festliche tage alter musik

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FESTLICHE
TAGE
ALTER MUSIK
19. Jänner
bis 2. Februar
2017
a
Donnerstag, 19. Jänner - Donnerstag, 2. Februar 2017
Wiener Konzerthaus
Arnold Schönberg Center
Wien Museum
Festliche Tage Alter Musik 2017
Klangforum Wien
Kapsch Group
Wenn Tradition auf
Innovation trifft.
Dann entstehen bahnbrechende Ideen, mit denen man das Publikum immer
wieder aufs Neue begeistert. Wir von Kapsch freuen uns, das Wiener
Konzerthaus als Generalpartner zu unterstützen und Teil
dieser einzigartigen Komposition zu sein.
www.kapsch.net
b
Festliche Tage Alter Musik 2017
Fünf Konzerte im Wiener Konzerthaus,
im Arnold Schönberg Center und im Wien Museum
Gefördert aus Mitteln der Alban Berg Stiftung
Geleitwort
4
I
«Endzeit»
Donnerstag, 19. Jänner 2017 · 19.30 Uhr
Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal
6
II
«Auf verwachsenem Pfade»
Sonntag, 22. Jänner 2017 · 19.30 Uhr
Arnold Schönberg Center
26
III
«Voix Étouffées»
Freitag, 27. Jänner 2017 · 20.00 Uhr
Wien Museum Karlsplatz
34
IV
«Très Belle Époque»
Mittwoch, 1. Februar 2017 · 19.30 Uhr
Wiener Konzerthaus, Schubert-Saal
54
V
«Spuren nach Darmstadt»
Donnerstag, 2. Februar 2017 · 19.30 Uhr
Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal
68
Biografien
88
Geleitwort
4
Wie sind wir eigentlich dahin gekommen, wo wir jetzt stehen?
Von welchem Ort sind wir aufgebrochen, in welche Richtung,
mit welcher Hoffnung und mit welchem Ziel? Und was war es
gleich noch, das wir an diesem Ziel finden zu können meinten?
Die «Festlichen Tage Alter Musik» verhandeln diese Fragen
in den fünf Konzerten des kleinen, feinen Festivals, das 2017
zwischen 19. Jänner und 2. Februar stattfinden wird. Ein verstehendes und erfüllendes Hören der vielfältigen Musiken, welche
die aktuelle Kunstmusik Europas und der Welt ausmachen, ist
ohne eine eingehende Überlegung dieser Themen nur schwer
vorstellbar. Die «Festlichen Tage» bieten die ebenso sinnlichen
wie freudvollen praktischen Übungen zu den hier vorgeschlagenen theoretischen Reflexionen.
Es ist ein immer wieder gleichermaßen überraschendes und
erhellendes Erlebnis zu bemerken, wie zugänglich, bis zum
Lukullischen kulinarisch und bis zum Romantischen melodisch
jene Musik in unseren Ohren klingt, die noch unseren Großvätern als mutwilliger, antimusikalischer Lärm erschien und als
solcher in vorderster Linie gerade von den beamteten Musikauguren ihrer Entstehungszeit verdammt wurde. Dass sich daran
in den vergangenen 100 Jahren nichts geändert hat, wird durch
die im vergangenen Juli in einem österreichischen Intelligenzblatt erschienene kuriose Einlassung eines der meistgelesenen
und -gehörten Musikkritiker des Landes deutlich, derzufolge es
sich mit Uraufführungen immer ein wenig so wie mit der zivilisatorischen Verpflichtung zu Besuchen beim Zahnarzt verhalte.
Die «Festlichen Tage Alter Musik 2017» schließen eine Lücke
im gängigen Repertoire und bieten die Begegnung mit 24 klingenden Preziosen, die auch sehr kenntnisreichen Musikfreunden
nicht vertraut sein werden.
Im Jahr 2012 hat Friedrich Cerha angemerkt, dass es weder
die Avantgarde noch die klassische Moderne seien, denen im
aktuellen Musikleben nicht adäquater Raum gegeben werde.
Vielmehr sei es das Fehlen der Meisterwerke aus der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Spielplänen der Konzert-
häuser und in den Repertoires von Orchestern und Ensembles,
das nicht nur in Hinblick auf die Bedeutung dieser verschwundenen Werke selbst, sondern vor allem auch für das Verständnis
und die Rezeption des aktuellen Musikschaffens ein gar nicht
zu überschätzendes Problem darstelle. Für die große Musik
dieser Zeit gebe es weder adäquate Aufmerksamkeit seitens der
Musikinstitutionen noch entsprechendes Engagement bei
öffentlichen und privaten Fördereinrichtungen.
Tatsächlich entspricht die Hörsituation, in der das Publikum
heute auf zeitgenössische Musik trifft, jener eines Musikfreundes, dessen letzte konsolidierte Hörerfahrung die Musik der
«Zauberflöte» ist, und der übergangslos mit Wagners
«Tristan» konfrontiert wird. Die 70 Jahre Musikentwicklung und
-geschichte, die dazwischen fehlen, werden ihn kaum mehr
erleben lassen als unverständlichen, mutwilligen Lärm.
Als musikalische Brücke ins Heute zeichnen die Konzertprogramme, Textdokumente, Konzertgespräche und neuen literarischen Annäherungen des Festivals den Kampf der Avantgarden
des frühen 20. Jahrhunderts gegen die beharrenden Kräfte.
Ebenso zeigen sie das Ringen der konservativen Komponisten
dieser Umbruchszeit um einen eigenen Weg, der ein neues
Schaffen innerhalb des alten Regelwerks ermöglichen und
zugleich der Gefahr flachen Epigonentums entgehen sollte.
Einen Abend seines Musikfests widmet das Klangforum Wien,
gemeinsam mit dem Forum Voix Étouffées, jenen Komponisten,
deren Werk von den verschiedenen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts unterdrückt worden ist. Auf dem Programm dieses
Konzerts stehen Werke von Autoren, die wesentlich zur Formung unseres Begriffs von Moderne beigetragen haben.
Sven Hartberger
5
Festliche Tage I · «Endzeit»
Donnerstag, 19. Jänner 2017 · 19.30 Uhr
Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal
Alexander Skrjabin (1872-1915)/
Andreas Lindenbaum (*1963)
Vers la flamme. Poème op. 72 (1914)
Allegro moderato
Jean Sibelius (1865-1957)
Canzonetta op. 62a (1911)
Karol Szymanowski (1882-1937)
Słopiewnie. Fünf Gesänge für Sopran und Orchester op. 46b
(1921)
Słowisień
Zielone słowa
Święty Franciszek
Kalinowe dwory
Wanda

Franz Schreker (1878-1934)
Kammersymphonie für 7 Bläser, 11 Streicher, Harfe, Celesta,
Harmonium, Klavier, Pauken und Schlagwerk (1916)
In einem Satz
Alban Berg (1885-1935)/
Richard Dünser (*1959)
Sonate op. 1 (1907-08)
Mäßig bewegt
6
Robert Haas: Rockefeller Center, New York City 1941 (Ausschnitt) © Wien Museum
7
Klangforum Wien
Agata Zubel Sopran
Stefan Asbury Dirigent
Elisabeth
Leonskaja
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
James Feddeck
Arnold Schönberg Thema und Variationen op. 43b
John Adams Doctor Atomic Symphony
Johannes Brahms Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 83
Klangforum Wien
Eva Furrer Flöten
Markus Deuter Oboe
Olivier Vivarès Klarinetten
Bernhard Zachhuber Klarinetten
Lorelei Dowling Fagott
Christoph Walder Horn
Anders Nyqvist Trompete
Andreas Eberle Posaune
Mirjam Schröder Harfe
Florian Müller Klavier, Celesta
Joonas Ahonen Harmonium, Klavier
Hsin-Huei Huang Celesta
Annette Bik Violine
Gunde Jäch-Miko Violine
Sophie Schafleitner Violine
Annelie Gahl Violine
Dimitrios Polisoidis Viola
Geneviève Strosser Viola
Andreas Leitner Violoncello
Benedikt Lindenbaum Violoncello
Myriam Garcia Violoncello
Uli Fussenegger Kontrabass
Lukas Schiske Schlagwerk
Björn Wilker Schlagwerk
Foto: Julia Wesely
Freitag, 21. Oktober 2016, 19.30 Uhr, Großer Saal
9
Alexander Skrjabin
Der von 1872 bis 1915 lebende russische Pianist und Komponist
gilt als einer der außergewöhnlichsten Pianisten seiner Zeit, der
als Erwachsener jedoch ausschließlich seine eigenen Werke in
der Öffentlichkeit spielte. Ferner komponierte er Musik fast nur
für «sein» Instrument, das Klavier, aber auch symphonische
Musik. In frühen Jahren war sein Komponieren noch sehr an
Fréderic Chopin und Franz Liszt orientiert. Gerade die Neuerungen der Lisztschen h-moll-Sonate haben Skrjabin stark
beeinflusst, der die Klaviersonate deutlich weiterentwickelte.
Bereits die vier Sätze seiner 1. Sonate sind schon eng miteinander verschränkt und auf den letzten ausgerichtet, ab der
5. Sonate wird die Einsätzigkeit zur Regel. Gleiches Prinzip der
Verlagerung zur Einsätzigkeit gilt auch für seine Orchesterwerke,
er lernte die Musik Richard Wagners kennen, entwickelte seine
Tonsprache aber schon bald über die Chromatik von Wagners
Alexander Skrjabin, 1914
10
«Tristan und Isolde» hinaus. Skrjabin folgte einem harmonischen
System, das nicht mehr auf Dur-Moll-tonalen Bindungen fußt,
sondern auf der Verwendung eines auf Quartschichtungen
basierenden Akkordes, des sogenannten «mystischen Akkords»
oder auch «Prometheus-Akkords». Die Musik genügte ihm bald
als Ausdruck seiner philosophischen Ideen nicht mehr. Er war
Synästhet: Töne und Tonarten waren für ihn mit spezifischen
Farbwahrnehmungen verknüpft. Insgesamt zeigt Skrjabins Spätwerk eine stilistische Entwicklung auf, die – trotz seines kurzen
Lebens – eine Einreihung Skrjabins in die wichtigen Neuerer der
Musik der ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts rechtfertigt.
In ihren Erläuterungen zur Urtextausgabe des spät komponierten Poèmes für Klavier «Vers la flamme» op. 72 schreibt die
Moskauer Skrjabin-Expertin Valentina Rubcova: «In seinen
letzten Lebensjahren plante Alexander Skrjabin ein Großprojekt,
das ‹Mysterium› heißen und in einem Gesamtkunstwerk alle
Künste in ein synästhetisches Erlebnis zusammenführen sollte
– verwirklicht wurde das Projekt nie. Nahezu alle Kompositionen
aus dieser Zeit stehen jedoch in mehr oder weniger direkter
Verbindung mit den Ideen zum Mysterium. Schon in der Orchesterpartitur von Promethée. Le Poème du feu op. 60 (entstanden
1908-10) hatte Skrjabin ein Motiv verwendet, das er als ‹schöpferischen Geist›, ‹Aktivitäts- und Bewegungsprinzip› charakterisierte und als ‹Luzifer, Prometheus, Feuergeist› bezeichnete.
Feuergestalten regten Skrjabins schöpferische Phantasie offenbar an. Nicht zufällig war er ein großer Bewunderer des ‹Feuerzaubers› aus Wagners Walküre. Im Horizont von Skrjabins
[theosophischer] Kunstauffassung sollte ein ‹Feuersturm› den
rauschhaften Höhepunkt eines musikalischen Erlebnisses bilden
und den Menschen in die Erlösung führen. Vor diesem Hintergrund ist auch Vers la flamme mit seinem großen Spannungsbogen vom verhaltenen Beginn bis zum klanggewaltigen Schluss
zu interpretieren.»
Bei näherer Betrachtung von Verlauf und Beschreibung des
Werks, drängt sich wohl nicht zufällig eine Bearbeitung für
Ensemble auf, wie sie Andreas Lindenbaum für das Klangforum
Wien gefertigt hat. Das Poème, so im Vorwort des auf Urtext-
11
ausgaben spezialisierten G. Henle Musikverlags, «beginnt mit
statischen, spröden Akkorden und schwingt sich langsam aber
stetig aus der Tiefe ins strahlende Licht empor. Verschiedene
Klangebenen in wechselnden Rhythmen schieben sich nach und
nach übereinander und erzeugen eine sogartige Spannung.
Tremoli und Fanfaren türmen sich am Schluss zu einem gleißenden Feuersturm von orchestraler Gewalt auf.»
Jean Sibelius
12
Jean Sibelius, der zu Recht heute nicht nur als «spätromantischer», sondern auch als überaus moderner Komponist des
20. Jahrhunderts anerkannt werden muss, konnte sich mit der
bahnbrechenden Musik seiner sieben Symphonien, die er bis
1924 komponierte, in der Welt außerhalb Finnlands nur schwer
durchsetzen. Erst spät erkannte man ihre Bedeutung: die ersten,
die sich auch dafür, neben seinen populäreren symphonischen
Dichtungen zu Themen aus der finnischen Mythologie und
Sagenwelt oder dem genialen Violinkonzert einsetzten, waren
Eugene Ormandy und George Szell in den USA, sowie Leopold
Stokowski, Thomas Beecham und John Barbirolli in England, ab
den 1960er-Jahren vor allem Dirigenten wie Leonard Bernstein,
Lorin Maazel und Sir Simon Rattle.
Im heutigen Konzert ist die Canzonetta op. 62a aus der
Bühnenmusik zum Schauspiel «Der Tod» (‹Kuolema›) von Arvid
Järnefelt für Streichorchester zu hören. Die ursprüngliche Bühnenmusik op. 44 wurde von Sibelius 1903 vollendet und bestand
aus sechs Nummern, die der Komponist im Finnischen Nationaltheater in Helsinki bei der Erstaufführung des Stücks selbst
hinter der Bühne dirigierte. Von dieser Bühnenmusik blieb in
dieser Phase nur die erste Nummer «Valse triste» am Leben, in
der eine kranke Frau den Tod in der Gestalt ihres ehemaligen
Gatten sieht und mit ihm tanzt, bevor sie am nächsten Morgen
tot aufgefunden wird. Sibelius arbeitete das Stück 1904 für die
Veröffentlichung um und wurde damit weltberühmt.
Auf der Sibelius-Website des Helsingin Suomalainen Klubi
Jean Sibelius, 1911
(www.sibelius.fi) ist zu lesen, dass der Komponist das Werk
gegen ein einmaliges Honorar an einen finnischen Verleger
verkaufte, «der seinerseits 1905 alle Werke, die er von Sibelius
besaß, an Breitkopf & Härtel verkaufte. Das veröffentlichte Werk
begann erstaunlich schnell die Welt zu erobern. In einem Jahr
bestellten achtzig Orchester die Noten für ‹Valse triste› bei
Breitkopf & Härtel, und bald klangen verschiedene Arrangements davon auch in Restaurants. Dieser Hit erleichterte Sibelius’ Geldnot fast gar nicht, aber er dirigierte das Werk durch
seine ganze aktive Dirigentenkarriere – oft als vom Publikum
verlangte Zugabe.»
Wahrscheinlich schrieb Jean Sibelius die Canzonetta im Jahr
1906, holte sie aber erst 1911 wieder hervor, als Arvid Järnefelt
sein Schauspiel umarbeitete und Sibelius ein paar zusätzliche
13
Nummern für die erneuerte Fassung vollendete: «Rondino der
Liebenden» und «Walzer-Intermezzo» bekamen später die
Namen «Canzonetta» und «Valse romantique». Sie sind unter
op. 62 zu finden. «Canzonetta ist wunderbar, der Walzer [Valse
romantique] ist gut, aber nur das», bewertete der Komponist
selbstkritisch seine neuen Stücke nach der Erstaufführung. Auch
später dirigierte er die Canzonetta gern – die Miniatur, die nur
einige Minuten dauert, bezauberte auch Igor Strawinski, der
später ein eigenes Arrangement davon schuf.
Karol Szymanowski
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Der 1888 in der heutigen Ukraine geborene Karol Szymanowski
war um 1900 einer der bedeutendsten Komponisten der Bewegung «Junges Polen», einer Richtung des Modernismus in der
polnischen Literatur, Musik und Kunst. Aktiv war die Künstlergruppe in den Jahren 1890 bis 1918. Die Tatsache, dass er aus
Polen – einem unter mehreren Ländern aufgeteilten, also nicht
mehr existierenden Staat kam – führte dazu, dass es keine mit
dem Westen vergleichbare Infrastruktur gab, auf die er sich hätte
stützen können – etwa Musikverlage. Der Musikverlag Piwarski
in Krakau stellte sich für Szymanowski als ungeeignet heraus:
er betrieb keinerlei Promotion, hatte keine Kontakte im Ausland
und kam für einen aufstrebenden jungen Komponisten somit
nicht in Frage.
Szymanowski sah sich also gezwungen, einen Verlag für seine
Musik im Ausland zu finden. Dank seines Mäzens, dem Fürsten
Władysław Lubomirski, der in Wien über gute Kontakte verfügte,
kam es am 18. Jänner 1912 im Großen Musikvereinssaal zu einem
der Musik Szymanowskis gewidmeten Konzert. Auf dem Programm stand unter dem Dirigat seines Freundes Grzegorz Fitelberg Szymanowskis zweite Symphonie op. 19 von 1909/10 sowie
eine Klaviersonate in der Interpretation von Artur Rubinstein.
Eine Kontaktaufnahme seitens der Universal Edition ließ nicht
lange auf sich warten: Direktor Emil Hertzka bot dem damals
30-Jährigen einen Zehnjahresvertrag an. Am 31. März 1912 kam
es zur Unterzeichnung. Nach 1918 legte Szymanowski einem
Brief eine Auflistung der während der Kriegsjahre geschaffenen
neuen Werke bei – von Opus 26 bis Opus 41, darunter Lieder
und Kammermusikwerke, aber auch groß angelegte Kompositionen, wie die 3. Symphonie für Tenor, gemischten Chor und
Orchester, das 1. Violinkonzert oder das bis heute wenig aufgeführte Demeter op. 37b für Alt-Solo, Frauenchor und Orchester.
In späteren Jahren wollte der Komponist seine neuen Werke
verstreuen, die internationale Aufmerksamkeit wieder auf sich
lenken. Nach dem Tod Hertzkas 1932, dessen Nachricht Szymanowski mit Bestürzung und Trauer zur Kenntnis nahm, änderten
sich allmählich Qualität und Quantität der Kontakte mit der
Universal Edition. «Słopiewnie» op. 46b (Fünf Gesänge für
Sopran und Orchester) entstanden nach Texten von Julian
Karol Szymanowski (Datum unbekannt)
15
Tuwim 1921 und wurden 1928 orchestriert. Der in Łódź geborene
polnische Lyriker war 1919 Gründer der Poeten-Gruppe «Skamander» und einer der herausragenden Vertreter des literarischen
Kabaretts der 1920er- und 1930er-Jahre. Seine Poesie ist gekennzeichnet durch einen feinsinnigen Humor. «Julian Tuwims atmosphärische, gleichsam sezessionistische Gedichte haben Karol
Szymanowski zu einem exquisiten Liederzyklus inspiriert. Die
Musik ist verfeinert, mit wunderbaren Melodiebögen orientalischer Prägung, fragil, großartig ausgehört, die Sopranstimme
– immer wieder von einem Instrumenten oder einer Gruppe von
Instrumenten unisono begleitet – hat vibratofrei selbst fast einen
instrumentalen Charakter. In ‹Słopiewnie› hat Szymanowski eine
einzigartige, aparte Welt geschaffen, in die man mit Freude
eintaucht», beurteilt die Universal Edition dieses Werk.
Franz Schreker
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Franz Schreker war einer der meistgespielten deutschsprachigen
Komponisten seiner Zeit. Geboren wurde er 1878 in Monaco als
Sohn von Eleonore von Clossmann, die einer altsteirischen
Adelsfamilie entstammte, und des k.k. Hof-Fotografen Isak
Schrecker, der für die Heirat mit seiner adligen Gattin 1876 vom
Judentum zum Protestantismus konvertierte und sich seither
Ignaz nannte. Franz Schreker (das «c» im Namen strich er später)
studierte in Wien Komposition bei Robert Fuchs, bereits 1902
gab es eine von ihm geleitete konzertante Aufführung seiner
ersten Oper «Flammen», ab 1905 begann er mit der Arbeit an
«Der ferne Klang». 1906/07 wurde er Kapellmeister und Chordirektor an der Wiener Volksoper, im Jahr darauf gab es die
Uraufführung der Ballettpantomime «Der Geburtstag der Infantin» für Grete und Elsa Wiesenthal auf der Klimt’schen Kunstschau in Wien. Im jenem Jahr schloss er Bekanntschaft mit
Arnold Schönberg, später auch mit Alban Berg, der den Klavierauszug der Oper «Der ferne Klang» herstellte, die im August 1912
in Frankfurt am Main uraufgeführt wurde, 1914 auch in München unter Bruno Walter. Bis 1924 folgten noch die Opern «Das
Franz Schreker, 1912
Spielwerk und Prinzessin» (1913 in Wien und Frankfurt am
Main), «Die Gezeichneten» (1918 auch in Wien mit Maria Jeritza
in der weiblichen Hauptrolle), «Der Schatzgräber» (1920) und
«Irrelohe» (1924 unter Otto Klemperer in Köln). 1911 hatte er
die Leitung des von ihm gegründeten Philharmonischen Chores
übernommen, seit 1912 leitete er selbst eine Kompositionsklasse
an der Akademie für Tonkunst in Wien. Schüler von ihm waren
damals etwa Wilhelm Grosz, Ernst Krenek, Jascha Horenstein
oder auch Max Brand. Der Ruhm brachte Schreker die Direktorstelle in der Berliner Akademischen Hochschule für Musik, wo
er von 1920 bis 1931 tätig war. Ein Forum wurde ihm von der
Universal Edition in der Musikzeitschrift «Anbruch» geboten,
in der zwischen 1919 und 1937 103 Artikel von ihm und über ihn
erschienen. Bereits in den späten 1920er-Jahren war Schreker
Angriffsobjekt der Kulturpolitik der Nationalsozialisten. 1932
wurde auf Grund des NS-Terrors die in Freiburg geplante Uraufführung seiner Oper «Christophorus» von Schreker selbst
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18
zurückgezogen und er wurde zum Rücktritt von seinem Amt als
Direktor der Berliner Musikhochschule gezwungen. Von 1932
bis 1933 war er zudem Leiter einer Meisterklasse für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste. Kurz nach seiner
Zwangsversetzung in den Ruhestand, den Max von Schillings
verfügte, starb er am 21. März 1934 an einem Herzinfarkt, dem
ein Schlaganfall vorausgegangen war. In den 1920er-Jahren galt
Franz Schreker als einer der bedeutendsten Opernkomponisten
in Deutschland nach Wagner; seine Opern erreichten zeitweise
höhere Aufführungszahlen als diejenigen von Richard Strauss.
Wie dieser ist Schreker ein Spätromantiker; zugleich weist seine
musikalische Sprache expressionistische Elemente auf. Charakteristisch ist eine ständige harmonische Fluktuation mit schillernden, irisierenden Akkorden. Von der Psychoanalyse Sigmund
Freuds beeinflusst, zeichnete der Librettist Schreker schonungslose seelische Portraits seiner Opern-Protagonisten.
Nach 1933 nahezu in Vergessenheit geraten, setzte ab Ende
der 1970er-Jahre eine Schreker-«Renaissance» ein, die bis heute
anhält. «Der Schmied von Gent» wurde 1981 an der Berliner
Staatsoper aufgeführt, in Österreich «Der ferne Klang» 1991 an
der Wiener Staatsoper und 2015 an der Oper Graz sowie am
Nationaltheater Mannheim oder 2010 unter Ingo Metzmacher
in Zürich. «Die Gezeichneten» wurden 2005 bei den Salzburger
Festspielen, und 2015 an der Opéra de Lyon gezeigt.
Seine Kammersymphonie in einem Satz, für den Lehrkörper
der k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien im
Dezember 1916 komponiert, weist 23 Musizierende in der Instrumentierung von sieben Bläsern, elf Streichern, Harfe, Celesta,
Harmonium, Klavier, Pauken und Schlagwerk auf, die, wie der
Musikwissenschaftler und Redakteur Werner Theurich in einer
Besprechung einer Aufnahme meinte, «eigentlich alle Solisten
sein sollten – so anspruchsvoll und filigran ist die Partitur angelegt. Die Wechsel zwischen solistischer Eleganz und seidigem
Ensemble-Sound schillern mit verführerischer Kraft. Das Werk
[…] hat zwar mehr mit Strauss als mit Schönberg zu tun, doch
die Eigenständigkeit erschließt sich jedem Hörer sofort.»
Alban Berg
Im Oktober 1904 erschien in der Neuen Musikalischen Presse
die Ankündigung eines Kompositionskurses des 30-jährigen
Komponisten Arnold Schönberg. Alban Bergs Bruder Charly
legte diesem ohne Albans Wissen Lieder des Bruders vor und
Schönberg erklärte sich bereit, den jungen Mann in seinen Kurs
aufzunehmen. Nach dem Ende des Kurses unterrichtete Schönberg Alban unentgeltlich privat weiter, weil dieser, als unbezahlter Rechnungspraktikant der Niederösterreichischen Landesregierung, über kein Einkommen verfügte und seine Mutter zu
wenig verdiente, um ihm eine Ausbildung zum Komponisten zu
ermöglichen. Im folgenden Jahr fiel Johanna Berg nach dem Tod
ihrer Schwester eine reiche Erbschaft zu, die ihr die Möglichkeit
gab, ihre beiden Söhne jahrelang mit einer großzügigen Apanage
zu unterstützen.
Ende des Jahres 1906 lernte der junge Komponist die gleichaltrige Helene Nahowski kennen. Sie galt als Tochter des reichen
Privatiers Franz Nahowski und seiner Frau Anna, war aber
möglicherweise die Tochter des Kaisers Franz Joseph I. Jedenfalls
stellte sich Herr Nahowski jahrelang gegen eine Verbindung der
beiden, bis er 1911 widerwillig seine Einwilligung zur Hochzeit
gab. Ab da verbrachten Alban und Helene ihre Sommerurlaube
häufig im Haus der Schwiegereltern in Trahütten, einem hochgelegenen Dorf in der Steiermark, seltener auf Johanna Bergs
Besitztum, dem «Berghof», am Ossiacher See in Kärnten.
Es war Schönberg, der seinem Schüler Berg geraten hatte,
seine Klaviersonate aus den Jahren 1907/08, die er «Meiner
Helene» gewidmet hatte, als sein op. 1 zu publizieren. Berg
bezahlte diesen Erstdruck aus eigener Tasche. Erst zehn Jahre
später nahm der Wiener Verlag Haslinger die Sonate in sein
Programm auf, wie überhaupt der frühe Berg auf den Verkauf
«von ein paar antiquen Sachen» aus seinem «Hausrat» angewiesen war, um den Druck seiner ersten vier Opera zu bezahlen.
Sich in Wien mit einer Klaviersonate dem Publikum vorzustellen, hatte hochsymbolischen Charakter und war ein heikles
Unterfangen. Die Sonatenkunst eines Beethoven, Schubert und
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Brahms rückte unweigerlich vor das geistige Auge der Hörerinnen und Hörer und legte die Messlatte auf klassische Höhe. Dies
musste Alban Berg schmerzlich erfahren, als die Uraufführung
seiner Klaviersonate Opus 1 durch die Pianistin Etta Werndorff
1911 zu stürmischen Protesten führte.
Das einsätzige, harmonisch wie formal über die Spätromantik
hinausgreifende Werk wirkte auf die Zeitgenossen wie eine
Verhöhnung der großen Wiener Tradition, obwohl es sie in aller
Emphase fortführte. Aus einem harmonisch gleichsam aufgeladenen Material – Bergs Tribut an seinen Lehrer Arnold Schönberg auf dem Stand von dessen erster Kammersymphonie –
entwickelt sich im Rahmen eines einzigen großen Satzes eine
komplexe Sonatenform aus Exposition, Durchführung, Reprise
und Coda.
Im Jahr 1912 entstanden die Fünf Orchesterlieder nach
Ansichtskartentexten von Peter Altenberg op. 4. Zwei dieser
Lieder, die Nummern 2 und 3, brachte Arnold Schönberg im
Alban und Helene Berg mit ihrem Ford am Loiblpass
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Rahmen des berüchtigten Skandalkonzerts von 1913 zur Uraufführung. Diese beiden Lieder führten zu jenem berühmten
Tumult, infolgedessen das Konzert abgebrochen werden musste.
Eine Spezialität des 1959 in Bregenz geborenen Komponisten
Richard Dünser sind Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten. So hat er bereits Lieder von Johannes Brahms bearbeitet, die «7 Lieder von Nacht und Traum» von Alexander
Zemlinsky und dessen Kammersymphonie, die «Rückert-Lieder»
von Gustav Mahler, die «Drei Stücke» op. 11 von Schönberg und
eben auch die Sonate op. 1 für Klavier, die in Richard Dünsers
Bearbeitung für Kammerorchester bei einem Programm des
Ensembles Kontrapunkte im Musikverein uraufgeführt wurde.
Über seine Bearbeitungen befragt, äußerte Richard Dünser
in einem Interview mit dem Music Information Center Austria,
dass er bereits seine Version von Schuberts «Der Graf von Gleichen» bewusst «unschubertisch» instrumentiert habe und sich
umso mehr darüber gefreut habe, dass der Musikkritiker Ernst
Naredi-Rainer in seiner Kritik schrieb, dass es trotzdem wunderbar nach Schubert klinge: «Ich vergleiche das mit Gedichtübersetzungen: Stefan George übersetzte genial die ‹Blumen des
Bösen› von Baudelaire, und zwar so, dass sie wie Stefan George
klingen. Ich sehe mich überhaupt nicht als Arrangeur, sondern
als Komponist, der Bearbeitungen macht. So wie das auch
Schostakowitsch, Henze, Cerha mit ‹Lulu› und, wenn man so
weit gehen will, Hans Zender machten. Es hat mir immer schon
Spaß gemacht, mich mit anderen Komponisten auseinanderzusetzen […] Schostakowitsch meinte, man müsse immer etwas
schreiben, und wenn man nicht die Kraft habe für etwas Großes,
dann etwas Kleines, und wenn man auch dafür keine Kraft habe,
müsse man etwas instrumentieren. So sei man immer in Übung.
Bei mir ist das eine zweite Schiene geworden.»
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Karol Szymanowski
Słopiewnie.
22
Słowisień
W białodrzewiu jaśnie dźni słoneczno,
Miodzie złoci białopałem żyśnie,
Drzewia pełni pszczelą i pasieczną,
A przez liście kraśnie pęk słowiśnie.
Kirschenweiß
Weiße Bäume gleißend Sonnengluten,
Lieblich überglänzt von Honiggolde.
Bienensummen – sieh aus Bienenfluten
Leuchtet froh die holde Kirschendolde.
A gdy sierpiec na niebłoczu łyście,
W cieniem ciemnie jeno niezaśpiewy:
W białodrzewiu ćwirnie i srebliście
Słodzik słowi słowisieńkie ciewy.
Und rund grüßt der Mond vom Himmelsgrunde,
Schatten träumen dunkel, lispeln leise –
Weißen Bäumen klingt aus Silbermunde
Nachtigallen – kirschenweiße Weise …
Zielone słowa
A gdzie pod lasem podlasina,
Tam gęsta wiklina szeleścina.
Na prawo bór, na lewo trawy,
Oj da i te szerokie, śpiewane morawy.
Iści woda, uści woda na murawie,
Szumni, strumni dunajewo po niekławie.
Na prawo bór czarnolas dąbrowiany.
Na lewo ziel jasno ziel lści wodziany.
A po szepcinie wiją, a na murawie dzwionie,
A i tam rżą wesołote morawiańskie konie.
Hej!
Grüne Lust
Dort im waldigen, grün düsterm Raum
Träumt stumm und trauervoll manch dunkler Baum.
Hier aber weit – Gesang und Prangen.
Juchhei! jauchzt Wiesenpracht mit junggrünen Wangen.
Rinnt ein Wasser, springt ein Wasser, grün und helle,
Schwellend, schnellend flinke Welle treibt die Quelle.
Schwarz dort der Wald, düster der Wald versunken
Wasser hier wallt, grüne Gewalt wie trunken.
Lockendes leises Singen, glockendes Saitenklingen,
Übermut sprengt dahin die Pferdchen zu jagendem Springen.
Heijah!
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Święty Franciszek
Ptakowie kwiatowie łanie weseli
Alleluja, lelija alleluja, lelija ewangieli.
Ewangieli angieli ewangieli angieli
Światu wołali: niewiemo,
Chwalemo! płakali.
Niebianie polanie słodkiej światłości
Jezusie gołąbku miłości!
Der heilige Franziskus
Vögelein, Blümelein, lasst uns ihn preisen.
Halleluja wir bringen, Hallelujah wir singen Lilienweisen.
Der heil’gen Engel Chöre schallen zu seiner Ehre,
Vor der Himmelsschar neigen im Reigen sich immerdar.
Herrlichkeit, Heiligkeit, Ewigkeit Dein –
Sonne Du, Wonne Du, Jesu mein!
Kalinowe dwory
Kalinowe dwory,
Jarzeń na jawory,
Jarzębiec surowy,
Czerwoń do zawory!
Rotes Lied
Rote Hexentürme,
Rote Herbstesstürme,
Rote Beerenschnüre,
Rote Herzensschwüre.
Czerwoń jagodulu,
Ładzie do dziewanny,
Borem nie da rady,
Jaworowe panny!
Hütet euch fein, jung Mägdelein.
Dunkle Düsterhecken
Mögen ihn verstecken,
Pan, den rasenden Herrscher der Schrecken!
Dziwierz tędy łazi,
Łyśnie na spiekory,
Ej, kraśnie zagorzewią,
Kalinowe dwory!
Hej!
Rote Herbstesstürme,
Rote Hexentürme
Brennen so heiß und wild und rot,
Rot von Lieb’ und Tod!
Wanda
Woda wanda wiślana głaź głębica srebliwa
Po ciemnurzu pazurem wodzi jaskro księżawiec.
Sino płynie dno śpiewa woda wanda ruślana
Czesze włosy świetłodzie topiel dziewny-kniaziewny.
Wanda
Wanda – wanderndes Wasser – ober starrem Gesteine
Weich ein weißes Gewebe wirkt der geisternde Mondstrahl.
In des Wellengrabs Wogen singet Wanda voll Wehmut,
Königlich leuchtende Haarflut kämmt das Wasser
Mit silberner Hand.
Julian Tuwim (1894-1953)
24
Nachdichtung: Rudolf Stephan Hoffmann (1878-1931)
25
Festliche Tage II · «Auf verwachsenem Pfade»
Sonntag, 22. Jänner 2017 · 19.30 Uhr
Arnold Schönberg Center
Leoš Janáček (1854-1928)
Auf verwachsenem Pfade (Band 1) (1901-08)
1. Unsere Abende
2. Ein verwehtes Blatt
3. Kommt mit!
4. Die Friedeker Mutter Gottes
5. Sie schwatzten wie die Schwalben
6. Es stockt das Wort!
7. Gute Nacht!
8. So namenlos bang
9. In Tränen
10. Das Käuzchen ist nicht fortgeflogen!
Alois Hába (1893-1973)
Fantasie für Nonett op. 40 (1931)
Keine Pause
Klangforum Wien
Joonas Ahonen Klavier
Florian Müller Harmonium
Ferdinand Schmatz Texte
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Robert Haas: Zwei Männer am Pier, USA 1940er-Jahre (Ausschnitt) © Wien Museum
Klangforum Wien
Eva Furrer Flöte
Markus Deuter Oboe
Olivier Vivarès Klarinette
Lorelei Dowling Fagott
Christoph Walder Horn
Sophie Schafleitner Violine
Geneviève Strosser Viola
Andreas Lindenbaum Violoncello
Uli Fussenegger Kontrabass
27
Leoš Janáček
28
Klavierzyklen als autobiografisches Bekenntnis zu schreiben,
hatte in der Tschechischen Musik schon lange vor Leoš Janáček
Tradition. Zu nennen ist hier besonders Zdeněk Fibich mit
seinem acht Jahre lang geführten klavieristischen Tagebuch
«Stimmungen, Eindrücke und Erinnerungen». Mit dem Zyklus
«Auf verwachsenem Pfade» hat Janáček an dieses Vorbild
angeknüpft, denn auch sein Zyklus trägt autobiografischen
Charakter, wie im Kammermusikführer der Villa Musica Rheinland-Pfalz (www.kammermusikfuehrer.de) zu lesen ist.
Als 1903 Janáčeks über alles geliebte Tochter Olga starb,
versank der Vater in tiefe Resignation. In zunächst nur fünf
Stücken für Harmonium beschrieb er die Wege, die er an ihrer
Seite gegangen war, als von Gras überwachsene Pfade: «Verwachsen von zartkleinem Klee ist mir zum Mütterchen der Pfad»
heißt es in einem mährischen Hochzeitslied – Janáček entlehnte
das Bild der Volksdichtung. Die Harmoniumstücke arbeitete er
später für Klavier um und fügte bis 1908 weitere fünf Stücke von
ähnlichem Gehalt hinzu. In dieser Form hat er den Zyklus dann
1911 herausgebracht. Die letzten fünf Sätze wurden erst 1942
posthum ergänzt, 14 Jahre nach seinem Tode.
Schon die Titel der Stücke beschreiben, wie der Vater in
Gedanken immer wieder um die Erinnerungen an sein verlorenes
Kind kreiste – Erinnerungen, die ihm so lieb waren, dass sie
«glaube ich, niemals enden werden», wie er bekannte: «Das Maß
der dabei erlebten Leiden ist größer, als Worte zu sagen vermögen». Also kleidete er jene schmerzlichen Erinnerungsbilder in
Klavierzeichnungen von zarter Melancholie und feinster Linienführung. Sie beginnen mit den Abenden, die er an der Seite
seiner Tochter verbringen durfte, einem Moderato in cis-Moll,
dessen klagende Melodie sich in schlichtester Linienführung
entfaltet und immer wieder beim Ton gis ansetzt. Im zweiten
Stück, einem Andante in Des-Dur, sinniert der Vater über ein
Leoš Janáček überlebte seine …
… Tochter Olga um 25 Jahre.
29
30
«verwehtes Blatt», das von Vergangenem kündet. Janáček nannte
diesen Satz in einem Brief ein «Liebeslied», es ist freilich ein
durch und durch melancholisches. Nach dem kindlich-freudigen
Intermezzo der Nr. 3 («Kommt mit!») schildert die Nr. 4 eine
Wanderung von Vater und Tochter zur Friedeker Mutter Gottes,
einem Gnadenbild, das beide andächtig anbeteten. Die Musik
dieses Stücks, das ganz vom Klang des Harmoniums aus gedacht
ist, verwendete Janáček später für ein Ave Maria.
Im fünften Stück mit dem Titel «Sie schwatzten wie die
Schwalben» setzt sich wieder kindliche Daseinsfreude durch,
bevor im sechsten Stück «die Bitternis der Enttäuschung» spürbar wird («Es stockt das Wort!», Andante in Es-Dur). Das siebte
Stück ist ein aus der Vergangenheit zurückgeholtes Nacht- und
Schlaflied für die Tochter, ein Andante in lydischem C-Dur über
ein schwebenden Begleitung. Nr. 8, «So namenlos bange»,
beschreibt die Schattenseiten der Nacht. Leises Weinen durchzieht dieses Stück, eine «Vorahnung unentrinnbaren Todes», die
seine Tochter in der Nacht überfiel, wie der Vater berichtete: «In
heißen Sommernächten war dem geradezu engelsgleichen
Geschöpf so tödlich bang.» Die Linie hin zum Leid wird im
neunten Stück «In Tränen» weitergeführt und gipfelt in der Nr.
10 mit dem Titel «Das Käuzchen ist nicht fortgeflogen!». Was
im Titel so unschuldig klingt, ist in Wahrheit ein düsteres Stück
voller Todesahnungen, das zur Ausgangstonart cis-Moll zurückkehrt. Das «vertrauensvolle Lied des Daseins», eine Art Choral,
wird immer wieder vom «unheilkündenden Motiv des Käuzchens» unterbrochen. Im Volksglauben galt der Kauz als Todesbote, sein Ruf als schlechtes Omen.
Auch Wolfram Goertz schrieb in einer Besprechung in der
«Zeit» (Klassiker der Moderne 40): «Tatsächlich geht in ‹Auf
verwachsenem Pfade› von Nummer 6 an das Licht allmählich
aus. Selten ist Verdunkelung in Musik so unheimlich und unaufhaltsam über den Hörer gekommen. Er wird von den Ausrufezeichen der Titel beschworen, sitzen zu bleiben. ‹Gute Nacht!›
ist ein Betthupferl, das einem mit wehem Gemüt überreicht wird;
nun hat die Partitur beinahe so viele Pausen wie Noten. ‹In
Tränen› büßt seinen Grundton schon im ersten Takt ein. Ein
reines Nachtstück unter Herzklopfen: das letzte Stück […]. Nun
murmelt in der linken Hand nur noch ein Bach, und ein kleines
Arpeggio zeigt, wie Käuzchen normalerweise aufrauschen. Dieses hier fliegt nicht, sondern starrt in den Finsterwald und
fahndet nach Natur. Die hat Janáček geborgen, ganz feierlich
zum Choral. Heilige Natur! Alles andere ist der Tod».
Alois Hába
Der 1893 in Vizovice (Mähren) geborene Komponist und Musiktheoretiker Alois Hába, nicht zuletzt auch ein großes Vorbild
von Georg Friedrich Haas, erlangte Weltruhm durch seine Mikrointervallkompositionen, bei denen vor allem Viertelton-, aber
auch Sechstel- und Zwölfteltonstimmung Verwendung fand. Der
Schüler von Vítězslav Novák und Franz Schreker in Prag, Wien
und Berlin gehörte in den frühen 1920er-Jahren zur europäischen
Avantgarde und gründete am Prager Konservatorium mit Hilfe
seines Förderers Josef Suk eine Abteilung für das Studium mikrotonaler Musik. Die Entwicklung der musikalischen Moderne,
insbesondere von Schönberg und Webern verfolgte er mit großem Interesse. Er nahm unter anderem an den berühmten
Musikfesten in Donaueschingen teil. In seiner Musik erweiterte
er, inspiriert unter anderem durch die Praxis traditioneller mährischer Musik, die Tonskala um Viertel-, Fünftel-, Sechstel- und
Zwölfteltöne, wozu auch spezielle Instrumente angefertigt wurden.
Der Brünner Musikwissenschaftler Jiří Vysloužil, der auch
mitunter in der Österreichischen Musikzeitschrift publizierte,
analysierte in einem Aufsatz über Alois Hába dessen «Symphonische Phantasie» op. 8 und schrieb: «Die bedeutenden tschechischen Zeitgenossen Schönbergs Vítězslav Novák, Josef Suk
und Otakar Ostreil, deren erstgenannter 1914 und 1915 auch
Hábas Lehrer im Meisterkurs für Komposition des Prager Musikkonservatoriums war, erscheinen Schönberg gegenüber als traditionelle, oder mit anderen Worten: verspätete künstlerische
Persönlichkeiten. Nicht einmal der harmonisch ungewöhnlich
31
Alois Hába an einem «August Förster»-Vierteltonpiano
32
intensiv empfindende Suk überschritt die Grenzen der Tonalität,
u. a. dank des tonalen und harmonischen Orgelpunkts, über
welchen er bewegliche chromatische Melodien, Harmonien und
polyphone Zonen entwickelte, die jedoch immer zu Versöhnung
und Ruhe, zur Konsonanz strebten […] Mit ihrem skeptischen
Standpunkt zu Schönbergs musikalischem Radikalismus bewahrten Novák und Suk zwar die lebendige Kontinuität mit der
tschechischen Musikantentradition, verursachten jedoch, dass
die moderne tschechische Musik im Grunde genommen abseits
der künstlerischen Eroberungen blieb, die in der ersten Hälfte
unseres Jahrhunderts vor allem die Avantgarde der sogenannten
Zweiten Wiener Schule repräsentierte.»
Aber es gab eine Ausnahme: Alois Hába sei ein kühner und
erfindungsreicher Harmoniker gewesen, der die Impulse der
neuzeitlichen Chromatik in seinem Schaffen auf individuelle
Weise, und sogar in noch feineren Dimensionen auszuwerten
wusste, als sie der Halbton darstellt, ihre Verwirklichung habe
im Zeichen des inspirierenden Einflusses von Schönbergs Persönlichkeit und Werk stattgefunden: «Sein erstes, und trotzdem
bewundernswert reifes und ausgeprägtes ‹zwölftoniges› chromatisches Werk, die Symphonische Phantasie für Klavier und
Orchester, op. 8 (1920-21), schrieb Hába noch als offizieller
Schüler Schrekers, in Wirklichkeit jedoch eher unter dem lebendigen Eindruck der Begegnung mit Schönbergs Kompositionen,
nach dem Studium seiner Harmonielehre und nach analytisch
höchst anregenden und lehrreichen Korrekturen von Schönbergs
Kompositionen, die Hába während seiner Wiener Studien als
Korrektor der Universal Edition in Wien durchführte. Auch die
späteren ‹Zwölfton›-Kompositionen Hábas, die Phantasie für
Flöte und Klavier op. 34 (1928), die Toccata quasi una fantasia
für Klavier op. 38 (1931), die Zwölfton-Fantasie für Nonett
op. 40 (1931) und die Symphonische Phantasie für Orchester
‹Cesta zivota› (‹Der Weg des Lebens›), op. 46 (1933), entstanden
in der Atmosphäre der neuen, bereits ‹dodekaphonen› Werke
Schönbergs, insbesondere der Variationen für Orchester op. 31
und der Oper ‹Von heute auf morgen› op. 32, deren Premieren
in Deutschland Hába persönlich beiwohnte.»
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Festliche Tage III · «Voix Étouffées»
Ernst Krenek (1900-1991)
Freitag, 27. Jänner 2017 · 20.00 Uhr
Wien Museum Karlsplatz
Symphonische Musik für neun Soloinstrumente op. 11 (1922)
Adagio
Eric Zeisl (1905-1959)
Aus: November. Sechs Orchesterskizzen op. 22 (1937-38)
2. Souvenir
3. Ein Regentag
Wilhelm Grosz (1894-1939)
Lieder an die Geliebte, op. 18 (1924)
Bearbeitung: Uli Fussenegger
1. Du allein
2. Schicksal
3. Wenn ich ein Dichter wär
4. Das Singen deines Mundes
5. Und doch …
Ernst Krenek
Pentagramm op. 163 (1952-57)
Presto
Andante
Moderato - Allegro
Wilhelm Grosz
Along the Santa Fe Trail (1939)
Bearbeitung: Gerald Preinfalk
Keine Pause
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Robert Haas: Riesenrad im Böhmischen Prater am Laaer Berg, Wien 1938 (Ausschnitt)
© Wien Museum
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Pierre Boulez
Integrale
November 2016
So, 7. 5. 2017
Di, 9. 5. 2017
So, 14. 5. 2017
Di, 16. 5. 2017
Do, 18. 5. 2017
So, 21. 5. 2017
Foto: Harald Hoffmann / DG
Mi, 24. 5. 2017
Mo, 29. 5. 2017
Mi, 31. 5. 2017
Do, 1. 6. 2017
Mi, 7. 6. 2017
So, 11. 6. 2017
Di, 13. 6. 2017
Mo, 19. 6. 2017
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Quatuor Diotima (Wien Modern)
Boulez Ensemble · Barenboim
mdw Chamber Orchestra
Wiener Philharmoniker
Toronto Symphony Orchestra
Swedish Radio Symphony Orchestra
RSO Wien · Meister
Experimentalstudio des SWR · C. & J. Widmann
Aimard · Stefanovich
Pahud · Kozhukhin
RSO Wien · Pahud · Pintscher
œnm
Company of Music
PHACE
Klangforum Wien
Klangforum Wien
Sarah Wegener Sopran
Agnes Heginger Sopran
Matti Bunzl Texte
Klangforum Wien
Vera Fischer Flöte
Markus Deuter Oboe, Englischhorn
Bernhard Zachhuber Klarinette
Lorelei Dowling Fagott
Christoph Walder Horn
Gerald Preinfalk Saxophon
Anders Nyqvist Trompete
Andreas Eberle Posaune
Virginie Tarrête Harfe
Annette Bik Violine
Gunde Jäch-Micko Violine
Dimitrios Polisoidis Viola
Andreas Lindenbaum Violoncello
Uli Fussenegger Kontrabass
Lukas Schiske Schlagwerk
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Robert Haas
Robert Haas (1898 Wien - 1997 New York) gehört zu den wichtigsten Vertretern des Fotojournalismus im Österreich der Zwischenkriegszeit. Neben seiner Tätigkeit als Grafiker erlernte er
von 1930 bis 1932 die Fotografie bei der Wiener Atelierfotografin Trude Fleischmann. In den 1930er-Jahren war er als Fotograf
für österreichische und internationale Medien tätig. In Wien
entstanden berührende Alltags- und Sozialreportagen, aber auch
Porträts, Sachaufnahmen, Werbung, Landschafts- und Architekturaufnahmen sowie technische Dokumentationen. Ab 1936 war
er mehrere Jahre lang als offizieller Pressefotograf der Salzburger
Festspiele tätig.
Obwohl die Fotografien von Robert Haas zu seiner Zeit in
Wien große Verbreitung fanden, ist er heute – völlig zu Unrecht
– in Vergessenheit geraten, nicht zuletzt, weil er 1938 als Jude
aus Wien fliehen musste. Er flüchtete über London nach New
York, wo er seine berufliche Laufbahn vor allem als Grafikdesigner fortführte. Auch in den USA fotografierte er weiterhin
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Das Wien Museum konnte kürzlich den Fotonachlass von
Robert Haas erwerben. In einer Ausstellung werden seine Fotografien erstmals im großen Umfang einer breiten Öffentlichkeit
präsentiert.
Matti Bunzl, Direktor des Wien Museums, wird im Rahmen
des Konzerts am 27. Jänner die verborgenen Verbindungen dieses grandiosen lichtbildnerischen Werks mit den neuen musikalischen Strömungen erfahrbar machen.
Robert Haas. Der Blick auf zwei Welten
24. November 2016 - 26. Februar 2017
Wien Museum, Karlsplatz 8, 1040 Wien
38
39
Ernst Krenek
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Der 1900 in Wien als Sohn eines Offiziers böhmischer Herkunft
geborene Ernst Krenek begann als Gymnasiast bereits mit 16
Jahren ein Kompositionsstudium bei Franz Schreker. Nach dem
Militärdienst und einem zweisemestrigen Philosophiestudium
folgte er seinem Lehrer 1920 nach Berlin. In den von 1942 bis
1952 in den USA geschriebenen monumentalen Lebenserinnerungen an die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts (Kreneks Autobiographie wurde auf Englisch geschrieben und ist in deutscher
Übersetzung von Friedrich Saathen unter dem Titel «Im Atem
der Zeit. Erinnerungen an die Moderne» erschienen) beschreibt
der Komponist seine Zeit in Berlin bis 1923, die er – abgesehen
von Reisen – großteils dort verbrachte. Er verkehrte bald im
Kreis bedeutender Musiker wie Ferruccio Busoni, Hermann
Scherchen, der seine erste Symphonie uraufführte, Artur Schnabel oder Eduard Erdmann, der ihm das Liedschaffen von Schubert näher brachte, lernte auch Alois Hába, die Busoni-Schüler
Kurt Weill und Wladimir Vogel, sowie Paul Hindemith kennen,
in Wien besuchte er die «musikalischen Privataufführungen»
des Schönberg-Kreises.
Kompositorisch wollte er bereits andere Wege einschlagen
als sein Lehrer Franz Schreker. Was das eigene Komponieren
betrifft, fand es Ernst Krenek rückblickend «fast unglaublich,
dass man auch nur die manuelle Arbeit, so viele Noten in so
kurzer Zeit niederzuschreiben, leisten kann». 1922 komponierte
er die Symphonische Musik für neun Soloinstrumente op. 11
in zwei Sätzen. In Nürnberg hatte bei einem «Tonkünstlerfest»
sein Streichquartett Nr. 1 Erfolg gehabt und ihn öffentlich
bekannt gemacht, in Donaueschingen, das er 1921, 1922 und
1923 besuchte, kam es unter anderem zur Aufführung seiner
ersten Symphonischen Musik. Der junge Ernst Krenek habe
einen selbstbewussten, aber auch provozierenden Kommentar
über diese Musik abgegeben: «Die Struktur in zwei Sätzen … ist
sehr simpel und für die Hörer leicht zu verstehen, daher glaube
ich nicht, dass eine Analyse notwendig ist.» Das Stück, so die
Universal Edition, wurde zu einer Zeit komponiert, in der Krenek
Ernst Krenek, Jugendportrait (Jahr unbekannt)
den sinnlichen Klang seines Lehrers Schreker ablehnte und sich
einer Art von neo-barockem Stil annäherte.
1922 entstanden auch die 2. Symphonie, «die fast eine Stunde
dauert», ein größeres Klavierwerk (Toccata und Chaconne), die
erste Oper (der Einakter «Die Zwingburg»), die Symphonie Nr.
3 und eine Anzahl von Liedern und kleineren Stücken. 1923
entstanden zwei abendfüllende Opern, ein Klavierkonzert, ein
Streichquartett und der Anfang seines vierten Quartetts sowie
die zweite Symphonische Musik op. 23 für neun Solo-Instrumente in einem Satz (Divertimento), Lieder und Stücke für Chor
a cappella.
Mit 25 Jahren nahm Krenek eine Oper in Angriff, die seinen
Namen international bekannt machen sollte: «Jonny spielt auf»
machte eigentlich fälschlicherweise als «Jazzoper» Furore (die
Musik hatte mit amerikanischem Jazz wenig zu tun) und hob
einen Afroamerikaner als Hauptfigur auf die Bühne der Opernhäuser. Sie entsprach dem Geist der 1920er-Jahre, wurde in
41
zahlreichen (oder besser: zahllosen) Theatern in Europa gespielt
und diente als Provokation für die Kräfte der politischen Rechten, die gegen die Produktion an der Wiener Staatsoper mobilisierte. Dank «Jonny spielt auf» bekam der junge Komponist –
und nicht nur er – einen Vorgeschmack dessen, was über Europa
in ein paar Jahren hereinbrechen würde, berichtet die Universal
Edition. Und weiter: «Die Freude, die Krenek die Anfrage seitens
der Wiener Staatsoper (in der Person des Dirigenten Clemens
Krauss) bereitete, eine Oper zu schreiben, verwandelte sich in
Enttäuschung und Bitterkeit, als sich das Theater weigerte,
Karl V. zur Uraufführung zu bringen. Als überzeugter Gegner
der Nazis sah Krenek keine andere Wahl, als seine Heimat zu
verlassen und ein neues Leben in den Vereinigten Staaten aufzubauen.»
Von 1947 bis 1966 lebte Ernst Krenek in Los Angeles, heiratete
1950 die Komponistin Gladys Nordenstrom, nahm seine Konzert- und Vortragsreisen in Europa wieder auf und war als Dozent
bei den Darmstädter Ferienkursen tätig. Sein dreisätziges, acht
Minuten dauerndes Pentagramm op. 163 für Bläserquintett
entstand 1957 und ist die revidierte Fassung eines bereits 1952
komponierten Quintetts op. 130 in gleicher Besetzung – für
Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn.
Abenden im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses und im
Ehrbar Saal aufgeführt. Bis 1934 wuchs sein Œuvre zwischen
Tradition und Avantgarde (über 100 Lieder, Kammermusik-,
Chor- und Orchesterwerke sowie eine frühe Oper) stark an. Die
zeittypisch von «Jazziness» durchsetzte Ballettsuite «Pierrot in
der Flasche» des noch nicht 30-Jährigen wurde durchwegs positiv rezensiert. Als Mitglied der interdisziplinären Gruppe Junge
Kunst stand er in Austausch mit dem Dichter und Psychoanalytiker Alfred Farau und unterhielt daneben eine tiefe Freundschaft mit der Literatin Hilde Spiel. Er war durch künstlerische
Zusammenarbeit mit den Dirigenten Kurt Herbert Adler, der das
Werk für Orchester und Gesang «Die Fahrt ins Wunderland» an
der Wiener Volksoper aufführte, oder Karl Oskar Alwin, der seine
«Passacaglia» für großes Orchester in einem RAVAG-Konzert
der Wiener Symphoniker spielte, verbunden. Für die Librettisten
Hugo F. Koenigsgarten und Hans Kafka komponierte er noch
1937 eine Art Singspiel-Musik für deren Adaptierung von Georg
Eric Zeisl porträtiert von Lisel Salzer (1906-2005)
Eric Zeisl
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Der als Sohn einer Kaffeehausbetreiberfamilie 1905 in der Wiener Leopoldstadt geborene Erich Zeisl zeigte früh Begabung für
Komposition und Improvisation am Klavier. 15-jährig trat er
1920/21 an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien
in die Klasse von Richard Stöhr ein und studierte fortan bei
diesem sowie bei Joseph Marx und Hugo Kauder privat. Im Kreis
der sogenannten «moderaten Wiener Moderne» konnte Erich
Zeisl, dessen Domäne im Wien der Zwischenkriegszeit in der
Liedkomposition lag, sich an der Seite von Komponisten wie
Franz Mittler, Julius Chajes, Marcel Rubin und Ernst Kanitz
erfolgreich etablieren. Seine Lieder wurden immer wieder bei
43
44
Büchners «Leonce und Lena». In der Biografie von Karin Wagner
über Erich Zeisl («Fremd bin ich ausgezogen») heißt es, dass die
zu Beginn des Jahres 1938 komponierten Werke die politischen
Geschehnisse widerspiegeln: Die Klavier- bzw. Orchesterstücke
November (November 1937 - Mai 1938), das Lied «Komm süßer
Tod» und zwei A-cappella-Chöre (Februar) «erscheinen im
Gegensatz zu dem hellen Singspiel dunkel und betont resignativ».
Das Lexikon verfolgter Musikerinnen und Musiker der NSZeit des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Hamburg sowie die von Zeisls Enkel Eric Randol Schoenberg veröffentlichte Website (www.zeisl.com) gibt weiteren Aufschluss
über das Leben und Wirken Eric Zeisls. So bezog dieser im März
des Jahres 1936 mit seiner Ehefrau Gertrud eine gemeinsame
Wohnung in der Mölkerbastei im 1. Wiener Bezirk. Im Januar
1938 schrieb Zeisl mit «Komm süßer Tod» sein letztes Lied in
deutscher Sprache. Im März 1938 brach seine aufstrebende
Karriere dann jäh ab und die für April und Mai 1938 unter dem
Dirigenten Adler geplante Aufführung seines Singspiels «Leonce
und Lena» im Schönbrunner Schlosstheater konnte nicht mehr
realisiert werden. Im Frühjahr und Sommer 1938 wich die Familie Zeisl, die jüdischer Herkunft war, vor dem aggressiven Naziterror nach Baden bei Wien aus, doch auch dort spitzten sich
die Repressalien gegen die jüdische Minderheit ins Unerträgliche
zu. Nach den Novemberpogromen gelang Zeisl 1938 die Flucht
aus Österreich. Erich und Gertrud Zeisl sowie der Bruder Wilhelm Zeisl verfügten über Affidavits eines New Yorker Namensvetters. Erste Station der Emigration wurde Paris, das als Zwischenexil einen Wendepunkt markiert: Erich Zeisl wandte sich
– ähnlich wie Arnold Schönberg – seinen jüdischen Wurzeln zu
und machte dies auch in seinem Werk öffentlich, besonders im
«Hiob» (nach Joseph Roth). Zunächst im Pariser Hotel Perey
untergebracht, konnten die Zeisls ab Juni 1939 gemeinsam mit
Hans Kafka, der das Libretto zur späteren Oper «Hiob» geliefert
hatte, ein Haus im außerhalb von Paris gelegenen Le Vésinet
mieten. Im September 1939 emigrierten die Zeisls weiter in die
USA und landeten in New York. Trotz ärmlicher Verhältnisse
erlebte Zeisl, dem neuen Sprachraum nun mit dem Vornamen
Eric angepasst, in New York eine Zeit des Aufschwungs. Unerwartet erbrachten Radioausstrahlungen, Zeitungsberichte und
Aufführungen ihm einige Popularität. Auch gab die Geburt der
Tochter Barbara im Mai 1940 neue Impulse (Barbara ZeislSchoenberg wurde später zu einer wichtigen Vermittlerin des
Werks ihres Vaters). Mit Unterstützung der Freunde Hans Kafka
und Hanns Eisler, welche beide bereits in Hollywood unter
Vertrag standen, folgte Zeisl 1941 einer vielversprechenden
Einladung von Metro-Goldwyn-Mayer, startete in Los Angeles
eine Tätigkeit als Filmmusikkomponist und schrieb Musik zu
Filmen wie «Journey for Margaret» (1942), «Reunion in France»
(1942) oder «The Postman Always Rings Twice» (1946). Enge
Vertraute wurden die ebenfalls im Filmmusikbetrieb tätigen
Komponisten Erich Wolfgang Korngold, Ernst Toch, Alexandre
Tansman und Mario Castelnuovo-Tedesco. Letzten Endes
konnte Zeisl in Hollywood aber nicht reüssieren. Die sich einstellende Schaffenskrise überwand er erneut mit der Hinwendung zu jüdischen Themen. Als er von der Ermordung seines
Vaters im KZ Treblinka erfuhr, schrieb er im Gedenken an die
Holocaust-Opfer 1944/45 mit dem «Requiem Ebraico» sein wohl
berühmtestes Werk. Erich (Eric) Zeisl starb am 18. Februar 1959
in Los Angeles nach einer Vorlesung an den Folgen eines Herzinfarkts.
Eine Premiere erlebten die sechs Orchesterskizzen «November» auf WABC, wo sie im Jänner 1941 als «Six sketches for
Chamber Orchestra» im Rahmen eines «symphony concert
program» vom Columbia Broadcasting System unter der Leitung
von Howard Barlow zur Aufführung gebracht wurden. Im eigenhändigen Autograph der Partitur von Eric Zeisl lauten die Satztitel: «All souls», «Souvenir», «Rainy Day» (‹Ein Regentag›),
«Dance of the Fallen Leaves», «Shepherd’s Melody» und «Victory» in Winter. Das 1937-38 entstandene Werk besteht ursprünglich einerseits aus insgesamt acht Klavierstücken, den ersten
drei folgten 1938 weitere fünf; wobei das zweite Stück («Souvenir») für Fagott und Klavier gesetzt ist.
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Wilhelm Grosz
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Während Kollegen wie Ernst Krenek, Kurt Weill und Alois Hába
in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg jeweils auf ihre Art
Wege aus der spätromantischen Sackgasse suchten, entdeckte
der 1894 in Wien geborene Wilhelm Grosz früh den Jazz als
Stilmittel zur Artikulation ureigener musikalischer Ausdrucksform. Vor Krenek in seiner sogenannten Jazzoper «Jonny spielt
auf» führte er als erster österreichischer Komponist das JazzIdiom in seine Musik ein, etwa mit der «Jazzband»-Sonate für
Violine und Klavier (1922), und er kreierte 1927 in «Baby in der
Bar», einem sogenannten «Tanzspiel», zu dem der Filmtheoretiker und -kritiker Béla Balász den Text schrieb, eine Synthese
aus europäischer Kunstmusik und zeitgenössischen Jazz-Elementen. Gleichzeitig blieb er, der wie Krenek ebenfalls Schüler
von Franz Schreker war, durchaus weiterhin der spätromantischimpressionistischen Linie treu und galt als Künstlerpersönlichkeit mit «ausgeprägtem Formtalent, Sinn für aparte Klangwirkungen, Gewandtheit und Geschmack in der Erfindung und
Geschicklichkeit in der Ausführung seiner musikalischen Gedanken», wie ihn Kurt Roger im Februar 1919 im «Neuen Wiener
Journal» beschrieb. Im Kreis der jungen österreichischen Avantgarde standen Werke von ihm auf Programmen internationaler
Festivals für neue Musik, wie etwa 1922 in Salzburg, wo die junge
Internationale Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) ihr erstes
Musikfest veranstaltete. Anlässlich einer Aufführung der Liederzyklen «Liebeslieder» op. 10 und der «Rondels» op. 11 reihte
ihn Julius Leopold Korngold 1923 in der «Neuen Freien Presse»
sogar unter die «bedeutendsten Vocalpoeten seit Brahms und
Richard Strauss» ein.
Als Sohn einer jüdischen Juweliersfamilie besuchte Wilhelm
Grosz das Gymnasium in der Wasagasse im 9. Bezirk, das auch
Erich Wolfgang Korngold zu seinen Schülern zählte. Nach dem
Studium bei dem Operettenkomponisten Richard Heuberger
und bei Schreker verließ er die Wiener Musikakademie mit
Auszeichnung, im gleichen Jahr wurden seine Orchesterstücke
«Tanz» und «Serenade» von den Wiener Philharmonikern unter
Wilhelm Grosz, Ernst Krenek, Philipp Jarnach und Alois Hába
in Donaueschingen, 1921
Felix Weingartner uraufgeführt. Zugleich studierte Grosz an der
Universität Musikwissenschaft bei Guido Adler und promovierte
1920 mit einer Dissertation über «Die Fugenarbeit in Wolfgang
Amadeus Mozarts Vokal- und Instrumentalwerken».
Seine weiteren Stationen waren eine Kapellmeisterstelle in
Mannheim, freie Tätigkeiten in Wien als Komponist und Pianist,
und die 1927 erfolgte Übersiedlung nach Berlin, wo Grosz künstlerischer Leiter der neu gegründeten Ultraphon-Schallplattengesellschaft wurde, an deren erstem Schallplattenkatalog er in
vielfältiger Weise beteiligt war: als Dirigent der Berliner Philharmoniker, als Komponist von Tagesschlagern («Sieben kleine
Tillergirls»), als Arrangeur von Liedern und Strauß-Walzern, als
Begleiter von Sängern oder als Pianist.
In Berlin entstanden erste Filmmusiken («Wer nimmt die
Liebe ernst», 1931), Orchesterarrangements von Werken von
Johann Strauß und Emmerich Kálman, Couplets für Friedrich
Hollaenders Kabarett Tingel-Tangel («Bänkel und Balladen»,
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1930) und eigens für den Rundfunk konzipierte Werke. Infolge
der Brandmarkung seiner Musik als «entartet» und eines Aufführungsverbots in Deutschland kehrte Grosz 1933 zurück nach
Wien und brachte dort als musikalischer Leiter der Wiener
Kammerspiele seine Bearbeitung von Franz von Suppés «Die
schöne Galathée» heraus. Nach der Ermordung eines Juweliers
durch einen Nationalsozialisten kehrte er mit seiner Familie
1934 Österreich den Rücken und übersiedelte nach England.
Seine «ernsten» Kompositionen erweckten dort kaum Interesse,
aber es entstanden weit über ein Dutzend «Hits» für Londons
sogenannte «Tin Pan Alley», die ihm die materielle Existenz
sicherten. Unter Verwendung von Pseudonymen fanden manche
seiner Schlager sogar in Nazi-Deutschland Verbreitung.
Auf Empfehlung seines Schulfreundes Erich Wolfgang Korngold reiste Grosz im Mai 1939 in der Hoffnung auf einen Vertragsabschluss mit Hollywood mit seiner Frau in die USA. In
New York angekommen, entstanden einige Schlager für die
Irving Berlin Music Company, die u. a. von Glenn Miller und
seinem Orchester aufgenommen wurden. Die Weiterfahrt nach
Kalifornien verzögerte sich durch den Kriegsbeginn im September 1939, da er versuchte, seine in London zurückgelassene
Tochter in die USA zu holen. Bevor er seine Pläne realisieren
konnte, starb Wilhelm Grosz am 10. Dezember 1939 unerwartet
an den Folgen eines Herzinfarktes.
In einer Bearbeitung von Uli Fussenegger sind am heutigen
Abend die «Lieder an die Geliebte» op. 18 zu hören. Sie entstanden 1924 in Wien auf Texte von Hans Bethge. Der Schriftsteller und Dichter war erfolgreicher Herausgeber moderner
deutscher und fremdsprachiger Lyrik, vor allem aber seine
Nachdichtungen klassischer orientalischer Lyrik (ab 1907) machten ihn weit bekannt. Der erste Band «Die chinesische Flöte»
erlebte eine Gesamtauflage von knapp 100.000 Exemplaren und
Gustav Mahlers «Lied von der Erde» basiert auf sieben Gedichten daraus. Bethges musikalisch-rhythmische Sprache in ungebundenen Versen inspirierten mehr als 180 Komponisten zu
Vertonungen, darunter Richard Strauss, Karol Szymanowski,
Arnold Schönberg, Anton Webern, Hanns Eisler, Viktor Ull-
mann, Gottfried von Einem, Ernst Krenek, Artur Immisch,
Ludvig Irgens-Jensen, Paul Graener, Ernst Toch, Fartein Valen,
Egon Wellesz und eben auch Wilhelm Grosz.
Die zweite heute aufgeführte Country- und Western-Ballade
«Along the Santa Fe Trail» (in der Bearbeitung von Gerald
Preinfalk) ist das letzte Werk von Wilhelm («Will») Grosz und
geriet posthum zu seinem Vermächtnis. Bei dem Lied für den
gleichnamigen Film handelt es sich bezeichnenderweise um eine
umgearbeitete Version eines Tangos, den er ursprünglich 1929
für den Tenor Joseph Schmidt geschrieben hatte. Glenn Miller
spielte den Song 1939, Al Dubin und Edwina Coolidge steuerten
den Text bei. Der Film «Santa Fe Trail» wurde 1940 in der Regie
von Michael Curtiz mit den Darstellern Errol Flynn, Olivia de
Havilland und Ronald Reagan herausgebracht. Die Musik zum
Film stammte von dem 1888 im Hotel Nordbahn in WienLeopoldstadt geborenen Max Steiner, der von seinem Taufpaten
Richard Strauss und Gustav Mahler unterrichtet wurde. Max
Steiner ging bereits 1904 nach London ging und wurde daraufhin
in Hollywood ansässig, wo er einer der berühmtesten Filmkomponisten werden sollte (u. a. «Vom Winde verweht», «Casablanca»). Die Handelszüge und die Kämpfe gegen Mexiko und
die Indianer auf dem Santa Fe Trail waren ein häufiges Thema
in frühen amerikanischen Western-Filmen.
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Wilhelm Grosz
Lieder an die Geliebte
Du allein
Sieh, wiederum hab ich mir eine Träne
der Trauer fortgewischt.
Du bleibst für immer trotz aller deiner Fehler
meine Sehnsucht.
Trotz aller deiner Fehler hab ich immer von neuem
dir verziehn.
Denn du allein kannst lieben und empfinden, und bist schön.
Schicksal
Ich bin verwirrt in meinem Liebessehnen.
All meine Lieder, alle Blumen wandern von mir zu dir.
Der Jammer meines Lebens entlockt ein Lächeln dir.
Und alle Qual und aller Kummer kommt von dir zu mir.
Das Singen deines Mundes
Ich lausche deinem lieblichen Gesang auf Knieen, er verwirrt
und überredet die klagereiche Stimme meiner Lippen.
Das stumme Land in meines Lebens Nacht wird wundervoll
lebendig durch das Singen,
das tief bewegte Singen deines Mundes.
Und doch …
All diese schönen Lieder, die ich singe, sind trügerisch,
ich weiß.
Und doch … und doch … doch …
und doch mein Herz erbebt bei diesen Melodien,
den lügnerischen, weil sie meine Tage in eine wundervolle
Hoffnung wiegen.
Hans Bethge (1876-1946)
Wenn ich Dichter wäre …
Bei dir, Geliebte, ruht mein Herz sich aus!
Wenn ich ein Dichter wäre, würd’ ich Worte von unsagbarer
Innigkeit dir weihn, geschwisterliche Seele.
Würde mir vom Himmel eine Eingebung verliehen,
die deiner würdig wäre.
Jedem Vers belud ich mit dem mächtigstem Gefühl,
bevor ich ihn dir böte, böte zum Geschenk.
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Along the Santa Fe Trail
Angels come to paint the desert nightly
When the moon is beaming brightly
Along the Santa Fe Trail
Entlang der Santa Fe Trail
Engel kommen jede Nacht, um die Wüste zu malen
Wenn der Mond hell strahlt
Entlang der Santa Fe Trail
Stardust scattered all along the highway
On a rainbow colored sky-way
Along the Santa Fe Trail
Sternenstaub verstreut entlang des Highways
Auf einem regenbogen-farbigen Luftweg
Entlang der Santa Fe Trail
Beside you I’m riding every hill and dale
While shadows hide you
Just like a pretty purple veil
There-by hangs a tale, I found you
And the mountains that surround you
Are the walls I built around you
Along the Santa Fe Trail
Neben dir befahre ich jeden Berg und jedes Tal
Während Schatten dich umfangen
Wie einen schönen fliederfarbenen Schleier
Damit hängt eine Geschichte zusammen, ich fand dich
Und die Berge, die dich umgeben,
Sind die Wände, die ich um dich gebaut habe
Entlang der Santa Fe Trail
Edwina Coolidge & Al Dubin (1891-1945)
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Übersetzung: Archiv
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Festliche Tage IV · «Très Belle Époque»
Mittwoch, 1. Februar 2017 · 19.30 Uhr
Wiener Konzerthaus, Schubert-Saal
André Caplet (1878-1925)
Légende (1903-04)
Maurice Ravel (1875-1937)
Introduction et Allegro für Flöte, Klarinette, Harfe und
Streichquartett (1905)
Jean Françaix (1912-1997)
Quintett für Flöte, Harfe und Streichtrio (1934)
Andante tranquillo
Scherzo
Andante
Rondo
Lili Boulanger (1893-1918)
Aus: Trois morceaux pour piano (1914)
Bearbeitung: Andreas Lindenbaum
2. D’un Jardin Clair
1. D’un Vieux Jardin
Germaine Tailleferre (1892-1983)
Aus: Le petit livre de harpe de Madame Tardieu.
Dix-huit études (1913-17)
Nr. 3: Pas trop vite
Nr. 6: Pas trop vite a mon petit ami Jean Tardieu
Nr. 9: Lent
Nr. 11: Lent
Nr. 12: Colin-Maillard
Nr. 18: Pas trop vite
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Robert Haas: Marlene Dietrich bei den Salzburger Festspielen 1936/37 (Ausschnitt)
© Wien Museum
Keine Pause
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Klangforum Wien
Virginie Tarrête Harfe
Ferdinand Schmatz Texte
Festkonzert zum
90. Geburtstag
von Lothar Knessl
Klangforum Wien
Vera Fischer Flöte
Markus Deuter Oboe
Olivier Vivarès Klarinette
Lorelei Dowling Fagott
Gerald Preinfalk Saxophon
Virginie Tarrête Harfe
Annette Bik Violine
Sophie Schafleitner Violine
Dimitrios Polisoidis Viola
Benedikt Leitner Violoncello
Uli Fussenegger Kontrabass
Klangforum Wien
György Ligeti Zehn Stücke für Bläserquintett
György Kurtág 12 Mikroludien 0p.13 · György Kurtág 4 Lieder op. 11
Adriana Hölszky Segmente (ÖEA) · Henryk Gòreckl Musiquette 4 op.28
Galina Ustwolskaja Komposition Nr. 1 Dona nobis pacem
Foto: Johannes Cizech
Sonntag, 23. April 2017, 19.30 Uhr, Schubert-Saal
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André Caplet
Der 1878 in Le Havre geborene André Caplet wurde als siebtes
Kind einer armen Familie geboren, allerdings galt sein Vater als
bester Klavierstimmer der ganzen Stadt. Seine erste musikalische
Ausbildung erhielt er auf der Violine, gewann schon mit neun
Jahren einen Preis und wurde im Alter von zwölf Jahren Violinist
(und auch Pianist) im Grand-Théâtre seiner Heimatstadt. 1896
begann er ein Studium am Pariser Konservatorium in den
Fächern Harmonielehre, Klavierbegleitung und Komposition,
wurde Dirigent der Concerts Colonne, mit 21 Jahren wurde er
zum Musikdirektor am Théâtre de la Porte Saint-Martin ernannt.
1901 wurde er (u. a. gegen die Konkurrenz Ravels) mit dem Prix
de Rome für seine Kantate «Myrrha» ausgezeichnet. Nach der
André Caplet mit seinem Lehrer Claude Debussy
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Rückkehr aus Rom wurde Caplet Schüler von Claude Debussy.
Bis 1910 blieb er Dirigent der Concerts Colonne, von 1910 bis
1914 dirigierte er an der Oper in Boston. 1912 leitete er die englische Erstaufführung von Debussys Oper «Pelléas et Mélisande».
Debussy vertraute ihm auch die Orchestrierung des Bühnenwerks «Le Martyre de Saint Sébastien» an, dessen Uraufführung
er dirigierte. 1914 wurde Caplet zum musikalischen Leiter der
Pariser Oper ernannt, meldetet sich aber wenige Tage später
freiwillig zum Wehrdienst. Während seines Militärdienstes erlitt
er eine Gasvergiftung. Die dadurch entstandene Brustfellentzündung zwang ihn zur Aufgabe seiner Dirigiertätigkeit – er
widmete sich seitdem nur noch der Komposition – und trug mit
zu seinem relativ frühen Tod im Jahr 1925 bei. Caplet war avantgardistischen Tendenzen gegenüber aufgeschlossen, so dirigierte
er als erster französischer Dirigent die «Fünf Orchesterstücke»
Arnold Schönbergs.
Die «Légende» für Saxophon und Orchester ist vermutlich
um 1903 während Caplets Rom-Aufenthalt entstanden. Von dem
Stück gibt es zahlreiche Fassungen für Altsaxophon mit Klavier.
Interessant ist, wie französische Komponisten in den ersten
Jahren des 20. Jahrhunderts dazu kamen, Werke für Saxophon
zu komponieren. Eine 1999 erschienene CD mit Werken (und
teils Transkriptionen solcher) von Claude Debussy, Vincent
d’Indy, Florent Schmitt, Maurice Ravel und eben André Caplets
«Légende» gibt Aufschluss: Der Titel des erwähnten Albums − «A
Saxophon for a Lady» − verweist auf die amerikanische Saxophonistin Elisa Hall, die Werke von einigen mehr oder weniger
namhaften Komponisten interpretierte, wovon das bekannteste
Debussys «Rhapsodie pour orchestre et saxophone» von 1905
war. Angeblich hat Debussy seine Abneigung für das «wässrige
Instrument» niemals verborgen und tat auch sein Bestes, dafür
zu sorgen, dass die Rhapsodie Zeit seines Lebens nicht aufgeführt wurde. Legendär wurde eine Einspielung davon erst mit
Sigurd Raschèr und dem anerkannten Debussy-Kenner Ernst
Ansermet in den 1930er-Jahren.
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Maurice Ravel
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1904 beauftragte die Klavierbaufirma Ignace Pleyel & Comp.ie
(heute: Internationale Pleyel Gesellschaft) Claude Debussy mit
einem Kompositionsauftrag, mit dem die Vorzüge von deren
neuen chromatischen Harfe unter Beweis gestellt werden sollten.
Daraus entstanden Debussys «Danse sacrée et danse profane»
für Harfe und Orchester. 1905 bestellte andererseits die Pariser
Klavierfirma Erard, die das Pariser Konservatorium außer mit
Klavieren auch mit Harfen versorgte, ein Kammermusikstück
für dieses Instrument bei Maurice Ravel. «Introduction et
Allegro» für Ensemble, nämlich für Harfe, Flöte, Klarinette und
Streichquartett, wurde im Februar 1907 in Paris uraufgeführt.
Ravel war der Auftrag anscheinend eher lästig. In einem Brief
erklärte er einem Freund, dass «eine Woche Arbeit und drei
schlaflose Nächte» genügen müssten, um das Stück zu beenden,
«sei es zum Guten oder Schlechten». Das zehnminütige Gelegenheitswerk ist jedenfalls mit mehr als bloßer Routine geschrieben: Es ist ein Meisterstück der Instrumentation, das trotz
seiner kleinen Besetzung eine geradezu orchestrale Klangfülle
suggeriert. So heißt es in einer der vielen Besprechungen: «Über
den Arpeggi der Harfe breiten die Holzbläser und Streicher
flirrende Klangteppiche aus. Exotisches mischt sich ins Bild: ein
spanischer Rhythmus hier, Gamelanklänge dort. In seinem
schwelgerischen Duktus vermittelt das Stück, wie der Biograph
Arbie Orenstein schrieb, ‹ein überschäumendes Gefühl der
Freude›, das die später entstandenen Valses nobles et sentimentales vorwegnimmt.»
Der Essayist Klaus Heitmann schreibt darüber: «Ravel war in
großer Eile, denn die Komposition musste vor Antritt einer
Schiffsreise fertig werden, zu der ihn ein reicher Zeitungsverleger eingeladen hatte. So komponierte er ‹zwischen Kofferpacken
und Anproben beim Schneider›. Am Ende verpasste Ravel doch
noch die Abfahrt des Schiffes und musste nachreisen. Zu allem
Überfluss ließ er das Manuskript auch noch in dem Modegeschäft liegen, in dem er sich für die Reise auf’s Eleganteste
eingekleidet hatte. Wir haben es wahrscheinlich dem offensicht-
Maurice Ravel und Harfenistin Lily Laskine während einer Aufführung
von Ravels «Indroduction et Allegro», 1935
lich guten Geschmack des Modehauses zu verdanken, dass das
Stück überhaupt erhalten geblieben ist […]. Mit der Reise auf
der Luxusjacht ‹Aimée› aber versinkt für Ravel die ‹Schönheitswelt der Jugend›. Auf der Fahrt durch die Flüsse und Kanäle des
Niederrheingebietes wird er mit bizarren Industriewelt vor allem
Deutschlands konfrontiert und ist fasziniert von den ‹Schlössern
aus flüssigem Metall›, den ‹glühenden Kathedralen› und deren
‹wunderbarer Symphonie von Transmissionsriemen, Pfiffen und
furchtbaren Hammerschlägen›. Diese Welt sollte sich dann in
Ravels künftigen Werken niederschlagen.»
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Jean Françaix
Jean Françaix wurde 1912 in eine Musikerfamilie in Le Mans
geboren. Seine Mutter gründete einen anerkannten Chor und
unterrichtete Gesang am dortigen Konservatorium, der Vater
war komponierender Pianist. Mit 18 Jahren gewann er den Preis
des Pariser Conservatoire und studierte Komposition bei Nadia
Boulanger. Als erstes wichtiges Werk gilt sein erfolgreiches
Concertino für Klavier, das er mit 20 Jahren komponierte. Besonders gelobt wurde das Stück anlässlich einer Aufführung beim
Kammermusikfestival Baden-Baden von Heinrich Strobel, dem
damaligen Musikkritiker und späteren Neuinitiator der Donaueschinger Musiktage. Neben Solowerken für verschiedene Instrumente schrieb Jean Françaix einige Konzerte, unter anderem
für Klavier, zwei Klaviere, Violine, Klarinette und Flöte. Er
komponierte besonders viel für Blasinstrumente, beispielsweise
ein Saxophonquartett, eine Sonatine für Trompete und Klavier,
Jean Françaix (Datum unbekannt)
Klangforum Wien
Baldur Brönnimann
«Der Mensch muss weg!»
Pierre Boulez … explosante-fixe … (1971-1993), Répons (1981-1985)
Foto: Aymeric Warmé-Janville
Montag, 19. Juni 2017, 19.30 Uhr, Großer Saal
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zwei Bläserquintette oder die «Neun charakteristischen Stücke»
für zehn Bläser. Sein Quintett für Flöte, Harfe und Streichtrio
von 1934 kann als eines der am meisten geglückten Werke dieser Gattung bezeichnet werden. Später komponierte Françaix,
der zudem ein guter und gesuchter Pianist war, auch Opern und
Filmmusiken. Sein individueller, frischer, immer klassizistischer
aufpolierter Stil, den er bereits von Kindheit an entwickelt hatte,
hat sich, wenn er auch nicht unempfänglich für Ravel, Poulenc
oder Strawinsky war, über die Jahrzehnte seiner Karriere kaum
verändert.
Lili Boulanger
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Lili Boulanger, 1893 in Paris geboren, war ihrer älteren Schwester, der Musikpädagogin und Dirigentin Nadia Boulanger, als
Komponistin eindeutig überlegen. Orgelunterricht nahm sie bei
Louis Vierne, gleichfalls studierte sie Klavier, Violoncello, Violine
und Harfe. Durch den Kompositionsunterricht bei Gabriel Fauré
traf sie auf ein Umfeld von Komponisten wie Maurice Ravel,
Florent Schmitt und Charles Koechlin. Auch unterstützt durch
einen Freund, hielt sie an ihrem Entschluss Komponistin zu
werden unerschütterlich fest. Ihre erste und einziger Oper «La
Princesse Maleine» nach Maurice Maeterlinck blieb unvollendet,
doch erlangte sie 1913 mit ihrer Kantate «Faust et Hélène» den
Grand Prix de Rome, sie erhielt auch einen Vertrag beim Verlag
Ricordi. Ihr Rom-Stipendium konnte sie zwar noch antreten,
jedoch zerstreute sich die Zahl der Studierenden mit der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg im Oktober 1914 vollständig.
Die Komponistin betätigte sich zunehmend karitativ. 1916 erfuhr
Lili Boulanger, die zeitlebens an einer chronischen Bronchialpneumonie litt, dass sie nur noch zwei Jahre zu leben hatte. Sie
starb nach Schilderungen ihrer Schwester Nadia friedlich und
gelöst am 15. März 1918.
Die Klavierstücke «D’un Jardin Clair» und «D’un Vieux
Jardin», beide Freundinnen gewidmet, schrieb Lili Boulanger
1914 während ihres kurzen Aufenhalt in der Villa Medici in Rom,
Lili und Nadia Boulanger in Compiègne, 1913
es gibt noch ein drittes verwandtes Stück («Cortège») für Violine
und Klavier, das das Werk-Trio komplettiert. Das erstgenannte
der Klavierstücke ist monothematisch und entfaltet eine melodische Linie, die in Fragmenten mit vertikalen Quarten und
Quinten impressionistisch weiterentwickelt werden. Sylvia
Typaldos bezeichnet es in ihrer Analyse als ein ruhiges Stück,
so beschaffen, als ob man wirklich eine Malerei eines friedlichen
Gartens vor sich hätte. Weiche Begleitakkorde umhüllen die
Melodie wie eine Reminszenz an Erik Satie, die Musik klingt
glücklich, aber nicht fröhlich, und spricht die Sprache einer
glücklichen und entspannten Kindheit. Während «D’un Jardin
Clair», also die Musik eines klaren, hellen Gartens, gleichsam
im Licht gebadet erscheint, beschwört jene eines alten Gartens
(«D’un Vieux Jardin») Geheimnis und Nostalgie. Andreas Lindenbaum, seinerseits Cellist und seit 1989 Mitglied des Klangforum Wien, hat die zwei Werke für Ensemble bearbeitet.
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Germaine Tailleferre
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Die französische Komponistin war als einzige Frau Mitglied der
«Groupe des Six»: Zu diesem losen Zusammenschluss werden
außer ihr Georges Auric, Louis Durey, Arthur Honegger, Darius
Milhaud und Francis Poulenc gezählt, die sich vom Impressionismus Debussys zu lösen versuchten und sich in höchst unterschiedlicher Weise Anfang der 1920er-Jahre auch neuen Formen
der Unterhaltungsmusik, etwa der Zirkus- und Varietémusik
und dem Jazz zuwandten. Tailleferre wurde in der Nähe von
Paris als Germaine Taillefesse geboren und änderte ihren Namen
als junge Frau aus Trotz gegen ihren Vater, der sich weigerte,
ihre musikalische Ausbildung zu unterstützen. Ab 1904 am
Pariser Konservatorium, gewann sie mehrere Preise und befreundete sich mit Maurice Ravel, der sie in Instrumentation unterrichtete und sie zur Teilnahme am Prix de Rome-Wettbewerb
ermunterte. 1925 zog sie mit ihrem Ehemann, einem amerikanischen Karikaturisten, nach New York, kehrte jedoch 1927
wieder nach Frankreich zurück, ehe sie beim Ausbruch des
Zweiten Weltkriegs über Spanien und Portugal erneut in die USA
gelangte, wo sie in Philadelphia lebte. Nach Kriegsende ging
Tailleferre erneut zurück nach Frankreich. Von ihr stammen über
200 musikalische Werke aller Gattungen, darunter Opern, Ballette, Konzerte, Klavier- und Kammermusik, auch Musik für
Film, Fernsehen und Radio, die zum Großteil erst nach ihrem
Tod 1983 veröffentlicht wurde. Bereits 1917 komponierte sie ein
Streichquartett, 1921 zusammen mit anderen Mitgliedern der
«Les Six». «Les mariés de la Tour Eiffel», ein Concertino für Harfe
und Orchester stammt aus dem Jahr 1926, bekannter wurde auch
schon zu Lebzeiten eine Sonate für Harfe von ihr, die in melodischer und harmonischer Struktur und repetitiver Basslinie an
Erik Saties «Gymnopédie» erinnert.
Im heutigen Konzert ist von ihr Musik für Harfe solo aus
‹Le petit livre de harpe de Madame Tardieu› zu hören. Das
Werk besteht aus 18 Etüden, eigentlich kurzen Stücken, die
Germaine Tailleferre zwischen 1913 und 1915 am Konservatorium
komponierte, nachdem sie bei Caroline Luigini-Tardieu, der
Fünf aus der «Groupe des Six» mit Jean Cocteau: Francis Poulenc,
Germaine Tailleferre, Louis Durey, Jean Cocteau, Darius Milhaud und
Arthur Honegger.
Tochter eines Dirigenten und Komponisten und seit 1902 mit
dem Maler Victor Tardieu verheiratete Assistenzprofessorin für
Harfe, Unterricht genommen hatte. Die Etüden umfassen sämtliche Techniken und Fertigkeiten der französischen Harfenmusik jener Zeit, inklusive Phrasierung, Dynamik und dem Training
von Ausdruck und künstlerischer Sensitivität.
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Festliche Tage V · «Spuren nach Darmstadt»
Donnerstag, 2. Februar 2017 · 19.30 Uhr
Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal
Adolph Weiss (1891-1971)
Kammersymphonie für zehn Instrumente (1927)
Luigi Dallapiccola (1904-1975)
Due Liriche di Anacreonte (1945)
1. Eros languido desidero cantare – Canoni
2. Eros come tagliatore d’alberi – Variazioni
Anton Webern (1883-1945)
Konzert für neun Instrumente op. 24 (1931-34)
Etwas lebhaft
Sehr langsam
Sehr rasch

Olivier Messiaen (1908-1992)
Mode de valeurs et d’intensités, Nr. 2 aus:
Quatre études de rythme (1949-50)
Henri Pousseur (1929-2009)
Quintette à la mémoire d’Anton Webern (1955)
Luigi Nono (1924-1990)
Canti per 13 (1955)
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Robert Haas: Auf dem Motorrad, Burgenland 1938 (Ausschnitt) © Wien Museum
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Klangforum Wien
Giulia Peri Sopran
Florian Müller Klavier
Catherine Larsen-Maguire Dirigentin
Klangforum Wien
Eva Furrer Flöten
Markus Deuter Oboe
Olivier Vivarès Klarinetten
Bernhard Zachhuber Klarinetten
Lorelei Dowling Fagott
Christoph Walder Horn
Anders Nyqvist Trompete
Andreas Eberle Posaune
Gerald Preinfalk Saxophon
Joonas Ahonen Klavier
Florian Müller Klavier
Annette Bick Violine
Gunde Jäch-Miko Violine
Dimitrios Polisoidis Viola
Andreas Lindenbaum Violoncello
Uli Fussenegger Kontrabass
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Adolph Weiss
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In Baltimore als Sohn deutscher Emigranten geboren – sein
Vater, ein Arbeiter, einst Schüler von Ferruccio Busoni, führte
selbst einen Amateurchor und war als Bläser in verschiedenen
Orchestern tätig – war Adolph Weiss bereits mit 16 Jahren ein
begabter Fagottist, 1909 spielte er unter Gustav Mahler bei den
New Yorker Philharmonikern. Später studierte er Komposition
in Chicago und in Rochester, wo er im Orchester unter Eugène
Goossens mitwirkte. 1925 wurde sein Orchesterwerk «I segreti»
(nach dem Goethe-Fragment «Die Geheimnisse») aufgeführt. Er
ging nach Berlin und wurde der erste amerikanische Schüler bei
Arnold Schönberg. Während seiner Lehrzeit beschäftigte er sich
mit der Zwölftonmethode und komponierte neben anderen
Werken seine Kammersymphonie für zehn Instrumente. In
autobiografischen Notizen resümierte Adolph Weiss 1957 seinen
bisherigen Werdegang: «Schönbergs interessante Klasse hatte
Studenten aus allen Teilen Deutschlands, aus Spanien, der
Tschechoslowakei, Österreich, England und Amerika. Wir alle
hatten unsere eigenen Ideen über Musik. Schönberg ermutigte
uns dazu, unsere Werke gegenseitig zu besprechen und sogar
stark zu kritisieren. Er würde der finale Richter sein. Woche auf
Woche kehrten wir zurück, um mehr Kritik oder Zuspruch zu
erhalten, was im ersten Jahr wirklich entmutigend war. Aber wir
haben es ‹durchgestanden› und mein Streichquartett Nr. 1 (1925),
ein Zwölftonstück, schien vom Meister akzeptiert zu werden.
Zusätzlich zum rigiden Unterricht im strengen Kontrapunkt und
in der Formenlehre finalisierte ich mein zweites Streichquartett
(1926), ebenfalls ein Zwölftonstück […] Die Kammersymphonie
für zehn Instrumente (1927) wurde unter der Schirmherrschaft
der Akademie der Künste an der Sing-Akademie in Berlin unter
Josef Rufer zur Aufführung gebracht. 1930 dirigierte Nicholas
Slonimsky das Werk in der Town Hall, der Komponist dirigierte
es zudem an der New School for Social Research in New York.
‹12 Preludes for Piano› (1927) wurden während dieser Zeit
geschrieben. Ich glaube, dass sie aufschlussreiche Beispiele der
verschiedenen Wege sind, die Zwölftontechnik anzuwenden. Sie
wurden erstmalig von Richard Buhling in San Francisco (1928)
und New York (1929) aufgeführt.» In die USA zurückgekehrt,
wurde Weiss Sekretär der von Henry Cowell gegründeten Pan
American Society of Composers. In dieser Zeit gründete er auch
ein dirigentenloses Orchester, dessen musikalischer Direktor
und Fagottist er war: Mit diesem führte er sein am meisten
bekanntgewordenes Stück «American Life» auf, vermutlich das
einzige Stück, das klassischen symphonischen Jazz darstellt und
mittels Zwölftontechnik komponiert wurde. Der amerikanische
Komponist Henry Cowell schrieb über Weiss, dieser habe die
Zwölfton-Reihenkompositionstechnik nicht nur als erster bei
Schönberg gelernt, sondern sie auch nach Amerika gebracht und
dort verbreitet, als sie hier noch völlig unbekannt war oder
missverstanden wurde. Adolph Weiss war auch Lehrer von John
Cage, der bei ihm Harmonielehre studierte, noch bevor dieser
ab 1937 ebenfalls bei Schönberg Unterricht nahm.
Schönberg mit «seinen» Berliner Meisterschülern: Adolph Weiss, Walter
Goehr, Walter Gronostay, Winfried Zillig, Erich Schmid, Josef Rufer und
Josef Zmigrod.
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Luigi Dallapiccola
Luigi Dallapiccola wurde 1904 in Pisino geboren und studierte
am Konservatorium in Florenz, wo er von 1931 an auch unterrichtete. Als Komponist begann er in den frühen 1930er-Jahren
auf sich aufmerksam zu machen und entwickelte sich zu einem
der markantesten Vertreter seiner Generation. Daneben ist
Dallapiccola als Interpret, vor allem auf zahlreichen Konzertreisen mit dem Geiger Sandro Materassi, hervorgetreten. Auch sein
Wort als Pädagoge hatte internationales Gewicht, was durch
Kompositionskurse und Gastvorlesungen an wichtigen Musikzentren unterstrichen wurde.
Symptomatisch für Dallapiccolas «kantable Zwölftontechnik»
sind vor allem zwei Aussagen des Komponisten. Sie belegen zum
einen, dass Dallapiccola sich hörend der Zwölftontechnik
näherte und demzufolge (ähnlich wie Schönberg) eine Aversion
gegen das Reihenzählen mancher Analytiker aufbaute. «Es dau-
Luigi Dallapiccola, 1950
74
erte lange, bis ich zu meiner Zwölftontechnik fand; ich machte
auch viele Fehler, doch ich tat alles mit meinen eigenen Händen
– darauf bin ich sehr stolz. Heute findet ein Student in zahlreichen Lehrbüchern jede Note numeriert, jede Passage analysiert.
Mir sagte es mein Ohr, wie ich es machen sollte.»
Zum anderen hat sich der Komponist, der die Darmstädter
Richtung nicht mehr nachvollzog und stattdessen ab Mitte der
1950er-Jahre starkes Gewicht auf die Klangfarbe und auf einen
mystischen Ausdruck legte, nicht nur innermusikalisch fortgebildet. «Doch ich muss gestehen: ich war nicht ganz allein – ich
fand eine große Hilfe: in der Dichtung. Nicht nur durch die
Musik allein kann man lernen, wie man Musik schreiben muss;
ich fand in der Literatur, vor allem bei Marcel Proust und James
Joyce, interessante Parallelen zum Zwölftonsystem.»
Mit den «Due Liriche di Anacreonte» für Sopran und Kammerensemble mit den Sätzen «Canoni» und «Variazioni» komplettierte Luigi Dallapiccola seinen Zyklus der in den Kriegsjahren 1942 bis 1945 komponierten «Liriche greche», zu denen auch
die fünf «Sappho»-Fragmente und sechs Gesänge («Sex Carmina
Alcaei») zählen, bei denen die Zwölftontechnik zum ersten Mal
vollständig angewendet wurde, 1943 entstand auch das Ballett
«Marsia». Im gleichen Jahr wurde Mussolini gestürzt und Italien
von den deutschen Truppen besetzt. Es begannen die Judenverhaftungen. Luigi Dallapiccola und seine jüdische Frau Laura
Luzzatto verliessen Florenz und fanden Zuflucht bei Freunden
in einer Villa in Fiesole. Dort entstanden ersten Entwürfe des
«Il prigioniero», seinem Hauptwerk der 1940er-Jahre.
Auch davor und danach bezog Luigi Dallapiccola in seinen
Werken immer wieder klare Positionierungen zu politischen und
gesellschaftlichen Themen. Beispielhaft dafür sind auch die
antifaschistischen «Canti di prigionia» (1938-41) und die «Canti
di liberazione» (1951-55). (Lothar Knessl/Heinz Rögl)
75
Anton Webern
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Insbesondere das Spätwerk Anton Weberns wurde in Darmstadt
nach dem Zweiten Weltkrieg der entscheidende Bezugspunkt
für die Weiterarbeit der Serialisten. Bereits 1969/70 wurde das
Gesamtwerk Weberns, also die opp. 1-31, vom London Symphony
Orchestra unter Pierre Boulez, vom Juilliard String Quartet und
von diversen Chören und Solisten maßstabsetzend auf CD
eingespielt. 1983 markierte das Wiener Konzerthaus die Bedeutung des Komponisten etwa besonders mit dem legendär gewordenen «Internationalen Webern-Fest», bei dem auch Boulez mit
seinem Ensemble Intercontemporain, die reihe, das London
Symphony Orchestra unter Claudio Abbado, die Wiener Philharmoniker unter Zubin Mehta, die Wiener Symphoniker, das
ORF-Symphonieorchester und andere Werke Anton Weberns
aufführten.
In «Splittern zur Webern-Interpretation», die im von der
«Musikzeit»-Edition herausgegebenen Sammelband «Friedrich
Cerha. Schriften: Ein Netzwerk» 2001 gedruckt wurden, schrieb
Cerha: «Die erlebte Situation [in Darmstadt zwischen 1956-58]
stürzte mich in den folgenden Jahren in ein Dilemma: Einerseits
stand ich als Komponist auf der Seite der Seriellen, weil ich wie
die meisten meiner Generation damals keine andere Möglichkeit
konsequenten Weiterdenkens sah, andererseits misstraute ich
jener Webern-Sicht und -Interpretation, die ich vorfand und
meinte Webern gut genug zu kennen, um eine dem Anspruch
seiner Werke entsprechendere, ‹richtigere› Interpretation versuchen zu können. Mit dem Ensemble ‹die reihe› und ab 1960
auch mit verschiedenen Orchestern begann ich eine Reihe von
Webern-Aufführungen zu machen, die sich zunehmend von den
landläufigen unterschieden. […] Über Fragen der Gliederung
und des Zusammenhangs hinaus wurde mir die expressive
Gestaltung der einzelnen Phrase immer wichtiger, durch die aus
der ‹Floskel› eine scharf charakterisierte, unverwechselbare
Gestalt wird (man denke etwa an das Trio – Violine, Violoncello,
Piccoloflöte – am Beginn der Durchführung des ersten Satzes
von op. 24).»
Über das Konzert für neun Instrumente op. 24 (für Flöte,
Oboe, Klarinette, Horn, Trompete, Posaune, Violine, Viola und
Klavier), das Webern Arnold Schönberg 1934 zu seinem 60.
Geburtstag widmete, kann man im CD-Booklet der BoulezAufnahme von Susan Bradshaw lesen: «Es ist Musik von geringer äußerer Wirkung, ohne expansive Gestik und frei vom
Wunsch nach musikalisch-illustrativer Bildhaftigkeit». Dies
könnte, trotz der insgesamt zweifellos korrekten und instruktiven Formanalyse Bradshaws, zu Missverständnissen führen.
Halten wir uns daher eher an die Werkanalyse des Opus 24 von
Manfred Angerer, die im Kontext des Wiener Webern-Fests und
Kongresses 1983 erschien: «Es ist ein besonders konsequentes
Beispiel seines Spätstils, bei dem es ihm darauf ankam, die
‹Verständlichkeit als das höchste Prinzip der Darstellung musi-
Anton Webern, 1936
77
kalischer Gedanken› zu formulieren. Dazu dient schon der
Aufbau der Reihe. Sie setzt sich aus Dreitongruppen (kleine
Sekunde + große Terz) zusammen, die zweite ist die Krebsumkehrung, die dritte der Krebs und die vierte die Umkehrung der
ersten Gruppe. Die motivische Arbeit ist hier also noch konsequenter als in op. 21 [der ‹Symphonie›] in die Reihe selbst
zurückverlegt worden. Diese Dreitongruppen erklingen zu
Beginn des ersten Satzes in den Bläsern, unterschiedlich in
Artikulation und Tondauer. Der gesamte Satz – wieder eine
Sonatenhauptsatzform – wird von diesen sukzessiven und simultanen Dreitongruppen beherrscht. Der langsame Satz – rhythmisch stereotyp in durchgehenden Viertelwerten – teilt je zwei
Töne der Dreiergruppen der Klavierbegleitung zu, die nur aus
den Zweiklängen der großen Terz und großen Septime gebildet
ist. Die restlichen Reihentöne figurieren als ‹Melodie›. Manifest
werden die Dreitongruppen wieder im forcierten Schlusssatz.
Ingesamt trägt so das Werk auch Züge eines ausgedehnten
Variationenzyklus. In diesem Werk soll das ‹Material›, die kruden
Tonbeziehungen, zum Klingen gebracht werden. Die starke
Expressivität, die diese Musik noch immer durchpulst, ist nicht
mehr die des Subjekts, des Komponisten.»
Olivier Messiaen
78
Olivier Messiaen, von 1931 an zeitlebens Organist der Pariser
Kirche St.Trinité, einflussreicher Lehrer für (zunächst) Harmonie
und Komposition am Pariser Konservatorium mit einer der
beeindruckendsten Schülerlisten der Musikgeschichte (darunter
Boulez und Stockhausen), tiefgläubiger Katholik, Mystiker und
darüber hinaus Synästhetiker mit extrem detaillierten Farbvorstellungen zu Klängen, war geprägt durch Interessen und musikalische Absichten, die unterschiedlicher wohl kaum ausfallen
konnten: Gregorianik, mittelalterliche Mystik, indische Musiktheorie, Debussy und Strawinsky, Vogelgesang … Auf den Hinweis, er sei Komponist, soll er einmal geantwortet haben: «Ich
bin Ornithologe und Rhythmiker.»
Olivier Messiaen mit seinem Sohn Pascal, 1947
Tatsächlich zieht sich die Beschäftigung mit dem Rhythmus
durch Messiaens Leben und Werk wie ein roter Faden. Schon in
dem in den 1940er-Jahren entstandenen Traktakt «Die Technik
meiner musikalischen Sprache» nimmt die Theorie des Rhythmus einen wesentlichen Platz ein. Zu einer Zeit, in der er seine
musikalische Technik der Modi und Rhythmen schon vollständig formuliert hatte und immer wieder auch mit neuen Systemen
experimentierte, kam Messiaen konsequent in einigen Werken
der 1950er-Jahre, zu einer «Reihe» von Dauern.
«Mode de valeurs et d’intensités» für Klavier solo entstand
1949 in Darmstadt. Gemeinhin gilt es als das erste serielle
Musikstück der Musikgeschichte. Messiaen selbst schrieb über
diese Klavierstudie über Dauern und Intensitäten: «Das Stück
bedient sich eines bestimmten Modus von Tonhöhen (36 Töne),
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von Werten (24 Dauern), von Anschlagsarten (12) und Intensitäten (7 Nuancen); die Leiter der Dauern ist in drei Tempi
unterteilt (entsprechend den hohen, mittleren und tiefen Registern in der Tonskala): Das erste Tempo bedient sich 12 ‹chromatischer Dauern›, von der Zweiunddreißigstelnote ausgehend,
das zweite Tempo 12 ‹chromatischer Dauern› von der Sechzehntelnote aus, das 3. Tempo 12 ‹chromatischer Dauern› von der
Achtelnote aus (diese drei Tempi laufen gleichzeitig ab). Die
Dauern, Intensitäten und die Anschlagsarten sind mit den Tönen
funktionell gleichberechtigt. Die Gesamtheit des Modus ergibt
Farben von Dauern und Intensitäten, jeder Ton derselben Benennung ändert seine Dauer, seine Anschlagsart und seine Intensität entsprechend der klanglichen Region, die er jeweils einnimmt. Der Einfluss des Registers auf den quantitativen, phonetischen und dynamischen Zustand des Tons sowie diese
ungleiche Aufteilung in drei zeitliche Regionen, die im Vorübergehen das Leben der Töne, die sie überqueren, verändern: all
das stellt eine Möglichkeit zu neuen Farbvariationen dar.» Stockhausen und Boulez waren von diesem Stück fasziniert, wurde
doch mit diesem System jedem Einzelton ein Höchstmaß an
Eigenständigkeit gegeben. Messiaen hat diesen Weg in dieser
Form eigentlich nicht weiterverfolgt, er experimentierte jedoch
weiter mit anderen Systemen großer Determination.
Vordenkern und die eigene schnelle Auffassungsgabe und Fantasie eröffneten dem jungen Komponisten schnell Zugang zu
den zentralen Foren der Neuen Musik. Nachdem Pousseur 1954
erstmals die Darmstädter Ferienkurse besucht hatte, unterrichtete er hier bereits drei Jahre später selbst als Dozent. Frühzeitig erhielt er Gelegenheit, in den elektronischen Studios in Köln
und Mailand zu arbeiten.»
Seine frühen Werke, wie die «Trois chants sacrés» (1952) und
auch das «Quintette à la mémoire d’Anton Webern» für Klarinette, Bassklarinette, Violine, Violoncello und Klavier, 1955
unter Hans Rosbaud in Donaueschingen uraufgeführt, zeigten
das Ausmaß seiner Bewunderung für Anton Webern. Freilich
empfand Pousseur Anfang der 1960er-Jahre den Serialismus
zunehmend als einengend, die getilgte traditionelle Musiksprache als Verlust und verlegte sich darauf, ein Intervallnetz zu
kreieren, das quasi polystilistisch fließende Wechsel von einem
Tonordnungssystem zum anderen, von modalen zu tonalen,
Henri Pousseur mit seinen Eltern in Malmédy (Datum unbekannt)
Henri Pousseur
80
«So paradox es klingt: Er gab dem Serialismus die Tonalität
zurück», schreibt Rainer Nonnenmann in einem «Erinnerungsartikel» über den belgischen Komponisten Henri Pousseur in
der Neuen Musikzeitung: «Pousseur, am 23. Juni 1929 in Malmédy geboren, hatte bereits an den Konservatorien in Lüttich
und Brüssel studiert, als er 1951 durch Pierre Boulez in das
integrale Strukturdenken eingeführt wurde. Während seiner Zeit
als Besatzungssoldat im Rheinland 1952/53 knüpfte er Kontakte
zu Karlheinz Stockhausen in Köln und seinem belgischen Landsmann Karel Goeyvaerts. Seine Beziehungen zu den seriellen
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atonalen, dodekaphonen und seriellen bis hin zur Blues-Tonleiter ermöglichen sollten. Neben Orchesterwerken schrieb er
Stücke für kammermusikalische Besetzung unter Verwendung
von Tonband und elektronischen Instrumenten, er benutzte
offene Formen und vermittelte zwischen so vermeintlich unvereinbaren Kompositionsstilen wie denen von Franz Schubert und
Anton Webern («Votre Faust»).
2002 schrieb Alfred Zimmerlin in der «Neuen Zürcher Zeitung» über den 2009 verstorbenen Komponisten: «Das konstruktive Einschmelzen von Tradition ins Eigene ist seit Beginn
der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts ein Grundthema von
Henri Pousseurs Schaffen. Einst war er ja einer der strengsten
Komponisten und Theoretiker der seriellen Schule. Aber im
Gespräch erklärt er sofort: ‹Ich habe versucht, nicht in der Enge
zu bleiben. Das Denk- und Erlebnismodell der Musik Anton
Weberns, das für uns Ausgangspunkt war, deutete ich vielpolig:
Alles bleibt schwebend, weil nichts dominiert. Ich wollte dann
die Grenze sprengen und Elemente der Musiktradition, die ich
noch immer sehr liebte, in meine eigene Kompositionsarbeit
integrieren.›»
«wohl punktuellste Stück Luigi Nonos», in dem kein Instrument
zwei zusammenhängende Töne spielt – bereits durch seinen
Titel Anspruch darauf erhebt, Gesang zu sein. «Wo die ersten
Exegeten die expressive Seite des Stückes durch Rauheit, Schroffheit und Grobheit herausmeißelten, streicht Hirsch den ruhigen
Fluss und die weichen Konturen heraus. In seiner Interpretation
klingen die Stücke nicht wie Dokumente eines als revolutionär
empfundenen Aufbruchs, sondern als Brückenkopf zum Spätstil
Nonos». Immens ist in der Tat die Leuchtkraft der streng seriell
entwickelten Klänge, die das Klischee einer bloß kopflastigen,
unsinnlichen Musik für immer verstummen lassen müsste. Im
Gespräch mit Enzo Restagno führte Luigi Nono weiters aus: «In
dieser Musik ist auch meine Art, eine Reihe zu bilden, zu erkennen. Ich gebrauche nicht die chromatische Totale, aber zwei
Stümpfe, einen mit sieben Intervallen, den anderen mit fünf.
Die Komposition ist in zwei Sätze (‹Tempi›) geteilt, im ersten
gebrauche ich versuchsweise eine horizontale Konstruktion,
Luigi Nono (Datum unbekannt)
Luigi Nono
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In den 2001 erschienenen Auszügen aus «Un’autobiografia
dell’autore raccontata da Enzo Restagno» (1987) soll Luigi Nono
sein Werk «Canti per 13», die 1955 für Pierre Boulez’ Pariser
Konzertreihe «Domaine musicale» als instrumentale «Gesänge»
entstanden waren, als «pures Instrumentalwerk» bezeichnet
haben, wiewohl für ihn die Instrumente in diesem Stück eben
«singen, und der Dirigent des Orchesters singt mit ihnen […],
weil ich in der Weise dachte, wie ich mit Bruno [Maderna]
Webern gelesen habe, dass eine einzelne Note bei ihm, für mich
ein einzelner Klang, schon ein Gesang, ein ganzes Lied ist.»
Auch Peter Hirsch, der Dirigent einer Aufnahme der «Canti
per 13» mit den Ensemble unitedberlin weise darauf hin, schreibt
Frank Hilberg in einem Artikel der «Zeit» von 1999, dass das
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Nouvelles
Aventures 2016/17
Sa, 1. 10. 2016
Do, 3. 11. 2016
Mi, 18. 1. 2017
Sa, 22. 4. 2017
So, 7. 5. 2017
Mi, 24. 5. 2017
Mi, 7. 6. 2017
Mo, 19. 6. 2017
Marino Formenti
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Michael Svoboda · Cornelius Meister
Ensemble Platypus
Arditti Quartet
Boulez Ensemble · Daniel Barenboim
Carolin & Jörg Widmann
Experimentalstudio des SWR
œnm . österreichisches ensemble für neue musik
Johannes Kalitzke
Klangforum Wien · Baldur Brönnimann
genau wie einen Gesang, im zweiten nehme ich dagegen seine
spanische Rhythmen auf wie einen Tanz. […] Genau wie bei dem
Renaissancekomponisten Giovanni Gabrieli kreiere ich einen
Übergang vom Gesang zum frequent-jubelnden Tanzfinale».
Die beiden Teile der «Canti», die noch vor den «Incontri» und
dem Nono später berühmt machenden Werk «Il canto sospeso»
komponiert worden waren, «laufen von ihrer Mitte an wieder
krebsförmig zum Anfang zurück. In deren zweiter Hälfte verwendet Nono erstmals eine unveränderte Allintervallreihe und
organisiert sowohl die Tonhöhen wie auch die Dauern und die
Dynamik seriell», schreibt Jürg Stenzl in seiner Nono-Monographie und fährt fort: «‹Mit den Canti per 13 habe ich viel viel
neues gelernt und übersehen›, schrieb er an Karl Amadeus
Hartmann im Februar 1955 nach München, ‹und so musste ich
fast sofort [da]nach ein anderes Werk schreiben, das noch in
Arbeit ist.›» Dieses andere Werk sind die «Incontri» (‹Begegnungen›), nach dessen Darmstädter Uraufführung sich Lugio Nono
und Schönbergs Tochter Nuria miteinander verlobten, im August
1955 heirateten und im März des folgenden Jahres in einem
Arbeiterviertel auf der Giudecca-Insel in Venedig ihre eigene
Wohnung bezogen.
Foto: Lennard Rühle
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Sämtliche Texte, sofern nicht anders angegeben:
Heinz Rögl
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Luigi Dallapiccola
Due Liriche di Anacreonte
Eros languido desidero cantare
Eros languido desidero cantare
Coperto di ghirlande assai fiorite,
Eros che domina gli uomini, signore degli Dei.
Denn Eros, den üppigen, will ich besingen
Denn Eros, den üppigen, will ich besingen,
Den eine Fülle blühender Kränze bedeckt.
Über die Götter ist er Herrscher,
über die Sterblichen übt er Gewalt.
Nach Anakreon
Aus dem Griechischen von Horst Rüdiger (1908-1984)
Eros come tagliatore d’alberi
Eros come tagliatore dalberi
Mi colpì con una grande scure
E mi riversò alla deriva
Dun torrente invernale.
Nach Anakreon (um 575/570 v. Chr. - 495 v. Chr.)
Aus dem Griechischen von Salvatore Quasimodo (1901-1968)
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Gleichsam wie ein Holzfäller
Gleichsam wie ein Holzfäller
Trifft mich Eros mit einer mächtigen Axt
Und wirft mich wieder zurück
In die Strömung eines eiskalten Wildbaches.
Nachdichtung: Barbara Alhuter (*1986)
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Klangforum Wien
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24 Musiker_innen aus zehn Ländern verkörpern eine künstlerische Idee und eine persönliche Haltung, die ihrer Kunst zurückgeben, was ihr im Verlauf des 20. Jahrhunderts allmählich und
fast unbemerkt verloren gegangen ist: Einen Platz in ihrer eigenen Zeit, in der Gegenwart und in der Mitte der Gemeinschaft,
für die sie komponiert wird und von der sie gehört werden will.
Seit seinem ersten Konzert, welches vom Ensemble noch als
«Société de l’Art Acoustique» unter der musikalischen Leitung
seines Gründers Beat Furrer im Palais Liechtenstein gespielt
wurde, hat das Klangforum Wien unversehens ein Kapitel Musikgeschichte geschrieben: An die 500 Kompositionen von Komponist_innen aus drei Kontinenten hat das Ensemble uraufgeführt und so zum ersten Mal ihre Notenschrift in Klang übersetzt. Auf eine Diskographie von mehr als 70 CDs, auf eine Reihe
von Preisen und Auszeichnungen und auf 2.000 Auftritte in den
ersten Konzert- und Opernhäusern Europas, Amerikas und
Japans, bei den großen Festivals ebenso wie bei jungen engagierten Initiativen könnte das Klangforum Wien zurückblicken,
wenn das Zurückblicken denn seine Sache wäre.
Über die Jahre sind tiefe Künstlerfreundschaften mit herausragenden Komponist_innen, Dirigent_innen, Solist_innen,
Regisseur_innen und engagierten Programmmacher_innen
gewachsen. Am Profil des Klangforum Wien haben sie ebenso
Anteil, wie dieses seinerseits ihr Werk mitgetragen und -geformt
hat. In den letzten Jahren haben sich einzelne Mitglieder wie
auch das Ensemble als ganzes zunehmend um die Weitergabe
von Ausdrucksformen und Spieltechniken an eine neue Generation von Instrumentalist_innen und Komponist_innen
bemüht. Seit dem Jahr 2009 könnte sich das Klangforum Wien
auf Grund eines Lehrauftrags der Kunstuniversität Graz auch in
corpore «Professor» nennen. Das alles würde äußerlich bleiben,
wäre es nicht das Ergebnis des in den monatlichen Versammlungen aller Musiker_innen des Ensembles permanent neu
definierten Willens eines Künstlerkollektivs, dem Musik letztlich
nur ein Ausdruck von Ethos und Wissen um die eigene Verantwortung für Gegenwart und Zukunft ist. Und so wie die Kunst
selbst ist auch das Klangforum Wien nichts anderes als eine
durch ihr Metier nur sehr behelfsmäßig getarnte Veranstaltung
zur Verbesserung der Welt. Wenn sie das Podium betreten,
wissen die Musiker_innen des Ensembles, dass es nur um eines
geht: Um alles. Eros und Unbedingtheit dieses Wissens machen
das Besondere der Konzerte des Klangforum Wien.
Die Mitglieder des Klangforum Wien stammen aus Australien,
Bulgarien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland,
Italien, Österreich, Schweden und der Schweiz.
Sylvain Cambreling, Friedrich Cerha und Beat Furrer sind die
drei herausragenden Musiker, denen das Klangforum Wien durch
jeweils einstimmigen Beschluss aller Musiker_innen die Ehrenmitgliedschaft des Ensembles verliehen hat. Seit 1997 ist Sylvain
Cambreling erster Gastdirigent des Klangforum Wien.
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Joonas Ahonen
Stefan Asbury
Der finnische Pianist Joonas Ahonen ist seit 2011 Mitglied des
Klangforum Wien. Als Solist ist er bereits mit etlichen großen
Orchestern und Ensembles aufgetreten, beispielsweise mit dem
Finnish Radio Symphony Orchestra, der Tapiola Sinfonietta
sowie den Ensembles Avanti! und Ictus.
Zuletzt trat Joonas Ahonen im Rahmen des West Cork Chamber Music Festival und des Davos Festivals auf. Als Solist des
Klangforum Wien war er im Teatro Colón in Buenos Aires mit
dem Klavierkonzert von György Ligeti zu hören, beim Festival
Wien Modern spielte er das Klavierkonzert von Beat Furrer sowie
am Mailänder Teatro alla Scala Furrers Klavierquintett «Spur».
Joonas Ahonen studierte an der Sibelius-Akademie in Helsinki
bei Tuija Hakkila und Liisa Pohjola.
Weithin als führender Vertreter der zeitgenössischen Musik
anerkannt, wird Stefan Asbury von wichtigen Orchestern,
Ensembles und Festspielen als Gastdirigent verpflichtet. Eine
regelmäßige Zusammenarbeit verbindet ihn u. a. mit dem
Gewandhausorchester Leipzig und dem Königlichen Concertgebouworchester Amsterdam. Regelmäßig zu erleben ist er
u. a. bei der Münchener Biennale, den Salzburger Festspielen
sowie der Biennale di Venezia. Zudem arbeitet er mit Ensembles
wie dem Ensemble Modern, Musikfabrik, London Sinfonietta
und Klangforum Wien zusammen. Zu den zeitgenössischen
Komponisten, denen sich der Dirigent besonders verbunden
fühlt, zählen Oliver Knussen, Steve Reich, Wolfgang Rihm,
Unsuk Chin und Mark-Anthony Turnage. In der letzten Saison
war Stefan Asbury in der Uraufführung von Bernd Richard
Deutschs Orgelkonzert mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien sowie Neuproduktionen von Igor Strawinskis «Der
Feuervogel» mit dem Copenhagen Philharmonic Orchestra in
Zusammenarbeit mit dem Danish Dance Theatre und dem
Republique Theater Kopenhagen zu erleben. Weitere Auftritte
führten ihn an die Pulte des SWR Sinfonieorchester BadenBaden und Freiburg sowie des Noord Nederlands Orkest, wo er
seit 2015 als Ehrendirigent fungiert. Seine Diskographie wurde
mit zahlreichen Preisen gekrönt, u. a. erhielt seine Aufnahme
von Gérard Griseys «Espaces acoustiques» mit dem WDR Sinfonieorchester Köln den Preis der Deutschen Schallplattenkritik.
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Matti Bunzl
Agnes Heginger
Matti Bunzl wurde 1971 in Wien geboren, wo er auch aufwuchs
und die Schule besuchte. Nach der Matura studierte er Anthropologie an der Stanford University sowie an der University of
Chicago. Er forschte, lehrte und publizierte zu den Themen
Judentum, Antisemitismus und Islamophobie, aber auch zu
theoretischen Fragen der Kunstvermittlung oder der Museologie
der Avantgarde. Von 1998 bis 2014 war Bunzl Mitglied der
Fakultät der University of Illinois at Urbana-Champaign, wo er
von 2003 bis 2007 das Illinois Program for Research in the
Humanities und von 2008 bis 2014 das Program in Jewish Culture and Society leitete. Von 2010 bis 2014 war Bunzl auch
Intendant des Chicago Humanities Festival, das alljährlich
stattfindet und rund 100 Veranstaltungen umfasst. Matti Bunzl
ist der Autor von drei Büchern, «Symptoms of Modernity: Jews
and Queers in Late-Twentieth-Century Vienna» (2004), «AntiSemitism and Islamophobia: Hatreds Old and New in Europe»
(2007) und «In Search of a Lost-Avant-Garde: An Anthropologist
Investigates the Contemporary Art Museum» (2014). Seit
1. Oktober 2015 ist Matti Bunzl Direktor des Wien Museums.
Agnes Heginger wurde 1973 in Klagenfurt geboren und ist in
Wien aufgewachsen. Die Sopranistin studierte an der Musik und
Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (ehem. Konservatorium
Wien Privatuniversität) klassischen Sologesang und daraufhin
an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Jazzgesang. Seither bewegt sich die vielseitige Sängerin mit der für
sie typischen Leichtigkeit und Virtuosität in den unterschiedlichsten Genres, darunter Alte Musik, zeitgenössische Musik,
Jazz, frei improvisierte Musik und genreübergreifende Projekte.
In den letzten Jahren hat sie sich vorrangig auf Textvertonungen
österreichischer und deutscher Autorinnen und Autoren spezialisiert. Agnes Heginger ist Gesangsdozentin an der Jazzabteilung der Anton Bruckner Privatuniversität Linz. Gastdozenturen
führten sie an die Swiss Jazz School Bern, ans Jazz Institute
Berlin sowie des Instituts für Popularmusik der Universität für
Musik und darstellende Kunst Wien.
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Catherine Larsen-Maguire
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Debüt
Geboren in Manchester, begann Catherine Larsen-Maguire ihre
musikalische Ausbildung im Alter von acht Jahren mit dem
ersten Geigenunterricht, ihren ersten Unterricht am Fagott
erhielt sie mit 16 Jahren. An der University of Cambridge studierte sie Musikwissenschaft und dirigierte das dortige Universitätsorchester. Später studierte sie Fagott und Dirigieren an der
Royal Academy of Music in London. Sie gastierte als Instrumentalistin in verschiedenen Orchestern, u. a. bei den Berliner
Philharmonikern, im London Philharmonic Orchestra, Royal
Philharmonic Orchestra und BBC Symphony Orchestra. Nachdem sie mehrere Kammerkonzerte und Opernvorstellungen an
der Komischen Oper Berlin dirigierte, deren Orchester sie von
2002 bis 2012 als Solofagottistin angehörte, widmete sie sich ab
2012 ganz dem Dirigieren. Seither hat sie mit zahlreichen internationalen Orchestern gearbeitet, u. a. dem Belgrade Philharmonic, den Bochumer Symphonikern, den Bremer Philharmonikern, dem Orchester des Sunflower Music Festivals in Kansas,
dem Brandon Hill Chamber Orchestra und der Sinfonietta 92
in Berlin. Gern widmet sich Catherine Larsen-Maguire der Arbeit
mit Jugendlichen und Studierenden. Sie hatte eine Gastprofessur für Dirigieren an der Universität der Künste Berlin und ist
seit 2013 Professorin beim Femusic Festival in Brasilien. Auch
im Gebiet der Neuen Musik ist die Dirigentin sehr aktiv und hat
in den letzten Monaten führende Ensembles wie Musikfabrik,
Resonanz, unitedberlin und Ascolta dirigiert.
Florian Müller
Der in Immenstadt im Allgäu geborene Pianist Florian Müller
studierte in München und Wien Klavier und Komposition. Er
ist einer der zentralen Interpreten zeitgenössischer Musik in
Österreich und trat als Solist bei bedeutenden Festivals wie Wien
Modern und den Salzburger Festspielen hervor. Er ist regelmäßig Gast internationaler Festivals in Europa und bereiste überdies auch die USA, Kanada, Japan, Argentinien und Israel.
Florian Müller spielte u. a. mit dem SWR Sinfonieorchester
Baden-Baden und Freiburg, den Wiener Symphonikern, dem
MDR Sinfonieorchester und dem Mahler Chamber Orchestra.
Er arbeitete mit namhaften Dirigenten wie Emilio Pomàrico,
Sylvain Cambreling, Hans Zender, Fabio Luisi, Pierre-Laurent
Aimard und Peter Eötvös zusammen. Er wirkte u. a. an Theaterarbeiten mit Jérôme Bel, Alain Platel, Christoph Marthaler und
Jewgenij Sepochin mit. Florian Müller hielt Meisterkurse bei der
Biennale di Venezia und der Internationalen Sommerakademie
PragWienBudapest und unterrichtet darüber hinaus Performance Practice in Contemporary Music an der Kunstuniversität
Graz. Aus einer Vielzahl an CD-Produktionen, bei denen Florian
Müller mitwirkte, sind insbesondere die Einspielungen von Beat
Furrers «Nuun» für zwei Klaviere und Ensemble, von Clemens
Gadenstätters «COMIC SENSE» und von Friedrich Cerhas «Relazioni fragili» hervorzuheben. Florian Müller ist seit 1993 Mitglied
des Klangforum Wien.
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Giulia Peri
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Debüt
Giulia Peri studierte Gesang und Violine an der Scuola di Musica
di Fiesole, wo sie sich als Schülerin von Piero Farulli und Antonello Farulli dem Quartettspiel widmete und während der Kurse
Carlo Maria Giulinis Konzertmeisterin des «Orchestra Galilei»
war. Bereits in den 1990er-Jahren war sie als Gesangssolistin in
Produktionen des Maggio Musicale Fiorentino unter der Leitung
Zubin Mehtas, Myung-Whun Chungs und Daniel Orens zu
erleben. Nach ihrem Studium bei Stephen Woodbury war sie als
Sopranistin bei zahlreichen internationalen Festivals und Konzerthäusern zu Gast, darunter beim Festival di Ravenna, I Pomeriggi Musicali in Mailand, der Cité de la Musique in Paris, dem
Concertgebouw in Amsterdam und dem Musikfest Stuttgart. Ihr
umfangreiches Repertoire reicht von der Musik des Mittelalters
bis zum 20. Jahrhundert, wobei ihr die zeitgenössische Musik
ein besonderes Anliegen ist. So gastierte sie u. a. 2014 mit Beat
Furrer und dem Orchestra Nazionale della Rai beim MITO
Settembre Musica. In den letzten Jahren arbeitete sie mehrmals
mit dem Ensemble Sentieri selvaggi unter der Leitung von Carlo
Boccadoro zusammen, 2016 als erste Interpretin der Cordelia in
Boccadoros Oper «Oltre la porta». Zur Erinnerung an Primo Levi
kreierte sie u. a. Liederabende, die ein weites Panorama jüdischer
Kultur bieten und die sie mit dem Pianisten Gregorio Nardi zur
Aufführung bringt. Zudem promovierte Giulia Peri an der Scuola
Normale Superiore in Pisa als Latinistin mit Auszeichnung.
Ferdinand Schmatz
Ferdinand Schmatz, schreibt Gedichte, Prosa, Essays und Hörspiele, lebt in Wien und unterrichtet an der Universität für
angewandte Kunst, wo er seit 2012 das Institut für Sprachkunst
leitet. 2004 wurde er mit dem Georg Trakl-Preis ausgezeichnet.
2006 erhielt er den H.C. Artmann-Preis. 2009 wurde sein Schaffen mit dem Ernst Jandl-Preis gewürdigt. Zu seinen Veröffentlichungen zählen «das grosse babel, n» und «portierisch». Zuletzt
erschienen «Durchleuchtung. Ein wilder Roman aus Danja und
Franz» (2007), «quellen» (2010), sowie «auf SÄTZE! Essays zur
Poetik, Literatur und Kunst» und «das gehörte feuer. orphische
skizzen» von 2016.
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Virginie Tarrête
WANN KÖNNEN SIE ANFANGEN?
Jobs mit Qualität im Einstieg
und Qualität im Aufstieg.
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Nach dem Studium am Conservatoire National Supérieur de
Musique de Paris, wo sie den 1. Preis in Harfe in der Klasse von
Marie-Claire Jamet und einen 1. Preis in Kammermusik erhielt,
absolvierte Virginie Tarrête ihr Aufbaustudium mit Ursula Holliger an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg im
Breisgau. Ihr Repertoire reicht von Alter Musik bis zu zeitgenössischer Musik. Sie wird regelmäßig zu vielen internationalen
Festivals eingeladen. Eine wichtige Seite ihrer Tätigkeit ist die
Zusammenarbeit mit Komponisten, insbesondere durch Aufnahmeprojekte mit Werken von Mark André, Franck Bedrossian,
Luciano Berio, Brian Ferneyhough, Helmut Lachenmann, François Paris, Wolfgang Rihm u. a. Sie spielte unter der Leitung von
Dirigenten wie Pierre Boulez, Sylvain Cambreling, Emilio
Pomàrico. Virginie Tarrête wirkte in verschiedenen Ensembles
mit (u. a. Musikfabrik, ensemble recherche, l'Itinéraire) und ist
seit 2007 Mitglied des Klangforum Wien. Im Jahr 2012 gründete
sie mit László Hudacsek das Duo HarPerc um das Repertoire für
Harfe und Schlagzeug zu entwickeln. Auch an der Interpretation
des alten Repertoires auf historischen Instrumenten interessiert,
gründete Virginie Tarrête mit Alain Roudier (Hammerklavier)
das Duo Sebastien Erard, mit dem sie Werke des 18. und 19.
Jahrhunderts aufführt. Sie tritt regelmäßig u. a. mit dem
Orchestre Révolutionnaire et Romantique unter der Leitung von
Sir John Eliot Gardiner auf. Seit 2008 ist Virginie Tarrête Professorin für Harfe am Conservatoire Régional de Dijon.
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Sarah Wegener
Agata Zubel
Die britisch-deutsche Sopranistin, die auch einen Abschluss als
Kontrabassistin nachweisen kann, studierte Gesang bei Bernhard
Jaeger-Böhm in Stuttgart sowie in Meisterkursen bei Dame
Gyneth Jones und Renée Morloc. Mit warmem Timbre begeistert
sie in zahlreichen Partien, sei es in der Neuen Musik oder im
klassisch-romantischen Repertoire. Die neue Saison wird durch
ihre erste Zusammenarbeit mit Kent Nagano und dem Orchestre
symphonique de Montréal eingeläutet, u. a. interpretiert sie in
Montreal Mozarts «Requiem» und Bachs «Matthäuspassion».
Zudem geht sie mit dem Kammerorchester Basel und dem
Windsbacher Knabenchor mit Bachs «Weihnachtsoratorium»
auf Tournee und singt Mozarts «Litaniae» und Schuberts Messe
Nr. 5 mit dem Radio Filharmonisch Orkest am Concertgebouw
Amsterdam. Bei der Eröffnung der Elbphilharmonie Hamburg
steht sie für Mahlers Symphonie Nr. 8 mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter Kent Nagano auf der
Bühne. Mit Liederabenden gastiert sie u. a. beim SWR RheinVokal Festival und den Händelfestspielen Halle. Eine enge
künstlerische Beziehung verbindet Sarah Wegener mit Georg
Friedrich Haas, der ihr den Liederzyklus «… wie stille brannte
das Licht», basierend auf ihren besonderen Fähigkeiten in der
Interpretation mikrotonaler Musik, widmete. Das Werk brachte
sie Anfang 2016 mit dem Klangforum Wien im Wiener Konzerthaus zur Aufführung. 2015/16 gab sie zudem ihre Debüts am
Royal Opera House London und an der Deutschen Oper Berlin.
Die in Wrocław geborene Komponistin und Sängerin Agata
Zubel studierte an der nach Karol Lipiński benannten Musikakademie ihrer Heimatstadt bei Jan Wichrowski Komposition
und bei Danuta Paziuk-Zipser Gesang, schloss beide Studien
mit ausgezeichnetem Erfolg ab und promovierte 2004. Daneben
studierte sie auch in den Niederlanden. Sie erhielt Förderungen
und Stipendien des polnischen Kulturministeriums, der Rockefeller Foundation, der Ernst von Siemens Musikstiftung, der
Stadt Wrocław sowie der International Foundation for Education
& Self-Help. Außerdem ist sie Mitglied der Polnischen KomponistInnengewerkschaft. Derzeit unterrichtet Agata Zubel an der
Musikakademie in Wrocław. Als Gesangssolistin war sie Mitwirkende bei hochkarätigen Veranstaltungen. Die zeitgenössische
Musik nimmt einen besonderen Stellenwert in ihrem Repertoire
ein, so arbeitete sie mit berühmten Ensembles aus dem Bereich
zusammen, neben dem Klangforum Wien u. a. Musikfabrik,
London Sinfonietta, Eighth Blackbird Ensemble sowie die Seattle Chamber Players. Gemeinsam mit dem Komponisten und
Pianisten Cezary Duchnowski 2001 gründete sie das ElettroVoce
Duo. Sie wirkte bei Uraufführungen und Aufnahmen zahlreicher
Werke zeitgenössischer Komponisten mit, etwa von Witold
Lutosławski, Bernhard Lang, Salvatore Sciarrino und Zygmunt
Krauze. Im Opernbereich verkörperte sie die Titelrolle in
«Marthas Garten» von Cezary Duchnowski sowie die Rolle der
Madeline in «The Fall of the House of Usher» von Philip Glass.
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Nicht ohne.
Nicht ohne.
Nicht ohne.
Kultur bringt die schönsten Saiten zum Klingen.
Aber nicht ohne Unterstützung.
Kunst, Kultur, Bildung und soziales Engagement machen unsere Welt um vieles reicher. Die
Zuwendung durch Unterstützer ermöglicht die Verwirklichung und Fortführung zahlreicher gesellschaftlicher Anliegen und trägt zur Vielfalt des Lebens bei. Die Erhaltung gesellschaftlicher
Werte hat bei uns eine lange Tradition – eine Tradition, die sich auch in der Förderung des Wiener
Konzerthauses widerspiegelt. wst-versicherungsverein.at; wienerstaedtische.at
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Fotos (soweit bezeichnet): Robert Haas/Wien Museum - Suska,
Wien 1930er-Jahre (Umschlagbild), Robert Haas/Wien Museum
(Fotografien der Programmseiten), George Grantham Bain Collection/Library of Congress, Washington D.C. (Szymanowski),
Maršál Stan (Hába), Wien Museum (Krenek), Alban Berg Stiftung (Alban & Helene Berg), LIDO/SIPA (FranÇaix), Arnold
Schönberg Center, Wien (Schönberg mit Berliner Meisterschülern), www.henripousseur.net (Pousseur), Judith Schlosser
(Klangforum Wien), Heikki Tuuli (Ahonen), Eric Richmond
(Asbury), Sabine Hauswirth/Wien Museum (Bunzl), Dorothea
Wimmer (Heginger), Hans Labler (Müller), Lukas Beck (Tarrête),
David Tschan (Wegener), Łukas Rajchert (Zubel)
103
Die Wiener Konzerthausgesellschaft dankt ihren
Sponsoren, Partnern und Subventionsgebern
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neuen Wohnung.
Generalpartner seit 1992
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Wiener Städtische Versicherungsverein
Wiener Städtische Versicherung AG
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Thomastik-Infeld
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Tel. (01) 513 12 41
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03.,
04.,
11.,
17.,
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Kooperationspartner
BIP Garagen · CC Hellenic · Der Standard · Jeunesse · Kattus
Meta Communication International · Ö1 Club · ORF · Österreichische Nationalbibliothek
Ottakringer · ray Filmmagazin · radio klassik · Steinway in Austria
Universal Music Classical Management and Productions
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€ 6,– für 6 Stunden
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Subventionsgeber
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Firmenmäzene
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Wiener Porzellanmanufaktur Augarten
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Unterstützende Institutionen
AKM – Autoren, Komponisten, Musikverleger · Austro Mechana/SKE-Fonds ·
Ernst von Siemens Musikstiftung · Österreichische UNESCO-Kommission
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Preis des Programmes € 5,60
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Wi ed n e
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Herausgeber: Wiener Konzerthausgesellschaft
Matthias Naske, Intendant
Telefon: +43 1 242 002 · Telefax: +43 1 24200-110
E-Mail: [email protected] · Internet: www.konzerthaus.at
Redaktion: Annelie Sachs (IMFG), Texte: Heinz Rögl
Druck: Druckerei Walla, Ramperstorffergasse 39, 1050 Wien
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Zugang/Zufahrt
Resselpark
Impressum
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Karlskirche
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Zugang/Zufahrt
www.bestinparking.at
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Tel. +43 1 513 12 41 – 25
BIP-Garage am Schwarzenbergplatz – Zufahrt/Zugang: Am Heumarkt 39, 1030 Wien
Nachsteckkarten (zum Einfahrtsticket) an der Konzerthauskassa, Bezahlung am Kassenautomat
Auch gültig am BIP-Parkplatz Palais Schwarzenberg – Zufahrt/Zugang: Schwarzenbergplatz 9, 1030 Wien
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