Das Judentum Vorspiel: die mosaische Unterscheidung „Unser Religionsbegriff umfasst in völlig unkritischer Weise beides, die monotheistischen und die vormonotheistischen Religionen. Dabei haben aber die Juden durch die Einführung der Mosaischen Unterscheidung die Welt mindestens ebenso entscheidend revolutioniert wie die Griechen und eine Form von Religion eingeführt die sich von allen traditionellen so genannten Religionen ebenso klar abhebt wie die griechische Wissenschaft von allen traditionellen so genannten Wissenschaften.“ (Jan Assmann: Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, S. 25) „Irgendwann im Lauf des Altertums – die Datierungen schwanken zwischen der späten Bronzezeit und der Spätantike – ereignete sich eine Wende, die entscheidender als alle politischen Veränderungen die Welt bestimmt hat, in der wir heute leben. Das ist die Wende von den „polytheistischen“ zu den „monotheistischen“ Religionen, von Kultreligionen zu Buchreligionen von kulturspezifischen Religionen zu Weltreligionen kurz: von „primären“ zu „sekundären“ Religionen [...]“ (S. 11) Die Mosaische Unterscheidung: zwischen wahr und falsch in der Religion, zwischen dem wahren Gott und den falschen Göttern, der wahren Lehre und den Irrlehren, zwischen Wissen und Unwissenheit, Glaube und Unglaube Die Parmenideische Unterscheidung: • zwischen wahrem und falschem Wissen • Satz von der Identität, vom Widerspruch, vom ausgeschlossenen Dritten • „Der neue Wissensbegriff, den die Griechen eingeführt haben ist genauso Revolutionär wieder neue Religionsbegriff, den die Juden eingeführt haben und für den der Name des Moses steht. Beiden Begriffen eigen ist eine neuartige Kraft zur Unterscheidung, Negation und Ausgrenzung“ (S. 24) Noch einmal: Das Judentum • • • • • • Wer ist „Moses“? Wer sind „die Juden“? Was ist „unsere Kultur“? Was ist „jüdische Religion“? Was sind die „abrahamitischen Religionen“? Wer ist „Abraham“? Terminologische Vorüberlegungen • Alte Terminologie: – frühes Judentum: seit Abraham und Moses (15001200 v. Chr.) – spätes Judentum: zur Zeit Jesu – Unterstellung: Judentum endet zur Zeit Jesu! • Neue Terminologie: – frühes Judentum: seit der Rückkehr aus dem babylonischen Exil (538 v. Chr.) oder seit der Zerstörung des zweiten Tempels (70 n. Chr.) – frühe Zeit: altes Israel – Unterstellung: Judentum und Christentum entwickeln sich parallel Erste Bestimmungen: • Der Begriff „Judentum“ (gr.: Ioudaismos) erstmals in 2. Makkabäerbuch 2,21 • Volk oder Religion? • Weltreligion oder Volksreligion? • Das Judentum ist die Religion der geglaubten Geschichte (Johann Maier) Geglaubte Geschichte • 3760 v. Chr. Beginn der jüdischen Zeitrechnung: Erschaffung der Welt – Die Geschichte von Bundesschlüssen Gottes mit den Menschen • • • • • Adam Der Noachbund Der Abrahamsbund Der Mosebund Esra Noach • Der Bund mit Noach > mit allen Menschen • Gott wird die Erde nicht noch einmal Zerstören • Zeichen: Ölzweig, Regenbogen Abraham und Sara • Mythische Gestalt • Urbild des „Glaubens“ – Vertrauens auf Gott (später auch „erster Philosoph“ bzw. Monotheist) • Verbindung von Judentum – Christentum – Islam • Stammvater des Volkes: Der Bund! • Zeichen: Beschneidung (Scheidung des Volks von den Völkern): Das von Gott erwählte Bundesvolk • Bindung: Akedah (Opferung des Isaak) Die Erzeltern • • • • • • • • • • Abraham und Sarah (Abram und Sarai) [Hagar > Ismael >>> Araber!] Isaak und Rebekka [Esau >>> Edom, Rom, Christentum] Jakob/Israel und Lea sowie Rachel und ... >>> 12 Söhne – 12 Stämme Israel: Lea: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Issachar, Sebulon Bilha: Dan, Naphtali Silpa: Gad, Ascher Rachel: Josef, Benjamin Mose und ... • • • • • • Mose mythische Größe Berufung des Mose: Brennender Dornbusch Selbstvorstellung Gottes als JHWH Der Wüstenzug (Paradigma der Befreiung!) Bundesschluss am Sinai/Horeb (Zweiter) Stifter des Judentums der Offenbarung („Mosaische Religion“) • Zeichen: Die beiden Tafeln des Gesetzes ... die Tora (Pentateuch) ... • Die zehn Gebote • Die fünf Bücher des Mose – – – – – Genesis – Bereshith Exodus – Schemot Numeri – Wajikra Levitikus – Demidbar Deuteronomium – Debarim • 248 Gebote und 365 Verbote (613 Mitzwot) > Judentum als Religion des Unterscheidens • Mündliche Tora • Joch der Gottesherrschaft = Befreiung • Befreit vor Folgen des Sündenfalls und dem Elend der Welt • Tora wird nicht geglaubt, sondern getan! ... Kult und Heiligung • Kult als Gedenken der Gegenwart Gottes (kabod > shekhina • in Raum: bes. im Tempel, in Jerusalem, im Land Israel ... • und Zeit: Heilige Zeiten, bes. Sabbat, auch Tages, Wochen, Jahreszeiten (Festkreis) • Gott als der Heilige • Kult als Heiligung von Dingen und Personen (kasher/koscher) • Bewahrung bzw. Wiederherstellung von ritueller Reinheit Exkurs: Der Gott Israels • JHWH > unaussprechlicher Name: Adonaj (HERR) • Vorstellung des Gottesnamens Ex 3,14: „Ich bin der ich bin da“ > griech.: „Ich bin der Seiende“ • Etymologie: Wehen, Sein, Landschaft • Aussprache: Jahwäh bzw. Jahu (häufiger bezeugt • „Land der Schaschu-Nomaden von Jhwh“ (1300 v. Chr.) • Berg- und Wettergott aus Südjordanien, Nordarabien • Midianiter, Edomiter David und Salomon • • • • • weitgehend mythische Gestalten ca. 1000 v. Chr. Saul: erster König David: Idealer Herrscher Salomon: – Weisheit, magische Praktiken – baut ersten Tempel (bis zur Zerstörung durch Babylonier 586 v. Chr. Esra • • • • • • • Buch Nehemia: Verlesung der Tora des Mose Beginn der Torasammlungen und –geltung nachexilisch (nach 500) Wirken in Jerusalem Durchsetzung der Gesetze Reformierung des Kults „Gründer des Judentums“ Die Religionsgeschichte Israels Die Geschichte des Judentums • Frühjudentum (Zeit Jesu): Sadduzäer, Essener, Pharisäer, Zelotismus, Taufsekten, Hellenistisches Judentum, Judenchristen • Formative Periode des rabbinischen Judentums (nach 70 n. Chr.; bzw. 132-135 Bar Kochba): – Festlegung des Kanons der Bibel – Konzept der mündlichen und schriftlichen Tora – Entstehung der Mischna, Gemara und des Talmud Dokumente des Judentums • Die Tora (mündlich [>Mischna] und schriftlich) • Der Tanach – Tora – Neviim – Chetuvim • Halacha (Wandel, Brauch) und Haggada (Erzählung • Mischna (mündl. Tora bzw. Kommenatar) und Gemara ( • Der Talmud (Lehre) – Jerusalemer (Palästinensischer) – Babylonischer Von der Antike zum Mittelalter • Begegnung mit griech. Philosophie (v.a.) Neuplatonismus: Einheit und Transzendenz Gottes • Herausforderung durch Christentum – wechselseitig konfliktiv seit NT; bes. seit Chr. Staatsreligion – im MA regional sehr unterschiedliches Verhältnis (Byzanz, Spanien, Italien, Deutschland) • Herausforderung durch Islam Vom Mittelalter zur Neuzeit • Aristotelesrezeption: Maimonides (Moshe ben Maimon): Führer der Unschlüssigen; Unkörperlichkeit, Geistigkeit Gottes, Erster Beweger • Kabbala: spekulative und mystische Richtung. Zohar; Emanationen der Gottheit (sefirot); Namen Gottes, Wort- und Zahlenmystik; abs. Transzendenz Gottes • Innere Konflikte zwischen Traditionalisten und Neuerern Aschkenazim und Sephardim • Deutschland, Osteuropa – Übernahme der Sprache > Jiddisch – Osteuropa: Chasidismus (Israel ben Elieser: Baal Schem Tow); Tora und Talmud, Gefühlsbetont, individualistisch, kabbalist. Elemente – Aufklärung: Moses ben Menachem Mendelssohn (1729-1786) • Spanien, Südeuropa, Osmanisches Reich – Übernahme der Sprache > spanisch-jüdisch – 1492: Vertreibung aus Spanien; „Marranen“ später auch nach Niederlande (Baruch de Spinoza) • Oriental. Traditionen 19. Jahrhundert • Emanzipation im modernen Nationalstaat • Konflikte mit Staat (Abschaffung religiöser Sonderprivilegien! Geforderte Anpassung: Schulsystem, Bürgerpflichten): Reformjudentum und Orthodoxes Judentum (bes. auch Osteuropa) • Zwischen Assimilation und Abgrenzung • Entstehen der so genannten „Judenfrage“ im Horizont des Nationalismus • Beginn des modernen Antisemitismus (Ablösung des relgiösen Antijudaismus durch modern „naturwissenschaftlichem“ Antisemitismus • Zionismus (Theodor Herzl) Schoah Lebensformen des Judentums • • • • • Heiligung des Lebens Häuslicher Bereich, Familienleben Gebetsleben und Lernen Jahreszyklus Lebenszyklus Jahreskreis • Rosch ha-Schana (Sept./Okt.): Neujahr, Schofar • Jom ha-Kippurim: Versöhnungstag; Sündenbock • Sukkot (Sept./Okt.): Laubhüttenfest (Erschaffung der Welt, Tempelweihe, Bewahrung in der Wüste) • Chanukka: (Wieder-)Einweihung (des 2. Tempels, 164 v. Chr.) • Purim (Feb./März): Errettung durch Esther (um 500 v. Chr.) vor Persern, • Pesach (März/April): Vorübergang; Auszug aus Ägypten • Schawuot (Mai/Juni): Wochenfest (Gabe der Tora) Das Schma Jissrael • Höre Jissrael: JHWH unser Gott, JHWH Einer! Liebe denn JHWH deinen Gott mit all deinem Herzen, mit all deiner Seele, mit all deiner Macht ...