Meer Wissen Sehen, Staunen, Verstehen Newsletter Nr. 2 Juni 2016 Aktuelles aus dem Helgoländer Aquarium (Zusammengestellt von Peter Lemke und Karen Wiltshire für das Kuratorenteam) Auf der Tagesordnung der Einwohnerversammlung Helgolands am 22. März 2016 stand der Vorschlag für ein regionales Entwicklungskonzept für Helgoland, durch das Wissenschaft, Kultur, Geschichte und Nachhaltigkeit gestärkt werden soll. Der wichtigste der sieben Bausteine des vorgestellten Konzepts war die neue Wissenschaftsausstellung im bisherigen Aquarium, das zu einem Schaufenster der Meereswissenschaften umgebaut werden soll. In ihrer Präsentation gingen Karen Wiltshire und Peter Lemke auf die wissenschaftlichen Inhalte bezüglich des Öko- und Klimasystems ein, und Holger von Neuhoff stellte die Choreographie der Ausstellung vor. In der ausführlichen Diskussion im Anschluss war zu erkennen, dass die Einwohner dem Ausstellungskonzept sehr zugetan waren. In den darauffolgenden Wochen hat der Bürgermeister der Gemeinde Helgoland auf der Basis von Texten verschiedener Mitstreiter das integrierte Gesamtprogramm „Helgoland – Atlantis 4.0“ zusammengestellt, das die Leitthemen des ITI-Programmes – Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz sowie einen ressourcenschonenden Tourismus und den Erhalt des kulturellen Erbes – in klar umrissenen, miteinander vernetzten und für die zweite Wettbewerbsphase weiter operationalisierten Projekten verankert. Der Wettbewerbsbeitrag wurde fristgerecht zum 30.04.2016 eingereicht. Mit einer Entscheidung durch den ITI-Beirat ist im Juli 2016 zu rechnen. Das Ausstellungsvorhaben im bisherigen Aquarium ist ein zentrales Projekt im Gesamtprogramm mit einem Investitionsvolumen in Höhe von 5,0M€, die zu einem wesentlichen Teil über den ITI Wettbewerb mit Fördermitteln in Höhe von 2,5M€ finanziert werden sollen. Aktuell bereitet das AWI die Planung der baulichen Maßnahmen, der Grundvoraussetzung für die Umsetzung der Ausstellung, vor. So sind inzwischen fast alle Lebewesen aus den Aquarien in andere Standorte umgesiedelt worden (siehe Abbildungen). Außerdem planen die beiden AWI-Vertreter im Kuratorenteam die Details der wissenschaftlichen Inhalte für die Ausstellung, in der die Geschichte der Meeresforschung auf Helgoland, die Entwicklung des Klima- und Ökosystems und die Zukunft der Nordsee dargestellt werden sollen. Als Beispiel ist das Problem der Erwärmung der Nordsee im Folgenden beschrieben (Notiz vom Januar 2016). Das Kuratoren-Team: Karen Wiltshire, Peter Lemke, Holger von Neuhoff, Jörg Singer Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung Gemeinde Helgoland Gemeinde Helgoland Biologische Anstalt Helgoland Die Nordsee heizt sich auf Karen Wiltshire, Peter Lemke Januar 2016 (Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung) Die Erwärmung der Erde ist eindeutig Seit Beginn der globalen Temperaturmessungen im Jahr 1880 hat sich die Erde um etwa 1°C erwärmt. Aber die Erwärmung ist nicht überall gleich. Sie ist besonders groß auf den Kontinenten und in höheren nördlichen Breiten. Seit über hundert Jahren wird an der Helgoland Reede in der Deutschen Nordsee die Wassertemperatur gemessen. Jeden Tag werden dort – zurzeit durch das Forschungsmotorboot Aade (siehe Abb.1) – auch Wasserproben genommen, aus denen alle Kleinstlebewesen bestimmt und gezählt werden. Diese Daten sind weltweit einmalig und von unschätzbarem Wert für die Planung unserer Zukunft, da die Menschheit sehr von den Küstenmeeren abhängig ist. Die Analyse der Temperaturmessungen macht deutlich, dass die Erwärmung in den vergangenen 50 Jahren besonders ausgeprägt ist. Abb. 2: Global gemittelte Oberflächentemperatur der Meere (oben, Datenquelle NOAA) und Oberflächentemperatur der Nordsee bei Helgoland Reede von 1962 bis 2015. Abb. 1: Das 1974 gebaute Holzmotorboot Aade des Alfred-Wegener-Instituts ist ausschließlich auf den Gewässern rund um die Nordseeinsel Helgoland unterwegs. Es läuft tagtäglich aus, um Proben für die Helgoland-Reede Langzeituntersuchung zu nehmen. Diese zeitlich hochaufgelöste Datenreihe besteht seit dem Jahr 1962 und erfasst physikalische und biologische Messgrößen. Dies ist besonders folgenreich für die Küstengesellschaften, da die globale Fischerei von der Funktionsfähigkeit der Nahrungsnetze in den flachen Randmeeren abhängig ist. Die Konsequenz ist, dass neue Arten in die Schelfmeere einwandern (wie beispielsweise die Algenblüten hervorrufende und dem Phytoplankton zuzuordnende Kieselalge Mediopyxishelysia, siehe Abb. 3), kälteliebende Arten verschwinden und auch die Meeresströmungen werden beeinflusst. Der Mensch muss sein Verhalten an diese neue Situation anpassen, aber auch Vermeidungsstrategien entwickeln, um die globale Erwärmung zu stoppen. Die Erwärmung der Nordsee ist größer Abbildung 2 zeigt die Wassertemperatur an der Helgoland Reede seit 1962 im Vergleich zur global gemittelten Oberflächentemperatur des Weltozeans. Durch die Mittelung wird die Variabilität der globalen Oberflächentemperatur des Ozeans stark reduziert. In den Daten der Helgoland Reede ist die Variabilität hingegen deutlich zu sehen. Sie hängt von lokalen Prozessen ab. Es ist offensichtlich, dass sich die Nordsee deutlich stärker erwärmt. Das Jahr 2014 war das bisher wärmste, und 2015 liegt nur dicht dahinter. Kältere Jahre wie zum Beispiel 2010 oder 2013 sind im Vergleich zu vor fünfzig Jahren gar nicht mehr kalt. Der Trend ist eindeutig: in den vergangenen 50 Jahren ist die Nordsee um 1,7°C wärmer geworden; der globale Ozean erwärmte sich in der Zeit dagegen nur um 0,6°C. Somit ist die Deutsche Bucht eines der sich am schnellsten erwärmenden Küstenmeere überhaupt. Im Vergleich zum globalen Ozean geht es in den flachen Schelfmeeren somit deutlich „heißer“ zu. Abb. 3: Ein Neuzugang in der Nordsee: die Kieselalge Mediopyxis-helysia (http://planktonnet.awi.de/index. php?contenttype=image_details&itemid=63574#content) Kontakt: Prof. Dr. Karen Wiltshire (Direktorin der Biologischen Anstalt Helgoland und Wattenmeerstation Sylt, AWI) Prof. Dr. Peter Lemke (Wissenschaftlicher Koordinator REKLIM, AWI)