfte es einer Übersetzung der Tora, die am wichtigsten schien. Hier sind die Übersetzungen auch noch relativ genau. Doch muß man sich bewußt sein, daß jede Übersetzung in eine andere Sprache eine Übertragung ist, die nicht genau den Sachverhalt wiedergeben kann. Anders ist dies in den protestantischen Kirchen. Sie nennen die deuterokanonischen und apokryphen biblischen Bücher der katholischen Kirche allesamt "Apokryphen". Nach Luther dienen sie der geistlichen Erbauung, sind aber nicht den Büchern der hebräischen Bibel gleichwertig. Das frühe Christentum bediente sich dieser Übersetzung. Paulus benützte die LXX und übersetzte nicht etwa, wenn er zitierte, aus der hebräischen Bibel. Jesus hingegen sprach Aramäisch, rezitierte aber in der Synagoge wahrscheinlich aus der hebräischen Bibel. Warum die Rabbinen die "deuterokanonischen" Bücher im 1. Jh. n. Chr. nicht in ihre hebräische Bibel aufgenommen haben, ist bis heute nicht geklärt. Manche meinen, dies sei geschehen, weil die frühe Kirche die griechische Bibel verwendete. Wollte man sich von dieser Übersetzung distanzieren und dem ursprünglichen hebräischen Text folgen? Doch ist dieses Argument für das 1. Jh. n. Chr. nicht zwingend, da das Christentum zu diesem Zeitpunkt auch für das Judentum noch eine geringe Bedeutung hatte. Die Protestanten meinten im 16. Jh., man solle dem hebräischen Grundtext folgen und nicht einer Übersetzung. Deshalb schlossen sie sich in der Buchabgrenzung der hebräischen Bibel an und nicht der griechischen. Die nur griechisch erhaltenen Bücher seien daher auch weniger wert. Ein Phänomen sei noch genannt: Die griechische Bibel ist umfangreicher als die hebräische. Einmal differieren die einzelnen Buchlängen voneinander. Das hebräische Jeremiabuch z.B. ist um etwa 1/3 kürzer als das griechische Jeremiabuch. Diese Erscheinung dürfte ihre Erklärung wohl in der Vorlage des griechischen Übersetzers finden, die nicht mit anderen hebräischen Ausgaben identisch war. Damit ist gesagt, daß der hebräische Text vor der Zeitenwende noch keine normativ verbindliche Gestalt hatte. Allein die Tora, der Pentateuch, war quantitativ relativ genau abgegrenzt, die Propheten und die übrigen Schriften konnten je nach Textausgabe unterschiedliche Längen aufweisen. Die archäologischen Funde in diesem Jahrhundert bestätigen diese These. Bis ins 19. Jh. glaubten die Protestanten, die griechische Sprache sei auch der Grund gewesen, weshalb die Rabbinen diese Schriften aus ihrer Bibel ausgesperrt hätten. Als man um die Jahrhundertwende den 12 griechischen Jesus Sirach in einer Kairoer Synagoge des frühen Mittelalters auch in Hebräisch fand, wurde dieses sprachliche Argument für die Auswahl der Bücher hinfällig. 4.1.3 Mischna (Wiederholung, Lehre, Studium) meint das stetige Lernen der "mündlichen" Überlieferungen durch Wiederholung im Gegensatz zum Einprägen der schriftlich fixierten Bibel. Für das Judentum war schon bald deutlich, daß die in der "schriftlichen" Tora (Pentateuch) geoffenbarten 613 Gebote (davon 365 positiv und 248 negativ) nicht die gesamten Offenbarungen Gottes für Israel gewesen sein konnten. Das Targum Das Hebräische der früheren Königszeit geriet immer mehr in Vergessenheit, als in nachexilischer Zeit (ab 538 v. Chr.) die nach Israel Zurückgekehrten nur noch Aramäisch sprechen konnten. Hebräisch fand zwar noch Anwendung im Gottesdienst bei der Rezitation der Tora oder anderer Teile der Hl. Schrift, soweit sie schon ausgebildet waren. Die vielen alten Gesetze und Regelungen, die nicht in den 613 Geboten festgehalten wurden, bedurften einer begründeten Verbindlichkeit und fanden deshalb in der rabbinischen Überlieferung eine Erklärung: Mose mußte noch weitere Offenbarungen am Sinai erhalten haben, die er allerdings nicht alle niedergeschrieben, sondern mündlich weitergegeben hatte. Doch das gewöhnliche Volk empfand das Hebräische bald als fremde, unverständliche Sprache, so daß die Hl. Schrift entweder gleich in Aramäisch verfaßt wurde, so Dan 2,4-7,28; Esr 4,8-6,18; 7,12-26 oder in die Umgangssprache (Aramäisch) übertragen werden mußte. Neben der hebräischen Lesung der Hl. Schrift bildete sich so eine Überlieferungstradition aus, die, meist mit entsprechender Auslegung versehen, für die Späteren die maßgebliche Deutung der Bibel darstellte. Die Mischna ist ein Versuch, diese über Generationen weitergegebenen, mündlichen Überlieferungen in einem Werk, mehr oder weniger geordnet, schriftlich festzuhalten. Gesammelt wurden in diesem Corpus im wesentlichen jüdische Religionsgesetze. Für einen Juden hat diese "mündliche" Tora einen ähnlichen, für manchen sogar den gleichen Stellenwert wie die "schriftliche" Tora selbst. Diese mündliche aramäische Übersetzungstradition nannte man Targum (Übersetzung, Plural: Targumim). Sie wurde in der Folgezeit schließlich schriftlich aufgezeichnet und liegt uns heute in teilweise alten Handschriften als sogenanntes Targumim vor. Zu den wichtigsten noch erhaltenen Targumim zählen: • • • • • Ein Satz aus der Mischna verdeutlicht, weshalb dies so ist: "Mose erhielt die Tora vom Sinai und überlieferte sie Josua und Josua den Ältesten und die Ältesten den Propheten, und die Propheten überlieferten sie den Männern der Großen Synagoge. Diese stellten drei Sätze auf: Seid vorsichtig beim Richten! Stellt viele Schüler auf! Macht einen Zaun um die Tora!" (Aussprüche der Väter, 1,1). Kodex Neofiti zum Pentateuch (aus vorchristlicher Zeit) Targum Onkelos, im 3. Jh. n. Chr. in Babylonien vollendet Targum Pseudojonathan oder Targum Jeruschalmi I Targum Jonathan zu den Propheten Targum zu Ijob, Ps, Spr, den fünf Festrollen (Rut; Hld; Klgl; Koh und Est) und Chr 4.2 Die "mündlichen" Bibelauslegungen 4.2.1 Die Mischna Überlieferungen Damit ist gesagt, daß die "mündliche" Tora unabhängig von der "schriftlichen" gegeben wurde und keiner Begründung aus der "schriftlichen" bedurfte, ja daß sie die "schriftliche" quantitativ erheblich übertrifft und für das jüdische Leben die eigentliche Rolle spielt (vgl. Maier, Zwischen den Testamenten, 17). und Die ältesten Teile der Mischna dürften noch bis in die Zeit des zweiten Tempels zurückreichen. Der Abschluß der Sammlung liegt im 2. Jh. n. 13 Chr. Die Endredaktion wird Rabbi Jehuda ha-Nasi zugeschrieben, kurz "Rabbi" genannt. Es wurde eine Fixierung der vielfältigen mündlichen Überlieferungen nötig, als nach dem Jüdischen Krieg Jerusalem, der Tempel und die damit zusammenhängende Infrastruktur wegfielen. Es gab kein Schlachtopfer mehr, keine Tempeltheologie, keinen Tempelpriester, keine Sadduzäer. Jerusalem verlor als theologisches Zentrum an Bedeutung. 5. Ordnung Qodaschim (Heiliges), enthält 11 Traktate: Regelungen über das Schlachtopfer, das Speiseopfer, über das Schlachten der nicht zum Opfer bestimmten Tiere, die Ablieferung der Erstgeburten bei Vieh an die Priester, Ersatzleistungen, Erläuterungen über Maße und Einrichtungen des Tempels. 6. Ordnung Toharot (Reinheiten), enthält 12 Traktate: Regelungen über Reinheit und Unreinheit bei Frauen, bei Geräten, bei Toten, bei Nahrungsmitteln usw. Diese Zeit überlebte eine liberale, volksnahe Gruppierung mit theologischem Gewicht: die Pharisäer. Sie wurden die maßgeblichen Träger bei der Weitergabe der mündlichen Überlieferung. Der bisherige Kurzüberblick zeigt, daß nur bedingt von einem Ordnungsprinzip innerhalb der Ordnungen gesprochen werden kann. Dies hängt mit dem Entstehungsprozeß der Mischna zusammen. Obgleich die Mischna vom Umfang her wesentlich mehr Material umfaßt als die hebräische Bibel, so wird ein "normaler" Jude die Mischna heute dennoch besitzen und gründlich studieren. Gilt sie ihm doch als "mündliche Tora". Das umfangreiche Werk der Mischna umfaßt sechs "Ordnungen" (Sedarim, Sing.: Seder), die sich ihrerseits in 63 Traktate (Massektot, Sing.: Masseket) unterteilen. Die Traktate sind unterteilt in Kapitel (Perakim, Sing.: Perek) und Lehrsätze (Mischnajot bzw. Halakot). Die Ordnungen und Traktate im einzelnen: 1. Ordnung Zeraim (Samen), enthält 11 Traktate: Gesetze und Bestimmungen aus der Landwirtschaft, besonders Bestimmungen über Abgaben, Verzehntungen, Sabbatjahr, d.h., wann das Land brachliegen muß. Weiter finden sich Segenssprüche, Vorschriften über das Armenrecht usw. Neben der Mischna hat sich etwa zeitgleich eine weitere Sammlung mündlicher Überlieferungen zu allen Traktaten der Mischna mit Ausnahme von vieren ausgebildet: die Tosefta (Zusatz, Ergänzung). Ihr genaues Verhältnis zur Mischna ist noch nicht zureichend geklärt. So erhalten manche Partien eindeutig Kommentare zur Mischna und setzen diese damit als bekannt voraus; daneben findet sich aber auch von der Mischna unabhängiges, selbständiges Material. 2. Ordnung Moed (Festzeiten), enthält 12 Traktate: Vorschriften über das Sabbatgebot, Pascha, Versöhnungstag, Laubhüttenfest, allgemeine Vorschriften über Festtage, Halbfesttage, Neujahr und Fasttage. Eingearbeitet sind auch Angaben über Tempelabgaben und wie der Gottesdienst im Tempel zu finanzieren ist. 4.2.2 Der Talmud Talmud (Studium, Lehre) meint die von der hebräischen Bibel ausgehende Belehrung. Im engeren Sinne ist der Talmud der rabbinische Kommentar zur Mischna. Zum betreffenden Mischnaabschnitt, der seinerseits ein Schriftwort kommentieren kann, gibt es eine Gemara (Vollendung, erlernte Tradition), die eine rabbinische Diskussion zum Mischnaabschnitt darstellt. Daneben finden sich in den mittelalterlichen Talmudausgaben noch gelehrte Kommentierungen der Rabbinen wie Raschi (1040-1105), Abraham ibn Esra (1089-1164), Josef Qimchi (1105-1170) u.a. 3. Ordnung Naschim (Frauen), enthält 7 Traktate: Regelungen über Schwagerehen (vgl. Dtn 25,5-10), Eheverträge, Gelübde bei Frauen, Scheidungsrecht, Ehebruch, Verlobung. 4. Ordnung Neziqin (Schädigungen, Unrecht), enthält 10 Traktate: Regelungen über das Zivilrecht, das Strafrecht, die Prügelstrafe. Daneben finden sich, nach Lehrmeinungen geordnet, Themen wie Götzendienst, Umgang mit Heiden und weisheitliche Aussprüche der Väter. Zwei Talmudim (Plural, Singular: Talmud) werden unterschieden: 14 Los der Unwissenden. Der geweckte Jüngling brachte viele Jahre, ja bis zu seiner Verheiratung im Lehrhaus zu, und bis ans Lebensende war der Broterwerb Nebensache, das Talmudstudium Hauptzweck des Lebens" (ders., Geschichte des Judentums Bd. VII, 111f., zit. nach Prijs, Judentum, 61f.). • der längere babylonische Talmud (Abschluß ca. 6.-7. Jh. n. Chr.) • der kürzere Jerusalemer oder Palästinische Talmud (Abschluß 5. Jh. n. Chr.). Der babylonische Talmud, in babylonischem Aramäisch niedergeschrieben, umfaßt nicht weniger als 6000 Folio-Seiten (ca. 12000 DIN A4 Seiten). Die babylonische Ausformung des Talmuds blieb die angesehenere und verdrängte die Fassung des älteren Jerusalemer Talmuds. Wenn nur kurz vom Talmud gesprochen wird, dann bezieht sich die Rede immer auf den gebräuchlicheren babylonischen Talmud. 4.2.3 Der Midrasch Das hebräische Wort Midrasch (Plural: Midraschim) leitet sich ab von dem Verb darasch, "suchen, nach etwas Ausschau halten". Im Bibelhebräischen kann es stehen für "Gott suchen" (Dtn 4,29) bzw. "die Schrift erforschen, um dort eine Antwort Gottes zu suchen" (Esr 7,10). Gegenstand des Erforschens ist meist die Bibel. Midrasch kann auch das Ergebnis der Schriftforschung sein, der Bibelkommentar, der den Bibeltext für die Gegenwart erschließt. Die gängige Midrasch-Literatur wird meist nach ihrer Auslegungstendenz eingeteilt. So gibt es halachische, also mehr gesetzlich orientierte und haggatische, mehr erbauliche Midraschim. Typisch für Midrasch-Literatur ist der direkte Bezug zu einem Bibelvers, der ausgelegt wird. Vorwiegend die Religionsgesetze betreffende (halachische) Stoffe enthalten die aus dem 1. und 2. Jh. stammenden Midraschim: Wie die Mischna ist der Talmud in Ordnungen und Traktate eingeteilt, jedoch mit erheblichen Unterschieden zwischen den beiden genannten Fassungen. In beiden Textsammlungen finden sich neben den Diskussionen zum Religionsgesetz (Halacha) auch viele erbauliche, unterhaltsame Erläuterungen (Haggadot, Singular: Haggada) wie Erzählungen, Gleichnisse, Anekdoten usw. Das Wesentliche und Entscheidende an der gelehrten Diskussion der vielen Rabbinen ist die Toleranz im Umgang miteinander: "Rabbi X sagt ... Rabbi Y sagt aber ... Rabbi Z sagt". Es gibt keine dogmatischen Entscheidungen, die eine andere Meinung ausgrenzen würden. Jede Meinung behält auf ihre Weise Recht. Für die späteren Talmudstudenten bedeutet diese reiche Gelehrsamkeit viele Stunden des Nachdenkens und der Freude an der Tora, sei es allein in der häuslichen Studierstube oder gemeinsam im Lehrhaus, der "Herberge für den jüdischen Geist" (Prijs, Judentum, 60). Was das Talmudstudium für einen osteuropäischen Juden des Mittelalters bedeutete, beschreibt der jüdische Historiker Heinrich Graetz: • • • • Mekilta (Meßschnur, Kanon) zum Buch Exodus Sifra (Buch) zum Buch Levitikus Sifre (Bücher) zum Buch Numeri und Deuteronomium Tannaim (Lehrer, Lernende) zum Buch Deuteronomium. Überwiegend erbaulich erzählende (haggadische) Stoffe verarbeiten die nachfolgenden Midraschim aus dem 3.-5. Jh.: • Midrasch rabba (großer Midrasch) zu den fünf Büchern des Pentateuch • Midrasch rabba zu den fünf Megillot (Rollen, Festrollen, Sing.: Meggilla), das sind die Bücher Rut, Hld, Klgl, Koh, Est. "Eine Schwierigkeit im Talmud zu lösen, eine Dunkelheit aufzuhellen, etwas Neues, was den Vorfahren entgangen war, zu finden, macht ihre Seligkeit aus. Nicht Amt und Würden erwarteten sie für ihre Gedankenanstrengung, keinen greifbaren Lohn erhielten sie für ihre Nachtwachen. Sie wollten nur ihren Wissensdrang befriedigen, ihrer religiösen Pflicht genügen und allenfalls sich der himmlischen Belohnung vergewissern. Eine eigene Gruppe von Midraschim bilden die für die Schrifterklärung im synagogalen Gottesdienst geschriebenen Midraschim. Es sind dies Predigtsammlungen, denen die Perikopen der Festtage und der Sabbate zugrunde liegen. Das allerwichtigste Geschäft war für sie das Lernen, und die Blüte aller Gelehrsamkeit war der Talmud. Der geachtetste Stand war der der Talmudbeflissenen. Ehrlosigkeit war das 15 • Pesiqta de Rab Kahana, kurz Pesiqta (Abschnitt, Teil) genannt,bespricht drei Sabbate vor dem 9. Ab, dem Jahrestag der Zerstörung des Tempels, sieben Trostsabbate und zwei Sabbate nach dem Neujahr. Die Angabe des Namens im Titel Rabbi Kahana weist nicht auf den Verfasser des Werkes, sondern auf den Rabbi, der zu Beginn des Werkes erstmals genannt wird. So konnte man andere Schriften mit gleichen Titeln leichter unterscheiden. Vom Sinai: mündliche Tora: MISCHNA 1.-2. Jh. n.Chr. Mischna schriftlich fixiert mittelalterliche Kommentatoren: Raschi, Ibn Esra, Maimonides S. Gaon u.a. GEMARA schriftliche Tora: Ebenfalls Predigtsammlungen zu wichtigen Festtagen und Sabbaten sind: PENTATEUCH • • TOSEFTA Parallelwerk zur Mischna Pesiqta Rabba (die große Pesiqta) Jelamdenu (es belehre uns, nämlich unsere Meister) Relativ späte, sogenannte historische Midraschim sind: • • MIDRASCH Pirke de Rabbi Elieser (Aussprüche des Rabbi Elieser) Sefer ha-Jaschar (Buch der Aufrechten) 4.3 Sie gehören weder zu den Predigtsammlungen noch zu AuslegungsMidraschim. Die biblischen Stoffe werden frei nacherzählt. Antike jüdische Literatur außerhalb der Bibel Eine kurze und gute Einführung in die einzelnen Bücher gibt: L. Rost, Einleitung in die alttestamentlichen Apokryphen und Pseudepigraphen einschließlich der großen Qumran-Handschriften, Heidelberg 2. Aufl. 1979 oder J. Maier, Zwischen den Testamenten. Geschichte und Religion in der Zeit des zweiten Tempels (NEB E3), Würzburg 1990 Die Zahl der Midraschim des frühen Mittelalters ließe sich noch erheblich vermehren. Doch sollen die Genannten genügen, weitere Titel sind besprochen bei: Strack, Einleitung oder Ch. Albeck, Einführung in die Mischna, Berlin 1971. 4.4 4.2.4 TALMUD Mittelalterliche jüdische Literatur Jüdische Traditionsliteratur (Graphik Literatur mit reichlichen Erläuterungen: G. Stemberger, Geschichte der jüdischen Literatur, München 1988. 4.5 Jiddische Literatur Eine gute Einführung und Besprechung der jiddischen Literatur mit jiddischem Lexikon findet sich bei: S. Landmann, Jiddisch. Das Abenteuer einer Sprache, Olten 1962. 4.6 16 Moderne hebräische Literatur Während man in älteren Beschreibungen der Geschichte des Judentums nach einer formativen Zeit des Judentums suchte, also einer Zeit, in der sich das "Wesen" des Judentums ausprägte, von dem her alle Veränderungen mehr oder weniger als umweltbedingte Degenerationserscheinungen gedeutet wurden, geht man in neuerer Zeit von einer möglichst umsichtigen Betrachtung der einzelnen Perioden und Epochen für das Judentum hinsichtlich ihrer politischen, religiösen und kulturellen Bedeutung aus. Mit Eliezar Ben-Jehuda ist die Neubelebung der hebräischen Sprache verbunden. Wenn auch andere Namen genannt werden müssen, wie Jehuda Grazwowski-Gur, der Verfasser des ersten modernen hebräischen Lexikons, und David Judelewitsch, der Lehrer der ersten hebräischen Schule in Rischon Le-Zion, so sind heute mit dem Namen Ben-Jehuda die Anfänge der modernen hebräischen Sprache verbunden. Während bereits in der Diaspora vereinzelt hebräisch gesprochen wurde, dürfte die Neubelebung und Revolutionierung der modernen Sprache in Eretz-Israel in den Jahren 1906-1913 erfolgt sein. Literatur: Weder die biblische Zeit, und hier die Königszeit, kann als einzig zulässige oder gar maßgebliche Epoche der Überlieferung betrachtet werden, in der das Judentum im "klassischen" Zuschnitt zur Ausprägung gekommen sein soll, noch die Zeit des Talmuds, wo viele bedeutende Diskussionsgrundlagen für die Folgezeit geschaffen wurden, noch das Judentum des Mittelalters, von dem sich viele kulturelle Einflüsse bis heute herleiten. B. Harshav, Hebräisch. Sprache in Zeiten der Revolution, Frankfurt 1995 G. Shaked, Geschichte der modernen hebräischen Literatur. Prosa von 1880 bis 1980, Frankfurt 1998 Man wird jeden Abschnitt der Geschichte des Judentums als sinnvollen und berechtigten Teil der jüdischen Identität anzuerkennen haben, unabhängig von jeder politischen, religiösen oder kulturellen Überformung von innen oder von außen. Den "gläubigen Juden", als einzige legitime Ausprägung seiner Religion, gibt es ebensowenig, wie es einen "ethnisch" erkennbaren, "typischen Juden" im Sinne der geläufigen Sprachregelung gibt: "Schau, das ist ein Jude". 5 Geschichte des Judentums 5.0 Einleitung Mag es im Laufe der Geschichte des Judentums immer wieder innerjüdische Bewegungen gegeben haben, die von sich behaupteten, sie repräsentierten ein legitimes Judentum, im nachhinein sind sie nicht mehr als ein Mosaikstein innerhalb der jüdischen Identität. Die gegenwärtige Klassifizierung des modernen Judentums in ultraorthodoxes, orthodoxes, liberales Judentum sowie Reformjudentum kann nicht vortäuschen, daß es eine dogmatisch legitimierte Mittellinie gäbe, von der aus gläubiges Judentum beschrieben werden müßte. Ein kurzer Abriß der Geschichte des Judentums kann daher unmöglich der Komplexität des gegenwärtigen noch des zurückliegenden Judentums gerecht werden, geschweige denn ein authentisches Bild eines Volkes samt seiner Religionszugehörigkeit liefern. Die Geschichte des Judentums umfaßt eine Zeitspanne von über 3000 Jahren. Erwähnenswert sind Aussagen sowohl zur politischen, religiösen als auch zur kulturellen Geschichte. 17 Mit einigen wenigen Charakteristika aus Historie, Kultur und Religion wird sich der nachfolgende Abriß zum schillernden Phänomen Judentum bescheiden müssen. 5.1 So schwer es fällt, die "Väter" zeitlich genau anzusetzen, Angaben schwanken zwischen dem 18. und 13. Jh. v. Chr., die auf uns gekommene Literatur (Gen 12-50) ist mehr oder weniger 1000 Jahre jünger und Ergebnis eines langen Überlieferungsprozesses. Verarbeitet sind vielerorts die Gegebenheiten der späteren Zeit. Die Väterzeit (18.-13. Jh.) "Hier mag die Bemerkung genügen, daß die alten Überlieferungen in biblischer Zeit nicht aus archivarischhistorischem Interesse weitergegeben wurden, sondern im Dienst religiös-politischer Bestrebungen, wobei Überlieferung und Neuprägung einen heute nur mehr selten durchschaubaren Komplex von Vorgängen bildete. Für die Späteren war - schon in biblischer Zeit - Abraham jedenfalls der Begründer des wahren Gottesglaubens und der Abrahamsbund (Gen 15; 17) eine Vorwegnahme des Sinaibundes, die Patriarchenzeit also der Beginn einer kontinuierlichen Heilsgeschichte." (Maier, Judentum, 32). Mit Abraham (Gen 12) beginnt für Juden und Christen die Geschichte der Volkwerdung Israels: "Abraham ist unser Vater" (Joh 8,53). Abraham, Isaak und Jakob, die Patriarchen, Erzväter oder Väter, wie sie auch genannt werden, markieren den ersten Abschnitt in der Geschichte des Judentums. Als umherziehende Nomaden "Mein Vater war ein heimatloser Aramäer" (Dtn 26,5), die teilweise auch seßhaft wurden (Halbnomaden), verehren sie Stammes- und Sippengottheiten, die der späteren Jahwereligion fremd sind. Hinter den Bezeichnungen "Gott meines Vaters" oder "Gott Abrahams" (Gen 26,24; 28,13; 31,5.29.42.53 u.a.) verbergen sich eigenständige Gottheiten, die mit Bezeichnungen wie "Schild Abrahams", "Verwandter Isaaks", "Fels Israels" (Jakobs) konkreter benannt werden. Es sind dies nichts anderes als Bezeichnungen für eine Gottheit, die der jeweilige Sippengründer verehrt. Somit müssen wir für die Väterzeit bilanzieren: In den Vätergeschichten ist die Erinnerung an eine nomadische Vorzeit Israels bewahrt, ohne daß eine "Väterzeit" oder "Väterreligion" rekonstruiert werden könnte. Die Zeit zwischen den Erzvätern und Mose (13. Jh. bis 12. Jh.) liegt gänzlich im dunkeln. Kein nennenswertes Ereignis ist uns in der Literatur überliefert (vgl. die Lücke zwischen Gen und Ex). Was die spätere Überlieferung als Genealogie zusammenführt, nämlich Isaak als Sohn Abrahams, Jakob als Sohn Isaaks, sind ursprünglich Ahnherren, Häupter selbständiger Sippen mit noch erkennbar abgrenzbarem Territorium. So haften die Überlieferungen für Abraham an Mamre bei Hebron im südlichen Gebirge (Gen 13,18; 18,1; 25,9 u.a.) oder an Beerscheba (Gen 21,33; 22,19). Für Isaak sind Orte wie Gerar (Gen 26,1.6) oder Beerscheba (Gen 26,23-25) für Jakob Bet-El (Gen 28,10-22; 35,1-15) und Sichem (Gen 33,18-20) im nördlichen Gebirge oder in Machanajim (Gen 32,2f) und Pnuel (Gen 32,23-33) im Ostjordanland bezeichnend. 5.2 Exodus, Richterzeit Wüstenwanderung, Landnahme und Mehrmals wird überliefert, daß eine beduinenartige Lebensweise die Väter in Notzeiten zur Kornkammer am Nil trieb (vgl. Gen 12,10; Dtn 26,5). Die Bitte um Brot führte aber zu Abhängigkeit und Fron. Aus ägyptischen Inschriften z.Z. Pharao Ramses II. (1290-1224) wissen wir, daß halbnomadische Gruppen wegen anhaltender Dürreperioden mit ihren Herden nach Ägypten zogen, dort Nahrung erhielten und später unter zwangsarbeitsähnlichen Verhältnissen lebten. Ungeachtet der reichen Überlieferung zu den Vätergeschichten (Gen 1250) wissen wir wenig Genaues aus dieser Zeit. Orts-, Personen- und Gottesnamen markieren wie überall die älteste erreichbare Überlieferungsschicht. Auch manch altertümliche Erscheinungen wie ein Opfer Abrahams oder Jakobs Ringkampf am Jabbok (Gen 15,9-11; 32,23-33) erinnern an sehr alte Riten und Gebräuche. 18 Etwas sicheren Boden betreten wir zu Beginn der Königszeit. Als Saul, aus dem Stamm Benjamin, dem in vielem überlegenen Seefahrervolk der Philister Einhalt gebieten muß, gerät er zunehmend in kriegerische Auseinandersetzungen und kommt am Ende dabei ums Leben (1Sam 31). Eine kleine Schar unter der Führung des Mose dürfte nach zu großen Repressalien (Ex 1,11-14) z. Z. Ramses II. aus Ägypten geflohen sein und sich erfolgreich abgesetzt haben. Nichts Außergewöhnliches in der damaligen Zeit, für die Moseschar und Spätere aber galt es als Beispiel für Gottes rettendes Eingreifen. Die mißlungene Verfolgungsaktion der Ägypter am Schilfmeer dürfte durchaus auf historischen Tatsachen beruhen. Das Mirjamlied (Ex 15,21), das die Rettung am Schilfmeer beschreibt, reicht wohl noch in diese Zeit zurück und zählt zu den ältesten Passagen der Bibel. Erst als der glücklicher agierende David, aus dem Stamm Juda, mit seinem stehenden Heer die Philister erfolgreich zurückschlagen kann, erhält er von den übrigen Stämmen den nötigen politischen Rückhalt. Er wird über Gesamtisrael zum König ausgerufen und von Samuel zum König gesalbt. Die Wüstenwanderung, der Aufenthalt dieser Gruppe in der Oase Kadesch und der Marsch zum Gottesberg Horeb hat einiges für sich. Historisch unglaubwürdig, jedoch mit deutlicher Tendenz, ist die Auskunft im Buch Numeri, wonach bei der Wüstenwanderung allein an wehrfähigen Männern 603.550 gezählt wurden (Num 1,46). In der Geschichte vom Aufstieg Davids (1Sam 16; 2Sam 5) wird meisterhaft und ohne Analogie in der Weltliteratur Davids Ringen um die Königsherrschaft beschrieben. Das sichere innen- und außenpolitische Regiment Davids ermöglicht einen zentralen Kult, der alle 12 Stämme einen konnte. Im nachhinein versuchte man, die kleine Moseschar zu vergrößern, um so Gesamtisrael den Exodus erleben zu lassen. Widersprüchliche Aussagen finden wir dann auch bei der Landnahme. Kundschafter seien, von Süden kommend, in das Land eingedrungen, um es zu erforschen. Ihre Nachricht ist in vielem überwältigend: Bei aller Bedeutung des Davidischen Großreichs muß gesagt werden, Israel hat weltpolitisch - auch in seiner politisch bedeutsamsten Zeit immer nur eine zweit- bis drittrangige Rolle gespielt. Nur weil Ägypten, Babel und Assur, zeitweise mit sich selbst beschäftigt, keine Expansionspolitik betreiben können, entwickelt sich Israel für kurze Zeit zu einer relativen Größe im Vorderen Orient. "Es ist wirklich ein Land, in dem Milch und Honig fließen ... Aber das Volk, das im Land wohnt, ist stark, und die Städte sind befestigt und sehr groß" (Num 13,27f). Israels Größe zeigt sich weniger in der Politik als in seiner Religion. Verehren die umliegenden Völker für jede gesellschaftliche Funktion eine eigene Gottheit (Fruchtbarkeits-, Todes-, Meeresgottheit usw.), so glaubt Israel an einen Gott. Nach Auskunft des Buches Josua erfolgt eine kriegerische Eroberung dieser Stadtstaaten. Andererseits weiß Ri 1,27-36, daß nach der Landnahme viele Städte nicht erobert werden konnten. Historisch dürfte weniger die kriegerische Eroberung des Landes gewesen sein als vielmehr die allmähliche Unterwanderung von Süden und vom Ostjordanland her kommend. Inwieweit diese über Jahrhunderte sich hinziehende Unterwanderung Kanaans von einer ursprünglich einheitlichen Gruppe ausging, ist mehr als unklar. Die Anfänge der Sippen und Stämme im späteren Land Israel liegen, die Richterzeit eingeschlossen, wie die Väterzeit, im dunkeln. 5.3 Die Königszeit (10.-6. Jh.) 5.3.1 Saul und David Eingottglaube war in der Antike höchst selten und konnte sich nirgends recht durchsetzen. Menschenopfer galten in Israel als Greuel, in der Umwelt waren sie keine Seltenheit (2Kön 3,27). Kultprostitution zur Sicherung der Fruchtbarkeit und des Nachwuchses waren in der Umwelt Israels die Regel, in Israel wurden sie gerügt (Hos 1f). 5.3.2 Die Salomonische Ära und die Zeit der getrennten Reiche Mit der Thronnachfolgeerzählung (2Sam 9 - 1Kön 2) erreicht die althebräische Literatur einen weiteren Höhepunkt: 19 Stämmen Juda und Benjamin und ein größeres Nordreich mit den übrigen Stämmen spaltete. Salomo, keineswegs einer der prädestinierten Söhne seines Vaters für die Thronfolge, erringt die Nachfolge Davids auf fast schon wunderbare Weise. Bis zum Untergang des Nordreiches durch die assyrische Eroberung 722 v. Chr. kam es trotz Annäherungen immer wieder zu Rivalitäten und kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Bruderstaaten. Die Davidische Dynastie des Südreiches währte durch eine geregelte Erbfolge nach der Trennung noch weitere drei Jahrhunderte bis 586 v. Chr. Zu seinen herausragenden Leistungen gehört zweifellos die militärische Sicherung des Davidischen Großreiches, die reiche Bautätigkeit - u.a. der Tempel- und Palastbau (1Kön 6f) - und die internationalen Beziehungen, die ihm Reichtum (1Kön 10,14-29) und internationalen Ruhm (1Kön 10,1-13) einbrachten. Allerdings stieß er mit der Heirat ausländischer Prinzessinnen auf offene Kritik (1Kön 11,1-8), denn mit solchen politischen Heiraten kamen auch Fremdkulte ins Land, denen maßgebliche Kreise äußerst kritisch gegenüberstanden. Auf religiöser Ebene suchte man durch die Verehrung Jahwes als einzigen Gott Israels, einen Eingottglauben durchzusetzen, der sich, wie die prophetische Kritik zeigte, im Volksglauben immer wieder zu bewähren hatte (vgl. 1Kön 18; Hos 1f u.a.). Charakteristisch für die Zeit Salomos ist das Einsetzen der literarischen Produktion in Israel. Wurde Wissen über Generationen hinweg bisher meist mündlich weitergegeben, scheinen nun Schreiberschulen sich der Welt mit Schreiben neu bemächtigen zu wollen. Eigenartigerweise setzt dieser Schreibbetrieb sofort mit einer solchen Perfektion und Brillanz ein, daß sich Fachleute bis heute fragen, wie diese Leistung zu erreichen war. Die Jahweverehrung vollzog sich im Jerusalemer Tempel, auf Kulthöhen und alten Zentralheiligtümern (z.B. Bet-El, Gilgal). Eine ausschließliche Verehrung Jahwes im Jerusalemer Tempel, wie die Königsbücher vorzugeben scheinen, ist erst ein Konstrukt der Exilzeit und nicht während der Königszeit anzunehmen. Als schlagendes Gegenbeispiel ist hier Amos anzuführen, der nicht gegen den Kultort, sondern gegen die Kultpraxis polemisiert. Nicht nur die oben genannte Thronaufstiegs- und Thronfolgeerzählung, auch die Josephsgeschichte (Gen 37-50) und ein Geschichtswerk, das die Welt von der Schöpfung bis zur Landnahme der Israeliten vermessen möchte, der sogenannte Jahwist, stammen vom Salomonischen Hof. Von Salomo wird gesagt: "Er verfaßte 3000 Sprichwörter, und die Zahl seiner Lieder betrug 1005" (1Kön 5,12). Wohl aus Ägypten stammt Salomos Interesse an universalem Wissen (enzyklopädisches Wissen): Das Königtum erfuhr während der gesamten Königszeit ein kritisches Korrektiv durch Propheten, die zwar in des Königs Diensten stehen konnten (2Sam 24,11; 1Kön 22,6), insgesamt aber von Jahwe legitimiert, meist unbequeme Wahrheiten kündeten (1Kön 11,29-31; 21; 2Kön 1,3f u.a.). "Er redete über die Bäume, von der Zeder auf dem Libanon bis zum Ysop, der an der Mauer wächst. Er redete über das Vieh, die Vögel, das Gewürm und die Fische" (1Kön 5,13). 5.3.3 Der Untergang des Nordreiches (722 v. Chr.) Mit dem Untergang des Nordreiches 722 v. Chr. erfolgte eine folgenschwere Veränderung der Bevölkerungsstruktur Israels, die bis in die neutestamentliche Zeit hinein ihre Auswirkungen zeigte. Es verwundert daher nicht, daß Spätere in Salomo den Prototyp des Weisen sahen und ihm deshalb verschiedene biblische Bücher zuschrieben, wie z. B. Spr, Hld, Koh. Die Eroberungspolitik der Assyrer vollzog eine gezielte Deportation der jeweiligen Oberschicht des Landes, um so mögliche Unruheherde auszuschalten. So führten die Assyrer die Oberschicht der zehn Nordstämme nach Osten in andere eroberte Länder. Früher oder später gingen diese Stämme unter den Fremdvölkern auf, vermischten sich mit ihnen und verloren so ihre israelitische Identität. Eine unglückliche Hand zeigte Salomo in der Regelung seiner Thronnachfolge. Sein Sohn Rehabeam verursachte durch eine ungeschickte, anmaßende Innenpolitik eine Spaltung des Reiches (1Kön 12), die das kurzlebige Großreich in ein kleineres Südreich mit den 20 Im Gegenzug siedelten die Assyrer im Nordreich Israel fremde Völker an und mit ihnen fremde Religionen (vgl. 2Kön 17,24-41). Jahwe wurde zwar noch von der Restbevölkerung im untergegangenen Nordreich verehrt, jedoch nicht von den fremdländischen Neuankömmlingen (vgl. 2Kön 17,25). 5.3.4 Die erste judäische Deportation Judas (597 v. Chr.) Die erste, aber entscheidende Deportation Judas im Jahr 597 v. Chr. entvölkert Jerusalem von allen einflußreichen Größen (2Kön 24,14-16). Ähnlich der Deportationspraxis der Assyrer versuchen die babylonischen Könige, Unruheherde durch Verschleppung der einflußreichen Oberschicht zu ersticken. Selbst "Schmiede und Schlosser" mußten in die Verbannung (2Kön 24,14.16). Inwieweit es zu einer Vermischung der Völker im Nordreich und damit zu einem Abfall von der Jahwereligion kam, ist nicht mehr sicher zu entscheiden. Eindeutig ist nur, daß die nach dem babylonischen Exil zurückgekehrten Judäer diesen Jahwekult als illegitim erachteten. Man sonderte sich ab und trieb jenen Bevölkerungsteil immer mehr in die Isolation. 5.3.5 Als es im 4. Jh. v. Chr. zum Samaritanischen Schisma kam, also zur Trennung der samaritanischen Bevölkerung von der judäischen, wurde zumindest die Trennung auf diese lange zurückliegende assyrische Deportationspraxis und die damit verbundenen Fremdkulte zurückgeführt. Die Bemerkung des Johannesevangeliums: "Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern" (Joh 4,9) hat ihre Ursache in dem eben genannten Konflikt. Der Untergang Judas und die Tempelzerstörung (587 v. Chr.) Nur noch 10 Jahre, dann beendete eine erneute Eroberung durch die Babylonier das Reich Juda. Nun wurde auch die Stadt Jerusalem samt Tempel zerstört und ein Großteil der Bevölkerung verschleppt (2Kön 25,8-11.13-21). "Nur von den armen Leuten im Land ließ der Kommandant der (babylonischen) Leibwache einen Teil als Wein- und Ackerbauern zurück" (2Kön 25,12). Über die Zurückgebliebenen setzte der König von Babel einen jüdischen Statthalter namens Gedalja ein, der das Land verwalten sollte. Doch Jischmael, ein judäischer Partisanenführer aus davidischem Geschlecht, führte eine Revolte gegen Gedalja und tötete ihn. Die politische Großwetterlage ermöglichte auch dem davidischen Rumpfstaat Juda (mit Benjamin) nur ein relativ kurzes Überleben. Trotz realpolitischer Konzessionen an die Großmächte - König Hiskija verhandelt mit den Assyrern (2Kön 18,13-19,37), König Manasse regierte dank kluger Außenpolitik 55 Jahre (2Kön 21,1) - unterliegt der kleine Staat dem gewaltigen Drängen der Großmächte. Aus Furcht vor den Babyloniern fliehen die Aufständischen nach Ägypten und verschleppen einen Teil der judäischen Bevölkerung, unter ihnen auch den Propheten Jeremia (2Kön 25,22-26; Jer 43,1-7). Wie militärisch bedeutungslos selbst ein so frommer König wie Joschija gegenüber Ägypten war, zeigt eine kurze Annalennotiz in 2Kön 23,29: "In seinen (Joschijas) Tagen unternahm der Pharao Necho, der König von Ägypten, einen Kriegszug gegen den König von Assur am Eufrat. König Joschija stellte sich ihm entgegen. Doch der Pharao tötete ihn bei Megiddo, sobald er ihn sah." Wer im einzelnen noch im ehemaligen Reich Juda blieb, entzieht sich unserer Kenntnis. Es scheint aber kein geringer und unbedeutender Teil gewesen zu sein (Jer 40,11-12; 41,16-42,22). Ja selbst reduzierter Kultbetrieb auf den Trümmern des Tempels scheint noch üblich gewesen zu sein (Jer 41,4f). Hoffnung für diesen Rest Judas verheißt ein Gotteswort an Jeremia: Die militärische Übermacht Assurs drängt aber bald auch Ägypten in seine Grenzen zurück (2Kön 24,7), und nur eine geschickte Kapitulation König Jojachins ermöglicht für Juda noch eine kleine Frist (2Kön 24,1116). "Wenn ihr in diesem Land wohnen bleibt, so werde ich euch aufbauen und nicht niederreißen, euch einpflanzen und nicht ausreißen" (Jer 42,10a). 21 Beschneidung und religiöse Gebote, welche die Eigenart und die Abgrenzung zur Umwelt sicherten. Aber auch im ehemaligen Nordreich Israel lebten noch zahlreiche Menschen, die sich als Israeliten verstanden und der Landesreligion entsprachen. Unter den Bewohnern befinden sich neben der Jerusalemer und der Judäischen Oberschicht auch der Prophet Ezechiel, der uns unbekannte Prophet Deuterojesaja, eine priesterliche Gruppe, die wie damals z. Z. Salomos ein Geschichtswerk verfaßte, das von der Schöpfung bis zum Tod des Mose reichte (Gen 1,1 - Dtn 34,9, ohne die Schriften des Jahwisten, Elohisten und des Deuteronomisten, die im 10., 8. und 6. Jh. geschrieben wurden). "Die nicht deportierten Judäer hatten mit diesen Israeliten wahrscheinlich bald mehr gemein als mit den Deportierten. Der spätere Konflikt zwischen Heimkehrern und Daheimgebliebenen war also vorprogrammiert" (Maier, Zwischen den Testamenten, 43). Auf den Trümmern des Tempels sitzend, begann man über die Ursachen des Niedergangs des davidischen Reiches nachzudenken und versuchte eine Erklärung. Im übrigen durften die Exilierten relativ frei leben, Handel treiben und auch Häuser bauen (Jer 29,4-7). Nicht selten brachten es viele zu Wohlstand und Ansehen, so daß nach dem Sieg der Perser über das babylonische Reich viele nicht mehr nach Jerusalem zurückkehren wollten. Damit war der Grundstein gelegt für die spätere, einflußreiche jüdische Diaspora in Babylon. Die Antwort auf diese Fragen liefert uns ein Geschichtswerk, das bald nach 587 v. Chr. entworfen wurde. Es trug viele Schriften, Annalen, Tagebücher, ja scheinbar alle verfügbaren Quellen zusammen, orientierte sich am Gedankengut des Deuteronomiums und deutete die Geschichte von der Zeit des Mose bis zum Ende des davidischen Reiches. Martin Noth, der Entdecker dieser monumentalen Schrift, nannte es das Deuteronomistische Geschichtswerk, das noch vor der Entstehung des Pentateuch, die heutigen Bücher Dtn, Jos, 1+2Sam, 1+2Kön umfaßt. In demselben Geist wurden ebenfalls in der judäischen Heimat die Reden und Überlieferungen des Propheten Jeremia gesammelt, bearbeitet und zu einem Buch zusammengestellt. Aus derselben Zeit und demselben Ort stammen die Klagelieder und die Überlieferungen des Propheten Obadja, dessen Verkündigung sich gegen die unrechtmäßige Bereicherung beim Untergang Judas und Jerusalems durch Edom wendet. 5.4 Es gab aber auch solche, die Ps 137,1-6 anstimmten: "An den Strömen von Babel, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten. Wir hängten unsere Harfen an die Weiden in jenem Land. Dort verlangten von uns die Zwingherren Lieder, unsere Peiniger forderten Jubel: 'Singt uns Lieder vom Zion!' Wie könnten wir singen die Lieder des Herrn, fern, auf fremder Erde? Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verdorren. Die Zunge soll mir am Gaumen kleben, wenn ich an dich nicht mehr denke, wenn ich Jerusalem nicht zu meiner höchsten Freude erhebe." Das babylonische Exil (587-538 v. Chr) 5.5 Die von den Babyloniern verschleppten Judäer durften, anders als seinerzeit die Bewohner des Nordreiches unter den Assyrern, in Kolonien z. B. am Fluß Kebar in Babel versammelt (Ez 1,1) als Gemeinde wohnen. So bewahrten sie ihre ethnische Identität und damit ihren Glauben an den einen Gott. Die Heimkehr der Judäer und der Wiederaufbau des Tempels (538 v. Chr.) Als der Sieg des Perserkönigs Kyros den Judäern 538 v. Chr. wieder die Heimkehr ermöglichte, waren es die "Familienoberhäupter von Juda und Benjamin sowie die Priester und Leviten", die die Heimreise antraten, "um nach Jerusalem zu ziehen und dort das Haus des Herrn zu bauen" (Esr 1,5). Nachdem der Opferkult am Tempel weggefallen war, verlegte sich das religiöse Gewicht mehr auf das Wort, den Wortgottesdienst, den Sabbat, 22 Die liberale Religionspolitik der Perser gestattete den Wiederaufbau des Tempels und eine beschränkte Eigenverwaltung. Als erste forderten die Nachkommen der verschleppten Davididen, Scheschbazzar und dann allen voran Serubbabel, sowie die auf David und Salomo zurückreichende Dynastie der zadokidischen Priesterschaft (vgl. 2Sam 8,17; 1Kön 4,2), ihre angestammten Rechte in der alten Heimat. bedeutete für manche nach 2Kön 17,29-34 mit Nichtjuden und deren heidnischen Religionen - gleich. Ein Teil des Landadels wurde aus den judäischen Orten nach Jerusalem umgesiedelt (Neh 11,1), um so die Herrschaft am neuen Tempel, der 515 v. Chr. vollendet wurde, zu sichern. Mischehen zwischen der Landbevölkerung und den Heimkehrern wurden aufgelöst (Esr 9f), weniger aus ethnischen als aus religiös-rechtlichen Gründen. Für viele Heimkehrer bedeutete der Wiederaufbau des Tempels die ersehnte Heilszeit, ja für manche sogar die nahe Endzeit mit einem strafenden Eingreifen Gottes, wie der Prophet Sacharja (Sach2,1-13) schließen läßt. Aber auch Gegenstimmen wurden laut, die den Tempelbau geradezu torpedierten. Das religiöse Selbstverständnis der Rückkehrer war in scharfer Abgrenzung zur anders gearteten Umwelt geprägt worden und zeigte auch jetzt noch starke Tendenzen zur Absonderung nicht nur gegenüber anderen ethnisch-religiösen Gruppierungen, sondern auch gegenüber verschiedenen innerjüdischen Gruppen, wie etwa den Samaritanern. "Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße. Was wäre das für ein Haus, das ihr mir bauen könntet?" (Jes 66,1a). 5.5.1 Im Vergleich zu der seinerzeit in Juda zurückgebliebenen jüdischen Bevölkerung ist die religiöse Praxis der Rückkehrer als Radikalisierung zu verstehen (vgl. Dexinger, Judentum, 334). Die Führung Esras verpflichtete die Heimkehrer auf die Tora, um sie so auf eine verbindliche Rechtsbasis einzuschwören (Esr 10,7-17). Konflikte zwischen Heimkehrern, nichtexilierten Judäern und Israeliten Stillschweigend wird in dieser Zeit nun vorausgesetzt, daß die Tora - das Buch des Gesetzes des Mose - die nun, von der exilischen Gemeinde gehütet, weitergegeben wurde, jene war, die Mose am Sinai erhalten hatte (Neh 8,1-12). Erhobenen Hauptes und im Bewußtsein, das wahre Israel zu repräsentieren, kehrten viele Exilierte in das verarmte Judäa zurück. Dies mußte zu sozialen Spannungen mit der judäischen und israelitischen Landbevölkerung führen (vgl. Neh 5,1-6), zumal die persische Zentralverwaltung keine eigene judäische Provinz errichtete, sondern nur eine judäisch-samaritanische Verwaltung. Inwieweit zu diesem Zeitpunkt jene Tora schon mit unserem Pentateuch oder zumindest mit den priesterschriftlichen Gesetzen identisch ist oder eine andere Gesetzessammlung repräsentiert, wird kontrovers beurteilt, ist im wesentlichen aber auch nicht entscheidend. Für die spätere rabbinische Überlieferung blieb freilich Esra eng mit der schriftlichen Tora und ihrer Interpretation verbunden, so daß er als "Vater der Schriftgelehrsamkeit" (Maier, Judentum, 127) in die jüdische Geschichte einging. Konflikte traten aber auch zwischen den heimgekehrten Parteien untereinander auf. Der politische Flügel der Davididen unter den Bemühungen Serubbabels nach dem Muster davidischer Restauration scheiterte, da sich die Machtinteressen unter der politischen Oberhoheit der Perser nicht durchsetzen ließen und sogleich der "Heiligen Herrschaft" (Hierokratie) der Priesterschaft zuwider liefen. Der priesterliche Flügel unter den Zadokiden und Leviten, mit dem Wiederaufbau des Tempels und mit der Einführung des an die Zeit des ersten Tempels anknüpfenden Kultes beauftragt, scheint sich durchgesetzt zu haben. Bei Baubeginn des Tempels sperrte man die einheimische Bevölkerung kurzerhand aus (Esr 4,1-4) und setzte sie mit den Samaritanern - das 23