DIALOG 3 | 2013 Alle reden über Nachhaltigkeit und Energieeffizienz beim Bauen. Aber es ist wie beim Sex, wo das verstärkte öffentliche Reden darüber einhergeht mit einer Flaute in den Schlafzimmern. Was muss passieren, damit energieeffizientes Bauen sexy wird? Bau„herren“, die über eine intelligente Haussteuerung nachdenken, für eine Hausautomatisierung nutzen über- sind selbst eher gebildet. Das zumindest legt das Ergebnis einer durchschnittlich oft Smart Phones und Zielgruppenbefragung nahe, die Somfy Schweiz im vergangenen Jahr Tablet PC s. durchführte. Demnach interessieren sich rund 50 % aller Menschen mit abgeschlossener Fachhochschule oder Universitätslaufbahn für Steuerungen sollen vor allem bediener- die Möglichkeiten der Hausautomatisierung. Mit einem monatlichen freundlich sein Nettoeinkommen von mehr als 10.000 CHF zählt ein Viertel der Vor der Installation ist für Frauen und äl- Interessenten für Hausautomatisierungs-Systeme zudem zu den tere Menschen die fachgerechte Beratung Besserverdienenden in der Schweiz. besonders wichtig. Entscheidend sind Qualitätsaspekte und Bedienungsfreundlichkeit Anspruchsvoll, gebildet, weiblich. Intelligente Haussteuerung für Männer und Frauen interessant (71 %). Mit nur 16 % Nennung stellt die Fern- Die Erwartung, dass Jüngere eher an übergreifenden Hausauto- bedienung, egal ob von zuhause oder von au- matisierungssystemen interessiert sind als Ältere, hat die Studie be- sserhalb, noch für wenige Hauseigentümer stätigt. Überrascht hat indes, dass Hausautomatisierung nicht mehr ein wichtiges Kriterium dar. reine Männersache ist. War bei früheren Befragungen ein Grossteil Unterm Strich gilt: 65 % aller Haus- und Woh- der Männer noch primär an der Automatisierung von Heizung nungseigentümer interessieren sich für Haus- und Garagentor interessiert, der überwiegende Teil der Frauen automatisierung. Diese haben einen hören hingegen eher an einer automatisierten Bewässerung, spielen die Bildungsgrad, sind tendenziell weiblich, le- Geschlechtsunterschiede bei einer generellen Hausautomatisierung gen viel Wert auf Wohngefühl und Lebens- keine Rolle mehr – die Frauen holten deutlich auf! Ebenso klare qualität. Überzeugen lassen sie sich durch Tendenzen gibt es im Hinblick auf die Berufstätigkeit der Befragten: Informationen und eine kompetente Fach- Mit über 70 % ist der Anteil an Selbstständigen, leitenden Angestellten, beratung. Beamten und nicht-leitenden Angestellten sehr hoch. S t u d i e z e i g t : H a u sa u t o m a t i s i e r u n g i s t k e i n M ä n n e r s p i e l z e u g m e h r ! Bei der Frage, was Bewohner von ihrer Haus- Automatisierung soll Wohngefühl und Wert steigern automatisierung erwarten, stochern Architekten Mit fast 30 % Nennung rangieren die Nutzenaspekte „Wertsteigerung und Planer bislang im Nebel. Eine Consumer- der Immobilie“ und „modernes Wohngefühl“ ganz oben auf Analyse bringt jetzt Licht ins Dunkel. 65 Prozent der Prioritätenliste, deutlich vor Sicherheit und Energiesparen! aller Haus- und Wohungseigentümer interessie- Allerdings zweifeln immer noch viele, ob Anschaffungskosten und ren sich für intelligente Steuerungen. Was sich Installationsaufwand im rechten Verhältnis stehen. Immerhin 44 % diese Bauherren genau wünschen, verrät die schreckt der Aufwand ab. Ganz offensichtlich besteht genau hier Analyse. enormer Aufklärungsbedarf vonseiten der Experten. Ebenfalls wenig Somfy unterstützt Umsicht, denn die Energiefrage gehört zu den wichtigsten Fragen unserer Zeit. überraschend waren die Zahlen zur Technikaffinität: Interessenten Andreas Grieninger, Geschäftsführer Somfy Schweiz DIALOG | 3 PLUSENERGIE WANN IST ARCHITEKTUR GUT? Energieeffizienz, Klimaschutz und Ressourcenschonung nicht berücksichtigen? Sollen Architekten zugunsten ihrer gestalterischen Freiheit Gebäude bauen, die diese Themen nur am Rande behandeln? Designklassiker zeigen längst: Aus dem Zusammenspiel von neuen Technologien und drängenden Bedürfnissen der jeweiligen Zeit entsteht innovative Gestaltung. Umso überraschender ist es, dass architektonisch und energieeffizient vorbildliche Gebäude immer noch rar sind. Gehört doch die Energiefrage zu den wichtigsten Fragen unserer Zeit. Thomas Metzler, Inhaber des Bauatelier Metzler, hat sich auf energieeffizientes Bauen spezialisiert. Er sagt: „Solange noch Gebäude entstehen, bei denen die einfachsten Regeln der Energieeffizienz kaum berücksichtigt werden, Gebäude mit ungünstigen Oberflächen-Volumen-Verhältnissen, mit minimaler Dämmung oder bauphysikalisch bedenklichen Detaillösungen, drängt sich die Frage auf, ob hier bloss konstruktives Wissen fehlt, ob das Thema Energieeffizienz den Gestalter einfach nicht interessiert oder ob der Architekt vor einem der hartnäckigsten Vorurteile gegen Plusenergie-Häuser kapituliert hat. Dem Vorurteil nämlich, dass Plusenergie-Häuser Schuhschachteln ähneln und architektonisch anspruchslos sind.“ In dieser Frage bezieht Metzler eine klare Position: „Energieeffizientes Bauen erfordert immer eine kompakte Bauweise. Allerdings können die Häuser dennoch architektonisch anspruchsvoll und vielfältig gestaltet werden. Denn in der Gestaltung des scheinbar Einfachen liegt doch immer schon die grösste Herausforderung für einen Architekten.“ So bedeute nachhaltiges Bauen, die heute vorherrschenden Kriterien Funktionalität und Wirtschaftlichkeit langfristig auszurichten und durch zusätzliche Kriterien zu ergänzen. Thomas Metzler: „Dazu gehören Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit und ein zusätzlicher Wohnkomfort. Gute Architektur integriert diese drei Anforderungen des nachhaltigen Bauens beim Entwerfen und Realisieren von Gebäuden. Städtebauliche Aspekte, Funktionen, Raum, Form, Material und Farbe bleiben dabei so wichtig wie sie für hochwertige Architektur schon immer waren.“ Architekt: Bauatelier Metzler Ist es sinnvoll, heute noch Gebäude zu konstruieren, die die zentralen Themen 3 Kriterien guter zeitgenössischer Architektur: 1. Energieeffizienz durch die passive Nutzung von Solarenergie, die maximale Solarenergieproduktion und eine einfache, effiziente Haustechnik. 2. Umweltverträglichkeit durch eine Materialwahl nach den Kriterien von Minergie-P-ECO zusammen mit einer guten Ökobilanz, die sich ganz wesentlich aus der Einspeisung eines hohen Solarstrom-Überschusses ergibt. 3. Zusätzlicher Wohnkomfort durch ein angenehmes Wohnklima. Erzeugt wird der durch eine Komfortlüftung mit Feinstaub- und Pollenfilter sowie eine Materialauswahl nach dem Standard Minergie-P-ECO. Gesundheitsschädigende Emissionen im Innenraum werden so vermieden. DIALOG | 5 PLUSENERGIE Auch Laien können sich mittlerweile unter Minergie etwas vorstellen. Doch was bedeutet Minergie-P? Der Begriff, der seit 2002 in der Schweiz existiert, lehnt sich am deutschen Passivhaus-Standard an. Im Unterschied zum Passivhaus ist Minergie-P aber geschützt, das Zertifikat gilt als Qualitätssicherung. Heute gibt es in der Schweiz rund 2.000 zertifizierte Minergie-P-Gebäude. „Oberster Grundsatz von Minergie-P ist, Energieverluste zu vermeiden und wo immer möglich die passive Energie der Sonne zu nutzen.“ Pierre Honegger, Architekt und Präsident der Informationsgemeinschaft Passivhaus Schweiz (IG Passivhaus) gilt als einer der Pioniere von Minergie-P. Die IG Passivhaus wurde 2004 in Zürich von Architekten und Handwerkern gegründet, die sich bereits mit dem Bau von Häusern nach dem PassivhausStandard beschäftigt hatten. In den sechs Regionalgruppen, die in der ganzen Schweiz verteilt sind, sorgen heute knapp hundert Mitglieder für eine bessere Organisation von kooperativen, effizienten Bauprozessen. Präsident Pierre Honegger: „Unser Ziel ist es, die auf dem Bau oft anzutreffenden Leerläufe und Reibungsverluste zu minimieren und die sehr hohe Ausführungsqualität der Minergie-P-Bauten zu gewährleisten.“ Über den Bergen ist Freiheit Warum Minergie-P-Bauherren bessere Luft atmen Standort plus Gebäudehülle plus Dämmung Angefangen beim Standort erfordern Bauten nach Minergie-P von Beginn an eine darauf ausgerichtete Planung.“ Grundsätzlich können Minergie-P-Bauten zwar an jedem Standort erstellt werden“, so Honegger, “optimal sind aber nach Süden orientierte Grundstücke, bei denen der Schattenwurf durch benachbarte Bauten möglichst gering ist. Denn je besser ein Minergie-P-Haus von der Sonne beschienen wird, desto weniger Energie benötigt es.“ Um die Energie-Ziele von Minergie-P zu erreichen, haben sich kompakte Bauweisen mit einer guten Isolation sämtlicher Aussenflächen inklusive Boden und Wände des Kellers bewährt, bei denen die Gebäudehülle im Verhältnis zum Volumen eine möglichst kleine Oberfläche aufweist. Üblich sind Isolationsstärken von 30 bis 40 Zentimetern Dicke. Weil durch undichte Stellen und kleine Ritzen viel Energie verloren geht, müssen Minergie-P-Bauten luftdicht sein, getestet wird dies vor Erteilung des Labels mit einem so genannten Blower-Door-Test. Anstatt der normalen Haustür wird eine Tür mit einem Ventilator eingesetzt. Der saugt die Luft aus dem Haus ab oder bläst sie hinein. So zeigt sich, ob durch undichte Stellen Luft ins Haus nachströmt. Bioklimatische Fassade plus automatisierte Steuerung „Die Komponenten eines Minergie-P-Hauses müssen exakt aufeinander abgestimmt sein, da es sonst nicht gelingt, die Minergie-P-Werte einzuhalten“, betont Pierre Honegger. „Deshalb sind die Fenster dreifach verglast, weisen sie nach Norden, sollten sie möglichst klein sein, zeigen sie nach Süden, sind sie möglichst gross, um die Wärme der tiefstehenden Sonne in den Wintermonaten als passive Heizung zu nutzen.“ Im Sommer brauchen Minergie-P-Häuser an den grossen, nach Süden gerichteten Fenstern eine gute Beschattung als Hitzeschutz. Neben aussenliegenden Storen haben sich Vordächer oder Balkone bewährt, die die im Sommer hochstehende Sonne abschirmen, alle beweglichen SonnenschutzElemente brauchen eine automatisierte Steuerung. „Denn nur durch die Automatisierung DIALOG | 7 PLUSENERGIE des Sonnenschutzes lassen sich die maximale Energieeinsparung und eine konstante Raumtemperatur über den Tages- und Jahreszyklus hinweg sichern“, weiss der Minergie-PSpezialist, der in Sachen Steuerung mit Somfy zusammenarbeitet. Erneuerbare Energien plus exzellente Haustechnik Auch Minergie-P-Häuser brauchen eine Heizung, doch erlaubt der Standard nur Heizungen, die pro Quadratmeter beheizter Wohnfläche maximal 10 Watt Leistung erbringen, wobei zumindest ein Teil der Energie aus erneuerbaren Quellen stammen muss. Wärme und heisses Wasser werden in Minergie-P-Bauten meist von Kompaktgeräten mit integrierter Wärmepumpe oder Lüftungsgeräten mit Wärmetauscher bereitgestellt. Sie heizen die Luft auf, be- und entlüften das Haus und erzeugen das Warmwasser. Pierre Honegger: „Es gibt zwar keine Vorschriften, wie viel Energie regenerativ erzeugt werden muss, doch wenn der nötige Strom mit Solarzellen erzeugt wird, die Heizung mit Sonnenkollektoren unterstützt wird und diese auch das Warmwasser aufbereiten, wird ein Minergie-P-Haus übers Jahr betrachtet zum Nullenergiehaus!“ Auch der Verbrauch von Kochherd, Geschirrspüler und Waschmaschine ist bei Minergie-P-Häusern geregelt. Vorgeschrieben sind Geräte der Verbrauchsklasse A, bei Kühlgeräten A+. Bauherren wollen einfaches Heizsystem Das bestätigt auch Stefan Mischler. Mischler ist Heizungsbauer und einer der ersten, der sich in der Schweiz auf Passivhäuser spezialisiert hat. Seine erste Komfortlüftung baute er in sein eigenes Passivhaus ein. Das ist jetzt mehr als 10 Jahre her. Heute baut der PassivhausExperte 10 bis 15 Häuser im Jahr und weiss: „Einer der grössten Wünsche von Bauherren ist ein einfaches Heizsystem.“ Seiner Auffassung nach sind das die Luftheizung oder die SoleWasserheizung. Der Grund, so Mischler, sei, dass diese Heizsysteme im Gegensatz zu einer Fussbodenheizung das Problem des Überheizens nicht kennen. „Eine Fussbodenheizung ist im Grunde immer überdimensionert. Eine Luftheizung hingegen ist mit 10 Watt pro Quadratmeter sehr niedrig ausgelegt und daher extrem sparsam. Voraussetzung für deren Funktionieren aber ist die zuverlässige Umsetzung. Bei der Luftheizung muss ich genau wissen, dass das, was berechnet worden ist, auch wirklich realisiert wurde.“ Architekt: Bauatelier Metzler, Fotograf: Thomas Drexel Mechanische Belüftung plus menschliches Verhalten Eine mechanische Belüftung ist für Minergie-P-Häuser obligatorisch, denn in der kalten Jahreszeit ersetzt sie das Lüften über die Fenster und verhindert das Auskühlen der Räume. Lüftungsgeräte mit eingebautem Wärmetauscher geben bis zu 90 % der Abwärme aus der abgesaugten, verbrauchten Luft an die Frischluft weiter. Doch wichtiger noch als alle Technik ist das Verhalten der Bewohner. Architekt Honegger: „Gekippte Fenster in der kalten Jahreszeit sind bei Minergie-P-Bauten tabu. Wegen der eingebauten Komfortlüftung sind die aber auch gar nicht nötig.“ Architekt: Bauatelier Metzler, Fotograf: Thomas Drexel Zu wenige Heizungsbauer kennen sich aus Darüber, dass die Zukunft den Passivhäusern mit ihren sparsamen Heizsystemen gehört, hat Mischler keine Zweifel. „Wir befinden uns zwar immer noch in einem Pioniermarkt. Aber die technischen Lösungen hier sind bestens durchdacht und überzeugend. Die grössten Vorteile sind die niedrigen Energiekosten und die Unabhängigkeit, die eine Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach sogar zu 100 % realisieren kann.“ Umso verwunderlicher sei es, dass sich Minergie-P-Häuser und mit ihnen Luft- oder Sole-Wasser-Heizungen nur so zögerlich durchsetzen. Heizungsbauer Mischler hat darauf eine eigene Antwort: „Eine Luftheizung ist ein Zwischenprodukt, sie ist keine Lüftung und keine Heizung und leider kennen sich immer noch viel zu wenige Heizungsbauer damit aus. Und auch unter den Architekten gibt es noch viele Zweifler.“ Für diese Zweifler hat Mischler ein Rezept: Ausprobieren! Schon ein Besuch in einem Passivhaus oder ein Gespräch mit dessen Bewohnern könne viele Unklarheiten ausräumen. Stefan Mischler: „Am besten ist es aber, ein paar Tage und Nächte in einem Passivhaus zu verbringen. So lässt sich am eigenen Leib erfahren, wie es sich darin wohnt.“ Um die Ängste der Leute zu minimieren, bietet die IG Passivhaus das Probewohnen an. Interessierte können schweizweit mittlerweile in vielen Ferienhäusern, Jugendherbergen und Hotels und sogar in einer Berghütte ausprobieren, wie es sich tatsächlich anfühlt, in einem Passivhaus zu wohnen. (www.probewohnen.ch ) Plusenergie-Tipps vom Architekten Die Publikation Plusenergie-Haus beleuchtet auf 48 Seiten die verschiedensten Aspekte von Gebäuden, die mehr Energie erzeugen, als sie selbst verbrauchen. Ausgehend von Praxisbeispielen werden architektonische Gestaltung, Benutzerkomfort, Wirtschaftlichkeit und Ökobilanz solcher Häuser dargelegt. Gezeigt wird auch der Beitrag von Plusenergie-Bauten zur Energiewende in der Schweiz, das heisst zur Reduktion der CO2-Emissionen und zum Ersatz von Atomstrom. Das Heft liefert praxisorientierte Informationen für Bauherrschaften und Architekten. Es enthält zudem konkrete Grundlagen für Politiker/innen und Behörden in Zusammenhang mit der Förderung von Plusenergie-Häusern im öffentlichen Interesse. Plusenergie-Haus; Faktor Verlag, Zürich, 2013; 48 Seiten, vierfarbig illustriert; Autoren: Heidi Huber, Thomas Metzler, Daniel Rufer. ISBN 978-3-905711-21-9, Preis: 30 Franken, www.faktor.ch Thomas Metzler, Architekt DIALOG | 11 Rund 15 % aller Neubauten in der Schweiz werden heute nach Minergie-Standard gebaut. Der Frage, warum sich Bauherren für energieeffiziente Gebäude entscheiden und wie sich deren Anteil erhöhen liesse, ging jetzt ein umweltpolitisches Forschungsprojekt nach. Das Ergebnis überrascht: Private Bauherren wollen energieeffizient bauen. Doch umfassende Informationen und kompetente Projektpartner finden diese willigen Bauherren nur mit viel Durchhaltevermögen und Zeitaufwand. Wo sind die Energie-Experten? Welche Faktoren spielen bei der Entscheidung für oder gegen ein energieeffizientes Gebäude eine Rolle? Welche typischen Entscheidungsprozesse laufen ab? Gibt es Zusammenhänge zwischen psychologischen Variablen und der Entscheidung, ein energieeffizientes Haus zu bauen? Ein überraschendes Ergebnis des umweltpolitischen Forschungsprojekts war, dass die Befragten ihr eigenes Energieeffizienz-Wissen bei Planungsbeginn eher als mittelmässig einstuften. Allerdings beschrieben sich alle als sehr aktiv beim Einholen von Informationen. Die befragten Bauherren berichteten übereinstimmend, dass es ihr Kompetenzgefühl stärkte, wenn es gelang, Informationen über Förderprogramme zu bekommen oder energieeffiziente Häuser zu besichtigen. Als wichtigste Informationsquelle nannten die privaten Bauherren die Architekten. Signifikanter Engpass: Als echte Experten für energieeffizientes Bauen werden die wenigsten Architekten wahrgenommen. Die befragten Bauherren hatten den Eindruck, nur sehr wenige Architekten würden sich mit dem Thema Energieeffizienz wirklich beschäftigen und auskennen. Bei allen Befragten war die Einstellung gegenüber energieeffizienten Gebäuden positiv. Überinstimmend wurde der Faktor Zeit als knappe Ressource sowohl im Informations- wie auch im Bauprozess beschrieben. Der überwiegende Teil der Befragten fand, dass energieeffiziente Häuser ästhetisch sind und ihre Wohn- und Lebensbedürfnisse weit besser erfüllen als herkömmliche Häuser. Fazit der Studie: Wer energieeffizient bauen will, muss Willen und Ausdauer mitbringen. Doch die verfügbare Zeit bei den Bauherren ist knapp. Deshalb blasen viele das Vorhaben ab und bauen konventionell. Mehr Expertise aufseiten der Architekten könnte helfen. Das wünschen sich Bauherren: •Q ualitätlsabels, um kompetente Baupartner vor Ort überhaupt als solche zu erkennen sowie Rankings der Architekten in Sachen Energieeffizienz-Partner •e ine bessere Vermarktung des Themas Energieeffizienz vonseiten der Architekten • die Beratung der Bauherrschaften mit langfristiger Perspektive Objekte: Honegger Architekt, Herdern PLUSENERGIE Was Sie schon immer über Passivhäuser wissen wollten Was ist ein Passivhaus? • Gebäude ohne konventionelles Heizsystem • passive Energiequellen wie Sonne, Erdwärme und sogar die im Gebäude vorhandene Energie von Menschen, Beleuchtung und Haushaltgeräten, Unterhaltungselektronik etc. werden genutzt • bis zu 90 % Wärmerückgewinnung über Komfortlüftung •H eizleistung kann über Komfortlüftung in die Räume eingebracht werden, weshalb ein konventionelles Heizsystem nicht mehr notwendig ist Wie erreicht man die niedrigen Werte? Oberster Grundsatz beim Passivhaus ist es, Energieverluste zu vermeiden. Grundsätzlich werden erneuerbare Energien genutzt und sämtliche Anlagen, die ohnehin zum Bau und Betrieb eines Gebäudes möglich sind, konsequent optimiert. Braucht man fossile Brennstoffe? Nein. Weil sich der Heizwärmebedarf gegenüber einem konventionellen Haus um rund 80 % reduziert, brauchen sich Passivhausbewohner um Energieknappheit und -verteuerung nicht zu sorgen. 7 Vorurteile gegenüber Passivhäusern „Die Häuser ähneln Schuhschachteln.“ Energieeffizientes Bauen erfordert immer eine kompakte Bauweise. Trotzdem können die Häuser architektonisch vielfältig gestaltet werden. „In Minergie-P-Häusern lassen sich die Fenster nicht öffnen.“ Stimmt nicht. Minergie-P-Häuser haben ganz normale Fenster, die sich öffnen lassen. Durch die eingebaute Komfortlüftung ist es aber im Winter nicht sinnvoll, die Fenster zu öffnen. Darüber hinaus sorgt die Lüftung dafür, dass die Bewohner gar nicht das Bedürfnis haben, die Fenster zu öffnen. „Die Lüftung ist laut und erzeugt hohe Luftströme im Haus.“ Lüftungsanlagen, die von Fachleuten geplant und eingebaut sind und die richtigen Komponenten verwenden, erzeugen weder Luftströme noch machen sie Lärm. „Häuser nach Standard Minergie-P sind viel zu dicht.“ Um Energie zu sparen, werden heute alle Neubauten möglichst luftdicht konstruiert. Im Gegensatz zu alten Häusern findet deshalb auf natürliche Weise kein Luftwechsel statt. Neubauten, in denen zu wenig gelüftet wird, haben eine schlechte Luftqualität. Minergie-P-Häuser aber haben aufgrund der Lüftungsanlage immer Frischluft. „Die Mehrkosten für ­Häuser nach Standard Minergie-P sind erheblich.“ Gegenüber einem Haus nach gängigen Vorschriften belaufen sich die Mehrkosten auf maximal 10 % – vorausgesetzt, das Objekt wurde konsequent nach energetischen Gesichtspunkten geplant, etwa mit möglichst geringer Oberfläche der Hülle. „Minergie-P-Häuser ­müssen aus Holz gebaut werden.“ Der Energiestandard eines Hauses hat nichts mit den Baumaterialien zu tun. MinergieP-Häuser können aus fast jedem Material gebaut werden. „In Minergie-P-Häusern kann man keinen Holzofen einbauen.“ Der Anschluss eines Holzofens ist auch in Minergie-P-Häusern möglich und kann sogar Bestandteil des Energiekonzepts sein. DIALOG | 13 SOMFY SPEZIAL Wenn das Haus mitdenkt Vernetzte Steuerungssysteme sollen das Wohnen komfortabler und sicherer machen. Die Technik, die Somfy zur Verfügung stellt, erfüllt Nutzerträume und ist nicht nur für Neubauten interessant. Das hätte schon was: Morgens, wenn der Wecker läutet, ist der Kaffee bereits frisch aufgebrüht. Und wenn man beim Verlassen des Hauses die Tür zuzieht, sind automatisch auch alle Fenster verschlossen und Herd und Bügeleisen abgeschaltet. Zukunftsmusik? Technisch schon lange nicht mehr. Aber in der Praxis setzen sich intelligente Steuerungssysteme fürs Haus erst allmählich durch. Dabei sparen intelligente Häuser nicht nur viel Energie, sondern erhöhen Sicherheit und Wohnkomfort erheblich. Den Grund, warum sich die intelligenten Steuerungen nur langsam durchsetzen, kennt Andreas Grieninger, Geschäftsführer von Somfy Schweiz. „Als plakatives Beispiel für intelligente Häuser musste immer der Kühlschrank herhalten, der eigenständig nachbestellt, wenn der Erdbeerjoghurt aus ist. Doch um solche Spielereien geht es gar nicht“, stellt Grieninger richtig. „Die neue Technik soll ja nicht die Bewohner bevormunden, sondern sie im Alltag unterstützen.“ Fast alle technischen Geräte im Haus lassen sich miteinander vernetzen und zentral steuern Beispiel Heizung: Moderne Systeme erlauben es, die Raumtemperatur für jedes Zimmer individuell und entsprechend der Aussentemperatur zu regeln. Sensoren erkennen geöffnete Fenster. Auf Wunsch sinkt daraufhin die Heizleistung kurzzeitig ab. Ebenfalls möglich ist, die Raumtemperatur über das Handy zu steuern. Berufstätige können etwa bereits beim Verlassen der Firma die Heizung zu Hause hochfahren, sodass es bei der Ankunft schön warm ist. „Gerade in Sachen Energieeffizienz bringt die Hausautomatisierung sehr viel“, betont Grieninger. Nutzer der neuen Technik können beispielsweise den Sonnenschutz automatisch anpassen und vom Sonneneintrag profitieren. Das spart in Übergangszeiten sehr viel Heizenergie, und im Sommer bleibt die Wohnung durch zeitiges Abschatten angenehm kühl, auch wenn man nicht zu Hause ist. Weitere Einsatzmöglichkeiten liegen im Bereich Sicherheit. So registrieren Fenstersensoren und Bewegungsmelder, ob jemand ins Haus will, der nicht ins Haus soll. Eine Zentralverriegelung wie beim Auto sorgt dafür, dass alle Fenster und Türen verschlossen und die Alarmfunktionen aktiviert sind, wenn die Bewohner das Haus verlassen. Für verschiedene Nutzergruppen geeignet „Interessant ist eine vernetzte Wohnung für alle Personen, vom jungen Technik-Freak bis zum älteren Menschen“, meint Grieninger. „Besonders für ältere Menschen, die ja nicht so vertraut sind mit der Technik, gibt es viele sinnvolle Anwendungen, die es ihnen erleichtern, länger selbstständig zu bleiben.“ So können Sensoren dafür sorgen, dass automatisch ein Orientierungslicht eingeschaltet wird, wenn man nachts das Bett verlässt. Für mehr Sicherheit sorgen auch Systeme, die den Herd überwachen und Alarm schlagen, wenn er nicht ausgeschaltet wird. Die Bedienung ist laut Grieniger weniger kompliziert als oft befürchtet. Die Steuerung lässt sich individuell auf den Nutzer zuschneiden. Wer Spass an der Technik hat, wird sich viele Einstellmöglichkeiten wünschen, wer es lieber bequem mag, kann auf intuitive Benutzerführung zurückgreifen. Kosten sind abhängig vom Funktionsumfang „Wie viel teurer ein intelligentes Haus wird, lässt sich pauschal nicht sagen“, erklärt Grieniger. „Das hängt von der Struktur und Grösse des Gebäudes und vom Umfang der Funktionswünsche des Bauherren ab.“ Etwa zwei bis drei Prozent der Bausumme fliessen derzeit in die elektrotechnische Ausstattung eines Neubaus. Im Vergleich zum Energie- Einsparpotenzial und hochgerechnet auf die Lebensdauer des Objektes sei das noch sehr wenig. Kritisch ist für den Somfy-Chef nur, dass Anfragen und Ausschreibung für die intelligente Technik im Bauverlauf meist zu spät kommen. „Architekten und Hausherren denken noch immer zu spät über intelligente Haustechnik nach. Aber um zu einer optimalen Lösung zu kommen, müssen wir den gesamten Baukörper berücksichtigen. Deshalb ist es wichtig, dass unsere Experten schon bei der Planung eines Gebäudes mit am Tisch sitzen.“ Weltbekannte Architekturprojekte zeigen das Potenzial Einen Einblick in den Stand der Entwicklung und die Möglichkeiten, die intelligente Technik bietet, wenn sie schon bei der Fassadengestaltung mit berücksichtigt wird, zeigen Bauten von Weltruf wie beispielsweise die Gurke in London. Hier wurden Fassadengestaltung, Kühlung, Heizung und Sonnenschutz gleich von Anfang an miteinander konzipiert und intelligent gesteuert und auf diese Weise ein architektonisch, technisch und energetisch einzigartiges Bauwerk geschaffen. DIALOG | 15 LICHTMANAGEMENT Altersheim EMS Versoix, Genf Die Macht des Lichts Gesundheitseinrichtungen verbrauchen im Durchschnitt drei bis fünf Mal mehr Energie als ein herkömmliches gewerbliches Gebäude. Bioklimatische Fassaden begrenzen den Einsatz von Klimaanlage und Heizung und halten den Energieverbrauch niedrig. Doch was das Wichtigste ist: Sie ermöglichen ein optimales Tageslicht-Management. Weil der Mensch unter der Sonne entstanden ist, braucht er so viel Licht wie möglich. Ob Krankenhaus oder Privatklinik, ob Erholungsoder Altenheim - Gebäude im Gesundheitswesen müssen eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen: Sie sollen Wohlbefinden und Gesundheit der Patienten fördern, die Arbeitseffizienz des medizinischen Fachpersonals erhöhen; sie sollen wenig Energie verbrauchen und natürliche Ressourcen schonen; sie sollen eine schnelle Rendite ermöglichen und dabei Arbeit und Aufenthalt für Bewoh-ner, Gäste und Angestellte so angenehm wie möglich machen. Vor diesem Strauss an Anforderung standen auch die Architekten bei der Planung des Altenheims EMS Versoix in Genf. Ziel ihrer Planung war ein intelligentes Gebäude, das Bewohnern wie Pflegepersonal gerecht wird. Bei der Planung der Gebäudehülle wurde daher bei den Bedürfnissen der Bewohner angesetzt. Ganz allgemein gilt: In Pflegeeinrichtungen sind die Ansprüche an das Innenraum-Klima besonders hoch. Es muss so stabil wie möglich sein, damit Bewohner und Pflegepersonal gute Lebens- und Arbeitsbedingungen haben. Gebäudehüllen brauchen flexible Öffnungen Erste Aufgabe war, die Anforderungen an die Fassade zu definieren. Denn an der Gebäudehülle treffen Innenraum und Aussenwelt aufeinander. Die Fassade soll das Innenklima stabil halten und dabei möglichst wenig Energie verbrauchen. Im Altenheim in Genf entschied man sich für eine bioklimatische Fassade. Nach dem Vorbild einer lebenden Membran passt sich diese automatisch an die klimatischen Schwankungen an. Kernidee einer bioklimatischen Fassade ist es, die Verhältnisse im Inneren eines Gebäudes stabil zu halten ungeachtet der Jahreszeit, der Wetterlage und dem Rhythmus von Tag und Nacht – und zwar ohne zusätzlichen Energieverbrauch. Um bei der Fassade des Altenheims EMS Versoix in Genf einer lebenden Membran so nahe wie möglich zu kommen und Wärmeund Sichtkomfort für Bewohner und Angestellte der Einrichtung optimal zu gestalten, griffen die Genfer Architekten auf die Steuerungslösungen von Somfy zurück. Ältere Menschen brauchen sehr viel Tageslicht Im Zentrum der bioklimatischen Strategie vom Somfy steht das Tageslicht-Management. Denn Tageslicht hat einen positiven Einfluss auf Wohlbefinden. So legen zahlreiche Studien nahe, dass bei ausreichendem Tageslicht Schüler besser lernen, Arbeitnehmer mehr leisten, Kranke schneller genesen. Besonders bei älteren Menschen, bei denen die optimale Ausnutzung des Tageslichts schwierig ist, weil sie einen instabilen Tag-Nacht-Rhythmus haben und die meiste Zeit in Innenräumen verbringen, kommt dem TageslichtManagement eine ganz besondere Bedeutung zu. Dieter Kunz ist Chefarzt der Klinik für Schlafmedizin am Berliner St.-Hedwig-Krankenhaus. Er weiss, wie wichtig Tageslicht für Gesundheit und Leistungsfähigkeit ist, denn sein Fachgebiet ist die Chronobiologie, die Lehre von der inneren Uhr. Und diese wird vom Licht gesteuert. „Tageslicht signalisiert dem Körper, wann er wach und konzentriert zu sein hat“, so Kunz, „Lichtmangel macht Menschen müde und schlägt auf die Stimmung.“ Da Licht wichtige Körperfunktionen steuert, könnten mit Hilfe von Licht auch Depressionen reduziert und Schlaf und Herzrhythmus verbessert werden. „Die beste Lösung wäre, viel Zeit im Freien zu verbringen,“ betont Kunz. Da dies für Menschen in Pflegeeinrichtungen nicht so ohne Weiteres möglich ist, gewinnt das Tageslicht-Management im Gebäudeinneren an Bedeutung. Der Mensch ist unter der Sonne entstanden Mithilfe automatisch gesteuerter Sonnenschutzeinrichtungen lässt sich das Gebäude an den Lebensrhythmus der Bewohner anpassen. Somfy hat dazu eine grosse Bandbreite von Bedienelementen entwickelt, mit denen auch Patienten in Pflegeheimen ihre Sonnenschutzeinrichtungen steuern können, ohne aufstehen zu müssen. Für das Personal bedeutet die Automatisierung eine grosse Entlastung: Monotone Aufgaben wie das Herunterlassen der Lamellenstoren, wenn die Sonne in die Zimmer brennt, oder das Hochfahren, wenn Wolken die Sonne verdecken, fallen weg. Ein weiterer positiver Effekt der Automatisierung zeigt sich nachts: Bewohner, die tagsüber wach und aktiv sind, schlafen nachts besser durch. Das erleichtert die Arbeit des Nachtpersonals. Planer wissen zu wenig über die Wirkung des Lichts Ein gutes Tageslicht-Management kann zudem die Gefahren minimieren, die von einer falschen künstlichen Beleuchtung ausgehen. Denn ebenso wie Tageslicht den Menschen gut tut, kann eine zu starke künstliche Beleuchtung zur falschen Zeit schaden. Mit dem Sonnenlicht sollten wir auch unser künstliches Licht synchronisieren. Um die Macht des Lichts wirklich zu verstehen, wird die Wissenschaft wohl noch eine Weile brauchen. Schon jetzt aber ist klar: Wir brauchen ein neues Bewusstsein dafür. Unterdessen wirken Wettersonden, Timer und zentrale Bedieneinheiten als Bestandteile intelligenter Steuerungssysteme ganz unmittelbar und positiv auf Lebens- und Arbeitsbedingungen von Patienten und Pflegepersonal in Gesundheitseinrichtungen. Und senken ganz nebenbei noch den Energieverbrauch. DIALOG | 17 SANIERUNG Atemberaubend! Im Amtshaus Walche in Zürich wurden Ende 2012 insgesamt 210 Büros mit automatisierten Storen ausgestattet. Bei der Sanierung wurden die alten Rollläden ausgebaut, die Kästen isoliert und die neuen Storen am Gebäude angebracht. DIALOG | 19 Steuerung lässt keine Wünsche offen SANIERUNG Noch dauern die Energieeinsparmessungen des ersten Sanierungsschrittes in der Walche an. Falls eine energetische Optimierung nötig ist, wird sie von den Steuerungs-Experten von Somfy umgesetzt. Projektleiter Weber von Somfy, der das Projekt von Anfang an betreut hat: „Wir passen die Programmierung dann den Optimierungsvorschlägen an. Das Gute in der Walche ist natürlich, dass die vorhandene Steuerung alle Möglichkeiten bietet. Es gibt Windsensoren, die veranlassen, dass die Storen hochgefahren werden, es gibt eine Frost- und eine Regenautomatik, zudem wurde die Fassade in verschiedene Sonnensektoren aufgeteilt und entsprechend der Abschattung unterschiedlich programmiert. Wenn wir jetzt noch den Wärmeeintrag in der Übergangszeit und im Winter optimal ausnutzen, hat die gesamte Sanierung einen energetischen Nutzen, der über die reine Überhitzungsthematik weit hinausgeht.“ Den Zuschlag für die Sanierungsaufgaben bekam ein Büro aus Zürich mit viel Erfahrung in der Sanierung denkmalgeschützter Gebäude. Eine der grössten Herausforderungen der energetischen Sanierung lag im Denkmalschutz. Bei Kästli Storen erinnert man sich: „Vorgabe war, dass die Sonnenschutz-Lösung sehr schlicht sein sollte. Auf der Südostfassade waren bereits Storen und Rollladenkästen vorhanden. Sie aber an jeder Fassadenseite anzubringen, hätte den Charakter des Gebäudes völlig verändert.“ Aufgrund des Denkmalsschutzes entschied man sich für eine Form der alten Schulhausstoren – Ausstellmarkisen in Chromstahl-Ausführung, mit Rundstabführungen und einer seitlichen Ausstellung, das Ganze motorisiert. Marc Kästli, Inhaber von Kästli Storen: „Die vorhandenen Storenkästen sollten nicht mehr genutzt, sondern stattdessen die neuen Storen direkt unter den Sturz montiert werden. Bei der Realisierung kamen wir deshalb zum Zug, weil unsere Gestänge den denkmalschützerischen Anforderungen entsprechen.“ Zwei Jahre Planung, zwei Monate Umsetzung Anton Wenger, Projektleiter bei Kästli Storen, erinnert sich: „Als wir im August 2012 nach einer zweijährigen Planungsphase den Auftrag bekamen, musste alles ganz schnell gehen, denn die Montage war schon im Oktober vorgesehen.” Deshalb liefen die Arbeiten fast generalstabsmässig ab, sogar während der Sanierung arbeiteten die Mitarbeiter in ihren Büros. An einem Tag öffneten Schreiner die Rolllädenkästen, entfernten die alten Rollläden und isolierten die Kästen, unterdessen verlegten Elektriker die Kabel und Leitungen für die Steuerung. Danach brachten Storenmonteure die Markisen an und Gipser und Maler stellten den Raum wieder her. Jede Woche wurde auf diese Weise eine zuvor vereinbarte Anzahl Büros fertiggestellt, im Dezember waren alle 420 Fenster saniert die Baustelle konnte pünktlich abgenommen werden. DIALOG | 21 SANIERUNG Lösung 2: Den Mitarbeitern die Steuerung überlassen Lösung 1: „Zwangsbeschattung“ Bei massiven Hitzeproblemen macht es Sinn, dass ab einem bestimmten Wärmeeintrag die Storen automatisch herunterfahren und manuell auch nicht mehr hochgefahren werden können. Eine Entscheidung, die aus Expertensicht nicht ganz unproblematisch ist. Norbert Weber, Projektleiter bei Somfy: „Normalerweise wird eine Steuerung über Luxmessung gemanagt, sie reagiert also auf Licht. Unter dem Eindruck der zunehmenden Hitzeproblematik koppeln Kunden aber gern die Bewegung der Storen an die Innentemperaturen. Im Sinne der energetischen Sanierung ist das zwar nachvollziehbar, aber man sollte die Folgen bedenken und die Herausforderungen im Auge behalten.“ Eine dieser neuen Herausforderungen zeigt sich in den Übergangszeiten. Norbert Weber: „Im Frühjahr und im Herbst gibt es das Problem der Überhitzung natürlich nicht, die Sonne scheint aber trotzdem in die Büros und blendet die Mitarbeiter.“ Die Folgen sind offensichtlich: Die Menschen an ihrem Arbeitsplatz ärgern sich, weil sie von der tief stehenden Sonne geblendet werden, sie die Storen aber nicht selbst betätigen können. Wer also das Problem der Überhitzung im Sommer in den Griff bekommen und vom Wärmeeintrag im Winter profitieren will und gleichzeitig verhindern möchte, dass die Menschen in Übergangszeigen von der tiefstehenden Sonne geblendet werden, muss andere Lösungen suchen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, den Mitarbeitern selbst die Wahl zu lassen, ob sie ihre Storen rauf- oder runterfahren wollen. Marc Kästli hat in zahlreichen Sanierungsprojekten viele Erfahrungen gesammelt. Er meint: „Für die energetische Optimierung eines Gesamtgebäudes ist die automatisierte Steuerung sicher optimal. Aber das Empfinden der einzelnen Menschen ist nun einmal sehr unterschiedlich und mancher fühlt sich vielleicht bevormundet, wenn er nicht die Möglichkeit hat, die Abschattung seinem Empfinden anzupassen.“ Auch bei Somfy kann man einer individuell regelbaren Steuerung etwas abgewinnen. Norbert Weber: „Eine gute Lösung liegt meiner Erfahrung nach in einer Art reduzierter Zwangsbeschattung. Man knüpft die Steuerung an aktuelle Temperaturen und an den wenigen Hitzetagen im Sommer arretiert man die Storen. In der restlichen Zeit überlässt man den Mitarbeitern selbst die Wahl über die Stellung des Sonnenschutzes.“ Rauf oder runter? Überhitzung ist immer wieder Thema in älteren Gebäuden, insbesondere wenn das Gebäude nur über sehr wenig Speichermasse verfügt oder eine Nachtauskühlung nicht möglich ist. Damit die energetische Sanierung gelingt und Mitarbeiter morgens in ihren Büros keine tropischen Temperaturen antreffen, lohnt ein Blick auf die verschiedenen Möglichkeiten einer automatisierten Beschattung. Lösung 3: Sonnenschutz und Blendschutz unterscheiden Die Erfahrungen der Experten und die Energieeinsparwerte der 2000-WattGesellschaft indes legen eine dritte Lösung nahe: Planer sollten zwischen Sonnenschutz und Blendschutz unterscheiden. Tatsächlich ist Sonnenschutz etwas anderes als Blendschutz, doch diese Unterscheidung kommt erst langsam ins Bewusstsein. Marc Kästli bringt es auf den Punkt: „Ein Sonnenschutz wird aussen angebracht, ein wirksamer Blendschutz befindet sich innen.“ Was bedeutet: Über eine automatisierte Steuerung allein lässt sich ein sinnvoller Blendschutz oft nicht lösen. Erst wenn man Sonnenschutz und Blendschutz entkoppelt, kann man die Kraft der Sonne nutzen – und beherrschen. Noch gibt es viel zu lernen. Im konstruktiven Dialog zwischen Entwicklern und Anwendern gelingen täglich bessere Lösungen. DIALOG | 23 INNOVATION Wenn Martin Jordi eine Bestellung beim Universum frei hätte, würde er sich wünschen, dass sich die Aussenstoren aller Gebäude in der Schweiz kurz vor einem Hagelschauer automatisch hochfahren. Martin Jordi ist Bereichsleiter technische Elementarschaden-Prävention bei der VKF, der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen. Seine Auftraggeber, die 19 kantonalen Versicherungen, zahlen Jahr für Jahr steigende Millionenbeträge an hagelgeschädigte Versicherungsnehmer. Martin Jordi weiss: „Den Monopolversicherungen in der Schweiz bereiten zwei Punkte Sorgen. Der erste bezieht sich auf die Kosten der Elementarversicherungen generell, der zweite hat mit den Sonnenschutzelementen im Speziellen zu tun.“ Denn Sonnenschutzstoren sind für Naturereignisse wie Hagelstürme nicht ausgelegt. Was aber aus Sicht des Versicherungsprofis noch viel schlimmer ist: „Der Trend geht dahin, dass sie immer noch filigraner, schlanker und dünner werden.“ Höchste Zeit für die VKF, etwas zu tun. Zusammen mit der SRF Meteo und Somfy hat die Präventionsstiftung der Kantonalen Gebäudeversicherungen deshalb ein Hagelschutzprojekt ins Leben gerufen. Ralph Balhuber hat das Projekt angestossen und bei Somfy dessen Leitung übernommen. Er betont: “Herzstück des Projektes ist ein Vorhersagetool, das den verletzlichen Sonnenstoren im Voraus mitteilt, wenn ein Hagelschauer naht und wann genau sie hochfahren sollen. Darin liegt die Herausforderung und die grosse Chance.“ Genau vorherzusagen, wann und wo es hagelt, ist gar nicht so einfach! Wissen, wann es hagelt SRF Meteo an Steuerung: „Es wird gleich hageln.“ Steuerung an Storen: „Hochfahren!“ Wenn aussenliegende Sonnenstoren wüssten, wann es hagelt und rechtzeitig automatisch hochfahren würden, könnten Versicherungen Jahr für Jahr Hunderte von Millionen Schweizer Franken sparen. Seit Kurzem arbeiten die Präventionsstiftung der Kantonalen Gebäudeversicherungen, der Wetterdienst SRF Meteo und die Firma Somfy an einem solchen Projekt. Für die Gebäudeeigentümer und Versicherer ist das Vorhersagetool Gold wert. Bei allen Einschränkungen bieten Sonnenstoren einen ganz entscheidenden Vorteil gegenüber anderen Bauteilen: Man kann sie einfahren. Martin Jordi: “Um das aber rechtzeitig zu tun, müssen die Storen wissen, wann es hageln wird und zwar kurzfristig und mit relativ hoher Genauigkeit. Und genau das macht das Hagelschutzprojekt so knifflig. Denn Hagel ist ein lokal begrenztes Ereignis und seine Prognose deshalb gar nicht so leicht“, erklärt Martin Jordi. Hier sind Experten gefragt, Menschen, die wissen, wann es hagelt. Einer dieser Experten ist Christof Siegrist, Meteorologe und in der ganzen Schweiz bekannt aus Funk und Fernsehen, wo er täglich das Wetter voraussagt. Seit Kurzem hat der Wettermann einen neuen Job: Er soll den Hagel voraussehen, um Storenbesitzern in der gesamten Schweiz viel Ärger und Geld zu ersparen. Wettermann Siegrist findet das Projekt toll und ist optimistisch, was die Ergebnisse angeht: „Wir haben jetzt die erste Testphase hinter uns und die ersten Ergebnisse sind subjektiv betrachtet sehr positiv. Zwischen April und September haben wir Daten gesammelt, jetzt analysieren wir sie und werten sie aus.“ Um welche Datenflut es sich dabei handelt, wird beim Blick auf die Umsetzung des Hagelschutzprojekts deutlich. Christof Siegrist: „Wir haben ein Gitternetz über die gesamte Schweiz gelegt und an jedem der Gitterpunkte errechnet unser System alle fünf Minuten eine neue Hagelprognose.“ Wenn man alle Punkte im Gitternetz und alle Prognosen zusammenzählt, kommt man auf 714 Millionen Punkte, DIALOG | 25 INNOVATION die berechnet werden. Pro Tag! „Gewitterzellen sind an sich schon komplexe Gebilde und wenn man die noch prognostizieren möchte, dann hat man was zu tun“, lacht Siegrist. Zuverlässigkeit der Vorhersagen“, prognostiziert Martin Jordi. „Die müssen sehr hoch sein, denn wenn die Storen ständig rauf und runter fahren, ohne dass es hagelt, wird das Prognosetool den Kunden schnell verleidet. Deshalb ist auch unsere Testphase so lang.“ Programme mussten erst lernen, was Hagel überhaupt ist Prognosen für das Hageltool sind bestens Dabei ist die Datenauswertung nicht die einzige Herausforderung für den Meteorologen. „Ich muss einerseits die Programmierer beraten, wie sie die Meteorologie in ihr System überhaupt reinbringen, denn ein Computerprogramm muss beispielsweise erst einmal lernen, was Hagel überhaupt ist. Und dann bin ich als Projektleiter bei SRF Meteo dafür zuständig, die Fäden zusammenzuhalten zwischen dem Initiator, den Entwicklern und Somfy. Denn es reicht ja nicht, zu wissen, dass es hagelt. Man muss die Gebäude ansteuern, damit es die Steuerungen auch erfahren.“ Die grösste Hürde dabei sei die Frage, wie man ins Gebäude hineinkommt. Christof Siegrist: „Normalerweise ist die Steuerung der Storen ja nicht ans Internet angebunden. Eine Möglichkeit ist der Weg über das Handynetz. Dabei schickt man ganz banal eine SMS an die Steuerung.“ Die zukunftsträchtigere Lösung aber liegt nach Auffassung des Fachmanns in einer IP-basierten Lösung. „Dabei wird das Modem über die IP-Adresse angesteuert.“ Heikel wird es, wenn der Hagel ausbleibt In der Praxis sieht das so aus: Bei einem anziehenden Hagelschauer bekommt die Gebäudesteuerung übers Internet das Signal: “Storen hoch!“ Daraufhin fahren die Storen in einem genau definierten Radius von einem Kilometer hoch, denn ein Hagelgewitter ist ein stark regional begrenztes Naturereignis. Und weil der Hagelschauer meist innerhalb weniger Minuten wieder vorbei ist, bekommt die Gebäudesteuerung nach dem Ereignis erneut ein Signal. Ist die Luft wieder rein, lautet das Signal: “Storen wieder in die Ausgangsposition setzen!“ Die Testphase des Projekts dauert drei Jahre. In dieser Zeit wird die Präventionsstiftung der Kantonalen Gebäudeversicherungen 20 Objekte in der gesamten Schweiz mit Hagelschutz-Steuerungen ausstatten. „Unser Ziel ist eine rund 90-prozentige Zuverlässigkeit der Prognose“, so Martin Jordi. „Absolute Sicherheit wird es nie geben und sicher wird auch der eine oder andere Storen mal hochfahren, und der Hagel bleibt dennoch aus.“ Genau an dieser Stelle aber hat das Projekt seine Achillesverse. „Die Akzeptanz steht und fällt mit der Hagelsumme 1970 - 2012 über alle 19 Kantonalen Gebäudeversicherungen (indexiert anhand des Zürcher Baukostenindex) Trotz aller Unwägbarkeiten ist der Projektleiter sicher, dass das Vorhersagetool bei den Versicherungen einschlagen wird. Denn Hagelschäden werden immer häufiger. Zwischen 1992 und 2011 ist die Anzahl der Schäden um rund zwei Drittel angestiegen, die Schadenssumme bei den Versicherungen hat sich mehr als verdoppelt: von 93 Mio. CHF auf über 206 Mio. CHF. Hagelschäden machen heute weit mehr als ein Drittel aller Elementarschäden aus – Tendenz steigend. Das liegt daran, dass es tendentiell öfter und stärker hagelt, an einer veränderten Architektur mit mehr Aussenlamellen und Storen und daran, dass die verwendeten Bauteile immer filigraner und die Materialien hochwertiger werden. „Hinzu kommt noch die Erwartung der Kunden an ihre Versicherung, dass die den Schaden auch ersetzt. Denn ein Gebäude ist heute eher Schmuckstücke und Repräsentationsobjekt als dies früher der Fall war“, so Jordi. Läuft alles nach Plan, wird das Hagelschutzprojekt, nach seiner dreijährigen Testphase 2015 an den Markt gehen. Profitieren werden neben den Versicherungen vor allem die Immobilienbesitzer. Das Interesse sei schon heute riesig. Geleitetet und finanziert wird das Projekt von der Präventionsstiftung der Kantonalen Gebäudversicherungen, „das meteorologische und steuerungstechnische Expertenwissen aber liegt ganz klar bei unseren Partnern SRF Meteo und Somfy“, betont Jordi. Christof Siegrist ist vom Erfolg des Projektes überzeugt: „Jetzt werden wir erst einmal analysieren, wo es Probleme gab, in der zweiten Winterhälfte passen wir das System an. Dann kommt die zweite und die dritte Phase und danach wird das Projekt fliegen.“ DIALOG | 27 GEBÄUDEHÜLLE Ein “Dress-Code” für grüne Gebäude Auf den ersten Blick haben Kleider und Fassaden eigentlich keine Gemeinsamkeiten. Doch Dr. Serge Neuman ist anderer Meinung. Er findet: Kleidung und Gebäudehüllen haben nicht nur viele Gemeinsamkeiten, sondern sogar einen gemeinsamen Dress-Code. Herr Neuman, Sie halten Vorträge auf der ganzen Welt von Ihrer Vision einer bioklimatischen Fassade. Worum geht es in Ihren Vorträgen? In meinen Vorträgen geht es um die Parallelen zwischen Fassaden und Kleidung. Jedes “grüne“ Gebäude beginnt mit einer gut gestalteten Fassade. Mit dieser Fassade verhält es sich wie mit der eigenen Kleidung: Noch bevor wir ein einziges Wort sagen können, hat unsere Kleidung schon die halbe Geschichte erzählt. Wenn unsere Geschichte stimmig ist, dann verstärkt die Botschaft den ersten Eindruck. Ist sie es nicht, dann müssen wir sehr viel Zeit und Energie darauf verwenden, den Eindruck zu korrigieren. Nicht selten funktioniert das aber nicht mehr. Auf die Fassade bezogen heisst das: Dynamische, passive Strategien haben einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Performance eines Gebäudes. Stimmen sie nicht, ist die Chance sehr klein, dass die Performance eines Tages überzeugen wird. Welche Geschichten erzählt denn eine Fassade? Nehmen wir ein Beispiel, wo eine Fassade eine falsche Geschichte erzählt. In einer Firmenzentrale wurden die Photovoltaik -Zellen nicht korrekt zur Sonne ausgerichtet. Der Grund: Es gab da noch eine Zufahrtsstrasse und man meinte, es sei wichtiger, dass das Gebäude den Vorüberfahrenden sagt: “Schau, ich habe Photovoltaik-Zellen, ich bin ein grünes Gebäude, als das Gebäude tatsächlich so auszurichten, dass es die Sonnenenergie optimal nutzen kann. Hier wurde der schöne Schein höher bewertet als die realen Anforderungen. Folglich blieb die Performance des Gebäudes auf der Strecke. Leider sind solche Beispiele sehr oft anzutreffen. Diese Fassadengeschichte zeigt: Soll ein Gebäude tatsächlich nachhaltig sein, muss es über eine massgeschneiderte Hülle verfügen! Hatte Gebäudehülle früher andere Funktionen? Ja, und auch hier ist die Analogie zur Kleidung hilfreich. Früher diente die Kleidung in allererster Linie dem Komfort, man passte die Kleidung den Umgebungsbedingungen an: Im Sommer trug man leichte Stoffe in kühlen Farben, im Winter schwere Stoffen in warmen Farben. Heute ist das anders. Seitdem wir 90 Prozent unserer Zeit in Innenräumen verbringen, ist die Beschaffenheit unserer Kleidung nebensächlich geworden, ästhetische Kriterien sind in den Vordergrund getreten. Bedeutet das mehr Unabhängigkeit? Nein, ganz im Gegenteil. Denn aus den ästhetischen Kriterien ist ein Dress-Code entstanden, der ziemlich rigide ist. Weil wir uns sommers wie winters in einer bestimmten Art kleiden, delegieren wir die Verantwortung dafür, dass uns im Winter warm und im Sommer angenehm kühl ist, an die Gebäude. Sie müssen die Last tragen. In Japan beispielsweise könnte allein das Zugeständnis, dass man im Sommer kurzärmlige Hemden und Krawattenfreiheit zulassen würde, zwei Millionen Barrel Öl einsparen. Im Sommer wohlgemerkt! Eine intelligente, also nicht rigide Kleiderordnung würde erlauben, dass Menschen angemessene Kleidungsstücke wählen. Vielleicht würde sie Stil und Farben vorgeben, damit sie die Botschaft übersenden könnten. Doch wäre bei einer intelligenten Kleiderordnung das ganze System flexibel. Bei Regen oder bei extremen Temperaturen würde man einfach Mantel, Regenschirm, Mütze, Schal oder Hut dazu nehmen. Wie passt das zur Geschichte der Gebäudehülle? Je mehr man darüber nachdenkt, umso erstaunlicher ist es doch, wie weit die Analogie zwischen Gebäudehülle und Kleidung geht. Per Definition markieren beide eine Grenze. Wir brauchen unsere Kleidung und die Gebäudehülle, um unseren Raum beziehungsweise unseren Körper zu schützen. Wer nun in einer umweltverträglichen Art und Weise denkt, wird erkennen, dass sowohl Gebäudehülle als auch Kleidung auf natürliche Ressourcen und Materialien zurückgreifen sollten, damit unsere Umwelt nicht leidet. Das Besondere bei einem Gebäude ist, dass es viele “aktive“ Lösungen gibt, die das Innere in den “Normalbereich“ bringen. In modernen Gebäuden werden fast drei Viertel des Energieverbrauchs dazu benutzt, die Innenraumqualität innerhalb eines akzeptablen Bereichs zu halten. Mit einem grünen Gebäude hat das nichts mehr zu tun. Wie sieht Ihrer Meinung nach eine sinnvolle "Kleiderordnung" für grüne Gebäude aus? Wenn man bedenkt, dass Fassaden an Gebäuden genau das sind, was die Kleidung für den menschlichen Körper ist, sehen wir auf einmal eine ganz neue Vision dessen, was eine gut gestaltete Fassade sein kann. Die traditionelle, also eine “dumme“ Kleiderordnung von Gebäuden funktioniert so: Man hat Mütze, Schal, Mantel und Regenschirm das ganze Jahr über an, nur weil man sie ein paar Tage im Winter braucht. Moderne thermische Regelungen hingegen funktionieren wie eine intelligente Kleiderordnung. Sie definieren die Ziele und überlassen die Aufgabe, das Design den örtlichen Gegebenheiten anzupassen den Architekten und Ingenieuren. Um dabei optimale Ergebnisse zu gewährleisten, werden die Ziele im Sinne von bioklimatischen Koeffizienten und Primärenergieverbrauch pro Flächeneinheit und pro Jahr beschrieben. Ein bioklimatischer Koeffizient gibt an, wie gut Kern und Hülle des Gebäudes ausgelegt sind, wie gut also die passiven Strategien verwendet werden. Damit enthält eine Kleiderordnung für grüne Gebäude eine Reihe von passiven Strategien, vor allem dynamische passive Strategien. Diese Strategien machen massgeschneiderte und wahrhaft grüne Gebäude aus. Wie lautet Ihr Rat für ein grünes Gebäude? Genauso wie Menschen sich schnell und einfach durch geeignete Kleidung an die Umgebung anpassen, müssen Gebäude das auch tun. Durch die Verwendung von dynamischen passiven Strategien können Architekten sicherstellen, dass sich die Fassade von Minute zu Minute an Veränderungen ihrer Umwelt anpasst. Nur eine wirklich dynamische Fassade kann die Bewohner vor der unbarmherzigen Sommersonne genauso schützen wie sie sie an einem hellen, aber kalten Wintermorgen mit Wärme versorgen kann. Darüber hinaus sollte und darf die Fassade ein DesignStatement machen und eine klare Aussage über das Gebäude. Sollte das Gebäude wie ein unordentlicher Teenager daherkomen? Oder sollte es auf intelligente Weise Einblick in das Ethos des Unternehmens geben? Ganz gleich, welche Aussage gewünscht ist: Eine dynamische Fassade bringt Wohnqualität, indem sie sich der sich verändernden Umwelt anpasst. Gleichzeitig liefert sie ein DesignStatement. Genau das ist meine Vision. Alistair Grice, Serge Neuman A dress code for green buildings Aus: Architecture Australia – May 2011 (Vol 100 No 3) DIALOG | 29 INTERVIEW SIA-Chef Stefan Cadosch „Wir reden zu wenig darüber“ Baukultur der Zukunft ist sehr stark geprägt von interdisziplinärem Zusammenwirken von Ingenieuren und Architekten. Davon ist Stefan Cadosch, Präsident des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA, überzeugt. Wer davon ausgeht, dass der SIA in seiner Auszeichnung „Umsicht“ einzig Kulturdenkmäler prämiert, der hat das Anliegen des Wettbewerbs zu wenig verinnerlicht. „Wir zeichnen Werke oder Projekte aus, die entscheidend zur zukunftsfähigen Gestaltung des Lebensraums beitragen. Das kann auch ein Autobahnabschnitt, eine Serie von Brücken, die exemplarische Renovation eines Kulturdenkmals oder die Revitalisierung eines städtischen Gefüges durch flankierende Massnahmen einer Verkehrsberuhigung sein.“ Folgt man dem Kulturbegriff des SIA, so muss der Begriff der Baukultur einer gründlichen Renaissance unterzogen werden. Cadosch spart nicht mit Kritik: „Unser gesamtgesellschaftliches Verständnis von Baukultur, das massgeblich durch die Kulturpolitik des Bundes beeinflusst ist, ist zumeist rückwärtsgewandt. Die breite Öffentlichkeit versteht unter Baukultur in aller Regel die Paläste, Kirchen und Museen aus vergangenen Zeiten. Der SIA setzt sich aber klar für ein gesamtheitliches Bild von Baukultur ein, also für ein gleichberechtigtes Miteinander von historischer Substanz und zeitgenössischem Schaffen. Auch Ingenieurbaukust, wie beispielsweise Brücken, Befestigungen, Bahnhöfe und Strassen darf als wichtige Disziplin der Baukultur nicht vergessen werden. Jeder bewusste Eingriff in die Natur, der zu einem zukunftsfähigen Lebensraum beiträgt, ist ein Zeugnis unserer Baukultur.“ Doch der Begriff einer gesamtheitlichen Baukultur ist dem „Mann auf der Strasse“ nur schwer zu vermitteln. Deshalb will Cadosch die BaukulturDiskussion gesellschaftsfähiger machen. Er hält es für eine zentrale Aufgabe des SIA, die Debatte über richtungsweisende Werke der heutigen Baumeister besser zu positionieren, damit sich Medien und Öffentlichkeit stärker beteiligen können. Zwar ist Cadosch Überzeugungstäter, doch er ist auch Realist. „Das Thema ist nicht neu. Im SIA verfolgen wir dieses Ziel, solange es uns gibt. Seit einigen Jahren gehört es sogar zu den vom Vorstand definierten Kernthemen. Leider spielt unser Anliegen in der öf- fentlichen Wahrnehmung bisher eine untergeordnete Rolle. Die Medien verfolgen es kaum und selbst unter Architekten und Ingenieuren ist das Bewusstsein darüber nicht immer genügend ausgeprägt, welche Bedeutung und welchen elementaren Einfluss die baulichen Eingriffe auf Umwelt und Gesellschaft ausüben.“ Dass die Diskussion trotz ihrer nach Cadosch herausragenden Bedeutung bis heute nur marginal geführt wird, daran sind nach Auffassung des SIAPräsidenten die Architekten und Ingenieure nicht ganz unschuldig. „Allzu oft wird das Thema nur in akademischen Kreisen debattiert, der öffentliche Diskurs wird zu selten gesucht.“ Die Quittung ist naheliegend. Oft werden Architekten als Wächter des Elfenbeinturms wahrgenommen, die sich zu den wichtigen Themen der Zukunft nur selten in der Breite äussern. Das sei besonders schwerwiegend, weil Technik und Elektronik im Bauwesen stetig an Bedeutung gewinnen. Cadosch: „Architekten sind es gewohnt, ihre Projekte vorzustellen. Ingenieure aber suchen nur selten das Rampenlicht und verlassen sich meist darauf, dass das Werk für sich spricht. Dadurch wird sehr oft die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit verkannt oder aber weit unter ihrem Wert anerkannt.“ Hatte es früher ein Bauherr mit wenigen Werkstoffen und mit sehr moderater Technik zu tun, findet er sich heute in einem kaum überschaubaren und stetig wachsenden Dschungel an Materialien, Technologien und – seit jüngerer Zeit – Elektronik wieder. Cadosch zieht Bilanz: „Im Spannungsfeld von Kosten, Funktionalität und Gestaltung versucht der heutige Planer zu Lösungen zu kommen, denen er bezüglich Ausgestaltung und Ergebnis oftmals nicht in der Gesamtheit Herr werden kann. Vermehrt braucht es spezialisierte Ingenieure, die wichtige Beiträge zum Gesamtwerk leisten. Denn es geht nicht allein um Gestaltung und ein angenehmes Wohngefühl, sondern auch um komplexe Zusammenhänge zwischen Bauteilen, technischen Elementen und äusserst vielfältigen Aufgaben der Gebäudehülle. Das Gebäude als Kraftwerk rückt vermehrt in den Fokus und wird zum Objekt der Betrachtung von Architekten, Ingenieuren, Bauherren und Investoren. Je komplexer die Technik, umso wichtiger wird der Austausch der Akteure untereinander. Denn wenn die Planung eines Gebäudes aus dem Ruder läuft, explodieren die Gesamtkosten. Genau hier sieht Cadosch die zentrale Herausforderung: „Architekten und Ingenieure müssen sich zunehmend interdisziplinär austauschen und gemeinsam eine stimmige Strategie entwickeln. Denn die Gebäudetechnik wird in den nächsten 50 Jahren die Architektur und die Baukultur ganz massgeblich beeinflussen.“ Doch Stefan Cadosch mahnt auch zur Zurückhaltung: „Wir sollten durchaus vorsichtig sein mit einer allfälligen Übertechnisierung der Bauwerke. Schon heute bilden sich zwei unterschiedliche Lager von Architekten heraus. Die einen bleiben Puristen, beziehen sich vor allem auf das Gebäude als Raum für Schutz und Geborgenheit und sehen bewusst einen minimalen techni- DIALOG | 31 INTERVIEW Stefan Cadosch … ...zur Energiewende 2050 Die Energiestrategie 2050 des Bundes ist sorgfältig aufgegleist und sie ist mit vereinten Kräften realisierbar. Wichtig ist, dass zentrale Erfolgsfaktoren, wie etwa Betriebsoptimierungen und der Fokus auf den Bestand nicht vernachlässigt werden. ...zur Rolle der Gebäudeautomation bei der Energiewende Sie spielt eine entscheidende Rolle, gilt es doch, die stetig wachsenden Ansprüche an Komfortelemente der Gebäudeautomation mit einer effizienten Reduktion des Energieverbrauchs zu koppeln, also zunächst einen Widerspruch per se zu lösen. Der kulturelle Beitrag der nächsten Generation wird sein, mit ihren Bauwerken eine energieneutrale oder gar energieproduzierende Ebene zu schaffen, die gleichzeitig die hohen Komfortansprüche zu erfüllen vermag. ...zu Solarpanels auf den Dächern Ein umstrittenes und nicht unproblematisches Feld. Sicher ist, dass unkritisch und unsorgfältig installierte Solarpanels zu einer wesentlichen optischen Umweltverschmutzung beitragen. Davon zeugen viele unrühmliche Beispiele in Süddeutschland oder Oesterreich, aber auch in der Schweiz. Gerade bei der Transformation der Gebäudehülle in ein kleines Kraftwerk ist sensibel darauf zu achten, dass die Elemente sorgfältig und mit hohen gestalterischen Qualitäten ins Gebäude integriert werden. Zudem gilt es, die ästhetischen Qualitäten der Elemente und ihren Wirkungsgrad künftig noch wesentlich zu verbessern. ...zur Zusammenarbeit zwischen Industrie und Architekten Unternehmen, die sich aktiv um die Gestaltung unseres Lebensraums kümmern, können sehr viel beitragen. So hat beispielsweise Somfy mit einer breiten Produktpalette einen massgebenden Einfluss auf die Entwicklung künftiger Gebäudegenerationen. Um die Ziele der Energiewende umzusetzen, braucht es gut integrierte Technikelemente; raffinierte Schliesstechniken helfen, den Energieverbrauch zu senken. In der Zusammenarbeit mit Designern und Architekten entstehen optisch ansprechende Systeme, die vielfältige Aufgaben erfüllen. ...zum politischen Engagement des SIA bei der Energiewende Die Energiestrategie 2050 des Bundes orientiert sich stark am Effizienzpfad Energie des SIA. Dieses Merkblatt, das wichtige Wege aufzeigt für eine ganzheitliche Betrachtung des Enerigehaushalts von Gebäuden inklusive grauer Energie und gebäudeinduzierter Mobilität, geniesst weitherum hohe Anerkennung. Der Fachrat Energie des SIA, dem viele führende Köpfe der Branche angehören, bringt sich massgeblich in die Debatte um die Energiestrategie ein. ...zur zukünftigen Aufgabe der Architekten Es ist darauf zu achten, dass Architekten auch in Zukunft über ein generalistisches Grundlagenwissen verfügen, um die verschiedenen Ansprüche an ein Gebäude sinnvoll aufeinander abstimmen zu können. Daneben gilt es, zukunftsfähige Visionen zu entwickeln und das Machbare voranzutreiben. schen Standard vor. Das andere Lager setzt sich detailliert mit technischen Neuerungen auseinander und adaptiert diese in interdisziplinärem Diskurs in den neuen Bauwerken. Ich bin davon überzeugt, dass die künftige Antwort auf die Frage, wie ein Gebäude aussehen soll und welchen Beitrag es zur Baukultur leistet, gesamthaft durch mehrere Akteure bestimmt wird. den Ingenieuren kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Antworten können nur im interdisziplinären Arbeiten gefunden werden.“ Um diesen Dialog gewinnbringend führen zu können, brauche es eine neue Kultur der Zusammenarbeit zwischen Architekten mit starker generalistischer Prägung und den oftmals spezialisierten Ingenieuren. „Der Dialog unter den Bauakteuren muss noch wesentlich verstärkt werden: Ingenieure und Architekten, aber auch Techniker, Bauhandwerker, Industrie, Ausbildungsstätten, Verbände, die interessierte Öffentlichkeit und die Politik sind gefordert, gemeinsam an der Zukunft des Bauwerks Schweiz mitzugestalten. Wenn Architekten ihre Generalistenrolle behalten wollen, so müssen sie sich zeitig mit den Experten und Spezialisten zusammen an einen Tisch setzen, damit die Lösungen nicht in einer kulturellen Bedeutungslosigkeit erstarren.“ Kulturelle Bedeutung in Zeiten der Globalisierung? Stefan Cadosch bejaht: „Unsere Zeit ist geprägt von hoher Eigenverantwortung. Frühere Baugenerationen hatten sozusagen als letzte Instanz die göttliche Huld zu gewinnen, bei unsach- gemässer Arbeit fürchteten sie deren Strenge. Es gab eine übergeordnete Prüfinstanz, man strengte sich an, um überirdischen Massstäben gerecht zu werden. Heute müssen die Planenden die Menschen von der kulturellen Bedeutung ihrer Lösungen überzeugen.“ Als herausragendes Beispiel für diese kulturelle Bedeutung nennt Cadosch das Gewerbegebäude NOERD in Zürich Nord. Das Gebäude überzeuge nicht nur durch seine zurückhaltende, aber dennoch facettenreiche volumetrische und gestalterische Ausprägung, sondern auch durch seine betriebswirtschaftliche Grundkonzeption und das Konzept der Mitgestaltung wichtiger Mieter. Cadosch: “Hier entstand ein Panoptikum an zukunftsfähigen Ideen, die mit viel Inspiration und Teamgeist zu einem überzeugenden Gesamtresultat verdichtet wurden. Das Projekt stärkt durch seine Nutzung und seine Verflechtung mit dem Umfeld die städtischen Qualitäten des Ortes und trägt massgebend zur Aufwertung des Quartiers bei, darüber hinaus ermöglicht es im prosperierenden Stadtteil Zürich Nord Wohnen zu vergleichsweise attraktiven Mieten. In Sichtbeton, Holz und Glas erstellt, überrascht das Gebäude durch vielschichtige, ressourcenschonende, wohldurchdachte und ungewöhnliche Massnahmen, die zu einer umsichtigen Gesamtlösung führten.“ Es verwundert daher nicht, dass gerade dieses Gebäude, exemplarisch für “Umsicht“, die Auszeichnung des SIA für zukunftsfähige Gestaltung des Lebensraums erhielt. Als wichtigster Wettbewerb für nachhaltiges Bauen in der Schweiz hat sich Umsicht längst als Gradmesser für die Diskussion über Baukultur in der Schweiz etabliert. Ein Blick über die Grenze bestätigt, dass man mit Umsicht auf einem guten Weg ist. Cadosch: „In Österreich wissen heute sogar kleine Gemeinden, dass Baukultur als wichtiger Imageträger zum Motor für die touristische Entwicklung ganzer Regionen werden kann. Hier lenkt man bewusst die öffentliche Aufmerksamkeit auf herausragende Bauwerke, führt energische Debatten über baukulturelle Aspekte und löst gleichzeitig eine Begeisterung im wachsenden Markt kulturaffiner Touristen aus.“ Ob der vielzitierte Bilbao-Effekt beliebig transportierbar oder überhaupt erstrebenswert sei, dürfe man zwar durchaus bezweifeln. Doch dem SIA-Präsidenten geht es auch nicht darum, dass jede Gemeinde ihr eigenes Guggenheim-Museum baut. „Vielmehr sollten wir überall bestmögliche Lösungen für regionale, aber auch internationale Herausforderungen finden und dabei eben nicht bei unserem jeweiligen Kirchturm halt machen.“ Weshalb aussergewöhnliche Lösungen in der Öffentlichkeit heute immer noch irgendwo zwischen unbekannt und unbeliebt rangieren, liegt für Stefan Cadosch auf der Hand: ”Wir reden zu wenig darüber.“ DIALOG | 33 BAUKULTUR Vollkommen in Ordnung? Was ist eine fortschrittliche Gesellschaft und woran kann man sie erkennen? An ihren technischen Errungenschaften? Dann wäre ein Volk von Kannibalen, das seine Opfer mit GPS-Systemen verfolgt, eine fortschrittliche Gesellschaft! Mit diesem Bild ist eins klar: Eine fortschrittliche Gesellschaft lässt sich nicht allein am technischen Fortschritt messen, es braucht so etwas wie einen Kulturbegriff. Und siehe da: Auch der Begriff der Kultur beinhaltet ein Voranschreiten. Doch dieses Voranschreiten geht über den Bereich der Technik weit hinaus. Kultur bezieht sich auf menschliches Wirken insgesamt, also auf alle Formen des menschlichen Ausdrucks, von denen die Technik nur eine einzige ist. Zur Kultur gehören neben der Technik die Religion, die Moral, die Philosophie, die Kunst und natürlich die Architektur. Woran aber liegt es, dass sich heute jeder Versuch, Fortschritt nachvollziehbar festzustellen, immer nur auf den technischen Fortschritt bezieht? Eine Antwort gibt der Kulturphilosoph Ernst Cassirer. Seiner Auffassung nach liegt der Grund für die Tatsahe, dass in der industrialisierten Welt die Technik eine Vormachtstellung ein- nimmt – Cassirer spricht vom „Primat der Technik" – vor allem daran, dass sich technische Entwicklung am einfachsten messen lässt: Technischer Fortschritt lässt sich in Zahlen ausdrücken, zu denen man ganz einfach dadurch kommt, indem man frühere und heutige Leistungen berechnet und vergleicht. Der bekannte deutsche Philosoph Richard David Precht geht noch einen Schritt weiter. In einem aufsehenerregenden Essay stellte er unlängst den "kollektiven Verlust der Utopiefähigkeit und einen allseits gegenwärtigen Angststillstand“ fest und konstatierte: „Stattdessen sind die Leute (...) damit beschäftigt, zu messen und zu quantifizieren. Das ist enorm anstrengend.“ Für Deutung oder Wertung fehle es an Kapazität, wer deute und werte, verlasse sicheren Boden und mache sich angreifbar. Ursache für diese vorherrschende Angstkultur ist nach Precht der "Reflex, Fortschritt und Kultur allein auf das Messbare zu reduzieren". Hat Precht Recht, befinden sich Kunst, Religion, Moral und Architektur in einem Dilemma. Denn ihre wahren Qualitäten lassen sich in der Tat nur sehr schwer quantifizieren. Damit bleibt auch das Unterfangen einer Bewertung gesellschaftlichen Fortschritts im Sinne einer „Kultivierung“ schwierig. Einfach aber bleibt die Einsicht: Die technische Entwicklung in Megacities ist zwar Teil eines Fortschrittsprozesses aber ohne Errungenschaften wie Meinungsfreiheit, Respekt, Toleranz und Offenheit kann auch die modernste Technik kulturellen Fortschritt nicht garantieren. Oder um im Bild zu bleiben: Wer Fortschritt weiterhin allein auf Messbares reduziert, findet eine Welt von Kannibalen, die ihre Opfer mit GPS-Systemen verfolgen, vollkommen in Ordnung. Wolkenkratzer, Wirtschaft, Hightech. Das symbolisiert vor allem eines: Fortschritt. Doch angesichts der sinkenden Lebensqualität in den Megacities der Welt stellt sich eine drängende Frage: Lässt sich Fortschritt allein an den technischen Errungenschaften messen? IMPRESSUM Doppelter Gewinn In der Diskussion um Energieeinsparungen fällt immer wieder der Begriff „Rebound-Effekt”. Der meint, dass Effizienzgewinne hinter ihren prognostizierten Potenzialen weit zurück- oder sogar ganz ausbleiben, weil die an einer Stelle gesparte Energie an einer anderen Stelle wieder verbraucht wird. Typisch für einen Rebound-Effekt: Man schafft sich einen Neuwagen an, weil der weniger Sprit verbraucht. So sinken die Kosten pro gefahrenem Kilometer, für das gleiche Geld könnte man also mehr fahren – und tut es auch! Oder: Man kauft sich einen energiesparenden Kühlschrank und stellt den alten Stromfresser in den Keller fürs Bier. Stellt sich die Frage: Sind Rebound-Effekte bei bioklimatische Fassaden ebenfalls zu befürchten? Antwort: Nein! Beim Rebound-Effekt geht es um einen reinen Preiseffekt. So zeigen die beiden Beispiele: Nachdem die Effizienz gesteigert wurde, erhöht der Verbraucher seine Nutzung von Energie, weil er sich dadurch einen Komfortgewinn erhofft. Bei bioklimatischen Fassaden aber lässt sich mit mehr Energieverbrauch der Komfort nicht steigern: Wer in einem Gebäude, in dem ein Komfortklima durch automatisierte Steuerungen hergestellt wurde, die Heizung hochdreht, steigert seinen Komfort keineswegs. Genau hier liegt die Stärke bioklimatischer Fassaden. Sie erzielen Einspareffekte bei gleichzeitigem Komfortgewinn und schliessen den Rebound-Effekt von vornherein aus! Die psychologischen Aspekte wurden bisher nur wenig untersucht. Klar ist: In den meisten Bereichen sind Rebound-Effekte sehr individuell und hängen stark vom Nutzerverhalten ab. Bei bioklimatischen Fassaden profitiert der Nutzer vom Einsatz der Steuerungen und dies gleich doppelt: Indem er Geld spart und zugleich seinen Komfort erhöht. Wenn das kein doppelter Gewinn ist! herausgeber Somfy AG Vorbuchenstrasse 17 CH-8303 Bassersdorf www.somfy.ch V.i.S.d.P. Daniel Bretscher konzeption/text Imdahl-Institut www.imdahl-institut.de gestaltung musen design www.musendesign.de fotografie die arge lola www.dieargelola.de DIALOG | 35 PARTNER Kein leichtes Spiel für Einbrecher! Eine clevere Innovation aus dem Hause Nyffenegger verlängert jetzt die Lebensdauer von Verbundraffstoren und senkt deren Unterhaltskosten deutlich. Zudem wird es für Einbrecher beträchtlich schwieriger, sich ungehindert einzuschleichen. Einbrecher nehmen immer den einfachsten Weg. Ist die Eingangstür gut gesichert, versuchen sie ihr Glück über die zumeist weit schlechter geschützten Terrassenoder Balkontüren oder über die Fenster. In den meisten Fällen beträgt die Einbruchsdauer nur 5 bis 10 Minuten, bei entsprechendem Widerstand oder unerwarteter Lärmentwicklung geben die Einbrecher aber bereits nach 2 bis 3 Minuten auf. Mit einem durchdachten Verschlusssystem verhindert die Alulock SZA, dass geschlossenen Storen an Fenstern und Terrassentüren von aussen hochgeschoben werden können. So macht die kleine Innovation Einbrechern einen Strich durch die Rechnung. Nie wieder durchgescheuerte Aufzugsbänder Hinzu kommt, dass bei der Alulock SZA durchgescheuerte Aufzugsbänder der Vergangenheit angehören. Denn die neue Alulock SZA wird über einen Zahnriemen angetrieben, dadurch entfallen die anfälligsten Verschleissteile einer herkömmlichen Store. Der Polyurethan-Zahnriemen ist inwendig mit fünf Stahl-Zugkörpern verstärkt und ist deshalb besonders widerstands- und strapazierfähig. Fazit: Die Lebensdauer wird wesentlich erhöht, die Wartung erleichtert und somit werden die Unterhaltskosten für die Storen massiv reduziert. Keine Kollisionsschäden Aber das ist längst nicht alles, denn die neue patentierte Verbundraffstore aus dem Hause Nyffenegger kann noch mehr. Als echtes Allroundtalent bietet sie ausser einem zuverlässigen Schutz vor Sonne und Wetter auch noch einen wirkungsvollen Auflauf- und Produkteschutz. Untersuchungen zeigen, dass 8 von 10 Storen durch Kollisionen mit Gegenständen Schaden nehmen. Die Alulock SZA Store stoppt mit Hilfe einer speziellen AuflaufschutzKonstruktion unmittelbar, wenn sie beim Herunterfahren auf einen Gegenstand wie beispielsweise einen Stuhl trifft. So werden Schäden verhindert und die Lebensdauer der Storen signifikant verlängert. Minergie: Weniger Treibhausgase durch automatisierten Sonnenschutz Verbindet man die Alulock SZA mit einer entsprechenden Steuerung, lässt sich auch der Energieverbrauch noch deutlich senken und zwar das ganze Jahr hindurch. Im Sommer verhindert das intelligente Sonnenschutzsystem an Fassaden, die der Sonne zugewandt sind, eine Überhitzung der Räume und macht eine Klimatisierung überflüssig. Im Winter und an den nach Norden ausgerichteten Räumen hilft die Automatisierung, Öffnungen wirksam zu verschliessen und die Wärme länger in den Innenräumen zu konservieren. Durch den Einsatz einer automatisierten Sonnenschutzlösung kann jeder einzelne Haushalt seine Energiekosten um mindestens 10 Prozent senken. Experten schätzen, dass sich durch modernen Sonnenschutz allein in Europa weit über 100 Millionen Tonnen Treibhausgase einsparen lassen. Die Alulock SZA - rundum ein technisches Meisterwerk - wird angetrieben von Somfy-Motoren, ist erhältlich in zwei verschiedenen Lamellenbreiten und in 27 Standardfarben oder in aktuellen Trendfarben. DIALOG | 37 PARTNER Von allem nur das Beste! Anfang der neunziger Jahre stellte sich für die Sonnentuch AG in Gossau die Frage, von wem ihre Top-Produkte angetrieben werden sollten. Die Wahl fiel auf den Besten der Branche: Somfy. Entstanden ist daraus eine enge Zusammenarbeit. Seit 36 Jahren bietet die Sonnentuch AG ein breites Sortiment an Sonnenschutz-Systemen für den Aussen- und Innenbereich. Dabei sind für die Schatten-Experten Schutz vor UV-Strahlung, Hitze und Lichteinfall genauso wichtig wie die optische Eingliederung in die jeweilige Architektur. „Architektur ist Baukunst und eine Sonnenschutzlösung, die nicht passt, kann sehr störend wirken“, so Sepp Amstad, Marketingleiter bei Sonnentuch. Steuerungen müssen einfach nachrüstbar sein Optimal steuern lassen sich die hochwertigen Beschattungslösungen mit dem io-homecontrol® Funksteuerungssystem von Somfy. Das System bewegt nicht nur Rollladen, Markise, Sonnenschutz und Garagentor, sondern auch Haustür, Fenster, Dachfenster und Beleuchtung - und das über ein und dieselbe Fernbedienung. Sepp Amstad: „Mit iohomecontrol gehören Insellösungen und Motoren-Durcheinander der Vergangenheit an. Fachhändler und Endkunden sind damit frei in der Wahl und Kombination ihrer Beschattungslösungen.“ Zudem lasse sich die Automatisierung sehr einfach nachrüsten. Amstad: „Für die Funktechnologie ist weder eine aufwändige Installation noch eine besondere Infrastruktur notwendig, man braucht auch kein kompliziertes Netzwerk und noch nicht einmal ein Steuerkabel.“ Geliefert wird nur an den Fachhandel Die io-homecontrol®-fähigen Motoren, steuerbar über die Somfy Tahoma-Box, verbunden mit Sonnen-, Wind- und Regenwächterrn liefert die Firma Sonnentuch nur an den Branchen-Fachhandel. Und das hat seinen Grund. Sepp Amstad: „Die Sonnentuch AG ist eher ein kleiner Branchenteilnehmer, Qualitätssicherung hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Die Zuverlässigkeit der gelieferten Systeme stellen wir durch den direkten Kontakt zu unseren Kunden und durch die Eigenanfertigung aller Produkte sicher.“ Von der Konstruktion über die Konfektion bis hin zur montagefertigen Markise wird jedes System in der eigenen Produktion gefertigt. In der hauseigenen Metallbauabteilung werden die Sonnenschutzanlagen und Metallteile verarbeitet und zusammengebaut, mithilfe computergesteuerter Zuschneideanlagen und speziell entwickelter Näh- und Schweissautomaten verarbeiten qualifizierte Mitarbeiter alle Markisenstoffgewebe exakt und verzugsfrei. Sepp Amstad: „Eine unserer Spezialitäten ist unser umfangsreiches Lager. Damit stellen wir eine hohe Verfügbarkeit und eine schnelle Lieferung der gewünschten Ware an unsere Fachhandelspartner sicher.“ Im Trend liegen Outdoorvorhänge Neuentwicklung der Sonnentuch AG ist die Horizontalbeschattung Aliante. Die leichte und nur mit Stahlseilen geführte Horizontalbeschattung kommt ohne starre Seitenführung aus und bietet beinahe uneingeschränkte Einsatzmöglichkeiten. Sepp Amstad: „In unserer Branche sind Innovationen eher die Ausnahme, ein echter Trend sind die Outdoorvorhänge. Die findet man zunehmend dort, wo Schatten entweder flächendeckend oder auch punktgenau gespendet werden soll.“ Outdoorvorhänge liefern eine effektive und partielle Beschattung und sind ein guter, preiswerter und moderner Ersatz für schwere Markisen. Als zusätzliche Seitenbeschattung schützen sie auch vor neugierigen Blicken. Sepp Amstad: „Unsere Outdoorvorhänge sind wasserabstossend und schmutzabweisend mit «TEXgard» imprägniert und entsprechen dem höchsten Standard.“ DIALOG | 39 Somfy immer in Ihrer Nähe www.somfy.ch H ä ndlersuche A rchitektur - P ortal D y namische I solierung Somfy AG Vorbuchenstrasse 17 CH-8303 Bassersdorf www.somfy.ch