Kurzinterview mit Prof. Dr. Uwe Frank

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Kurzinterview mit Prof. Dr. Uwe Frank
„In der Antibiotikatherapie fahren wir bereits auf Reserve“
Drei Fragen an Prof. Dr. Uwe Frank, Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene,
Universitätsklinikum Freiburg.
Kürzlich geriet ein Colistin-resistenter E. coli-Stamm in die Schlagzeilen. Stehen wir kurz vor einem
„Superbug“ – dem ultimativen Bakterium, gegen das nicht mal mehr Reserveantibiotika wirken?
Prof. Dr. Uwe Frank: Das mag aus der Medien-Berichterstattung so hervorgehen. Tatsache ist aber,
dass es schon länger Colistin-Resistenzen gibt. Im genannten Fall wurde allerdings nachgewiesen,
dass die Bakterien in der Lage waren, ihr Resistenzgen horizontal an andere Erreger weiterzugeben.
Unser Problem ist aber nicht das eine Superbakterium mit Colistin-Resistenz: Wir stehen vielmehr
vor einer breit angelegten Welle von Resistenzen, die weit mehr Erreger und Antibiotika-Klassen
betrifft. Colistin wurde ja wieder aus der Schublade u. a. für die Fälle gezogen, bei denen unsere
eigentlichen Reserveantibiotika – die Carbapeneme – nicht mehr wirken. Carbapeneme wurden für
die Therapie schwer beherrschbarer Infektionen entwickelt. In den letzten Jahren wurden
Carbapeneme immer häufiger bei Infektionen mit Extended-Spectrum-Beta-Lactamase (ESBL)produzierenden Eregern angewendet. Das hat zu einer dramatischen Zunahme von CarbapenemResistenzen geführt, u. a. auch bei Klebsiella pneumoniae. Auf Intensivstationen finden wir bereits
zunehmend Klebsiella-Isolate, die ESBL bilden. D.h., wir müssen nicht auf Superbugs aus dem Ausland
warten, wir züchten unsere Resistenzen selbst vor Ort. Die Folge davon ist, dass wir mittlerweile in
der Antibiotikatherapie permanent auf Reserve fahren.
Der übliche Verdächtige MRSA befindet sich auf dem Rückzug. Welche neuen Gefahren drohen am
Horizont?
Prof. Dr. Uwe Frank: Die MRSA-Raten sind tatsächlich leicht rückläufig, aber dennoch sollte man die
Resistenzsituation bei Staphylokokken nicht unterschätzen. Laut WHO ist die Mortalität bei Patienten
mit einer MRSA-Infektion um 64 % höher als bei einer Infektion mit sensiblen Staphylokokken.
Deshalb sollte hier nicht nachgelassen werden. Wir haben zum Beispiel die MRSA-Rate am
Universitätsklinikum Heidelberg von 2011 bis 2015 kontinuierlich von etwa 17 % auf 8 % mehr als
halbieren können. Einen leichten Aufwärtstrend verzeichnen wir in Deutschland bei Vancomycinresistenten Enterokokken. VRE sind aber keine infektiologische Katastrophe. Sie führen hauptsächlich
zu Kolonisationen, stellen ggfs. eine Gefahr für immunsupprimierte Patienten, wie z. B. in der
Hämato-Onkologie dar.
Die begrenzten therapeutischen Möglichkeiten bei einer VRE-Infektion und die Zunahme derartiger
klinischer Isolate unterstreichen aber die Notwendigkeit effektiver Infektionskontroll-Maßnahmen.
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Ein weitaus größeres Problem sehe ich in der Zunahme multiresistenter gramnegativer Erreger
(MRGN). Letztere spielen eine immer größere Rolle als Erreger nosokomialer Infektionen – besonders
im Rahmen von Ausbrüchen. Darunter besonders die Erreger mit gleichzeitiger Resistenz gegenüber
vier Antibiotikaklassen, die so genannten 4 MRGN.
Der Europäische Antibiotikatag am 18.11. rückt das Problem Resistenzen in das öffentliche
Bewusstsein. Was muss in den Kliniken getan werde, um die Entwicklung aufzuhalten?
Prof. Dr. Uwe Frank: Im Fokus steht ein rationaler Antibiotika-Einsatz – dieser ist in Krankenhäusern
noch keinesfalls selbstverständlich. Für eine adäquate Antibiotikagabe sollte die Verteilung des
Erregerspektrums vor Ort bekannt sein, ebenso die Resistenzsituation und die Verbrauchsdaten der
Antibiotika. Bei der Antibiotikatherapie empfiehlt sich das Motto „so breit wie nötig und so schmal
wie möglich“. Dazu ist eine definitive Infektionsdiagnose notwendig und es sollte ein
mikrobiologischer Befund einschließlich Antibiogramm vorliegen, damit die Therapie entsprechend
angepasst werden kann.
Ganz wichtig ist zudem die konsequente Umsetzung von Hygienemaßnahmen, um einer Übertragung
der Erreger auf andere Patienten in den Kliniken vorzubeugen. Im Mittelpunkt steht dabei die
hygienische Händedesinfektion. Sie hat ein hohes Präventionspotenzial und wirkt lückenlos gegen
multiresistente Erreger. Sowohl zum Antibiotika-Einsatz als auch zur Hygiene sollte das ärztliche
Fachpersonal regelmäßig intensiv geschult werden.
Quelle
„Post-antibiotische Ära – schon Realität in Deutschlands Kliniken?“ Vortrag gehalten von Prof. Dr. Uwe Frank, Institut für
Umweltmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Freiburg, Mittags-Symposium: Antibiotikaresistente
Erreger: Neue Hygienestrategien entlang der Patient Journey, Berlin, 17. November 2016, veranstaltet vom BODE SCIENCE
CENTER, Hamburg, wissenschaftliches Kompetenzzentrum der PAUL HARTMANN AG, Heidenheim.
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