FESTLICHE TAGE ALTER MUSIK 19. Jänner bis 2. Februar 2017 a Donnerstag, 19. Jänner - Donnerstag, 2. Februar 2017 Wiener Konzerthaus Arnold Schönberg Center Wien Museum Festliche Tage Alter Musik 2017 Klangforum Wien Kapsch Group Wenn Tradition auf Innovation trifft. Dann entstehen bahnbrechende Ideen, mit denen man das Publikum immer wieder aufs Neue begeistert. Wir von Kapsch freuen uns, das Wiener Konzerthaus als Generalpartner zu unterstützen und Teil dieser einzigartigen Komposition zu sein. www.kapsch.net b Festliche Tage Alter Musik 2017 Fünf Konzerte im Wiener Konzerthaus, im Arnold Schönberg Center und im Wien Museum Gefördert aus Mitteln der Alban Berg Stiftung Geleitwort 4 I «Endzeit» Donnerstag, 19. Jänner 2017 · 19.30 Uhr Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal 6 II «Auf verwachsenem Pfade» Sonntag, 22. Jänner 2017 · 19.30 Uhr Arnold Schönberg Center 26 III «Voix Étouffées» Freitag, 27. Jänner 2017 · 20.00 Uhr Wien Museum Karlsplatz 34 IV «Très Belle Époque» Mittwoch, 1. Februar 2017 · 19.30 Uhr Wiener Konzerthaus, Schubert-Saal 54 V «Spuren nach Darmstadt» Donnerstag, 2. Februar 2017 · 19.30 Uhr Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal 68 Biografien 88 Geleitwort 4 Wie sind wir eigentlich dahin gekommen, wo wir jetzt stehen? Von welchem Ort sind wir aufgebrochen, in welche Richtung, mit welcher Hoffnung und mit welchem Ziel? Und was war es gleich noch, das wir an diesem Ziel finden zu können meinten? Die «Festlichen Tage Alter Musik» verhandeln diese Fragen in den fünf Konzerten des kleinen, feinen Festivals, das 2017 zwischen 19. Jänner und 2. Februar stattfinden wird. Ein verstehendes und erfüllendes Hören der vielfältigen Musiken, welche die aktuelle Kunstmusik Europas und der Welt ausmachen, ist ohne eine eingehende Überlegung dieser Themen nur schwer vorstellbar. Die «Festlichen Tage» bieten die ebenso sinnlichen wie freudvollen praktischen Übungen zu den hier vorgeschlagenen theoretischen Reflexionen. Es ist ein immer wieder gleichermaßen überraschendes und erhellendes Erlebnis zu bemerken, wie zugänglich, bis zum Lukullischen kulinarisch und bis zum Romantischen melodisch jene Musik in unseren Ohren klingt, die noch unseren Großvätern als mutwilliger, antimusikalischer Lärm erschien und als solcher in vorderster Linie gerade von den beamteten Musikauguren ihrer Entstehungszeit verdammt wurde. Dass sich daran in den vergangenen 100 Jahren nichts geändert hat, wird durch die im vergangenen Juli in einem österreichischen Intelligenzblatt erschienene kuriose Einlassung eines der meistgelesenen und -gehörten Musikkritiker des Landes deutlich, derzufolge es sich mit Uraufführungen immer ein wenig so wie mit der zivilisatorischen Verpflichtung zu Besuchen beim Zahnarzt verhalte. Die «Festlichen Tage Alter Musik 2017» schließen eine Lücke im gängigen Repertoire und bieten die Begegnung mit 24 klingenden Preziosen, die auch sehr kenntnisreichen Musikfreunden nicht vertraut sein werden. Im Jahr 2012 hat Friedrich Cerha angemerkt, dass es weder die Avantgarde noch die klassische Moderne seien, denen im aktuellen Musikleben nicht adäquater Raum gegeben werde. Vielmehr sei es das Fehlen der Meisterwerke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf den Spielplänen der Konzert- häuser und in den Repertoires von Orchestern und Ensembles, das nicht nur in Hinblick auf die Bedeutung dieser verschwundenen Werke selbst, sondern vor allem auch für das Verständnis und die Rezeption des aktuellen Musikschaffens ein gar nicht zu überschätzendes Problem darstelle. Für die große Musik dieser Zeit gebe es weder adäquate Aufmerksamkeit seitens der Musikinstitutionen noch entsprechendes Engagement bei öffentlichen und privaten Fördereinrichtungen. Tatsächlich entspricht die Hörsituation, in der das Publikum heute auf zeitgenössische Musik trifft, jener eines Musikfreundes, dessen letzte konsolidierte Hörerfahrung die Musik der «Zauberflöte» ist, und der übergangslos mit Wagners «Tristan» konfrontiert wird. Die 70 Jahre Musikentwicklung und -geschichte, die dazwischen fehlen, werden ihn kaum mehr erleben lassen als unverständlichen, mutwilligen Lärm. Als musikalische Brücke ins Heute zeichnen die Konzertprogramme, Textdokumente, Konzertgespräche und neuen literarischen Annäherungen des Festivals den Kampf der Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts gegen die beharrenden Kräfte. Ebenso zeigen sie das Ringen der konservativen Komponisten dieser Umbruchszeit um einen eigenen Weg, der ein neues Schaffen innerhalb des alten Regelwerks ermöglichen und zugleich der Gefahr flachen Epigonentums entgehen sollte. Einen Abend seines Musikfests widmet das Klangforum Wien, gemeinsam mit dem Forum Voix Étouffées, jenen Komponisten, deren Werk von den verschiedenen Totalitarismen des 20. Jahrhunderts unterdrückt worden ist. Auf dem Programm dieses Konzerts stehen Werke von Autoren, die wesentlich zur Formung unseres Begriffs von Moderne beigetragen haben. Sven Hartberger 5 Festliche Tage I · «Endzeit» Donnerstag, 19. Jänner 2017 · 19.30 Uhr Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal Alexander Skrjabin (1872-1915)/ Andreas Lindenbaum (*1963) Vers la flamme. Poème op. 72 (1914) Allegro moderato Jean Sibelius (1865-1957) Canzonetta op. 62a (1911) Karol Szymanowski (1882-1937) Słopiewnie. Fünf Gesänge für Sopran und Orchester op. 46b (1921) Słowisień Zielone słowa Święty Franciszek Kalinowe dwory Wanda Franz Schreker (1878-1934) Kammersymphonie für 7 Bläser, 11 Streicher, Harfe, Celesta, Harmonium, Klavier, Pauken und Schlagwerk (1916) In einem Satz Alban Berg (1885-1935)/ Richard Dünser (*1959) Sonate op. 1 (1907-08) Mäßig bewegt 6 Robert Haas: Rockefeller Center, New York City 1941 (Ausschnitt) © Wien Museum 7 Klangforum Wien Agata Zubel Sopran Stefan Asbury Dirigent Elisabeth Leonskaja ORF Radio-Symphonieorchester Wien James Feddeck Arnold Schönberg Thema und Variationen op. 43b John Adams Doctor Atomic Symphony Johannes Brahms Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 83 Klangforum Wien Eva Furrer Flöten Markus Deuter Oboe Olivier Vivarès Klarinetten Bernhard Zachhuber Klarinetten Lorelei Dowling Fagott Christoph Walder Horn Anders Nyqvist Trompete Andreas Eberle Posaune Mirjam Schröder Harfe Florian Müller Klavier, Celesta Joonas Ahonen Harmonium, Klavier Hsin-Huei Huang Celesta Annette Bik Violine Gunde Jäch-Miko Violine Sophie Schafleitner Violine Annelie Gahl Violine Dimitrios Polisoidis Viola Geneviève Strosser Viola Andreas Leitner Violoncello Benedikt Lindenbaum Violoncello Myriam Garcia Violoncello Uli Fussenegger Kontrabass Lukas Schiske Schlagwerk Björn Wilker Schlagwerk Foto: Julia Wesely Freitag, 21. Oktober 2016, 19.30 Uhr, Großer Saal 9 Alexander Skrjabin Der von 1872 bis 1915 lebende russische Pianist und Komponist gilt als einer der außergewöhnlichsten Pianisten seiner Zeit, der als Erwachsener jedoch ausschließlich seine eigenen Werke in der Öffentlichkeit spielte. Ferner komponierte er Musik fast nur für «sein» Instrument, das Klavier, aber auch symphonische Musik. In frühen Jahren war sein Komponieren noch sehr an Fréderic Chopin und Franz Liszt orientiert. Gerade die Neuerungen der Lisztschen h-moll-Sonate haben Skrjabin stark beeinflusst, der die Klaviersonate deutlich weiterentwickelte. Bereits die vier Sätze seiner 1. Sonate sind schon eng miteinander verschränkt und auf den letzten ausgerichtet, ab der 5. Sonate wird die Einsätzigkeit zur Regel. Gleiches Prinzip der Verlagerung zur Einsätzigkeit gilt auch für seine Orchesterwerke, er lernte die Musik Richard Wagners kennen, entwickelte seine Tonsprache aber schon bald über die Chromatik von Wagners Alexander Skrjabin, 1914 10 «Tristan und Isolde» hinaus. Skrjabin folgte einem harmonischen System, das nicht mehr auf Dur-Moll-tonalen Bindungen fußt, sondern auf der Verwendung eines auf Quartschichtungen basierenden Akkordes, des sogenannten «mystischen Akkords» oder auch «Prometheus-Akkords». Die Musik genügte ihm bald als Ausdruck seiner philosophischen Ideen nicht mehr. Er war Synästhet: Töne und Tonarten waren für ihn mit spezifischen Farbwahrnehmungen verknüpft. Insgesamt zeigt Skrjabins Spätwerk eine stilistische Entwicklung auf, die – trotz seines kurzen Lebens – eine Einreihung Skrjabins in die wichtigen Neuerer der Musik der ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts rechtfertigt. In ihren Erläuterungen zur Urtextausgabe des spät komponierten Poèmes für Klavier «Vers la flamme» op. 72 schreibt die Moskauer Skrjabin-Expertin Valentina Rubcova: «In seinen letzten Lebensjahren plante Alexander Skrjabin ein Großprojekt, das ‹Mysterium› heißen und in einem Gesamtkunstwerk alle Künste in ein synästhetisches Erlebnis zusammenführen sollte – verwirklicht wurde das Projekt nie. Nahezu alle Kompositionen aus dieser Zeit stehen jedoch in mehr oder weniger direkter Verbindung mit den Ideen zum Mysterium. Schon in der Orchesterpartitur von Promethée. Le Poème du feu op. 60 (entstanden 1908-10) hatte Skrjabin ein Motiv verwendet, das er als ‹schöpferischen Geist›, ‹Aktivitäts- und Bewegungsprinzip› charakterisierte und als ‹Luzifer, Prometheus, Feuergeist› bezeichnete. Feuergestalten regten Skrjabins schöpferische Phantasie offenbar an. Nicht zufällig war er ein großer Bewunderer des ‹Feuerzaubers› aus Wagners Walküre. Im Horizont von Skrjabins [theosophischer] Kunstauffassung sollte ein ‹Feuersturm› den rauschhaften Höhepunkt eines musikalischen Erlebnisses bilden und den Menschen in die Erlösung führen. Vor diesem Hintergrund ist auch Vers la flamme mit seinem großen Spannungsbogen vom verhaltenen Beginn bis zum klanggewaltigen Schluss zu interpretieren.» Bei näherer Betrachtung von Verlauf und Beschreibung des Werks, drängt sich wohl nicht zufällig eine Bearbeitung für Ensemble auf, wie sie Andreas Lindenbaum für das Klangforum Wien gefertigt hat. Das Poème, so im Vorwort des auf Urtext- 11 ausgaben spezialisierten G. Henle Musikverlags, «beginnt mit statischen, spröden Akkorden und schwingt sich langsam aber stetig aus der Tiefe ins strahlende Licht empor. Verschiedene Klangebenen in wechselnden Rhythmen schieben sich nach und nach übereinander und erzeugen eine sogartige Spannung. Tremoli und Fanfaren türmen sich am Schluss zu einem gleißenden Feuersturm von orchestraler Gewalt auf.» Jean Sibelius 12 Jean Sibelius, der zu Recht heute nicht nur als «spätromantischer», sondern auch als überaus moderner Komponist des 20. Jahrhunderts anerkannt werden muss, konnte sich mit der bahnbrechenden Musik seiner sieben Symphonien, die er bis 1924 komponierte, in der Welt außerhalb Finnlands nur schwer durchsetzen. Erst spät erkannte man ihre Bedeutung: die ersten, die sich auch dafür, neben seinen populäreren symphonischen Dichtungen zu Themen aus der finnischen Mythologie und Sagenwelt oder dem genialen Violinkonzert einsetzten, waren Eugene Ormandy und George Szell in den USA, sowie Leopold Stokowski, Thomas Beecham und John Barbirolli in England, ab den 1960er-Jahren vor allem Dirigenten wie Leonard Bernstein, Lorin Maazel und Sir Simon Rattle. Im heutigen Konzert ist die Canzonetta op. 62a aus der Bühnenmusik zum Schauspiel «Der Tod» (‹Kuolema›) von Arvid Järnefelt für Streichorchester zu hören. Die ursprüngliche Bühnenmusik op. 44 wurde von Sibelius 1903 vollendet und bestand aus sechs Nummern, die der Komponist im Finnischen Nationaltheater in Helsinki bei der Erstaufführung des Stücks selbst hinter der Bühne dirigierte. Von dieser Bühnenmusik blieb in dieser Phase nur die erste Nummer «Valse triste» am Leben, in der eine kranke Frau den Tod in der Gestalt ihres ehemaligen Gatten sieht und mit ihm tanzt, bevor sie am nächsten Morgen tot aufgefunden wird. Sibelius arbeitete das Stück 1904 für die Veröffentlichung um und wurde damit weltberühmt. Auf der Sibelius-Website des Helsingin Suomalainen Klubi Jean Sibelius, 1911 (www.sibelius.fi) ist zu lesen, dass der Komponist das Werk gegen ein einmaliges Honorar an einen finnischen Verleger verkaufte, «der seinerseits 1905 alle Werke, die er von Sibelius besaß, an Breitkopf & Härtel verkaufte. Das veröffentlichte Werk begann erstaunlich schnell die Welt zu erobern. In einem Jahr bestellten achtzig Orchester die Noten für ‹Valse triste› bei Breitkopf & Härtel, und bald klangen verschiedene Arrangements davon auch in Restaurants. Dieser Hit erleichterte Sibelius’ Geldnot fast gar nicht, aber er dirigierte das Werk durch seine ganze aktive Dirigentenkarriere – oft als vom Publikum verlangte Zugabe.» Wahrscheinlich schrieb Jean Sibelius die Canzonetta im Jahr 1906, holte sie aber erst 1911 wieder hervor, als Arvid Järnefelt sein Schauspiel umarbeitete und Sibelius ein paar zusätzliche 13 Nummern für die erneuerte Fassung vollendete: «Rondino der Liebenden» und «Walzer-Intermezzo» bekamen später die Namen «Canzonetta» und «Valse romantique». Sie sind unter op. 62 zu finden. «Canzonetta ist wunderbar, der Walzer [Valse romantique] ist gut, aber nur das», bewertete der Komponist selbstkritisch seine neuen Stücke nach der Erstaufführung. Auch später dirigierte er die Canzonetta gern – die Miniatur, die nur einige Minuten dauert, bezauberte auch Igor Strawinski, der später ein eigenes Arrangement davon schuf. Karol Szymanowski 14 Der 1888 in der heutigen Ukraine geborene Karol Szymanowski war um 1900 einer der bedeutendsten Komponisten der Bewegung «Junges Polen», einer Richtung des Modernismus in der polnischen Literatur, Musik und Kunst. Aktiv war die Künstlergruppe in den Jahren 1890 bis 1918. Die Tatsache, dass er aus Polen – einem unter mehreren Ländern aufgeteilten, also nicht mehr existierenden Staat kam – führte dazu, dass es keine mit dem Westen vergleichbare Infrastruktur gab, auf die er sich hätte stützen können – etwa Musikverlage. Der Musikverlag Piwarski in Krakau stellte sich für Szymanowski als ungeeignet heraus: er betrieb keinerlei Promotion, hatte keine Kontakte im Ausland und kam für einen aufstrebenden jungen Komponisten somit nicht in Frage. Szymanowski sah sich also gezwungen, einen Verlag für seine Musik im Ausland zu finden. Dank seines Mäzens, dem Fürsten Władysław Lubomirski, der in Wien über gute Kontakte verfügte, kam es am 18. Jänner 1912 im Großen Musikvereinssaal zu einem der Musik Szymanowskis gewidmeten Konzert. Auf dem Programm stand unter dem Dirigat seines Freundes Grzegorz Fitelberg Szymanowskis zweite Symphonie op. 19 von 1909/10 sowie eine Klaviersonate in der Interpretation von Artur Rubinstein. Eine Kontaktaufnahme seitens der Universal Edition ließ nicht lange auf sich warten: Direktor Emil Hertzka bot dem damals 30-Jährigen einen Zehnjahresvertrag an. Am 31. März 1912 kam es zur Unterzeichnung. Nach 1918 legte Szymanowski einem Brief eine Auflistung der während der Kriegsjahre geschaffenen neuen Werke bei – von Opus 26 bis Opus 41, darunter Lieder und Kammermusikwerke, aber auch groß angelegte Kompositionen, wie die 3. Symphonie für Tenor, gemischten Chor und Orchester, das 1. Violinkonzert oder das bis heute wenig aufgeführte Demeter op. 37b für Alt-Solo, Frauenchor und Orchester. In späteren Jahren wollte der Komponist seine neuen Werke verstreuen, die internationale Aufmerksamkeit wieder auf sich lenken. Nach dem Tod Hertzkas 1932, dessen Nachricht Szymanowski mit Bestürzung und Trauer zur Kenntnis nahm, änderten sich allmählich Qualität und Quantität der Kontakte mit der Universal Edition. «Słopiewnie» op. 46b (Fünf Gesänge für Sopran und Orchester) entstanden nach Texten von Julian Karol Szymanowski (Datum unbekannt) 15 Tuwim 1921 und wurden 1928 orchestriert. Der in Łódź geborene polnische Lyriker war 1919 Gründer der Poeten-Gruppe «Skamander» und einer der herausragenden Vertreter des literarischen Kabaretts der 1920er- und 1930er-Jahre. Seine Poesie ist gekennzeichnet durch einen feinsinnigen Humor. «Julian Tuwims atmosphärische, gleichsam sezessionistische Gedichte haben Karol Szymanowski zu einem exquisiten Liederzyklus inspiriert. Die Musik ist verfeinert, mit wunderbaren Melodiebögen orientalischer Prägung, fragil, großartig ausgehört, die Sopranstimme – immer wieder von einem Instrumenten oder einer Gruppe von Instrumenten unisono begleitet – hat vibratofrei selbst fast einen instrumentalen Charakter. In ‹Słopiewnie› hat Szymanowski eine einzigartige, aparte Welt geschaffen, in die man mit Freude eintaucht», beurteilt die Universal Edition dieses Werk. Franz Schreker 16 Franz Schreker war einer der meistgespielten deutschsprachigen Komponisten seiner Zeit. Geboren wurde er 1878 in Monaco als Sohn von Eleonore von Clossmann, die einer altsteirischen Adelsfamilie entstammte, und des k.k. Hof-Fotografen Isak Schrecker, der für die Heirat mit seiner adligen Gattin 1876 vom Judentum zum Protestantismus konvertierte und sich seither Ignaz nannte. Franz Schreker (das «c» im Namen strich er später) studierte in Wien Komposition bei Robert Fuchs, bereits 1902 gab es eine von ihm geleitete konzertante Aufführung seiner ersten Oper «Flammen», ab 1905 begann er mit der Arbeit an «Der ferne Klang». 1906/07 wurde er Kapellmeister und Chordirektor an der Wiener Volksoper, im Jahr darauf gab es die Uraufführung der Ballettpantomime «Der Geburtstag der Infantin» für Grete und Elsa Wiesenthal auf der Klimt’schen Kunstschau in Wien. Im jenem Jahr schloss er Bekanntschaft mit Arnold Schönberg, später auch mit Alban Berg, der den Klavierauszug der Oper «Der ferne Klang» herstellte, die im August 1912 in Frankfurt am Main uraufgeführt wurde, 1914 auch in München unter Bruno Walter. Bis 1924 folgten noch die Opern «Das Franz Schreker, 1912 Spielwerk und Prinzessin» (1913 in Wien und Frankfurt am Main), «Die Gezeichneten» (1918 auch in Wien mit Maria Jeritza in der weiblichen Hauptrolle), «Der Schatzgräber» (1920) und «Irrelohe» (1924 unter Otto Klemperer in Köln). 1911 hatte er die Leitung des von ihm gegründeten Philharmonischen Chores übernommen, seit 1912 leitete er selbst eine Kompositionsklasse an der Akademie für Tonkunst in Wien. Schüler von ihm waren damals etwa Wilhelm Grosz, Ernst Krenek, Jascha Horenstein oder auch Max Brand. Der Ruhm brachte Schreker die Direktorstelle in der Berliner Akademischen Hochschule für Musik, wo er von 1920 bis 1931 tätig war. Ein Forum wurde ihm von der Universal Edition in der Musikzeitschrift «Anbruch» geboten, in der zwischen 1919 und 1937 103 Artikel von ihm und über ihn erschienen. Bereits in den späten 1920er-Jahren war Schreker Angriffsobjekt der Kulturpolitik der Nationalsozialisten. 1932 wurde auf Grund des NS-Terrors die in Freiburg geplante Uraufführung seiner Oper «Christophorus» von Schreker selbst 17 18 zurückgezogen und er wurde zum Rücktritt von seinem Amt als Direktor der Berliner Musikhochschule gezwungen. Von 1932 bis 1933 war er zudem Leiter einer Meisterklasse für Komposition an der Preußischen Akademie der Künste. Kurz nach seiner Zwangsversetzung in den Ruhestand, den Max von Schillings verfügte, starb er am 21. März 1934 an einem Herzinfarkt, dem ein Schlaganfall vorausgegangen war. In den 1920er-Jahren galt Franz Schreker als einer der bedeutendsten Opernkomponisten in Deutschland nach Wagner; seine Opern erreichten zeitweise höhere Aufführungszahlen als diejenigen von Richard Strauss. Wie dieser ist Schreker ein Spätromantiker; zugleich weist seine musikalische Sprache expressionistische Elemente auf. Charakteristisch ist eine ständige harmonische Fluktuation mit schillernden, irisierenden Akkorden. Von der Psychoanalyse Sigmund Freuds beeinflusst, zeichnete der Librettist Schreker schonungslose seelische Portraits seiner Opern-Protagonisten. Nach 1933 nahezu in Vergessenheit geraten, setzte ab Ende der 1970er-Jahre eine Schreker-«Renaissance» ein, die bis heute anhält. «Der Schmied von Gent» wurde 1981 an der Berliner Staatsoper aufgeführt, in Österreich «Der ferne Klang» 1991 an der Wiener Staatsoper und 2015 an der Oper Graz sowie am Nationaltheater Mannheim oder 2010 unter Ingo Metzmacher in Zürich. «Die Gezeichneten» wurden 2005 bei den Salzburger Festspielen, und 2015 an der Opéra de Lyon gezeigt. Seine Kammersymphonie in einem Satz, für den Lehrkörper der k.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien im Dezember 1916 komponiert, weist 23 Musizierende in der Instrumentierung von sieben Bläsern, elf Streichern, Harfe, Celesta, Harmonium, Klavier, Pauken und Schlagwerk auf, die, wie der Musikwissenschaftler und Redakteur Werner Theurich in einer Besprechung einer Aufnahme meinte, «eigentlich alle Solisten sein sollten – so anspruchsvoll und filigran ist die Partitur angelegt. Die Wechsel zwischen solistischer Eleganz und seidigem Ensemble-Sound schillern mit verführerischer Kraft. Das Werk […] hat zwar mehr mit Strauss als mit Schönberg zu tun, doch die Eigenständigkeit erschließt sich jedem Hörer sofort.» Alban Berg Im Oktober 1904 erschien in der Neuen Musikalischen Presse die Ankündigung eines Kompositionskurses des 30-jährigen Komponisten Arnold Schönberg. Alban Bergs Bruder Charly legte diesem ohne Albans Wissen Lieder des Bruders vor und Schönberg erklärte sich bereit, den jungen Mann in seinen Kurs aufzunehmen. Nach dem Ende des Kurses unterrichtete Schönberg Alban unentgeltlich privat weiter, weil dieser, als unbezahlter Rechnungspraktikant der Niederösterreichischen Landesregierung, über kein Einkommen verfügte und seine Mutter zu wenig verdiente, um ihm eine Ausbildung zum Komponisten zu ermöglichen. Im folgenden Jahr fiel Johanna Berg nach dem Tod ihrer Schwester eine reiche Erbschaft zu, die ihr die Möglichkeit gab, ihre beiden Söhne jahrelang mit einer großzügigen Apanage zu unterstützen. Ende des Jahres 1906 lernte der junge Komponist die gleichaltrige Helene Nahowski kennen. Sie galt als Tochter des reichen Privatiers Franz Nahowski und seiner Frau Anna, war aber möglicherweise die Tochter des Kaisers Franz Joseph I. Jedenfalls stellte sich Herr Nahowski jahrelang gegen eine Verbindung der beiden, bis er 1911 widerwillig seine Einwilligung zur Hochzeit gab. Ab da verbrachten Alban und Helene ihre Sommerurlaube häufig im Haus der Schwiegereltern in Trahütten, einem hochgelegenen Dorf in der Steiermark, seltener auf Johanna Bergs Besitztum, dem «Berghof», am Ossiacher See in Kärnten. Es war Schönberg, der seinem Schüler Berg geraten hatte, seine Klaviersonate aus den Jahren 1907/08, die er «Meiner Helene» gewidmet hatte, als sein op. 1 zu publizieren. Berg bezahlte diesen Erstdruck aus eigener Tasche. Erst zehn Jahre später nahm der Wiener Verlag Haslinger die Sonate in sein Programm auf, wie überhaupt der frühe Berg auf den Verkauf «von ein paar antiquen Sachen» aus seinem «Hausrat» angewiesen war, um den Druck seiner ersten vier Opera zu bezahlen. Sich in Wien mit einer Klaviersonate dem Publikum vorzustellen, hatte hochsymbolischen Charakter und war ein heikles Unterfangen. Die Sonatenkunst eines Beethoven, Schubert und 19 Brahms rückte unweigerlich vor das geistige Auge der Hörerinnen und Hörer und legte die Messlatte auf klassische Höhe. Dies musste Alban Berg schmerzlich erfahren, als die Uraufführung seiner Klaviersonate Opus 1 durch die Pianistin Etta Werndorff 1911 zu stürmischen Protesten führte. Das einsätzige, harmonisch wie formal über die Spätromantik hinausgreifende Werk wirkte auf die Zeitgenossen wie eine Verhöhnung der großen Wiener Tradition, obwohl es sie in aller Emphase fortführte. Aus einem harmonisch gleichsam aufgeladenen Material – Bergs Tribut an seinen Lehrer Arnold Schönberg auf dem Stand von dessen erster Kammersymphonie – entwickelt sich im Rahmen eines einzigen großen Satzes eine komplexe Sonatenform aus Exposition, Durchführung, Reprise und Coda. Im Jahr 1912 entstanden die Fünf Orchesterlieder nach Ansichtskartentexten von Peter Altenberg op. 4. Zwei dieser Lieder, die Nummern 2 und 3, brachte Arnold Schönberg im Alban und Helene Berg mit ihrem Ford am Loiblpass 20 Rahmen des berüchtigten Skandalkonzerts von 1913 zur Uraufführung. Diese beiden Lieder führten zu jenem berühmten Tumult, infolgedessen das Konzert abgebrochen werden musste. Eine Spezialität des 1959 in Bregenz geborenen Komponisten Richard Dünser sind Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten. So hat er bereits Lieder von Johannes Brahms bearbeitet, die «7 Lieder von Nacht und Traum» von Alexander Zemlinsky und dessen Kammersymphonie, die «Rückert-Lieder» von Gustav Mahler, die «Drei Stücke» op. 11 von Schönberg und eben auch die Sonate op. 1 für Klavier, die in Richard Dünsers Bearbeitung für Kammerorchester bei einem Programm des Ensembles Kontrapunkte im Musikverein uraufgeführt wurde. Über seine Bearbeitungen befragt, äußerte Richard Dünser in einem Interview mit dem Music Information Center Austria, dass er bereits seine Version von Schuberts «Der Graf von Gleichen» bewusst «unschubertisch» instrumentiert habe und sich umso mehr darüber gefreut habe, dass der Musikkritiker Ernst Naredi-Rainer in seiner Kritik schrieb, dass es trotzdem wunderbar nach Schubert klinge: «Ich vergleiche das mit Gedichtübersetzungen: Stefan George übersetzte genial die ‹Blumen des Bösen› von Baudelaire, und zwar so, dass sie wie Stefan George klingen. Ich sehe mich überhaupt nicht als Arrangeur, sondern als Komponist, der Bearbeitungen macht. So wie das auch Schostakowitsch, Henze, Cerha mit ‹Lulu› und, wenn man so weit gehen will, Hans Zender machten. Es hat mir immer schon Spaß gemacht, mich mit anderen Komponisten auseinanderzusetzen […] Schostakowitsch meinte, man müsse immer etwas schreiben, und wenn man nicht die Kraft habe für etwas Großes, dann etwas Kleines, und wenn man auch dafür keine Kraft habe, müsse man etwas instrumentieren. So sei man immer in Übung. Bei mir ist das eine zweite Schiene geworden.» 21 Karol Szymanowski Słopiewnie. 22 Słowisień W białodrzewiu jaśnie dźni słoneczno, Miodzie złoci białopałem żyśnie, Drzewia pełni pszczelą i pasieczną, A przez liście kraśnie pęk słowiśnie. Kirschenweiß Weiße Bäume gleißend Sonnengluten, Lieblich überglänzt von Honiggolde. Bienensummen – sieh aus Bienenfluten Leuchtet froh die holde Kirschendolde. A gdy sierpiec na niebłoczu łyście, W cieniem ciemnie jeno niezaśpiewy: W białodrzewiu ćwirnie i srebliście Słodzik słowi słowisieńkie ciewy. Und rund grüßt der Mond vom Himmelsgrunde, Schatten träumen dunkel, lispeln leise – Weißen Bäumen klingt aus Silbermunde Nachtigallen – kirschenweiße Weise … Zielone słowa A gdzie pod lasem podlasina, Tam gęsta wiklina szeleścina. Na prawo bór, na lewo trawy, Oj da i te szerokie, śpiewane morawy. Iści woda, uści woda na murawie, Szumni, strumni dunajewo po niekławie. Na prawo bór czarnolas dąbrowiany. Na lewo ziel jasno ziel lści wodziany. A po szepcinie wiją, a na murawie dzwionie, A i tam rżą wesołote morawiańskie konie. Hej! Grüne Lust Dort im waldigen, grün düsterm Raum Träumt stumm und trauervoll manch dunkler Baum. Hier aber weit – Gesang und Prangen. Juchhei! jauchzt Wiesenpracht mit junggrünen Wangen. Rinnt ein Wasser, springt ein Wasser, grün und helle, Schwellend, schnellend flinke Welle treibt die Quelle. Schwarz dort der Wald, düster der Wald versunken Wasser hier wallt, grüne Gewalt wie trunken. Lockendes leises Singen, glockendes Saitenklingen, Übermut sprengt dahin die Pferdchen zu jagendem Springen. Heijah! 23 Święty Franciszek Ptakowie kwiatowie łanie weseli Alleluja, lelija alleluja, lelija ewangieli. Ewangieli angieli ewangieli angieli Światu wołali: niewiemo, Chwalemo! płakali. Niebianie polanie słodkiej światłości Jezusie gołąbku miłości! Der heilige Franziskus Vögelein, Blümelein, lasst uns ihn preisen. Halleluja wir bringen, Hallelujah wir singen Lilienweisen. Der heil’gen Engel Chöre schallen zu seiner Ehre, Vor der Himmelsschar neigen im Reigen sich immerdar. Herrlichkeit, Heiligkeit, Ewigkeit Dein – Sonne Du, Wonne Du, Jesu mein! Kalinowe dwory Kalinowe dwory, Jarzeń na jawory, Jarzębiec surowy, Czerwoń do zawory! Rotes Lied Rote Hexentürme, Rote Herbstesstürme, Rote Beerenschnüre, Rote Herzensschwüre. Czerwoń jagodulu, Ładzie do dziewanny, Borem nie da rady, Jaworowe panny! Hütet euch fein, jung Mägdelein. Dunkle Düsterhecken Mögen ihn verstecken, Pan, den rasenden Herrscher der Schrecken! Dziwierz tędy łazi, Łyśnie na spiekory, Ej, kraśnie zagorzewią, Kalinowe dwory! Hej! Rote Herbstesstürme, Rote Hexentürme Brennen so heiß und wild und rot, Rot von Lieb’ und Tod! Wanda Woda wanda wiślana głaź głębica srebliwa Po ciemnurzu pazurem wodzi jaskro księżawiec. Sino płynie dno śpiewa woda wanda ruślana Czesze włosy świetłodzie topiel dziewny-kniaziewny. Wanda Wanda – wanderndes Wasser – ober starrem Gesteine Weich ein weißes Gewebe wirkt der geisternde Mondstrahl. In des Wellengrabs Wogen singet Wanda voll Wehmut, Königlich leuchtende Haarflut kämmt das Wasser Mit silberner Hand. Julian Tuwim (1894-1953) 24 Nachdichtung: Rudolf Stephan Hoffmann (1878-1931) 25 Festliche Tage II · «Auf verwachsenem Pfade» Sonntag, 22. Jänner 2017 · 19.30 Uhr Arnold Schönberg Center Leoš Janáček (1854-1928) Auf verwachsenem Pfade (Band 1) (1901-08) 1. Unsere Abende 2. Ein verwehtes Blatt 3. Kommt mit! 4. Die Friedeker Mutter Gottes 5. Sie schwatzten wie die Schwalben 6. Es stockt das Wort! 7. Gute Nacht! 8. So namenlos bang 9. In Tränen 10. Das Käuzchen ist nicht fortgeflogen! Alois Hába (1893-1973) Fantasie für Nonett op. 40 (1931) Keine Pause Klangforum Wien Joonas Ahonen Klavier Florian Müller Harmonium Ferdinand Schmatz Texte 26 Robert Haas: Zwei Männer am Pier, USA 1940er-Jahre (Ausschnitt) © Wien Museum Klangforum Wien Eva Furrer Flöte Markus Deuter Oboe Olivier Vivarès Klarinette Lorelei Dowling Fagott Christoph Walder Horn Sophie Schafleitner Violine Geneviève Strosser Viola Andreas Lindenbaum Violoncello Uli Fussenegger Kontrabass 27 Leoš Janáček 28 Klavierzyklen als autobiografisches Bekenntnis zu schreiben, hatte in der Tschechischen Musik schon lange vor Leoš Janáček Tradition. Zu nennen ist hier besonders Zdeněk Fibich mit seinem acht Jahre lang geführten klavieristischen Tagebuch «Stimmungen, Eindrücke und Erinnerungen». Mit dem Zyklus «Auf verwachsenem Pfade» hat Janáček an dieses Vorbild angeknüpft, denn auch sein Zyklus trägt autobiografischen Charakter, wie im Kammermusikführer der Villa Musica Rheinland-Pfalz (www.kammermusikfuehrer.de) zu lesen ist. Als 1903 Janáčeks über alles geliebte Tochter Olga starb, versank der Vater in tiefe Resignation. In zunächst nur fünf Stücken für Harmonium beschrieb er die Wege, die er an ihrer Seite gegangen war, als von Gras überwachsene Pfade: «Verwachsen von zartkleinem Klee ist mir zum Mütterchen der Pfad» heißt es in einem mährischen Hochzeitslied – Janáček entlehnte das Bild der Volksdichtung. Die Harmoniumstücke arbeitete er später für Klavier um und fügte bis 1908 weitere fünf Stücke von ähnlichem Gehalt hinzu. In dieser Form hat er den Zyklus dann 1911 herausgebracht. Die letzten fünf Sätze wurden erst 1942 posthum ergänzt, 14 Jahre nach seinem Tode. Schon die Titel der Stücke beschreiben, wie der Vater in Gedanken immer wieder um die Erinnerungen an sein verlorenes Kind kreiste – Erinnerungen, die ihm so lieb waren, dass sie «glaube ich, niemals enden werden», wie er bekannte: «Das Maß der dabei erlebten Leiden ist größer, als Worte zu sagen vermögen». Also kleidete er jene schmerzlichen Erinnerungsbilder in Klavierzeichnungen von zarter Melancholie und feinster Linienführung. Sie beginnen mit den Abenden, die er an der Seite seiner Tochter verbringen durfte, einem Moderato in cis-Moll, dessen klagende Melodie sich in schlichtester Linienführung entfaltet und immer wieder beim Ton gis ansetzt. Im zweiten Stück, einem Andante in Des-Dur, sinniert der Vater über ein Leoš Janáček überlebte seine … … Tochter Olga um 25 Jahre. 29 30 «verwehtes Blatt», das von Vergangenem kündet. Janáček nannte diesen Satz in einem Brief ein «Liebeslied», es ist freilich ein durch und durch melancholisches. Nach dem kindlich-freudigen Intermezzo der Nr. 3 («Kommt mit!») schildert die Nr. 4 eine Wanderung von Vater und Tochter zur Friedeker Mutter Gottes, einem Gnadenbild, das beide andächtig anbeteten. Die Musik dieses Stücks, das ganz vom Klang des Harmoniums aus gedacht ist, verwendete Janáček später für ein Ave Maria. Im fünften Stück mit dem Titel «Sie schwatzten wie die Schwalben» setzt sich wieder kindliche Daseinsfreude durch, bevor im sechsten Stück «die Bitternis der Enttäuschung» spürbar wird («Es stockt das Wort!», Andante in Es-Dur). Das siebte Stück ist ein aus der Vergangenheit zurückgeholtes Nacht- und Schlaflied für die Tochter, ein Andante in lydischem C-Dur über ein schwebenden Begleitung. Nr. 8, «So namenlos bange», beschreibt die Schattenseiten der Nacht. Leises Weinen durchzieht dieses Stück, eine «Vorahnung unentrinnbaren Todes», die seine Tochter in der Nacht überfiel, wie der Vater berichtete: «In heißen Sommernächten war dem geradezu engelsgleichen Geschöpf so tödlich bang.» Die Linie hin zum Leid wird im neunten Stück «In Tränen» weitergeführt und gipfelt in der Nr. 10 mit dem Titel «Das Käuzchen ist nicht fortgeflogen!». Was im Titel so unschuldig klingt, ist in Wahrheit ein düsteres Stück voller Todesahnungen, das zur Ausgangstonart cis-Moll zurückkehrt. Das «vertrauensvolle Lied des Daseins», eine Art Choral, wird immer wieder vom «unheilkündenden Motiv des Käuzchens» unterbrochen. Im Volksglauben galt der Kauz als Todesbote, sein Ruf als schlechtes Omen. Auch Wolfram Goertz schrieb in einer Besprechung in der «Zeit» (Klassiker der Moderne 40): «Tatsächlich geht in ‹Auf verwachsenem Pfade› von Nummer 6 an das Licht allmählich aus. Selten ist Verdunkelung in Musik so unheimlich und unaufhaltsam über den Hörer gekommen. Er wird von den Ausrufezeichen der Titel beschworen, sitzen zu bleiben. ‹Gute Nacht!› ist ein Betthupferl, das einem mit wehem Gemüt überreicht wird; nun hat die Partitur beinahe so viele Pausen wie Noten. ‹In Tränen› büßt seinen Grundton schon im ersten Takt ein. Ein reines Nachtstück unter Herzklopfen: das letzte Stück […]. Nun murmelt in der linken Hand nur noch ein Bach, und ein kleines Arpeggio zeigt, wie Käuzchen normalerweise aufrauschen. Dieses hier fliegt nicht, sondern starrt in den Finsterwald und fahndet nach Natur. Die hat Janáček geborgen, ganz feierlich zum Choral. Heilige Natur! Alles andere ist der Tod». Alois Hába Der 1893 in Vizovice (Mähren) geborene Komponist und Musiktheoretiker Alois Hába, nicht zuletzt auch ein großes Vorbild von Georg Friedrich Haas, erlangte Weltruhm durch seine Mikrointervallkompositionen, bei denen vor allem Viertelton-, aber auch Sechstel- und Zwölfteltonstimmung Verwendung fand. Der Schüler von Vítězslav Novák und Franz Schreker in Prag, Wien und Berlin gehörte in den frühen 1920er-Jahren zur europäischen Avantgarde und gründete am Prager Konservatorium mit Hilfe seines Förderers Josef Suk eine Abteilung für das Studium mikrotonaler Musik. Die Entwicklung der musikalischen Moderne, insbesondere von Schönberg und Webern verfolgte er mit großem Interesse. Er nahm unter anderem an den berühmten Musikfesten in Donaueschingen teil. In seiner Musik erweiterte er, inspiriert unter anderem durch die Praxis traditioneller mährischer Musik, die Tonskala um Viertel-, Fünftel-, Sechstel- und Zwölfteltöne, wozu auch spezielle Instrumente angefertigt wurden. Der Brünner Musikwissenschaftler Jiří Vysloužil, der auch mitunter in der Österreichischen Musikzeitschrift publizierte, analysierte in einem Aufsatz über Alois Hába dessen «Symphonische Phantasie» op. 8 und schrieb: «Die bedeutenden tschechischen Zeitgenossen Schönbergs Vítězslav Novák, Josef Suk und Otakar Ostreil, deren erstgenannter 1914 und 1915 auch Hábas Lehrer im Meisterkurs für Komposition des Prager Musikkonservatoriums war, erscheinen Schönberg gegenüber als traditionelle, oder mit anderen Worten: verspätete künstlerische Persönlichkeiten. Nicht einmal der harmonisch ungewöhnlich 31 Alois Hába an einem «August Förster»-Vierteltonpiano 32 intensiv empfindende Suk überschritt die Grenzen der Tonalität, u. a. dank des tonalen und harmonischen Orgelpunkts, über welchen er bewegliche chromatische Melodien, Harmonien und polyphone Zonen entwickelte, die jedoch immer zu Versöhnung und Ruhe, zur Konsonanz strebten […] Mit ihrem skeptischen Standpunkt zu Schönbergs musikalischem Radikalismus bewahrten Novák und Suk zwar die lebendige Kontinuität mit der tschechischen Musikantentradition, verursachten jedoch, dass die moderne tschechische Musik im Grunde genommen abseits der künstlerischen Eroberungen blieb, die in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts vor allem die Avantgarde der sogenannten Zweiten Wiener Schule repräsentierte.» Aber es gab eine Ausnahme: Alois Hába sei ein kühner und erfindungsreicher Harmoniker gewesen, der die Impulse der neuzeitlichen Chromatik in seinem Schaffen auf individuelle Weise, und sogar in noch feineren Dimensionen auszuwerten wusste, als sie der Halbton darstellt, ihre Verwirklichung habe im Zeichen des inspirierenden Einflusses von Schönbergs Persönlichkeit und Werk stattgefunden: «Sein erstes, und trotzdem bewundernswert reifes und ausgeprägtes ‹zwölftoniges› chromatisches Werk, die Symphonische Phantasie für Klavier und Orchester, op. 8 (1920-21), schrieb Hába noch als offizieller Schüler Schrekers, in Wirklichkeit jedoch eher unter dem lebendigen Eindruck der Begegnung mit Schönbergs Kompositionen, nach dem Studium seiner Harmonielehre und nach analytisch höchst anregenden und lehrreichen Korrekturen von Schönbergs Kompositionen, die Hába während seiner Wiener Studien als Korrektor der Universal Edition in Wien durchführte. Auch die späteren ‹Zwölfton›-Kompositionen Hábas, die Phantasie für Flöte und Klavier op. 34 (1928), die Toccata quasi una fantasia für Klavier op. 38 (1931), die Zwölfton-Fantasie für Nonett op. 40 (1931) und die Symphonische Phantasie für Orchester ‹Cesta zivota› (‹Der Weg des Lebens›), op. 46 (1933), entstanden in der Atmosphäre der neuen, bereits ‹dodekaphonen› Werke Schönbergs, insbesondere der Variationen für Orchester op. 31 und der Oper ‹Von heute auf morgen› op. 32, deren Premieren in Deutschland Hába persönlich beiwohnte.» 33 Festliche Tage III · «Voix Étouffées» Ernst Krenek (1900-1991) Freitag, 27. Jänner 2017 · 20.00 Uhr Wien Museum Karlsplatz Symphonische Musik für neun Soloinstrumente op. 11 (1922) Adagio Eric Zeisl (1905-1959) Aus: November. Sechs Orchesterskizzen op. 22 (1937-38) 2. Souvenir 3. Ein Regentag Wilhelm Grosz (1894-1939) Lieder an die Geliebte, op. 18 (1924) Bearbeitung: Uli Fussenegger 1. Du allein 2. Schicksal 3. Wenn ich ein Dichter wär 4. Das Singen deines Mundes 5. Und doch … Ernst Krenek Pentagramm op. 163 (1952-57) Presto Andante Moderato - Allegro Wilhelm Grosz Along the Santa Fe Trail (1939) Bearbeitung: Gerald Preinfalk Keine Pause 34 Robert Haas: Riesenrad im Böhmischen Prater am Laaer Berg, Wien 1938 (Ausschnitt) © Wien Museum 35 Pierre Boulez Integrale November 2016 So, 7. 5. 2017 Di, 9. 5. 2017 So, 14. 5. 2017 Di, 16. 5. 2017 Do, 18. 5. 2017 So, 21. 5. 2017 Foto: Harald Hoffmann / DG Mi, 24. 5. 2017 Mo, 29. 5. 2017 Mi, 31. 5. 2017 Do, 1. 6. 2017 Mi, 7. 6. 2017 So, 11. 6. 2017 Di, 13. 6. 2017 Mo, 19. 6. 2017 36 Quatuor Diotima (Wien Modern) Boulez Ensemble · Barenboim mdw Chamber Orchestra Wiener Philharmoniker Toronto Symphony Orchestra Swedish Radio Symphony Orchestra RSO Wien · Meister Experimentalstudio des SWR · C. & J. Widmann Aimard · Stefanovich Pahud · Kozhukhin RSO Wien · Pahud · Pintscher œnm Company of Music PHACE Klangforum Wien Klangforum Wien Sarah Wegener Sopran Agnes Heginger Sopran Matti Bunzl Texte Klangforum Wien Vera Fischer Flöte Markus Deuter Oboe, Englischhorn Bernhard Zachhuber Klarinette Lorelei Dowling Fagott Christoph Walder Horn Gerald Preinfalk Saxophon Anders Nyqvist Trompete Andreas Eberle Posaune Virginie Tarrête Harfe Annette Bik Violine Gunde Jäch-Micko Violine Dimitrios Polisoidis Viola Andreas Lindenbaum Violoncello Uli Fussenegger Kontrabass Lukas Schiske Schlagwerk 37 Robert Haas Robert Haas (1898 Wien - 1997 New York) gehört zu den wichtigsten Vertretern des Fotojournalismus im Österreich der Zwischenkriegszeit. Neben seiner Tätigkeit als Grafiker erlernte er von 1930 bis 1932 die Fotografie bei der Wiener Atelierfotografin Trude Fleischmann. In den 1930er-Jahren war er als Fotograf für österreichische und internationale Medien tätig. In Wien entstanden berührende Alltags- und Sozialreportagen, aber auch Porträts, Sachaufnahmen, Werbung, Landschafts- und Architekturaufnahmen sowie technische Dokumentationen. Ab 1936 war er mehrere Jahre lang als offizieller Pressefotograf der Salzburger Festspiele tätig. Obwohl die Fotografien von Robert Haas zu seiner Zeit in Wien große Verbreitung fanden, ist er heute – völlig zu Unrecht – in Vergessenheit geraten, nicht zuletzt, weil er 1938 als Jude aus Wien fliehen musste. Er flüchtete über London nach New York, wo er seine berufliche Laufbahn vor allem als Grafikdesigner fortführte. Auch in den USA fotografierte er weiterhin Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Das Wien Museum konnte kürzlich den Fotonachlass von Robert Haas erwerben. In einer Ausstellung werden seine Fotografien erstmals im großen Umfang einer breiten Öffentlichkeit präsentiert. Matti Bunzl, Direktor des Wien Museums, wird im Rahmen des Konzerts am 27. Jänner die verborgenen Verbindungen dieses grandiosen lichtbildnerischen Werks mit den neuen musikalischen Strömungen erfahrbar machen. Robert Haas. Der Blick auf zwei Welten 24. November 2016 - 26. Februar 2017 Wien Museum, Karlsplatz 8, 1040 Wien 38 39 Ernst Krenek 40 Der 1900 in Wien als Sohn eines Offiziers böhmischer Herkunft geborene Ernst Krenek begann als Gymnasiast bereits mit 16 Jahren ein Kompositionsstudium bei Franz Schreker. Nach dem Militärdienst und einem zweisemestrigen Philosophiestudium folgte er seinem Lehrer 1920 nach Berlin. In den von 1942 bis 1952 in den USA geschriebenen monumentalen Lebenserinnerungen an die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts (Kreneks Autobiographie wurde auf Englisch geschrieben und ist in deutscher Übersetzung von Friedrich Saathen unter dem Titel «Im Atem der Zeit. Erinnerungen an die Moderne» erschienen) beschreibt der Komponist seine Zeit in Berlin bis 1923, die er – abgesehen von Reisen – großteils dort verbrachte. Er verkehrte bald im Kreis bedeutender Musiker wie Ferruccio Busoni, Hermann Scherchen, der seine erste Symphonie uraufführte, Artur Schnabel oder Eduard Erdmann, der ihm das Liedschaffen von Schubert näher brachte, lernte auch Alois Hába, die Busoni-Schüler Kurt Weill und Wladimir Vogel, sowie Paul Hindemith kennen, in Wien besuchte er die «musikalischen Privataufführungen» des Schönberg-Kreises. Kompositorisch wollte er bereits andere Wege einschlagen als sein Lehrer Franz Schreker. Was das eigene Komponieren betrifft, fand es Ernst Krenek rückblickend «fast unglaublich, dass man auch nur die manuelle Arbeit, so viele Noten in so kurzer Zeit niederzuschreiben, leisten kann». 1922 komponierte er die Symphonische Musik für neun Soloinstrumente op. 11 in zwei Sätzen. In Nürnberg hatte bei einem «Tonkünstlerfest» sein Streichquartett Nr. 1 Erfolg gehabt und ihn öffentlich bekannt gemacht, in Donaueschingen, das er 1921, 1922 und 1923 besuchte, kam es unter anderem zur Aufführung seiner ersten Symphonischen Musik. Der junge Ernst Krenek habe einen selbstbewussten, aber auch provozierenden Kommentar über diese Musik abgegeben: «Die Struktur in zwei Sätzen … ist sehr simpel und für die Hörer leicht zu verstehen, daher glaube ich nicht, dass eine Analyse notwendig ist.» Das Stück, so die Universal Edition, wurde zu einer Zeit komponiert, in der Krenek Ernst Krenek, Jugendportrait (Jahr unbekannt) den sinnlichen Klang seines Lehrers Schreker ablehnte und sich einer Art von neo-barockem Stil annäherte. 1922 entstanden auch die 2. Symphonie, «die fast eine Stunde dauert», ein größeres Klavierwerk (Toccata und Chaconne), die erste Oper (der Einakter «Die Zwingburg»), die Symphonie Nr. 3 und eine Anzahl von Liedern und kleineren Stücken. 1923 entstanden zwei abendfüllende Opern, ein Klavierkonzert, ein Streichquartett und der Anfang seines vierten Quartetts sowie die zweite Symphonische Musik op. 23 für neun Solo-Instrumente in einem Satz (Divertimento), Lieder und Stücke für Chor a cappella. Mit 25 Jahren nahm Krenek eine Oper in Angriff, die seinen Namen international bekannt machen sollte: «Jonny spielt auf» machte eigentlich fälschlicherweise als «Jazzoper» Furore (die Musik hatte mit amerikanischem Jazz wenig zu tun) und hob einen Afroamerikaner als Hauptfigur auf die Bühne der Opernhäuser. Sie entsprach dem Geist der 1920er-Jahre, wurde in 41 zahlreichen (oder besser: zahllosen) Theatern in Europa gespielt und diente als Provokation für die Kräfte der politischen Rechten, die gegen die Produktion an der Wiener Staatsoper mobilisierte. Dank «Jonny spielt auf» bekam der junge Komponist – und nicht nur er – einen Vorgeschmack dessen, was über Europa in ein paar Jahren hereinbrechen würde, berichtet die Universal Edition. Und weiter: «Die Freude, die Krenek die Anfrage seitens der Wiener Staatsoper (in der Person des Dirigenten Clemens Krauss) bereitete, eine Oper zu schreiben, verwandelte sich in Enttäuschung und Bitterkeit, als sich das Theater weigerte, Karl V. zur Uraufführung zu bringen. Als überzeugter Gegner der Nazis sah Krenek keine andere Wahl, als seine Heimat zu verlassen und ein neues Leben in den Vereinigten Staaten aufzubauen.» Von 1947 bis 1966 lebte Ernst Krenek in Los Angeles, heiratete 1950 die Komponistin Gladys Nordenstrom, nahm seine Konzert- und Vortragsreisen in Europa wieder auf und war als Dozent bei den Darmstädter Ferienkursen tätig. Sein dreisätziges, acht Minuten dauerndes Pentagramm op. 163 für Bläserquintett entstand 1957 und ist die revidierte Fassung eines bereits 1952 komponierten Quintetts op. 130 in gleicher Besetzung – für Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott und Horn. Abenden im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses und im Ehrbar Saal aufgeführt. Bis 1934 wuchs sein Œuvre zwischen Tradition und Avantgarde (über 100 Lieder, Kammermusik-, Chor- und Orchesterwerke sowie eine frühe Oper) stark an. Die zeittypisch von «Jazziness» durchsetzte Ballettsuite «Pierrot in der Flasche» des noch nicht 30-Jährigen wurde durchwegs positiv rezensiert. Als Mitglied der interdisziplinären Gruppe Junge Kunst stand er in Austausch mit dem Dichter und Psychoanalytiker Alfred Farau und unterhielt daneben eine tiefe Freundschaft mit der Literatin Hilde Spiel. Er war durch künstlerische Zusammenarbeit mit den Dirigenten Kurt Herbert Adler, der das Werk für Orchester und Gesang «Die Fahrt ins Wunderland» an der Wiener Volksoper aufführte, oder Karl Oskar Alwin, der seine «Passacaglia» für großes Orchester in einem RAVAG-Konzert der Wiener Symphoniker spielte, verbunden. Für die Librettisten Hugo F. Koenigsgarten und Hans Kafka komponierte er noch 1937 eine Art Singspiel-Musik für deren Adaptierung von Georg Eric Zeisl porträtiert von Lisel Salzer (1906-2005) Eric Zeisl 42 Der als Sohn einer Kaffeehausbetreiberfamilie 1905 in der Wiener Leopoldstadt geborene Erich Zeisl zeigte früh Begabung für Komposition und Improvisation am Klavier. 15-jährig trat er 1920/21 an der Akademie für Musik und darstellende Kunst Wien in die Klasse von Richard Stöhr ein und studierte fortan bei diesem sowie bei Joseph Marx und Hugo Kauder privat. Im Kreis der sogenannten «moderaten Wiener Moderne» konnte Erich Zeisl, dessen Domäne im Wien der Zwischenkriegszeit in der Liedkomposition lag, sich an der Seite von Komponisten wie Franz Mittler, Julius Chajes, Marcel Rubin und Ernst Kanitz erfolgreich etablieren. Seine Lieder wurden immer wieder bei 43 44 Büchners «Leonce und Lena». In der Biografie von Karin Wagner über Erich Zeisl («Fremd bin ich ausgezogen») heißt es, dass die zu Beginn des Jahres 1938 komponierten Werke die politischen Geschehnisse widerspiegeln: Die Klavier- bzw. Orchesterstücke November (November 1937 - Mai 1938), das Lied «Komm süßer Tod» und zwei A-cappella-Chöre (Februar) «erscheinen im Gegensatz zu dem hellen Singspiel dunkel und betont resignativ». Das Lexikon verfolgter Musikerinnen und Musiker der NSZeit des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Hamburg sowie die von Zeisls Enkel Eric Randol Schoenberg veröffentlichte Website (www.zeisl.com) gibt weiteren Aufschluss über das Leben und Wirken Eric Zeisls. So bezog dieser im März des Jahres 1936 mit seiner Ehefrau Gertrud eine gemeinsame Wohnung in der Mölkerbastei im 1. Wiener Bezirk. Im Januar 1938 schrieb Zeisl mit «Komm süßer Tod» sein letztes Lied in deutscher Sprache. Im März 1938 brach seine aufstrebende Karriere dann jäh ab und die für April und Mai 1938 unter dem Dirigenten Adler geplante Aufführung seines Singspiels «Leonce und Lena» im Schönbrunner Schlosstheater konnte nicht mehr realisiert werden. Im Frühjahr und Sommer 1938 wich die Familie Zeisl, die jüdischer Herkunft war, vor dem aggressiven Naziterror nach Baden bei Wien aus, doch auch dort spitzten sich die Repressalien gegen die jüdische Minderheit ins Unerträgliche zu. Nach den Novemberpogromen gelang Zeisl 1938 die Flucht aus Österreich. Erich und Gertrud Zeisl sowie der Bruder Wilhelm Zeisl verfügten über Affidavits eines New Yorker Namensvetters. Erste Station der Emigration wurde Paris, das als Zwischenexil einen Wendepunkt markiert: Erich Zeisl wandte sich – ähnlich wie Arnold Schönberg – seinen jüdischen Wurzeln zu und machte dies auch in seinem Werk öffentlich, besonders im «Hiob» (nach Joseph Roth). Zunächst im Pariser Hotel Perey untergebracht, konnten die Zeisls ab Juni 1939 gemeinsam mit Hans Kafka, der das Libretto zur späteren Oper «Hiob» geliefert hatte, ein Haus im außerhalb von Paris gelegenen Le Vésinet mieten. Im September 1939 emigrierten die Zeisls weiter in die USA und landeten in New York. Trotz ärmlicher Verhältnisse erlebte Zeisl, dem neuen Sprachraum nun mit dem Vornamen Eric angepasst, in New York eine Zeit des Aufschwungs. Unerwartet erbrachten Radioausstrahlungen, Zeitungsberichte und Aufführungen ihm einige Popularität. Auch gab die Geburt der Tochter Barbara im Mai 1940 neue Impulse (Barbara ZeislSchoenberg wurde später zu einer wichtigen Vermittlerin des Werks ihres Vaters). Mit Unterstützung der Freunde Hans Kafka und Hanns Eisler, welche beide bereits in Hollywood unter Vertrag standen, folgte Zeisl 1941 einer vielversprechenden Einladung von Metro-Goldwyn-Mayer, startete in Los Angeles eine Tätigkeit als Filmmusikkomponist und schrieb Musik zu Filmen wie «Journey for Margaret» (1942), «Reunion in France» (1942) oder «The Postman Always Rings Twice» (1946). Enge Vertraute wurden die ebenfalls im Filmmusikbetrieb tätigen Komponisten Erich Wolfgang Korngold, Ernst Toch, Alexandre Tansman und Mario Castelnuovo-Tedesco. Letzten Endes konnte Zeisl in Hollywood aber nicht reüssieren. Die sich einstellende Schaffenskrise überwand er erneut mit der Hinwendung zu jüdischen Themen. Als er von der Ermordung seines Vaters im KZ Treblinka erfuhr, schrieb er im Gedenken an die Holocaust-Opfer 1944/45 mit dem «Requiem Ebraico» sein wohl berühmtestes Werk. Erich (Eric) Zeisl starb am 18. Februar 1959 in Los Angeles nach einer Vorlesung an den Folgen eines Herzinfarkts. Eine Premiere erlebten die sechs Orchesterskizzen «November» auf WABC, wo sie im Jänner 1941 als «Six sketches for Chamber Orchestra» im Rahmen eines «symphony concert program» vom Columbia Broadcasting System unter der Leitung von Howard Barlow zur Aufführung gebracht wurden. Im eigenhändigen Autograph der Partitur von Eric Zeisl lauten die Satztitel: «All souls», «Souvenir», «Rainy Day» (‹Ein Regentag›), «Dance of the Fallen Leaves», «Shepherd’s Melody» und «Victory» in Winter. Das 1937-38 entstandene Werk besteht ursprünglich einerseits aus insgesamt acht Klavierstücken, den ersten drei folgten 1938 weitere fünf; wobei das zweite Stück («Souvenir») für Fagott und Klavier gesetzt ist. 45 Wilhelm Grosz 46 Während Kollegen wie Ernst Krenek, Kurt Weill und Alois Hába in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg jeweils auf ihre Art Wege aus der spätromantischen Sackgasse suchten, entdeckte der 1894 in Wien geborene Wilhelm Grosz früh den Jazz als Stilmittel zur Artikulation ureigener musikalischer Ausdrucksform. Vor Krenek in seiner sogenannten Jazzoper «Jonny spielt auf» führte er als erster österreichischer Komponist das JazzIdiom in seine Musik ein, etwa mit der «Jazzband»-Sonate für Violine und Klavier (1922), und er kreierte 1927 in «Baby in der Bar», einem sogenannten «Tanzspiel», zu dem der Filmtheoretiker und -kritiker Béla Balász den Text schrieb, eine Synthese aus europäischer Kunstmusik und zeitgenössischen Jazz-Elementen. Gleichzeitig blieb er, der wie Krenek ebenfalls Schüler von Franz Schreker war, durchaus weiterhin der spätromantischimpressionistischen Linie treu und galt als Künstlerpersönlichkeit mit «ausgeprägtem Formtalent, Sinn für aparte Klangwirkungen, Gewandtheit und Geschmack in der Erfindung und Geschicklichkeit in der Ausführung seiner musikalischen Gedanken», wie ihn Kurt Roger im Februar 1919 im «Neuen Wiener Journal» beschrieb. Im Kreis der jungen österreichischen Avantgarde standen Werke von ihm auf Programmen internationaler Festivals für neue Musik, wie etwa 1922 in Salzburg, wo die junge Internationale Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) ihr erstes Musikfest veranstaltete. Anlässlich einer Aufführung der Liederzyklen «Liebeslieder» op. 10 und der «Rondels» op. 11 reihte ihn Julius Leopold Korngold 1923 in der «Neuen Freien Presse» sogar unter die «bedeutendsten Vocalpoeten seit Brahms und Richard Strauss» ein. Als Sohn einer jüdischen Juweliersfamilie besuchte Wilhelm Grosz das Gymnasium in der Wasagasse im 9. Bezirk, das auch Erich Wolfgang Korngold zu seinen Schülern zählte. Nach dem Studium bei dem Operettenkomponisten Richard Heuberger und bei Schreker verließ er die Wiener Musikakademie mit Auszeichnung, im gleichen Jahr wurden seine Orchesterstücke «Tanz» und «Serenade» von den Wiener Philharmonikern unter Wilhelm Grosz, Ernst Krenek, Philipp Jarnach und Alois Hába in Donaueschingen, 1921 Felix Weingartner uraufgeführt. Zugleich studierte Grosz an der Universität Musikwissenschaft bei Guido Adler und promovierte 1920 mit einer Dissertation über «Die Fugenarbeit in Wolfgang Amadeus Mozarts Vokal- und Instrumentalwerken». Seine weiteren Stationen waren eine Kapellmeisterstelle in Mannheim, freie Tätigkeiten in Wien als Komponist und Pianist, und die 1927 erfolgte Übersiedlung nach Berlin, wo Grosz künstlerischer Leiter der neu gegründeten Ultraphon-Schallplattengesellschaft wurde, an deren erstem Schallplattenkatalog er in vielfältiger Weise beteiligt war: als Dirigent der Berliner Philharmoniker, als Komponist von Tagesschlagern («Sieben kleine Tillergirls»), als Arrangeur von Liedern und Strauß-Walzern, als Begleiter von Sängern oder als Pianist. In Berlin entstanden erste Filmmusiken («Wer nimmt die Liebe ernst», 1931), Orchesterarrangements von Werken von Johann Strauß und Emmerich Kálman, Couplets für Friedrich Hollaenders Kabarett Tingel-Tangel («Bänkel und Balladen», 47 48 1930) und eigens für den Rundfunk konzipierte Werke. Infolge der Brandmarkung seiner Musik als «entartet» und eines Aufführungsverbots in Deutschland kehrte Grosz 1933 zurück nach Wien und brachte dort als musikalischer Leiter der Wiener Kammerspiele seine Bearbeitung von Franz von Suppés «Die schöne Galathée» heraus. Nach der Ermordung eines Juweliers durch einen Nationalsozialisten kehrte er mit seiner Familie 1934 Österreich den Rücken und übersiedelte nach England. Seine «ernsten» Kompositionen erweckten dort kaum Interesse, aber es entstanden weit über ein Dutzend «Hits» für Londons sogenannte «Tin Pan Alley», die ihm die materielle Existenz sicherten. Unter Verwendung von Pseudonymen fanden manche seiner Schlager sogar in Nazi-Deutschland Verbreitung. Auf Empfehlung seines Schulfreundes Erich Wolfgang Korngold reiste Grosz im Mai 1939 in der Hoffnung auf einen Vertragsabschluss mit Hollywood mit seiner Frau in die USA. In New York angekommen, entstanden einige Schlager für die Irving Berlin Music Company, die u. a. von Glenn Miller und seinem Orchester aufgenommen wurden. Die Weiterfahrt nach Kalifornien verzögerte sich durch den Kriegsbeginn im September 1939, da er versuchte, seine in London zurückgelassene Tochter in die USA zu holen. Bevor er seine Pläne realisieren konnte, starb Wilhelm Grosz am 10. Dezember 1939 unerwartet an den Folgen eines Herzinfarktes. In einer Bearbeitung von Uli Fussenegger sind am heutigen Abend die «Lieder an die Geliebte» op. 18 zu hören. Sie entstanden 1924 in Wien auf Texte von Hans Bethge. Der Schriftsteller und Dichter war erfolgreicher Herausgeber moderner deutscher und fremdsprachiger Lyrik, vor allem aber seine Nachdichtungen klassischer orientalischer Lyrik (ab 1907) machten ihn weit bekannt. Der erste Band «Die chinesische Flöte» erlebte eine Gesamtauflage von knapp 100.000 Exemplaren und Gustav Mahlers «Lied von der Erde» basiert auf sieben Gedichten daraus. Bethges musikalisch-rhythmische Sprache in ungebundenen Versen inspirierten mehr als 180 Komponisten zu Vertonungen, darunter Richard Strauss, Karol Szymanowski, Arnold Schönberg, Anton Webern, Hanns Eisler, Viktor Ull- mann, Gottfried von Einem, Ernst Krenek, Artur Immisch, Ludvig Irgens-Jensen, Paul Graener, Ernst Toch, Fartein Valen, Egon Wellesz und eben auch Wilhelm Grosz. Die zweite heute aufgeführte Country- und Western-Ballade «Along the Santa Fe Trail» (in der Bearbeitung von Gerald Preinfalk) ist das letzte Werk von Wilhelm («Will») Grosz und geriet posthum zu seinem Vermächtnis. Bei dem Lied für den gleichnamigen Film handelt es sich bezeichnenderweise um eine umgearbeitete Version eines Tangos, den er ursprünglich 1929 für den Tenor Joseph Schmidt geschrieben hatte. Glenn Miller spielte den Song 1939, Al Dubin und Edwina Coolidge steuerten den Text bei. Der Film «Santa Fe Trail» wurde 1940 in der Regie von Michael Curtiz mit den Darstellern Errol Flynn, Olivia de Havilland und Ronald Reagan herausgebracht. Die Musik zum Film stammte von dem 1888 im Hotel Nordbahn in WienLeopoldstadt geborenen Max Steiner, der von seinem Taufpaten Richard Strauss und Gustav Mahler unterrichtet wurde. Max Steiner ging bereits 1904 nach London ging und wurde daraufhin in Hollywood ansässig, wo er einer der berühmtesten Filmkomponisten werden sollte (u. a. «Vom Winde verweht», «Casablanca»). Die Handelszüge und die Kämpfe gegen Mexiko und die Indianer auf dem Santa Fe Trail waren ein häufiges Thema in frühen amerikanischen Western-Filmen. 49 Wilhelm Grosz Lieder an die Geliebte Du allein Sieh, wiederum hab ich mir eine Träne der Trauer fortgewischt. Du bleibst für immer trotz aller deiner Fehler meine Sehnsucht. Trotz aller deiner Fehler hab ich immer von neuem dir verziehn. Denn du allein kannst lieben und empfinden, und bist schön. Schicksal Ich bin verwirrt in meinem Liebessehnen. All meine Lieder, alle Blumen wandern von mir zu dir. Der Jammer meines Lebens entlockt ein Lächeln dir. Und alle Qual und aller Kummer kommt von dir zu mir. Das Singen deines Mundes Ich lausche deinem lieblichen Gesang auf Knieen, er verwirrt und überredet die klagereiche Stimme meiner Lippen. Das stumme Land in meines Lebens Nacht wird wundervoll lebendig durch das Singen, das tief bewegte Singen deines Mundes. Und doch … All diese schönen Lieder, die ich singe, sind trügerisch, ich weiß. Und doch … und doch … doch … und doch mein Herz erbebt bei diesen Melodien, den lügnerischen, weil sie meine Tage in eine wundervolle Hoffnung wiegen. Hans Bethge (1876-1946) Wenn ich Dichter wäre … Bei dir, Geliebte, ruht mein Herz sich aus! Wenn ich ein Dichter wäre, würd’ ich Worte von unsagbarer Innigkeit dir weihn, geschwisterliche Seele. Würde mir vom Himmel eine Eingebung verliehen, die deiner würdig wäre. Jedem Vers belud ich mit dem mächtigstem Gefühl, bevor ich ihn dir böte, böte zum Geschenk. 50 51 Along the Santa Fe Trail Angels come to paint the desert nightly When the moon is beaming brightly Along the Santa Fe Trail Entlang der Santa Fe Trail Engel kommen jede Nacht, um die Wüste zu malen Wenn der Mond hell strahlt Entlang der Santa Fe Trail Stardust scattered all along the highway On a rainbow colored sky-way Along the Santa Fe Trail Sternenstaub verstreut entlang des Highways Auf einem regenbogen-farbigen Luftweg Entlang der Santa Fe Trail Beside you I’m riding every hill and dale While shadows hide you Just like a pretty purple veil There-by hangs a tale, I found you And the mountains that surround you Are the walls I built around you Along the Santa Fe Trail Neben dir befahre ich jeden Berg und jedes Tal Während Schatten dich umfangen Wie einen schönen fliederfarbenen Schleier Damit hängt eine Geschichte zusammen, ich fand dich Und die Berge, die dich umgeben, Sind die Wände, die ich um dich gebaut habe Entlang der Santa Fe Trail Edwina Coolidge & Al Dubin (1891-1945) 52 Übersetzung: Archiv 53 Festliche Tage IV · «Très Belle Époque» Mittwoch, 1. Februar 2017 · 19.30 Uhr Wiener Konzerthaus, Schubert-Saal André Caplet (1878-1925) Légende (1903-04) Maurice Ravel (1875-1937) Introduction et Allegro für Flöte, Klarinette, Harfe und Streichquartett (1905) Jean Françaix (1912-1997) Quintett für Flöte, Harfe und Streichtrio (1934) Andante tranquillo Scherzo Andante Rondo Lili Boulanger (1893-1918) Aus: Trois morceaux pour piano (1914) Bearbeitung: Andreas Lindenbaum 2. D’un Jardin Clair 1. D’un Vieux Jardin Germaine Tailleferre (1892-1983) Aus: Le petit livre de harpe de Madame Tardieu. Dix-huit études (1913-17) Nr. 3: Pas trop vite Nr. 6: Pas trop vite a mon petit ami Jean Tardieu Nr. 9: Lent Nr. 11: Lent Nr. 12: Colin-Maillard Nr. 18: Pas trop vite 54 Robert Haas: Marlene Dietrich bei den Salzburger Festspielen 1936/37 (Ausschnitt) © Wien Museum Keine Pause 55 Klangforum Wien Virginie Tarrête Harfe Ferdinand Schmatz Texte Festkonzert zum 90. Geburtstag von Lothar Knessl Klangforum Wien Vera Fischer Flöte Markus Deuter Oboe Olivier Vivarès Klarinette Lorelei Dowling Fagott Gerald Preinfalk Saxophon Virginie Tarrête Harfe Annette Bik Violine Sophie Schafleitner Violine Dimitrios Polisoidis Viola Benedikt Leitner Violoncello Uli Fussenegger Kontrabass Klangforum Wien György Ligeti Zehn Stücke für Bläserquintett György Kurtág 12 Mikroludien 0p.13 · György Kurtág 4 Lieder op. 11 Adriana Hölszky Segmente (ÖEA) · Henryk Gòreckl Musiquette 4 op.28 Galina Ustwolskaja Komposition Nr. 1 Dona nobis pacem Foto: Johannes Cizech Sonntag, 23. April 2017, 19.30 Uhr, Schubert-Saal 56 57 André Caplet Der 1878 in Le Havre geborene André Caplet wurde als siebtes Kind einer armen Familie geboren, allerdings galt sein Vater als bester Klavierstimmer der ganzen Stadt. Seine erste musikalische Ausbildung erhielt er auf der Violine, gewann schon mit neun Jahren einen Preis und wurde im Alter von zwölf Jahren Violinist (und auch Pianist) im Grand-Théâtre seiner Heimatstadt. 1896 begann er ein Studium am Pariser Konservatorium in den Fächern Harmonielehre, Klavierbegleitung und Komposition, wurde Dirigent der Concerts Colonne, mit 21 Jahren wurde er zum Musikdirektor am Théâtre de la Porte Saint-Martin ernannt. 1901 wurde er (u. a. gegen die Konkurrenz Ravels) mit dem Prix de Rome für seine Kantate «Myrrha» ausgezeichnet. Nach der André Caplet mit seinem Lehrer Claude Debussy 58 Rückkehr aus Rom wurde Caplet Schüler von Claude Debussy. Bis 1910 blieb er Dirigent der Concerts Colonne, von 1910 bis 1914 dirigierte er an der Oper in Boston. 1912 leitete er die englische Erstaufführung von Debussys Oper «Pelléas et Mélisande». Debussy vertraute ihm auch die Orchestrierung des Bühnenwerks «Le Martyre de Saint Sébastien» an, dessen Uraufführung er dirigierte. 1914 wurde Caplet zum musikalischen Leiter der Pariser Oper ernannt, meldetet sich aber wenige Tage später freiwillig zum Wehrdienst. Während seines Militärdienstes erlitt er eine Gasvergiftung. Die dadurch entstandene Brustfellentzündung zwang ihn zur Aufgabe seiner Dirigiertätigkeit – er widmete sich seitdem nur noch der Komposition – und trug mit zu seinem relativ frühen Tod im Jahr 1925 bei. Caplet war avantgardistischen Tendenzen gegenüber aufgeschlossen, so dirigierte er als erster französischer Dirigent die «Fünf Orchesterstücke» Arnold Schönbergs. Die «Légende» für Saxophon und Orchester ist vermutlich um 1903 während Caplets Rom-Aufenthalt entstanden. Von dem Stück gibt es zahlreiche Fassungen für Altsaxophon mit Klavier. Interessant ist, wie französische Komponisten in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts dazu kamen, Werke für Saxophon zu komponieren. Eine 1999 erschienene CD mit Werken (und teils Transkriptionen solcher) von Claude Debussy, Vincent d’Indy, Florent Schmitt, Maurice Ravel und eben André Caplets «Légende» gibt Aufschluss: Der Titel des erwähnten Albums − «A Saxophon for a Lady» − verweist auf die amerikanische Saxophonistin Elisa Hall, die Werke von einigen mehr oder weniger namhaften Komponisten interpretierte, wovon das bekannteste Debussys «Rhapsodie pour orchestre et saxophone» von 1905 war. Angeblich hat Debussy seine Abneigung für das «wässrige Instrument» niemals verborgen und tat auch sein Bestes, dafür zu sorgen, dass die Rhapsodie Zeit seines Lebens nicht aufgeführt wurde. Legendär wurde eine Einspielung davon erst mit Sigurd Raschèr und dem anerkannten Debussy-Kenner Ernst Ansermet in den 1930er-Jahren. 59 Maurice Ravel 60 1904 beauftragte die Klavierbaufirma Ignace Pleyel & Comp.ie (heute: Internationale Pleyel Gesellschaft) Claude Debussy mit einem Kompositionsauftrag, mit dem die Vorzüge von deren neuen chromatischen Harfe unter Beweis gestellt werden sollten. Daraus entstanden Debussys «Danse sacrée et danse profane» für Harfe und Orchester. 1905 bestellte andererseits die Pariser Klavierfirma Erard, die das Pariser Konservatorium außer mit Klavieren auch mit Harfen versorgte, ein Kammermusikstück für dieses Instrument bei Maurice Ravel. «Introduction et Allegro» für Ensemble, nämlich für Harfe, Flöte, Klarinette und Streichquartett, wurde im Februar 1907 in Paris uraufgeführt. Ravel war der Auftrag anscheinend eher lästig. In einem Brief erklärte er einem Freund, dass «eine Woche Arbeit und drei schlaflose Nächte» genügen müssten, um das Stück zu beenden, «sei es zum Guten oder Schlechten». Das zehnminütige Gelegenheitswerk ist jedenfalls mit mehr als bloßer Routine geschrieben: Es ist ein Meisterstück der Instrumentation, das trotz seiner kleinen Besetzung eine geradezu orchestrale Klangfülle suggeriert. So heißt es in einer der vielen Besprechungen: «Über den Arpeggi der Harfe breiten die Holzbläser und Streicher flirrende Klangteppiche aus. Exotisches mischt sich ins Bild: ein spanischer Rhythmus hier, Gamelanklänge dort. In seinem schwelgerischen Duktus vermittelt das Stück, wie der Biograph Arbie Orenstein schrieb, ‹ein überschäumendes Gefühl der Freude›, das die später entstandenen Valses nobles et sentimentales vorwegnimmt.» Der Essayist Klaus Heitmann schreibt darüber: «Ravel war in großer Eile, denn die Komposition musste vor Antritt einer Schiffsreise fertig werden, zu der ihn ein reicher Zeitungsverleger eingeladen hatte. So komponierte er ‹zwischen Kofferpacken und Anproben beim Schneider›. Am Ende verpasste Ravel doch noch die Abfahrt des Schiffes und musste nachreisen. Zu allem Überfluss ließ er das Manuskript auch noch in dem Modegeschäft liegen, in dem er sich für die Reise auf’s Eleganteste eingekleidet hatte. Wir haben es wahrscheinlich dem offensicht- Maurice Ravel und Harfenistin Lily Laskine während einer Aufführung von Ravels «Indroduction et Allegro», 1935 lich guten Geschmack des Modehauses zu verdanken, dass das Stück überhaupt erhalten geblieben ist […]. Mit der Reise auf der Luxusjacht ‹Aimée› aber versinkt für Ravel die ‹Schönheitswelt der Jugend›. Auf der Fahrt durch die Flüsse und Kanäle des Niederrheingebietes wird er mit bizarren Industriewelt vor allem Deutschlands konfrontiert und ist fasziniert von den ‹Schlössern aus flüssigem Metall›, den ‹glühenden Kathedralen› und deren ‹wunderbarer Symphonie von Transmissionsriemen, Pfiffen und furchtbaren Hammerschlägen›. Diese Welt sollte sich dann in Ravels künftigen Werken niederschlagen.» 61 Jean Françaix Jean Françaix wurde 1912 in eine Musikerfamilie in Le Mans geboren. Seine Mutter gründete einen anerkannten Chor und unterrichtete Gesang am dortigen Konservatorium, der Vater war komponierender Pianist. Mit 18 Jahren gewann er den Preis des Pariser Conservatoire und studierte Komposition bei Nadia Boulanger. Als erstes wichtiges Werk gilt sein erfolgreiches Concertino für Klavier, das er mit 20 Jahren komponierte. Besonders gelobt wurde das Stück anlässlich einer Aufführung beim Kammermusikfestival Baden-Baden von Heinrich Strobel, dem damaligen Musikkritiker und späteren Neuinitiator der Donaueschinger Musiktage. Neben Solowerken für verschiedene Instrumente schrieb Jean Françaix einige Konzerte, unter anderem für Klavier, zwei Klaviere, Violine, Klarinette und Flöte. Er komponierte besonders viel für Blasinstrumente, beispielsweise ein Saxophonquartett, eine Sonatine für Trompete und Klavier, Jean Françaix (Datum unbekannt) Klangforum Wien Baldur Brönnimann «Der Mensch muss weg!» Pierre Boulez … explosante-fixe … (1971-1993), Répons (1981-1985) Foto: Aymeric Warmé-Janville Montag, 19. Juni 2017, 19.30 Uhr, Großer Saal 62 63 zwei Bläserquintette oder die «Neun charakteristischen Stücke» für zehn Bläser. Sein Quintett für Flöte, Harfe und Streichtrio von 1934 kann als eines der am meisten geglückten Werke dieser Gattung bezeichnet werden. Später komponierte Françaix, der zudem ein guter und gesuchter Pianist war, auch Opern und Filmmusiken. Sein individueller, frischer, immer klassizistischer aufpolierter Stil, den er bereits von Kindheit an entwickelt hatte, hat sich, wenn er auch nicht unempfänglich für Ravel, Poulenc oder Strawinsky war, über die Jahrzehnte seiner Karriere kaum verändert. Lili Boulanger 64 Lili Boulanger, 1893 in Paris geboren, war ihrer älteren Schwester, der Musikpädagogin und Dirigentin Nadia Boulanger, als Komponistin eindeutig überlegen. Orgelunterricht nahm sie bei Louis Vierne, gleichfalls studierte sie Klavier, Violoncello, Violine und Harfe. Durch den Kompositionsunterricht bei Gabriel Fauré traf sie auf ein Umfeld von Komponisten wie Maurice Ravel, Florent Schmitt und Charles Koechlin. Auch unterstützt durch einen Freund, hielt sie an ihrem Entschluss Komponistin zu werden unerschütterlich fest. Ihre erste und einziger Oper «La Princesse Maleine» nach Maurice Maeterlinck blieb unvollendet, doch erlangte sie 1913 mit ihrer Kantate «Faust et Hélène» den Grand Prix de Rome, sie erhielt auch einen Vertrag beim Verlag Ricordi. Ihr Rom-Stipendium konnte sie zwar noch antreten, jedoch zerstreute sich die Zahl der Studierenden mit der Mobilmachung zum Ersten Weltkrieg im Oktober 1914 vollständig. Die Komponistin betätigte sich zunehmend karitativ. 1916 erfuhr Lili Boulanger, die zeitlebens an einer chronischen Bronchialpneumonie litt, dass sie nur noch zwei Jahre zu leben hatte. Sie starb nach Schilderungen ihrer Schwester Nadia friedlich und gelöst am 15. März 1918. Die Klavierstücke «D’un Jardin Clair» und «D’un Vieux Jardin», beide Freundinnen gewidmet, schrieb Lili Boulanger 1914 während ihres kurzen Aufenhalt in der Villa Medici in Rom, Lili und Nadia Boulanger in Compiègne, 1913 es gibt noch ein drittes verwandtes Stück («Cortège») für Violine und Klavier, das das Werk-Trio komplettiert. Das erstgenannte der Klavierstücke ist monothematisch und entfaltet eine melodische Linie, die in Fragmenten mit vertikalen Quarten und Quinten impressionistisch weiterentwickelt werden. Sylvia Typaldos bezeichnet es in ihrer Analyse als ein ruhiges Stück, so beschaffen, als ob man wirklich eine Malerei eines friedlichen Gartens vor sich hätte. Weiche Begleitakkorde umhüllen die Melodie wie eine Reminszenz an Erik Satie, die Musik klingt glücklich, aber nicht fröhlich, und spricht die Sprache einer glücklichen und entspannten Kindheit. Während «D’un Jardin Clair», also die Musik eines klaren, hellen Gartens, gleichsam im Licht gebadet erscheint, beschwört jene eines alten Gartens («D’un Vieux Jardin») Geheimnis und Nostalgie. Andreas Lindenbaum, seinerseits Cellist und seit 1989 Mitglied des Klangforum Wien, hat die zwei Werke für Ensemble bearbeitet. 65 Germaine Tailleferre 66 Die französische Komponistin war als einzige Frau Mitglied der «Groupe des Six»: Zu diesem losen Zusammenschluss werden außer ihr Georges Auric, Louis Durey, Arthur Honegger, Darius Milhaud und Francis Poulenc gezählt, die sich vom Impressionismus Debussys zu lösen versuchten und sich in höchst unterschiedlicher Weise Anfang der 1920er-Jahre auch neuen Formen der Unterhaltungsmusik, etwa der Zirkus- und Varietémusik und dem Jazz zuwandten. Tailleferre wurde in der Nähe von Paris als Germaine Taillefesse geboren und änderte ihren Namen als junge Frau aus Trotz gegen ihren Vater, der sich weigerte, ihre musikalische Ausbildung zu unterstützen. Ab 1904 am Pariser Konservatorium, gewann sie mehrere Preise und befreundete sich mit Maurice Ravel, der sie in Instrumentation unterrichtete und sie zur Teilnahme am Prix de Rome-Wettbewerb ermunterte. 1925 zog sie mit ihrem Ehemann, einem amerikanischen Karikaturisten, nach New York, kehrte jedoch 1927 wieder nach Frankreich zurück, ehe sie beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs über Spanien und Portugal erneut in die USA gelangte, wo sie in Philadelphia lebte. Nach Kriegsende ging Tailleferre erneut zurück nach Frankreich. Von ihr stammen über 200 musikalische Werke aller Gattungen, darunter Opern, Ballette, Konzerte, Klavier- und Kammermusik, auch Musik für Film, Fernsehen und Radio, die zum Großteil erst nach ihrem Tod 1983 veröffentlicht wurde. Bereits 1917 komponierte sie ein Streichquartett, 1921 zusammen mit anderen Mitgliedern der «Les Six». «Les mariés de la Tour Eiffel», ein Concertino für Harfe und Orchester stammt aus dem Jahr 1926, bekannter wurde auch schon zu Lebzeiten eine Sonate für Harfe von ihr, die in melodischer und harmonischer Struktur und repetitiver Basslinie an Erik Saties «Gymnopédie» erinnert. Im heutigen Konzert ist von ihr Musik für Harfe solo aus ‹Le petit livre de harpe de Madame Tardieu› zu hören. Das Werk besteht aus 18 Etüden, eigentlich kurzen Stücken, die Germaine Tailleferre zwischen 1913 und 1915 am Konservatorium komponierte, nachdem sie bei Caroline Luigini-Tardieu, der Fünf aus der «Groupe des Six» mit Jean Cocteau: Francis Poulenc, Germaine Tailleferre, Louis Durey, Jean Cocteau, Darius Milhaud und Arthur Honegger. Tochter eines Dirigenten und Komponisten und seit 1902 mit dem Maler Victor Tardieu verheiratete Assistenzprofessorin für Harfe, Unterricht genommen hatte. Die Etüden umfassen sämtliche Techniken und Fertigkeiten der französischen Harfenmusik jener Zeit, inklusive Phrasierung, Dynamik und dem Training von Ausdruck und künstlerischer Sensitivität. 67 Festliche Tage V · «Spuren nach Darmstadt» Donnerstag, 2. Februar 2017 · 19.30 Uhr Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal Adolph Weiss (1891-1971) Kammersymphonie für zehn Instrumente (1927) Luigi Dallapiccola (1904-1975) Due Liriche di Anacreonte (1945) 1. Eros languido desidero cantare – Canoni 2. Eros come tagliatore d’alberi – Variazioni Anton Webern (1883-1945) Konzert für neun Instrumente op. 24 (1931-34) Etwas lebhaft Sehr langsam Sehr rasch Olivier Messiaen (1908-1992) Mode de valeurs et d’intensités, Nr. 2 aus: Quatre études de rythme (1949-50) Henri Pousseur (1929-2009) Quintette à la mémoire d’Anton Webern (1955) Luigi Nono (1924-1990) Canti per 13 (1955) 68 Robert Haas: Auf dem Motorrad, Burgenland 1938 (Ausschnitt) © Wien Museum 69 Klangforum Wien Giulia Peri Sopran Florian Müller Klavier Catherine Larsen-Maguire Dirigentin Klangforum Wien Eva Furrer Flöten Markus Deuter Oboe Olivier Vivarès Klarinetten Bernhard Zachhuber Klarinetten Lorelei Dowling Fagott Christoph Walder Horn Anders Nyqvist Trompete Andreas Eberle Posaune Gerald Preinfalk Saxophon Joonas Ahonen Klavier Florian Müller Klavier Annette Bick Violine Gunde Jäch-Miko Violine Dimitrios Polisoidis Viola Andreas Lindenbaum Violoncello Uli Fussenegger Kontrabass 70 71 Adolph Weiss 72 In Baltimore als Sohn deutscher Emigranten geboren – sein Vater, ein Arbeiter, einst Schüler von Ferruccio Busoni, führte selbst einen Amateurchor und war als Bläser in verschiedenen Orchestern tätig – war Adolph Weiss bereits mit 16 Jahren ein begabter Fagottist, 1909 spielte er unter Gustav Mahler bei den New Yorker Philharmonikern. Später studierte er Komposition in Chicago und in Rochester, wo er im Orchester unter Eugène Goossens mitwirkte. 1925 wurde sein Orchesterwerk «I segreti» (nach dem Goethe-Fragment «Die Geheimnisse») aufgeführt. Er ging nach Berlin und wurde der erste amerikanische Schüler bei Arnold Schönberg. Während seiner Lehrzeit beschäftigte er sich mit der Zwölftonmethode und komponierte neben anderen Werken seine Kammersymphonie für zehn Instrumente. In autobiografischen Notizen resümierte Adolph Weiss 1957 seinen bisherigen Werdegang: «Schönbergs interessante Klasse hatte Studenten aus allen Teilen Deutschlands, aus Spanien, der Tschechoslowakei, Österreich, England und Amerika. Wir alle hatten unsere eigenen Ideen über Musik. Schönberg ermutigte uns dazu, unsere Werke gegenseitig zu besprechen und sogar stark zu kritisieren. Er würde der finale Richter sein. Woche auf Woche kehrten wir zurück, um mehr Kritik oder Zuspruch zu erhalten, was im ersten Jahr wirklich entmutigend war. Aber wir haben es ‹durchgestanden› und mein Streichquartett Nr. 1 (1925), ein Zwölftonstück, schien vom Meister akzeptiert zu werden. Zusätzlich zum rigiden Unterricht im strengen Kontrapunkt und in der Formenlehre finalisierte ich mein zweites Streichquartett (1926), ebenfalls ein Zwölftonstück […] Die Kammersymphonie für zehn Instrumente (1927) wurde unter der Schirmherrschaft der Akademie der Künste an der Sing-Akademie in Berlin unter Josef Rufer zur Aufführung gebracht. 1930 dirigierte Nicholas Slonimsky das Werk in der Town Hall, der Komponist dirigierte es zudem an der New School for Social Research in New York. ‹12 Preludes for Piano› (1927) wurden während dieser Zeit geschrieben. Ich glaube, dass sie aufschlussreiche Beispiele der verschiedenen Wege sind, die Zwölftontechnik anzuwenden. Sie wurden erstmalig von Richard Buhling in San Francisco (1928) und New York (1929) aufgeführt.» In die USA zurückgekehrt, wurde Weiss Sekretär der von Henry Cowell gegründeten Pan American Society of Composers. In dieser Zeit gründete er auch ein dirigentenloses Orchester, dessen musikalischer Direktor und Fagottist er war: Mit diesem führte er sein am meisten bekanntgewordenes Stück «American Life» auf, vermutlich das einzige Stück, das klassischen symphonischen Jazz darstellt und mittels Zwölftontechnik komponiert wurde. Der amerikanische Komponist Henry Cowell schrieb über Weiss, dieser habe die Zwölfton-Reihenkompositionstechnik nicht nur als erster bei Schönberg gelernt, sondern sie auch nach Amerika gebracht und dort verbreitet, als sie hier noch völlig unbekannt war oder missverstanden wurde. Adolph Weiss war auch Lehrer von John Cage, der bei ihm Harmonielehre studierte, noch bevor dieser ab 1937 ebenfalls bei Schönberg Unterricht nahm. Schönberg mit «seinen» Berliner Meisterschülern: Adolph Weiss, Walter Goehr, Walter Gronostay, Winfried Zillig, Erich Schmid, Josef Rufer und Josef Zmigrod. 73 Luigi Dallapiccola Luigi Dallapiccola wurde 1904 in Pisino geboren und studierte am Konservatorium in Florenz, wo er von 1931 an auch unterrichtete. Als Komponist begann er in den frühen 1930er-Jahren auf sich aufmerksam zu machen und entwickelte sich zu einem der markantesten Vertreter seiner Generation. Daneben ist Dallapiccola als Interpret, vor allem auf zahlreichen Konzertreisen mit dem Geiger Sandro Materassi, hervorgetreten. Auch sein Wort als Pädagoge hatte internationales Gewicht, was durch Kompositionskurse und Gastvorlesungen an wichtigen Musikzentren unterstrichen wurde. Symptomatisch für Dallapiccolas «kantable Zwölftontechnik» sind vor allem zwei Aussagen des Komponisten. Sie belegen zum einen, dass Dallapiccola sich hörend der Zwölftontechnik näherte und demzufolge (ähnlich wie Schönberg) eine Aversion gegen das Reihenzählen mancher Analytiker aufbaute. «Es dau- Luigi Dallapiccola, 1950 74 erte lange, bis ich zu meiner Zwölftontechnik fand; ich machte auch viele Fehler, doch ich tat alles mit meinen eigenen Händen – darauf bin ich sehr stolz. Heute findet ein Student in zahlreichen Lehrbüchern jede Note numeriert, jede Passage analysiert. Mir sagte es mein Ohr, wie ich es machen sollte.» Zum anderen hat sich der Komponist, der die Darmstädter Richtung nicht mehr nachvollzog und stattdessen ab Mitte der 1950er-Jahre starkes Gewicht auf die Klangfarbe und auf einen mystischen Ausdruck legte, nicht nur innermusikalisch fortgebildet. «Doch ich muss gestehen: ich war nicht ganz allein – ich fand eine große Hilfe: in der Dichtung. Nicht nur durch die Musik allein kann man lernen, wie man Musik schreiben muss; ich fand in der Literatur, vor allem bei Marcel Proust und James Joyce, interessante Parallelen zum Zwölftonsystem.» Mit den «Due Liriche di Anacreonte» für Sopran und Kammerensemble mit den Sätzen «Canoni» und «Variazioni» komplettierte Luigi Dallapiccola seinen Zyklus der in den Kriegsjahren 1942 bis 1945 komponierten «Liriche greche», zu denen auch die fünf «Sappho»-Fragmente und sechs Gesänge («Sex Carmina Alcaei») zählen, bei denen die Zwölftontechnik zum ersten Mal vollständig angewendet wurde, 1943 entstand auch das Ballett «Marsia». Im gleichen Jahr wurde Mussolini gestürzt und Italien von den deutschen Truppen besetzt. Es begannen die Judenverhaftungen. Luigi Dallapiccola und seine jüdische Frau Laura Luzzatto verliessen Florenz und fanden Zuflucht bei Freunden in einer Villa in Fiesole. Dort entstanden ersten Entwürfe des «Il prigioniero», seinem Hauptwerk der 1940er-Jahre. Auch davor und danach bezog Luigi Dallapiccola in seinen Werken immer wieder klare Positionierungen zu politischen und gesellschaftlichen Themen. Beispielhaft dafür sind auch die antifaschistischen «Canti di prigionia» (1938-41) und die «Canti di liberazione» (1951-55). (Lothar Knessl/Heinz Rögl) 75 Anton Webern 76 Insbesondere das Spätwerk Anton Weberns wurde in Darmstadt nach dem Zweiten Weltkrieg der entscheidende Bezugspunkt für die Weiterarbeit der Serialisten. Bereits 1969/70 wurde das Gesamtwerk Weberns, also die opp. 1-31, vom London Symphony Orchestra unter Pierre Boulez, vom Juilliard String Quartet und von diversen Chören und Solisten maßstabsetzend auf CD eingespielt. 1983 markierte das Wiener Konzerthaus die Bedeutung des Komponisten etwa besonders mit dem legendär gewordenen «Internationalen Webern-Fest», bei dem auch Boulez mit seinem Ensemble Intercontemporain, die reihe, das London Symphony Orchestra unter Claudio Abbado, die Wiener Philharmoniker unter Zubin Mehta, die Wiener Symphoniker, das ORF-Symphonieorchester und andere Werke Anton Weberns aufführten. In «Splittern zur Webern-Interpretation», die im von der «Musikzeit»-Edition herausgegebenen Sammelband «Friedrich Cerha. Schriften: Ein Netzwerk» 2001 gedruckt wurden, schrieb Cerha: «Die erlebte Situation [in Darmstadt zwischen 1956-58] stürzte mich in den folgenden Jahren in ein Dilemma: Einerseits stand ich als Komponist auf der Seite der Seriellen, weil ich wie die meisten meiner Generation damals keine andere Möglichkeit konsequenten Weiterdenkens sah, andererseits misstraute ich jener Webern-Sicht und -Interpretation, die ich vorfand und meinte Webern gut genug zu kennen, um eine dem Anspruch seiner Werke entsprechendere, ‹richtigere› Interpretation versuchen zu können. Mit dem Ensemble ‹die reihe› und ab 1960 auch mit verschiedenen Orchestern begann ich eine Reihe von Webern-Aufführungen zu machen, die sich zunehmend von den landläufigen unterschieden. […] Über Fragen der Gliederung und des Zusammenhangs hinaus wurde mir die expressive Gestaltung der einzelnen Phrase immer wichtiger, durch die aus der ‹Floskel› eine scharf charakterisierte, unverwechselbare Gestalt wird (man denke etwa an das Trio – Violine, Violoncello, Piccoloflöte – am Beginn der Durchführung des ersten Satzes von op. 24).» Über das Konzert für neun Instrumente op. 24 (für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Trompete, Posaune, Violine, Viola und Klavier), das Webern Arnold Schönberg 1934 zu seinem 60. Geburtstag widmete, kann man im CD-Booklet der BoulezAufnahme von Susan Bradshaw lesen: «Es ist Musik von geringer äußerer Wirkung, ohne expansive Gestik und frei vom Wunsch nach musikalisch-illustrativer Bildhaftigkeit». Dies könnte, trotz der insgesamt zweifellos korrekten und instruktiven Formanalyse Bradshaws, zu Missverständnissen führen. Halten wir uns daher eher an die Werkanalyse des Opus 24 von Manfred Angerer, die im Kontext des Wiener Webern-Fests und Kongresses 1983 erschien: «Es ist ein besonders konsequentes Beispiel seines Spätstils, bei dem es ihm darauf ankam, die ‹Verständlichkeit als das höchste Prinzip der Darstellung musi- Anton Webern, 1936 77 kalischer Gedanken› zu formulieren. Dazu dient schon der Aufbau der Reihe. Sie setzt sich aus Dreitongruppen (kleine Sekunde + große Terz) zusammen, die zweite ist die Krebsumkehrung, die dritte der Krebs und die vierte die Umkehrung der ersten Gruppe. Die motivische Arbeit ist hier also noch konsequenter als in op. 21 [der ‹Symphonie›] in die Reihe selbst zurückverlegt worden. Diese Dreitongruppen erklingen zu Beginn des ersten Satzes in den Bläsern, unterschiedlich in Artikulation und Tondauer. Der gesamte Satz – wieder eine Sonatenhauptsatzform – wird von diesen sukzessiven und simultanen Dreitongruppen beherrscht. Der langsame Satz – rhythmisch stereotyp in durchgehenden Viertelwerten – teilt je zwei Töne der Dreiergruppen der Klavierbegleitung zu, die nur aus den Zweiklängen der großen Terz und großen Septime gebildet ist. Die restlichen Reihentöne figurieren als ‹Melodie›. Manifest werden die Dreitongruppen wieder im forcierten Schlusssatz. Ingesamt trägt so das Werk auch Züge eines ausgedehnten Variationenzyklus. In diesem Werk soll das ‹Material›, die kruden Tonbeziehungen, zum Klingen gebracht werden. Die starke Expressivität, die diese Musik noch immer durchpulst, ist nicht mehr die des Subjekts, des Komponisten.» Olivier Messiaen 78 Olivier Messiaen, von 1931 an zeitlebens Organist der Pariser Kirche St.Trinité, einflussreicher Lehrer für (zunächst) Harmonie und Komposition am Pariser Konservatorium mit einer der beeindruckendsten Schülerlisten der Musikgeschichte (darunter Boulez und Stockhausen), tiefgläubiger Katholik, Mystiker und darüber hinaus Synästhetiker mit extrem detaillierten Farbvorstellungen zu Klängen, war geprägt durch Interessen und musikalische Absichten, die unterschiedlicher wohl kaum ausfallen konnten: Gregorianik, mittelalterliche Mystik, indische Musiktheorie, Debussy und Strawinsky, Vogelgesang … Auf den Hinweis, er sei Komponist, soll er einmal geantwortet haben: «Ich bin Ornithologe und Rhythmiker.» Olivier Messiaen mit seinem Sohn Pascal, 1947 Tatsächlich zieht sich die Beschäftigung mit dem Rhythmus durch Messiaens Leben und Werk wie ein roter Faden. Schon in dem in den 1940er-Jahren entstandenen Traktakt «Die Technik meiner musikalischen Sprache» nimmt die Theorie des Rhythmus einen wesentlichen Platz ein. Zu einer Zeit, in der er seine musikalische Technik der Modi und Rhythmen schon vollständig formuliert hatte und immer wieder auch mit neuen Systemen experimentierte, kam Messiaen konsequent in einigen Werken der 1950er-Jahre, zu einer «Reihe» von Dauern. «Mode de valeurs et d’intensités» für Klavier solo entstand 1949 in Darmstadt. Gemeinhin gilt es als das erste serielle Musikstück der Musikgeschichte. Messiaen selbst schrieb über diese Klavierstudie über Dauern und Intensitäten: «Das Stück bedient sich eines bestimmten Modus von Tonhöhen (36 Töne), 79 von Werten (24 Dauern), von Anschlagsarten (12) und Intensitäten (7 Nuancen); die Leiter der Dauern ist in drei Tempi unterteilt (entsprechend den hohen, mittleren und tiefen Registern in der Tonskala): Das erste Tempo bedient sich 12 ‹chromatischer Dauern›, von der Zweiunddreißigstelnote ausgehend, das zweite Tempo 12 ‹chromatischer Dauern› von der Sechzehntelnote aus, das 3. Tempo 12 ‹chromatischer Dauern› von der Achtelnote aus (diese drei Tempi laufen gleichzeitig ab). Die Dauern, Intensitäten und die Anschlagsarten sind mit den Tönen funktionell gleichberechtigt. Die Gesamtheit des Modus ergibt Farben von Dauern und Intensitäten, jeder Ton derselben Benennung ändert seine Dauer, seine Anschlagsart und seine Intensität entsprechend der klanglichen Region, die er jeweils einnimmt. Der Einfluss des Registers auf den quantitativen, phonetischen und dynamischen Zustand des Tons sowie diese ungleiche Aufteilung in drei zeitliche Regionen, die im Vorübergehen das Leben der Töne, die sie überqueren, verändern: all das stellt eine Möglichkeit zu neuen Farbvariationen dar.» Stockhausen und Boulez waren von diesem Stück fasziniert, wurde doch mit diesem System jedem Einzelton ein Höchstmaß an Eigenständigkeit gegeben. Messiaen hat diesen Weg in dieser Form eigentlich nicht weiterverfolgt, er experimentierte jedoch weiter mit anderen Systemen großer Determination. Vordenkern und die eigene schnelle Auffassungsgabe und Fantasie eröffneten dem jungen Komponisten schnell Zugang zu den zentralen Foren der Neuen Musik. Nachdem Pousseur 1954 erstmals die Darmstädter Ferienkurse besucht hatte, unterrichtete er hier bereits drei Jahre später selbst als Dozent. Frühzeitig erhielt er Gelegenheit, in den elektronischen Studios in Köln und Mailand zu arbeiten.» Seine frühen Werke, wie die «Trois chants sacrés» (1952) und auch das «Quintette à la mémoire d’Anton Webern» für Klarinette, Bassklarinette, Violine, Violoncello und Klavier, 1955 unter Hans Rosbaud in Donaueschingen uraufgeführt, zeigten das Ausmaß seiner Bewunderung für Anton Webern. Freilich empfand Pousseur Anfang der 1960er-Jahre den Serialismus zunehmend als einengend, die getilgte traditionelle Musiksprache als Verlust und verlegte sich darauf, ein Intervallnetz zu kreieren, das quasi polystilistisch fließende Wechsel von einem Tonordnungssystem zum anderen, von modalen zu tonalen, Henri Pousseur mit seinen Eltern in Malmédy (Datum unbekannt) Henri Pousseur 80 «So paradox es klingt: Er gab dem Serialismus die Tonalität zurück», schreibt Rainer Nonnenmann in einem «Erinnerungsartikel» über den belgischen Komponisten Henri Pousseur in der Neuen Musikzeitung: «Pousseur, am 23. Juni 1929 in Malmédy geboren, hatte bereits an den Konservatorien in Lüttich und Brüssel studiert, als er 1951 durch Pierre Boulez in das integrale Strukturdenken eingeführt wurde. Während seiner Zeit als Besatzungssoldat im Rheinland 1952/53 knüpfte er Kontakte zu Karlheinz Stockhausen in Köln und seinem belgischen Landsmann Karel Goeyvaerts. Seine Beziehungen zu den seriellen 81 atonalen, dodekaphonen und seriellen bis hin zur Blues-Tonleiter ermöglichen sollten. Neben Orchesterwerken schrieb er Stücke für kammermusikalische Besetzung unter Verwendung von Tonband und elektronischen Instrumenten, er benutzte offene Formen und vermittelte zwischen so vermeintlich unvereinbaren Kompositionsstilen wie denen von Franz Schubert und Anton Webern («Votre Faust»). 2002 schrieb Alfred Zimmerlin in der «Neuen Zürcher Zeitung» über den 2009 verstorbenen Komponisten: «Das konstruktive Einschmelzen von Tradition ins Eigene ist seit Beginn der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts ein Grundthema von Henri Pousseurs Schaffen. Einst war er ja einer der strengsten Komponisten und Theoretiker der seriellen Schule. Aber im Gespräch erklärt er sofort: ‹Ich habe versucht, nicht in der Enge zu bleiben. Das Denk- und Erlebnismodell der Musik Anton Weberns, das für uns Ausgangspunkt war, deutete ich vielpolig: Alles bleibt schwebend, weil nichts dominiert. Ich wollte dann die Grenze sprengen und Elemente der Musiktradition, die ich noch immer sehr liebte, in meine eigene Kompositionsarbeit integrieren.›» «wohl punktuellste Stück Luigi Nonos», in dem kein Instrument zwei zusammenhängende Töne spielt – bereits durch seinen Titel Anspruch darauf erhebt, Gesang zu sein. «Wo die ersten Exegeten die expressive Seite des Stückes durch Rauheit, Schroffheit und Grobheit herausmeißelten, streicht Hirsch den ruhigen Fluss und die weichen Konturen heraus. In seiner Interpretation klingen die Stücke nicht wie Dokumente eines als revolutionär empfundenen Aufbruchs, sondern als Brückenkopf zum Spätstil Nonos». Immens ist in der Tat die Leuchtkraft der streng seriell entwickelten Klänge, die das Klischee einer bloß kopflastigen, unsinnlichen Musik für immer verstummen lassen müsste. Im Gespräch mit Enzo Restagno führte Luigi Nono weiters aus: «In dieser Musik ist auch meine Art, eine Reihe zu bilden, zu erkennen. Ich gebrauche nicht die chromatische Totale, aber zwei Stümpfe, einen mit sieben Intervallen, den anderen mit fünf. Die Komposition ist in zwei Sätze (‹Tempi›) geteilt, im ersten gebrauche ich versuchsweise eine horizontale Konstruktion, Luigi Nono (Datum unbekannt) Luigi Nono 82 In den 2001 erschienenen Auszügen aus «Un’autobiografia dell’autore raccontata da Enzo Restagno» (1987) soll Luigi Nono sein Werk «Canti per 13», die 1955 für Pierre Boulez’ Pariser Konzertreihe «Domaine musicale» als instrumentale «Gesänge» entstanden waren, als «pures Instrumentalwerk» bezeichnet haben, wiewohl für ihn die Instrumente in diesem Stück eben «singen, und der Dirigent des Orchesters singt mit ihnen […], weil ich in der Weise dachte, wie ich mit Bruno [Maderna] Webern gelesen habe, dass eine einzelne Note bei ihm, für mich ein einzelner Klang, schon ein Gesang, ein ganzes Lied ist.» Auch Peter Hirsch, der Dirigent einer Aufnahme der «Canti per 13» mit den Ensemble unitedberlin weise darauf hin, schreibt Frank Hilberg in einem Artikel der «Zeit» von 1999, dass das 83 Nouvelles Aventures 2016/17 Sa, 1. 10. 2016 Do, 3. 11. 2016 Mi, 18. 1. 2017 Sa, 22. 4. 2017 So, 7. 5. 2017 Mi, 24. 5. 2017 Mi, 7. 6. 2017 Mo, 19. 6. 2017 Marino Formenti ORF Radio-Symphonieorchester Wien Michael Svoboda · Cornelius Meister Ensemble Platypus Arditti Quartet Boulez Ensemble · Daniel Barenboim Carolin & Jörg Widmann Experimentalstudio des SWR œnm . österreichisches ensemble für neue musik Johannes Kalitzke Klangforum Wien · Baldur Brönnimann genau wie einen Gesang, im zweiten nehme ich dagegen seine spanische Rhythmen auf wie einen Tanz. […] Genau wie bei dem Renaissancekomponisten Giovanni Gabrieli kreiere ich einen Übergang vom Gesang zum frequent-jubelnden Tanzfinale». Die beiden Teile der «Canti», die noch vor den «Incontri» und dem Nono später berühmt machenden Werk «Il canto sospeso» komponiert worden waren, «laufen von ihrer Mitte an wieder krebsförmig zum Anfang zurück. In deren zweiter Hälfte verwendet Nono erstmals eine unveränderte Allintervallreihe und organisiert sowohl die Tonhöhen wie auch die Dauern und die Dynamik seriell», schreibt Jürg Stenzl in seiner Nono-Monographie und fährt fort: «‹Mit den Canti per 13 habe ich viel viel neues gelernt und übersehen›, schrieb er an Karl Amadeus Hartmann im Februar 1955 nach München, ‹und so musste ich fast sofort [da]nach ein anderes Werk schreiben, das noch in Arbeit ist.›» Dieses andere Werk sind die «Incontri» (‹Begegnungen›), nach dessen Darmstädter Uraufführung sich Lugio Nono und Schönbergs Tochter Nuria miteinander verlobten, im August 1955 heirateten und im März des folgenden Jahres in einem Arbeiterviertel auf der Giudecca-Insel in Venedig ihre eigene Wohnung bezogen. Foto: Lennard Rühle 84 Sämtliche Texte, sofern nicht anders angegeben: Heinz Rögl 85 Luigi Dallapiccola Due Liriche di Anacreonte Eros languido desidero cantare Eros languido desidero cantare Coperto di ghirlande assai fiorite, Eros che domina gli uomini, signore degli Dei. Denn Eros, den üppigen, will ich besingen Denn Eros, den üppigen, will ich besingen, Den eine Fülle blühender Kränze bedeckt. Über die Götter ist er Herrscher, über die Sterblichen übt er Gewalt. Nach Anakreon Aus dem Griechischen von Horst Rüdiger (1908-1984) Eros come tagliatore d’alberi Eros come tagliatore dalberi Mi colpì con una grande scure E mi riversò alla deriva Dun torrente invernale. Nach Anakreon (um 575/570 v. Chr. - 495 v. Chr.) Aus dem Griechischen von Salvatore Quasimodo (1901-1968) 86 Gleichsam wie ein Holzfäller Gleichsam wie ein Holzfäller Trifft mich Eros mit einer mächtigen Axt Und wirft mich wieder zurück In die Strömung eines eiskalten Wildbaches. Nachdichtung: Barbara Alhuter (*1986) 87 Klangforum Wien 88 24 Musiker_innen aus zehn Ländern verkörpern eine künstlerische Idee und eine persönliche Haltung, die ihrer Kunst zurückgeben, was ihr im Verlauf des 20. Jahrhunderts allmählich und fast unbemerkt verloren gegangen ist: Einen Platz in ihrer eigenen Zeit, in der Gegenwart und in der Mitte der Gemeinschaft, für die sie komponiert wird und von der sie gehört werden will. Seit seinem ersten Konzert, welches vom Ensemble noch als «Société de l’Art Acoustique» unter der musikalischen Leitung seines Gründers Beat Furrer im Palais Liechtenstein gespielt wurde, hat das Klangforum Wien unversehens ein Kapitel Musikgeschichte geschrieben: An die 500 Kompositionen von Komponist_innen aus drei Kontinenten hat das Ensemble uraufgeführt und so zum ersten Mal ihre Notenschrift in Klang übersetzt. Auf eine Diskographie von mehr als 70 CDs, auf eine Reihe von Preisen und Auszeichnungen und auf 2.000 Auftritte in den ersten Konzert- und Opernhäusern Europas, Amerikas und Japans, bei den großen Festivals ebenso wie bei jungen engagierten Initiativen könnte das Klangforum Wien zurückblicken, wenn das Zurückblicken denn seine Sache wäre. Über die Jahre sind tiefe Künstlerfreundschaften mit herausragenden Komponist_innen, Dirigent_innen, Solist_innen, Regisseur_innen und engagierten Programmmacher_innen gewachsen. Am Profil des Klangforum Wien haben sie ebenso Anteil, wie dieses seinerseits ihr Werk mitgetragen und -geformt hat. In den letzten Jahren haben sich einzelne Mitglieder wie auch das Ensemble als ganzes zunehmend um die Weitergabe von Ausdrucksformen und Spieltechniken an eine neue Generation von Instrumentalist_innen und Komponist_innen bemüht. Seit dem Jahr 2009 könnte sich das Klangforum Wien auf Grund eines Lehrauftrags der Kunstuniversität Graz auch in corpore «Professor» nennen. Das alles würde äußerlich bleiben, wäre es nicht das Ergebnis des in den monatlichen Versammlungen aller Musiker_innen des Ensembles permanent neu definierten Willens eines Künstlerkollektivs, dem Musik letztlich nur ein Ausdruck von Ethos und Wissen um die eigene Verantwortung für Gegenwart und Zukunft ist. Und so wie die Kunst selbst ist auch das Klangforum Wien nichts anderes als eine durch ihr Metier nur sehr behelfsmäßig getarnte Veranstaltung zur Verbesserung der Welt. Wenn sie das Podium betreten, wissen die Musiker_innen des Ensembles, dass es nur um eines geht: Um alles. Eros und Unbedingtheit dieses Wissens machen das Besondere der Konzerte des Klangforum Wien. Die Mitglieder des Klangforum Wien stammen aus Australien, Bulgarien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Schweden und der Schweiz. Sylvain Cambreling, Friedrich Cerha und Beat Furrer sind die drei herausragenden Musiker, denen das Klangforum Wien durch jeweils einstimmigen Beschluss aller Musiker_innen die Ehrenmitgliedschaft des Ensembles verliehen hat. Seit 1997 ist Sylvain Cambreling erster Gastdirigent des Klangforum Wien. 89 90 Joonas Ahonen Stefan Asbury Der finnische Pianist Joonas Ahonen ist seit 2011 Mitglied des Klangforum Wien. Als Solist ist er bereits mit etlichen großen Orchestern und Ensembles aufgetreten, beispielsweise mit dem Finnish Radio Symphony Orchestra, der Tapiola Sinfonietta sowie den Ensembles Avanti! und Ictus. Zuletzt trat Joonas Ahonen im Rahmen des West Cork Chamber Music Festival und des Davos Festivals auf. Als Solist des Klangforum Wien war er im Teatro Colón in Buenos Aires mit dem Klavierkonzert von György Ligeti zu hören, beim Festival Wien Modern spielte er das Klavierkonzert von Beat Furrer sowie am Mailänder Teatro alla Scala Furrers Klavierquintett «Spur». Joonas Ahonen studierte an der Sibelius-Akademie in Helsinki bei Tuija Hakkila und Liisa Pohjola. Weithin als führender Vertreter der zeitgenössischen Musik anerkannt, wird Stefan Asbury von wichtigen Orchestern, Ensembles und Festspielen als Gastdirigent verpflichtet. Eine regelmäßige Zusammenarbeit verbindet ihn u. a. mit dem Gewandhausorchester Leipzig und dem Königlichen Concertgebouworchester Amsterdam. Regelmäßig zu erleben ist er u. a. bei der Münchener Biennale, den Salzburger Festspielen sowie der Biennale di Venezia. Zudem arbeitet er mit Ensembles wie dem Ensemble Modern, Musikfabrik, London Sinfonietta und Klangforum Wien zusammen. Zu den zeitgenössischen Komponisten, denen sich der Dirigent besonders verbunden fühlt, zählen Oliver Knussen, Steve Reich, Wolfgang Rihm, Unsuk Chin und Mark-Anthony Turnage. In der letzten Saison war Stefan Asbury in der Uraufführung von Bernd Richard Deutschs Orgelkonzert mit dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien sowie Neuproduktionen von Igor Strawinskis «Der Feuervogel» mit dem Copenhagen Philharmonic Orchestra in Zusammenarbeit mit dem Danish Dance Theatre und dem Republique Theater Kopenhagen zu erleben. Weitere Auftritte führten ihn an die Pulte des SWR Sinfonieorchester BadenBaden und Freiburg sowie des Noord Nederlands Orkest, wo er seit 2015 als Ehrendirigent fungiert. Seine Diskographie wurde mit zahlreichen Preisen gekrönt, u. a. erhielt seine Aufnahme von Gérard Griseys «Espaces acoustiques» mit dem WDR Sinfonieorchester Köln den Preis der Deutschen Schallplattenkritik. 91 92 Matti Bunzl Agnes Heginger Matti Bunzl wurde 1971 in Wien geboren, wo er auch aufwuchs und die Schule besuchte. Nach der Matura studierte er Anthropologie an der Stanford University sowie an der University of Chicago. Er forschte, lehrte und publizierte zu den Themen Judentum, Antisemitismus und Islamophobie, aber auch zu theoretischen Fragen der Kunstvermittlung oder der Museologie der Avantgarde. Von 1998 bis 2014 war Bunzl Mitglied der Fakultät der University of Illinois at Urbana-Champaign, wo er von 2003 bis 2007 das Illinois Program for Research in the Humanities und von 2008 bis 2014 das Program in Jewish Culture and Society leitete. Von 2010 bis 2014 war Bunzl auch Intendant des Chicago Humanities Festival, das alljährlich stattfindet und rund 100 Veranstaltungen umfasst. Matti Bunzl ist der Autor von drei Büchern, «Symptoms of Modernity: Jews and Queers in Late-Twentieth-Century Vienna» (2004), «AntiSemitism and Islamophobia: Hatreds Old and New in Europe» (2007) und «In Search of a Lost-Avant-Garde: An Anthropologist Investigates the Contemporary Art Museum» (2014). Seit 1. Oktober 2015 ist Matti Bunzl Direktor des Wien Museums. Agnes Heginger wurde 1973 in Klagenfurt geboren und ist in Wien aufgewachsen. Die Sopranistin studierte an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (ehem. Konservatorium Wien Privatuniversität) klassischen Sologesang und daraufhin an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Jazzgesang. Seither bewegt sich die vielseitige Sängerin mit der für sie typischen Leichtigkeit und Virtuosität in den unterschiedlichsten Genres, darunter Alte Musik, zeitgenössische Musik, Jazz, frei improvisierte Musik und genreübergreifende Projekte. In den letzten Jahren hat sie sich vorrangig auf Textvertonungen österreichischer und deutscher Autorinnen und Autoren spezialisiert. Agnes Heginger ist Gesangsdozentin an der Jazzabteilung der Anton Bruckner Privatuniversität Linz. Gastdozenturen führten sie an die Swiss Jazz School Bern, ans Jazz Institute Berlin sowie des Instituts für Popularmusik der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. 93 Catherine Larsen-Maguire 94 Debüt Geboren in Manchester, begann Catherine Larsen-Maguire ihre musikalische Ausbildung im Alter von acht Jahren mit dem ersten Geigenunterricht, ihren ersten Unterricht am Fagott erhielt sie mit 16 Jahren. An der University of Cambridge studierte sie Musikwissenschaft und dirigierte das dortige Universitätsorchester. Später studierte sie Fagott und Dirigieren an der Royal Academy of Music in London. Sie gastierte als Instrumentalistin in verschiedenen Orchestern, u. a. bei den Berliner Philharmonikern, im London Philharmonic Orchestra, Royal Philharmonic Orchestra und BBC Symphony Orchestra. Nachdem sie mehrere Kammerkonzerte und Opernvorstellungen an der Komischen Oper Berlin dirigierte, deren Orchester sie von 2002 bis 2012 als Solofagottistin angehörte, widmete sie sich ab 2012 ganz dem Dirigieren. Seither hat sie mit zahlreichen internationalen Orchestern gearbeitet, u. a. dem Belgrade Philharmonic, den Bochumer Symphonikern, den Bremer Philharmonikern, dem Orchester des Sunflower Music Festivals in Kansas, dem Brandon Hill Chamber Orchestra und der Sinfonietta 92 in Berlin. Gern widmet sich Catherine Larsen-Maguire der Arbeit mit Jugendlichen und Studierenden. Sie hatte eine Gastprofessur für Dirigieren an der Universität der Künste Berlin und ist seit 2013 Professorin beim Femusic Festival in Brasilien. Auch im Gebiet der Neuen Musik ist die Dirigentin sehr aktiv und hat in den letzten Monaten führende Ensembles wie Musikfabrik, Resonanz, unitedberlin und Ascolta dirigiert. Florian Müller Der in Immenstadt im Allgäu geborene Pianist Florian Müller studierte in München und Wien Klavier und Komposition. Er ist einer der zentralen Interpreten zeitgenössischer Musik in Österreich und trat als Solist bei bedeutenden Festivals wie Wien Modern und den Salzburger Festspielen hervor. Er ist regelmäßig Gast internationaler Festivals in Europa und bereiste überdies auch die USA, Kanada, Japan, Argentinien und Israel. Florian Müller spielte u. a. mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, den Wiener Symphonikern, dem MDR Sinfonieorchester und dem Mahler Chamber Orchestra. Er arbeitete mit namhaften Dirigenten wie Emilio Pomàrico, Sylvain Cambreling, Hans Zender, Fabio Luisi, Pierre-Laurent Aimard und Peter Eötvös zusammen. Er wirkte u. a. an Theaterarbeiten mit Jérôme Bel, Alain Platel, Christoph Marthaler und Jewgenij Sepochin mit. Florian Müller hielt Meisterkurse bei der Biennale di Venezia und der Internationalen Sommerakademie PragWienBudapest und unterrichtet darüber hinaus Performance Practice in Contemporary Music an der Kunstuniversität Graz. Aus einer Vielzahl an CD-Produktionen, bei denen Florian Müller mitwirkte, sind insbesondere die Einspielungen von Beat Furrers «Nuun» für zwei Klaviere und Ensemble, von Clemens Gadenstätters «COMIC SENSE» und von Friedrich Cerhas «Relazioni fragili» hervorzuheben. Florian Müller ist seit 1993 Mitglied des Klangforum Wien. 95 Giulia Peri 96 Debüt Giulia Peri studierte Gesang und Violine an der Scuola di Musica di Fiesole, wo sie sich als Schülerin von Piero Farulli und Antonello Farulli dem Quartettspiel widmete und während der Kurse Carlo Maria Giulinis Konzertmeisterin des «Orchestra Galilei» war. Bereits in den 1990er-Jahren war sie als Gesangssolistin in Produktionen des Maggio Musicale Fiorentino unter der Leitung Zubin Mehtas, Myung-Whun Chungs und Daniel Orens zu erleben. Nach ihrem Studium bei Stephen Woodbury war sie als Sopranistin bei zahlreichen internationalen Festivals und Konzerthäusern zu Gast, darunter beim Festival di Ravenna, I Pomeriggi Musicali in Mailand, der Cité de la Musique in Paris, dem Concertgebouw in Amsterdam und dem Musikfest Stuttgart. Ihr umfangreiches Repertoire reicht von der Musik des Mittelalters bis zum 20. Jahrhundert, wobei ihr die zeitgenössische Musik ein besonderes Anliegen ist. So gastierte sie u. a. 2014 mit Beat Furrer und dem Orchestra Nazionale della Rai beim MITO Settembre Musica. In den letzten Jahren arbeitete sie mehrmals mit dem Ensemble Sentieri selvaggi unter der Leitung von Carlo Boccadoro zusammen, 2016 als erste Interpretin der Cordelia in Boccadoros Oper «Oltre la porta». Zur Erinnerung an Primo Levi kreierte sie u. a. Liederabende, die ein weites Panorama jüdischer Kultur bieten und die sie mit dem Pianisten Gregorio Nardi zur Aufführung bringt. Zudem promovierte Giulia Peri an der Scuola Normale Superiore in Pisa als Latinistin mit Auszeichnung. Ferdinand Schmatz Ferdinand Schmatz, schreibt Gedichte, Prosa, Essays und Hörspiele, lebt in Wien und unterrichtet an der Universität für angewandte Kunst, wo er seit 2012 das Institut für Sprachkunst leitet. 2004 wurde er mit dem Georg Trakl-Preis ausgezeichnet. 2006 erhielt er den H.C. Artmann-Preis. 2009 wurde sein Schaffen mit dem Ernst Jandl-Preis gewürdigt. Zu seinen Veröffentlichungen zählen «das grosse babel, n» und «portierisch». Zuletzt erschienen «Durchleuchtung. Ein wilder Roman aus Danja und Franz» (2007), «quellen» (2010), sowie «auf SÄTZE! Essays zur Poetik, Literatur und Kunst» und «das gehörte feuer. orphische skizzen» von 2016. 97 Virginie Tarrête WANN KÖNNEN SIE ANFANGEN? Jobs mit Qualität im Einstieg und Qualität im Aufstieg. 98 Nach dem Studium am Conservatoire National Supérieur de Musique de Paris, wo sie den 1. Preis in Harfe in der Klasse von Marie-Claire Jamet und einen 1. Preis in Kammermusik erhielt, absolvierte Virginie Tarrête ihr Aufbaustudium mit Ursula Holliger an der Staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg im Breisgau. Ihr Repertoire reicht von Alter Musik bis zu zeitgenössischer Musik. Sie wird regelmäßig zu vielen internationalen Festivals eingeladen. Eine wichtige Seite ihrer Tätigkeit ist die Zusammenarbeit mit Komponisten, insbesondere durch Aufnahmeprojekte mit Werken von Mark André, Franck Bedrossian, Luciano Berio, Brian Ferneyhough, Helmut Lachenmann, François Paris, Wolfgang Rihm u. a. Sie spielte unter der Leitung von Dirigenten wie Pierre Boulez, Sylvain Cambreling, Emilio Pomàrico. Virginie Tarrête wirkte in verschiedenen Ensembles mit (u. a. Musikfabrik, ensemble recherche, l'Itinéraire) und ist seit 2007 Mitglied des Klangforum Wien. Im Jahr 2012 gründete sie mit László Hudacsek das Duo HarPerc um das Repertoire für Harfe und Schlagzeug zu entwickeln. Auch an der Interpretation des alten Repertoires auf historischen Instrumenten interessiert, gründete Virginie Tarrête mit Alain Roudier (Hammerklavier) das Duo Sebastien Erard, mit dem sie Werke des 18. und 19. Jahrhunderts aufführt. Sie tritt regelmäßig u. a. mit dem Orchestre Révolutionnaire et Romantique unter der Leitung von Sir John Eliot Gardiner auf. Seit 2008 ist Virginie Tarrête Professorin für Harfe am Conservatoire Régional de Dijon. 99 100 Sarah Wegener Agata Zubel Die britisch-deutsche Sopranistin, die auch einen Abschluss als Kontrabassistin nachweisen kann, studierte Gesang bei Bernhard Jaeger-Böhm in Stuttgart sowie in Meisterkursen bei Dame Gyneth Jones und Renée Morloc. Mit warmem Timbre begeistert sie in zahlreichen Partien, sei es in der Neuen Musik oder im klassisch-romantischen Repertoire. Die neue Saison wird durch ihre erste Zusammenarbeit mit Kent Nagano und dem Orchestre symphonique de Montréal eingeläutet, u. a. interpretiert sie in Montreal Mozarts «Requiem» und Bachs «Matthäuspassion». Zudem geht sie mit dem Kammerorchester Basel und dem Windsbacher Knabenchor mit Bachs «Weihnachtsoratorium» auf Tournee und singt Mozarts «Litaniae» und Schuberts Messe Nr. 5 mit dem Radio Filharmonisch Orkest am Concertgebouw Amsterdam. Bei der Eröffnung der Elbphilharmonie Hamburg steht sie für Mahlers Symphonie Nr. 8 mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter Kent Nagano auf der Bühne. Mit Liederabenden gastiert sie u. a. beim SWR RheinVokal Festival und den Händelfestspielen Halle. Eine enge künstlerische Beziehung verbindet Sarah Wegener mit Georg Friedrich Haas, der ihr den Liederzyklus «… wie stille brannte das Licht», basierend auf ihren besonderen Fähigkeiten in der Interpretation mikrotonaler Musik, widmete. Das Werk brachte sie Anfang 2016 mit dem Klangforum Wien im Wiener Konzerthaus zur Aufführung. 2015/16 gab sie zudem ihre Debüts am Royal Opera House London und an der Deutschen Oper Berlin. Die in Wrocław geborene Komponistin und Sängerin Agata Zubel studierte an der nach Karol Lipiński benannten Musikakademie ihrer Heimatstadt bei Jan Wichrowski Komposition und bei Danuta Paziuk-Zipser Gesang, schloss beide Studien mit ausgezeichnetem Erfolg ab und promovierte 2004. Daneben studierte sie auch in den Niederlanden. Sie erhielt Förderungen und Stipendien des polnischen Kulturministeriums, der Rockefeller Foundation, der Ernst von Siemens Musikstiftung, der Stadt Wrocław sowie der International Foundation for Education & Self-Help. Außerdem ist sie Mitglied der Polnischen KomponistInnengewerkschaft. Derzeit unterrichtet Agata Zubel an der Musikakademie in Wrocław. Als Gesangssolistin war sie Mitwirkende bei hochkarätigen Veranstaltungen. Die zeitgenössische Musik nimmt einen besonderen Stellenwert in ihrem Repertoire ein, so arbeitete sie mit berühmten Ensembles aus dem Bereich zusammen, neben dem Klangforum Wien u. a. Musikfabrik, London Sinfonietta, Eighth Blackbird Ensemble sowie die Seattle Chamber Players. Gemeinsam mit dem Komponisten und Pianisten Cezary Duchnowski 2001 gründete sie das ElettroVoce Duo. Sie wirkte bei Uraufführungen und Aufnahmen zahlreicher Werke zeitgenössischer Komponisten mit, etwa von Witold Lutosławski, Bernhard Lang, Salvatore Sciarrino und Zygmunt Krauze. Im Opernbereich verkörperte sie die Titelrolle in «Marthas Garten» von Cezary Duchnowski sowie die Rolle der Madeline in «The Fall of the House of Usher» von Philip Glass. 101 Nicht ohne. Nicht ohne. Nicht ohne. Kultur bringt die schönsten Saiten zum Klingen. Aber nicht ohne Unterstützung. Kunst, Kultur, Bildung und soziales Engagement machen unsere Welt um vieles reicher. Die Zuwendung durch Unterstützer ermöglicht die Verwirklichung und Fortführung zahlreicher gesellschaftlicher Anliegen und trägt zur Vielfalt des Lebens bei. Die Erhaltung gesellschaftlicher Werte hat bei uns eine lange Tradition – eine Tradition, die sich auch in der Förderung des Wiener Konzerthauses widerspiegelt. wst-versicherungsverein.at; wienerstaedtische.at 102 Fotos (soweit bezeichnet): Robert Haas/Wien Museum - Suska, Wien 1930er-Jahre (Umschlagbild), Robert Haas/Wien Museum (Fotografien der Programmseiten), George Grantham Bain Collection/Library of Congress, Washington D.C. (Szymanowski), Maršál Stan (Hába), Wien Museum (Krenek), Alban Berg Stiftung (Alban & Helene Berg), LIDO/SIPA (FranÇaix), Arnold Schönberg Center, Wien (Schönberg mit Berliner Meisterschülern), www.henripousseur.net (Pousseur), Judith Schlosser (Klangforum Wien), Heikki Tuuli (Ahonen), Eric Richmond (Asbury), Sabine Hauswirth/Wien Museum (Bunzl), Dorothea Wimmer (Heginger), Hans Labler (Müller), Lukas Beck (Tarrête), David Tschan (Wegener), Łukas Rajchert (Zubel) 103 Die Wiener Konzerthausgesellschaft dankt ihren Sponsoren, Partnern und Subventionsgebern Hier gehts zu Ihrer neuen Wohnung. Generalpartner seit 1992 Premium Sponsoren Wiener Städtische Versicherungsverein Wiener Städtische Versicherung AG Sponsoren BAWAG P.S.K. Gruppe Daniel Kapp Strategic Consulting Erste Bank Mercedes-Benz MERITO Financial Solutions Mondi OMV PORR AG Sberbank Siemens AG Österreich Thomastik-Infeld voestalpine Edelstahl GmbH Wien Energie Tel. 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