als pdf-datei

Werbung
Das Judentum
Reinhold Then
Teil B
Eine kultur- und religionsgeschichtliche
Einführung
Verantw. Hrsg.: Josef Ruf, GF des Religionspädagogischen Seminars der
Diözese Regensburg, © 1991, 3. Aufl, 1998, Alle Rechte vorbehalten
1
5.5.2
5.6
5.6.1
Inhaltsverzeichnis
1
Was jeder vom Judentum wissen muß
1
2
Inhalte im Religionsunterricht zum Thema
Judentum. Ein Kurzüberblick
2
3
Wer ist ein Jude?
11
4
4.1
4.1.1
4.1.2
4.1.3
4.2
Wichtige religiöse Literatur des Judentums
Die Bibel
Die hebräische Bibel (Tenach)
Die griechische Bibel (Septuaginta)
Das Targum
Die "mündlichen" Überlieferungen und Bibelauslegungen
Die Mischna
Der Talmud
Der Midrasch
Jüdische Traditionsliteratur (Grafik)
Antike jüdische Literatur außerhalb der Bibel
Mittelalterliche jüdische Literatur
Jiddische Literatur
13
15
15
17
20
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
4.3
4.4
4.5
5
5.0
5.1
5.2
5.3
5.3.1
5.3.2
5.3.3
5.3.4
5.3.5
5.4
5.5
5.5.1
Geschichte des Judentums
Einleitung
Die Väterzeit (18.-13. Jh.)
Exodus, Wüstenwanderung, Landnahme und
Richterzeit
Die Königszeit (10.-6.Jh.)
Saul und David (10. Jh.)
Die Salomonische Ära und die Zeit der getrennten
Reiche
Der Untergang des Nordreiches (722 v. Chr.)
Die erste judäische Deportation Judas (597 v. Chr.)
Der Untergang Judas und die Tempelzerstörung
(587 v. Chr.)
Das babylonische Exil (587-538 v. Chr.)
Die Heimkehr der Judäer und der Wiederaufbau des
Tempels
Konflikte zwischen Heimkehrern, nichtexilierten
Judäern und Israeliten
5.6.2
5.6.3
5.6.4
21
21
24
25
27
28
28
28
5.7
5.8
5.9
40
5.10
5.10.1
5.10.2
5.10.3
5.10.4
5.10.5
5.10.6
5.10.7
5.10.8
5.10.9
5.11
5.12
5.13
5.14
5.15
5.15.1
5.15.2
5.15.3
41
5.15.3 a
29
30
32
33
33
34
36
37
38
39
2
Die Trennung der Samaritaner von den Juden (4. Jh.)
Die hellenistische Periode Judas (ab 334 v. Chr.)
Die Nachfolger Alexanders des Großen und die
Makkabäer
Pompeius "befreit" Jerusalem (63 v. Chr.)
Herodes der Große
Frühjüdische Gruppierungen und Strömungen
1. Priester
2. Leviten
3. Zadokiden
4. Sadduzäer
5. Pharisäer
6. Hasidäer/Chasidim
7. Essener
8. Therapeuten
9. Zeloten
10. Sikarier
11. Johannes der Täufer und die Täuferbewegung
12. Judenchristen
Der jüdische Krieg (63-70 n. Chr.)
Die jüdische Diaspora im Frühjudentum
Das rabbinische Judentum bis zur islamischen
Eroberung
Das Judentum des Mittelalters
Das sefardische Judentum
Das aschkenasische Judentum
Die jüdische Mystik (Kabbala)
Die dunkle Seite des Mittelalters
Die Kreuzzüge
Der "Schwarze Tod" - Die Pest
Ritualmordlegenden und Hostienfrevel
"Kammerknechtschaft"
Vertreibungen (13. Jh.)
Auf dem Weg in die Neuzeit
Die jüdische Aufklärung (Haskala)
Der Antisemitismus
Der Massenmord an den Juden (Holocaust)
Zionismus und der moderne Staat Israel
Land und Menschen in Israel/Palästina
Palästina und Palästinenser
Das Ende des britischen Mandats in Palästina
und der Staat Israel bis 1987
Politische Struktur des Staates Israel
43
44
45
48
48
50
50
51
51
51
52
53
53
54
55
55
55
56
57
58
60
63
64
65
65
66
66
68
68
68
69
70
72
74
76
78
79
84
86
89
5.15.4
5.15.5
5.15.6
Israel und seine Nachbarn seit 1975
Der neueste Friedensprozeß
Der Vatikan und der Staat Israel
89
92
95
6
6.1
6.1.1
6.1.2
6.1.3
Der jüdische Alltag
Im Kreislauf des Lebens
Werdendes Leben bis zur Geburt
Frühe Kindheit und Beschneidung
Erziehung und Mündigkeit vor dem Gesetz
(Bar Mizwa)
Heirat
Das Alter
Sterben und Tod
Die Heiligung des Alltags
Jüdisches Beten
Jüdische Gebete
"Höre Israel" (Schma Israel)
"Achtzehn-Bitten-Gebet" (Schmone Esre)
"Heiliger" (Kaddisch)
Struktur des "Achtzehn-Bitten-Gebets
(Schmone Esre)
Das jüdische Jahr mit Festkalender
Das jüdische Jahr
Der Festkalender im einzelnen
Fest- und Fasttage im einzelnen
Der Sabbat
Die Feste der ernsten Tage
Das Neujahrsfest (Rosch Haschana)
Der Versöhnungstag (Jom Kippur)
Die Wallfahrtsfeste
Pascha
Wochenfest (Schavuot)
Laubhüttenfest (Sukkot) und Torafreudenfest
(Simchat Tora)
Weihe- und Lichterfest (Chanukka)
Das Losfest (Purim)
97
97
97
99
6.1.4
6.1.5
6.1.6
6.2
6.2.1
6.2.2
6.2.2.1
6.2.2.2
6.2.2.3
6.2.2.4
6.3
6.3.1
6.3.2
6.3.3
6.3.3.1
6.3.3.2
6.3.3.2.1
6.3.3.2.2
6.3.3.3
6.3.3.3.1
6.3.3.3.2
6.3.3.3.3
6.3.3.3.4
6.3.3.3.5
7
8
101
102
104
104
105
108
111
111
113
116
9
Paulus und das Judentum
153
10
Moderne Juden über Jesus und das
Christentum
157
11
Das christlich-jüdische Gespräch
161
12
Gemeinsamkeiten in der christlichen und
jüdischen Liturgie
163
Offizielle Verlautbarungen der katholischen
Kirche
A) Das II. Vatikanische Konzil
1. Nostra aetate
2. Dei Verbum 14-16
167
167
167
173
Anhang:
13
B) Die deutschen Bischöfe
I. Jesus Christus - unser Zugang zum
Judentum
II. Das geistliche Erbe Israels für die Kirche
III. Die Grundaussagen der Schrift und der
Kirche über das Verhältnis von Kirche und
Judentum
IV. Glaubensunterschiede
V. Umdenken
VI. Gemeinsame Aufgaben
116
118
118
120
122
122
130
130
131
133
134
141
14
14 a
14 b
141
142
143
14 c
14 d
Messiaserwartung im Judentum und
Christentum
145
14 e
14 f
Jesus und das Judentum
150
15
3
Anschriften jüdischer Einrichtungen
Zentralrat der Juden in Deutschland
Anschriften jüdischer Landesverbände und
Gemeinden
Jüdische Gemeinden in der Bunderepublik
Liberale Jüdische Gemeinden und Vereine
in Deutschland
Jüdische Gemeinden (Österreich)
Jüdische Gemeinden (Schweiz)
Gesellschaften für christlich-jüdische
Zusammenarbeit
175
175
175
185
194
195
200
202
2
2
2
2
2
2
2
16
Deutsch - Israelische Gesellschaften
2
17
Institute und Jüdische Sammlungen
in deutschen Bibliotheken
2
18
18 a
Deutschsprachige jüdische Publikationen
Seminare und Workshops
2
2
19
Literatur zum Judentum in Auswahl
(und zitierte Literatur)
2
20
Materialien, Hilfsmittel, Musiknoten, CD's
2
21
Internetadressen
2
22
Zahlen-Daten-Fakten, Die Info-Hotline
2
Nachtrag zur 2. Auflage:
Grundlagenvertrag zwischen dem Hl. Stuhl und dem
Staat Israel (1993)
• Jesus von Nazaret war, dem Fleische nach, ein Jude. Er lebte wie
ein Jude und dachte wie ein Jude. Jeder Christ beruft sich in
seinem Glauben auf Jesus. Es ist deshalb vorteilhaft, wenn er
Jesus auch als Juden kennt.
• In seinen Anfängen war das Christentum ein (Reform-)Judentum.
Die Christen der ersten Generationen verstanden sich als
endzeitliches Israel. Entsprechend hat das Judentum die Kirche
Christi in ihrer Geschichte geprägt. Viele Übereinstimmungen in
Christentum und Judentum lassen sich aus der gemeinsamen
Vergangenheit verstehen.
2
Nachtrag zur 3. Auflage:
Die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel
Wort der deutschen Bischöfe aus Anlaß des 50. Todestages
der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz
Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen
zu den Juden. Wir erinnern: Eine Reflexion über die Shoah
2
Karten
2
Stichwortverzeichnis
2
1
• Das Judentum gehört zu den großen Weltreligionen. Es verdient
deshalb, als selbständige Größe in seinem eigenen Selbstverständnis dargestellt zu werden. Der jüdische Baum - um ein
Bild zu gebrauchen - lebt bis zur Gegenwart von seiner Wurzel,
der Bibel (Altes Testament), die ihn immer wieder nährt und
trägt. Eine Beschreibung des Judentums wird deshalb von der
Bibel auszugehen haben.
2
2
Was jeder vom Judentum wissen muß
Jede Beschäftigung mit dem Judentum im katholischen Religionsunterricht sollte drei Aspekte berücksichtigen:
4
Liebe und Gerechtigkeit prägen das Gottesbild.
1 Sam 2,27; 3,21; 9,15; 2 Sam 7,27; Ijob 33,16; 36,10ff.
2 Inhalte im Religionsunterricht zum Thema
Judentum. Ein Kurzüberblick
1
Das Judentum in seinem Selbstverständnis
1.1
Hoffnung auf Zukunft
Es besteht Kontinuität in der Geschichte Israels und des Judentums in allen Epochen: Tempelzerstörungen bedeuten Neuorientierung, jedoch nicht den Hinweis auf ein heilsgeschichtliches
Gefälle.
Der mißverständliche Begriff Spätjudentum wird seit Jahren durch
den zutreffenderen Begriff Frühjudentum ersetzt. Die Geschichte
Israels hat einen eigenständigen Wert. Nur im Glauben eines
Christen findet die Geschichte Israels in Jesus Christus ihr Ziel.
1.1.1
Von Abraham bis zur Zerstörung des 1. Tempels
Gen 12 bis 1 Kön 25; 1 und 2 Chr.
1.1.2
Von der Zerstörung des 1. Tempels bis zur Zerstörung
des 2. Tempels
Esr; Neh; 1 und 2 Makk; Jer 39-44; Ez; Hag; Sach; Mal.
1.1.3
Von der Zerstörung des 2. Tempels bis zur islamischen
Eroberung
1.1.4
Von der islamischen Eroberung bis zur jüdischen Aufklärung
1.1.5
Von der jüdischen Aufklärung bis heute
1.2
Gott
1.2.1
Einzigartigkeit Jahwes
Dtn 6,4; 5,8; Ex 3,14; 20,4; 1 Kön 18; Jes 41,24.29; 44,9.
1.2.2
1.2.3
Schöpfer
Gen 1,1-2,4a; 2,4b-3,24; Jdt 9,7; 16,15-19; Ijob 3,8; Ps 8; 19,1-7;
104; 93,2; 96,10; 139,7-12; Spr 8,23-30; Weish 9,1-3; Sir 24,3-8;
Jes 41,4; 44,6; 48,12.
Vater
5
1.2.4
Offenbarer
Offenbarung Gottes im AT ist nie theoretisch. Sie wird immer
durch Gottes Handeln an Welt und Mensch in der Geschichte
verdeutlicht:
Gen 32,22-32; Dtn 4,32-34; 29,29; Ps 147,19f; 119,18; Am 3,7.
1.2.5
Erlöser
Dahinter steht meist der Loskauf aus der Knechtschaft und damit
die Befreiung.
Ex; Dtn 7,8; 13,6; Ijob 19,25.
1.3
Bund
Bund meint Vertrag, Verpflichtung. Er kann eine einseitige
Verpflichtung sein, so z.B. Gen 9,8-17 oder eine gegenseitige
Verpflichtung, so z.B. Gen 17.
Der Bund wird häufig mit der Bundesformel eingeleitet: "Du wirst
mein Volk sein, ich werde dein Gott sein"
Somit sind Gesetze als Bundesurkunden anzusehen:
Ex 19; Lev 17-26.
Der einmal geschlossene Bund zwischen Gott und seinem Volk
wird niemals aufgehoben.
Gen 17,19; Ri 2,1; Sir 17,12; Jer 31,31-34.
1.3.1
Tora
Die Tora ist eine lebensspendende "Weg-Weisung", nicht ein
reglementierendes "Gesetz". Sie enthält den jüdischen Heilsweg,
ist Geschenk Gottes und Zeichen der Erwählung.
Jesu Kritik an der Tora ist eine innerjüdische Auseinandersetzung. Jesus und Judenchristen halten an der Tora fest, d. h.,
das AT behält für Christen seine Verbindlichkeit.
1.3.2
Abraham
Gen 15; 17; Ex 2,24; 1 Chr 16,15-17.
1.3.3
Mose
Ex 19; 31,18.
1.3.4
Könige
David:
2 Sam 23,5; Ps 89,4.29; Sir 45,25.
Joschija: 2 Kön 23,3.
1.5.2
1.3.5
Propheten
Jer 31,31-24; 32,37-41; Ez 16,60-63; 34,25-31; 37,15-28; Hag 2,5.
1.5.2.1 "Höre Israel" (Sch’ma Israel)
1.4
Land und Volk
Die Gabe des Landes ist Zeichen der Erwählung durch Gott für
sein Volk. Die Verheißung an Abraham ist durch die Führung des
Volkes Israel in das Land Kanaan erfüllt.
1.4.1
Abraham
Gen 12,1-3
1.4.2
Landverheißung
Gen 12,1-3.7; 15,7ff.
1.4.3
Exodus
Ex 1-15
1.4.4
Landnahme
Ex 3,8; 13,5; Dtn 6,3; 11,8f; Jos 5,6f; 21,43-45.
1.4.5
Jerusalem
"Stadt Gottes" Ps 87,3.
"Tochter Zion" Jes 62,11; Dtn 12,5.21; Ez 47,1-12; Ps 122,6.
1.4.6
Diaspora
Jes 27,12f; Joh 7,35.
1.4.7
Staat Israel
Der Staat versteht sich durch göttliche Zusagen legitimiert und
besitzt damit religiöse Bedeutung. Seine Gründung wurde durch
die zionistische Bewegung vorbereitet und durch den Holocaust
entscheidend motiviert: "Haus gegen den Tod"
1.5
1.5.1
Hauptgebete
1.5.2.2 "Achtzehn"-Bittengebet (Sch’mone Esre)
1.5.2.3 Kaddisch
1.5.3
Festbräuche
1.5.4
Hauptfeste
1.5.4.1 Sabbat
Gen 2,2-3; Ex 23,12; 31,16f; Hos 2,11; Num 28,9f.
1.5.4.2 Neujahrsfest
1.5.4.3 Versöhnungstag
1.5.4.4 Pascha
Ex 12,1-49; 23,18; Dtn 16,1-8; Lk 22,15; 1 Kor 5,7.
1.5.4.5 Wochenfest
1.5.4.6 Laubhüttenfest
1.5.4.7 Weihe- und Lichterfest
1.5.4.8 Purim "Fest der Lose"
Gottesdienst
Wesentlich ist die innere Hingabe an Gott und damit an den
Menschen:
Hos 6,6; Jes 58,6f.
Synagoge
"Versammlungsraum", "Ort der Begegnung mit Gott"
6
1.6
Messiaserwartung
1.6.1
Messias
1.6.2
Gesalbter:
Der König
1 Sam 10,1.16.13; 2 Sam 2,4; 5,3; 1 Kön 1,39; 19,16; 2 Kön 9,6;
11,12.
1.6.3
Gesalbter:
Der Priester
Lev 4,3.5.16; 6,15.
(deutsch: Der Gesalbte)
Die Evangelien bezeugen uns, daß Jesu Leiden und Tod Gottes
Heilswillen verdeutlichen. Damit sind historische Rückfragen
erschwert. Die Hauptverantwortung für Jesu Hinrichtung liegt beim
römischen Statthalter Pontius Pilatus, der ein politisches Urteil fällt.
Sadduzäische Anführer begünstigen das Urteil, weil sie mit Jesu
Tempelwort den Tempeluntergang und damit einen Umsturz
befürchten.
Der Prozeß vor dem Hohen Rat ist aufgrund der widersprüchlichen
Angaben in der Passionsgeschichte für eine historische
Rekonstruktion problematisch. Die Pharisäer spielen bei der
Verurteilung Jesu keine Rolle. Pauschale Schuldzuweisungen für
Jesu Tod wie "die Juden" sind historisch unzutreffend und
theologisch nicht gerechtfertigt.
1.6.4
Gesalbter:
Der Prophet
1 Kön 19,16; Jes 61,1; Sir 48,8.
1.6.5
Gesalbte:
Die Väter
1 Chr 16,22; Ps 105.
1.6.6
Gesalbter:
Ps 17
1.6.7
Pseudomessiase
Bar Kochba; Schabbtai Zwi; Jakob Frank.
2
Moderne Juden über Jesus und das Christentum
3
Jesus als Jude
4
(Ur-)Christentum und Judentum
3.1
Jesu Leben als Jude
4.1
Gemeinsamkeiten
3.2
Ethik und Botschaft Jesu
Sie haben ihren Ausgangspunkt vor dem atl.-frühjüdischen Hintergrund. Jesu Botschaft hat viele Parallelen im jüdischen Denken:
Nächstenliebe:
Lev 19,18
Feindesliebe:
Ex 23,4f; Spr 25,21f; Sir 27,30-28,3.
4.1.1
3.3
Jesus und seine Gegner
3.3.1
Pharisäer
3.3.2
Sadduzäer
3.3.3
Hoher Rat
Er ist eine politische und religiöse Körperschaft in Palästina in
griechisch-römischer Zeit. Den Vorsitz führt der Hohepriester.
Interne Streitigkeiten bestehen zwischen Sadduzäern und
Pharisäern.
Hl. Schrift
Die Bibel Jesu und des Urchristentums, das Alte Testament, ist bis
heute für jeden Juden verbindlich. AT und NT der Christen
enthalten die Botschaft Gottes zum Heil der Menschen. Das AT
darf deshalb nicht gegen das NT abgewertet werden. Das AT,
neuerdings versuchsweise das Erste Testament (Erich Zenger)
genannt, hat als Wort Gottes auch den Christen unverkürzt seine
Botschaft zu sagen.
Gottes Offenbarung an Jesus Christus ist nicht ohne das AT
verständlich, da das Urchristentum Ereignisse und Weissagungen
des AT auf Christus gedeutet hat.
Messianisch gedeutete Texte sind u.a.
Gen 49,9f; Num 24,17-19; 2Sam 7,14; Ps 2; 72; 110; Jes 7,14;
9,1-6; 11,1-5; Mich 5,1f.
Typologisch gedeutete Texte sind:
Adam-Christus: Röm 5,12-21.
Melchisedek-Christus: Hebr 7,1-23.
3.4
Autorität und Anspruch Jesu
Reden Jesu in Vollmacht:
wie ein Prophet:
mit messianischem Anspruch:
4.1.2
Gottesglaube
Der Gott des AT und NT ist derselbe. Juden und Christen beten
zum selben Gott.
4.1.3
Ethik
3.5
Der endzeitliche Retter
Mk 1,22
Mk 8,21
Mk 8,22
Verantwortung für Jesu Tod
7
Die christliche Ethik gründet in der jüdischen (Jesus und Paulus
waren praktizierende Juden). Alle wesentlichen Weisungen der
Tora haben für Christen immer noch Gültigkeit (z.B. Dekalog,
Gottes- und Nächstenliebe, Feindesliebe).
Hinweise für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in
der Predigt und in der Katechese der katholischen Kirche vom 24.
Juni 1985
5.3
5.3.1
Die deutschen Bischöfe
Erklärung über das Verhältnis der Kirche zum Judentum vom
28.04.1980.
4.2
Unterschiede
4.2.1
Ostern
5.4
Einrichtungen für ein christlich-jüdisches Gespräch:
4.2.2
Schriftverständnis: Verheißung/Erfüllung
Die zwischen Juden und Christen abweichende Schriftdeutung
beruht auf dem Glauben an Jesus Christus.
5.4.1
Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum
des vatikanischen Einheitssekretariats
4.2.3
Paulus und das Gesetz/Judentum
5.4.2
Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit
4.2.4
Alter/Neuer Bund
Das Schema Alter/Neuer Bund darf nicht zu Lasten des
Judentums gedeutet werden. Der sog. Neue Bund (Jes 31,31-33)
bestreitet nicht die gegebene Heilszusage Israels vgl. Ez 16,60.
Der Alte Bund bei Paulus (Gen 4,21-31; 2 Kor 3,4-11) muß im
Licht von Röm 9,4; 11,25-27 gesehen werden.
Ein "Veralten" des "ersten Bundes" (Hebr 8,13; 8,1-10,18) unter
christologischer Akzentsetzung meint den gleichen Vorbehalt wie
bei Paulus.
"Neuer Bund" in Jesus Christus enthält keine Sinnspitze gegen
Israel, da Gottes Gnade und Berufung unwiderruflich sind (vgl.
Röm 11,29).
5.4.3
Koordinierungsrat für christlich-jüdische Zusammenarbeit
5.4.4
Gesprächskreis Juden und Christen
5.4.5
Zeitschriften zum christlich-jüdischen Dialog
5.3.2
5.4.5.1 Freiburger Rundbrief
5.4.5.2 Informationsdienst des Vatikanischen Einheitssekretariats
5.4.5.3 Bibel und Israel
5.4.5.4 Kirche und Israel
5
Christlich-jüdisches Gespräch
5.1
Die katholische Kirche in ihren Verlautbarungen
5.1.1
Das II. Vatikanische Konzil
5.1.1.1 Nostra aetate
5.1.1.2 Dei Verbum 14-16
5.2
Kommission
Judentum.
für
die
religiösen
Beziehungen
zum
8
3
sowohl die Volkszugehörigkeit als auch die Zugehörigkeit zur religiösen
Gemeinschaft bezeichnen kann.
Wer ist ein Jude?
Trotz vieler Ausnahmen und Sonderregelungen kann festgehalten werden:
Jude ist im jüdischen Sinne,
•
•
•
In der nachfolgenden Zeit stehen im hebräisch-aramäischen und im
griechischen Sprachgebrauch die Bezeichnungen "Israel(it)" und "Jude"
austauschbar nebeneinander.Für die älteste Zeit des Judentums spricht
das Alte Testament von "Israel(it)".
wer eine jüdische Mutter hat,
wer beschnitten ist (vgl. Gen 17) und wenn möglich
wer an Jahwe, den einzigen Gott Israels, glaubt (Dtn 6,4).
Seit der Reichstrennung nach dem Tod Salomos (1Kön 12) erhält der
Begriff "Israel" eine doppelte Bedeutung. Er bezeichnet das Nordreich mit
den zehn Stämmen, denen das Südreich "Juda" mit den Stämmen Juda
und Benjamin gegenübersteht. "Israel" bleibt aber auch Bezeichnung für
den gesamten Volkskörper.
Es gibt jedoch drei Sonderregelungen:
1.
Ein Heide oder ein Christ, der sich zum Judentum bekehrt, sich also
beschneiden läßt und an Jahwe, den einzigen Gott Israels glaubt, ist
nach dieser Definition kein Volljude, denn er hat keine jüdische
Mutter. Man bezeichnet ihn als Proselyt (griech.: Hinzugekommener).
2.
Eine Vielzahl moderner Juden fühlt sich nicht gläubig. D.h., der
Glaube an den Gott ihrer Väter bedeutet ihnen nichts. Sie haben
aber eine jüdische Mutter und sind beschnitten. Können diese Juden
noch als Juden bezeichnet werden? Wenn auch die religiöse
Bindung zum Judentum fehlt, so rechnet man sie meist doch zum
jüdischen Volk, wie dies auch ethnisch definiert sein mag. Eine
abschließende Diskussion bei den Rabbinen über die areligiöse
Haltung von Juden gibt es noch nicht.
3.
Eindeutig nicht mehr zum Judentum gehört, wer trotz jüdischer
Mutter und Beschneidung sich zu einer fremden Religion bekennt.
Eher negativ wird die Frage beantwortet, ob moderne
Judenchristen, dies sind meist Juden, die sich zum Christentum
bekennen, ohne ihr Judesein aufgeben zu wollen, noch als Juden
anerkannt werden können. Eine Ehe zwischen Juden und Christen
gilt jedenfalls nach jüdischem Recht des Staates Israel als nicht
existent, da davon ausgegangen wird, daß die Kinder getauft
werden und somit einer anderen Religion angehören.
In der Literatur ist es üblich, für die Zeit vom Exodus bis zum Ende des
Exils (12. Jh. v. Chr. bis 538 v. Chr.) die Begriffe "Israel" und "israelitisch"
und in nachexilischer Zeit (ab 5. Jh. v. Chr.) die Begriffe "Judentum" und
"jüdisch" zu verwenden. Die unterschiedliche Terminologie weist nicht
auf geschichtliche Diskontinuität, sondern nur auf verschiedene
gesellschaftliche Erscheinungsformen hin. So meinen auch die
Bezeichnungen "Volk Israel" und "jüdisches Volk" ein und dasselbe.
Die Bezeichnung Jude, Israelit - Israel, Judentum
Die ausdrückliche Bezeichnung "Jude" und von daher auch der
abgeleitete Name "Judentum" findet sich in den alten Quellen erstmals in
Sach 8,23 und im Buch Ester. Hier hat das Wort jehudi die Bedeutung
"Jude" bzw. "jüdisch" angenommen, und zwar in dem Sinne, daß es
9
4
4.3.4.4 Das slawische Henochbuch
4.3.4.5 Die Sibyllinischen Orakel
Wichtige religiöse Literatur des Judentums
Jüdische Literatur (Auswahl)
Überblick
4.1
4.1.1
4.1.2
4.1.3
Die Bibel
Die hebräische Bibel (Tenach)
Die griechische Bibel (Septuaginta)
Das Targum
4.2
4.2.1
4.2.2
4.2.3
4.2.4
Die "mündlichen" Überlieferungen und Bibelauslegungen
Mischna
Talmu
Midrasch
Jüdische Traditionsliteratur
4.3
4.3.1
4.3.1.1
4.3.1.2
4.3.1.3
4.3.1.4
4.3.1.5
4.3.1.6
Antike jüdische Literatur außerhalb der Bibel
Apokalyptische Literatur
Äthiopischer Henoch
Syrischer Baruch
4 Esra
Himmelfahrt des Mose
Martyrium des Jesaja
Leben Adams und Evas
4.3.2
4.3.2.1
4.3.2.2
4.3.2.3
4.3.2.4
4.3.2.5
4.3.2.6
Handschriftenfunde aus Qumran
Die Regel der Einung
Die Damaskusschrift
Die Kriegsrolle
Der Habakuk-Kommentar
Die Loblieder
Die Tempelrolle
Mittelalterliche jüdische Literatur
Pijut
Schulchan Aruch
Pessach-Haggada
Sohar
4.5
Jiddische Literatur
4.6
Modern hebräische Literatur
Jüdische Literatur (Auswahl)
Erklärungen
4.1
Die Bibel
4.1.1
Die hebräische Bibel (Tenach)
Die hebräische Bibel ist Teil der Offenbarungen Gottes an Israel. Doch
heißt diese hebräische Bibel nicht wie bei den Christen Altes Testament,
sondern Mikra (das zu Lesende, d.h. die Schrift) oder Kitbe haqodäsch
(Heilige Schriften) oder Tenach. Dies ist die Abkürzung für Tora
(Pentateuch), Nebiim (Propheten: Jos - 2Kön und Jes - Mal) und
Ketubim (die "übrigen" Schriften). Die Konsonanten von Tenach sind
den Anfangsbuchstaben dieser drei Buchgruppen entlehnt (der K-Laut im
Hebräischen wird, sobald ein Vokal vorausgeht, zum Ch-Laut, deshalb
Tenach und nicht Tenak). So hat man mit diesem abstrakten Wort einen
wertneutralen Begriff gefunden.
Das Christentum hatte mit der Bezeichnung Altes Testament das
Adjektiv "alt" doch häufig im Sinne von "überholt" mißverstanden und
nicht, wie es angemessen verstanden werden müßte, als "älter"
aufgefaßt. Das ältere Testament gegenüber dem jüngeren, dem Neuen
Testament.
Neuerdings wurde von Erich Zenger versuchsweise der Begriff "Erstes
Testament" eingeführt, um damit den mißverständlichen Begriff "alt" zu
umgehen.
4.3.3 Aus dem Einflußgebiet der Qumrangemeinde
4.3.3.1 Das Jubiläenbuch
4.3.3.2 Die Testamente der zwölf Patriarchen
4.3.4
4.3.4.1
4.3.4.2
4.3.4.3
4.4
4.4.1
4.4.2
4.4.3
4.4.4
Hellenistische Literatur aus Ägypten
Der Aristeas-Brief
Das 3. Makkabäerbuch
Das 4. Makkabäerbuch
10
Die hebräische Bibel zeigt in ihrem dreiteiligen Aufbau mit ihren 39
Schriften im Gegensatz zum christlichen Alten Testament ein qualitatives Gefälle:
versuchten zwar noch orthodoxe Juden ob dieser Blasphemie beim
preußischen Kaiser zu intervenieren, doch die wissenschaftlich kontrollierte Exegese konnte nicht mehr aufgehalten werden.
Die Tora ist am würdigsten, weil sie die verbindliche Sinaioffenbarung
enthält. Ihr Inhalt ist nach jüdischem Glauben auf Geheiß Gottes von
Mose direkt niedergeschrieben worden.
So gibt es im Judentum heute zwei Lager: die einen, die Orthodoxen,
die nach wie vor an der wörtlichen Inspiration, der Autorschaft des Mose
für die Tora, festhalten und die anderen, die Liberalen, die der modernen
Pentateuchkritik folgen, wonach die Tora in verschiedene Quellen
aufgeteilt werden muß. Ihre Überlieferung ist über Jahrhunderte
gewachsen, bis sie zu dem wurde, was uns heute als Pentateuch vorliegt.
Die zweite Abteilung, die Nebiim, die Propheten, wurden zwar durch
Propheten weitergegeben oder niedergeschrieben, doch kommt ihnen
nicht mehr die gleiche Offenbarungsqualität zu wie der Tora.
Den geringsten Grad an Autorität innerhalb der hebräischen Bibel
genießt die dritte Abteilung, die Ketubim, die "übrigen" Schriften allerdings gelten auch sie wie die ganze Bibel als "Wort Gottes".
Diese Beobachtung findet ihren Niederschlag in der Verwendung des
Tenach im synagogalen Gottesdienst:
4.1.1
Die griechische Bibel (Septuaginta)
Die Septuaginta (griech.: siebzig, häufig auch mit LXX (70) abgekürzt)
ist eine der griechischen Übersetzungen des Frühjudentums. Im
Aristeasbrief, einer legendären Erzählung aus dem 1. Jh. v. Chr., entstanden in Alexandrien, wird überliefert, wie es zur griechischen Übersetzung der Tora, des Pentateuch, gekommen ist:
Die Tora (Pentateuch) wird regelmäßig und in fortlaufender Folge am
Sabbat gelesen.
Die Propheten
werden nur in Auswahl und zur
Toralesung passend gelesen.
Die Schriften
finden in der liturgischen Schriftlesung
nahezu keine Verwendung.
Eine Ausnahme machen nur die fünf
"Festrollen"),
die
an
bestimmten
Festtagen gelesen werden.
Hld zu Pesach, Rut zu Schawuot, Klgl zu
Tischa be Aw, Koh zu Sukkot, Est zu
Purim.
Aristeas erzählt in einem Brief an seinen Bruder Philokrates, der
ptolemäische Herrscher in Ägypten, Ptolemaios II. (282-246 v. Chr.),
wünsche in seiner berühmten Bibliothek in Alexandria auch die
hebräische Bibel der Juden in Umschrift und Übersetzung. Aristeas reist
im Auftrag Ptolemaios mit einer Gesandtschaft nach Jerusalem und bittet
den Hohenpriester Eleasar um Übersetzer.
72 Männer - sechs aus jedem Stamm Israels - reisen nach Ägypten auf
die Insel Pharos (in der Nähe von Alexandria) und übersetzen in 72
Tagen die Tora. Jeder einzelne sitzt in einer Höhle und übersetzt für sich
alleine die Tora. Am Ende stellt sich heraus, daß alle Übersetzer genau
gleich übersetzt haben.
Im orthodoxen Judentum wird diese qualitative Abstufung der
hebräischen Bibel auf die vorausgesetzte wörtliche Inspiration zurückgeführt. Für die Tora nimmt man an, Mose habe sie am Sinai - wie geschrieben steht - von Gott so erhalten, wie sie auch heute noch überliefert wird.
Historisch zutreffend ist, daß in dieser Zeit die hebräische Bibel ins
Griechische übersetzt wurde; zunächst die Tora, dann die Propheten
und dann die übrigen Schriften. Daß die Übersetzung auf eine wörtliche
Inspiration zurückzuführen ist, versucht man durch legendäre
Ausschmückungen zu untermauern: 12 x 6 Übersetzer, in 72 Tagen,
jeweils voneinander unabhängig, eine wörtlich übereinstimmende
Übersetzung.
Zweifel an dieser Einschätzung wurden im Judentum erst seit der
Aufklärung angemeldet (z. B. Baruch Spinoza (1632-1677) in seinem
Tractatus Theologico-Philosophicus).
Als im 19. Jh. in der protestantischen Theologie die kritische Exegese
einsetzte und die Autorschaft des Mose für die Tora widerlegt wurde,
11
Umstritten ist, für wen die Übersetzung angefertigt wurde. Sollte es eine
Streitschrift der Juden für Nichtjuden sein, denn die Heiden verstanden ja
kein Hebräisch? Oder galt die Übersetzung den eigenen
Glaubensgenossen, die in der weitläufigen, aufgeklärten Weltstadt
Alexandria kein Hebräisch mehr konnten und denen damit die eigene
Überlieferung nahegebracht werden sollte?
Deuterokanonische Schriften und Apokryphen
Ferner umfaßt die alexandrinische Bibel oder der alexandrinische Kanon,
wie die griechische Bibel auch noch genannt wird, biblische Bücher, die
in der hebräischen Bibel fehlen. Hierzu gehören die bib-lischen Bücher:
3Esra, Jesus Sirach, Weisheit, 1-4 Makk, Tobit, Judit, Baruch, Brief des
Jeremia, Zusätze zu Daniel, Gebet des Manasse und Ps 151.
Man darf auch nicht übersehen, daß Hebräisch seit dem Exil (6. Jh. v.
Chr.) eine tote Sprache war, die nur noch in der Liturgie verwendet
wurde. Man sprach Aramäisch bzw. seit dem 3. Jh. v. Chr. Griechisch.
Das bedeutet also: Die LXX (Septuaginta) ist eine Übersetzung von
Juden für Juden. Auch scheint es zu diesem Zeitpunkt noch andere
griechische Übersetzungen gegeben zu haben, die mit der Aristeaslegende zugunsten der inspirierten LXX abgewertet werden sollten.
Die katholische Kirche nennt die biblischen Bücher, die sie aus der
griechischen Bibel in ihren verbindlichen Kanon übernommen hat, die
jedoch nicht in der hebräischen Bibel enthalten sind, "Deuterokanonen"
oder "deuterokanonische" Bücher.
Sie meint damit, daß diese Bücher einem zweiten (griech.: deuteros),
dem alexandrinischen Kanon angehören. Diese griechischsprachigen
Bücher werden in der katholischen Kirche zu Recht mit gleicher
Wertschätzung geachtet wie die anderen biblischen Bücher. Nur die
Bücher 3 Esra; 3-4 Makk; Gebet des Manasse und Ps 151 nennt sie
apokryph.
Heute weiß man aufgrund genauer sprachlicher Untersuchungen, daß
die einzelnen biblischen Bücher je für sich und von verschiedenen
Übersetzern angefertigt wurden. Zunächst bedurfte es einer Übersetzung der Tora, die am wichtigsten schien. Hier sind die Übersetzungen auch noch relativ genau. Doch muß man sich bewußt sein,
daß jede Übersetzung in eine andere Sprache eine Übertragung ist, die
nicht genau den Sachverhalt wiedergeben kann.
Anders ist dies in den protestantischen Kirchen. Sie nennen die
deuterokanonischen und apokryphen biblischen Bücher der katholischen
Kirche allesamt "Apokryphen". Nach Luther dienen sie der geistlichen
Erbauung, sind aber nicht den Büchern der hebräischen Bibel
gleichwertig.
Das frühe Christentum bediente sich dieser Übersetzung. Paulus
benützte die LXX und übersetzte nicht etwa, wenn er zitierte, aus der
hebräischen Bibel. Jesus hingegen sprach Aramäisch, rezitierte aber in
der Synagoge wahrscheinlich aus der hebräischen Bibel.
Warum die Rabbinen die "deuterokanonischen" Bücher im 1. Jh. n.
Chr. nicht in ihre hebräische Bibel aufgenommen haben, ist bis heute
nicht geklärt. Manche meinen, dies sei geschehen, weil die frühe Kirche
die griechische Bibel verwendete. Wollte man sich von dieser
Übersetzung distanzieren und dem ursprünglichen hebräischen Text
folgen? Doch ist dieses Argument für das 1. Jh. n. Chr. nicht zwingend,
da das Christentum zu diesem Zeitpunkt auch für das Judentum noch
eine geringe Bedeutung hatte.
Die Protestanten meinten im 16. Jh., man solle dem hebräischen
Grundtext folgen und nicht einer Übersetzung. Deshalb schlossen sie
sich in der Buchabgrenzung der hebräischen Bibel an und nicht der
griechischen. Die nur griechisch erhaltenen Bücher seien daher auch
weniger wert.
Ein Phänomen sei noch genannt: Die griechische Bibel ist umfangreicher
als die hebräische. Einmal differieren die einzelnen Buchlängen voneinander. Das hebräische Jeremiabuch z.B. ist um etwa 1/3 kürzer als
das griechische Jeremiabuch. Diese Erscheinung dürfte ihre Erklärung
wohl in der Vorlage des griechischen Übersetzers finden, die nicht mit
anderen hebräischen Ausgaben identisch war. Damit ist gesagt, daß der
hebräische Text vor der Zeitenwende noch keine normativ
verbindliche Gestalt hatte.
Allein die Tora, der Pentateuch, war quantitativ relativ genau abgegrenzt,
die Propheten und die übrigen Schriften konnten je nach Textausgabe
unterschiedliche Längen aufweisen. Die archäologischen Funde in
diesem Jahrhundert bestätigen diese These.
Bis ins 19. Jh. glaubten die Protestanten, die griechische Sprache sei
auch der Grund gewesen, weshalb die Rabbinen diese Schriften aus
ihrer Bibel ausgesperrt hätten. Als man um die Jahrhundertwende den
12
griechischen Jesus Sirach in einer Kairoer Synagoge des frühen
Mittelalters auch in Hebräisch fand, wurde dieses sprachliche Argument
für die Auswahl der Bücher hinfällig.
4.1.3
Mischna (Wiederholung, Lehre, Studium) meint das stetige Lernen der
"mündlichen" Überlieferungen durch Wiederholung im Gegensatz zum
Einprägen der schriftlich fixierten Bibel.
Für das Judentum war schon bald deutlich, daß die in der "schriftlichen"
Tora (Pentateuch) geoffenbarten 613 Gebote (davon 365 positiv und 248
negativ) nicht die gesamten Offenbarungen Gottes für Israel gewesen
sein konnten.
Das Targum
Das Hebräische der früheren Königszeit geriet immer mehr in
Vergessenheit, als in nachexilischer Zeit (ab 538 v. Chr.) die nach Israel
Zurückgekehrten nur noch Aramäisch sprechen konnten. Hebräisch fand
zwar noch Anwendung im Gottesdienst bei der Rezitation der Tora oder
anderer Teile der Hl. Schrift, soweit sie schon ausgebildet waren.
Die vielen alten Gesetze und Regelungen, die nicht in den 613 Geboten
festgehalten wurden, bedurften einer begründeten Verbindlichkeit und
fanden deshalb in der rabbinischen Überlieferung eine Erklärung: Mose
mußte noch weitere Offenbarungen am Sinai erhalten haben, die er
allerdings nicht alle niedergeschrieben, sondern mündlich weitergegeben hatte.
Doch das gewöhnliche Volk empfand das Hebräische bald als fremde,
unverständliche Sprache, so daß die Hl. Schrift entweder gleich in
Aramäisch verfaßt wurde, so Dan 2,4-7,28; Esr 4,8-6,18; 7,12-26 oder in
die Umgangssprache (Aramäisch) übertragen werden mußte. Neben
der hebräischen Lesung der Hl. Schrift bildete sich so eine Überlieferungstradition aus, die, meist mit entsprechender Auslegung versehen, für die Späteren die maßgebliche Deutung der Bibel darstellte.
Die Mischna ist ein Versuch, diese über Generationen weitergegebenen,
mündlichen Überlieferungen in einem Werk, mehr oder weniger
geordnet, schriftlich festzuhalten.
Gesammelt wurden in diesem Corpus im wesentlichen jüdische
Religionsgesetze. Für einen Juden hat diese "mündliche" Tora einen
ähnlichen, für manchen sogar den gleichen Stellenwert wie die
"schriftliche" Tora selbst.
Diese mündliche aramäische Übersetzungstradition nannte man Targum
(Übersetzung, Plural: Targumim). Sie wurde in der Folgezeit schließlich
schriftlich aufgezeichnet und liegt uns heute in teilweise alten
Handschriften als sogenanntes Targumim vor.
Zu den wichtigsten noch erhaltenen Targumim zählen:
•
•
•
•
•
Ein Satz aus der Mischna verdeutlicht, weshalb dies so ist:
"Mose erhielt die Tora vom Sinai und überlieferte sie Josua
und Josua den Ältesten und die Ältesten den Propheten, und
die Propheten überlieferten sie den Männern der Großen
Synagoge. Diese stellten drei Sätze auf: Seid vorsichtig beim
Richten! Stellt viele Schüler auf! Macht einen Zaun um die
Tora!" (Aussprüche der Väter, 1,1).
Kodex Neofiti zum Pentateuch (aus vorchristlicher Zeit)
Targum Onkelos, im 3. Jh. n. Chr. in Babylonien vollendet
Targum Pseudojonathan oder Targum Jeruschalmi I
Targum Jonathan zu den Propheten
Targum zu Ijob, Ps, Spr, den fünf Festrollen (Rut; Hld; Klgl; Koh
und Est) und Chr
4.2
Die
"mündlichen"
Bibelauslegungen
4.2.1
Die Mischna
Überlieferungen
Damit ist gesagt, daß die "mündliche" Tora unabhängig von der
"schriftlichen" gegeben wurde und keiner Begründung aus der
"schriftlichen" bedurfte, ja daß sie die "schriftliche" quantitativ erheblich
übertrifft und für das jüdische Leben die eigentliche Rolle spielt (vgl.
Maier, Zwischen den Testamenten, 17).
und
Die ältesten Teile der Mischna dürften noch bis in die Zeit des zweiten
Tempels zurückreichen. Der Abschluß der Sammlung liegt im 2. Jh. n.
13
Chr. Die Endredaktion wird Rabbi Jehuda ha-Nasi zugeschrieben, kurz
"Rabbi" genannt. Es wurde eine Fixierung der vielfältigen mündlichen
Überlieferungen nötig, als nach dem Jüdischen Krieg Jerusalem, der
Tempel und die damit zusammenhängende Infrastruktur wegfielen. Es
gab kein Schlachtopfer mehr, keine Tempeltheologie, keinen
Tempelpriester, keine Sadduzäer. Jerusalem verlor als theologisches
Zentrum an Bedeutung.
5. Ordnung Qodaschim (Heiliges), enthält 11 Traktate:
Regelungen über das Schlachtopfer, das Speiseopfer, über das
Schlachten der nicht zum Opfer bestimmten Tiere, die Ablieferung der
Erstgeburten bei Vieh an die Priester, Ersatzleistungen, Erläuterungen
über Maße und Einrichtungen des Tempels.
6. Ordnung Toharot (Reinheiten), enthält 12 Traktate:
Regelungen über Reinheit und Unreinheit bei Frauen, bei Geräten, bei
Toten, bei Nahrungsmitteln usw.
Diese Zeit überlebte eine liberale, volksnahe Gruppierung mit theologischem Gewicht: die Pharisäer. Sie wurden die maßgeblichen Träger bei
der Weitergabe der mündlichen Überlieferung.
Der bisherige Kurzüberblick zeigt, daß nur bedingt von einem
Ordnungsprinzip innerhalb der Ordnungen gesprochen werden kann.
Dies hängt mit dem Entstehungsprozeß der Mischna zusammen.
Obgleich die Mischna vom Umfang her wesentlich mehr Material umfaßt
als die hebräische Bibel, so wird ein "normaler" Jude die Mischna heute
dennoch besitzen und gründlich studieren. Gilt sie ihm doch als
"mündliche Tora".
Das umfangreiche Werk der Mischna umfaßt sechs "Ordnungen"
(Sedarim, Sing.: Seder), die sich ihrerseits in 63 Traktate (Massektot,
Sing.: Masseket) unterteilen. Die Traktate sind unterteilt in Kapitel
(Perakim, Sing.: Perek) und Lehrsätze (Mischnajot bzw. Halakot).
Die Ordnungen und Traktate im einzelnen:
1. Ordnung Zeraim (Samen), enthält 11 Traktate:
Gesetze und Bestimmungen aus der Landwirtschaft, besonders
Bestimmungen über Abgaben, Verzehntungen, Sabbatjahr, d.h.,
wann das Land brachliegen muß. Weiter finden sich Segenssprüche,
Vorschriften über das Armenrecht usw.
Neben der Mischna hat sich etwa zeitgleich eine weitere Sammlung
mündlicher Überlieferungen zu allen Traktaten der Mischna mit Ausnahme von vieren ausgebildet: die Tosefta (Zusatz, Ergänzung). Ihr
genaues Verhältnis zur Mischna ist noch nicht zureichend geklärt. So
erhalten manche Partien eindeutig Kommentare zur Mischna und setzen
diese damit als bekannt voraus; daneben findet sich aber auch von der
Mischna unabhängiges, selbständiges Material.
2. Ordnung Moed (Festzeiten), enthält 12 Traktate:
Vorschriften über das Sabbatgebot, Pascha, Versöhnungstag,
Laubhüttenfest, allgemeine Vorschriften über Festtage, Halbfesttage,
Neujahr und Fasttage. Eingearbeitet sind auch Angaben über
Tempelabgaben und wie der Gottesdienst im Tempel zu finanzieren
ist.
4.2.2
Der Talmud
Talmud (Studium, Lehre) meint die von der hebräischen Bibel ausgehende Belehrung. Im engeren Sinne ist der Talmud der rabbinische
Kommentar zur Mischna.
Zum betreffenden Mischnaabschnitt, der seinerseits ein Schriftwort
kommentieren kann, gibt es eine Gemara (Vollendung, erlernte
Tradition), die eine rabbinische Diskussion zum Mischnaabschnitt
darstellt. Daneben finden sich in den mittelalterlichen Talmudausgaben
noch gelehrte Kommentierungen der Rabbinen wie Raschi (1040-1105),
Abraham ibn Esra (1089-1164), Josef Qimchi (1105-1170) u.a.
3. Ordnung Naschim (Frauen), enthält 7 Traktate:
Regelungen über Schwagerehen (vgl. Dtn 25,5-10), Eheverträge,
Gelübde bei Frauen, Scheidungsrecht, Ehebruch, Verlobung.
4. Ordnung Neziqin (Schädigungen, Unrecht), enthält 10 Traktate:
Regelungen über das Zivilrecht, das Strafrecht, die Prügelstrafe.
Daneben finden sich, nach Lehrmeinungen geordnet, Themen wie
Götzendienst, Umgang mit Heiden und weisheitliche Aussprüche der
Väter.
Zwei Talmudim (Plural, Singular: Talmud) werden unterschieden:
14
Los der Unwissenden. Der geweckte Jüngling brachte viele
Jahre, ja bis zu seiner Verheiratung im Lehrhaus zu, und bis
ans Lebensende war der Broterwerb Nebensache, das
Talmudstudium Hauptzweck des Lebens" (ders., Geschichte
des Judentums Bd. VII, 111f., zit. nach Prijs, Judentum, 61f.).
• der längere babylonische Talmud (Abschluß ca. 6.-7. Jh. n. Chr.)
• der kürzere Jerusalemer oder Palästinische Talmud (Abschluß
5. Jh. n. Chr.).
Der babylonische Talmud, in babylonischem Aramäisch niedergeschrieben, umfaßt nicht weniger als 6000 Folio-Seiten (ca. 12000 DIN A4
Seiten). Die babylonische Ausformung des Talmuds blieb die
angesehenere und verdrängte die Fassung des älteren Jerusalemer
Talmuds. Wenn nur kurz vom Talmud gesprochen wird, dann bezieht
sich die Rede immer auf den gebräuchlicheren babylonischen Talmud.
4.2.3
Der Midrasch
Das hebräische Wort Midrasch (Plural: Midraschim) leitet sich ab von
dem Verb darasch, "suchen, nach etwas Ausschau halten". Im
Bibelhebräischen kann es stehen für "Gott suchen" (Dtn 4,29) bzw. "die
Schrift erforschen, um dort eine Antwort Gottes zu suchen" (Esr 7,10).
Gegenstand des Erforschens ist meist die Bibel. Midrasch kann auch das
Ergebnis der Schriftforschung sein, der Bibelkommentar, der den
Bibeltext für die Gegenwart erschließt.
Die gängige Midrasch-Literatur wird meist nach ihrer Auslegungstendenz eingeteilt. So gibt es halachische, also mehr gesetzlich
orientierte und haggatische, mehr erbauliche Midraschim. Typisch für
Midrasch-Literatur ist der direkte Bezug zu einem Bibelvers, der
ausgelegt wird. Vorwiegend die Religionsgesetze betreffende
(halachische) Stoffe enthalten die aus dem 1. und 2. Jh. stammenden
Midraschim:
Wie die Mischna ist der Talmud in Ordnungen und Traktate eingeteilt,
jedoch mit erheblichen Unterschieden zwischen den beiden genannten
Fassungen. In beiden Textsammlungen finden sich neben den
Diskussionen zum Religionsgesetz (Halacha) auch viele erbauliche,
unterhaltsame Erläuterungen (Haggadot, Singular: Haggada) wie Erzählungen, Gleichnisse, Anekdoten usw.
Das Wesentliche und Entscheidende an der gelehrten Diskussion der
vielen Rabbinen ist die Toleranz im Umgang miteinander: "Rabbi X sagt
... Rabbi Y sagt aber ... Rabbi Z sagt". Es gibt keine dogmatischen
Entscheidungen, die eine andere Meinung ausgrenzen würden. Jede
Meinung behält auf ihre Weise Recht. Für die späteren Talmudstudenten
bedeutet diese reiche Gelehrsamkeit viele Stunden des Nachdenkens
und der Freude an der Tora, sei es allein in der häuslichen Studierstube
oder gemeinsam im Lehrhaus, der "Herberge für den jüdischen Geist"
(Prijs, Judentum, 60).
Was das Talmudstudium für einen osteuropäischen Juden des
Mittelalters bedeutete, beschreibt der jüdische Historiker Heinrich Graetz:
•
•
•
•
Mekilta (Meßschnur, Kanon) zum Buch Exodus
Sifra (Buch) zum Buch Levitikus
Sifre (Bücher) zum Buch Numeri und Deuteronomium
Tannaim (Lehrer, Lernende) zum Buch Deuteronomium.
Überwiegend erbaulich erzählende (haggadische) Stoffe verarbeiten die
nachfolgenden Midraschim aus dem 3.-5. Jh.:
•
Midrasch rabba (großer Midrasch) zu den fünf Büchern des
Pentateuch
•
Midrasch rabba zu den fünf Megillot (Rollen, Festrollen, Sing.:
Meggilla), das sind die Bücher Rut, Hld, Klgl, Koh, Est.
"Eine Schwierigkeit im Talmud zu lösen, eine Dunkelheit
aufzuhellen, etwas Neues, was den Vorfahren entgangen
war, zu finden, macht ihre Seligkeit aus. Nicht Amt und
Würden erwarteten sie für ihre Gedankenanstrengung, keinen
greifbaren Lohn erhielten sie für ihre Nachtwachen. Sie
wollten nur ihren Wissensdrang befriedigen, ihrer religiösen
Pflicht genügen und allenfalls sich der himmlischen
Belohnung vergewissern.
Eine eigene Gruppe von Midraschim bilden die für die Schrifterklärung im
synagogalen Gottesdienst geschriebenen Midraschim. Es sind dies
Predigtsammlungen, denen die Perikopen der Festtage und der Sabbate
zugrunde liegen.
Das allerwichtigste Geschäft war für sie das Lernen, und die
Blüte aller Gelehrsamkeit war der Talmud. Der geachtetste
Stand war der der Talmudbeflissenen. Ehrlosigkeit war das
15
•
Pesiqta de Rab Kahana, kurz Pesiqta (Abschnitt, Teil)
genannt,bespricht drei Sabbate vor dem 9. Ab, dem Jahrestag der
Zerstörung des Tempels, sieben Trostsabbate und zwei Sabbate
nach dem Neujahr. Die Angabe des Namens im Titel Rabbi
Kahana weist nicht auf den Verfasser des Werkes, sondern auf
den Rabbi, der zu Beginn des Werkes erstmals genannt wird. So
konnte man andere Schriften mit gleichen Titeln leichter
unterscheiden.
Vom Sinai:
mündliche Tora:
MISCHNA
1.-2. Jh. n.Chr.
Mischna
schriftlich
fixiert
mittelalterliche
Kommentatoren:
Raschi, Ibn Esra,
Maimonides
S. Gaon u.a.
GEMARA
schriftliche Tora:
Ebenfalls Predigtsammlungen zu wichtigen Festtagen und Sabbaten sind:
PENTATEUCH
•
•
TOSEFTA
Parallelwerk
zur Mischna
Pesiqta Rabba (die große Pesiqta)
Jelamdenu (es belehre uns, nämlich unsere Meister)
Relativ späte, sogenannte historische Midraschim sind:
•
•
MIDRASCH
Pirke de Rabbi Elieser (Aussprüche des Rabbi Elieser)
Sefer ha-Jaschar (Buch der Aufrechten)
4.3
Sie gehören weder zu den Predigtsammlungen noch zu AuslegungsMidraschim. Die biblischen Stoffe werden frei nacherzählt.
Antike jüdische Literatur außerhalb der Bibel
Eine kurze und gute Einführung in die einzelnen Bücher gibt: L. Rost,
Einleitung in die alttestamentlichen Apokryphen und Pseudepigraphen
einschließlich der großen Qumran-Handschriften, Heidelberg 2. Aufl.
1979 oder J. Maier, Zwischen den Testamenten. Geschichte und
Religion in der Zeit des zweiten Tempels (NEB E3), Würzburg 1990
Die Zahl der Midraschim des frühen Mittelalters ließe sich noch erheblich
vermehren. Doch sollen die Genannten genügen, weitere Titel sind
besprochen bei: Strack, Einleitung oder Ch. Albeck, Einführung in die
Mischna, Berlin 1971.
4.4
4.2.4
TALMUD
Mittelalterliche jüdische Literatur
Jüdische Traditionsliteratur (Graphik
Literatur mit reichlichen Erläuterungen: G. Stemberger, Geschichte der
jüdischen Literatur, München 1988.
4.5
Jiddische Literatur
Eine gute Einführung und Besprechung der jiddischen Literatur mit
jiddischem Lexikon findet sich bei: S. Landmann, Jiddisch. Das
Abenteuer einer Sprache, Olten 1962.
4.6
16
Moderne hebräische Literatur
Während man in älteren Beschreibungen der Geschichte des Judentums
nach einer formativen Zeit des Judentums suchte, also einer Zeit, in der
sich das "Wesen" des Judentums ausprägte, von dem her alle
Veränderungen mehr oder weniger als umweltbedingte Degenerationserscheinungen gedeutet wurden, geht man in neuerer Zeit von einer
möglichst umsichtigen Betrachtung der einzelnen Perioden und Epochen
für das Judentum hinsichtlich ihrer politischen, religiösen und kulturellen
Bedeutung aus.
Mit Eliezar Ben-Jehuda ist die Neubelebung der hebräischen Sprache
verbunden.
Wenn auch andere Namen genannt werden müssen, wie Jehuda
Grazwowski-Gur, der Verfasser des ersten modernen hebräischen
Lexikons, und David Judelewitsch, der Lehrer der ersten hebräischen
Schule in Rischon Le-Zion, so sind heute mit dem Namen Ben-Jehuda die
Anfänge der modernen hebräischen Sprache verbunden. Während bereits
in der Diaspora vereinzelt hebräisch gesprochen wurde, dürfte die
Neubelebung und Revolutionierung der modernen Sprache in Eretz-Israel
in den Jahren 1906-1913 erfolgt sein.
Literatur:
Weder die biblische Zeit, und hier die Königszeit, kann als einzig
zulässige oder gar maßgebliche Epoche der Überlieferung betrachtet
werden, in der das Judentum im "klassischen" Zuschnitt zur Ausprägung
gekommen sein soll, noch die Zeit des Talmuds, wo viele bedeutende
Diskussionsgrundlagen für die Folgezeit geschaffen wurden, noch das
Judentum des Mittelalters, von dem sich viele kulturelle Einflüsse bis
heute herleiten.
B. Harshav, Hebräisch. Sprache in Zeiten der Revolution,
Frankfurt 1995
G. Shaked, Geschichte der modernen hebräischen
Literatur. Prosa von 1880 bis 1980, Frankfurt 1998
Man wird jeden Abschnitt der Geschichte des Judentums als sinnvollen
und berechtigten Teil der jüdischen Identität anzuerkennen haben,
unabhängig von jeder politischen, religiösen oder kulturellen Überformung von innen oder von außen.
Den "gläubigen Juden", als einzige legitime Ausprägung seiner Religion,
gibt es ebensowenig, wie es einen "ethnisch" erkennbaren, "typischen
Juden" im Sinne der geläufigen Sprachregelung gibt: "Schau, das ist ein
Jude".
5
Geschichte des Judentums
5.0
Einleitung
Mag es im Laufe der Geschichte des Judentums immer wieder innerjüdische Bewegungen gegeben haben, die von sich behaupteten, sie
repräsentierten ein legitimes Judentum, im nachhinein sind sie nicht
mehr als ein Mosaikstein innerhalb der jüdischen Identität.
Die gegenwärtige Klassifizierung des modernen Judentums in ultraorthodoxes, orthodoxes, liberales Judentum sowie Reformjudentum
kann nicht vortäuschen, daß es eine dogmatisch legitimierte Mittellinie
gäbe, von der aus gläubiges Judentum beschrieben werden müßte.
Ein kurzer Abriß der Geschichte des Judentums kann daher unmöglich
der Komplexität des gegenwärtigen noch des zurückliegenden Judentums gerecht werden, geschweige denn ein authentisches Bild eines
Volkes samt seiner Religionszugehörigkeit liefern.
Die Geschichte des Judentums umfaßt eine Zeitspanne von über 3000
Jahren. Erwähnenswert sind Aussagen sowohl zur politischen, religiösen
als auch zur kulturellen Geschichte.
17
Mit einigen wenigen Charakteristika aus Historie, Kultur und Religion wird
sich der nachfolgende Abriß zum schillernden Phänomen Judentum
bescheiden müssen.
5.1
So schwer es fällt, die "Väter" zeitlich genau anzusetzen, Angaben
schwanken zwischen dem 18. und 13. Jh. v. Chr., die auf uns
gekommene Literatur (Gen 12-50) ist mehr oder weniger 1000 Jahre
jünger und Ergebnis eines langen Überlieferungsprozesses.
Verarbeitet sind vielerorts die Gegebenheiten der späteren Zeit.
Die Väterzeit (18.-13. Jh.)
"Hier mag die Bemerkung genügen, daß die alten
Überlieferungen in biblischer Zeit nicht aus archivarischhistorischem Interesse weitergegeben wurden, sondern im
Dienst religiös-politischer Bestrebungen, wobei Überlieferung
und
Neuprägung
einen
heute nur mehr selten
durchschaubaren Komplex von Vorgängen bildete. Für die
Späteren war - schon in biblischer Zeit - Abraham jedenfalls
der Begründer des wahren Gottesglaubens und der
Abrahamsbund (Gen 15; 17) eine Vorwegnahme des
Sinaibundes, die Patriarchenzeit also der Beginn einer
kontinuierlichen Heilsgeschichte." (Maier, Judentum, 32).
Mit Abraham (Gen 12) beginnt für Juden und Christen die Geschichte
der Volkwerdung Israels: "Abraham ist unser Vater" (Joh 8,53).
Abraham, Isaak und Jakob, die Patriarchen, Erzväter oder Väter, wie
sie auch genannt werden, markieren den ersten Abschnitt in der Geschichte des Judentums.
Als umherziehende Nomaden "Mein Vater war ein heimatloser Aramäer"
(Dtn 26,5), die teilweise auch seßhaft wurden (Halbnomaden), verehren
sie Stammes- und Sippengottheiten, die der späteren Jahwereligion
fremd sind. Hinter den Bezeichnungen "Gott meines Vaters" oder "Gott
Abrahams" (Gen 26,24; 28,13; 31,5.29.42.53 u.a.) verbergen sich
eigenständige Gottheiten, die mit Bezeichnungen wie "Schild Abrahams",
"Verwandter Isaaks", "Fels Israels" (Jakobs) konkreter benannt werden.
Es sind dies nichts anderes als Bezeichnungen für eine Gottheit, die der
jeweilige Sippengründer verehrt.
Somit müssen wir für die Väterzeit bilanzieren: In den Vätergeschichten
ist die Erinnerung an eine nomadische Vorzeit Israels bewahrt, ohne daß
eine "Väterzeit" oder "Väterreligion" rekonstruiert werden könnte.
Die Zeit zwischen den Erzvätern und Mose (13. Jh. bis 12. Jh.) liegt
gänzlich im dunkeln. Kein nennenswertes Ereignis ist uns in der Literatur
überliefert (vgl. die Lücke zwischen Gen und Ex).
Was die spätere Überlieferung als Genealogie zusammenführt, nämlich
Isaak als Sohn Abrahams, Jakob als Sohn Isaaks, sind ursprünglich
Ahnherren, Häupter selbständiger Sippen mit noch erkennbar
abgrenzbarem Territorium.
So haften die Überlieferungen für Abraham an Mamre bei Hebron im
südlichen Gebirge (Gen 13,18; 18,1; 25,9 u.a.) oder an Beerscheba (Gen
21,33; 22,19). Für Isaak sind Orte wie Gerar (Gen 26,1.6) oder
Beerscheba (Gen 26,23-25) für Jakob Bet-El (Gen 28,10-22; 35,1-15)
und Sichem (Gen 33,18-20) im nördlichen Gebirge oder in Machanajim
(Gen 32,2f) und Pnuel (Gen 32,23-33) im Ostjordanland bezeichnend.
5.2
Exodus,
Richterzeit
Wüstenwanderung,
Landnahme
und
Mehrmals wird überliefert, daß eine beduinenartige Lebensweise die
Väter in Notzeiten zur Kornkammer am Nil trieb (vgl. Gen 12,10; Dtn
26,5). Die Bitte um Brot führte aber zu Abhängigkeit und Fron. Aus
ägyptischen Inschriften z.Z. Pharao Ramses II. (1290-1224) wissen wir,
daß halbnomadische Gruppen wegen anhaltender Dürreperioden mit
ihren Herden nach Ägypten zogen, dort Nahrung erhielten und später
unter zwangsarbeitsähnlichen Verhältnissen lebten.
Ungeachtet der reichen Überlieferung zu den Vätergeschichten (Gen 1250) wissen wir wenig Genaues aus dieser Zeit. Orts-, Personen- und
Gottesnamen markieren wie überall die älteste erreichbare
Überlieferungsschicht. Auch manch altertümliche Erscheinungen wie ein
Opfer Abrahams oder Jakobs Ringkampf am Jabbok (Gen 15,9-11;
32,23-33) erinnern an sehr alte Riten und Gebräuche.
18
Etwas sicheren Boden betreten wir zu Beginn der Königszeit. Als Saul,
aus dem Stamm Benjamin, dem in vielem überlegenen Seefahrervolk der
Philister Einhalt gebieten muß, gerät er zunehmend in kriegerische
Auseinandersetzungen und kommt am Ende dabei ums Leben (1Sam
31).
Eine kleine Schar unter der Führung des Mose dürfte nach zu großen
Repressalien (Ex 1,11-14) z. Z. Ramses II. aus Ägypten geflohen sein
und sich erfolgreich abgesetzt haben. Nichts Außergewöhnliches in der
damaligen Zeit, für die Moseschar und Spätere aber galt es als Beispiel
für Gottes rettendes Eingreifen. Die mißlungene Verfolgungsaktion der
Ägypter am Schilfmeer dürfte durchaus auf historischen Tatsachen
beruhen. Das Mirjamlied (Ex 15,21), das die Rettung am Schilfmeer
beschreibt, reicht wohl noch in diese Zeit zurück und zählt zu den
ältesten Passagen der Bibel.
Erst als der glücklicher agierende David, aus dem Stamm Juda, mit
seinem stehenden Heer die Philister erfolgreich zurückschlagen kann,
erhält er von den übrigen Stämmen den nötigen politischen Rückhalt. Er
wird über Gesamtisrael zum König ausgerufen und von Samuel zum
König gesalbt.
Die Wüstenwanderung, der Aufenthalt dieser Gruppe in der Oase
Kadesch und der Marsch zum Gottesberg Horeb hat einiges für sich.
Historisch unglaubwürdig, jedoch mit deutlicher Tendenz, ist die Auskunft
im Buch Numeri, wonach bei der Wüstenwanderung allein an
wehrfähigen Männern 603.550 gezählt wurden (Num 1,46).
In der Geschichte vom Aufstieg Davids (1Sam 16; 2Sam 5) wird
meisterhaft und ohne Analogie in der Weltliteratur Davids Ringen um die
Königsherrschaft beschrieben. Das sichere innen- und außenpolitische
Regiment Davids ermöglicht einen zentralen Kult, der alle 12 Stämme
einen konnte.
Im nachhinein versuchte man, die kleine Moseschar zu vergrößern, um
so Gesamtisrael den Exodus erleben zu lassen. Widersprüchliche
Aussagen finden wir dann auch bei der Landnahme. Kundschafter seien,
von Süden kommend, in das Land eingedrungen, um es zu erforschen.
Ihre Nachricht ist in vielem überwältigend:
Bei aller Bedeutung des Davidischen Großreichs muß gesagt werden,
Israel hat weltpolitisch - auch in seiner politisch bedeutsamsten Zeit immer nur eine zweit- bis drittrangige Rolle gespielt. Nur weil Ägypten,
Babel und Assur, zeitweise mit sich selbst beschäftigt, keine Expansionspolitik betreiben können, entwickelt sich Israel für kurze Zeit zu
einer relativen Größe im Vorderen Orient.
"Es ist wirklich ein Land, in dem Milch und Honig fließen ...
Aber das Volk, das im Land wohnt, ist stark, und die Städte
sind befestigt und sehr groß" (Num 13,27f).
Israels Größe zeigt sich weniger in der Politik als in seiner Religion.
Verehren die umliegenden Völker für jede gesellschaftliche Funktion eine
eigene Gottheit (Fruchtbarkeits-, Todes-, Meeresgottheit usw.), so
glaubt Israel an einen Gott.
Nach Auskunft des Buches Josua erfolgt eine kriegerische Eroberung
dieser Stadtstaaten. Andererseits weiß Ri 1,27-36, daß nach der Landnahme viele Städte nicht erobert werden konnten.
Historisch dürfte weniger die kriegerische Eroberung des Landes
gewesen sein als vielmehr die allmähliche Unterwanderung von Süden
und vom Ostjordanland her kommend. Inwieweit diese über Jahrhunderte sich hinziehende Unterwanderung Kanaans von einer
ursprünglich einheitlichen Gruppe ausging, ist mehr als unklar. Die
Anfänge der Sippen und Stämme im späteren Land Israel liegen, die
Richterzeit eingeschlossen, wie die Väterzeit, im dunkeln.
5.3
Die Königszeit (10.-6. Jh.)
5.3.1
Saul und David
Eingottglaube war in der Antike höchst selten und konnte sich nirgends
recht durchsetzen. Menschenopfer galten in Israel als Greuel, in der
Umwelt waren sie keine Seltenheit (2Kön 3,27). Kultprostitution zur
Sicherung der Fruchtbarkeit und des Nachwuchses waren in der Umwelt
Israels die Regel, in Israel wurden sie gerügt (Hos 1f).
5.3.2
Die Salomonische Ära und die Zeit der getrennten Reiche
Mit der Thronnachfolgeerzählung (2Sam 9 - 1Kön 2) erreicht die althebräische Literatur einen weiteren Höhepunkt:
19
Stämmen Juda und Benjamin und ein größeres Nordreich mit den
übrigen Stämmen spaltete.
Salomo, keineswegs einer der prädestinierten Söhne seines Vaters für
die Thronfolge, erringt die Nachfolge Davids auf fast schon wunderbare
Weise.
Bis zum Untergang des Nordreiches durch die assyrische Eroberung
722 v. Chr. kam es trotz Annäherungen immer wieder zu Rivalitäten und
kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Bruderstaaten.
Die Davidische Dynastie des Südreiches währte durch eine geregelte
Erbfolge nach der Trennung noch weitere drei Jahrhunderte bis
586 v. Chr.
Zu seinen herausragenden Leistungen gehört zweifellos die militärische
Sicherung des Davidischen Großreiches, die reiche Bautätigkeit - u.a.
der Tempel- und Palastbau (1Kön 6f) - und die internationalen
Beziehungen, die ihm Reichtum (1Kön 10,14-29) und internationalen
Ruhm (1Kön 10,1-13) einbrachten. Allerdings stieß er mit der Heirat
ausländischer Prinzessinnen auf offene Kritik (1Kön 11,1-8), denn mit
solchen politischen Heiraten kamen auch Fremdkulte ins Land, denen
maßgebliche Kreise äußerst kritisch gegenüberstanden.
Auf religiöser Ebene suchte man durch die Verehrung Jahwes als
einzigen Gott Israels, einen Eingottglauben durchzusetzen, der sich, wie
die prophetische Kritik zeigte, im Volksglauben immer wieder zu
bewähren hatte (vgl. 1Kön 18; Hos 1f u.a.).
Charakteristisch für die Zeit Salomos ist das Einsetzen der
literarischen Produktion in Israel. Wurde Wissen über Generationen
hinweg bisher meist mündlich weitergegeben, scheinen nun Schreiberschulen sich der Welt mit Schreiben neu bemächtigen zu wollen. Eigenartigerweise setzt dieser Schreibbetrieb sofort mit einer solchen
Perfektion und Brillanz ein, daß sich Fachleute bis heute fragen, wie
diese Leistung zu erreichen war.
Die Jahweverehrung vollzog sich im Jerusalemer Tempel, auf Kulthöhen
und alten Zentralheiligtümern (z.B. Bet-El, Gilgal). Eine ausschließliche
Verehrung Jahwes im Jerusalemer Tempel, wie die Königsbücher
vorzugeben scheinen, ist erst ein Konstrukt der Exilzeit und nicht
während der Königszeit anzunehmen. Als schlagendes Gegenbeispiel ist
hier Amos anzuführen, der nicht gegen den Kultort, sondern gegen die
Kultpraxis polemisiert.
Nicht nur die oben genannte Thronaufstiegs- und Thronfolgeerzählung,
auch die Josephsgeschichte (Gen 37-50) und ein Geschichtswerk, das
die Welt von der Schöpfung bis zur Landnahme der Israeliten vermessen
möchte, der sogenannte Jahwist, stammen vom Salomonischen Hof.
Von Salomo wird gesagt: "Er verfaßte 3000 Sprichwörter, und die Zahl
seiner Lieder betrug 1005" (1Kön 5,12). Wohl aus Ägypten stammt
Salomos Interesse an universalem Wissen (enzyklopädisches Wissen):
Das Königtum erfuhr während der gesamten Königszeit ein kritisches
Korrektiv durch Propheten, die zwar in des Königs Diensten stehen
konnten (2Sam 24,11; 1Kön 22,6), insgesamt aber von Jahwe legitimiert,
meist unbequeme Wahrheiten kündeten (1Kön 11,29-31; 21; 2Kön 1,3f
u.a.).
"Er redete über die Bäume, von der Zeder auf dem Libanon
bis zum Ysop, der an der Mauer wächst. Er redete über das
Vieh, die Vögel, das Gewürm und die Fische" (1Kön 5,13).
5.3.3
Der Untergang des Nordreiches (722 v. Chr.)
Mit dem Untergang des Nordreiches 722 v. Chr. erfolgte eine folgenschwere Veränderung der Bevölkerungsstruktur Israels, die bis in die
neutestamentliche Zeit hinein ihre Auswirkungen zeigte.
Es verwundert daher nicht, daß Spätere in Salomo den Prototyp des
Weisen sahen und ihm deshalb verschiedene biblische Bücher
zuschrieben, wie z. B. Spr, Hld, Koh.
Die Eroberungspolitik der Assyrer vollzog eine gezielte Deportation der
jeweiligen Oberschicht des Landes, um so mögliche Unruheherde
auszuschalten. So führten die Assyrer die Oberschicht der zehn
Nordstämme nach Osten in andere eroberte Länder. Früher oder
später gingen diese Stämme unter den Fremdvölkern auf, vermischten
sich mit ihnen und verloren so ihre israelitische Identität.
Eine unglückliche Hand zeigte Salomo in der Regelung seiner
Thronnachfolge. Sein Sohn Rehabeam verursachte durch eine
ungeschickte, anmaßende Innenpolitik eine Spaltung des Reiches (1Kön
12), die das kurzlebige Großreich in ein kleineres Südreich mit den
20
Im Gegenzug siedelten die Assyrer im Nordreich Israel fremde Völker an
und mit ihnen fremde Religionen (vgl. 2Kön 17,24-41). Jahwe wurde
zwar noch von der Restbevölkerung im untergegangenen Nordreich
verehrt, jedoch nicht von den fremdländischen Neuankömmlingen (vgl.
2Kön 17,25).
5.3.4
Die erste judäische Deportation Judas (597 v. Chr.)
Die erste, aber entscheidende Deportation Judas im Jahr 597 v. Chr.
entvölkert Jerusalem von allen einflußreichen Größen (2Kön 24,14-16).
Ähnlich der Deportationspraxis der Assyrer versuchen die babylonischen
Könige, Unruheherde durch Verschleppung der einflußreichen Oberschicht zu ersticken. Selbst "Schmiede und Schlosser" mußten in die
Verbannung (2Kön 24,14.16).
Inwieweit es zu einer Vermischung der Völker im Nordreich und damit zu
einem Abfall von der Jahwereligion kam, ist nicht mehr sicher zu
entscheiden. Eindeutig ist nur, daß die nach dem babylonischen Exil
zurückgekehrten Judäer diesen Jahwekult als illegitim erachteten. Man
sonderte sich ab und trieb jenen Bevölkerungsteil immer mehr in die
Isolation.
5.3.5
Als es im 4. Jh. v. Chr. zum Samaritanischen Schisma kam, also zur
Trennung der samaritanischen Bevölkerung von der judäischen, wurde
zumindest die Trennung auf diese lange zurückliegende assyrische
Deportationspraxis
und
die
damit
verbundenen
Fremdkulte
zurückgeführt. Die Bemerkung des Johannesevangeliums: "Die Juden
verkehren nämlich nicht mit den Samaritern" (Joh 4,9) hat ihre Ursache
in dem eben genannten Konflikt.
Der Untergang Judas und die Tempelzerstörung
(587 v. Chr.)
Nur noch 10 Jahre, dann beendete eine erneute Eroberung durch die
Babylonier das Reich Juda. Nun wurde auch die Stadt Jerusalem samt
Tempel zerstört und ein Großteil der Bevölkerung verschleppt (2Kön
25,8-11.13-21).
"Nur von den armen Leuten im Land ließ der Kommandant
der (babylonischen) Leibwache einen Teil als Wein- und
Ackerbauern zurück" (2Kön 25,12).
Über die Zurückgebliebenen setzte der König von Babel einen jüdischen
Statthalter namens Gedalja ein, der das Land verwalten sollte. Doch
Jischmael, ein judäischer Partisanenführer aus davidischem Geschlecht, führte eine Revolte gegen Gedalja und tötete ihn.
Die politische Großwetterlage ermöglichte auch dem davidischen
Rumpfstaat Juda (mit Benjamin) nur ein relativ kurzes Überleben. Trotz
realpolitischer Konzessionen an die Großmächte - König Hiskija
verhandelt mit den Assyrern (2Kön 18,13-19,37), König Manasse
regierte dank kluger Außenpolitik 55 Jahre (2Kön 21,1) - unterliegt der
kleine Staat dem gewaltigen Drängen der Großmächte.
Aus Furcht vor den Babyloniern fliehen die Aufständischen nach Ägypten
und verschleppen einen Teil der judäischen Bevölkerung, unter ihnen
auch den Propheten Jeremia (2Kön 25,22-26; Jer 43,1-7).
Wie militärisch bedeutungslos selbst ein so frommer König wie Joschija
gegenüber Ägypten war, zeigt eine kurze Annalennotiz in 2Kön 23,29:
"In seinen (Joschijas) Tagen unternahm der Pharao Necho,
der König von Ägypten, einen Kriegszug gegen den König
von Assur am Eufrat. König Joschija stellte sich ihm
entgegen. Doch der Pharao tötete ihn bei Megiddo, sobald er
ihn sah."
Wer im einzelnen noch im ehemaligen Reich Juda blieb, entzieht sich
unserer Kenntnis. Es scheint aber kein geringer und unbedeutender Teil
gewesen zu sein (Jer 40,11-12; 41,16-42,22). Ja selbst reduzierter
Kultbetrieb auf den Trümmern des Tempels scheint noch üblich gewesen
zu sein (Jer 41,4f). Hoffnung für diesen Rest Judas verheißt ein
Gotteswort an Jeremia:
Die militärische Übermacht Assurs drängt aber bald auch Ägypten in
seine Grenzen zurück (2Kön 24,7), und nur eine geschickte Kapitulation
König Jojachins ermöglicht für Juda noch eine kleine Frist (2Kön 24,1116).
"Wenn ihr in diesem Land wohnen bleibt, so werde ich euch
aufbauen und nicht niederreißen, euch einpflanzen und nicht
ausreißen" (Jer 42,10a).
21
Beschneidung und religiöse Gebote, welche die Eigenart und die
Abgrenzung zur Umwelt sicherten.
Aber auch im ehemaligen Nordreich Israel lebten noch zahlreiche
Menschen, die sich als Israeliten verstanden und der Landesreligion
entsprachen.
Unter den Bewohnern befinden sich neben der Jerusalemer und der
Judäischen Oberschicht auch der Prophet Ezechiel, der uns unbekannte
Prophet Deuterojesaja, eine priesterliche Gruppe, die wie damals z. Z.
Salomos ein Geschichtswerk verfaßte, das von der Schöpfung bis zum
Tod des Mose reichte (Gen 1,1 - Dtn 34,9, ohne die Schriften des
Jahwisten, Elohisten und des Deuteronomisten, die im 10., 8. und 6. Jh.
geschrieben wurden).
"Die nicht deportierten Judäer hatten mit diesen Israeliten
wahrscheinlich bald mehr gemein als mit den Deportierten.
Der spätere Konflikt zwischen Heimkehrern und Daheimgebliebenen war also vorprogrammiert" (Maier, Zwischen den
Testamenten, 43).
Auf den Trümmern des Tempels sitzend, begann man über die Ursachen
des Niedergangs des davidischen Reiches nachzudenken und versuchte
eine Erklärung.
Im übrigen durften die Exilierten relativ frei leben, Handel treiben und
auch Häuser bauen (Jer 29,4-7).
Nicht selten brachten es viele zu Wohlstand und Ansehen, so daß nach
dem Sieg der Perser über das babylonische Reich viele nicht mehr nach
Jerusalem zurückkehren wollten. Damit war der Grundstein gelegt für die
spätere, einflußreiche jüdische Diaspora in Babylon.
Die Antwort auf diese Fragen liefert uns ein Geschichtswerk, das bald
nach 587 v. Chr. entworfen wurde. Es trug viele Schriften, Annalen,
Tagebücher, ja scheinbar alle verfügbaren Quellen zusammen,
orientierte sich am Gedankengut des Deuteronomiums und deutete die
Geschichte von der Zeit des Mose bis zum Ende des davidischen
Reiches.
Martin Noth, der Entdecker dieser monumentalen Schrift, nannte es das
Deuteronomistische Geschichtswerk, das noch vor der Entstehung
des Pentateuch, die heutigen Bücher Dtn, Jos, 1+2Sam, 1+2Kön umfaßt.
In demselben Geist wurden ebenfalls in der judäischen Heimat die
Reden und Überlieferungen des Propheten Jeremia gesammelt,
bearbeitet und zu einem Buch zusammengestellt. Aus derselben Zeit und
demselben Ort stammen die Klagelieder und die Überlieferungen des
Propheten Obadja, dessen Verkündigung sich gegen die unrechtmäßige
Bereicherung beim Untergang Judas und Jerusalems durch Edom
wendet.
5.4
Es gab aber auch solche, die Ps 137,1-6 anstimmten:
"An den Strömen von Babel, da saßen wir und weinten, wenn
wir an Zion dachten. Wir hängten unsere Harfen an die
Weiden in jenem Land. Dort verlangten von uns die
Zwingherren Lieder, unsere Peiniger forderten Jubel: 'Singt
uns Lieder vom Zion!' Wie könnten wir singen die Lieder des
Herrn, fern, auf fremder Erde? Wenn ich dich je vergesse,
Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verdorren. Die
Zunge soll mir am Gaumen kleben, wenn ich an dich nicht
mehr denke, wenn ich Jerusalem nicht zu meiner höchsten
Freude erhebe."
Das babylonische Exil (587-538 v. Chr)
5.5
Die von den Babyloniern verschleppten Judäer durften, anders als
seinerzeit die Bewohner des Nordreiches unter den Assyrern, in Kolonien
z. B. am Fluß Kebar in Babel versammelt (Ez 1,1) als Gemeinde
wohnen. So bewahrten sie ihre ethnische Identität und damit ihren
Glauben an den einen Gott.
Die Heimkehr der Judäer und der Wiederaufbau des Tempels
(538 v. Chr.)
Als der Sieg des Perserkönigs Kyros den Judäern 538 v. Chr. wieder die
Heimkehr ermöglichte, waren es die "Familienoberhäupter von Juda und
Benjamin sowie die Priester und Leviten", die die Heimreise antraten,
"um nach Jerusalem zu ziehen und dort das Haus des Herrn zu bauen"
(Esr 1,5).
Nachdem der Opferkult am Tempel weggefallen war, verlegte sich das
religiöse Gewicht mehr auf das Wort, den Wortgottesdienst, den Sabbat,
22
Die liberale Religionspolitik der Perser gestattete den Wiederaufbau des
Tempels und eine beschränkte Eigenverwaltung. Als erste forderten die
Nachkommen der verschleppten Davididen, Scheschbazzar und
dann allen voran Serubbabel, sowie die auf David und Salomo
zurückreichende Dynastie der zadokidischen Priesterschaft (vgl.
2Sam 8,17; 1Kön 4,2), ihre angestammten Rechte in der alten Heimat.
bedeutete für manche nach 2Kön 17,29-34 mit Nichtjuden und deren
heidnischen Religionen - gleich.
Ein Teil des Landadels wurde aus den judäischen Orten nach Jerusalem
umgesiedelt (Neh 11,1), um so die Herrschaft am neuen Tempel, der
515 v. Chr. vollendet wurde, zu sichern. Mischehen zwischen der
Landbevölkerung und den Heimkehrern wurden aufgelöst (Esr 9f),
weniger aus ethnischen als aus religiös-rechtlichen Gründen.
Für viele Heimkehrer bedeutete der Wiederaufbau des Tempels die
ersehnte Heilszeit, ja für manche sogar die nahe Endzeit mit einem
strafenden Eingreifen Gottes, wie der Prophet Sacharja (Sach2,1-13)
schließen läßt. Aber auch Gegenstimmen wurden laut, die den
Tempelbau geradezu torpedierten.
Das religiöse Selbstverständnis der Rückkehrer war in scharfer
Abgrenzung zur anders gearteten Umwelt geprägt worden und zeigte
auch jetzt noch starke Tendenzen zur Absonderung nicht nur gegenüber
anderen ethnisch-religiösen Gruppierungen, sondern auch gegenüber
verschiedenen innerjüdischen Gruppen, wie etwa den Samaritanern.
"Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für
meine Füße. Was wäre das für ein Haus, das ihr mir bauen
könntet?" (Jes 66,1a).
5.5.1
Im Vergleich zu der seinerzeit in Juda zurückgebliebenen jüdischen
Bevölkerung ist die religiöse Praxis der Rückkehrer als Radikalisierung
zu verstehen (vgl. Dexinger, Judentum, 334). Die Führung Esras
verpflichtete die Heimkehrer auf die Tora, um sie so auf eine verbindliche
Rechtsbasis einzuschwören (Esr 10,7-17).
Konflikte zwischen Heimkehrern, nichtexilierten Judäern und
Israeliten
Stillschweigend wird in dieser Zeit nun vorausgesetzt, daß die Tora - das
Buch des Gesetzes des Mose - die nun, von der exilischen Gemeinde
gehütet, weitergegeben wurde, jene war, die Mose am Sinai erhalten
hatte (Neh 8,1-12).
Erhobenen Hauptes und im Bewußtsein, das wahre Israel zu
repräsentieren, kehrten viele Exilierte in das verarmte Judäa zurück. Dies
mußte zu sozialen Spannungen mit der judäischen und israelitischen
Landbevölkerung führen (vgl. Neh 5,1-6), zumal die persische
Zentralverwaltung keine eigene judäische Provinz errichtete, sondern nur
eine judäisch-samaritanische Verwaltung.
Inwieweit zu diesem Zeitpunkt jene Tora schon mit unserem Pentateuch
oder zumindest mit den priesterschriftlichen Gesetzen identisch ist oder
eine andere Gesetzessammlung repräsentiert, wird kontrovers beurteilt,
ist im wesentlichen aber auch nicht entscheidend. Für die spätere
rabbinische Überlieferung blieb freilich Esra eng mit der schriftlichen
Tora und ihrer Interpretation verbunden, so daß er als "Vater der
Schriftgelehrsamkeit" (Maier, Judentum, 127) in die jüdische Geschichte
einging.
Konflikte traten aber auch zwischen den heimgekehrten Parteien
untereinander auf. Der politische Flügel der Davididen unter den
Bemühungen Serubbabels nach dem Muster davidischer Restauration
scheiterte, da sich die Machtinteressen unter der politischen Oberhoheit
der Perser nicht durchsetzen ließen und sogleich der "Heiligen
Herrschaft" (Hierokratie) der Priesterschaft zuwider liefen.
Der priesterliche Flügel unter den Zadokiden und Leviten, mit dem
Wiederaufbau des Tempels und mit der Einführung des an die Zeit des
ersten Tempels anknüpfenden Kultes beauftragt, scheint sich durchgesetzt zu haben.
Bei Baubeginn des Tempels sperrte man die einheimische Bevölkerung
kurzerhand aus (Esr 4,1-4) und setzte sie mit den Samaritanern - das
23
Herunterladen