Therapie des Mammakarzinoms mit Augenmaß - CME

Werbung
34
MAMMAKARZINOM
Therapie des Mammakarzinoms
mit Augenmaß
Scharl A.1, Salterberg A.2
1Frauenklinik,
2Abteilung
Klinikum St. Marien Amberg
für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Sana Kliniken des Landkreises Cham
Brustkrebs ist das häufigste Karzinom der Frau. In den letzten Jahrzehnten wurde die Heilungswahrscheinlichkeit erheblich verbessert.
Auch in Deutschland nahm die
Sterblichkeit seit Jahrzehnten deutlich ab. Für den 5-Jahreszeitraum
von 2007 bis 2012 wird ein Rückgang der Mortalität um etwas mehr
als 9 Prozent erwartet, was dem
Trend in der EU insgesamt entspricht[1].
Diese Erfolgsgeschichte ist ganz wesentlich den adjuvanten Therapien
zu verdanken. Heutzutage werden
bei fast allen Patientinnen mit invasivem Karzinom mehrere begleitende
Behandlungen empfohlen.
Ein großes Problem ist aber die oft
mangelnde Therapietreue (Compliance), v.a. im Bereich der jahrelangen endokrinen Therapien. Nur eine
Behandlung, die auch durchgeführt
wird, kann wirken. Nach der Akutphase der Behandlung mit Operation, Chemotherapie und Bestrahlung lässt die Aufmerksamkeit in Bezug auf die Aufrechterhaltung einer
notwendigen Dauertherapie individuell, strukturell und institutionell
stark nach. Um die jahrelange endokrine Behandlung zuverlässig durchzuführen, muss die Patientin den
möglichen Nutzen im Vergleich zum
möglichen Risiko klar kennen und als
ihre eigene, persönliche Entscheidung mittragen.
Auf der anderen Seite gelingt es unzureichend, Patientinnen zu identifizieren, die eine so gute Prognose haben, dass auf mache begleitende
Therapie verzichtet und die Behandlung deeskaliert werden kann. Bei
02/2016
der operativen Behandlung ist dies
vorbildhaft gelungen: Weniger Operation von Brust und Axilla bei
gleichbleibender onkologischen Sicherheit [2]. Heute ist es wichtig, zu
prüfen, wo adjuvante systemische
und radioonkologische Therapien
sinnvoll reduziert werden können,
ohne die Heilung zu kompromittieren. Aber auch eine sinnvolle Auswahl der Diagnostik ist zu empfehlen, unnötige diagnostische Maßnahmen können schaden.
Der vorliegende Beitrag zeigt anhand von Beispielen, wieweit aktuelle Studienergebnisse bereits heute
eine Verminderung der Diagnostik
und der Therapieintensität und -belastung erlauben und worauf geachtet werden muss, damit die Therapieerfolge nicht durch mangelnde
Compliance gefährdet werden..
Therapiecompliance
Eine Therapie wirkt nur, wenn sie
auch durchgeführt wird. Die Therapie-Compliance ist aber erfahrungsgemäß umso geringer, je länger eine
Therapie dauert und je weniger eng
der Kontakt zum Behandler ist. Die
endokrine Therapie erfolgt über viele Jahre und der Kontakt zum Arzt
findet nur wenige Male im Jahr statt.
Sie ist daher besonders anfällig für
mangelnde Therapietreue.
Eine 5-jährige endokrine Therapie
verbessert bei Patientinnen mit rezeptorpositivem Mammakarzinom
die 15-Jahres-Überlebensraten um
ein Drittel [3]. Aber nur etwa die
Hälfte der Frauen mit Brustkrebs
führen diese Behandlung über die
empfohlenen fünf Jahre durch [4].
Dieser Mangel an Compliance ist mit
einem signifikant erhöhten Sterberisiko verbunden. Bei weniger als
60 % Therapietreue ist das Mortalitätsrisiko fast vierfach höher als bei
guter Therapieadhärenz [4].
Nebenwirkungen sind eine häufige
Ursache für die Therapiebeendigung. Muskel- und Gelenkschmerzen und Wechseljahrsbeschwerden
sind eine typische Folge der endokrinen Therapie, aber auch typische
Beschwerden des Älterwerdens.
Wegen des Kausalitätsbedürfnisses
werden neu auftretende Beschwerden oft als Folge der Therapie angesehen, auch wenn sie damit in keinem ursächlichen Zusammenhang
stehen. Patientinnen beenden die
endokrine Therapie umso eher
vorzeitig, je häufiger für eine endokrine Therapie typische (Wechseljahrs)Beschwerden (Schlafstörungen, Fatigue, Stimmungsschwankungen, Ängstlichkeit, Konzentrationsstörungen) sie bereits vor Therapiebeginn hatten [5].
Die Patientin muss auch wissen, dass
ihr zahlreiche effektive Möglichkeiten zur Verfügung stehen, hormonbedingte Beschwerden durch Medikamente aber auch durch LifestyleMaßnahmen wie Sport, Mind-BodyMedizin, Gewichtsreduktion oder
Akupunktur zu verbessern. Beispielsweise können strukturierte
körperliche
Aktivitätsprogramme
die durch Aromatasehemmer ausgelöste Arthralgie wirksam vermindern
[8].
Unglücklicherweise wird den Beschwerden, die durch eine Hormon-
MAMMAKARZINOM
therapie ausgelöst werden, in der
Arzt-Patienten-Kommunikation zu
wenig Raum gegeben. Patientinnen
empfinden viel häufiger und viel
stärkere Nebenwirkungen als von
den Ärzten wahrgenommen werden
[9]. Somit werden sie in der Arzt-Patent-Interaktion unzureichend thematisiert und behandelt.
In Studien zur endokrinen Therapie
ist die Compliance deutlich besser
als im Alltag. Aufklärung, Motivation, Überzeugung und enge Betreuung machen evtl. den Unterschied
aus. Es ist entscheidend, die Patientinnen von der Notwendigkeit der
Therapie zu überzeugen, durch
sorgfältige Anamnese das Bewusstsein für Nebenwirkungen und für
therapieunabhängig
auftretende
Beschwerden zu schärfen und diese
adäquat zu behandeln. Gelingt es,
durch diese Maßnahmen die Therapietreue zu erhöhen, rettet dies
möglicherweise mehr Leben als eine
zusätzliche Chemotherapie.
Bereits bei der Indikationsstellung zu
adjuvanten Therapien müssen mögliche Compliance-Probleme bedacht
werden. Es kann sinnvoller sein, ein
eingeschränktes Spektrum an Therapiemodalitäten mit optimaler
Compliance durchzuführen, als viele
Maßnahmen halbherzig. Vor diesem
Hintergrund sollten die Daten aus
der SOFT- und der TEXT-Studie kritisch betrachtet werden [10,11].
Diese randomisierten Phase 3-Studien untersuchten bei über 7300 prämenopausalen Patientinnen eine 5jährige endokrine Therapie durch Tamoxifen allein oder durch die Kombination von Tamoxifen bzw. Exemestan mit einer Ovarialsuppression
(OFS). Sie zeigten Vorteile für die OFS
bei Patientinnen, die ein so hohes Risiko hatten, dass eine Chemotherapie indiziert war und deren Ovarialfunktion sich nach der Chemotherapie wieder erholt hatte. Dabei war in
Kombination mit OFS der Aromatasehemmer Exemestan dem Tamoxifen überlegen. Die Vorteile lagen in
einem besseren rezidiv- und brustkrebsfreien Überleben. Die Unterschiede waren besonders groß bei
Frauen unter 35 Jahren. Das brustkrebsfreie Überleben nach 5 Jahren
lag in diesem Kollektiv bei 67,7 %
für Tamoxifen allein, 78,9 % bei Tamoxifen plus OFS und 83,4 % für
Exemestan plus OFS. Allerdings war
die Fallzahl von 233 in diese Analyse
eingeschlossenen Patientinnen zu
klein für eine valide statistische Aussage. Signifikante Unterschiede im
Gesamtüberleben konnten in der
Beobachtungszeit von median 67
Monaten allerdings nicht nachgewiesen werden.
Die Kombinationstherapie hatte
aber erheblich mehr Nebenwirkungen als die Monotherapie mit dem
Antiöstrogen [10, 11]. Die höhere
Nebenwirkungsrate bei OFS birgt die
Gefahr verminderter Compliance.
Während bei der Kombination von
OFS und Tamoxifen auch bei Weglassen eines Therapiepartners noch
eine wirksame Behandlung vorliegt,
beendet das Weglassen von OFS
auch die onkologische Wirksamkeit
von Exemestan. Die durch den Aromatasehemmer ausgelöste Aktivierung der Ovarialfunktion könnte potentiell sogar schädigenden Einfluss
haben. Daher sollte der nach der bisherigen Analyse auf das brustkrebsfreie Überleben bei chemotherapierten Frauen beschränkte Vorteil von
OFS gegenüber der höheren Nebenwirkungsrate und dem Risiko einer
verminderten Therapietreue abgewogen werden. Es kann sinnvoller
sein, ein eingeschränktes Spektrum
an Therapiemodalitäten mit optimaler Compliance durchzuführen, als
mehrere Maßnahmen halbherzig.
Eine Kombinationstherapie aus OFS
und Tamoxifen, v.a. aber Exemestan
sollte daher nur begonnen werden,
wenn eine sehr gute und langfristige
Betreuung und eine hohe Zuverlässigkeit der Patientin absolut gewährleistet ist.
Berücksichtigt werden muss auch,
dass die Ergebnisse der SOFT/TEXT-
Studien denen der ABCSG12-Studie
widersprechen. Diese hatte prämenopausale Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom und weniger als zehn befallenen Lymphknoten für drei Jahre mit
einer Kombination aus OFS und dem
AI Anastrazol oder OFS und Tamoxifen behandelt. Nach im Median 94,4
Monaten Beobachtungszeit konnte
sie keinen Vorteil von Anastrazol gegenüber Tamoxifen beim krankheitsfreien Überleben aufzeigen; im
Gegenteil, die Anastrazol-Gruppe
hatte ein signifikant höheres Sterberisiko [12]. Die Ursache für diese Diskrepanz der Ergebnisse zwischen
den Studien ist unklar. Die endokrine
Therapie dauerte in der ACSG-12Studie zwar nur drei Jahre anstatt
fünf Jahre bei SOFT und TEXT. Trotz
der kürzeren Therapiedauer und des
relativ hohen Risikopotentials - etwa
ein Drittel der Patientinnen war nodal positiv mit bis zu neun befallenen
Lymphknoten und nur 5,8 % hatten
eine Chemotherapie erhalten - war
das DFS nach 5 Jahren mit 94 % in
dieser Studie aber ebenso wie in der
TEXT/SOFT sehr hoch [10, 11, 12].
Ein Unterschied in der Wirksamkeit
der verwendeten Aromatasehemmer kommt als Ursache für die unterschiedlichen Ergebnisse nicht in
Frage.
Überdiagnostik
Als Diagnostiker und Therapeut unterliegt man leicht dem Trugschluss,
dass der Nachweis eines Karzinoms
in jedem Fall günstig für die Patientin
sei, da eine frühe Diagnose die Heilungschance erhöht. Nicht zuletzt
unterliegen Patientinnen diesem
Glauben. Seit Einführung des Mammographiescreenings wird die Problematik der Überdiagnosen thematisiert, also des Nachweises und der
Behandlung von Karzinomen, die in
der Lebenszeit der Frau nicht klinisch
manifest geworden wäre [13]. Überdiagosen mit der Folge einer Übertherapie können aber auch vorliegen, wenn ein Karzinom besteht,
welches unbehandelt zum Tode füh-
02/2016
35
36
MAMMAKARZINOM
ren würde. Zu viel Diagnostik kann
auch hier schaden.
Die Studien, welche zeigten, dass die
BET onkologisch sicher ist mit einer
gleich guten Heilungsrate wie nach
Mastektomie wurden vor 30 Jahren
durchgeführt, als die Kernspintomographie der Brust noch keine Rolle
spielte [2]. Heute wissen wir, dass
durch die früher schlechtere Diagnostik nicht selten weitere kleine
Tumoren in der Brust übersehen und
demzufolge nicht entfernt wurden –
ohne nachteiligen Effekt auf die Rezidiv- und Heilungsrate. Durch MRT
werden multifokale oder multizentrische Herde nachgewiesen, welche
ohne diese Technik nicht auffallen
würden. Profitieren die Patientinnen
davon?
Zwei Metaanalysen belegen, dass
ein routinemäßig durchgeführtes,
präoperatives MRT die Häufigkeit
von Lokalrezidiven und Fernmetastasen nicht vermindert, aber zu
deutlich mehr Mastektomien führt.
Eine Metaanalyse umfasste neun
Studien (zwei randomisierte, sieben
Kohortenstudien) mit 3112 Patientinnen, bei denen die operative Therapie mit und ohne routinemäßigem
präoperativem MRT verglichen wurde. In der Gruppe der Patientinnen
mit MRT-Diagnostik war die Rate der
initialen Mastektomie doppelt so
hoch wie ohne MRT (16,4 % versus
8,1 %), ohne dass die Häufigkeit
von Nachresektionen vermindert
wurde (11,6 % versus 11,4 %).
Auch die Rate der Konversionen von
Brusterhaltung zur Mastektomie
war gleich. Unter dem Strich wurden
in der Gruppe der Frauen mit MRT
fast 50 % mehr Mastektomien
durchgeführt als ohne MRT (25,5 %
versus 18,2 %). Bei lobulären Karzinomen brachte die MRT keinen klaren klinischen Vorteil; sie reduzierte
zwar die Reexzisionsrate gering, allerdings auf Kosten häufigerer Mastektomien [14]. Die zweite Metanalyse von vier Studien mit 3169 Patientinnen zeigte nach acht Jahren Beo-
02/2016
bachtungszeit, dass durch das präoperative MRT weder die Häufigkeit
von Lokalrezidiven noch von Fernmetastasen verringert worden war
[15]. Deshalb sollte ein MRT nicht
routinemäßig, sondern nur dann
durchgeführt werden, wenn eine
spezifische Fragestellung abzuklären ist.
Die routinemäßige Suche nach Metastasen bei der Primärdiagnose und
in der Nachsorge des Mammakarzinoms bei symptomlosen Patientinnen ist schädlich. In den Stadien 1
und 2 ist die Prävalenz von Metastasen gering (0,2 % bzw. 1,2 %) und
deutlich niedriger als die Rate falsch
positiver Befunde in der modernen
Bildgebung [16, 17]. Je seltener Metastasen auftreten, desto höher ist
der Anteil an Patientinnen, die durch
zweifelhafte oder falsch positive Befunde zusätzliche Morbidität durch
Angst, unnötige Strahlenbelastung,
weitere (invasive) Abklärungsdiagnostik und Übertherapie erleiden.
Wie die AGO, so empfiehlt auch die
American Society of Clinical Oncology (ASCO) daher dringend, auf Metastasensuche durch PET, CT und
Knochenszintigraphie bei symptomlosen Patientinnen mit Mammakarzinom im Stadium 1 und 2 zu verzichten [6,18]. Sinnvoll ist das MStaging bei symptomlosen Patientinnen vor einer (neo)adjuvanten
Chemotherapie, da die aggressiven
(neo)adjuvanten Polychemotherapieschemata bei metastasierten Patientinnen nicht indiziert sind [2].
Auch die regelmäßige Metastasensuche durch Bildgebung oder Tumormarker bei symptomlosen Frauen in der Nachsorge ist schädlich. Die
frühe Diagnose von Metastasen verkürzt die Phase der „Gesundheit“,
führt aber nicht zu einem längeren
Überleben. Hinzu kommt die Belastung durch zweifelhafte oder falsch
positive Befunde [19, 20, 21]. Wichtig bei der Primärdiagnose und in der
Nachsorge ist aber die Abklärung
von Symptomen, die potentiell
durch Metastasen verursacht sein
könnten.
Radikalität der Operation
Bei der operativen Therapie des invasiven Karzinoms ist ein tumorfreier
Resektionsrand („no tumor on ink“)
ausreichend, von der S3 Leitlinie
wird 1 mm gefordert [6,7,21]. Die
klinische Praxis zeigt aber, dass vielfach noch weite Exzisionen mit plastischer Rekonstruktion oder gar
Mastektomien der befallenen Brust
durchgeführt, auch wenn eine BET
möglich wäre. In den USA erhalten
mittlerweile mehr Patientinnen eine
Mastektomie als eine BET [22]. Erfreulicherweise ist eine derartige
Tendenz in Europa gegenwärtig
nicht zu sehen [23]. Zunehmend
werden in den USA auch zusätzliche
prophylaktische Mastektomien der
Gegenseite bei Frauen mit unilateralem Mammakarzinom und ohne
BRCA-Mutation vorgenommen. Bei
jungen Frauen unter 40 Jahren ohne
genetisches Brustkrebsrisiko erfolgen in Kalifornien heutzutage mehr
als doppelt so viele uni- oder bilaterale Mastektomien wie brusterhaltende Operationen [22]. Bietet die
aggressive operative Therapie einen
onkologischen Vorteil?
Auf dem San Antonio Breast Cancer
Symposium im Dezember 2015 wurden ganz aktuelle Daten aus dem
niederländischen Krebsregister vorgestellt. Zwischen den Jahren 20012004 wurden über 37000 Frauen
mit pT1/2 pN0/1 Karzinomen operiert (Mastektomie 15473, brusterhaltende Operation 21734). Nach
einem medianen follow-up von 11,3
Jahren war auch nach statistischer
Korrektur für Verzerrungs- (Confounding) Effekte die Überlebensrate nach brusterhaltender Operation
signifikant besser als nach Mastektomie (hazard ratio 0,01, Konfidenzintervall 0,78–0,85, p < 0,001). Auch
die Rezidivrate innerhalb von 10 Jahren war bei brusterhaltender Operation nicht schlechter, bei T1N0 Tumoren sogar signifikant besser als
nach Mastektomie [24]. Diese Analyse deckt sich mit andern Untersuchungen z.B. aus dem Kaliforni-
MAMMAKARZINOM
schen Krebsregister [22], die ebenfalls zeigten, dass die 10-Jahres-Gesamtmortalität nach BET signifikant
besser ist als bei Mastektomie. Nun
können Beobachtungsstudien aus
Krebsregistern keinen Beweis für die
Überlegenheit der BET über die
Mastektomie liefern, dazu ist das Risiko für unkontrollierten Bias zu
groß. Aber zumindest bieten diese
Ergebnisse eine Versicherung, dass
die Ergebnisse der randomisierten
Studien, welche BET und Mastektomie verglichen [2] auch in der Realität der breiten Versorgung zutreffen
und die brusterhaltende Operation
bei richtiger Indikationsstellung der
Mastektomie nicht unterlegen ist.
Frauen mit einem Mammakarzinom
haben ein signifikant höheres Risiko
an einem Krebs der kontralateralen
Brust zu erkranken als Frauen ohne
Brustkrebsanamnese. Warum ist es
dann nicht sinnvoll, bei der Behandlung des Karzinoms der einen Brust
vorbeugend gleich die andere Brust
zu entfernen? Das Risiko eines kontralateralen Brustkrebses ist in den
letzten Jahrzehnten stetig gesunken
[25]. Außerdem bezeugen zahlreiche Untersuchungen, dass die bilaterale Mastektomie, also die prophylaktische Entfernung der gesunden
Brust zusammen mit der erkrankten
bei Frauen ohne genetisches Risiko
(z.B. BRCA-Mutation) keinen Überlebensvorteil bietet. Die 10-JahresÜberlebensrate ist die gleiche wie
bei BET nur auf der betroffenen Seite
[22].
Bietet dann wenigstens die großzügige Entfernung des Tumors weit im
Gesunden größere onkologische Sicherheit, zumindest bei den aggressiven Tumoren? Pilewskie und Mitarbeitern [26] konnten nachweisen,
dass sogar bei den prognostisch ungünstigsten, den triple-negativen
Tumoren eine großzügigere Resektion als „knapp im Gesunden“ zu
keiner niedrigeren Lokalrezidivrate
führt. Die hohe Lokalrezidivrate dieses aggressiven Tumors beruht auf
der aggressiven Tumorbiologie, die
auch durch eine ausgedehntere
Operation nicht überwunden werden kann. Tumorbefallene Resektionsränder allerdings verdoppeln das
lokale Rezidivrisiko im Vergleich zu
einer R0-Resektion. Dieses erhöhte
Risiko wird auch durch eine günstige Tumorbiologie, Strahlentherapie
oder systemische Therapie nicht aufgehoben [27]. Eine Empfehlung
amerikanischer Fachgesellschaften
stellte daher kürzlich fest, dass eine
Resektion im Gesunden erfolgen
muss, dass aber auch eine ungünstige Tumorbiologie keine großzügigere
Resektion rechtfertigt, da weite Resektionsränder das Lokalrezidivrisiko
– unabhängig von der Biologie des Tumors, vom Alter der Patientin, lobulärem Karzinom oder ausgedehnten
intraduktalen Tumoranteilen – nicht
signifikant vermindern [27]. Diese
Empfehlung entspricht den Deutschen Leitlinien [6, 20]; ihre Einhaltung kann die Zahl von Reoperationen vermindern, die Morbidität senken, das kosmetische Ergebnis verbessern und die Kosten reduzieren.
Mehrere aktuelle Studien zeigen,
dass die Angst vor Rezidiven oder
kontralaterale Karzinome die Hauptmotive für die Patientin sind, eine
(bilaterale) Mastektomie zu wählen,
auch wenn eine BET möglich wäre;
sie glauben, dass die radikalere Operation einen Überlebensvorteil bieten würde. Ein weiterer Faktor für
diese Entscheidung ist die Verfügbarkeit einer rekonstruktiven Chirurgie [28, 29]. Ob eine intensivere Aufklärung über die tatsächlichen Risiken das ändern kann, ist unklar. Sicher ist aber, dass die Patentinnen
mit der Mastektomie mit Rekonstruktion nicht nur höhere Kosten
verursachen, sondern auch höhere
persönliche Risiken eingehen. Eine
ebenfalls auf dem San Antonio
Breast Cancer Symposium im Dezember 2015 vorgestellte Studie untersuchte nicht nur die finanziellen
Kosten, sondern auch die Komplikationshäufigkeit unterschiedlicher lo-
kaler Therapieoptionen bei Brustkrebs [30]. Die Mastektomie mit Rekonstruktion verursachte nicht nur
die höchsten Kosten, sondern auch
doppelt so häufig Komplikationen
wie die BEO mit Ganzbrustbestrahlung. Signifikant komplikationsärmer als letztere war nur die Mastektomie ohne Rekonstruktion bei Frauen unter 65 Jahre und die BEO ohne
Bestrahlung bei Patientinnen über
65 Jahren.
Vermeidung von
Übertherapie durch adjuvante
Chemotherapie?
Auch die systemische adjuvante
Chemotherapie senkt nach den Daten der EBCTCG- Metaanalyse randomisierter Studien die Mortalität des
Mammakarzinoms um ein Drittel,
unabhängig von anderen Variablen
wie Alter, TN-Status oder Hormonrezeptorexpression [31]. Ohne Chemotherapie lag die 10-Jahres-Mortalität bei knapp 36 %, mit Anthrazyklin- und Taxanhaltiger Polychemotherapie bei 21 %. Das bedeutet,
dass bei 21 % der Patientinnen eine
Untertherapie vorgenommen wurde, da sie trotz der Chemotherapie
verstorben sind. Für dieses Kollektiv
sind innovative Therapieansätze
dringend erforderlich.
In den chemotherapiefreien Armen
der randomisierten Studien betrug
die 10-Jahres-Überlebensrate 64%
[31]. Daraus lässt sich schließen, dass
knapp zwei Drittel der in den Studien
mit Chemotherapie behandelten
Frauen auch ohne diese überlebt
hätten. Um unnötige Behandlungsmorbidität zu reduzieren, müssten
diese Patientinnen durch möglichst
exakte Bestimmung des Risikos identifiziert werden. Therapieerfolge aus
Studien beziehen sich immer auf ein
Kollektiv und zeigen relative Verbesserungen. Für eine individuelle Patientin ist aber die absolute Verbesserung entscheidend. Diese hängt
vom individuellen Risiko ab. Niedriges absolutes Risiko bedeutet niedrigen absoluten Gewinn durch eine
02/2016
37
38
MAMMAKARZINOM
Therapie. Leider haben wir bis heute
nur begrenzte Möglichkeiten diejenigen Patientinnen zu identifizieren,
die eine Chemotherapie benötigen
und bei denen sie auch wirkt. Aus
der Kombination aus Mortalitätsrisiko der individuellen Patientin und
dem aus Studien ermittelten relativen Vorteil durch die Chemotherapie
wird die Nutzen-Schaden-Relation
kalkuliert. Hierzu dienen prognostische und prädiktive Faktoren wie Östrogen- und HER2/neu-Status, TNStatus, Proliferationsrate und in Einzelfällen auch Genexpressionsanalysen, die die Biologie des Tumors, d.h.
seinen natürlichen Verlauf (Prognose) bzw. seine Ansprechwahrscheinlichkeit auf eine Therapie (Prädiktion) reflektieren.
Es geht aber nicht nur um die Entscheidung, ob eine Chemotherapie
indiziert ist, sondern auch um die
Auswahl des Regimes. Wegen der
besten Wirksamkeit wird meist eine Kombination aus Anthrazyklinen
und Taxanen eingesetzt. Mit zunehmend geringerem Risiko wird für die
einzelne Patientin der Vorteil dieser
Kombination geringer gegenüber
einer Therapie, welche auf eine der
beiden Substanzen verzichtet. Um
die Bilanz zwischen Vor- und Nachteilen zu verbessern, müssten daher
diejenigen Patientinnen identifiziert
werden, deren Prognose bereits so
günstig ist, dass auf die Kombination
verzichtet werden kann, ohne die
Heilungswahrscheinlichkeit zu kompromittieren. Bei HER2-positiven Tumoren wurde dies untersucht. In einer Studie mit 406 Patientinnen mit
nodal negativem, HER-2/neu-positivem Tumor unter 3 cm Durchmesser
waren nach einer Monochemotherapie mit 12 wöchentlichen Zyklen
Paclitaxel plus Trastuzumab für ein
Jahr nach drei Jahren 99 % der Patientinnen rezidivfrei. Unter den 12
Rezidiven fanden sich nur in zwei
Fällen Fernmetastasen [32]. Eine Deeskalation der Polychemotherapie
scheint in ausgewählten Kollektiven
also durchaus möglich.
02/2016
Mortalilitätsreduktion und
Rezidivverminderung
Ziel der Therapie des frühen Mammakarzinoms ist die Heilung. Die
Wirksamkeit einer Therapie bemisst
sich in erster Linie an der Reduktion
der Mortalität. Ein zweites Therapieziel ist die Verminderung der locoregionären oder distanten Rezidivrate.
Während Fernmetastasen bei Frauen mit längerer Lebenserwartung
wegen der Inkurabilität auf die Mortalität durchschlägt, ist ein Lokalrezidiv zunächst ein kurables Ereignis. Es
verursacht physische und psychische
Morbidität, begrenzt aber nicht notwendigerweise die Lebenszeit. Reduktion von Mortalität und Rezidivrate sind daher in ihrer therapeutischen Wertigkeit streng zu trennen.
Dies gilt besonders für ältere Patientinnen mit limitierter natürlicher Lebenserwartung. Bei der Indikationsstellung und in der Patientenkommunikation muss klar gemacht werden, ob eine Intervention die Mortalität senkt oder „nur“ das Rezidivrisiko ohne Auswirkungen auf das
Überleben zu haben.
Besonders relevant ist diese Unterscheidung bei der Radiatio der Brust
nach brusterhaltender Operation
(BEO) eines DCIS. DCIS ist eine
Krebsvorstufe, die nur zu einem Teil
jemals in ein invasives Karzinom
übergehen wird. Wie hoch dieser
Anteil ist, ist unbekannt, ebenso wenig können wir im individuellen Fall
voraussagen, ob eine derartige Progression erfolgen wird [33]. Allen
diesen Frauen wird die operative
Entfernung der Läsion im Gesunden
empfohlen und nach BEO auch die
Radiotherapie. Denn diese reduziert
das 10 Jahres-Risiko für ein ipsilaterales lokales Rezidiv um mehr als die
Hälfte [34]. Diese relative Riskoreduktion gilt auch für kleine Läsionen
und tumorfreie Resektionsränder.
Sie ist unabhängig vom Alter und der
Durchführung einer endokrinen
Therapie. Der absolute Gewinn für
die Patientinnen hängt allerdings
vom individuellen Rezidivrisiko ab.
Die Radiotherapie hatte keinen Ein-
fluss auf die Mortalität. Die Überlebensraten bei DCIS sind exzellent
und gleichen nahezu denen eines
Normalkollektivs ohne Brusterkrankung [35].
Im Mammographiescreening liegt
der Anteil von DCIS an allen Mammakarzinomfällen mittlerweile bei
20% [12]. Jede fünfte „Brustkrebspatientin“ wird also mit einer
Krebsvorstufe diagnostiziert, von
der nur ein Teil in ein invasives Karzinom übergehen würde. Ein relevanter Anteil dieser Frauen wird wegen
einer Diagnose behandelt, von der sie
mit großer Wahrscheinlichkeit nie erfahren hätte. Allein durch die operative Entfernung kann ein DCIS so kontrolliert werden, dass die Mortalität
der Erkrankung auch ohne Radiotherapie gegen Null geht. Über alle Risikogruppen hinweg müssen etwa sieben Patientinnen bestrahlt werden,
um bei einer Frau ein Lokalrezidiv zu
verhindern und 14 Patientinnen um
ein invasives Karzinom zu vermeiden
[34, 35]. Ist es unter diesen Umständen sinnvoll, bei der Mehrzahl dieser
Frauen eine Strahlentherapie durchzuführen? Wäre es nicht angemessen, mit der Betroffenen zu entscheiden, ob die Verminderung des Lokalrezidivrisikos die Belastungen einer
Bestrahlung rechtfertigt?
Anders als beim DCIS verbessert die
Radiatio nach BEO beim invasiven
Karzinom auch die Überlebensrate;
während einer Nachbeobachtungszeit von 15 Jahren wird die jährliche Brustkrebssterblichkeit um ein
Sechstel vermindert. Bei nodal positiven Patientinnen betrug die Mortalitätsreduktion nach 15 Jahre 8,5 %
[36].
Therapie im höheren Lebensalter
Mit zunehmendem Lebensalter wird
die verbleibende Lebenszeit geringer. Die beste adjuvante Therapie
kann allenfalls den brustkrebsbedingten Tod verhindern, aber nicht
die natürliche Lebenserwartung verlängern.
MAMMAKARZINOM
In einer matched pair-Analyse aus
den USA wurde das Überleben von
Brustkrebspatientinnen über 67 Jahren mit demjenigen von Frauen ohne
Mammakarzinom verglichen. Während einer medianen Beobachtungszeit von 7,7 Jahren war das Überleben von Frauen mit DCIS oder Mammakarzinom im Stadium 1 um 30 %
bzw. 20 % besser als bei den Kontrollen ohne Mammakarzinom. Erst
ab Stadium 2 war die Mortalität der
Brustkrebspatientinnen höher. Je älter die Frauen waren, umso weniger
Einfluss hatte die Brustkrebsdiagnose unabhängig vom Stadium auf die
Mortalität [37]. Mit einer adäquaten
Therapie ist die Prognose quoad vitam bei Frauen mit frühem Mammakarzinom und einer Diagnosestellung am Ende des 7. Lebensjahrzehnts demnach exzellent. Es stellt
sich die Frage, welche Folgen eine
Reduktion der Therapie in diesem
Lebensalter hat.
Der Verzicht auf eine Strahlentherapie nach BEO bei Frauen über 70 Jahre mit einem invasiven, rezeptorpositiven und nodal negativen Mammakarzinom unter 3 cm Durchmesser
führt unter der Voraussetzung einer
adäquaten endokrinen Therapie
nicht zu einer Erhöhung der Mortalität, hat aber den Preis einer signifikant höheren Lokalrezidivrate, die
ohne Bestrahlung etwa 4 % nach 5
und etwa 10 % nach 10 Jahren beträgt. Die wenigsten Frauen in diesem Alter und mit diesen prognostisch günstigen Tumoren versterben
am Brustkrebs [38, 39]. Allerdings
sollte nicht das rechnerische Lebensalter, sondern eher die Lebenserwartung als Basis für Überlegungen zur
Therapiereduktion dienen. Zudem
ist in dieser Altersklasse die alleinige
intraoperative Teilbrustbestrahlung
eine Option, welche das Lokalrezidivrisiko signifikant senkt und die
Belastung der adjuvanten Ganzbrustbestrahlung vermeidet [40].
Die Frage, ob bei Frauen in höherem
Lebensalter eine Monochemotherapie die Prognose verbessert, untersuchte die prospektiv randomisierte
ICE-Studie [41]. Frauen über 65 Jahre mit Mammakarzinom und höherem Risiko (N+ oder T > 2cm oder
G2-3 oder hormonrezeptornegativ)
erhielten sechs Zyklen einer Monochemotherapie mit Capecitabine
plus ein Bisphosphonat (Ibandronat)
für zwei Jahre oder nur das Bisphosphonat. Alle Patientinnen mit rezeptorpositiven Tumoren erhielten
eine endokrine Therapie. Nach zehn
Jahren Beobachtungszeit waren Rezidivraten und Gesamtüberleben in
beiden Kollektiven identisch. Eine
Schlussfolgerung daraus ist, dass eine “milde“ Chemotherapie keinen
Effekt hat und bei gegebener Indikation auch Anthrazykline und Taxane
gemäß Leitlinien wie bei jüngeren
Frauen gegeben werden sollten.
Darüber hinaus kann man weitere
Schlüsse aus dieser Studie ziehen.
Das Überleben der Patientinnen war
schlechter, als man es bei Kalkulation mit adjuvantonline [42] bei Einsatz einer anthrazyklin-und taxanhaltigen Polychemotherapie erwarten dürfte, aber deutlich besser, als
man es bei Verzicht auf eine Chemotherapie erwartet hätte. Dieser Unterschied in der Prognose könnte
durch den Benefit durch die adjuvante Bisphosphonatbehandlung erklärt werden.
Bisphosphonate als ergänzende
adjuvante Option
In einer neuen Metaanalyse auf der
Basis individueller Patientendaten
aus randomisierten Studien bewirkt
eine mehrjährige adjuvante Therapie mit Bisphosphonaten bei postmenopausalen Frauen eine signifikante Reduktion der Rezidive, Fernmetastasen und Knochenmetastasen. Nach einer medianen Beobachtungszeit von fünf bis sechs Jahren
war die Brustkrebsmortalität um
18% vermindert. Bei prämenopausalen Frauen fand sich kein positiver
Effekt. Die nicht durch Brustkrebs
bedingte Mortalität war nicht unterschiedlich. Knochenfrakturen wurden durch Bisphosphonate um 15%
reduziert [43]. Da Bisphosphonate
zusätzlich dem erhöhten Osteoporoserisiko entgegenwirken, das u.a.
Folge einer Antitumortherapie sein
kann, bieten sie eine gute Option,
die Prognose von postmenopausalen Brustkrebspatienten zu verbessern. Nachteilig ist, dass keine Zulassung zur adjuvanten antitumorösen
Therapie besteht.
Recurrence (RR 0,86, 95% CI 0,780,94; 2p=0,002), distant recurrence
(0,82, 0,74–0,92; 2p=0,0003),
bone recurrence (0,72, 0,60–0,86;
2p=0,0002), and breast cancer mortality (0,82, 0,73–0,93; 2p=0,002).
Komplementäre Maßnahmen
Das Karzinom ist Teil des Körpers der
Patientin; obwohl außer Kontrolle
geraten, unterliegt es doch auch den
Regeln der Biologie und Physiologie,
ist auf Ernährung und vielfältige
Stoffwechselregulation durch den
Körper angewiesen und muss eine
Balance mit dessen Immunabwehr
finden. Auch die Therapie des Karzinoms erfolgt innerhalb des Körpers
der Patientin, ihre Effekte werden
daher unterschiedlichen Modifikationen durch dessen Stoffwechsel
unterzogen.
Der Einfluss von Sport, Ernährung,
Stoffwechsel und Übergewicht auf
die Karzinogenese, die Wirksamkeit
der onkologischen Therapie und auf
die Prognose der Patientin ist gegenwärtig Gegenstand von großen prospektiven klinischen Studien [44].
Die bisherigen Erkenntnisse sind
noch widersprüchlich und geben
den Blick auf die Zusammenhänge
noch nicht frei. Aber einige Gewissheiten zeichnen sich doch ab. Sport
und Bewegung vermindern nicht
nur Therapienebenwirkungen und
Fatigue. Beobachtungsstudien weisen darauf hin, dass sie auch die Inzidenz und Prognose von Brustkrebs
verbessern. Fehlernährung und
02/2016
39
40
MAMMAKARZINOM
Übergewicht können die Effekte endokriner Therapien wie die Wirksamkeit von Aromatasehemmern
verschlechtern, haben aber möglicherweise auch einen direkten Einfluss auf Tumorwachstum und Prognose [6, 7, 45, 46].
Die randomisierte WINS-Studie (Women“s Intervention Nutrition Study)
zeigte, dass bei sonst gleicher Therapie allein die Reduktion der Kalorienaufnahme aus Fett auf möglichst unter 15 % die 15-Jahres-Überlebensrate bei hormonrezeptornegativen
Tumoren signifikant verbessern
kann [47]. Trotz aller Limitationen
der Studie ist die Aussicht außergewöhnlich, dass eine Änderung der
Ernährung und Gewichtsabnahme
die Überlebenschancen dieser prognostisch sehr ungünstigen Gruppe
verbessern könnte.
Diese vorläufigen Erkenntnisse unterstreichen, dass ein optimaler Therapieerfolg eine intensive Betreuung
und Beratung der Patientin erfordert, um sie zu befähigen, ihre Lebensweise nachhaltig und lebenslang zu verändern, hin zu gesünderer Ernährung, ausreichend Bewegung und Normalgewicht.
Schlussfolgerung
Zentrale Aufgabe für die Zukunft ist,
die Erkrankung 'Brustkrebs' so gut
zu verstehen, dass wir mit hoher Sicherheit erkennen, ob die einzelne
Patientin alleine durch die operative
Therapie geheilt wird oder ob sie von
zusätzlichen, adjuvanten Behandlungen profitiert, und wenn ja, von
welchen. Dabei müssen die Therapieziele Überleben und Rezidivfreiheit getrennt betrachtet und Alter
und verbleibende Lebenserwartung
der Patientin berücksichtigt werden.
Nur solche Therapiekonzepte sind
effektiv, welche von der Patientin
verstanden und deren Nebenwirkungen akzeptiert werden. Zusammen mit einer engen Anbindung an
den betreuenden Arzt, der Nebenwirkungen erfasst und behandelt, si-
02/2016
chert dies die hohe Compliance,
welche für den Therapieerfolg unabdingbar ist. Auch diagnostische
Maßnahmen bedürfen einer speziellen Indikation und gezielter Fragestellung. Diagnostik ist nicht per se
unschädlich sondern beinhaltet das
Risiko falsch positiver Befunde, die
durch die dadurch erforderliche weitere Abklärung die Patientin zusätzlicher Strahlenbelastung, psychischem Stress und dem Eingriffsrisiko
bei invasiven diagnostischen Maßnahmen aussetzt. Moderne multimodale Therapiekonzepte dürfen
nicht nur 'harte' biologische Faktoren des Tumors umfassen, sondern
müssen die Patientin als therapeutisches Ziel integrieren und deren Erwartungen, Einstellungen und Lebensführung erkennen und in eine
therapeutische günstige Richtung
beeinflussen.
Zusammenfassung
Heutzutage besteht die Primärtherapie der meisten Brustkrebspatientinnen neben der Operation aus Bestrahlung und systemischer Therapie. Die Heilungswahrscheinlichkeit
wurde durch die Einführung und
Optimierung dieser multimodalen
Therapie und die interdisziplinäre
Behandlung stark verbessert. Um eine Übertherapie zu vermeiden müssen diejenigen Patientinnen besser
identifiziert werden, die eine so gute
Prognose haben, dass auf manche
begleitende Therapie verzichtet
oder diese reduziert werden kann.
Mangelnde Therapietreue (Compliance) v.a. im Bereich der jahrelangen
endokrinen Therapien verschlechtert die Überlebenschancen. Da nur
eine auch durchgeführte Behandlung wirken kann, müssen die Bemühungen zur Verbesserung der
Compliance intensiviert werden.
Studien zeigen, dass Änderungen
des Lebensstils einerseits die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen und andererseits auch alleine
relevante Verbesserungen der Prognose bewirken können.
Literatur:
1. Robert Koch Institut. http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/ZfKD/Archiv/Brustkrebsmortalitaet.html
(Zugriff
4.1.2016)
2. Scharl A, Salterberg A. Multimodale Therapie des nicht metastasierten Mammakarzinoms. Onkologe 2014; 4: 379–394.
3. Davies C, Godwin J, Gray R et al. (EBCTCG).
Relevance of breast cancer hormone receptors and other factors to the efficacy of adjuvant tamoxifen: patient-level meta-analysis of randomised trials. Lancet.
2011;378:771–784.
4. Hershman DL, Shao T, Kushi LH et al. Early
discontinuation and non-adherence to adjuvant hormonal therapy are associated
with increased mortality in women with
breast cancer. Breast Cancer Res Treat.
2011;126: 529–537.
5. Kidwell KM, Harte SE, Hayes DF et al. Patient-reported symptoms and discontinuation of adjuvant aromatase inhibitor therapy.
Cancer 2014; 120: 2403–2411.
6. Hanf V, Schütz F, Liedtke C, Thill M, on behalf of the AGO Breast Committee. AGO
Recommendations for the Diagnosis and
Treatment of Patients with Early Breast
Cancer: Update 2015. Breast Care 2015;10:
189–197
7. AGO Kommission Mamma. Diagnostik und
Therapie von Patientinnen mit
primärem und metastasierten Brustkrebs.
http://www.ago-online.de/de/infothek-fuer-aerzte/leitlinienempfehlungen/mamma
8. Irwin ML, Cartmel B, Gross CP et al. Randomized Exercise Trial of Aromatase Inhibitor-Induced Arthralgia in Breast Cancer Survivors. J Clin Oncol. 2015; 33:1104–11.
9. Fellowes D, Fallowfield LJ, Saunders CM et
al. Tolerability of hormone therapies for
breast cancer: how informative are documented symptom profiles in medical notes
for 'well-tolerated' treatments? Breast
Cancer Res Treat. 2001; 66: 73–81.
10. Francis PA, Regan MM, Fleming GF et al.
Adjuvant ovarian suppression in premenopausal breast cancer. N Engl J Med. 2015 ;
372: 436–46.
11. Pagani O, Regan MM, Walley BA et al. Adjuvant exemestane with ovarian suppression in premenopausal breast cancer. N Engl J
Med. 2014; 371: 107–18
12. Gnant M, Mlineritsch B, Stoeger H, et al.
Zoledronic acid combined with adjuvant endocrine therapy of tamoxifen versus anastrozol plus ovarian function suppression in
premenopausal early breast cancer: final
analysis of the Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group Trial 12. Ann Oncol.
2015; 26: 313–20.
13. Scharl A. Mammographiescreening. Gynäkologe 2014; 5: 325–333.
14. Houssami N, Turner R, Morrow M. Preoperative magnetic resonance imaging in
breast cancer. Meta-analysis of surgical outcomes. Ann Surg 2013; 257: 249–255.
15. Houssami N, Turner R, Macaskill P et al. An
individual person data meta-analysis of preoperative magnetic resonance imaging and
MAMMAKARZINOM
breast cancer recurrene. J Clin Oncol 2014;
32: 392–401.
16. Brennan ME, Houssami N. Evaluation of
the evidence on staging imaging for detection of asymptomatic distant metastases in
newly diagnosed breast cancer. Breast.
2012; 21: 112–123.
17. Gerber B, Seitz E, Müller H et al. Perioperative screening for metastatic disease is not
indicated in patients with primary breast
cancer and no clinical signs of tumor spread.
Breast Cancer Res Treat. 2003; 82: 29–37.
18. Schnipper LE, Smith TJ, Raghavan D et al.
American Society of Clinical Oncology identifies five key opportunities to improve care
and reduce costs: the top five list for oncology. J Clin Oncol. 2012; 30: 1715–1724
19. Rojas MP, Telaro E, Russo A, et al. Followup strategies for women treated for early
breast cancer. Cochrane Database Syst Rev.
2005 25;:CD001768
20. Liedtke C, Thill M, Hanf V, Schütz F, on behalf of the AGO Breast Committee. AGO
Recommendations for the Diagnosis and
Treatment of Patients with Advanced and
Metastatic Breast Cancer: Update 2014.
Breast Care 2015; 10: 199–205
21. Onkologisches Leitlinienprogramm. Interdisziplinäre S3-Leitlinie für die Diagnostik,
Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. 2012. http://leitlinienprogramm-onkologie.de/Mammakarzinom.67.0.html
22. Kurian AW, Lichtensztajn DY, Keegan TH
et al. Use of and mortality after bilateral
mastectomy compared with other surgical
treatments for breast cancer in California,
1998–2011. JAMA. 2014; 312: 902–914.
23. Garcia-Etienne CA, Tomatis M, Heil J, et al.
EeusomaDB Working Group. Mastectomy
trends for early-stage breast cancer: a report
from the EUSOMA multi-institutional European database. Eur J Cancer. 2012; 48:
1947–56.
24. van Maaren MC, de Munck L, de Bock GH
, et al. Higher 10-year overall survival after
breast conserving therapy compared to
mastectomy in early stage breast cancer: A
population-based study with 37,207 patients, San Antonio Breast Cancer Symposium
2015
Abstract#
S3-05
https://www.sabcs.org/Portals/SABCS/Documents/SABCS-2015-Abstracts.pdf?v=5
(Zugriff 4.1.2016)
25. Nichols HB, Berrington de González A, Lacey JV Jr et al. Declining incidence of contralateral breast cancer in the United States
from 1975 to 2006. J Clin Oncol. 2011;
29:1564–9
26. Pilewskie M, Ho A, Orell E et al. Effect of
margin width on local recurrence in triplenegative breast cancer patients treated with
breast-conserving therapy. Ann Surg Oncol.
2014; 21:1209–1214.
27. Moran MS, Schnitt SJ, Giuliano AE et al.
Society of Surgical Oncology-American Society for Radiation Oncology consensus guideline on margins for breast-conserving surgery with whole-breast irradiation in stages
I and II invasive breast cancer. J Clin Oncol.
2014; 32: 1507–1515.
28. Covelli AM, Baxter NN, Fitch MI, et al. 'Taking control of cancer': understanding women's choice for mastectomy. Ann Surg Oncol. 2015;22:383-91.
29. Fisher CS, Martin-Dunlap T, Ruppel MB, et
al. Fear of recurrence and perceived survival
benefit are primary motivators for choosing
mastectomy over breast-conservation therapy regardless of age. Ann Surg Oncol.
2012;19: 3246–50
30. Smith BD D, Jiang J, Shih Y-CT, et al. Complication and economic burden of local therapy options for early breast cancer. San Antonio Breast Cancer Symposium 2015 Abstract# S3-07 https://www.sabcs.org/Portals/SABCS/Documents/SABCS-2015-Abstracts.pdf?v=5 (Zugriff 4.1.2016)
31. Peto R, Davies C, Godwin J et al.
(EBCTCG). Comparisons between different
polychemotherapy regimens for early
breast cancer: meta-analyses of long-term
outcome among 100,000 women in 123
randomised trials. Lancet. 2012; 379:
432–444.
32. Tolaney SM, Barry WT, Dang CT et al. Adjuvant paclitaxel and trastuzumab for nodenegative, HER2-positive breast cancer. N
Engl J Med. 2015; 372:134–41.
33. Scharl A., Costa SD: Diagnostik und Therapie des duktalen Carcinoma in situ. Gynäkol prax 28 (2004) 61–79.
34. Correa C, McGale P, Taylor C et al.
(EBCTCG). Overview of the randomized trials of radiotherapy in ductal carcinoma in situ of the breast. J Natl Cancer Inst Monogr.
2010; 2010: 162–177.
35. Wapnir IL, Dignam JJ, Fisher B, et al. Longterm outcomes of invasive ipsilateral breast
tumor recurrences after lumpectomy in
NSABP B-17 and B-24 randomized clinical
trials for DCIS. J Natl Cancer Inst. 2011; 103:
478–488.
36. Darby S, McGale P, Correa C et al.
(EBCTCG). Effect of radiotherapy after
breast-conserving surgery on 10-year recurrence and 15-year breast cancer death: meta-analysis of individual patient data for
10,801 women in 17 randomised trials.
Lancet. 2011; 378: 1707–1716.
37. Schonberg MA, Marcantonio ER, Ngo L et
al. Causes of death and relative survival of
older women after a breast cancer diagnosis. J Clin Oncol. 2011; 29: 1570–1577.
38. Hughes KS, Schnaper LA, Bellon JR et al.
Lumpectomy plus tamoxifen with or without irradiation in women age 70 years or
older with early breast cancer: long-term
follow-up of CALGB 9343. J Clin Oncol.
2013; 31: 2382–2387.
39. Kunkler IH, Williams LJ, Jack WJ et al.
Breast-conserving surgery with or without
irradiation in women aged 65 years or older
with early breast cancer (PRIME II): a randomised controlled trial. Lancet Oncol. 2015;
16: 266–273.
40. Vaidya JS, Wenz F, Bulsara M et al. Riskadapted targeted intraoperative radiotherapy versus whole-breast radiotherapy for
breast cancer: 5-year results for local control
and overall survival from the TARGIT-A rand-
omised trial. Lancet. 2014; 383(9917):
603–13
41. Von Minckwitz G. Reimer T, Potenberg J et
al. The phase III ICE study: Adjuvant Ibandronate with or without capecitabine in elderly patients with moderate or high risk
early breast cancer. SABCS 2014 Abstract
S3–04
42. https://www.adjuvantonline.com
43. Coleman R, Powles T, Paterson A, et
al: Adjuvant bisphosphonate treatment in
early breast cancer: meta-analyses of individual patient data from randomised trials.
Lancet. 2015; 386: 1353–61.
44. Rack B, Andergassen U, Neugebauer J, et
al. The German SUCCESS C Study - The First
European Lifestyle Study on Breast Cancer.
Breast Care (Basel). 2010; 5: 395–400
45. Goodwin PJ. Obesity and endocrine therapy: host factors and breast cancer outcome.
Breast. 2013; 22 Suppl 2: S44–7.
46. Chlebowski RT. Nutrition and physical activity influence on breast cancer incidence
and outcome. Breast. 2013; 22 Suppl 2:
S30–7.
47. Chlebowski RT, Blackburn GL. Final survival analysis from the randomized Women“s
Intervention Nutrition Study (WINS) evaluating dietary intervention as adjuvant breast
cancer therapy. San Antonio Breast Cancer
Symposium 2014; Abstract S5–08.
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Anton Scharl
Klinikum St. Marien Amberg
Mariahilfbergweg 7
92224 Amberg
E-Mail: [email protected]
Interessenkonflikte:
Bezüglich des Inhaltes des Manuskripts hat
keiner der Autoren Interessenkonflikte.
Prof. Dr. med. Anton
Scharl
02/2016
41
Herunterladen