9. März 2011 20.00 Uhr Petrus-Kirche Kiel-Wik 5. Mozart-Konzert Vier Meister unter sich »Vier Meister unter sich« Das Musikleben Wiens zur Zeit der Wiener Klassiker war zumindest ebenso durch die Vielzahl an Komponisten und deren Verschiedenheiten bestimmt, wie durch seine bekanntesten drei Exponenten, Haydn, Mozart und Beethoven. Diese aber waren, wie der Musikforscher Friedrich Noack es einmal formuliert hat, „nicht von Zwergen, sondern von hochgewachsenen Genossen umgeben, von denen einzelne heute, in unserer musikalisch ärmeren Gegenwart, vielleicht als Größen ersten Ranges gelten würden.“ Die Situation ähnelt ein wenig jener im Welttennis unserer Tage, wo ob der Dominanz der Herren Nadal und Federer schnell in Vergessenheit gerät, dass es sich bei den Nummern drei bis zehn der Weltrangliste gleichfalls um ausgezeichnete Tennisspieler handelt. Gewiss überstrahlen die Werke von Haydn und Mozart aus heutiger Perspektive häufig jene ihrer Zeitgenossen. Aber auch wenn man den bisweilen durchaus „verblüffenden Qualitätsunterschied zwischen kleineren Talenten und den schöpferischen Gipfelpunkten Haydns und Mozarts“ (Jan LaRue) nicht immer leugnen kann, so muss man doch auch nicht so weit gehen, wie es etwa E. T. A. Hoffmann in seiner Rezension der 5. Sinfonie Beethovens tat, in der er die Sinfonien Dittersdorfs als „lächerliche Verirrungen“ geißelte, die „mit gänzlichem Vergessen zu bestrafen“ seien. Gerade Dittersdorf war zu seiner Zeit auch unter Kollegen hochgeachtet und dabei kommerziell überaus erfolgreich. Sein Singspiel Doktor und Apotheker (1786) etwa hatte beim Publikum weitaus mehr Erfolg als Mozarts Figaro. Neben Mozart verband Dittersdorf namentlich mit Haydn eine engere Freundschaft. So heißt es in seiner Lebensbeschreibung von 1799: „Über jedes neue Stück, das wir von andern Tonsetzern hörten, machten wir unsere Bemerkungen unter vier Augen, ließen jedem, was gut war, Gerechtigkeit widerfahren und tadelten, was zu tadeln war.“ Dass die vier in diesem Konzert vereinigten Zeitgenossen einander in der Tat nicht nur schätzten und respektierten, sondern darüber hinaus auch sonst freundschaftlich miteinander verkehrten, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Haydn, Mozart, Dittersdorf und Vanhal zwischen 1783 und 1787 häufiger gemeinsam im Quartett musizierten. Zumindest zu einem dieser Quartettabende gibt es eine Schilderung von Michael Kelly (1762-1826). Der seinerzeit gefeierte Tenor weilte in jenen Jahren in Wien, wo er in Mozarts Figaro gleich zwei Partien sang: Don Curzio und Don Basilio. Die besagte „quartet party“ fand dabei im Hause des englischen Komponisten Stephen Storace (17621796) statt, dessen Schwester Nancy an der Seite von Kelly die Susanna in Mozarts Oper sang. Was genau an jenem Abend erklang, schreibt Kelly zwar nicht. Dass aber Haydn und Baron von Dittersdorf an den Violinen, Mozart an der Viola und Vanhal am Cello eine ganz besondere ‚Chemie‘ verband und das Vergnügen, ihrem Spiel beiwohnen zu dürfen, ein außerordentliches war, erscheint selbst aus der historischen Distanz heraus nachvollziehbar. Mozart gibt als Vollendungsdatum seiner Kleinen Nachtmusik KV 525 den 10. August 1787 an. Zwar ist der genaue Anlass der Komposition nicht überliefert, Komponist: doch legt der Titel des Werkes natürlich Wolfgang Amadeus Mozart nahe, an eine unter freiem Himmel mu1756 – 1791 sizierte nächtliche Serenade zu denken. Werk: Im Autograph seines Thematischen VerSerenade G-Dur KV 525 zeichnisses lautet Mozarts Eintrag zu dieEine kleine Nachtmusik sem Werk interessanter Weise noch „Eine Entstehung: kleine Nacht Musick, bestehend in einem August 1787 Allegro, Menuett und Trio. – Romance. Menuett und Trio, und Finale …“. Diesem Eintragung gemäß war also ursprünglich zwischen Allegro und Romance ein weiteres Menuett-Trio vorhanden, welches verlorengegangen ist. Damit wäre der – im Übrigen mit ‚Romance‘ für diese Zeit eher ungewöhnlich bezeichnete – langsame Satz von zwei Menuetten und dazu noch von den beiden schnellen Außensätzen gleich doppelt eingerahmt worden und hätte somit das eigentliche Zentrum des Werkes dargestellt. Der Gesamtbau hätte auch zeittypisch jenem der Divertimenti Haydns und Vanhals entsprochen (auch das G-Dur Divertimento Vanhals ist eigentlich fünfsätzig, wobei das zweite Menuett-Trio am heutigen Abend lediglich aus dramaturgischen Gründen weggelassen wird). Aber wer weiß: vielleicht taucht die lange verlorene Manuskriptseite Mozarts ja irgendwann wieder auf. Es wäre schließlich nicht das erste Mal, dass so etwas geschieht. Johann Baptist Vanhal mag heute zwar etwas in Vergessenheit geraten sein. Zu Lebzeiten aber erfreuten sich seine Werke ausgesprochener Beliebtheit und wurden auch von Haydn und Mozart aufgeführt. Manche seiner Instrumentalwerke hielten Zeitgenossen gar für Kompositionen Haydns. Vanhal, dessen Einfluss auf Komponist: die Wiener Sinfonik späterer Jahre als durchaus Johann Babtist Vanhal beträchtlich gelten darf, gehörte zu den ersten 1739 – 1813 Musikern, die sich vom Ertrag ihrer Werke sowie Werk: ihres Lehrens als freiberuflich Tätige ernähren Divertimento G-Dur und auf eine feste Anstellung bei Hofe verzich- Entstehung: ten konnten. Durchaus zeittypisch handelt es sich Späte 1760er Jahre (?) beim Divertimento in G (das vermutlich in den späten 1760er Jahren entstanden ist) um ein dreistimmiges Werk. Dass die Unterstimme dabei tatsächlich eher der Violone (ein Vorläufer des modernen Kontrabasses), nicht aber dem Violoncello zugedacht war, zeigt ein Eintrag im Manuskript bei den Solopassagen im ersten Menuett: Vanhal gibt hier die damals gebräuchliche Stimmung der Wiener Violone an, nämlich F, A, D, Fis und A. Carl Ditters von Dittersdorf war nicht nur ein viel, sondern dazu noch ein schnell schreibender Komponist. Wo andere alleine sechs Monate für die Vollendung einer Oper benötigten, da schrieb er innerhalb von zehn Monaten ganze vier Opern und dazu noch ein Oratorium. Unter den mehr als 40 Solokonzerten aus Dittersdorfs Feder finden sich auch sieben Konzerte für Oboe, von Komponist: denen sechs überliefert sind (eines davon Carl Ditters von Dittersdorf für Oboe d’amore). Drei von ihnen sind 1739 – 1799 um 1775 entstanden. Ob dies auch für das Werk: Konzert G-Dur für Oboe und Konzert L. 42 in G-Dur gilt, ist nicht zweifelsfrei belegt. Gerade in seinen späteren Streichorchester L. 42 Werken zeigt Dittersdorf einen an Haydn Entstehung: erinnernden Sinn für musikalischen Witz, Um 1775 eine Eigenart, der man im vorliegenden Oboenkonzert noch nicht unbedingt begegnet. Vielmehr kommt es formal zwar tadellos und stilistisch durchweg gefällig, doch einigermaßen konventionell daher, was sich etwa im vergleichsweise „harmlosen“ Durchführungsteil des Kopfsatzes zeigt. Wo Zeitgenossen wie Carl Philipp Emanuel Bach im Geiste des ‚Sturm und Drang‘ gleichsam revolutionär anmutenden Charakter offenbaren, beharrt Dittersdorf im Lebensgefühl der Empfindsamkeit und meidet konsequent jede Schockwirkung. Insofern kann man den bereits zitierten „verblüffenden Qualitätsunterschied zwischen kleineren Talenten und den schöpferischen Gipfelpunkten Haydns und Mozarts“ hier, im direkten Umfeld der beiden Titanen, durchaus hörend nachvollziehen. Zwischen 1755 und 1760/61 hat Joseph Haydn eine Gruppe von zehn Werken für zwei Violinen, Viola und Bass (Violoncello) geschrieben. Es waren dies seine ersten Werke, die handschriftlich, aber auch gedruckt als op. 1 und 2 europaweit verbreitet wurden und maßgeblich zu seiner frühen Bekanntheit beitrugen. Als Streichquartette, so, wie man die Gattung heute wahrzunehmen gewohnt ist, und wie sie ja gerade auch von Haydn geprägt wurde, kann man diese frühen Werke freilich noch nicht bezeichnen, weshalb auch Haydn selbst die Reihe seiner Quartette erst mit seinem op. 9 begonnen wissen wollte. Die sechs als op. 1 veröffentlichten Werke hat der Komponist nicht umsonst als Divertimenti bezeichnet, als was sie sich schon der äußeren Form nach präsentieren. Worin Haydn nun allerdings über das Zeitübliche hinausgeht, ist der Grad an Differenzierung innerhalb der Sätze und zwischen ihnen: Kein Menuett ähnelt dem anderen und kein Trio hebt sich auf dieselbe Weise von seinem Menuett-Hauptteil ab. Bei den Ecksätzen ist der Kopfsatz in der Regel gewichtiger, der Schlusssatz meist schneller und gewitzter. Das zentrale Adagio dient als lyrischer Kontrast zu den galant und affektiv überformten Tanzcharakteren der Menuette und der Lebhaftigkeit der Ecksätze. Im Es-DurKomponist: Divertimento kommt dieses Adagio als Franz Joseph Haydn ein Konzert- oder Serenadensatz mit 1732 – 1809 weit ausschwingender Violinkantilene Werk: daher, die fast durchgängig von einer Divertimento Es-Dur op. 1 Nr. 5 eine Lautenbegleitung suggerierenden Hob. II:6 akkordbrechenden Achtelbewegung Entstehung: der übrigen Instrumente untermalt Vor 1760 (?) wird. Und im Finalsatz scheint bereits jener Witz durch, für den Haydn auch später immer wieder gerühmt wurde, wobei hier, in op. 1, der womöglich um seinen Absatz besorgte Verleger den eigentlich sehr überraschend-abrupten Schluss durch Einfügen eines zusätzlichen Taktes abschwächte. Dass Werke dieser Machart um 1760 „allgemeine Sensation“ machten, wie der Lexikograph Ernst Ludwig Gerber es rückblickend formulierte, mag man gerne glauben. „Man lachte und vergnügte sich auf der einen Seite an der außerordentlichen Naivetät und Munterkeit, … und in andern Gegenden schrie man über Herabwürdigung der Musik zu komischen Tändeleyen und über unerhörte Oktaven.“ Matthias Lehmann Kleine Zitaten-Sammlung „Man würde vermuten, dass die musikalische Herkunft der zwei großen Genies der Klassik [Haydn und Mozart] sowie deren Abstand von den zeitgenössischen Komponisten durch das zunehmende Studium dieser klassischen Nebenmeister geklärt werden könnte. In Wirklichkeit aber betont die nähere Kenntnis der Werke von Komponisten wie Dittersdorf oder Vanhal den verblüffenden Qualitätsunterschied zwischen kleineren Talenten und den schöpferischen Gipfelpunkten Haydns und Mozarts. Jede Symphonie dieser beiden Meister enthält eine nicht enden wollende Fülle von faszinierenden Momenten, die ihrer Zeitgenossen hingegen bieten nur vereinzelt Augenblicke echter Originalität und überzeugender Ausdruckskraft, und selbst eine Summe der besten Merkmale aus hunderten ihrer Werke ergibt nicht annähernd den in einem einzigen reifen Werk der beiden großen Meister enthaltenen Erfindungsreichtum.“ Jan LaRue, Musikwissenschaftler, im Artikel ‚Symphonie‘ in „Musik in Geschichte und Gegenwart“ (1949-51/1986). „Vanhall ist unter den neuesten Tonsetzern unstreitig einer der edelsten und besten. Er hat den Satz gründlich studiert, besitzt eigene Manier, und einen Geschmack, der sich jedem Hörer empfiehlt. Da er solide Harmonie und liebliche Melodie mit so vieler Klugheit und Einsicht zu vermischen wußte, so ist’s kein Wunder, daß er von Deutschen und Welschen gleich günstig aufgenommen wurde. Er hat vieles geschrieben, manches im Galanteriestyle; und immer folgte ihm der Beyfall der Kunstverständigen. Er starb in der Raserey.“ Christian Friedrich David Schubart, Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, 1784. “Storace [Englischer Komponist, 1762-1796] gave a quartet party to his friends. The players were tolerable; not one of them excelled on the instrument he played, but there was a little science among them, which I dare say will be acknowledged when I name them: The First Violin: Haydn. The Second Violin: Baron Dittersdorf. The Violoncello: Vanhal. The Tenor: Mozart. … ...I was there, and a greater treat, or a more remarkable one, cannot be imagined.” Michael Kelly, Englischer Tenor, in seinen „Reminiscences“ (1826). Biographien Andrea Bischoff, Oboe Andrea Bischoff wuchs im schweizerischen Rehetobel auf. Nach dem Abitur in St.Gallen absolvierte sie das Lehr- und Orchesterdiplom bei Louise Pellerin in Zürich. Bei Heinz Holliger schloss sie das Konzertdiplom sowie das Solistendiplom „mit Auszeichnung“ an der Musikhochschule in Freiburg im Breisgau ab. Verschiedene solistische und kammermusikalische Auftritte folgten. Bis 1997 war sie Solo-Oboistin im Schweizer Jugend Sinfonieorchester, seit 1997 ist sie Solo-Oboistin im Luzerner Sinfonieorchester. Seit 2004 studiert sie außerdem Barockoboe in Amsterdam. Igor Karsko, Violine Konzertmeister wurde in der Slowakei geboren. Er studierte am Konservatorium Kosice und an der Musikakademie Prag, nahm zudem Kammermusik- und Dirigierunterricht. 1991 folgte eine Einladung von Lord Yehudi Menuhin an die Menuhin-Akademie Gstaad zum Studium bei A. Lysy und Lord Yehudi Menuhin. Igor Karsko spielt die berühmte Violine „Il Viotti“ von Lorenzo Storioni ( Cremona 1768). Seit 1993 ist er Erster Konzertmeister des Luzerner Sinfonieorchesters und der Camerata Zürich. Außerdem ist er Dozent an der Musikhochschule Luzern. Er beschäftigt sich intensiv mit historischer Aufführungspraxis. La Banda Antix La Banda Antix ist ein kleines Orchester mit großem Qualitätsanspruch. Es setzt sich aus Musikern zusammen, die sowohl solistisch als auch Orchestermusiker in verschiedenen europäischen Orchestern musiziert haben, und denen Professionalität ebenso wichtig ist wie das gemeinsame Musizieren mit Kollegen sowie das Entdecken von musikalischem Neuland, wo andere Orchester oft den Zwängen des kommerziellen Musikbetriebs unterworfen sind. Das Repertoire reicht von der alten Musik, insbesondere Bach, bis zur zeitgenössischen Musik, wobei sich das Ensemble der historischen Aufführungspraxis verpflichtet fühlt. Es spielt auf modernem sowie originalem Instrumentarium. Darüber hinaus ist La Banda Antix daran interessiert, zeitgenössischen Komponisten die Chance zu geben, ihre Werke einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, ohne dabei künstlerische Kompromisse eingehen zu müssen. „Die Musikerinnen und Musiker von La Banda Antix verdienen meine ausgesprochene Achtung; vor allem bewundere ich deren Stilgefühl, der sich mit einem jugendlich anmutenden Enthusiasmus paart.“ Berhard Haitink Nächstes Mozart-Konzert 1. Mozart-Konzert Dienstag, 29. März 2011 um 20.00 Uhr (Nachholtermin) Petrus-Kirche, Weimarer Str., Kiel-Wik Meisterliche Dreieinigkeit Klaviertrios Haydn, Mozart und Schubert ATOS Trio: Annette von Hehn, Violine, Stefan Heinemeyer, Violoncello, Thomas Hoppe, Klavier Programmfolge Wolfgang Amadeus Mozart 1756 – 1791 Serenade G-Dur KV 525 Eine kleine Nachtmusik Allegro Johann Baptist Vanhal 1739 – 1813 Divertimento G-Dur für Violino, Viola, Violoncello oder Violone Allegro – Menuetto - Trio – Adagio – Allegro Wolfgang Amadeus Mozart Serenade G-Dur KV 525 Eine kleine Nachtmusik Romanze. Andante Carl Ditters von Dittersdorf 1739 – 1799 Konzert für Oboe und Streichorchester G-Dur L. 42 Allegro non molto – Adagio – Allegro Wolfgang Amadeus Mozart Serenade G-Dur KV 525 Eine kleine Nachtmusik Menuetto. Allegro Joseph Haydn 1732 – 1809 Divertimento Es-Dur op. 1, Nr. 5 Hob. II:6 Presto – Menuet - Trio – Adagio – Menuet - Trio – Finale. Presto Wolfgang Amadeus Mozart Serenade G-Dur KV 525 Eine kleine Nachtmusik Rondo. Allegro Andrea Bischoff, Oboe Igor Karsko, Violine und Leitung La Banda Antix, Luzern Mit freundlicher Unterstützung von Aus rechtlichen Gründen ist es untersagt, während des Konzertes Ton- und Bildträgeraufnamen zu machen. Von den Musikfreunden nicht vorher ausdrücklich genehmigte Aufnahmen werden vom Vorstand eingezogen.