Constanze Giese, C. Koch, D. Siewert Sterbehilfe – kein Thema der Pflege? Zum Beitrag der Pflegenden zur aktuellen Sterbehilfe-Diskussion Langfassung des Artikels aus Dr. med. Mabuse Nr. 164, S. 43-46 Der Nationale Ethikrat hat mit seiner aktuellen Stellungnahme zur Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende1 die Diskussion um die ethische Legitimierbarkeit und die gesetzlichen Regelungen zur Tötung auf Verlangen und zur Hilfe bei der Selbsttötung erneut angefacht. Im Folgenden soll jedoch keine detaillierte Auseinandersetzung mit dieser Stellungnahme erfolgen, sondern der Fokus auf die Rolle und den Beitrag der Pflege zu dieser Diskussion gelegt werden. Dabei werden auch die Schwierigkeiten betrachtet, welche die Pflege derzeit noch mit der Beteiligung an virulenten öffentlichen Diskursen hat, selbst wenn mögliche Konsequenzen sie tagtäglich betreffen und Veränderungen ihren Berufsalltag und ihr berufliches Selbstverständnis nachhaltig beeinflussen können. Aus pflegerischer Perspektive gibt die öffentliche Auseinandersetzung um Fragen sogenannter Sterbehilfe Anlass zu vielfältigen Irritationen. Nur zwei seien hier zu Beginn skizziert: Eine besteht darin, dass „die Pflege“, sei es durch ihre berufliche Vertretung bzw. ihre Berufsverbände, sei es durch einzelne Persönlichkeiten, erstaunlich wenig an dem zum Teil hitzig geführten Diskurs beteiligt ist. Sie stellt im Nationalen Ethikrat kein Mitglied (Medizin und Naturwissenschaft dagegen neun) und war interessanterweise auch nicht in der Enquete Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin des Bundestages vertreten. Beide Gremien befassen bzw. befassten sich mit ethischen Fragen der Betreuung und Begleitung schwerstkranker, pflegebedürftiger und sterbender Menschen.2 Allerdings hat sich der Deutsche Pflegerat (DPR) mit seiner am 12.10.2005 veröffentlichten Pressemitteilung „Menschen in Würde pflegen statt Menschenleben mit aktiver Sterbehilfe beenden“ deutlich positioniert. Diese ablehnende Haltung gegenüber der Tötung auf Verlangen und auch gegenüber der Beihilfe zur Selbsttötung kann als exemplarisch für die seltenen Verlautbarungen der berufspolitischen Vertretung der Pflege angesehen werden. Der DPR bezieht damit für die Pflege, die größte Berufsgruppe im Gesundheitssektor, eindeutig Position. Es ist zugleich diejenige Berufsgruppe, die in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und im ambulanten Bereich Sterbende buchstäblich bis zuletzt versorgt. Sterbebegleitung, Linderung von Leiden und die Auseinandersetzung mit den Belastungen, denen Pflegende dabei ausgesetzt sind, gehören heute zum Standard einer qualifizierten Ausbildung in einem Pflegeberuf. Dennoch erheben Pflegende nur selten ihre Stimme, noch seltener wird sie gehört. Die zweite Irritation hängt mit der ersten direkt zusammen: Die Expertise, die von Seiten der Pflege zu dem Thema beizutragen wäre, fehlt nicht nur formal, sie fehlt auch inhaltlich. Symptomatisch für die fehlende pflegerische Expertise ist in diesem 1 Kontext beispielsweise, dass in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates zu Recht darauf verwiesen wird, es sei „nicht vertretbar, einen Patienten gegen seinen Willen durch das Vorenthalten verfügbarer, medizinisch indizierter Maßnahmen sterben zu lassen.“3 Der Hinweis darauf, dass tagtäglich sterbenden Menschen grundsätzlich verfügbare, indizierte Pflegemaßnahmen vorenthalten werden müssen, weil Pflege längst rationiert wird, fehlt hingegen.4 Zu diesen Maßnahmen zählen die seelische Begleitung durch persönliche und sensible Kommunikation durch entsprechend geschulte Fachkräfte ebenso wie die Pflege des Leibes, die all jene Maßnahmen umfasst, die physisches Leiden verhindern oder lindern und Lebensqualität und Lebensfreude bis zuletzt erhalten oder zumindest fördern können. Beides ist mit dem Anspruch einer ganzheitlichen, dem Menschen gerecht werdenden Pflege unaufgebbar verbunden. Für die Diskussion der Selbstbestimmung am Lebensende, in der zunehmend und mit Nachdruck öffentlich auch eine Tötung auf Verlangen oder Beihilfe zur Selbsttötung denkbar und eingefordert wird, ist diese Versorgungslücke allerdings beachtlich. Die Vorstellung und vor allem die Ängste, die wir uns von unserem Sterben realistischerweise machen, kann als Negativfolie dessen angesehen werden, über das wir indirekt immer mitdiskutieren, wenn wir positiv von Freiheit und Selbstbestimmung sprechen. Es gilt anzuerkennen, dass der Wunsch zu sterben in der Mehrzahl der Fälle nicht auf körperlichem, unabwendbarem Leiden beruht, sondern durch das Gefühl der Einsamkeit und Sinnlosigkeit der eigenen Person in ihrer als würdelos erlebten Situation hervorgerufen wird5. Dieser Zusammenhang zeigt die Bedeutung der Art und Weise, in der Pflege angeboten werden kann. Das Vorenthalten einer Pflege, die es versteht, Ressourcen und Kontaktmöglichkeiten des Sterbenden bis zuletzt zu aktivieren, kann ethisch genauso wenig vertretbar sein, wie die in der Stellungnahme des Nationalen Ethikrates thematisierte Rationierung medizinischer Behandlung. Die Möglichkeit eines selbstbestimmten und würdevollen Sterbens hängt nicht nur und vielleicht auch nicht primär an der ethisch korrekten Gestaltung von einzelnen, aus dem Sterbeprozess herausgehobenen Entscheidungssituationen. Sterben in Würde ist ein Prozess, der auf menschliche Begleitung, medizinische Versorgung und Pflege angewiesen ist. Ziel muss es sein, nicht nur Leiden zu lindern und die alltäglichen Bedürfnisse zu befriedigen, sondern mit dem Tod-Kranken eine (Pflege-)Beziehung aufzubauen, auf deren Basis es erst möglich wird, Entscheidungen situationsgerecht und (individuell!) human angemessen mit und nicht über den Sterbenden hinweg zu treffen.6 Pflegende verfügen über eigenes relevantes Wissen und sind selbst auch von gesetzlichen Änderungen im Bereich der Versorgung und Begleitung Sterbender betroffen. Umso dringlicher ist es, sich an den öffentlich geführten Diskussionen zu beteiligen. Zugleich ist innerhalb der Berufsgruppe die Auseinandersetzung mit der Thematik und das Verständnis der Tragweite künftiger Entscheidungen zu fördern. Genau hier jedoch zeigen sich in der Praxis noch Defizite. 2 Kenntnisse und Einstellungen Pflegender divergieren in hohem Maße voneinander und sind sowohl hinsichtlich ethischer als auch rechtlicher Zusammenhänge stark lückenhaft. Pflegende verfügen je nach Art und Umfang ihrer Ausbildung, allerdings auch stark in Abhängigkeit von den Schwerpunkten in ihren Ausbildungseinrichtungen, über unterschiedliche Kenntnisse im Bereich der Sterbebegleitung und der Entscheidungen am Lebensende. Ist das Verbot der aktiven Sterbehilfe zwar in der Regel bekannt, so scheint doch nicht klar, welche Handlungen unter dieser Begrifflichkeit zu subsumieren sind. Hieraus ergeben sich fatale Missverständnisse.7 Die Einstellung einer einmal begonnenen lebenserhaltenden Beatmungs- oder Ernährungstherapie gilt vielen als rechtswidrige aktive Sterbehilfe. Auch wird nicht selten fälschlich angenommen, die Hilfe bei der Selbsttötung sei ebenfalls als Straftatbestand anzusehen. Ein Missverständnis, das vermutlich aus der bestehenden „Garantenpflicht“ resultiert, deren Interpretation nicht wenigen ebenfalls rätselhaft bleibt. Unklarheit besteht auch bezüglich der eigenen Rechte am PflegeArbeitsplatz, was den Schutz des Gewissens und der zugrundeliegenden Persönlichkeitsrechte betrifft. Verschiedene Studien haben inzwischen den Kenntnisstand Pflegender über die Rechtslage aber auch ihre Haltungen zu unterschiedlichen Formen der Sterbehilfeuntersucht.8 Dabei zeichnet sich ab, dass die befragten Pflegenden – wie die übrige Bevölkerung auch - durchaus nicht zu übersehende Zustimmungsraten zur sogenannten aktiven Sterbehilfe erkennen lassen. Diese „Privatmeinungen“ sollten in den Berufsorganisationen und in den Ausbildungseinrichtungen nicht als politisch unkorrekt totgeschwiegen werden, sondern dringend bearbeitet werden. Die Pflege hat nicht nur historisch, sondern auch aktuell bittere Erfahrungen damit, was passieren kann, wenn Pflegende nicht lernen, ihre Bedenken zu versprachlichen, sondern nur schweigend scheinbar funktionieren. Neben den bekannt gewordenen Skandalen, die von sogenannten „Todesengeln“ (und anzunehmenden Dunkelziffern bei Patiententötungen) regelmäßig ausgelöst werden, bleiben auch die vielen kleinen alltäglichen Möglichkeiten pflegerischer Hilfe beim Sterben tabuisiert. Das Problem ist dabei nicht primär, dass Pflegende Handlungsmöglichkeiten haben und diese nutzen, sondern dass sie dies tun, anstatt zu versuchen, ihre Position öffentlich hörbar zu machen. Es fehlen im beruflichen Alltag immer noch ausreichende Foren der Beteiligung an Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozessen. Pflegende brauchen angesichts ihres konfliktträchtigen Arbeitsfeldes Möglichkeiten, sich der eigenen Position zu versichern und relevante Kenntnisse über zentrale Begrifflichkeiten und über ihre eigenen Handlungsspielräume zu erlangen. Die scheinbare Machtlosigkeit und Lethargie, die für die Selbstwahrnehmung vieler Pflegender kennzeichnend ist9, prägt auch das Verhalten angesichts ethischer Fragestellungen, die ihre Berufsausübung und ihr berufliches Selbstverständnis radikal verändern könnten. Verständlich ist dies nur aus der Geschichte der beruflichen Pflege heraus. 3 Geschichte und Gegenwart bilden in der aktuellen Situation der Pflege eine schwierige Gemengelage. Die geringe Neigung, sich aktiv in gesellschaftspolitische Prozesse einzubringen, lässt sich nur aus der Geschichte der Pflege und ihren berufsethischen und berufspolitischen Traditionen verstehen. Diese Geschichte beginnt – wie die Diskussion um die aktive Sterbehilfe – nicht mit der NS-Zeit und kann auch nicht nur aus dieser heraus verstanden werden. Es ist eine Jahrhunderte lange Geschichte des Ringens um berufliche Eigenständigkeit und Autonomie, die immer wieder im Namen eines Ideals des Dienens, bis hin zum absoluten Gehorsam zurückgedrängt und verhindert wurden.10 Ursache dieser Verhinderung waren neben der eigenen Zerstrittenheit und fragwürdigen Ideologien die Interessen und Überlegenheit anderer Gruppen im Gesundheitsbereich, allen voran die der Medizin und nicht zuletzt der politische Wille und die politische Opportunität, die der Pflege jeweils ihre Position zuwiesen. Dies führte mit dazu, dass Pflegende in Deutschland in der NS-Zeit zum Teil sehr bereitwillig an den Verbrechen an behinderten und psychisch kranken Menschen mitwirkten. Zweifelsohne liegt hier ein Grund für die Berufsgruppe und ihre berufspolitische Vertretung sich bis heute nur sehr zögerlich an den aktuellen Diskursen zu beteiligen. Die Forderungen nach gesetzlichen Änderungen in Deutschland muss die Pflegenden hellhörig werden lassen, egal wie sie dazu inhaltlich stehen. Deutschland befindet sich derzeit im Entwicklungsprozess einer gesetzlichen Regelung zur möglichen Unterlassung lebensverlängernder Maßnahmen im Speziellen und zu Patientenrechten am Lebensende im Allgemeinen. Seit mittlerweile fast 20 Jahren wird - noch immer ohne Ergebnis - überlegt, die gesetzlichen Grundlagen der Entscheidungen am Lebensende zu reformieren. Dabei wurde und wird angestrebt, die Rechtsprechung hinsichtlich der aktiven Sterbehilfe einerseits und der passiven und indirekten Sterbehilfe andererseits zu klären und die brüchig gewordenen Gesetze an die veränderte Realität anzupassen. Verschiedene Lobbygruppen u.a. die DGHS (Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben e.V.), der HVD (Humanistischer Verband Deutschlands e.V.) und der 2005 in Hannover gegründete Verein DIGNITAS-Deutschland, eine Tochtervereinigung der schweizerischen Sterbehilfe-Organisation, verfolgen nachdrücklich eine Liberalisierung des Strafrechts. Ähnlich wie in den Niederlanden könnte dies eine Regelung zur Tötung auf Verlangen sein oder wie in der Schweiz eine Ermöglichung der Hilfe bei der Selbsttötung über eine Änderung der rechtlichen Regelungen vor allem im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes.11 Das Arbeitsfeld der Pflege und ihr Verhältnis zu den pflegebedürftigen Menschen wären von solchen Änderungen im Kern betroffen. Gerade deshalb ist es so wichtig, die Erfahrungen der 4 Pflegenden in den Niederlanden mit dem Gesetz über die Kontrolle der Lebensbeendigung auf Verlangen und die Hilfe bei der Selbsttötung vom 1. April 2001 zur Kenntnis zu nehmen. Dies gilt auch dann, wenn davon auszugehen ist, dass in Deutschland das Verbot der vorsätzlichen Tötung von Todkranken und Sterbenden auf absehbare Zeit bestehen bleibt. Die Entwicklung in den Niederlanden zeigt fatale Auswirkungen für die Pflege. Das niederländische Gesetz ist das vorläufige Ergebnis eines über 30 Jahre dauernden Prozesses.12 Aktive Sterbehilfe und Suizidbeihilfe werden zwar grundsätzlich unter Strafe gestellt. Gleichzeitig wird den Ärzten im Gesetz zur Kontrolle der Lebensbeendigung ein schmaler, straffreier Handlungskorridor ermöglicht, innerhalb dessen sie unter der Einhaltung von Sorgfaltskriterien sowohl das Leben eines Patienten beenden, als auch Suizidbeihilfe leisten können. Dabei müssen drei Bedingungen erfüllt werden: Erstens muss ein Arzt handeln, der zweitens die Sorgfaltskriterien einhält und drittens die postmortale Meldepflicht erfüllt. Problematisiert werden vor allem der relativ breite Interpretationsspielraum der Sorgfaltskriterien und das Meldeverfahren, das dem Arzt die - wenn auch rechtswidrige aber dennoch praktizierte - Unterlassung der Selbstanzeige ermöglicht. Bei aller berechtigter Kritik an diesem Gesetz ist es für die Pflege in Deutschland schon deshalb interessant, weil die Auswirkungen auf diese Berufsgruppe in einer Studie der Universität Maastricht untersucht worden sind. Dabei zeigt sich, dass die niederländischen Pflegepersonen wie ihre deutschen Kollegen mit der Rechtslage, mit ihren Rechten und Pflichten nur oberflächlich und partiell vertraut sind und dennoch in alle Phasen der Patiententötungen einbezogen werden und daran mitwirken. Grundsätzlich gilt, dass Krankenschwestern und -pfleger nicht dazu verpflichtet sind, bei der Durchführung einer Tötungshandlung mitzuwirken. Der Studie zufolge beklagen viele Pflegende die mangelnde Zusammenarbeit mit den Ärzten. Oft wird ihnen der genaue Zeitpunkt der Tötungshandlung (23% der Fälle) gar nicht mitgeteilt. Andererseits führt in einigen Fällen (12%) das Pflegepersonal die Tötungshandlung anstelle des Arztes durch und gibt in 50% der Fälle die Verantwortung dafür dem Arzt.13 Wie schon in der Vergangenheit taucht hier das Problem der Delegation von Verantwortung der Pflege an die Ärzteschaft wieder auf. Die Praxis bezüglich der Entscheidungen am Lebensende und der Einfluss der Pflegenden sind nicht transparent und stellen eine Grauzone im Tätigkeitsbereich dar. Pflegende müssen im Rahmen der Entwicklung ihrer beruflichen Identität Antworten auf Fragen auch ihrer Mitverantwortung finden. In den Niederlanden ist die Pflege hinsichtlich der Sterbehilfepraxis nicht nur eine betroffene, sondern auch selbst - und zwar ohne rechtliche Legitimation - ausführende Partei. Es scheint auch vor diesem Erfahrungshorizont dringend geboten, den Einfluss, den die Pflege in der 5 Praxis zweifelsohne besitzt, auch im öffentlichen Diskurs und in den politischen Gremien abzubilden, um Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. „Die Begleitung und Versorgung eines unheilbar kranken und sterbenden Menschen verlangt zuallererst, auf seine persönlichen Bedürfnisse zu reagieren.“ So formuliert der Nationale Ethikrat in seiner Stellungnahme. Eine professionelle Pflege auf dem derzeit möglichen fachlich und wissenschaftlich abgesicherten Niveau könnte diese Aufgabe erfüllen, es wäre ein wesentlicher Teil ihres Kerngeschäfts. Diese Möglichkeit zu aktualisieren bedürfte jedoch des politischen und gesellschaftlichen Willens und der – so banal es klingt – ökonomischen Absicherung des entsprechenden pflegerischen Leistungsangebots. Mehr Geld in der pflegerischen Versorgung würde zwar nicht quasi automatisch zu einer Verbesserung der Betreuungssituation am Lebensende führen. Aber ohne die pflegerische Aus- Fort- und Weiterbildung einerseits und die pflegerische Versorgung andererseits auf stabile ökonomische Beine zu stellen, ist es unredlich, über „unstillbare Leidenszustände am Lebensende“ als Rechtfertigungsgrund für eine „selbstbestimmte aktive Sterbehilfe“ zu diskutieren. Es muss doch sehr verwundern, dass sich der Diskurs über die Legitimierbarkeit der Tötung auf Verlangen derzeit in eine Richtung bewegt, in der es denkbar wird, dass Ärzte (und Pflegepersonal) mit scheinbar autonomen Patienten deren freiwilliges Ableben verhandeln sollen, ohne dass die Qualifikation des Personals kritisch hinterfragt wird. Dass zur gleichen Zeit zumindest in Bayern über eine Absenkung der Fachkraftquote in den Pflegeheimen auch nur nachgedacht wird, hat etwas Zynisches an sich. Constanze Giese geb. 1966, ist Professorin für Ethik und Anthropologie in der Pflege an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, Dr. theol. und Krankenschwester; Christian Koch geb. 1976, ist Diplompflegewirt, Krankenpfleger und Leiter eines Alten- und Pflegeheimes; Dietmar Siewert, geb. 1965, ist Diplompflegewirt, Krankenpfleger, Pflegedienstleitung und stellvertretende Heimleitung. 1 Nationaler Ethikrat, Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende, Stellungnahme, Berlin Juli 2006. Nationaler Ethikrat, Patientenverfügung – ein Instrument der Selbstbestimmung, Stellungnahme, Berlin Juni 2005; Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin des deutschen Bundestages, Zwischenbericht Patientenverfügungen, Bundestagsdrucksache 15/3700, Berlin Dezember 2004. 3 Nationaler Ethikrat 2006:42. 4 Es wird zwar auf eine chronische Unterfinanzierung „der Pflegeheime und Hospizstationen“ verwiesen. Aus ethischer Perspektive problematisiert wird allerdings nur die Rationierung medizinischer Leistungen im Sinne lebenserhaltender Maßnahmen. Vgl. ebd.. 2 6 5 Vgl. dazu neben vielen anderen auch Gordijn B., Euthanasie und medizinisch assistierter Suizid in den Niederlanden, in: Neumann G., Körner U. (Hg.), Patientenautonomie und humanes Sterben. Kongressbericht, Paderborn 1997:67-74. 6 Vgl. Giese C., Siewert D., Koch C., Sterben in Würde – Ein Beitrag der Pflege, Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, Gesprächskreis Arbeit und Soziales, in Ergänzung zur Internetpräsentation ihrer Fachkonferenz: „Sterben in Würde – Ethische, medizinische und rechtliche Herausforderungen“, Berlin 29.6.2005, in: http://fesportal.fes.de/pls/portal30/docs/FOLDER/BERATUNGSZENTRUM/aspol/giese290605pflegebeitrag.pdf. 7 Dazu ausführlich: Giese C., Problemaufriss, in: Giese C., Koch C., Siewert D., Pflege und Sterbehilfe, Frankfurt 2006:22-30. 8 Ebd.. 9 Anschaulich beschrieben in Wettreck R., „Am Bett ist alles anders“ - Perspektiven professioneller Pflegeethik, Münster 2001:36-83. 10 Vgl. Siewert D., Historische Annäherung, in: Giese C., Koch C., Siewert D., Pflege und Sterbehilfe, Frankfurt 2006:37-76. 11 Vgl. Koch C., Zur Rolle der Pflege – Ein deutsch-niederländischer Vergleich, in: Giese C., Koch C., Siewert D., Pflege und Sterbehilfe, Frankfurt 2006:77-180,161-163. 12 Dazu ausführlich: Düwell M., Feikema L., Über die niederländische Euthanasiepolitik und Praxis, IMEW Expertise 5, Berlin 2006. 13 Vgl. dazu ausführlich Koch C., Zur Rolle der Pflege – Ein deutsch-niederländischer Vergleich, in: Giese C., Koch C., Siewert D., Pflege und Sterbehilfe, Frankfurt 2006:77-180. 7