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Transplantationsmedizin
2012, 24. Jahrgang
Buchbesprechungen
Walter Gottlieb Land
Innate Alloimmunity
Part 2: Innate Immunity and Allograft Rejection, 726 Seiten
Baskent University/Pabst Science Publishers, 2011
ISBN-978-975-8571-49-9
Das Werk stützt sich auf die bis 2008 erschienene internationale Literatur. Der vorliegende
Band umfasst 8 sehr gut gegliederte Kapitel
sowie einen Prolog zur Evolution und Revolution in der Organtransplantation. Die 8 Kapitel
umfassen folgende Themen: 1. Das geschädigte Transplantat als akut entzündetes Organ
und erste Belege zur Existenz der innatalen Alloimmunität – eine Einschätzung der Arbeiten
zwischen 1990 und 2000, 2. Die oxidative Transplantatschädigung in revidierter Form zu Beginn des neuen Jahrtausends, 3. Schädigungsassoziierte molekulare Muster und ihre Erkennungsrezeptoren, 4. Die Rolle der Muster-Erkennungs-Rezeptoren bei der Vermittlung oxidativer Gewebeschädigung via dendritischer
Zellen, innataler Lymphozyten und T-Lymphozyten, 5. Erhärtung der Existenz der innatalen
Alloimmunität durch experimentelle und klinische Befunde, 6. Die chronische Transplantatdysfunktion – eine Modellerkrankung der innatalen Immunität, 7. Immunsuppressive Strategien im Licht der innatalen Alloimmunität.
Eine schnelle Orientierung beim Lesen erleichtern 5 Seiten mit Abkürzungen am Anfang des
Buches. Dazu dienen auch 90 meist farbige Abbildungen, eine Reihe von Tabellen sowie markierte Felder, die wesentliche Fakten einprägsam wiedergeben. Die verwendete Literatur
kann an jedem Kapitelende eingesehen werden, insgesamt 1945 Publikationen. Der zwölfseitige Index präsentiert alle Sachwörter sowie
alle dazugehörigen Seiten, auf denen nachgeschlagen werden kann.
Bereits im Vorwort stimmt W. G. Land seine Leser mit der Ankündigung, dass dieses Buch den
Beginn einer Ära reflektiert, auf eine umfassende Betrachtung der innatalen Immunität und
ihrer grundlegenden Bedeutung in der Organtransplantation ein. Ausgehend von Charles Janeway [1] wird ein Konzept vorgestellt, das die
innatale Immunerkennung und ihre Rolle bei
der Ausbildung einer adaptiven Immunität beinhaltet. Im Jahr 1994 wird erstmalig von W. G.
Land und seinen Mitarbeitern die Möglichkeit
diskutiert, dass die initiale Transplantatschädigung – auch bekannt als ischämischer Reperfusionsschaden – zur Entwicklung akuter und
chronischer Transplantatabstoßungsreaktionen führt. In einer randomisierten Studie konnten die Autoren nachweisen, dass die intraoperative Applikation der als Radikalfänger wirkenden Superoxiddismutase (SOD) zu einer
signifikanten Reduktion akuter und chronischer Rejektionen sowie einer Verbesserung
des 5-Jahres-Transplantatüberlebens führt.
Das war ein entscheidender Beleg dafür, dass
die Verminderung einer unspezifischen Reperfusionsschädigung des Transplantates zu einer
signifikanten Verminderung spezifischer immunologischer Rejektionsprozesse führt. Geplante multizentrische Studien zur Erhärtung
des Gefundenen scheiterten bislang nach Ansicht von G. W. Land am Desinteresse der pharmazeutischen Industrie. Immerhin wäre die
einmalige Applikation einer preiswerten SOD
aufgrund der positiven Langzeitfolgen durchaus im Interesse der Patienten. Aufgrund der
damaligen Beobachtungen wurde eine Hypothese entwickelt, die eine Reperfusionsschädigung durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS =
reactive oxygen species) zum Inhalt hat. Mit
der Behauptung, dass das initiale zur Rejektion
führende Ereignis nicht die primäre spezifische
Antigenerkennung durch T-Zellen, sondern eine unspezifische Endothelaktivierung ist, bedingt durch den Reperfusionsschaden und
freie Radikale, erscheint die grundlegende Bedeutung der Transplantationsantigene für die
Ausbildung einer Wirt-anti-Transplantatreaktion in einem neuen Licht. Da bei gleichen Versuchsbedingungen z.B. isogene und allogene
Rattennierentransplantate ohne jegliche Begleittherapie ein komplett differentes Schicksal haben, scheint die innatale Immunität allein
bei den Isotransplantaten keine folgenschwere
Organschädigung hervorzurufen, während die
Allotransplantate generell abgestoßen werden. Der Nachweis einer Hochregulierung von
MHC-Antigenen (Klasse I und II) durch die Reperfusionsschädigung mit nachfolgender TZellaktivierung bildet jedoch eine gute Verbindung zwischen innataler und adaptiver Immunität. Andererseits ließ sich im Rattenmodell
das Überleben von PUVA-behandelten (P=Psoralen, UVA=UV-A-Bestrahlung) Nierenallotransplantaten im Vergleich zu nicht-behandelten
signifikant verlängern, wobei die PUVA-Behandlung zu einer drastischen Verminderung
der Klasse-II-Antigenexpression an den dendritischen Zellen und damit zum Verlust ihrer Fähigkeit führte, den Wirtslymphozyten Antigen
zu präsentieren [2]. Wenn davon ausgegangen
werden kann, dass die nach Transplantation
einsetzende donor-spezifische Sensibilisierung ein prozeßhaftes Geschehen ist, sollten alle beteiligten Konstituenten, zumal sie in vivo
in enger zeitlicher Gemeinschaft und Kooperation wirken, ihre Bedeutung haben. In G. W.
Lands Hypothese kommen die für die Stärke
der sich ausbildenden Alloimmunantwort verantwortlichen HLA-Differenzen (vielleicht auch
aus didaktischen Gründen) relativ spät im Verlauf der innatalen Immuantwort ins Spiel, obwohl natürlich die erste Kontaktnahme der
Empfängerlymphozyten mit dem Antigenprofil des Spenderorgans bereits unmittelbar nach
Öffnen der Anastomosen erfolgt. Diese Zell-
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wechselwirkungen führen schließlich zu der
allgemein bekannten Induktion und Expansion
der adaptiven Immunantwort, die schließlich
zu der akuten Transplantatabstoßung führt.
Belegt scheint, dass die am Anfang des Prozesses stehende postischämische Reperfusion
nach Anschluss an das Gefäßsystem des Rezipienten zu einer ROS-vermittelten Transplantatschädigung führt. Diese Schädigung soll
dem Empfänger über Schädigungsmoleküle
(engl. DAMPs=danger associated molecular
patterns; Terminus geprägt durch Polly Matzinger) eine ‚Gefahr’ signalisieren. Da Organtransplantate nun eigentlich keine Gefahr für den
Wirt darstellen, erweitert W. G. Land diesen Begriff zu „damage-associated molecular pattern“. Diese DAMPs fungieren als endogene
Agonisten der verschiedenen Muster-Erkennungsrezeptoren – wie z.B. Toll-like Rezeptoren. Damit sind sie in der Lage, sowohl Rezeptor-tragende innatale Zellen (dendritische Zellen, Lymphozyten) als auch humorale Faktoren
(z.B. Komplement) zu aktivieren. Das Resultat
ist die Entstehung einer entzündlichen innatalen ‚Isoimmunantwort’, die in die Ausbildung
einer ‚Alloimmunantwort’ übergeht. Wesentliche Vertreter der von W. G. Land in 4 Klassen
eingeteilten DAMPs sind zum Beispiel HSP72
(Hitze-Schock-Protein), das HMGB1 (high mobility group box 1), Fibronektin, MICA und MICB
(MHC class I chain-related proteins A and B),
S100-Proteine und schädigungsinduzierte
Neo-Autoantigene. Bei der in der frühen proinflammatorischen Phase ausgelösten Aktivierung der dendritischen Zellen durch DAMPs
spielen PRRs – wie TLRs und RAGE (receptor of
advanced glycation end products) – unter Mitwirkung von Zytokinen eine entscheidende
Rolle. Diese aktivierten dendritischen Zellen
bewirken schließlich eine massive Expansion
und Differenzierung antigen-spezifischer Tund B-Zellen mit nachfolgender Transplantatabstoßung.
Akute Rejektionsepisoden wie auch chronische Transplantatschädigungen z.B. durch Hypertonie, Hyperlipidämie, Virusinfektionen
(CMV!) und die kontinuierliche Medikamentengabe führen nachfolgend wiederum zur Bildung von DAMPs sowie deren Erkennung von
PRR-tragenden Zellen des innatalen Immunsystems mit Ausbildung einer Transplantatdysfunktion. Allerdings fehlen bislang Beweise dafür, dass die innatalen Immunprozesse das
langzeitige Transplantatüberleben tatsächlich
bestimmen.
Für Ansatzpunkte zur Verbesserung der Transplantationsergebnisse unter Einbeziehung innataler Immunprozesse sieht G. W. Land drei
‚therapeutische Fenster’: 1. den Organspender
(vor oder während der Organentnahme), 2. die
Organpreservation (Arbeiten in Richtung Normothermie) und 3. den Empfänger (vor oder
während der Reperfusion). Einer oxidativen
Schädigung des Spenderorgans könnte z.B.
vorgebeugt werden durch neue Organpreservationslösungen mit artifiziellen Sauerstoffträgern, Hemmung der ROS-produzierenden Enzymsysteme und Hemmung des ‚oxidativen
burst’ durch Antioxidantien. Möglichkeiten dafür sind gegeben. Aufgelistete monoklonale
Antikörper gegen Komplement werden bereits
klinisch erforscht (Eculizumab). TLR-Antagonisten (TLR4 Inhibitors) sind in experimenteller
und klinischer Erprobung. Inwieweit MAP-Kinase-Inhibitoren bei Transplantatempfängern
zum Einsatz kommen werden, muss die Zukunft zeigen. Ebenso ist offen, ob monoklonale
Antikörper gegen DAMPs oder PRRs ihren Einsatz zur Unterdrückung der innatalen Immunität finden werden. Diese Liste ließe sich bei Betrachtung aller Konstituenten der innatalen
Immunität erheblich ausweiten, wobei aber
kaum die gegenwärtige Forderung nach einer
maßgeschneiderten oder sogar spezifischen
Immunsuppression erfüllt wird.
Trotz allem muss die Suche nach Möglichkeiten zur Verbesserung der Langzeitergebnisse
nach Organtransplantation intensiv fortgesetzt werden. Das vorliegende Buch bietet dafür eine Reihe interessanter Ansatzpunkte.
Gleichzeitig darf aber die Balance zwischen innataler und adaptiver Immunität nicht verloren gehen. Das Werk ist allen Medizinern und
Naturwissenschaftlern, die sich mit den Grundlagen der Organtransplantation befassen, sehr
zu empfehlen.
Literatur
1. Janeway CA Jr. Approaching the asymptote? Evolution and revolution in Immunology. Cold Spring
Harb Symp Quant Biol 1989; 54: 1-13
2. von Gaudecker B, Petersen R, Epstein M, Kaden J,
Oesterwitz H. Down-regulation of MHC-expression
on dendritic cells in rat kidney grafts by PUVA pretreatment. In: Kamperdijk et al. (Eds.) Dendritic
Cells in Fundamental and Clinical Immunology
(pp. 495-9). New York: Plenum Press, 1993
Doz. Dr. sc. med. Jürgen Kaden
Torstr. 203
10115 Berlin
[email protected]
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