2.5.3 Krafte 2.5.3.1 Fundamentale Krafte In der Einfuhrung (Abschnitt 1.1) haben wir die fundamentalen Krafte Gravitationskraft, elektroschwache Kraft und starke Kernkraft schon gestreift. Mit Ausnahme der starken Kernkraft, deren Reichweite auf die subatomaren Dimensionen (< 10;15 m) beschrankt ist und der schwachen Erscheinungsform der elektroschwachen Kraft, deren Reichweite noch kurzer ist, wollen wir nun die fundamentalen Krafte etwas naher untersuchen. 2.5.3.1.1 Gravitationskraft und Gewicht Wir beobachten, dass alle Korper | unabhangig von Form und Masse | im Vakuum und an der gleichen Stelle der Erdoberache | beim freien Fall die gleiche Beschleunigung g erfahren. Nach dem 2. Newton'sche Prinzip ist die Beschleunigung ~g eine Konsequenz einer Kraft G~ , der Gewichtkraft bzw. der Anziehungskraft der Erde auf den Korper: G~ = m~g = G~ = G~ ! Nach dem 3. Newton'schen Prinzip ubt der Korper auf die Erde eine Kraft G~ EK G~ EK E rde K o rper KE aus, mit = ;G~ KE Das Gewicht eines Korpers ist eine Volumenkraft. Sie wirkt auf jeden Massenpunkt m oder jedes Massenelement dM eines Korpers, und unterscheidet sich damit von den Oberachenkraften, die wir spater kennen lernen werden. Wir meinen damit das folgende: i u m i u u ; u; ; u; ; u; ; u; ; u; ; u; e e G~ ? u M V i Z G~ = V G~ = m ~g G~ = m ~g = M~g X X G~ = i Z V i i i dG~ = ~g dm ~g dm = ~g dm = M~g i i dm dG Die obigen Beziehungen gelten nur, wenn die Massenverteilungen nicht allzu ausgedehnt sind, der Abstand vom Erdzentrum als naherungsweise konstant angesehen werden kann. Die totale Gewichtskraft G~ , die resultierende Kraft aller auf die einzelnen Massen oder Massenelemente wirkenden Gewichtskrafte, greift im sogenannten Schwerpunkt an, wie wir das spater im Abschnitt 2.7.1 noch beweisen werden. Fur eine kugelsymmetrische oder quaderformige, homogene Massenverteilung liegt der Schwerpunkt im geometrischem Zentrum. Die Kraft G~ greift daher im Erdmittelpunkt an. Es gelang Newton, die Beobachtungen Galilei's zum Gewicht und die Kepler'schen Gesetze uber Planetenbahnen in einem allgemeineren Kraftgesetz, dem Gravitationsgesetz zu vereinen. Die Kepler'schen Gesetze lauten: KE 2.32 i) Planetenbahnen sind Ellipsen mit der Sonne in einem Brennpunkt. dA F1=S P ∆ a F2 b p Exzentrizitat : = a2 ; b2 Brennpunkt : F1 P + F2 P = 2a fur jeden Punkt der Ellipse; a = grosse, b = kleine Halbachse ii) Die von der Sonne aus gemessenen Ortsvektoren der Planeten uberstreichen pro Zeiteinheit die gleiche Flache. dA = const: = Fache der Ellipse = ab dt Umlaufszeit T iii) Die Quadrate der Umlaufzeiten der Planeten verhalten sich wie die Kuben der grossen Achsen ihrer Bahnellipsen. Planet Merkur Venus Erde Mars Jupiter Saturn Uranus Neptun Pluto T 2 / a3 a [10 km] 5.795 10.81 14.96 22.78 77.81 142.7 287.0 450.0 590.0 7 =a T T 2=a3 0.2056 0.7602 0.0068 1.941 0.0167 3.156 0.0934 5.935 0.0484 37.43 0.0543 92.96 0.0460 265.1 0.0082 520.0 0.2481 783.7 2.969 2.982 2.977 2.978 2.973 2.973 2.972 2.968 2.977 [10 s] [10;3 s2 /km3] 7 Tabelle 2.1: Daten fur die Planetenbahnen. a = grosse Hauptachse, = Exzentrizitat der Ellipse, T = Umlaufszeit. Die letzte Kolonne enthalt die Kombination von a und T die nach dem 3. Kepler'schen Gesetz konstant sein sollte. Im Jahre 1687 konnte Newton diese drei Kepler'schen Gesetze mit Hilfe seines Aktionsprinzips und des Gravitationsgesetzes begrunden. Letzteres postuliert, dass sich zwei Korper mit spharisch-symmetrischer Massenverteilung immer mit je einer Kraft anziehen, die proportional zu den beiden Massen und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstands ist. In vektorieller Form geschrieben gilt G~ G~ j m1 21 - ~r12 12 r12 2~ F~ = G~ 12 = ;; m1 m 3 r -j m2 G 12 Ist die Masse des 2. Newton'schen Prinzips (\trage" Masse) zur Masse des Gravitationsgesetzes (\schwere" Masse) proportional ? (Von Gleichheit der beiden Massen konnen wir nicht ohne weiteres sprechen, da sie in ganz verschiedenen Grundgesetzen auftreten.) Diese Frage 2.33 hat die Physiker lange beschaftigt. Experimente haben die Proportionalitat mindestens fur makroskopische Korper mit grosser Genauigkeit bestatigt. Deshalb ist es erlaubt, die schwere Masse im Gravitationsgesetz der tragen gleichzusetzen (Proportionalitatsfaktor = 1). Die Gravitationskonstante lasst sich dann empirisch bestimmen zu 2 ; = 6:67 10;11 Nm2 kg ; ist eine der fundamentalen Naturkonstanten (siehe auch Tabelle 1.7). Das Gewicht eines Korpers auf der Erdoberache ist eine Gravitationskraft. Mit m1 = m = Masse der Erde, r = Erdradius und m = Masse des zu wagenden Korpers, gilt fur das Gewicht ) g = ;rm2 = 9:81 ms;2 G = ; mr2m = mg ) m = ;g r2 E E E E E e E E r = 6:37 106 m ) m = 5:97 1024 kg E E Die mittlere Dichte der Erde ist somit = mV = 5490 kg=m3 E E und so bedeutend grosser als die Dichte an der Oberache 0 = (2:5 ; 2:7) 103 kg=m3 Folgen aus dem Graviationsgesetz die Kepler'schen Gesetze wie wir behauptet haben. Tabelle 2.1 enthalt einige Angaben zu den Planetenbahnen, wie die grosse Hauptachse a, die Exzentrizitat und die Umlaufszeit T . Da die Exzentrizitat relativ klein ist, mit der Ausnahme von Merkur und Pluto, konnen wir unseren Beweis fur eine Kreisbahn fuhren. Die Gravitationskraft der Sonne auf den Planeten G~ zeigt auf das Zentrum der Bahn, die Sonne. Die Umlaufsgeschwindigkeit ist konstant, d. h. a = 0. Es gilt dann: v 2 = jG~ j = mM ; P m j ~ a j = ma = m ϕ d r r2 SP T sM; v = r = const: sr 2r N r dA r GSP dϕ N SP v = r! = r d dt 3 4 2 a3 mit r = a T = v = 2 M ; ) T 2 = M ; S Der Radiusvektor uberstreicht im Zeitintervall dt die Flache dA = r2d: dA = r2 d = rv = const: dt dt GPS Aus den Daten fur die Erde aus Tabelle 2.1 lasst sich z. B. die Masse der Sonne berechnen zu M = 2 1030 kg. Experiment von Cavendish: Ein Experiment, mit dem man die Gravitationskonstante ; messen kann, ist dasjenige von Cavendish. Es benutzt eine sogenannte Torsionswaage, d. h. ein an einem langen dunnen Draht aufgehangtes, horizontales Pendel (siehe Abbildung 2.23) Schatzen wir die Empndlichkeit ab. Die Masse m wird durch die Anziehung von M (1 kg) beschleunigt: ;9 m=s2 a = ;M = 2 10 2 r S 2.34 z jB mu S r (((( u (((((( @ A ` M A@ zA B j A @ A Licht A @ A 2@ R @ AU Abbildung 2.23: Cavendish-Experiment: A bezeichnet die Anfangsstellung, B die Endstellung der beiden grossen Massen M , den Drehwinkel des Torsionspendels nach dem A ndern der Stellung von A nach B, der durch den am Spiegel S reektierten Lichtstrahl sichtbar gemacht wird. Mit ` = 0:1 m, Abstand der Skala zum Spiegel d = 40 m, und damit einer Vergrosserung von 4d=` = 1600, ist a(Lichtstrahl)= 3:2 10;6 m/s2. Der Lichtstrahl wandert 0.1 m in 250 s. Zusatz: Wir haben die Gravitation durch ein Fernwirkungsgesetz beschrieben. Im letzten Jahrhundert hat sich aber eine Denkweise durchgesetzt, die von einer lokalen Kraftwirkung ausgeht und dazu den Begri des Kraftfelds benutzt. Diesen wollen wir nun einfuhren. Dazu denken wir uns einen einzelnen Korper gegeben. Durch seine Anwesenheit werden die Eigenschaften des ihn umgebenden Raums verandert. Jedem Raumpunkt ~r wird eine gewisse lokale Grosse, die Feldstarke, zugeordnet, aus der die Gravitationskraft G~ auf eine kleine, kugelformige Probemasse (= Massenpunkt) an der Stelle ~r bestimmt werden kann. Wir denieren als Feldstarke die Gravitationskraft pro Masseneinheit ~ ~g(~r) = Gm(~r) : Ist der felderzeugende Korper kugelformig (mit kugel-symmetrischer Dichte = (r)) mit der Masse M , so ist oensichtlich: r Feldstarke des Gravitationsfeldes : ~g (r) = ;; M~ r3 ~r wird vom Mittelpunkt des felderzeugenden Korpers aus gerechnet. Das Gravitationsfeld ~g ist ein Zentralfeld (Abbildung 2.24). A A mr ~g (~ r) H HH AA H H A z H A HHH M A H A A A Abbildung 2.24: Das Gravitationsfeld einer spharisch symmetrischen Massenverteilung ist ein Zentralfeld. Die Kraftwirkung ist auf das Zentrum (Masse M ) hin gerichtet Die auf die Masseneinheit bezogene Starke des Gravitationsfeldes ist, wie wir aus den obigen Beziehungen sehen, gleich der Beschleunigung eines Massenpunkts an der Stelle ~r des Raums. Auf der Erdoberache ist also g (r ) = 9:81 ms;2 E 2.35 Das eben eingefuhrte Gravitationsfeld bringt zunachst keine tiefere Einsicht in das Wesen der Gravitation. Es druckt den gleichen physikalischen Sachverhalt aus wie das altere Fernwirkungsgesetz. Was fur uns aber wichtig ist, ist das Feldkonzept, das aus der neueren Physik nicht mehr fortzudenken ist. In der Elektrodynamik wird es fur uns von entscheidender Bedeutung werden, da zeitlich veranderliche Wechselwirkungen nicht mehr mit Fernwirkungsgesetzen beschrieben werden konnen. 2.5.3.1.2 Elektromagnetische Krafte: Coulomb- und Lorentz-Kraft Die Coulomb-Kraft ist eine Erscheinungsform der elektroschwachen Kraft. Das Experiment demonstriert, dass durch geeignete Hilfsmittel, als da sind Katzenfelle, Glasstabe, Lederschurzen, Plastikstabe lassen sich gewisse Korper in einen Zustand bringen, in dem sie Krafte aufeinander ausuben, die viele Grossenordnungen starker sind als die Gravitationskraft. Wir schreiben diese Eigenschaft der elektrischen Auadung zu, d. h. es gelang uns durch mechanische Einwirkung an sich neutrale Materie in einen Zustand zu bringen, wo die negativen Ladungen der Elektronen nicht mehr vollstandig durch die positiven Ladungen der Protonen kompensiert werden. Das quantitative Kraftgesetz wurde von Charles Augustin de Coulomb [1736 ; 1806] formuliert und sagt aus, dass zwei spharisch-symmetrische Ladungsverteilungen sich anziehen oder abstossen, je nachdem ob sie ungleichnamig oder gleichnamig geladen sind. Die Kraft ist dabei proportional zum Produkt der beiden Ladungen und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstands. In vektorieller Schreibweise ist F~21 F~12 = F~ 1 Qq~r12 F~ = 4 j -j 3 0 r12 ~r12 C C Q q Die Einheit der Ladung ist C (Coulomb) = 1 As (Ampere-Sekunde). Die Proportionalitatskonstante betragt 2 0 = 8:85 10;12 (As)2 Nm Vergleichen wir die beiden beschriebenen fundamentalen Krafte, so nden wir gewisse Analogien, aber auch wesentliche Unterschiede, auf die wir schon im Abschnitt 1.1 hingewiesen hatten. Das Kraftgesetz ist in seiner Abhangigkeit vom Abstandsvektor her gleich. Hingegen kann die Coulomb-Kraft sowohl anziehend wie abstossend sein, wahrend die Gravitationskraft nur anziehend ist: es gibt nur eine Art (+) Masse, wahrend zwei Arten () von Ladungen existieren. Ferner existieren Elementarteilchen, die zwar Masse, aber keine Ladung haben; Ladung ohne Masse kommt nicht vor. Es beruht auf diesen Unterschieden, dass in grossen Dimensionen (Erde, Sonnensystem) nur die Gravitationskraft in Erscheinung tritt. Dies ist keineswegs selbstverstandlich, da im Bereich der Elementarteilchen und Atome die Coulomb-Kraft bei weitem uberwiegt. Betrachten wir z. B. zwei Protonen und vergleichen die anziehende Gravitationskraft zwischen ihnen mit der abstossenden Coulomb-Kraft, so nden wir fur das Verhaltnis der Betrage F = Q2 1 ' 1036 F 40 ;m2 In Anbetracht dieser enorm grossen Zahl ist es nicht verwunderlich, dass die Wirkung der Gravitationskraft auf geladene Elementarteilchen experimentell gar nicht nachweisbar ist. Dass dagegen zwischen Erde und Sonne nur die Gravitationskraft wirkt, beruht oenbar darauf, dass C p G p 2.36 jeder der beiden Korper genau gleich viel positive und negative Ladung, aber nur positive Masse enthalt. Zusatz: A hnlich wie im Fall der Gravitation konnen wir hier das elektrische Feld E~ (~r) einfuhren. E~ (~r) ist dabei die Kraft pro Ladungseinheit, die eine Punktladung am Ort ~r des Raumes erfahrt. Das E~ -Feld wird durch geladene Korper erzeugt, deren Form beliebig ist und die sich in Ruhe benden. Ist der felderzeugende, geladene Korper punktformig, so ist die Feldstarke nach dem Coulomb'schen Gesetz 1 Q~r : E~ (~r) = 4 3 0 r Die Kraft auf die Probeladung q ist dann F~ = q E~ . Wir haben wiederum ein Zentralfeld. Fur eine positive Ladung Q zeigen die Feldvektoren radial nach aussen. Die Feldlinien \laufen" von der Quelle weg. Fur eine negative Ladung Q weisen die Feldvektoren nach innen. Dies ist in Abbildung 2.25 illustriert. C ;qrE~ (~r) A A ~ (~r) F A C HHA z H A H A HH +Q A HH A A A H H A A ;qr F~ C (~r) ~ (~r) E A HHA HA z H A HH Q A HH A A A H H ; Abbildung 2.25: Das elektrische Feld einer spharisch symmetrischen Ladungsverteilung ist ein Zentralfeld. Die Kraftwirkung ist auf das Zentrum (Ladung Q) hin gerichtet, wenn die Probeladung q das entgegengesetzte Vorzeichen hat wie die felderzeugende Ladung Q bzw. vom Zentrum weg radial nach aussen gerichtet bei zwei Ladungen gleichen Vorzeichens. Eine andere Form der elektroschwachen Kraft ist die sogennannte Lorentz-Kraft. JeanBaptiste Biot [1774 ; 1862] und Felix Savart [1791 ; 1841] untersuchten die Kraftwirkungen zwischen elektrischen Stromen. Sie wurden implizit schon im Abschnitt 1.5.1 bei der Festlegung der Einheit Ampere erwahnt (Abbildung 2.26). Solche Krafte zwischen bewegten Ladungen (Stromen) sind durch ein Kraftgesetz erklarbar, das von Hendrik Antoon Lorentz [1853 ; 1928] formuliert worden ist. Bewegte elektrische Ladungen erzeugen neben dem elektrischen ein weiteres Feld, das magnetische Feld B~ (~r). Abbildung 2.27 zeigt eine gebrauchliche Anordnung von stromfuhrenden Drahten, mit denen Magnetfelder erzeugt werden, im Vergleich zu einem Dipolstabmagneten aus magnetisiertem Eisen. Bewegt sich nun ein Teilchen mit Ladung q durch das B -Feld mit F~ 6 ~ einer Geschwindigkeit ~v , so wirkt auf es eine Kraft, die proportional 3B zu q; v und B ist und senkrecht zur Ebene steht, die von ~v und B~ aufgespannt wird. Exakt ausgedruckt gilt L ~v F~ = q(~v B~ ) Lorentz ; Kraft jF j = qvB sin L L 2.37 6 1m F~21 1 - 6 1A 1m 2 ? 1A 1m F~12 ? Abbildung 2.26: Denition der Einheit der Stromstarke: 1 Ampere (A) ist die Starke eines zeitlich konstanten Stroms, der, durch zwei im Vakuum im Abstand von 1 m parallel verlaufende, geradlinige, unendlich lange Leiter von vernachlassigbarem Durchmesser iessend, eine gegenseitige Kraft von 2 10;7 Newton pro Meter Drahtlange, erzeugt. B heisst die magnetische Induktion. ~v; B~ und F~ bilden ein Rechtssystem nach der Schraubenzieherregel. ~v B~ ist das Vektorprodukt der beiden Vektoren ~v und B~ (siehe Storrer, op. cit., L p. 16 -19) Seit der Formulierung der Relativitatstheorie durch Einstein wissen wir, dass die LorentzKraft eine relativistische Folge der Coulomb-Kraft und keine unabhangige Fundamentalkraft ist. Die Existenz der Lorentz-Kraft lasst sich z. B. mit einem Kathodenstrahloszillographen (oder auch mit dem Fernseher) demonstrieren, wenn man uber einen Stabmagneten verfugt. Der Elektronenstrahl wird abgelenkt, wobei die Ablenkung ihr Vorzeichen mit der Feldrichtung andert. Mit F~ ? ~v gilt auch ~a ? ~v, d. h. der Beschleunigungsvektor steht senkrecht zum Geschwindigkeitsvektor, die Beschleunigung hat nur eine Normalkomponente. Unter diesen Umstanden andert sich, wie wir im Abschnitt 2.4.3 gesehen haben, der Betrag der Geschwindigkeit nicht, sondern nur deren Richtung. Ist das Magnetfeld B~ konstant, so nden wir fur die Bahnkurve eine Kreisbahn r, die das Teilchen mit konstanter Schnelligkeit v durchlauft: L 2 Aktionsprinzip ma = m v = F = qvB ) r = mv = p N r L 2.5.3.2 Abgeleitete Krafte qB qB Wahrend wir die Gravitationskraft, Coulomb-Kraft und im allgemeineren Sinn auch die Lorentz-Kraft zu den fundamentalen Kraften zahlen, sprechen wir bei einer von uns aus dem taglichen Leben vertrauten Kraften von abgeleiteten Kraften. Was wir damit meinen ist das folgende. Diese Krafte lassen sich mikroskopisch immer auf die fundamentalen Krafte zuruckfuhren. Muskelkrafte, Federkrafte, Zugkrafte und Reibungskrafte haben ihren Ursprung immer in den lokalen Verschiebungen der Ladungsverteilungen von Atomen und Molekulen und sind daher letzlich Coulomb-Krafte. Sie sind aber nur in wenigen Fallen direkt aus der Anwendung der Coulomb-Kraft auf diese komplizierten Systeme von vielen geladenen Teilchen berechenbar. Es ist daher praktischer fur die Anwendungen im taglichen Leben sich eine Reihe von phanomenologischen, d. h. von Experimenten abgeleiteten Erfahrungsregeln zu merken, mit denen Beispiele in denen solche Krafte auftreten, behandelt werden konnen. Wir beginnen mit Oberachenkraften. 2.38 i B B I N I Abbildung 2.27: Magnetische Feldlinien (an jedem Punkt parallel zur Richtung des lokalen Magnetfeldes) fur eine Luftspule und einen Permanentmagneten aus Magnetit. S i (a) (b) 2.5.3.2.1 Oberachenkrafte und Reibung Oberachenkrafte sind mikroskopisch Krafte zwischen den einzelnen Atomen an einer der beiden Oberachen und jenen an der anderen. Wenn man zwei sehr gut polierte und gereinigte Oberachen des gleichen Materials in sehr gutem Vakuum zusammenbringt, dann kann man sie nicht mehr gegeneinander verschieben, sie verschweissen sich kalt zu einem Stuck Metall. Sogar in Luft halten zwei sehr gut polierte Metalloberachen so gut zusammen, dass man sie nur mit Drehbewegungen von einander losen kann. Auch wenn die Oberachenatome ungeladen sind, bewirken die Coulomb-Krafte eine Verschiebung der Elektronenhulle gegenuber dem Kern, und sorgen bei sehr kleinen Abstanden fur Abstossen, in grosseren Abstanden schwach und nach aussen abnehmend fur Anziehung. Auf atomarer Skala sehen Oberachen, wie man dass zum Beispiel im Rastertunnelmikroskop sichtbar machen kann, aus wie Gebirge mit Irregularitaten von einigen hundert bis tausend atomaren Durchmessern. Langere Zeit der Luft ausgesetzte Oberachen sind in der Regel von Oxydschichten bedeckt, die Kaltverschweissen reduzieren. (a) (b) Abbildung 2.28: Der Mechanismus der Gleitreibung. Die obere Oberache gleitet nach rechts uber die untere Oberache. Im vergrosserten Ausschnitt ist ein Abschnitt mit zwei potentiellen Kaltverschweissungen gezeigt. Wie Abbildung 2.28 illustriert, ist die wirkliche mikroskopische Kontaktache in der Regel etwa um einen Faktor 10000 kleiner als die makroskopische Flache. Die Oberachen verschweissen kalt nur an vielen Einzelpunkten. Wenn man die beiden Oberachen gegeneinander verschiebt, brechen diese Verschweissungen kontinuierlich und formieren sich an anderen Punkten neu. Zum Aufbrechen ist Kraft notig, die man gewohnlich als Reibung bezeichnet. Man hat zum Beispiel inder Automobilindustrie Zylinderkolben durch Bestrahlen radioaktiv gemacht und durch Untersuchung des Schmierols zeigen konnen, dass standig kleinste Bruchstucke des Metalls bei der gegenseitigen Bewegung vom Kolben und Zylinder abtransportiert werden. 2.39 An der Beruhrungsstelle zweier Korper 1 und 2 treten zwei Krafte auf, namlich F~12 an der Oberache des Korpers 2 und F~21 an der Oberache des Korpers 1, wobei nach dem 3. Newton'schen Prinzip F~12 = ;F~21 gilt. Es ist ublich, diese Krafte in Komponenten normal und tangential zur Beruhrungsebene zu zerlegen. Wir nennen diese Komponenten Normalkraft N~ und Reibung R~ . Dabei ist F~ = N~ + R~ ; und, wie aus der Figur folgt, F21 N21 R21 R12 N12 F12 N~ 12 = ;N~ 21 und R~ 12 = ;R~ 21 : dF~ 6 dN~ A K A A A A Ar dR~ dA Beruhren sich zwei Korper an mehreren Punkten, so fasst man die Kafte pro Flacheneinheit zusammen: An jedem dierentiellen Flachenelement dA greift die Oberachenkraft dF~ an. Dabei ist wie~ der dF~ = dN~ + dR~ . Die Kraft pro Flachenelement dF=dA heisst die Spannung in dA. Insbesondere ist dN~ = ~ die Normalspannung; dA dR~ = ~ die Schubspannung dA Schub- und Normalspannungen spielen u. a. in der Festigkeits- und Elastizitatslehre (siehe Abschnitt 2.10), sowie in der Dynamik der Gase und Flussigkeiten eine bedeutsame Rolle (Abschnitt 2.11). Unter Umstanden konnen verteilte Oberachenkrafte zu einer Resultierenden zusammengefasst werden, indem man sie uber die Beruhrungsache BF integriert. N~ = Z BF dN~ ist die totale Normalkraft; R~ = Z BF dR~ ist die totale Reibungskraft: Der eektive Angrispunkt muss dabei von Fall zu Fall aus zusatzlichen Bedingungen bestimmt werden. Fur Translationen spielt seine Lage keine Rolle. Im Beispiel des ruhenden Wurfels auf schiefer Ebene wird der Angrispunkt von R~ und N~ aus der Drehmomentenbedingung be~ R~ und N~ sich in eistimmt. Damit er nicht umkippt, mussen G; nem Punkt schneiden. Die Summe der Drehwirkungen der Krafte ist dann Null, wie wir spater einsehen werden. N dR R dN α G Wie schon erwahnt, ist es nicht moglich, fur die Oberachenkraft F~ ein Kraftgesetz anzugeben. Da sie sehr stark vom Abstand abhangig ist, ware dies auch gar nicht sinnvoll. Denn schon bei Verschiebungen der makroskopischen Korper um atomare, also unmerkliche Distanzen, konnte sie z.B. von Abstossung in Anziehung ubergehen. Empirisch nden wir folgend Zusammenhange: Trockene Oberachen: Die Anziehungskraft an den Beruhrungsachen zweier trockener Korper ist im allgemeinen so schwach, dass sie vernachlassigt werden kann. Dies beruht darauf, 2.40 dass die Oberachen, mikroskopisch betrachtet, sich infolge ihrer Rauhigkeit nur an wenigen Stellen wirklich nahe kommen, wie wir oben erwahnt haben. Die Eekte der gegenseitigen Anziehung, d. h. das Kaltverschweissen werden wir vernachlassigen und annehmen, dass die Normalkraft abstossend ist. Zwischen den Komponenten N~ und R~ lasst sich eine empirische Beziehung aufstellen. Die eigene Erfahrung lehrt, dass die Reibungskraft R~ mit zunehmender Normalkraft N~ wachst. Es sind allerdings zwei Falle zu unterscheiden, namlich Haften bei relativ zueinander ruhenden Oberachen und Gleiten bei relativ zueinander bewegten Oberachen. Dies ist in Abbildung 2.29 illustriert. Die genaue Analyse der in Abbildung 2.29 dargestellten Situation mit Hilfe des 1. Newton'schen Prinzips ergibt das folgende: Haftreibung: Solange der Klotz ruht, an der Unterlage also haftet, gilt F~ = G~ + F~ + N~ + R~ = 0 Das Gewicht G~ und die Zugkraft F~ sind bekannt. Wie gross ist dann N~ und R~ ? Wir fuhren ein rechtwinkliges Koordinatensystem ein (z nach oben, x nach links) und zerlegen tot a H a H die obige Gleichung in Komponenten F F z;tot x;tot =N;G=0 )N =G =F ;R =0 )R =F a H H a Wahrend N hier wie das Gewicht konstant ist, andert sich R, wenn wir F andern. Dies gilt bis die Haftreibung R ihre obere Grenze erreicht, die von der Normalkraft N abhangt. Es gilt 0R N Die obere Grenze der Haftreibung ist proportional zur Normalkraft. Fur R selber haben wir nur eine Ungleichung. Der Proportionalitatsfaktor heisst Haftreibungskoezient. Gleitreibung: U berschreitet die aussere Kraft F im obigen Beispiel den maximalen Wert von R , so resultiert eine Kraft in x-Richtung, der Klotz setzt sich in Bewegung, er gleitet. Wieder aus der Erfahrung wissen wir, dass in diesem Fall die Reibungskraft R direkt proportional zur Normalkraft ist. Es gilt a H H H H H a H G R = N : G G Der Gleitreibungskoezient ist meistens etwas kleiner als fur die gleichen Oberachen. In Anbetracht des zu Beginn des Abschnitt gesagten, ist klar, dass die Materialgrossen und , die nur pauschale Wirkungen der interatomaren Krafte beschreiben, nicht prazis bestimmt werden konnen, da sie sehr kritisch von der Oberachen-form, rauhigkeit und -reinheit abhangen. Ganz allgemein wird dies fur die meisten sogenannten Materialgrossen gelten und damit auch fur Zusammenhange, die solche enthalten. G H H G Aus den obigen Beziehungen fur R und R geht hervor, dass die Reibung nicht von der Grosse der Beruhrungsache abhangt. Auch diese Aussage gilt nur genahert, z. B. nur sofern sich die Flachen unter der Wirkung der Normalkraft nicht deformieren (ideal starre Korper). H G 2.41 N G (a) N RH F G (b) Keine Bewegung N RH F (c) H N s RH F N RG F a Beschleunigung G (e) N RG F v Konstante Geschwindigkeit G (f) Grösse der Reibungskraft maximale Haftreibung (g) RG ist nahezu konstant Abriss 0 G k G (d) Abbildung 2.29: Krafte auf einen ruhenden Klotz, der mit einer variablen Zugkraft uber einen Tisch gezogen wird. Das Bild ist HalidayResnick-Walker entnommen. G~ bezeichnet das Gewicht des Klotzes ~ bei H-R-W)), F~ die va(weight W riable Zugkraft, R~ die Haftreibung (static friction f~ ), R~ die Gleitreibung (kinetic friction f~ ). Wahrend der Klotz ruht (a-c) halten sich in horizontaler Richtung die Haftreibung und die Zugkraft die Waage. Wenn die Zugkraft zunimmt, nimmt auch die Haftreibung zu bis sie einen gewissen Maximalwert erreicht (d). Dann beginnt sich der Klotz sprunghaft zu bewegen, d. h. er wird beschleunigt (e). Damit sich der Klotz dann weiter mit konstanter Geschwindigkeit bewegen kann (f), muss die angewendete Zugkraft reduziert werden vom beobachteten Maximalwert. Die Zugkraft zum U berwinden der Gleitreibung ist kleiner. Dieser Zusammenhang ist im untersten Bild dargestellt, wo wir die Grosse der Zugkraft in Funktion der Zeit dargestellt nden. Zeit 2.42 Zusatz: Im gewahlten Beispiel des auf einer Unterlage ruhenden Klotzes sind Normalkraft und Gewicht entgegengesetzt gleich, aber sie sind nicht Reaktionspartner im Sinne des dritten Newton'schen Prinzips, denn die beiden Krafte greifen am gleichen Objekt an. Das Gewicht ist eine Graviationskraft der Erde auf den Klotz, die dazugehorige Reaktionskraft ist die im Erdzentrum angreifende Anziehungskraft des Klotzes auf die Erde. Die Normalkraft ist eine Oberachenkraft elektromagnetischen Ursprungs die von der Unterlage auf den Klotz wirkt (N~ = N~ ). Ihr Reaktionspartner im Sinne des 3. Newton'schen Prinzips ist die vom Klotz auf die Unterlage wirkende und auch dort angreifende Oberachenkraft N~ . Der Mechanismus, der dafur sorgt, dass die Normalkomponente der Gewichtskraft durch eine Kraft der Unterlage auf den Korper kompensiert wird, besteht in einer elastischen, allerdings in diesem Fall kaum sichtbaren Deformation der Unterlage. Wenn man auf die Oberachen einwirkt, z. B. durch Verleimen, durch Verwenden magnetischer Tischplatten und eiserner Bodenplatten am Klotz kann man die Normalkraft sogar grosser machen als das Gewicht. Durch Vergrossern der Oberachen kann die Haftreibung bei gleichen Normalkraften ebenfalls vergrossert werden. Dieses Prinzip wird z. B. beim Bergsteigen vielfaltig angewendet. Nasse Oberachen: Ganz anders als im vorigen Fall verhalten sich die Krafte zwischen zwei Beruhrungsachen, wenn die Zwischenraume ganz mit Flussigkeit ausgefullt sind. UK KU Normalkraft: Die Anziehungskrafte zwischen den Atomen oder Molekulen kommen voll zur Wirkung, d. h. die Normalkraft kann jetzt auch anziehend sein. Sorgen wir dafur, dass die Flussigkeit sehr zah ist oder sich verfestigt und somit nicht wegiessen kann, so kleben die Korper aneinander: Die Flussigkeit wirkt als Klebsto. Reibung: Bewegt sich ein Korper in einer Flussigkeit, so spricht man von viskoser Reibung. Eine Haftreibung existiert nicht. Bei genugend kleinen Geschwindigkeiten gilt R~ = ;~v V Die Proportionalitatskonstante hangt von der Form und Grosse der Oberache und der Zahigkeit (Viskositat ) der Flussigkeit ab. Fur eine Kugel mit Radius r gilt z. B. kg ] = 10 [Poise] [ ] = [ ms = 6r Bei grosseren Geschwindigkeiten nimmt die Reibung infolge von Wirbelbildung mit der Geschwindigkeit quadratisch zu, R / v 2 Fullen wir den Zwischenraum zwischen zwei Korpern so mit einer Flussigkeit aus, dass sie sich nicht mehr direkt beruhren, so gelten ebenfalls die obigen Beziehungen. Fur kleine Geschwindigkeiten ist auch die viskose Gleitreibung gegenuber der trockenen Reibung stark reduziert: Die Flussigkeit ist ein Schmiermittel. 2.5.3.2.2 Faden- und Federkrafte Ist ein Korper K an einem Faden oder an einer Feder befestigt, so wirken auf ihn an der Befestigungsstelle Oberachenkrafte, wie wir sie oben diskutiert haben. Ein Faden ubt auf K immer eine Zugkraft in Fadenrichtung aus. Die Kraft einer Feder hat ebenfalls die Richtung der Federachse. Im idealen Fall ist die Kraft proportional zur Verlangerung x der Feder gegenuber ihrer Ruhelange, d. h. auf den Korper 2.43 K wirkt F = ;kx, wo k die sogennnte Federkonstante oder -steigkeit ist. Eine gedehnte Feder zieht, eine gestauchte stosst den Korper zur Ruhelage, x = 0, hin. Man kann diese x Beziehung auch etwas allgemeiner vektoriell schreiben, wenn wir die Verlangerung der Feder aus der Ruhelage mit ~r bezeichnen und damit eine beliebige Richtung zulassen: F~ = k~r 2.5.3.2.3 Auftriebskrafte In Gasen und Flussigkeiten wirkt eine statische Auftriebskraft A~ (siehe Abschnitt 2.11.1) auf einen eingetauchten Korper, die dem Gewicht des Korpers entgegengesetzt ist, und deren Betrag dem Gewicht der verdrangten Flussigkeit (Deplacement) gleich ist: A~ = ; V ~g Fl ist die Dichte des Flussigkeit, V das Volumen der verdrangten Flussigkeit. Die Auftriebskraft ist eine Volumenkraft wie das Gewicht, ihr Angrispunkt ist daher der Schwerpunkt des Korpers. Wenn die Dichte des Korpers kleiner ist als die der Flussigkeit, dann steigt der Korper auf, wenn > gilt beobachten wir absinken. In Flussigkeitsstromungen treten auch dynamische Auftriebskrafte auf, die von den Anstromgeschwindigkeit auf das Objekt und der Form des Objekts abhangen (Flugzeugugelprole, Vogelugel etc.). Hierauf gehen wir im Abschnitt 2.11.2 naher ein. Fl K K Fl Zusammenfassung: Kraftgesetze Gravitationskraft: Zwei Massen m1 und m2 im Abstand r12 uben aufeinander eine anziehende Kraft G~ 12 = ;G~ 21 = F~ aus: G F~ = ;;m1 m2 ~rr12 3 G 12 2 Gravitationskonstante ; = 6:67 10;11 Nm2 kg ~r12 = ;~r21 Elektromagnetische Krafte { Coulomb-Kraft: Zwei Ladungen q1 und q2 im Abstand r12 uben aufeinander eine anziehende (q1 q2 =(jq1jjq2j) = ;1) oder abstossende (q1 q2 =(jq1jjq2j) = +1) Kraft G~ 12 = ;G~ 21 = F~ aus: C 1 q q ~r12 F~ = 4 1 2 3 r12 0 C ~r12 = ;~r21 0 = 8:85 10;12 (As) Nm2 2 Elektromagnetische Krafte { Lorentz-Kraft: In einem Magnetfeld B~ wirkt auf eine bewegte Ladung q mit der Geschwindigkeit ~v eine Kraft h i F~ = q ~v B~ L 2.44 Zusammenfassung: Kraftgesetze Abgeleitete Krafte { Oberachenkrafte: Die interatomaren Krafte an den Beruhrungsachen zweier Korper 1 und 2, F~12 = ;F~21 werden zerlegt in eine Normalkomponente senkrecht zur Oberache N~ 12 = ;N~ 21 (Normalkraft) und eine Komponente parallel zur Oberache R~ 12 = ;R~ 21 (Reibungskraft). Die Krafte pro Flacheneinheit dA bezeichnet man als Spannungen: dF~ = dN~ + dR~ ~ + ~ dA dA dA ~ wird Normalspannung, ~ wird Schubspannung genannt. Es gelten die empirischen Beziehungen fur Haften : 0 R N und Gleiten : R = N = Haftreibungskoezient, = Gleitreibungskoezient In Flussigkeiten ndet man fur die viskose Reibung: H H H G G G R~ = ;~v mit = 6r fur Kugeln vom Radius r ist eine Konstante mit der Einheit kg/s, ist die sogenannte Viskositatskonstante mit der Einheit Poise = 0.1 kg/(ms). Bei grosseren Geschwindigkeiten gilt R / v 2. Federkraft: F~ = ;k~r, k = Federkonstante, ~r Veranderung der Federlange aus ihrem unbelasteten Zustand. Auftriebskrafte: Statischer Auftrieb in einer Flussigkeit A~ = ; V ~g = ; Gewicht der verdrangten Flussigkeit. Fl 2.5.4 Anwendungen der Newton'schen Prinzipien 2.5.4.1 Experimentelle Beispiele 2.5.4.1.1 Einfache Systeme mit Normalkraften und Reibung Klotz auf der schiefen Ebene: Das typische Experiment zur Bestimmung des Haftrei- bungskoezienten benutzt eine schiefe Ebene mit verstellbarem Neigungswinkel. Solange der Korper ruht, folgt aus dem Aktionsprinzip x N z R α F~ = G X F~ = G~ + N~ + R~ = 0 i i Wahlen wir die x; und die z ;Richtung in geeigneter Weise, so ist F = ;G sin + R = 0 ) R = mg sin F = N ; G cos = 0 ) N = mg cos x z 2.45 H H Sowohl R wie N sind Funktionen des Winkels. Die Normalkraft, die die Unterlage auf den Klotz ausubt, ist auch hier nicht gleich dem Gewicht. Wird der Winkel verandert, so beginnt bei einem bestimmten Winkel 0 der Klotz an zu gleiten. Kurz bevor dies eintritt, erreicht die die Haftreibung ihren Maximalwert H ) R = N = mg cos 0 = mg sin 0 H H H tan 0 = H Kind mit Schlitten: Fur die Analyse der in Abbildung 2.30 gezeigten Situation nehmen wir an, dass der Schlitten gleitet, das Kind jedoch am Boden haftet. FKS NS GS FSK Abbildung 2.30: Ein Kind zieht einen Schlitten. Die Krafte vom Boden auf den Schlitten und das Kind sind eingezeichnet, ebenso die Gewichtskrafte und die Zugkafte. NK GK RG RH Das 2. Newton'sche Prinzip separat angewendet auf den Schlitten und das Kind ergibt Kind m ~a = G~ + N~ + R~ + F~ K K K H ZSK Schlitten m ~a = G~ + N~ + R~ + F~ Da die Vertikalkomponente der Beschleunigung gleich Null ist, gilt S S m a = 0 = ;G + N ) K z K K S G ZKS G =N K G =N K S S In Horizontalrichtung erhalten wir m a =R ;F m a = ;R + F Addieren wir die beiden Gleichungen, so fallt F = ;F heraus, wie das immer fur innere K x H Z SK Krafte eines Systems gilt und man bekommt S x ZSK G ZKS ZKS R ;R m g; m g : a =m +m m +m H G K S H K G S x K S Je grosser die Masse des Kindes relativ zum Schlitten ist, umso mehr kann es ihn beschleunigen, ohne auszugleiten. Wenn m =m = gilt, kann das Kind den Schlitten nicht bewegen. Waagen: Wird eine Waage mit einem Gegenstand belastet, so zeigt sie einen Ausschlag der dem Gewicht des Gegenstands entspricht. Wenn man allerdings die Situation etwas genauer betrachtet und die Bilanz der Krafte sowohl fur die Waage als auch den darauf liegenden Gegenstand zieht, wie das im folgenden getan wird, dann stellt man fest, dass die Waage praziser formuliert die Normalkraft des Gegenstands auf die Waage anzeigt. Dies hat fur den meistens auftretenden Fall des ruhenden Gegenstands, den wir am Beispiel zweier kleiner Permanentmagnete untersuchen, keine Konsequenzen (siehe Abbildung 2.31). Hier K S G H 2.46 F21 G NWK 1 G1 NWK F12 G2 NKW NKW G~ 1 + F~21 = 0 G~ 1 = ;F~21 = F~12 G~ 2 + F~12 + N~ = 0 G~ 2 + G~ 1 + N~ = 0 jN~ j = jN~ j = 2mg G~ 1 + G~ 2 + N~ = 0 jN~ j = jN~ j = 2mg WK WK G2 WK KW WK WK KW Abbildung 2.31: Magnete auf der Waage mit entgegengesetzten Polen gegeneinander (links) oder mit gleichnamigen Polen gegeneinander (rechts). In beiden Fallen zeigt die Waage einen Ausschlag, der dem doppelten Gewicht eines einzelnen Magneten entspricht. FRF FFR Rahmen x = 2x ) 2~a = ~a K GR xF N~ x GF xK Feder NWR 1 FFK Kugel GK NRW 1 NWR 2 NRW 2 F K = N~ 1 + N~ 2 = ;N~ 1 ; N~ 2 = ;N~ Die Anwendung des 2. Newton'schen Prinzips ergibt WR FKF F W R; W R; RW; RW; N~ + G~ + F~ F~ + G~ + F~ F~ + G~ = m N~ + G~ = (m Rahmen Feder Kugel System WR R KF F FK K FR RF WR K K RW =0 = m ~a ~a F F K + 12 m )~a F K Fur die x;Komponente: ;N + (m + m + m )g = (m + 21 m )a N = Mg ; (m + 21 m )a = ;N WR WR R K F K K F xK F xK RW Waage Abbildung 2.32: Federpendel auf der Waage: Die in den Gleichungen verwendeten Indices bedeuten R = Rahmen, F = Feder, K = Kugel, W = Waage. Wenn sich dei Kugel von unten nach oben bewegt, andert sich die Beschleunigung von ihrem negativen zu ihrem positiven Extremwert. Der Ausschlag der Waage ist am grossten, wenn sich die Kugel im untersten Punkt, und am kleinsten, wenn sich diese im obersten Punkt bendet. 2.47 ist diese Normalkraft gerade gleich gross wie das Gewicht, wenn auch entgegengesetzt gerichtet. Im spater untersuchten Fall eines sich bewegenden Gegenstands auf der Waage (siehe Abbildung 2.32) oder fur den Fall, wo man eine Waage in einen Fahrstuhl stellt, ist die Normalkraft nicht gleich dem Gewicht. Je nach Beschleunigung des Gegenstands oder der Waage kann die Normalkraft grosser oder kleiner als das Gewicht sein, und entsprechend verschieden eben auch die Anzeige der Waage. Stellt sich ein Mensch auf eine sehr empndliche Waage, so zeigt diese eine variable Normalkraft und einen sich verandernden Ausschlag, auch wenn er sich nicht bewegt. Dies ruhrt vom Blutstrom her, der im Takt des Herzschlags beschleunigt ist. 2.5.4.1.2 Bewegungen auf einer Kreisbahn und Zentripetalkrafte Wir haben im Abschnitt 2.4.3 schon die Bewegungen auf einer Kreisbahn einfuhrend behandelt. Bei einer nicht geradlinigen Bewegung lasst sich die Beschleunigung in zwei Komponenten zerlegen, eine senkrecht (normal) zur Bahn und eine entlang der Bahn (tangential). Tritt eine Beschleunigung auf, muss auch eine entsprechende Kraft vorhanden sein, d. h. in Komponenten zerlegt konnen wir das 2. Newton'sche Prinzip in der Form schreiben ma = m ddtj~vj = F T 2 ma = m vr = F T N N Fur eine Bewegung mit konstanter Schnelligkeit v auf einem Kreis mit Radius r verschwindet die Tangentialkomponente, a = 0. Die fur die Zentripetalbeschleunigung a notwendige Kraft F wird Zentripetalkraft genannt. Wir kennen schon die folgenden Beispiele: Planetenbahnen: Hier wirkt die Gravitationskraft zwischen zwei Massen als Zentripetalkraft (siehe Abschnitt 2.5.3.1.1). Bahnen atomarer Elektronen: Hier wirkt die Coulomb-Kraft zwischen entgegengesetzt geladenen Teilchen als Zentripetalkraft (siehe Abschnitt 2.5.3.1.2). Bewegte, geladene Teilchen in einem Magnetfeld: Hier wirkt die Lorentz-Kraft als Zentripetalkraft (siehe Abschnitt 2.5.3.1.2). Rekapitulieren wir diese drei Falle noch einmal. T N N Gravitationskraft: v2 F = ; mM = m r2 r Daraus folgt fur die Geschwindigkeit v und die Umlaufzeit T r3 v = ;rM T = 2r = 2 v ;M Bezeichnen wir die Erdferne eines Satelliten mit h, dann erhalten wir mit der Beziehung ;M=R2 = g (siehe Abschnitt 2.5.3.1.1) N s s s gR E 2 v = R + h T = 2 und fur erdnahe Satelliten (h << R ): E s (R E p v gR 0 E E = 7:9 km=s T0 = 2 2.48 E + h)3 gR2 E sR g = 5063 s E Wie uns die genaue Betrachtung der Planetenbahnen lehrte ist die Kreisbahn nur eine Moglichkeit fur eine geschlossene Bahn in einem kugelsymmetrischen Gravitationsfeld. Allgemein ndet man, dass die moglichen Bahnen in Zentralfeldern, bei denen die Kraft quadratisch mit dem Abstand abnimmt, Kegelschnitte sind mit einem Brennpunkt im Kraftzentrum (1. Kepler'sches Gesetz). Um welche Art von Bahn { Ellipse, Kreis, Parabel oder Hyperbel { es sich in einem bestimmten Fall handelt, hangt von den Anfangsbedingungen ab. Dies soll im folgenden Beispiel gezeigt werden. Die Masse m startet im Punkt P auf der Hohe h (r = R + h) mit der Geschwindigkeit v0 parallel zur Erdoberache. Ist v0 = 0, so fallt die Masse geradlinig auf den Erdmittelpunkt zu. Ware die Erde durchbohrt, so ergabe sich eine geradlinige periodische Bewegung symmetrisch zum Erdmittelpunkt. Ist v0 0, so ist die Bahn Teil einer Ellipse mit dem Erdzentrum im unteren Brennpunkt. Mit zunehmender Anfangsgeschwindigkeit v0 nahert sich die Ellipse immer mehr einem Kreis. Fur einen ganz bestimmten Wert von v0 , namlich dann, wenn die Geschwindigkeit v0 = v so gross ist, dass die Beschleunigung g (r) im Gravitationsfeld exakt gleich der fur eine Kreisbewegung erforderlichen Zentripetalbeschleunigung v 2 =r ist, ist die Bahn ein Kreis. v ist die Geschwindigkeit, die wir oben ausgerechnet haben (7.9 km/s). Die Brennpunkte der Ellipse fallen im Erdmittelpunkt zusammen. E K K k P h RE v0 Wird die Geschwindigkeit v0 weiter vergrossert, so wird die Bahn wieder zur Ellipse, wobei der obere Brennpunkt im Erdmittelpunkt bleibt, der untere mit zunehmender Geschwindigkeit v0 nach unten wandert bis ins Unendliche, wobei die Bahn zur Parabel wird. Bei noch hoheren Anfangsgeschwindigkeiten ist sie schliesslich eine Hyperbel. Parabel und Hyperbelbahnen sind nicht geschlossen, d. h. die Masse kehrt nicht mehr zur Erde zuruck. Wir kommen auf diesen Aspekt spater bei Energiebetrachtungen im Abschnitt 2.6.2 noch einmal zuruck. Um dies noch einmal besonders zu betonen, allen diesen Bahnen, z. B. denen des Monds, der Erdsatelliten oder der Raumsonden, ist gemeinsam, dass die einzig wirksame Kraft die Erdanziehkraft G(r) ist, dass es sich also um einen \freien Fall" handelt. Die Beschleunigung ist immer g (r), die im Zeitintervall t in Richtung auf den Erdmittelpunkts zuruckgelegte Strecke somit g (r)t2=2. Der Grund dafur, dass z. B. der Mond oder ein Satellit nicht auf die Erde fallt, liegt nicht darin, dass er schwerelos ist, wie oft behauptet wird. Tatsachlich fallt er auf die Erde zu, bewegt sich aber gleichzeitig gerade soweit in Tangentialrichtung, dass die Bahn, Ellipse oder Kreis, die Erdoberache nicht schneidet. In einer Raumkapsel umkreisen der Astronaut und seine Umgebung mit gleicher Geschwindigkeit und nahezu im gleichen Abstand die Erde. Die einzige wirksame Kraft ist die Gravitationskraft, es gibt keine Normalkraft vom Kapselboden oder von den Kapselwanden auf den Astronauten, was physiologisch den Eindruck von Schwerelosigkeit vermittelt. Der Astronaut hat den Eindruck er schwebe in der Kapsel. Anders ist die Situation im Flugzeug. Die Flugzeuggeschwindigkeit v0 ist kleiner als v , d.h. g (r) > v02 =r. Ohne zusatzliche Krafte wurde das Flugzeug eine der Ellipsenbahnen beschreiben, welche die Erdoberache treen, d.h. es wurde im freien Fall absturzen. Nur wenn die Zentralkraft durch den dynamischen Auftrieb A der Luft K 2.49 auf das Flugzeug vermindert wird ist die Beziehung 2 m vr = F = G(r) ; A F F Z erfullt und eine Kreisbahn konstanter Hohe uber der Erde moglich. Fur den Passagier lautet die entsprechende Gleichung 2 m vr = F = G(r) ; N Hier vermindert die Normalkraft N des Sitzes auf den Passagier die Zentralkraft. Coulomb-Kraft: Fur ein Elektron im Wasserstoatom gilt z. B. P P N s m v2 = m !2r = 1 e2 r 40 r2 3 T = 2 = 2 402mr e ! e e Bei einem Bahnradius von 0.53 A (Wasserstoatom in seinem normalen Zustand, dem sogenannten Grundzustand) ndet man fur die Geschwindigkeit v = c = c=137:06 ( ist die sogenannte Feinstrukturkonstante, c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, A ist eine in der Physik fur ato mare Dimesionen viel verwendete Einheit: A = Angstrom = 10;10 m). Fur die Bahnen von Elektronen im elektrischen Zentralfeld des positiv geladenen Atomkerns ndet man die gleichen Resultate wie wir das fur das zentrale Gravitationsfeld gefunden haben. Auch hier nimmt die Kraft mit dem Abstand vom Kraftzentrum quadratisch ab. Lorentz-Kraft: Fur ein Teilchen der Ladung q, das sich mit konstanter Schnelligkeit v in einem homogenen Magnetfeld B~ (? ~v ) bewegt, ndet man mv 2 = qvB r ) r = mv qB m ) T = 2 qB Die Umlaufszeit ist unabhangig vom Radius. Diese Beziehung ist fur die Konstruktion von Teilchenbeschleunigern, z. B. in Zyklotrons, wichtig. Wir schliessen dieses Kapitel ab mit zwei Beispielen, wo die Oberachenkrafte als Zentripetalkrafte auftreten. Haftreibung: Bei jeder Kurvenfahrt eines Fahrzeugs sorgt die Haftreibung der Rader mit der Unterlage fur die notwendige Zentripetalkraft. Mit R~ = R~ 1 + R~ 2 und N~ = N~ 1 + N~ 2 erhalten wir mv 2 = R N N = G = mg r H N2 N1 Die Geschwindigkeitpdarf also nicht grosser sein als der kritische Wert v = r g, wenn das Fahrzeug nicht radial ausbrechen soll. Es kann die totale Reibungsund Normalkraft bestimmt werden. Die Einzelkrafte N~ 1, N~ 2, R~ 1 und R~ 2 sind noch unbestimmt. Wir benotigen zu deren Berechnung weitere Bedingungen, wie z. B. diejenige, die verlangt, dass das Fahrzeug nicht umkippt. Hier kommen Drehmomente ins Spiel, deren Behandlung wir noch bis zum Abschnitt 2.9 hinausschieben. k R1 r R2 G H 2.50 H Normalkraft: Wenn ein Skifahrer eine Kuppe uberfahrt oder eine Mulde durchfahrt, deren Form wir durch Kreisbogen annahern, so wirken Normalkrafte als Zentripetalkrafte. Bei einer Kuppe liegt der Kreismittelpunkt unter dem Fahrer, wie in Abbildung 2.33 gezeichnet, und die Kraftebilanz ergibt 2 ma = m vr = G ; N > 0 N Das Gewicht G ist vorgegeben und konstant. Aus der Gleichung folgt daher, dass mit zunehmender Geschwindigkeit v , die Normalkraft N abnimmt. Erreicht v den kritischen Wert v = prg (d. h. a = g), so ist N = 0, der Fahrer erfahrt keine Kraft mehr vom Boden. Fur v > v hebt er vom Boden ab, seine Bahn folgt nicht mehr dem Kreisbogen der Kuppe. Geht er uber der Kuppe in die Hocke, so kann er den Krummungsradius der Bahn seines Schwerpunkts vergrossern, und damit die kritische Geschwindigkeit hinaufsetzen. Richtet er sich dagegen auf, so springt er eher ab. Bei der Mulde liegt der Kreismittelpunkt uber dem Fahrer: N k k 2 ma = m vr = ;G + N > 0 N Die Normalkraft N ist grosser als das Gewicht und nimmt mit der Geschwindigkeit zu. Um sie zu reduzieren, kann sich der Skifahrer in der Mulde aufrichten und dadurch den Krummungsradius vergrossern. R R r r 2 ma = m vr = G ; N > 0 2 ma = m vr = ;G + N > 0 N N Abbildung 2.33: Skifahrer auf einer Kuppe (links) und in einer Mulde (rechts). 2.51