Skript

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Schwerpunkt
Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption
und Therapieplanung
Originalia
Originalia
Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und
Therapieplanung in der praktischen Anwendung –
Eine Kurzform
Armita Tschitsaz & Christoph Stucki
Zusammenfassung: Vorgestellt wird eine Fallkonzeption, die ein Störungs- und Erklärungsmodell beinhaltet und der Therapieplanung zu Beginn einer Psychotherapie dient. Ziel ist es,
ein integratives, schulen- und störungsunabhängiges Behandlungsmodell zu entwickeln, in
dem die Patienten- und die Therapeutenperspektive einbezogen und empirisch gesicherte,
für den praktischen Alltag einsetzbare Therapiemethoden und allgemeine Wirkfaktoren
angewendet werden. Zudem soll die Fallkonzeption den Kriterien der differentiellen Indikation sowie einer individualisierten Therapieplanung gerecht werden. Im alltäglichen stationären
und ambulanten Psychotherapiesetting fehlen die zeitlichen und personellen Ressourcen für
eine sehr ausführliche Therapieplanung, so dass der Wunsch nach einer kürzeren Variante
aufkommt. Die Fallkonzeption beschreibt Art und Ausmaß der Erkrankung, der psychosozia­
len Umstände des Patienten und macht Aussagen über seine Therapieziele, Ressourcen, Kognitionen, Bewältigungsfertigkeiten, systemische Verhältnisse, motivationale Ziele und somatische Erkrankungen. Die Entstehungsbedingungen und Funktionalität der Erkrankung
werden erfragt. Anhand einer Fallvignette wird die Fallkonzeption illustriert.
Schlüsselwörter: Fallkonzeption, individualisierte Therapieplanung, allgemeine Wirkfaktoren,
integrative Psychotherapie, Therapiebeziehung, Motivation, Plananalyse
Common and specific factor based case conceptualization and
treatment planning in its practical application – a short form
Abstract: A case formulation will be introduced, which incorporates both an explanatory model
and an individualized treatment rationale for psychotherapeutic treatment planning. The aim is
to conceptualize an integrative treatment model, which neither depends on therapeutic school
nor on disorder specific rationales. Clients and therapeutic perspectives are to be combined with
empirically supported therapeutic principles, which will include specific factors and common
factors due to individual client needs. Criteria of differential indication and individualized
treatment are to be followed. In daily routine, therapists need a concrete and manageable case
conceptualization. Treatment planning includes patient information regarding to therapy aims,
strengths, cognitions, coping skills, systemic conditions, motivational aims, course and functionality of disorder as well as treatment planning instruments like therapeutic principles, motiveorientated therapeutic relationship another change mechanisms. A single case will be introduced.
Keywords: Case formulation, individualized treatment rationale, common factors, integrative
therapy, therapy relationship, motivation, plan analysis
Einleitung und theoretische
Grundlagen
Die Wirksamkeit von Psychotherapie
Die Wirkung und Wirkungsweise von therapieeinflussnehmenden Faktoren sowie deren Zusammenhang zum Therapieerfolg werden in aufwendigen
Forschungsdesigns untersucht. Die empirische Befundlage weist mit 0.8 hohe Effektstärken für die
Effektivität von Psychotherapie auf (Lambert &
Ogles, 2004). Zur Untersuchung der Ebenen von
therapeutischer Wirksamkeit differenziert Pfammatter (2012) in seiner Taxonomie therapieschulenunabhängig zwischen der Ebene therapeutischer
Techniken und allgemeiner Wirkfaktoren und grenzt
diese von der störungs-, patienten- und therapeutenspezifischen Ebene ab.
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Die Ebene der therapeutischen Techniken beinhaltet eine Sammlung von therapieschulenspezifischen Interventionsstrategien wie positive Verstärkung, Exposition, Rollenspiel, Problemlösetraining,
Fokussieren, Leer-/Zwei-Stuhl-Technik, zirkuläres
Fragen, Skulpturarbeit, paradoxe Intention, reflektierendes Team, freie Assoziation, therapeutische
Abstinenz, Übertragungsdeutungen, Widerstandsanalyse etc. Studien zur Effektivität dieser Psychotherapiemethoden bestätigen die Wirksamkeit vieler
Behandlungsmethoden (Lambert & Ogles, 2004) und
diskutieren sogar den therapeutischen Einfluss auf
neurobiologische Korrelate (Berger & Caspar, 2009),
weisen aber auch auf den Umstand hin, dass nur
circa 15 % des Therapieerfolgs auf die angewandten
Techniken zurückzuführen sei (Norcross & Lambert, 2011). Flückiger, Del Re, Wampold, Symonds
und Horvath (2011) finden sogar nur eine Varianzaufklärung von 1 % bei Manualtreue.
Unter allgemeinen Wirkfaktoren werden die drei
Bereiche Therapiebeziehung, motivationale Aspekte
des Patienten und Ebene therapeutischer Veränderungsprozesse verstanden. Die Therapiebeziehung
wird durch Empathie, Zielübereinstimmung, Arbeitsallianz etc. beschrieben. Die motivationalen
Aspekte des Patienten beinhalten Veränderungsbereitschaft oder Engagement. Die Ebene therapeutischer Veränderungsprozesse meint eine Ansammlung
therapeutischer Wirkprinzipien (Caston­guay & Beutler, 2006) wie die Klärungsarbeit, korrektive Erfahrungen, Achtsamkeit, kognitive Umstrukturierung,
Ressourcenaktivierung, Emotionsregulation etc. Der
Einfluss dieser allgemeinen Wirkfaktoren auf das
Therapieergebnis konnte empirisch belegt werden,
wie z. B. die Wirkung der therapeutischen Beziehung
(Horvath, Del Re, Flückiger & Symonds, 2011) mit
etwa 7.5 % Varianzaufklärung,1 der Einfluss von Erwartung und Motivation auf der Patientenseite (CritsChristoph et al., 2007; Baskin, Tierney, Minami &
Wampold, 2003; Ilardi & Craighead, 1999) oder der
Ansatz der klärungsorientierten Psychotherapie nach
Sachse (Kupper & Tschacher, 2006; Sachse, Püschel,
Fasbender & Breil, 2008). Insbesondere die kontroversen Diskussionen über die Befundlage von Place1
Die homogenen Befunde über die Wirkung der Therapiebeziehung erscheinen besonders beeindruckend vor dem
Hintergrund, dass die Gestaltung der therapeutischen Beziehung und das Sich-Einbringen in Abhängigkeit der
Ausbildung der Therapeuten verschieden sein kann, z. B.
in dem motivorientierten Ansatz (Grosse Holtforth & Castonguay, 2007), in der Gesprächstherapie (Sachse et al.,
2008), im CBASP (McCullough, 2000) etc.
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bo- und RCT-Studien verdeutlichen die ungeklärte
Frage über das Verhältnis, in dem die einflussnehmenden Faktoren auf Psychotherapie wirken (Baskin
et al., 2003; Fässler, Meiss­ner, Schneider, Linde, 2010;
Herbert & Gaudiano, 2005; Raz et al., 2011; Tschuschke, 2005; Wampold, 2007). So werden in der Literatur die unterschiedlichsten Angaben über das Ausmaß
des Einflusses von Manualtreue (Adhärenz), aber
auch von Erwartungen auf das Therapieergebnis
gemacht: Die Spannbreite geht von 15 % (Norcross
& Lambert, 2011) bis über 40 % (Baskin et al., 2003;
Ilardi & Craighead, 1999) und auch hier wird diskutiert, ob die Therapiebeziehung ein Mediator für den
Zusammenhang zwischen Erwartung und Ergebnis
darstellt (Arnkoff, Glass & Shapiro, 2002). Grosse
Holtforth, Krieger, Bochsler und Mauler (2011) konnten nachweisen, dass nur das Ausmaß an positiven
Erwartungen das Therapieergebnis prädizieren, nicht
aber das negativer Erwartungen.
Auch das Zusammenwirken von therapeutischen
Techniken und allgemeinen Wirkfaktoren ist Gegenstand der Psychotherapieforschung, wobei es darum
geht, das Zusammenspiel dieser beiden Faktoren im
therapeutischen Prozess zu untersuchen. So konnte
in aufwendigen Prozessstudien einerseits die Effizienz therapeutischer Techniken (Trijsburg et al., 2002;
Tschitsaz & Lutz, 2009) auf das Therapieergebnis
analysiert werden. Andererseits wurde der Einfluss
allgemeiner Wirkfaktoren wie der therapeutischen
Beziehung (Elliott, Bohart, Watson & Greenberg,
2011; Flückiger et al., 2011), plötzlicher Symptomveränderungen (Kelly et al., 2007; Lutz & Tschitsaz,
2007) und deren Rückmeldungen im Therapieverlauf
(Lambert & Shimokawa, 2011; Lutz et al., 2006),
Erwartung, Motivation oder Bindungsstil von Patient
und Therapeut (Kazdin, 2007; Schulte, 2005; Stucki,
2004; Swift, Callahan & Vollmer, 2011) analysiert.
Die Diskussion über die Wirkungsweise von Psychotherapie ist derzeit noch nicht abgeschlossen, wobei von einem multifaktoriellen Geschehen zwischen
Manualtreue, allgemeinen Wirkfaktoren sowie Patienten- und Therapeutenmerkmalen ausgegangen wird
(Norcross & Lambert, 2011; Orlinsky, Rønnestad &
Willutzki, 2004; Pfammatter & Tschacher, 2012).
Demgemäß fordert die Fallkonzeption über die therapeutischen Techniken hinaus den Einbezug verschiedener Sichtweisen der Beteiligten sowie allgemeiner
Wirkfaktoren. Swift und Kollegen (2011) konnten die
Hypothese stützen, dass die Berücksichtigung der
Präferenz (für ein Therapieverfahren, eine Rolle oder
einen Therapeuten) zu effektiveren Therapieresultaten
führt. Ihre Metaanalyse ergab, dass die Abbruchrate
niedriger und die Symptomverringerung höher war,
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Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung
wenn die Patienten ihr gewünschtes Verfahren erhielten. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie den gewünschten Therapieansatz, die gewünschte Rolle in
der Therapie oder den gewünschten Therapeuten erhielten. Unter Berücksichtigung dieser Befunde erhalten die Patientenperspektive sowie deren Erwartungen
einen wichtigen Stellenwert in der Therapieplanung.
Individuelle Therapieplanung
Eine individuell ausgerichtete Therapieplanung erscheint nicht nur vor dem Hintergrund der Implikation unterschiedlicher empirisch gesicherter Wirkfaktoren notwendig, sondern auch unter Berücksichtigung von Komplexität und Komorbidität eines jeden
Patienten. Die oben dargestellten Befunde zur Wirksamkeit allgemeiner Wirkfaktoren bekräftigen die
Argumente für eine differentielle Therapieplanung,
indem der individuelle Patient die passenden Wirkprinzipien erhält. Der Vorteil von Manualen ist eine
Beschreibung und Operationalisierung von Interventionen, die eine Grundlage zur Standardisierung von
Prozessen für unterschiedliche Anwender bietet und
die Transparenz erhöht. Die Situation im klinischen
Setting erfordert eine Reduktion von Komplexität,
wobei Leitlinien ein Instrument zur Strukturierung
der Vorgehensweise darstellen. Gleichzeitig werden
damit aber auch allgemeine Wirkfaktoren wie Therapiebeziehung, Therapeutenpersönlichkeit etc. vernachlässigt. Manualspezifische Interventionsstudien
beziehen Komorbiditäten häufig zu wenig oder gar
nicht mit ein, was nicht der Realität des therapeutischen Alltags entspricht. In einer Studie konnten
Döpfner, Kinnen und Petermann (2010) den Umgang
mit Manualen sowie die Risiko-Nutzen-Einschätzung
unter Therapeuten erfragen. Es zeigte sich, dass sich
fast 80 % der Befragten an Manuale halten und dies
nicht von der Therapieerfahrung abhängig ist. Nur
eine Minderheit mahnt Flexibilität und Individualisierung an, in der praktischen Umsetzung scheinen
jedoch die meisten ihre Manuale individuumsorientiert
einzusetzen. Die Autoren legen daher eine individuelle, wirkfaktorenbasierte Therapieplanung nahe. Die
Empfehlung einer individuellen, patientenorientierten
Therapieplanung unter Berücksichtigung der allgemeinen und spezifischen Wirkfaktoren wird auch von
der Task Force Sektion Psychotherapie der APA2
2
Die APA (American Psychological Association) ist eine
wissenschaftliche Organisation, die den Berufsstand der Psychologen in den USA vertritt. Die genannte Task Force Sektion Psychotherapie – eine Expertengruppe – beschäftigt sich
mit der Frage, inwiefern die verschiedenen Aspekte der therapeutischen Beziehung den Therapieerfolg vorhersagen können.
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aufgrund von Meta-Analysebefunden abgegeben
(Norcross & Lambert, 2011; Wampold, 2007).
Eine selektiv prognostisch orientierte Indikation wurde in einer stationären Katamnesestudie
(Schulz, Lotz-Rambaldi, Koch, Jürgen & Rüddel,
1999) untersucht, in der die Patienten in Abhängigkeit eines vorgegebenen Kriterienkatalogs (Diagnose, Behandlungsanliegen, Patientenwünsche, Patientenmerkmale wie soziale Kompetenz etc.) unterschiedlichen Behandlungsbedingungen zugeführt
wurden. Die Evaluation ergab positive Befunde, die
die Autoren als Bestätigung der differentiellen Indikationsstellung interpretierten. Eckert, Frohburg
und Kriz (2004) konnten in einer Patientenbefragung
nachweisen, dass der wahrgenommene Therapieerfolg bei über 55 % von den Passungen3 abhängt, die
im Allgemeinen Modell von Psychotherapie (Orlins­
ky et al., 2004)4 angenommen werden.
Caspar und Grosse Holtforth (2009) diskutieren
in einem Überblicksartikel, inwiefern Responsiveness,
d. h. ein Sich-Einstellen des Therapeuten auf die
Besonderheiten eines Patienten, einer rein störungsspezifischen Therapie überlegen sei, wobei Responsiveness eine Form der Individualisierung über den
gesamten Therapieverlauf meint statt nur zu Beginn
der Therapie. Gemäß dem Ansatz sollte sich der
Therapeut regelmäßig neu auf die Patientenmerkmale
und die motivationale Ebene des Patienten einstellen
und dementsprechend die therapeutischen Wirkprinzipien und die motivatonale Beziehungsgestaltung
anpassen. Die beiden Autoren argumentieren mit der
unterschiedlichen Wirkung therapeutischer Interventionen auf jeden Einzelfall, in der Literatur „AptitudeTreatment-Interaction“ genannt. Kramer et al. (2011)
konnten die positive Wirkung des ResponsivenessAnsatzes empirisch untermauern, indem sie in der
Therapie von Borderline-Störungen einen positiven
Zusammenhang zwischen hoher motivorientierter
Beziehungsgestaltung in der frühen Therapiephase
(als Operationalisierung von Responsiveness) einer3
Gemäß dem allgemeinen Modell von Psychotherapie
werden vier wechselhafte Übereinstimmungen („Passung“) gefordert: Die Art der Erkrankung des Patienten
und sein dazu entwickeltes subjektives Krankheitsmodell,
das Behandlungsmodell (Therapieverfahren) des Therapeuten sowie die therapiebezogenen und interpersonalen
Merkmale des Patienten auf der einen und des Therapeuten auf der anderen Seite.
4
Das Allgemeine Modell (Generic Model; Orlinsky et al.,
2004) beschreibt den psychotherapeutischen Prozess als
hochkomplexes Interagieren von Interventionen, Patienten- und Therapeutenmerkmalen, Umgebungs- und Gesellschaftsfaktoren etc.
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seits und anderseits dem Erwerb interpersonaler Fertigkeiten sowie einer positiven Therapiebeziehung
aufzeigen konnten.
Vor dem Hintergrund der Befunde bedeutet
dies den Anspruch an ein integratives, störungs­
übergreifendes Behandlungsmodell, das die Patienten- sowie die Therapeutenperspektive einbezieht,
sich auf empirisch gesicherte Therapiemethoden
stützt und somit eine individuell zugeschnittene
Therapie plant.
Die Allgemeine Psychotherapie
Ein Beispiel, Psychotherapie zu integrieren und
individuumsorientiert anzuwenden, wurde von Grawe eingeführt. In seinem Modell der Allgemeinen
Psychotherapie (Grawe, 2004; Grosse Holtforth &
Grawe, 2004) schlägt er die Berücksichtigung allgemeiner und spezifischer Wirkfaktoren auf empirisch gesicherter Datenlage vor. Das Störungsverständnis stützt sich bei ihm einerseits auf das Funktionsmodell des psychischen Geschehens, das die
vier Grundbedürfnisse Lust, Bindung, Kontrolle
und Selbstwerterhöhung vorsieht (Epstein, 1990),
die mittels motivationaler Schemata erreicht respektive deren Verletzung vermieden werden sollen.
Dabei stellen Annäherungsziele die Mittel dar, um
Grundbedürfnisse zu erreichen, während Vermeidungsschemata vor deren Verletzung schützen sollen.
Grawe (2004) stützt sein Funktionsmodell mittels
zahlreicher empirischer Befunde aus Neuro-, Motivations- und Differentialpsychologie. Gemäß Carver und Scheier (1998) gibt es im psychischen Geschehen zwei funktional voneinander unabhängige
Subsysteme der Selbstregulation: das Annäherungund Vermeidungssystem. Diese beiden Systeme
lassen sich neurobiologisch unterscheiden (Gray &
McNaughton, 2003) und konnten in der Differential­
psychologie als unabhängige Temperamentstypen
klassifiziert werden (Diener & Lucas, 1999; Elliot
& Thrash, 2002). Die Operationalisierung motivationaler Schemata und deren Zielkomponenten können
induktiv mittels einer Plananalyse (Caspar, 2009)
erfolgen. Annäherungs- und Vermeidungsziele stehen im Konflikt zueinander, wenn bei jeder Aktivierung von Annäherungszielen gleichzeitig Vermeidungsziele aktiviert sind;5 der Mensch erlebt
einen motivationalen Konflikt.
Eine Übersicht über die empirische Befundlage zur
Existenz und Erfassung von Vermeidungsschemata sowie
dem Zusammenhang zwischen Wohlbefinden, Psychopathologie und interpersonalen Problemen bietet Grosse
Holtforth (2008).
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Die Therapieplanung basiert zudem auf der Konsistenztheorie. Sind gleichzeitig aktivierte psychische
Prozesse unvereinbar, erlebt der Mensch Inkonsistenz,
was die Entstehung und Aufrechterhaltung psychi­
scher Erkrankungen begünstigt. Diese Inkonsistenz
teilt sich in Diskordanz und Inkongruenz. Diskordanz
meint den Konflikt zwischen zwei innerpsychischen
Schemata, während Inkongruenz die Diskrepanz zwi­
schen der realen Wahrnehmung und den aktivierten
Zielen meint. Ziel der Allgemeinen Psychotherapie
ist die Reduktion von Inkonsistenz, die korrelativ mit
Wohlbefinden und Symptomausprägung zusammenhängt (Grawe, 2004).
Gemäß dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell wird
die Entwicklung psychopathologischer Symptome
wahrscheinlicher, wenn große Vulnerabilitäten/
Verletzlichkeiten und einschneidende Lebensereignisse (Stressoren) aufeinander treffen. Die Verletzung von Grundbedürfnissen in der Kindheit sowie
genetische Prädispositionen führen zu der Entwicklung von Vulnerabilitäten, die wiederum nachfolgend
auf die Bedürfnisentwicklung Einfluss nehmen. Ungünstige Belastungen oder Anforderungen in der
Gegenwart sind Stressoren, die zu Inkonsistenzen
führen, die den Nährboden für die Entstehung psychischer Erkrankungen bilden. Inkongruenzen können im Störungsmodell auslösende und/oder aufrechterhaltende Faktoren sein. Ziel der Therapie ist
die Entwicklung einer emotionalen Widerstandsfähigkeit (Resilienz) durch die Bearbeitung von Emotionsregulation und Inkongruenzquellen, die den
Umgang mit Inkonsistenzerfahrungen erleichtert.
Trachsel, Gurtner, von Känel und Grosse Holtforth
(2010) analysierten in einer Risikogruppe von Arbeitslosen den Konflikt zwischen dem Ausdruck
von Emotionen versus der Angst vor negativen
Konsequenzen bei Ausdruck von Gefühlen. Das
Unterdrücken des Emotionsausdrucks wird als Vulnerabilitätsfaktor für die Entwicklung von Depressionen in stressauslösenden Verhältnissen angenommen. Es zeigte sich, dass der Konflikt, Emotionen
auszudrücken, die Gesundheit von Personen mit
Depressionen besonders dann zu belasten scheint,
wenn diese ein hohes Inkongruenzerleben haben.
Für die Therapieplanung der Allgemeinen Psychotherapie wird eine Fallkonzeption des Patienten
zu Beginn der Therapie angefertigt (Grosse Holtforth
& Grawe, 2004; Itten, Trösken & Grawe, 2004).
Diese Fallkonzeption hat den Anspruch, patientenorientiert, individuell maßgeschneidert und detailliert die Lebens- und Behandlungssituation des
Patienten zu erfassen sowie die Planung der therapeutischen Interventionen.
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Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung
Entwickelt und evaluiert wurden die Konzepte
der Therapieplanung zunächst im universitären
Rahmen, wobei die Interventionen an einer universitären Psychotherapieambulanz angewandt wurden.
Auch in der Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeuten dient die Fallkonzeption als Behandlungsrahmenmodell. In einem zweiten Schritt etablierten sich die Konzepte im stationären Rahmen,
die Qualitätssicherung wurde durch Diagnostik und
Supervision in den Kliniken sichergestellt. Da die
Fallkonzeption aufgrund ihrer Ausführlichkeit und
der Ressourcenknappheit der BehandlerInnen für
den praktischen Einsatz schwer umzusetzen ist, bedarf es einer kürzeren Variante. Gleichzeitig sollen
Einflussfaktoren wie die Behandlungsperspektive
oder die Erwartungen vor dem Hintergrund neuerer
Forschungsbefunde berücksichtigt werden.
Fallkonzeption und Therapieplanung
in der Anwendung – Eine Kurzform
Tritt ein Patient in ein stationäres Setting ein, werden
in einem Erstgespräch und der nachfolgenden Diagnostik vielfältige Informationen zu Anamnese, Symp­
tomatik, Genogramm etc. im Team erhoben. Im Rahmen einer Fallkonzeption wird anhand dieser Informationen zunächst ein Problemverständnis für die
Situation des Patienten sowie die Entstehung und
Aufrechterhaltung seiner Schwierigkeiten erstellt. In
einem zweiten Schritt wird daraus eine Therapieplanung abgeleitet, die auf die spezifischen Probleme
des Patienten und seine Situation abgestimmt ist.
Die Einführung einer einheitlichen Fallkonzeption dient der Koordination im Behandlungsteam,
der Verbesserung der Behandlungsqualität wie auch
der Weiterbildung von Therapeuten.
Die von uns vorgeschlagene Kurzvariante erfragt zunächst die Belastungen und Symptome.
Problembereiche, Belastungen, Konflikte:
Die Beschreibung der Probleme geht über die
Nennung von ICD-Diagnosen hinaus. Beschrieben werden sollen psychische und somatische
Probleme, psychosoziale Belastungen (z. B. Arbeitslosigkeit, Partnerverlust, Schulden etc.) und
Konflikte (z. B. interaktionelle Probleme am
Arbeitsplatz, in Paarbeziehungen, motivationale
Konflikte etc.).
Das Festlegen von Therapiezielen zu Beginn der Behandlung ist ein fester Bestandteil der verhaltenstherapeutischen Tradition (Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 2006; Schulte, 2005) und dient der Therapiestruk-
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turierung, der Motivierung des Patienten und einem
Hinarbeiten auf einen erwünschten Sollzustand.
Strauss und Burgmeier-Lohse (1995) untersuch­
ten die Aufnahmebereitschaft von Patienten für bestimmte therapeutische Vorgehensweisen und fanden
heraus, dass Übereinstimmungen zwischen den Auffassungen des Patienten und des Therapeuten im
Hinblick auf die Ziele der Therapie und deren Realisierung maßgeblich für die Qualität der therapeutischen Beziehung und den Therapieerfolg sind.
Auch Studien zur Therapiebeziehung konnten nachweisen, dass eine Übereinstimmung der Therapieziele (Bordin, 1994) die Therapieallianz stärkte.
Insbesondere in Berücksichtigung dieser Befunde
werden in der Fallkonzeption die Interessen und
Ziele beider Perspektiven erfragt. Kanfer et al.
(2006), Willutzki und Koban (2004) sowie Grosse
Holtforth und Castonguay (2007) bieten einen ausführlichen Überblick über Therapiezielherleitung
und empirische Belege der Effektivität.
Behandlungsziele:
– Anliegen/Auftrag/Ziele PatientIn: Hier werden
die vom Patienten formulierten Behandlungsanliegen und Therapieziele beschrieben. Die
Ziele sind realisierbar und inhaltlich unproblematisch. Die Anliegen sollen zudem konkret
gehalten werden, d. h. über allgemeine Formulierungen hinausgehen (z. B. „wieder auf Leute zugehen können“, „wieder mit öffentlichen
Verkehrsmitteln fahren können“ statt „gesund
werden“ oder „es soll mir besser gehen“).
– Anliegen/Auftrag/Ziele anderer (inkl. Therapeuten): Häufig werden Anliegen anderer
an die Behandlung herangetragen. Dies können Anliegen von Angehörigen („Entlastung“,
„Pause“, „mehr Mithilfe“, „keine Wutausbrüche mehr“), Arbeitgebern („Belastbarkeit
erhöhen“, „wieder arbeitsfähig machen“),
ambulanten Therapeuten („diagnostische
Einschätzung“, „Medikamentenumstellung“,
„Abwesenheitsüberbrückung“) oder anderen
Personen sein. Anliegen werden häufig nicht
explizit formuliert, schwingen aber „implizit“, d. h. unausgesprochen, mit.
Anliegen können nicht zuletzt auch vom
Therapeuten an den Patienten herangetragen
werden („er muss gesund werden, sonst bin
ich ein schlechter Therapeut“, „er sollte mit
Rauchen aufhören“, „er sollte sich von der
Partnerin trennen, die tut ihm nicht gut“).
– Vereinbarte Ziele und Schwerpunkte der
Therapie: Uneinheitliche Anliegen können
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eine Behandlung erschweren. Anliegen, für
die der Patient keine Motivation mitbringt,
sind in der Regel schwer umzusetzen. Anliegen anderer können u. U. aber durchaus
legitim sein (z. B. „Entlastung der Angehörigen bei schwer beeinträchtigten Patienten“).
Nach der Sammlung der Anliegen sollen
daher hier die mit dem Patienten gemeinsam
vereinbarten (und realisierbaren) Ziele und
Therapieschwerpunkte formuliert werden.
In einem zweiten Schritt werden vor dem Hintergrund
der oben aufgeführten Allgemeinen Psychotherapie
die motivationalen Schemata und ihre Zielkomponenten des Patienten mittels plananalytischer Überlegungen erfragt. Das plananalytische Vorgehen konnte für die Erfragung instrumentellen Verhaltens für
unterschiedliche Patientengruppen skizziert werden
und dient insbesondere dem Verstehen von auffälligem
Verhalten (Caspar, 2009; Caspar & Berger, 2011).
Persönlichkeitsstil/Pläne/Schemata:
In diesem Teil der Fallkonzeption geht es um
das psychische Funktionieren des Patienten.
Hier wird beschrieben, mit welchen Strategien
Patienten ihre (Grund-)Bedürfnisse befriedigen.
Es wird angenommen dass Menschen, die ihre
Bedürfnisse befriedigen können, psychisch gesünder sind, während mangelnde Befriedigung
von Grundbedürfnissen ein hohes Risiko für
psychische Erkrankungen darstellt. Viele Patienten wenden Strategien an, die kurzfristig
durchaus hilfreich, mittelfristig aber dysfunktional sind, hohe Kosten verursachen und eine
gute Befriedigung von Grundbedürfnissen verhindern. (z. B. „über Beschwerden klagen“ bringt
kurzfristig häufig Mitleid und Zuwendung (Bindung), mittelfristig können sich aber andere von
einem abwenden; insbesondere wenn die Strategie im Übermaß angewandt wird. „Zwanghaftes Kontrollieren“ hilft zwar kurzfristig ein
Gefühl der Kontrollierbarkeit zu erzeugen, aber
mittelfristig nicht, das Gefühl von Unsicherheit
besser auszuhalten. Gleichzeitig führt die damit
verbundene Anstrengung, Zeitverlust und eventuell das Gefühl, nicht normal zu sein, erst recht
dazu, das Leben nicht mehr im Griff zu haben).
Es werden hier Verhaltensweisen („klagt über
Beschwerden“, „kontrolliert ständig“ etc.) beschrieben, die der Therapeut beobachtet, die der
Patient erzählt oder die Dritte berichten. Es werden auch „Pläne“ formuliert, die die Grundlage
des Verhaltens sind („sei immer nett und freund-
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A rmita Tschitsaz & Christoph Stucki
lich, dann werden sich andere nicht von dir abwenden“, „vermeide Fehler“ etc.). Die Pläne sind
in der Regel dem Patienten nicht bewusst.
Die erfolgreiche Aktivierung von Patientenressourcen im therapeutischen Prozess konnten Flückiger,
Caspar, Grosse Holtforth und Willutzki (2009) in
einer aufwendigen Prozessstudie nachweisen. Der
Fokus auf die Kompetenzen und persönlichen Ziele
der Patienten gelang besser, wenn die Therapeuten
zu Therapiebeginn kurz ein Ressourcenaktivierungstraining erhielten, und dieser Fokus nahm direkten
Einfluss auf das Therapieergebnis bezüglich Selbstbewusstsein, Bewältigungs- und Klärungserfahrun­
gen.
Ressourcenaktivierung:
Ressourcen PatientIn – Therapeutische Interventionen: Als Ressource eines Patienten kann
alles bezeichnet werden, was dem Patienten hilft,
mit einem Problem/einer Situation besser umzugehen: Stärken, Wissen, Fähigkeiten, soziales
Umfeld, aber auch Ziele und Wünsche können
Ressourcen sein.
Therapeutische Interventionen können „kleine
Verstärkungen“ („das haben Sie gut gemacht“)
sein, aber auch die Durchführung längerer Ressourceninterventionen beinhalten: z. B. Situationsanalysen aus Ressourcenperspektive (wann
tritt ein Problem nicht auf?); Ressourcenimaginationen; Genogramm aus Ressourcenperspektive, etc.). Ressourcen müssen nicht immer inhaltlich thematisiert werden, sondern können
auch prozessual aktiviert werden, d. h. ohne dass
diese explizit angesprochen werden (z. B. sich
über Wissensgebiet des Patienten unterhalten,
sich Werke aus der Ergotherapie zeigen lassen,
dem Patienten Verhalten zutrauen etc.).
Ziel der motivorientierten Beziehungsgestaltung ist
die Herstellung bedürfnisbefriedigender Erfahrungen im therapeutischen Kontext. Der Therapeut
unterstützt dabei die Umsetzung der Annäherungsziele und hält die Aktivierung der Vermeidungsziele
gering oder bearbeitet die dahinter liegenden Befürchtungen mittels gezielter therapeutischer Interventionen (Grosse Holforth & Castonguay, 2007).
So könnte z. B. die Befürchtung vor Zurückweisung
mit der Methode der kognitiven Umstrukturierung
inhaltlich thematisiert werden oder prozessual, indem
der Patient die Erfahrung der Zurückweisung nicht
machen muss, wenn er seinem Annäherungsziel (z. B.
sich autonom verhalten, sich für sich einsetzen o. Ä.)
Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis
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Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung
folgt. Gleichzeitig beinhaltet motivorien­tierte Beziehungsgestaltung, dass der Therapeut erkennt, wenn
ein Patient maladaptive Strategien und Verhaltensweisen zur Befriedigung seiner Bedürfnisse einsetzt
und diese dann auf einer höheren motivationalen
Ebene befriedigt (Stucki, 2008). Therapeut und
Patient können so eine emotionale Bindung aufbauen, und der Patient erlebt „korrektive Erfahrungen“
(Grosse Holtforth & Castonguay, 2007).
Erstmalig lieferte die Berner Therapievergleichsstudie (Grawe, Caspar & Ambühl, 1990) empirische
Hinweise auf den positiven Effekt der motivorientierten Beziehungsgestaltung, in der die interaktionelle Verhaltenstherapie (IVT6) in manchen Ergebnismaßen den anderen Therapieansätzen, vor allem
in der Patientenperspektive, überlegen war. Zudem
hing der Therapieerfolg in der IVT weniger von
Patienteneigenschaften ab und auch die Anzahl der
Therapieabbrüche war geringer. Caspar, Grossmann,
Unmüssig und Schramm (2005) untersuchten den
Einfluss spontaner motivorientierter Beziehungsgestaltung auf das Ergebnis von interpersonaler
Therapie bei 22 depressiven stationären Patienten.
In dieser Studie war das spontane Therapeutenverhalten, das den wichtigsten motivationalen Zielen
der Patienten entsprach, mit besseren Therapieergebnissen verbunden. Stucki (2004) analysierte das
Beziehungsverhalten von Therapeuten in den ersten
drei Sitzungen bei 30 ambulanten Patienten mit
allgemeiner Psychotherapie, die die systematische
Umsetzung der Prinzipien der motivorientierten
Beziehungsgestaltung vorsieht. Es zeigt sich, dass
Therapeuten ihr Verhalten besser an die motivatio­
nalen Ziele der Patienten anpassten, wenn ihre Patienten ihre Beziehung positiv einschätzten. Patienten, die ihre therapeutische Beziehung als nicht
positiv angaben, erfüllten gleichzeitig die Kriterien
einer interpersonellen Auffälligkeit. Dieses Ergebnis
deckt sich mit den Befunden von Caspar und Grosse Holtforth (2009), nach denen die Anwendung der
motivorientierten Beziehungsgestaltung bei interpersonell auffälligen Patienten schwieriger zu realisieren sei als bei interpersonell unauffälligen. Für
die therapeutische Beziehungsgestaltung bedeute
dies, dass der Fokus „auf ein bestimmtes Segment
im interpersonalen Zirkel“ gerichtet sein sollte (ebd.).
Originalia
Beziehungsgestaltung:
– Beziehungsgestaltung – Therapeutisches
Vorgehen: Eine individuelle motivorientierte
Beziehungsgestaltung ermöglicht dem Patienten, bedürfnisbefriedigende korrektive
Erfahrungen in der therapeutischen Beziehung zu machen und dient dem Aufbau von
Beziehungskredit, der notwendig ist, um
problemaktivierende Interventionen erfolgreich durchführen zu können. Unterschieden
werden dabei Annäherungsziele, die der
Therapeut in seinem Beziehungsverhalten
verstärkt und Vermeidungsziele, die der
Therapeut nur so weit aktiviert, wie es nötig
ist. Erreicht werden soll eine möglichst gute
Passung von Beziehungsverhalten des Therapeuten mit dem motivationalen Funktionieren des Patienten:
Annäherungsziele (AZ) PatientIn: Beispiele:
„verstanden werden“, „selbst entscheiden
können“
Vermeidungsziele (VZ) PatientIn: Beispiele:
„blamiert werden“, „kritisiert werden“, „im
Stich gelassen werden“.
Der Therapeut überlegt sich, mit welchen
Verhaltensweisen und Interventionen er die
Motive des Patienten unterstützen kann (Annäherungsziele) und wie er als Therapeut die
Vermeidungsziele des Patienten so wenig
wie nötig aktiviert(Vermeidungsziele).
Beispiel: AZ „verstanden werden“: Therapeut hört besonders genau zu; fragt nach,
ob er den Patienten richtig verstanden hat;
vergisst Gesagtes nicht; lässt den Patienten
viel erzählen und erklären etc.
Beispiel: AZ „selbst entscheiden können“:
Therapeut gibt mehrere Möglichkeiten vor,
Patient kann wählen; Therapeut hebt hervor,
wie wichtig ihm die Meinung des Patienten
ist etc.
Beispiel: VZ „blamiert werden“: Therapeut
lässt Patienten nicht „auflaufen“; schützt ihn
vor Gesichtsverlust (z. B. in Gruppentherapie); vermeidet Überforderung des Patienten;
konfrontiert nur, wenn Beziehungskredit da
ist.
Beispiel: VZ „im Stich gelassen werden“:
Therapeut signalisiert unbedingten Rückhalt, steht hinter dem Patienten, auch wenn
dieser sich kritisch äußert; er bereitet Austritt, respektive (Therapeuten)-Wechsel gut
vor; bespricht, wie der Patient sich Unterstützung verschaffen kann usw.
6
Eine Weiterentwicklung der IVT ist die Allgemeine
Psychotherapie.
Die Erarbeitung eines Erklärungsmodells zu auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren sowie
–
–
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Originalia
der Einsatz entsprechender empirisch gesicherter
Interventionen stellt das Herzstück der verhaltenstherapeutischen Tradition dar. Ein plausibles Erklärungsmodell dient zur Orientierung, Kontrolle und
Einsicht in die therapeutischen Arbeit. Die Identifikation von auslösenden und aufrechterhaltenden
Bedingungen unter Berücksichtigung von emotionalen, kognitiven, situativen oder systemischen
Aspekten wird anschaulich von Kanfer et al. (2006)
in dem SORCK-Modell dargestellt. Die Notwendigkeit eines Ordnungssystems mithilfe von Erklärungsmodellen unter Berücksichtigung des Krankheitsverständnisses des Patienten sowie der positive
Einfluss dieser Erklärungsmodelle auf Therapieprozess und -ergebnis wurden von Bhui und Bhugra
(2002) nachgewiesen. Forschungsbefunde zeigen,
dass die Entwicklung von Erklärungsmodellen in
der Therapie Einfluss auf emotionales Coping, Behandlungspräferenzen, Mitarbeit, Therapiebeziehung und Behandlungszufriedenheit nimmt (Ghane,
Kolk & Emmelkamp, 2010). Sulz et al. (2011) haben
in einer empirischen Untersuchung die subjektiven
Einstellungen, motivationalen Ziele, Emotionen und
Schemata von 103 Patienten einer qualitativen Analyse unterzogen. Die Autoren gehen aufgrund ihrer
Befunde von der Effektivität von Verhaltensanalysen innerhalb der Fallkonzeption auf den Therapieerfolg aus, da die therapeutische Arbeit an diesen
konzipierten individuellen Aspekten zu zufriedenstellenden Effektstärken führte.
Störungsmodell und therapeutische Interven­
tionen:
Erklärungs- und Veränderungsmodell PatientIn:
Hier werden Fragen zum Störungsmodell des
Patienten beantwortet:
– Wie erklärt sich der Patient, wie es zu seinem
Problem gekommen ist?
– Geht er davon aus, dass sein eigenes Verhalten zum Problem geführt hat oder sieht er
die Ursache in der Erkrankung, den Umständen oder den Fehlern der anderen? Was denkt
der Patient, was es braucht, damit es ihm
wieder besser geht?
– Kann er selbst etwas dazu beitragen oder
geht er davon aus, dass Medikamente oder
der Therapeut die Veränderungen herbeiführen?
Die Notwendigkeit, die subjektive Perspektive des
Patienten einzubeziehen, hat bereits Fiedler (2003)
in seinem Konzept der integrativen Psychotherapie
vorgenommen; in seinem Modell werden die Pati-
406
vpp_02_2013_01.indb 406
A rmita Tschitsaz & Christoph Stucki
entensicht zu Therapiezielen, Erwartungen, Motivation und Erklärungsmodell erfragt. Die Übereinstimmung zwischen der Therapeuten- und Patientensicht
bezüglich des Krankheitsmodells, von Orlinsky und
Kollegen als Passung3 bezeichnet (2004), gehört zu
einem der Faktoren, der den Therapieerfolg determiniert (Eckert et al., 2004).
Erklärungs- und Veränderungsmodell TherapeutIn:
Hier werden Fragen zum Störungsmodell des
Therapeuten beantwortet:
– Entstehung der Störung: Wie erkläre ich mir
als Therapeut die Entstehung der Störung
– An welchen Faktoren muss ich ansetzen,
um eine Veränderung zu bewirken?
(Faktoren der Entstehung und Aufrechterhaltung
einer Störung können nicht immer auseinandergehalten werden, respektive dienen häufig der
Entstehung und Aufrechterhaltung einer Störung. Psychische Störungen können allerdings
häufig fortbestehen, auch wenn die Faktoren,
die zur Entstehung geführt haben, mittlerweile
nicht mehr bestehen. Daher kann eine Unterscheidung von Entstehungs- und Aufrechterhaltungsfaktoren sinnvoll sein.)
Als aufrechterhaltende Faktoren werden die Eigendynamik der Störung erfragt, motivationale und
systemische Perspektive, Copingstrategien, Entwicklungsanforderungen und körperliche/biologische Aspekte. Therapeutisch fließt hier einerseits
störungsspezifisches Wissen über die zu behandelnde Erkrankung des Patienten ein, z. B. Expositionstraining für Zwangserkrankte (s. o.; Castonguay &
Beutler, 2006; Lambert & Ogles, 2004). In der oben
erwähnten Studie von Sulz und Kollegen (2011)
werden, in Anlehnung an Kanfers Modell, innerhalb
der Reaktionskette selbstverstärkende Faktoren erfragt sowie Interventionsvorschläge gegeben. Anderseits nehmen therapeutische Wirkprinzipien
Einfluss, die oben detailliert dargestellt wurden.
Perspektive der Eigendynamik der Störung:
Sich selbst verstärkende Prozesse
Welche Faktoren der Störung führen dazu, dass
die Störung aufrechterhalten wird und sich noch
verstärken kann? Hier werden sich selbst verstärkende Prozesse möglichst konkret beschrieben (Beispielangaben):
– Angst: Negative Bewertungsprozesse (z. B.
Katastrophisierung), Selbstbeobachtung,
Checking-Verhalten, Vermeiden.
Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis
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Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung
– Depression: Negative Bewertungsprozesse
(z. B. Übergeneralisierung), Grübeln, Inaktivität, sozialer Rückzug, Vermeiden.
– Sucht: Biologische Prozesse (z. B. Toleranzentwicklung), psychische Abhängigkeit, Gefühl der Scham, sozialer Rückzug.
– Essstörung: Biologische Prozesse (z. B. körperliche Folgeerscheinungen bei Untergewicht), Gefühl der Kontrolle, Wegfallen von
Spannung.
– Borderline: Aufmerksamkeitsgewinn, Gefühl der Kontrolle, Wegfallen von Spannung.
Welche Interventionen sind notwendig, um die
oben beschriebenen selbstverstärkenden Prozesse zu unterbrechen? (Beispielangaben)
– Angst: Psychoedukation, Kognitive Umstrukturierung, Übungen zur Demonstration der Effekte der Selbstbeobachtung, Konfrontationsübungen etc.
– Depression: Psychoedukation, Kognitive
Umstrukturierung, Aktivitätenaufbau, soziale Verstärkung etc.
– Sucht: Psychoedukation, 4-Felder-Entscheidungmatrix, Stimuluskontrolle, Konfrontationsübungen etc.
– Essstörungen: Psychoedukation, Normalisierung des Essverhaltens, Bearbeitung der
Körperschemastörung, Selbstkontrolltechniken etc.
– Borderline: Skills, Stresstoleranzübungen,
emotionales und soziales Kompetenztraining, etc.
Vor dem theoretischen Hintergrund, dass motivationale Konflikte als implizites Wissen von Schemata
zu verstehen sind, ist eine empirische Erfassung dieser Konflikte schwierig. In der Vergangenheit hat das
Team um Lauterbach eine computerbasierte Konfliktdiagnostik entwickelt, um eine empirische Methode
zur objektiven Erfassung innerpsychischer Konflikte
zu entwickeln. Das Programm erfragt Kognitionen
(wertende Einstellungen, selbstzugeschriebene Realitäten, Meinungen zu den Wechselwirkungen) zu
ausgewählten Lebensbereichen und prüft ihre Konflikthaftigkeit anhand struktureller Merkmale. Die
Untersuchung von Patienten- und sympto­matisch
unbelasteteren Gruppen bestätigt einen hohen Zusammenhang von persönlicher Konfliktbelastung
mit psychosomatischer oder psychiatrischer Symptombelastung (Lauterbach & Newman, 1999). Stangier, Ukrow, Schermelleh-Engel, Grabe und Lauterbach (2007) untersuchten den intrapersonalen Konflikt bezüglich Zielen und Werten bei Menschen mit
Originalia
Depressionen anhand der oben beschriebenen Computerdiagnostik. Patienten zeigen mehr und stärker
ausgeprägte Konflikte als Gesunde; zudem weisen
Pfadanalysen darauf hin, dass interpersonale Probleme das Ausmaß an erlebten intrapersonalen Konflikten verstärken.
In einer jüngeren Studie wurde ein spezifischer
Annäherungs-Vermeidungskonflikt in einer Risikogruppe von Arbeitslosen analysiert (Trachsel et
al., 2010). In Anlehnung an das Vulnerabilität-StressModell gingen die Autoren davon aus, dass einem
gehemmten Emotionsausdruck bei Depressionspatienten der Konflikt zwischen dem Wunsch nach
Emotionsausdruck und der Angst vor dem Erleben
von negativen Konsequenzen zugrunde liege. Die
Umfrage bestätigte den Zusammenhang zwischen
dem Konfliktausmaß und der Depressivität.
Kelly et al. (2011) erfragen Konflikte zwischen
Zielen und Ambivalenzen bezüglich Ziele per Fragebogen, d. h. auf expliziter Ebene. Die Autoren
interpretieren ihren Befund, dass depressive Symp­
tome bei Menschen mit niedrigem Konfliktlevel und
hoher Ambivalenz stark ausgeprägt waren, als Hinweis auf das Vorhandensein von impliziten motivationalen Konflikten, die den Nährboden für depressive Symptome bilden.
Motivationale Perspektive:
– Konflikte zwischen Zielen/Motiven ausgeprägtes Vermeidungsverhalten: Motivationale Konflikte und zu stark ausgeprägte
Vermeidungsziele sind Risikofaktoren für
die Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen. Hier werden die wichtigsten motivationalen Konflikte und ausgeprägte Vermeidungsziele des Patienten
beschrieben.
Beispiele für Konflikte:
– Beispiel 1: Vermeide im Stich gelassen,
in Beziehungen enttäuscht zu werden vs.
Wunsch nach Nähe, Offenheit, Verlässlichkeit in Beziehungen: Je mehr der
Patient sich auf eine Beziehung einlässt,
sich öffnet, desto größer wird seine Angst,
der anderen Person nicht zu genügen, von
ihr im Stich gelassen zu werden und damit in Beziehungen (erneut) enttäuscht
und verletzt zu werden. Je weniger der
Patient sich andererseits auf Beziehungen
einlässt, desto größer wird sein Wunsch
nach Nähe und Beziehung sein.
– Beispiel 2: Vermeide Versagen, vermeide Minderwertigkeitsgefühle vs. Wunsch
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Originalia
nach Eigenständigkeit, bedingungsloser
Akzeptanz: Je mehr der Patient zu sich
steht, seinen eigenen Weg geht, desto
stärker wird seine Angst, den Anforderungen und Erwartungen nicht zu genügen und zu versagen. Je mehr der Patient
andererseits ein Versagen um jeden Preis
vermeidet, eigene Entscheidungen und
Risiken nicht eingeht, desto stärker wird
das Gefühl werden, nicht so zu leben,
wie ihm das entspricht.
– Beispiel 3: Vermeide Abhängigkeit, Ausgenutzt werden vs. Wunsch nach Hilfe,
Sicherheit, Unterstützung. Je mehr der
Patient Hilfe und Unterstützung sucht
und annimmt, desto stärker wird seine
Angst, abhängig und ausgenutzt zu werden. Je mehr der Patient andererseits
versucht, Abhängigkeit um jeden Preis
zu vermeiden, desto stärker wird das
Gefühl werden, auf sich allein gestellt
zu sein, keine Unterstützung im Leben
zu erhalten.
Therapeutische Interventionen: Motivationale Konflikte können einerseits in biographischer Arbeit mit dem Patienten thematisiert und geklärt werden. Andererseits sollen dem Patienten korrektive Erfahrungen
ermöglicht werden, die zu Schemaveränderung führen können. Dafür genutzt werden
kann u. a. wiederum die therapeutische Beziehung. So kann dem Patienten Unterstützung und Rückhalt geboten werden und
dabei gleichzeitig darauf geachtet werden,
dass keine Abhängigkeit (von der Person
des Therapeuten) entsteht. Der Therapeut
kann eine stabile, verlässliche Beziehung
anbieten, die Konflikte aushält und die weiterbesteht, auch wenn der Patient sich öffnet
und schambesetzte Themen einbringt. Der
Therapeut kann den Patienten besonders
dann unterstützen, wenn er „seinen Weg
geht“, wenn er sich etwas zutraut, auch wenn
er einmal Fehler macht und Versagen riskiert
usw.
Bewältigungsfertigkeiten und Emotionsregulationsstrategien bilden einen wesentlichen Faktor für den
Umgang mit den Vulnerabilitäten des Patienten. Die
Effektivität therapeutischer Strategien zum Aufbau
von Bewältigungsfertigkeiten in Bezug auf Problemverhalten, Emotionen und Neubewertungen
sind bereits empirisch nachgewiesen (Kämmerer et
408
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A rmita Tschitsaz & Christoph Stucki
al., 2006; Kanfer et al., 2006; Sulz et al., 2011).
Noeker und Petermann (2008) schlagen in ihrem
empirisch belegten Modell einen Entwicklungspfad
vor, der sich als Ergebnis von positiv bewältigten
Belastungsepisoden versteht, die die Person durch
die Anwendung funktionaler kognitiver Schemata
und kompetenter Bewältigungsfertigkeiten erreicht.
Eine Interaktion zwischen dem therapeutischen
Angebot (hier: emotionale Aktivierung) und der
nachfolgenden Emotionsregulation der Patienten
konnte von Znoj und Kollegen (2004) gefunden
werden. In der Studie zeigte sich, dass die Patienten
in der Anfangsphase erfolgreicher Therapien auf
vertiefende Bearbeitungsangebote distanzierend rea­
gierten und auf niederschwellige Bearbeitungsangebote mit weniger nonverbalem Ablenken. In der
Endphase fanden sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen dem therapeutischem Angebot
und nachfolgender Emotionsregulation mehr. Die
Therapieeffektivität der Aneignung von Emotionsregulationsfertigkeiten zur Reduktion negativer Affektzustände nach einer Gruppentherapie konnte zudem
von Berking et al. (2012) nachgewiesen werden. Die
Fähigkeit zur Emotionsregulation (als eine der Strategien im Umgang mit Emotionen) erwies sich hier
als Mediator zwischen dem Erwerb von Fertigkeiten
im Umgang mit Emotionen und dem Symptomlevel.
Eine Ausnahme bildete die Fertigkeit „Akzeptieren/
Tolerieren von negativen Gefühlen“, die direkt mit
einem niedrigen Symp­tomlevel zusammenhängt, die
Emotionsregulationsfähigkeit kein Mediator darstellt
und somit in der Prävention zur Entstehung von
psychischen Problemen relevant sein könnte.
Coping-Perspektive:
Ungünstige Problembewältigungsstrategien/
ungünstige Emotionsregulation: Hier wird möglichst konkret beschrieben, wie der Patient mit
Problemen umgeht. Geht der Patient die Probleme an oder umgeht oder vermeidet er eine
Konfrontation damit? Kann er veränderbare
Probleme lösen? Kann er nicht veränderbare
Probleme aushalten? Insgesamt soll hier überlegt
werden, ob die Strategien günstig sind und der
Zielerreichung dienen oder ob sich durch die
Art der Problemlösung ein neues Problem ergibt
(z. B. Vermeidungsverhalten, Suchtverhalten,
Interaktionsprobleme etc.).
Mit welchen Interventionen kann ich die Kompetenzen des Patienten im Umgang mit Problemen verbessern?
Mögliche Interventionen: Psychoedukation, Analyse des Umgangs mit Problemen, Problemlöse-
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Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung
techniken, Skills zur Emotionsregulation, Alternativen zu ungünstigem Verhalten wie Sucht,
Vermeiden etc.
Die Einbindung des Systems des Patienten konnte
als therapeutisch effektiv nachgewiesen werden
(Sexton, Alexander & Mease, 2004). Familie und
Freundeskreis kommen bei der Behandlung von
Symptomen eine besondere Bedeutung zu, da ihre
Unterstützung den Patienten motivieren und stabilisieren kann. Eine Verbesserung familiärer Kommunikationsfertigkeiten unterstützt zudem die Bewältigungskompetenzen des Patienten. Anderseits kann
das System bei der Aufrechterhaltung von Symp­
tomen eine dysfunktionale Rolle einnehmen, was in
Therapiegesprächen aufgedeckt und in neuem Verhalten eingeübt werden kann. Die Therapiebeziehung
als Mediator beeinflusst das Therapieergebnis in
systemischen Therapien ebenso wirkungsvoll wie
in der Einzeltherapie. Auch Patienten- und Therapeutenmerkmale wie Symptomausgangslage etc.
stellen die gleichen Moderatoren dar wie für die
Einzeltherapie bereits nachgewiesen (Friedlander,
Escudero, Heatherington & Diamond, 2011; Sexton
et al., 2004).
Interpersonelle Perspektive:
Ungünstiges Beziehungsverhalten, ungünstige
aktuelle Beziehungen: Hier soll das Interaktionsverhalten des Patienten möglichst konkret
beschrieben werden. Wie gestaltet er seine Beziehungen? Wie verhält er sich? Erreicht er mit
diesem Verhalten seine Ziele? Insgesamt soll
hier überlegt werden, ob das Beziehungsverhalten des Patienten günstig ist oder sich durch die
Art der Beziehungsgestaltung neue Probleme
ergeben (aufrechterhaltende Faktoren).
– Wie sieht das Beziehungsnetz des Patienten
aus? Welche Beziehungen, welche Aspekte
von Beziehungen sind eine Ressource, welche sind problematisch?
– Mit welchen Interventionen kann ich das
Beziehungsverhalten des Patienten verbessern?
– Wie kann ich hilfreiche Beziehungen verstärken, nutzen, ungünstige verändern?
Mögliche Interventionen: Paargespräche, Bezugspersonen einladen, Interaktionsanalysen,
Rollenspiele, CBASP etc.
Perspektive der Entwicklungsanforderungen:
In welcher Lebenssituation befindet sich der
Patient? Welche „Aufgaben“ hat der Patient zu
Originalia
bewältigen? Was muss er lernen? Hier soll beschrieben werden, welche Anpassungsleistungen
vom Patienten gefordert werden und welche
Schritte bzw. Verhaltensweisen dazu notwendig
sind, z. B. Eigenständigkeit, Ablösung, Akzeptanz, Abgrenzung etc.
Eine Betrachtungsmöglichkeit ist die Einnahme
der Lebensentwicklungsperspektive, wobei angenommen wird, dass in Lebenszeiträumen
unterschiedliche Lebensthemen im Vordergrund
stehen, die Veränderungs- und Anpassungsleis­
tungen erfordern (z. B. Ausbildung eigener Identität, Beziehungsaufnahme in Adoleszenz, Etablierung in Beruf und Familienfrage im jungen
Erwachsenenalter, Umgang mit Einschränkungen
im Alter etc.). Veränderungs- und Anpassungsleistungen können aber auch unvorhersehbare
Ereignisse erfordern (z. B. Trennungen, Verluste,
Krankheit, Kündigung etc.).
Phasen der Veränderung mit Anpassungsanforderungen erhöhen die Instabilität und können
die Entstehung psychische Erkrankungen begünstigen.
Mit welchen Interventionen kann ich Anpassungsleistungen des Patienten unterstützen?
Mögliche Interventionen: z. B. Eigenständigkeit:
Unterstützung, wenn Patient eigene Schritte
unternimmt, ihn dazu auffordern, ermutigen.
Abgrenzung: Rollenspiele, Gruppe, Beziehungsgestaltung etc.
Die Interaktion körperlichen Leidens mit Wohlbefinden, psychischer Erkrankung und Therapieergebnis
erscheint im Bereich der Psychosomatik und der
somatoformen Störungen besonders deutlich (Martin
& Rief, 2011). Zusätzliche Einschränkungen erleben
zudem Patienten mit chronisch-somatischen Erkrankungen, wobei die Arbeitsgruppe um Rief den modulierenden Effekt von Psychotherapie nachweisen
konnte (Glombiewski, Hartwich-Tersek & Rief, 2010).
Patienten mit somatischen Erkrankungen können zudem psychische Beeinträchtigungen aufgrund organischer Ursachen aufweisen, z. B. Schilddrüsen- und
Koronarerkrankung oder Asthma (Altshuler et al.,
2001; Larisch et al., 2004; Smith & Gerdes, 2012).
Auch der Einfluss medikamentöser Behandlungen
auf das Wohlbefinden wird diskutiert, wie z. B.
Beta-Blocker (Bolling & Kohlenberg, 2004; Ko et
al., 2002).
Ferner ist zu beachten, die therapeutischen Interventionen an den psychischen Zustand der Patienten anzupassen, wie z. B. die Belastbarkeit bei
einer Schwangerschaft.
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Originalia
 Somatisch-biologische Perspektive:
Welche körperlichen Erkrankungen, Probleme
sind beim Patienten vorhanden? Welche genetischen Vorbelastungen gibt es? Welche Medikamente (auch zu körperlichen Leiden) nimmt
der Patient ein und wie wirken sich diese auf
sein Befinden aus? Gibt es Interaktionseffekte?
Welche Nebenwirkungen sind zu erwarten?
Können Abhängigkeiten (physisch und psychisch) entstehen? Hier werden alle körperlichen/biologischen Aspekte beschrieben, die
für den Patienten und dessen Behandlung von
Bedeutung sind und die die psychische Erkrankung mitbeeinflussen.
Mögliche Interventionen: Genaue diagnostische
Abklärung, Pharmakotherapie, Psychoedukation,
Interventionen zur Erhöhung der Compliance etc.
Eine Fallvignette
Die Nutzung der Fallkonzeption wird im Folgenden
anhand der Therapieplanung eines jungen Mannes
veranschaulicht, der sich aufgrund von depressiven
Symptomen in stationäre Behandlung begibt. Einige
persönliche Daten wurden zum Zweck der Anonymi­
sierung modifiziert.
Befunde: Problembereiche, Belastungen, Konflikte: Der Patient gibt an, unter depressiven Symp­
tomen, insbesondere Antriebslosigkeit, Grübeln und
Zukunftsängsten (Angst vor Jobverlust, Angst zu
vereinsamen) zu leiden. Er berichtet von Konflikten
am Arbeitsplatz, die er als „Mobbing“ erlebt. Ihm
werde vorgeworfen, dass er im Umgang mit Mitarbeitenden aufbrausend und impulsiv sei. Privat lebe
er isoliert, so dass er unter Einsamkeit leide und den
Wunsch nach einer Beziehung habe. Es besteht ein
Suchtmittelmissbrauch.
Persönlichkeitsstil/Schemata: Das Verhalten
und die motivationalen Ziele zur Erfüllung der
Grundbedürfnisse werden hier erfragt und mittels
Plananalyse hypothesengeleitet interpretiert.
Im Gespräch fallen z. B. auf, dass der Patient
nur zurückhaltend Auskunft über sich und seine
Probleme gibt und auf Nachfragen gereizt reagiert.
Er überprüft und hinterfragt Aussagen des Behandlungsteams genau und es fällt ihm schwer, Bedingungen zu akzeptieren (z. B. dass das Behandlungsteam sich über sein Verhalten und das Vorgehen
austauscht). Aus motivationaler Sicht dient dieses
Verhalten zunächst dem Bedürfnis nach Kontrolle
und könnte gleichzeitig in den Plänen begründet
sein, sich niemandem anzuvertrauen, um Blamage
und letztlich Zurückweisung zu vermeiden. Dadurch
410
vpp_02_2013_01.indb 410
A rmita Tschitsaz & Christoph Stucki
kann der Selbstwert und das Bindungsbedürfnis
geschützt werden. Weitere Verhaltensweisen zum
Selbstwertschutz könnten sein, dass der Patient dazu
neigt, anderen die Schuld zu geben, über „ungerechte“ Behandlung klagt und ein Krankheitsmodell
mit wenig Selbstverantwortlichkeit beschreibt („Ich
hoffe, auf die Wirkung der Medikamente“, „die
Ärzte müssen mir helfen“). Andere Verhaltensweisen zur Befriedigung und Schutz des Bindungsbedürfnisses könnten sein, dass der Patient im Kontakt
mit Mitpatienten bevorzugt den Clown spielt, andere zu beeindrucken versucht und sich gleichzeitig
um Mitpatienten kümmert, denen es nicht gut geht.
Die Strategie, sich „von der positiven Seite zu zeigen“, dient vermutlich dem Ziel, von anderen gemocht zu werden und sich Beziehung zu sichern.
Verhaltensweisen, die dem Bedürfnis nach Lust/
Vermeidung von Unlust dienen, könnten sein, dass
der Patient dazu neigt, Unangenehmes hinauszuschieben, wodurch er unangenehme, bedrohliche
und unkontrollierbare Situationen, aber auch Anstrengung (kurzfristig) vermeiden kann.
Behandlungsziele: Der Patient formuliert für
sich als Therapieziel, nicht mehr depressiv zu sein,
den Arbeitswiedereinstieg zu schaffen und einen
besseren Umgang mit Konflikten zu erlernen. Gleichzeitig fordert der Arbeitsgeber als Behandlungsziel,
den Patienten wieder „arbeitsfähig“ und belastbarer
zu machen. Die betagten Eltern des Patienten wünschen sich, dass ihr Sohn, der häufig bei ihnen ist,
mehr Eigenverantwortung übernehmen und sich mehr
Unterstützung suchen sollte.
In der Therapie werden dann als gemeinsame
Ziele definiert, einen günstigeren Umgang mit depressiven Symptomen zu finden sowie insbesondere Problemlöseverhalten und Emotionsregulation
zu verbessern, um Belastungen und Konflikte früher zu erkennen und adäquat darauf reagieren zu
können.
Ressourcenaktivierung und Beziehungsgestaltung: Der Patient benötigt erstmals psychiatrische Hilfe, hat sein Leben bisher trotz Belastungen
weitgehend selbständig gemeistert. Er ist belesen,
weiß viel, ist früher viel gereist, intelligent, genau
und differenziert. Ressourcenaktivierung könnte
beinhalten, die gesunden Phasen zu betonen, den
Patienten über seinen früheren, günstigeren Umgang
mit Problemen zu befragen und ihn generell viel
über seine Interessen und Erfahrungen berichten zu
lassen, um der depressiven Sichtweise eine realistischere entgegenzusetzen.
In der Beziehungsgestaltung sollte insbesondere
dem Wunsch nach Kontrolle und Autonomie bei
Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis
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Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung
Angst vor Blamage und Zurückweisung Rechnung
getragen werden. Die Selbstbestimmung sollte also
gestärkt werden, bedingungslose Akzeptanz, Rückhalt und Solidarität vermittelt werden. Eine spezifische motivorientierte Beziehungsgestaltung könnte
so aussehen, dass dem Patienten viel Mitbestimmung
über den Therapieprozess gegeben wird, dass er
seine Vorschläge jederzeit einbringen und das „Tempo“ vorgeben kann. Übernahme von Selbstverantwortung, Selbstöffnung oder Eingestehen von Schwächen sollten verstärkt werden. Dem Patienten sollte
vermittelt werden, dass der Therapeut hinter ihm
steht, auch wenn ungünstige Verhaltensweisen (z. B.
Impulsivität) nicht gut geheißen werden.
Störungsmodell und therapeutische Interventionen: Störungsmodell und therapeutische Interventionen werden aus der Patienten- und der Therapeutenperspektive erfragt.
Auffallend am Erklärungs- und Veränderungsmodell des Patienten ist, dass er wenig Eigenverantwortlichkeit und eigene Einflussmöglichkeiten
bezüglich Entstehung wie auch Veränderung der
Probleme wahrnimmt: „Ich werde am Arbeitsplatz
gemobbt. Die anderen haben etwas gegen mich. Die
Probleme am Arbeitsplatz haben mich depressiv
gemacht.“ Veränderung verspricht sich der Patient
durch die Einnahme der „richtigen“ Medikamente
und Verbesserung der Bedingungen am Arbeitsplatz.
Hilfreich für die Behandlung könnte entsprechend
sein, dass der Patient bereit sein wird, Medikamente
regelmäßig einzunehmen, andererseits bedarf es
einer Motivationsarbeit, um die Bereitschaft des
Patienten zu erhöhen, eigene Verhaltensweisen kritisch zu hinterfragen und zu verändern, z. B. im
Umgang mit Belastungen und Konflikten.
Im Entstehungs- und Veränderungsmodell des
Therapeuten stehen als auslösende Faktoren die
Dauerbelastung und damit Überforderung am Arbeitsplatz sowie akute Stressoren wie Konflikte mit
dem Vorgesetzten im Vordergrund. Gleichzeitig ist
von einer familiären Vorbelastung hinsichtlich depressiven Reagierens auszugehen. Interaktionelle
Schwierigkeiten (Impulsivität) scheinen für die
Probleme am Arbeitsplatz mit verantwortlich zu
sein.
Für die beschriebenen unterschiedlichen Entstehungs- und Veränderungsmodelle zwischen Patient
und Therapeut wäre es eine wichtige Intervention,
ein gemeinsames Erklärungs- und Veränderungsmodell zu entwickeln und entsprechend daraus spezifisch
die weiteren therapeutischen Interventio­nen in gemeinsamer Arbeit abzuleiten (z. B.: „Wenn mein
Umgang mit Frustration und Wut zu Konflikten führt,
Originalia
muss ich andere Möglichkeiten der Emotionsregulation erlernen“).
Als aufrechterhaltende Faktoren werden die
Eigendynamik der Störung, Motivation und Systemik, Copingstrategien, Entwicklungsanforderungen
und Somatik beschrieben.
Als Eigendynamik der Störung kann zunächst
der selbstverstärkende Mechanismus der Depressivität beschrieben werden. Depressives Erleben führt
zu Schwarz-Weiß-Denken, selektiver Wahrnehmung
und Bewertung von Person, Situation und Interkation sowie Übergeneralisierungen, was Selbstabwertung und Minderwertigkeitsgefühle fördert,
soziale Unsicherheit und damit sozialen Rückzug
verstärkt, die die Depressivität erhöhen. Selbstabwertung, Soziale Unsicherheit und sozialer Rückzug
können weiter den Umgang mit Konflikten erschweren und zum Rückzug anderer Menschen führen,
was als „Mobbing“ erlebt werden kann.
An therapeutischen Interventionen sind bewährte
Techniken der kognitiv-behavioralen Depressionsbehandlung (kognitive Umstrukturierung, positive
Verstärkung, Aktivierung) denkbar. Ergänzend aufgrund der interpersonellen Probleme auch Interventionen im Umgang mit Konflikten, sozialer Kompetenz und Emotionsregulation (vgl. auch unten).
Aus motivationaler Perspektive steht beim Patienten die ausgeprägte Angst vor Blamage, Schwäche und Gefühlen von Minderwertigkeit im Vordergrund, bei gleichzeitigem Wunsch nach Rückhalt,
Akzeptanz und Solidarität. Er meidet unvorhersehbare oder Blamage auslösende Situationen.
Als Interventionsmöglichkeit könnte einerseits
die therapeutische Beziehung genutzt werden, um
dem Patienten korrektive Erfahrungen im Hinblick
auf seine Annäherungs- und Vermeidungsziele zu
ermöglichen. Der Therapeut könnte spezifisch darauf
achten, dem Patienten Rückhalt zu geben, auch wenn
er vom Patienten gegebenenfalls herausgefordert
oder kritisiert wird. Er sollte darauf achten, den
Patienten zunächst nicht in blamable Situationen zu
bringen, Problemaktivierung gut zu dosieren und den
Patienten immer wieder dann zu verstärken, wenn
er sich öffnet, Eigenverantwortung übernimmt und
Verletzlichkeit zulässt und nicht mit Angriff oder
Selbstinszenierung überspielt. Andererseits könnten
mit dem Patienten Entstehungsbedingungen der Angst
vor Blamage erarbeitet und der Umgang damit besprochen werden.
Aus interpersoneller Perspektive (ungünstiges
Beziehungsverhalten, ungünstige aktuelle Beziehungen) fällt zunächst auf, dass der Patient situationsund personenübergreifend ungünstige interpersona45. Jg. (2), 399-417, 2013
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411
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Originalia
le Verhaltensweisen zeigt. Er wird am Arbeitsplatz
im Umgang mit Mitarbeitern als aufbrausend und
impulsiv erlebt, im Kontakt zum Behandlungsteam
als misstrauisch und rechthaberisch. Im Austausch
mit Mitpatienten fällt er als Spaßmacher auf, versucht
andere zu beeindrucken und sich positiv darzustellen.
All diesen Verhaltensweisen gemeinsam ist, dass er
damit wenig Sympathien erweckt, gegebenenfalls
andere zwar beeindruckt, aber vermutlich wenig nahe
Beziehung herstellt. Sein Beziehungsverhalten löst
eher Abwehr und Rückzug aus, so dass sich das
Gefühl, nicht gemocht und ausgegrenzt zu werden
(Mobbing), verstärkt.
Der Patient leidet unter Einsamkeit, verfügt über
wenig soziale Kontakte. Es sind wenige Kollegen
vorhanden, mit denen er sich in der Kneipe trifft.
Die Beziehung zu den Eltern ist konflikthaft. Die
(betagten) Eltern wünschen sich mehr Selbständigkeit des Sohnes und sind gleichzeitig in Sorge um
ihn und verwöhnen ihn gerne zu Hause.
Mögliche therapeutische Interventionen könnten
intendieren, dem Patienten mehr Bewusstsein für
sein eigenes (problematisches) Beziehungsverhalten
und dessen Wirkung auf andere zu vermitteln. Dies
könnte z. B. in konkreten interpersonalen Situationsanalysen, in Rollenspielen oder Videoanalysen
gewonnen werden. Gleichzeitig könnte der Patient
alternative Verhaltensweisen identifizieren und einüben. Ungünstige interpersonelle Beziehungsmuster
und unterschiedliche Beziehungserwartungen sind
häufig wirkungsvoll im Mehrpersonensetting anzugehen. Einerseits sinnvoll könnten entsprechend
gruppentherapeutische Interventionen sein, z. B.
soziales Kompetenztraining oder interpersonelle
Gruppentherapien der Depression wie z. B. CBASP
in der Gruppe (Cognitive Behavior Analysis System
of Psychotherapy), andererseits könnten Angehörigengespräche mit den Eltern oder dem Arbeitsgeber
des Patienten geplant werden.
Im Bereich der dysfunktionalen Bewältigungsstrategien (Coping) ist zunächst der übermäßige
Alkoholkonsum des Patienten zu benennen. Generell ist festzustellen, dass der Patient über wenige
günstige Strategien verfügt, unangenehme Gefühle
(insbesondere Ärger, Minderwertigkeitsgefühl und
Einsamkeitsgefühle) auszuhalten oder zu verändern.
Es fällt ihm schwer, Gefühle zu identifizieren, bei
Schwierigkeiten verharrt er lageorientiert, um dann
schließlich impulsiv zu reagieren. Es fällt ihm schwer,
Probleme anzusprechen und sich Unterstützung zu
suchen und anzunehmen.
Therapeutische Interventionen würden beinhalten, zunächst den Umgang des Patienten mit Proble-
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A rmita Tschitsaz & Christoph Stucki
men zu analysieren und dysfunktionale von funktionalen Strategien abzugrenzen. Sinnvoll könnte ein
Training emotionaler Kompetenzen sein. Es sollten
Alternativen zum Alkoholmissbrauch bei emotionaler
Labilität erarbeitet werden. Eine weitere Möglichkeit
wäre, das Hilfesuch- und Unterstützungsverhalten
des Patienten zu verbessern, z. B. anhand der Erfahrungen, die der Patient in der Therapie und mit dem
Therapeuten macht.
Als Entwicklungsanforderung für den Patienten
könnte beschrieben werden, seinen Selbstwert und
seine Lebenszufriedenheit nicht nur über die Arbeit
zu definieren und vom Erfolg im Beruf abhängig
zu machen. Es gilt, die Kompetenz zu entwickeln,
die ganz persönlichen Lebenswerte und Ideale zum
Maßstab zu nehmen, ohne sich von den Beurteilungen anderer abhängig zu machen.
Als therapeutische Interventionen könnte mit
dem Patienten in der Therapie seine persönliche
Werteskala exploriert werden, es könnten Erfolg
und Zufriedenheit ausdifferenziert werden und generell selbstwertstärkende, z. B. ressourcenaktivierende, Interventionen gefördert werden. Weiter
könnte die therapeutischen Beziehung genutzt werden, um nicht-leistungsbezogenes, nicht-konkurrierendes Verhalten zu verstärken, z. B. wenn der Patient sich empathisch oder selbstfürsorglich verhält.
In Bezug auf die somatischen bzw. biologischen
Aspekte der Behandlung sind zunächst die Wirkungen der Pharmakotherapie zu berücksichtigen.
Aufgrund von Einschlafproblemen wurde eine Behandlung mit Mirtazapin begonnen. Ungünstige
Auswirkungen könnten sich einerseits bezüglich
zusätzlicher Gewichtszunahme ergeben, da der
Patient bereits leichtes Übergewicht hat. Andererseits könnte durch Mirtazapin die zentral-dämpfende Wirkung von Alkohol verstärkt werden bei gleichzeitigem Alkoholkonsum. Ansonsten zeigt sich der
Patient in der somatischen Untersuchung gesund,
wenn auch mit seinem Gewicht nicht zufrieden; er
möchte mehr Sport treiben.
Zu den somatisch biologischen Aspekten würde
ebenfalls die Hypothese einer genetischen Vorbelastung für depressive Erkrankungen gehören, die
beim Patienten anzunehmen ist, da depressive Störungen in dessen Familie gehäuft auftreten.
Wichtige therapeutische Interventionen wären
die Aufklärung des Patienten bezüglich Wirkung
und Nebenwirkungen der Pharmakotherapie, im
Fallbeispiel sollten insbesondere die Auswirkungen
von Mirtazipin auf Appetit und Gewichtszunahme
einerseits, andererseits die verstärkende Wirkung
bei Alkoholkonsum thematisiert werden. Generell
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Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung
könnte der Patient für ein Bewegungs- und Sportprogramm gewonnen werden.
Fazit
Auf Basis der Patientenangaben über Lebensgeschichte und Entstehungsbedingungen der Symptome
wird ein Störungs- und Erklärungsmodell aufgestellt,
das eine Vielfalt von Informationen über die Person
aufgrund unterschiedlicher Perspektiven integriert.
Die Verankerung therapeutischer Interventionen mit
der empirischen Befundlage zu ihrer Wirksamkeit
spielt dabei eine besondere Rolle. Die Notwendigkeit
einer individualisierten Therapieplanung unter Berücksichtigung der Patientensicht wurde bereits durch
die Arbeitseinheit um Grawe (Itten et al., 2004)
vorgeschlagen. Empirisch gestützt wurde der Ansatz
der differentiellen Therapieplanung von Grawe, Caspar und Ambühl (1990) in einer großen Vergleichsstudie, in der die Überlegenheit eines patientenorien­
tierten Psychotherapieansatzes mit einer motivorientierten Beziehungsgestaltung aufgezeigt wurde.
In einem experimentellen Versuchsplan konnten
Grosse Holtforth, Grawe, Fries und Znoj (2008)
aufzeigen, dass bei höherem Inkonsistenzerleben der
Patienten die Allgemeine Psychotherapie, die zusätzlich motivationale Klärung beinhaltet, einer störungsspezifischen Therapie überlegen ist. Gleichzeitig
fanden sich jedoch keine Unterschiede hinsichtlich
wahrgenommener Güte der Therapiebeziehung durch
Patienten und Therapeuten, Einsatz bewältigungs­
orientierter Techniken und Therapieerfolg (Symp­
tombelastung, Wohlbefinden, interpersonale Proble­
me) in den beiden Bedingungen.
Ziel war es, eine Therapieplanung zu erstellen,
die integrativ, schulen- und störungsunabhängig
anwendbar ist. Die vorgeschlagene Fallkonzeption
schließt die Patienten- und die Therapeutenperspektive ein und es werden empirisch gesicherte und für
den praktischen Alltag einsetzbare Therapiemethoden und allgemeine Wirkfaktoren angewandt. Die
Fallkonzeption wird den Kriterien der differentiellen
Indikation sowie einer individualisierten Therapieplanung gerecht. Im alltäglichen stationären und
ambulanten Psychotherapiesetting fehlen die zeitlichen und personellen Ressourcen für eine sehr
ausführliche Therapieplanung, so dass die vorgeschlagene kürzere Variante für den erfahrenen Therapeuten eine Alternative bietet. Praktische Erfahrungen mit der Therapieplanung gemäß vorgeschlagener Fallkonzeption wurden bisher in zwei psychiatrischen Kliniken im Raum Zürich gemacht,
wobei sie als konzeptuelles Rahmenmodell einer
Originalia
interdisziplinären integrativ-psychiatrischen Behandlung dient (Tschitsaz & Poppe, 2012). Eine
Anwendung der Fallkonzeption mit Modifikation
für das Burnout-Syndrom wird derzeit realisiert
(Ballweg, Seeher, Tschitsaz, Bridler & Cattapan, in
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Wirkfaktorengestützte Fallkonzeption und Therapieplanung
Zu den AutorInnen
Dr. Armita Tschitsaz war bis 2005 Forschungsassis­
tentin am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und
Psychotherapie der Universität Bern und hat derzeit
die Fachstelle Psychotherapie am Sanatorium Kilchberg inne. Zusätzlich ist sie als Supervisorin und
Dozentin tätig. Ihre Schwerpunkte sind Psychotherapie für Depressionen und CBASP, Persönlichkeitsstörungen, Therapie und Prävention von Burnout, Therapieplanung und Psychotherapieverlaufsforschung.
Dr. Christoph Stucki war bis 2005 Assistent am
Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Bern und von 2005 bis 2011
Leitender Psychologe der Klinik am Zürichberg in
Zürich. Derzeit arbeitet er als Leitender Psychologe
Originalia
der Poliklinik für Psychiatrie der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern. Zusätzlich ist er als Supervisor und Dozent tätig. Seine Schwerpunkte sind
therapeutische Beziehungsgestaltung, Therapieplanung, Psychotherapie für Depressionen, CBASP und
Persönlichkeitsstörungen.
Korrespondenzadresse
Dr. phil. Dipl.-Psych. Armita Tschitsaz
Fachstelle Psychotherapie
Sanatorium Kilchberg
Alte Landstr. 70
8802 Kilchberg
Schweiz
E-Mail: [email protected]
45. Jg. (2), 399-417, 2013
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