Sammelband: Der Begriff des Judentums in der Klassischen Deutschen Philosophie Hrsg. v. Amit Kravitz (Jerusalem/München)/Jörg Noller (München) Einleitung Der Sammelband setzt sich zum Ziel, das spezifisch Philosophische an dem Verhältnis der klassischen deutschen Philosophie zum Judentum herauszuarbeiten: Wie wird „das Judentum“ im Ausgang von Kant in die philosophische Theoriebildung affirmativ oder kritisch oder gar diffamierend einbezogen? Wie wird die eigene Philosophie in Abgrenzung vom Judentum konstituiert? Wie wird das Bild (bzw. die Bilder) des Judentums philosophisch konstruiert, und wie wird es für die eigene philosophische Theorie instrumentalisiert, modifiziert und transformiert? Die Besonderheit dieser Rezeption besteht darin, dass die Hauptvertreter der klassischen deutschen Philosophie das „Judentum“ im Lichte einer allumfassenden metaphysisch-theologischen Konzeption betrachteten – im Unterschied zur tendenziell empiristisch und atheistisch orientierten Philosophie in England und Frankreich. Innerhalb dieses metaphysisch-theologischen Kontextes ist der empirische Charakter des „Judentums“ dagegen nur sekundär. Die Besonderheit der im Folgenden behandelten Denker besteht darin, dass der Begriff des Judentums für diese Philosophen weder allein bestimmt war durch ihre Bekanntschaft mit der jüdischen Religion und Kultur, noch völlig auf „klassische“ christlichtheologische Positionen gegenüber dem Judentum zurückgeführt werden kann, wie diejenigen Markions, Augustins oder Luthers – Positionen, die letztendlich in den Paulinischen Schriften verwurzelt sind. Vielmehr muss die Rezeption des Judentums im deutschen Idealismus vor dem Hintergrund der jeweiligen Religions- und Geschichtsphilosophie, der Metaphysik und Moralphilosophie in systematischer Hinsicht betrachtet werden. An der Art und Weise der philosophischen Rezeption des „Judentums“ zeigt sich damit nicht zuletzt die spezifisch eigene Philosophie der jeweiligen Denker. Sich nicht nur ein Bild vom „Judentum“ zu machen, sondern einen philosophischen Begriff davon zu gewinnen, ist das gemeinsame Anliegen der untersuchten Philosophen: Immanuel Kant, Friedrich Heinrich Jacobi, Karl Leonhard Reinhold, Friedrich Schiller, Salomon Maimon, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Schleiermacher. In einem abschließenden Beitrag wird die Perspektive des Sammelbandes umgekehrt und der Frage nachgegangen, wie jüdische Denker auf den Begriff des Judentums im deutschen Idealismus reagiert haben. Folgende zentrale Elemente und Aspekte des Judentums werden hierfür aus philosophischer Perspektive betrachtet: Der Monotheismus Der Begriff des auserwählten Volkes und des Bundes mit Gott Die Bedeutung des Messianismus und Prophetentums Die Bedeutung der Offenbarung, der heiligen Schrift sowie der Gesetze und Gebote Die Bedeutung der Ägyptischen Gefangenschaft und des Exodus Die mystische Tradition (Kabbala) Durch Analysen zentraler Schriften der klassischen deutschen Philosophie soll das wechselvolle deutsch-jüdische Verhältnis unter dem Aspekt seiner philosophischen Intellektualität exemplarisch aufgezeigt werden. So soll ein differenziertes Bild der philosophischen Rezeption des Judentums im Spannungsraum von Diffamierung, Affirmation und Transformation gezeichnet werden.