Trugbild ADHS

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Trugbild ADHS
Krankheitsbegriff, Differentialdiagnosen und Therapie
Dr. Robert Thill-Heusbourg
Facharzt für Neurologie
Zusatzbezeichnung Sportmedizin
ÖÄK-Diplom für Psychotherapeutische Medizin
Einleitung
„Man soll die Dinge nicht so
tragisch nehmen, wie sie sind“
Karl Valentin
Gesundheit ist ein Zustand des völligen
körperlichen, geistigen und sozialen
Wohlbefindens, und nicht nur die Abwesenheit
von Krankheit.
Definition der WHO
Laut verschiedenen Studien
geben ca 30% der FitnessStudio-Benutzer Besucher in
Deutschland den Gebrauch von
verbotenen Doping-Substanzen
(Anabolika u.a.) zu.
« Macht die Gesellschaft wieder
sauber, dann wird es auch der
Sport sein. »
Willy Daume
Es kann keine gesunde Schule in
einer kranken Gesellschaft geben.
Neurologische Therapie
“Neuro-Enhancement”
“Kognitives Enhancement”
« Ein neues Zeitalter sehen manche Beobachter
heraufdämmern: Neuro-Enhancement, das
Tunen von Psyche, Gedächtnis und Intellekt,
werde bald alltäglich sein. »
Ulrich Bahnsen
Bauteile für die Seele
Die Zeit, Nr.34, 16.8.2007
…pharmakologische Lernturbos,
Psychopillen, Gedächtnispillen,
Gedächtnisbooster, Modedrogen…etc
« Schon jetzt fürchten allerdings
Fachleute, dass die Hirnkrücke für Kranke
zum Accessoire der Gesunden werden
könnte. »
Ulrich Bahnsen
Bauteile für die Seele
Die Zeit Nr. 34 16.8.2007
Ist der Geist bloß Biologie?
Ulrich Bahnsen
Bauteile für die Seele
Die Zeit, Nr.34, 16.8.2007
Es gibt seit Jahren einen Wettkampf darum,
wer den menschlichen Geist erklären darf – die
Neurowissenschaftler, die Kognitionsforscher
oder die Psychologen.
Thomas Metzinger
Universität Mainz
Ultimately, all psychologic disturbances reflect specific
alterations in neuronal and synaptic function. And insofar as
psychotherapy works, it works by acting on brain functions,
not on single synapses, but on synapses nevertheless.
(…)
As a result, when I speak to someone and he or she listens to
me, we not only make eye contact and voice contact but the
action of the neuronal machinery in my brain is having a
direct and, I hope, longlasting effect on the neuronal
machinery in his or her brain, and vice versa. Indeed, I would
argue that it is only insofar as our words produce changes in
each other’s brains that psychotherapeutic intervention
produces changes in patients’ minds. From this perspective
the biologic and psychologic approaches are joined.
Eric Kandel (1979)
Columbia University
« All mental processes, even the most
complex psychological processes, derive from
operations of the brain. »
Eric Kandel, MD, 1998
Bildunterschrift
« Where is my stimulant? »
BMJ 2004; 329, 907-908
Use of stimulants for attention
deficit hyperactivity disorder
David Coghill
« Akut » 2007
Die Zahl derer, die durch zu viele
Informationen nicht mehr informiert
sind, wächst.
Rudolf Augstein
At last month’s meeting of the pediatric committee, APA director of Research Darrel Regier, M.D.,
M.P.H., urged members of the committee and FDA officials “to pursue the original objectives of (Drug
Safety and Risk Management) panel and avoid the use of black-box warnings as expressions of FDA
consultant personal opinions about the most appropriate prevalence and treated prevalence rates as the
basis for allegations of inappropriate prescribing.”
Overstated warnings not backed up by hard data could result in limiting access to the medications, Regier
continued, a risk that is “clearly heightened when the FDA is asked to use nonresearch standards for
warnings and also finds itself pressured from individuals and organizations that deny the very existence
of mental disorders…,” Regier concluded,
“The plural of anecdote is not data.”
Psychiatric News
April 21, 2006
(American Psychiatric
Association)
Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens
(nach Galileo Galilei, 1564-1642)
- Reproduzierbarkeit
- Quantifizierbarkeit
- Analysierbarkeit
Krankheitsbegriff
Psychiatrie
allgemein
Tabuzone
Gehirn
Krankheit : (engl.) disease, illness ; Erkrankung,
Nosos, Pathos, Morbus ;
1. Störung der Lebensvorgänge in Organen oder im gesamten Organismus mit
der Folge von subjektiv empfundenen bzw. objektiv feststellbaren
körperlichen, geistigen bzw. seelischen Veränderungen.
2. In der Rechssprechung des Bundessozialgerichts der Zustand von
Regelwidrigkeit im Ablauf der Lebensvorgänge, der Krankenpflege und
Therapie erfordert und aus dem eine berufsspezifische erhebliche Arbeits- bzw.
Erwerbsunfähigkeit resultiert.
3. Begriffl. Bezeichnung für eine definierbare Einheit typischer ätiologischer,
morphologischer , symptomatischer, nosologisch beschreibbarer
Erscheinungen, die als eine bestehende Erkrankung verstanden wird.
Pschyrembel
Klinisches Wörterbuch
Syndrom : (mitlaufend, begleitend) n :
(engl) syndrome ; Symptomenkomplex ;
Gruppe von Krankheitszeichen, die für ein bestehendes
Krankheitsbild mit meist uneinheitlicher oder unbekannter
Ätiologie bzw. Pathogenese charakteristisch sind.
Pschyrembel
Klinisches Wörterbuch
Krankheitsbegriffe
kategorial: krank oder nicht krank
dimensional: Normbeurteilung
(wo beginnt das Krankhafte?)
« …Lebensschwache, Dauerkranke, Irre und Krüppel… »
Der Krankheitsbegriff
als
-Schutz
-Rechtsquelle
Schutz
vor
Diskriminierung
Recht auf Asyl
Asyl ([a’zy:l] n.; -s,-e) 1 Freistätte, ZufluchtsOrt (für Verfolgte); politisches – Obdach für
polit. Flüchtlinge; um – bitten, nachsuchen
2 Heim, Obdach (für Obdachlose); jmdm.
- gewähren [ < grch. Asylon ,,unberaubt,
unverletzt’’ ; zu a ... ,,nicht’’ + sylan
,,berauben’’]
Schutz
vor der Ausgliederung
aus der Gesellschaft
aus der Schule
aus der Familie
Recht
auf Differenzierung
in der Gesellschaft
in der Schule
in der Familie
Recht auf Diagnostik
-psychologisch/psychometrisch
-pädagogisch
-psycho-motorisch
-medizinisch
Recht
auf
Behandlung
Recht auf Kostenübernahme
der Behandlung
durch die Krankenkasse
Krankeitsbegriff
ADHS
Medienkampagne zu ADHS
und/oder Ritalin
⇒anti-psychiatrische
Bewegung
„Überragende Ärzte verhindern Krankheit,
mittelmässige heilen noch nicht ausgebrochene
Krankheiten, unbedeutende Ärzte behandeln bereits
bestehende Krankheiten.“
Chinesisches Sprichwort
« ADHS ist kein Hirngespinst »
Mars di Bartolomeo
14.10.2005
ADHS Symposium Luxemburg
« ADHS ist ein Hirngespinst. »
(im 2. Sinn)
Mars di Bartolomeo
14.10.2005
ADHS Symposium Luxemburg
Das Gehirn ist ein Organ wie alle
anderen Organe auch.
Gesundheit ist ein Zustand des völligen
körperlichen, geistigen und sozialen
Wohlbefindens, und nicht nur die Abwesenheit
von Krankheit.
Definition der WHO
Die Gesellschaft schafft die Bedingungen,
unter denen die Kinder ein hyperaktives
Benehmen zeigen.
H. Remschmidt,
(Aachen 4/02)
ADHS ist eine Anpassungsstörung
C. Neuhaus
(Aachen 4/02)
• Man kann autistische Verhaltensweisen
aufweisen, ohne dass man an Autismus leidet.
• Man kann in seinem Gefühls-und Geistesleben
gespalten sein, ohne dass man an Schizophrenie
leidet.
• Man kann depressive Verstimmungen erleben,
ohne dass man an Depressionen leidet.
• Man kann unaufmerksam sein, ohne an einer
Aufmerksamkeitsstörung zu leiden.
• Man kann tag- träumen, ohne an einer
Aufmerksamkeitsstörung zu leiden.
• Man kann sich wild, impulsiv und unkontrolliert
benehmen, ohne an einer Hyperaktivitätsstörung
zu leiden.
aber:
Autismus
Schizophrenie
Depressionen
ADHS
u.a.
sind eine Realität, mit der wir uns auseinandersetzen
müssen, weil Millionen von Menschen ein Leben
lang darunter leiden und in ihren täglichen
Lebensvollzügen dadurch schwer und auf Dauer
behindert sind.
Introduction à la Loi de 2005 sur l’accessibilité pour
les personnes handicapées de l’Ontario (LAPHO)
Qu’entend-on par « handicap »?
La LAPHO utilise la définition du terme « handicap » donnée dans le Code des
droits de la personne de l’Ontario. Cette définition inclut le handicap physique,
intellectuel et d’apprentissage, de même que les troubles du psychisme. Un
handicap peut être visible ou invisible.
Qu’entend-on par obstacle?
Un obstacle est toute chose qui empêche une personne handicapée de participer
pleinement à la vie de la société en raison de son handicap. Un obstacle peut
être visible ou invisible. Citons comme exemple de handicap visible un
bâtiment comportant des marches, mais pas de rampe d’accès. Quant aux
obstacles invisibles, il peut s’agir, par exemple, d’une politique qui impose un
délai de temps pour un test d’emploi ou pour des possibilités de formation ou de
promotion
ASSOZIIERTE PROBLEME BZW. BEHINDERUNGEN I
- intellektueller Entwicklungsrückstand
- Störungen der grob- und feinmotorischen Koordination und der sensorischen
Integration
- sozialer Entwicklungsrückstand
- Schulversagen
- Lernstörungen
- Sprach- und Sprechentwicklungsstörungen
- Gestörtes regelbestimmtes Verhalten (Disziplin)
- Gestörte Internalisierung der Sprache (Selbst-Reflexion)
- Grössere Schwankungen im Leistungsspektrum
- Gestörtes Zeitgefühl
ASSOZIIERTE PROBLEME BZW. BEHINDERUNGEN II
- Gestörte emotionale Selbstkontrolle
- Gefühl der kognitiven und moralischen Minderwertigkeit
- Motivationsdefizit
- Höheres Unfall-Risiko
- Verkehrsdelikte (18 % gegen 5 %)
- Physische Gewalttaten und Delinquenz (20 % gegen 5 %)
- Schulverweis
- Schwierigkeiten in der Ausbildung und am Arbeitsplatz
Delinquente Jugendliche
Rössler 2001
-921 Delinquente aus Jugendvollzugsanstalt
Ergebnisse:
-ADHS bei 35% der Raubdelinquenten
-ADHS bei 31 % der sexualdelinquenten
-ADHS bei 22 % der Tötungsdelinquenten
Delinquente Jugendliche
Rössler 2001
Das Risiko für eine Delinquenz bei kindlicher
ADHS ist im Jugendalter um das 5,98-fache
erhöht
Risikogruppen
Schwere Adipositas bei Frauen:
-46 % haben eine ADHS (Altfas 2002)
Schlussfolgerung für die Versicherungsmedizin
Bei dieser Krankheitsgruppe werden mehr oder weniger starke psychische Irritationen
sicherlich lebenslang gefunden werden. Die ADS-Erkrankung des Erwachsenen ist aber zu
wenig erforscht, um hier genaue Zahlen nennen zu können. In der Berufsunfähigkeits- und
Erwerbsunfähigkeits-Versicherung muss mit einer dauernden Minderung der Belastbarkeit
bis in das Erwachsenenalter gerechnet werden. Zunehmend wird die Symptomatik im
Erwachsenenalter beobachtet und als Krankheit erforscht. Weitere Zahlen stehen zur Zeit
noch nicht zur Verfügung, werden aber in den nächsten Monaten erwartet.
Daher sollten bei stärkerer Ausprägung des Krankheitsbildes psychische Erkrankungen
ausgeschlossen werden oder höhere Zuschläge erhoben werden. Dies hat zur Zeit eine große
Bedeutung für die Kinderversicherung mit einem Einschluss der Minderung der
Erwerbsfähigkeit. Aber auch im Erwachsenenalter werden wir zunehmend mit diesem
Krankheitsbegriff konfrontiert werden, und in den BU- und EU-Produkten – wie oben
erwähnt – reagieren müssen. Für die Lebensversicherung können verbleibende Depressionen
und soziale Phobien als relevantes Risiko angesehen werden.
Marlies Ostermann-Myrau
Ärztliche Direktorin General/Cologne Re
RPaktuell Sonderausgabe 2001 3
(Info-Brief der General Re Corporation für Risikoprüfer)
Teufelskreise
Engelskreise
ADHS im Erwachsenenalter
-ca 3,5 % aller Erwachsenen (gegenüber 5-10 % der
Kinder)
-bis zu 1/3 der Erkrankungen des Kindesalters dauern
bis ins Erwachsenenalter an
-ein weiteres 1/3 hat Symptome, ohne aber alle
Kriterien zu erfüllen
-geringere Dominanz des männlichen Geschlechts als
im Kindesalter
ADHS im Erwachsenen-Alter
Über 50 % der Erwachsenen mit ADHS zeigen weitere
psychiatrische Erkrankungen,d.h.Ko-Morbidität
-dissoziale Persönlichkeitsentwicklung
(besonders bei Männern)
-Borderline-Persönlichkeitsstörung (besonders bei Frauen)
-Substanzabsusus (Alkohol, Drogen)
-depressive Störungen
-bipolare affektive Störungen
-Angststörungen
-somatoforme Störungen
-Tic-Störungen
B. Herpertz-Dahlmann
(Aachen 04/02)
Erwachsene mit ADHS
Nur die, welche nicht so stark betroffen sind, haben eine Chance auf Behandlung.
⇒
alle anderen sind im sozialen Abseits verschwunden (Alkohol, Drogen,
Kriminalität), wo niemand ihnen mehr glauben wird, dass primär bei
ihnen eine ADHS-Problematik bestanden haben könnte.
⇒
die meisten der erwachsenen Patienten, welche in der Praxis gesehen
werden, haben eine Form der Kompensation ihrer Störung gefunden
Öffentlicher Einführungsvortrag am 13.10.2005
Ist ADHS eine Krankheit?
Implikationen für Schule und Gesellschaft
Internationales Symposium vom 13.-15. Oktober 2005
„Allen Gewalten zum Trotz sich erhalten“
ADHS im Lebenslauf
Prof. Dr. med. A. Warnke
Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der
Universität Würzburg
Wir sprechen von Krankheit, wenn eine körperliche
oder seelische Beeinträchtigung so schwerwiegend
ist, dass ein Kind oder Jugendlicher der Bewältigung
von alters- und entwicklungsangemessenen
Lebensaufgaben nicht nachkommen kann und
dadurch seelisches und körperliches Leid von
Behandlungsrelevanz entsteht.
Neben dem subjektiven Leidensdruck können auch
der Leidensdruck von Bezugspersonen im familiären
und außerfamiliären Umfeld (Kindergarten, Schule,
Beruf) Anlass sein, Besonderheiten von Erleben und
Verhalten eines Mitmenschen als Störung,Selbstoder Fremdgefährdung verstehen zu müssen.
Das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom
(ADHS) ist im Krankheitskatalog der
Weltgesundheitsorganisation (ICD 10 der WHO)
eingeordnet und definiert. Als Krankheit definiert
haben die betroffenen Menschen fraglos und ohne
Gutachtenverfahren Anspruch auf eine durch
Krankenkassen finanzierte Diagnostik und auch
Behandlung.
Die von dem Störungsbild betroffenen Kinder und
Jugendlichen haben eine hohe Gefährdung in ihrer
sozialen Eingliederung zu scheitern, in Familie,
Kindergarten, Schule und Beruf in
Außenseiterpositionen zu geraten, in ihren
begabungsadäquat schulischen und beruflichen
Ausbildungsgängen zu scheitern; ihr Risiko in
strafrechtliche Konflikte zu geraten und zu
Suchtmitteln zu greifen und auch unter weiteren
psychischen Störungen zu leiden, ist wesentlich
erhöht.
So ist nur zu gut begründet, die schwere Störung in
der Aufmerksamkeitsentwicklung, der
Impulskontrolle und der psychomotorischen
Steuerung als Krankheit zu begreifen und den
betroffenen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen
und ihren Familien alle nur möglichen
gesundheitlichen Hilfestellungen zu geben.
Co-Morbidities of ADHD I
●
co-morbidity is the rule, not the exception
-one co-morbidity
-two co-morbidities
-three co-morbidities
85-100 %
65-70 %
35-50 %
● if 4 % of general population of children have ADHD
⇒ 2 % of children are severely disabled
- developmental & academic problems
- learning disabilities
- neuro-psychiatric disorders
● ADHD is always a signal that co-morbidities must be screened for
Co-Morbities of ADHD II
Developmental & academic problems
-reading and writing disorder: 20-50 %
-mathematic disorder: 20 %
-DCD (developmental coordination disorder): 50 %
-DAMP = ADHD + DCD
-speech and language delay 30-50 %
Prof. Christopher L. Gillberg
ADDISS, London, 11/02
Co-Morbidities of ADHD III
Learning disabilities (LD)
- mental retardation (IQ < 70): 15 %
- subnormal intelligence (IQ ∼ 80): 25 %
⇒ can ADHD sometimes be “misunderstood” LD?
⇒ are we more prone to diagnose ADHD than
subnormal intelligence?
-academic failure: 90 %
⇒ ADHD should always be considered in cases of
academic failure
Prof. Christopher L. Gillberg
ADDISS, London, 02/03
Co-Morbidities of ADHD IV
Neuro-psychiatric disorders
-Tic-disorders: 20-40 %
⇒ could HI-subtype with family history of tics be early manifestation of
TS?
(ADHD-symptoms may appear several years before tics)
-bipolar disorder and classic autism: 10 %?
-OCD (obsessive compulsive disorder)
-autism spectrum : 20 %
⇒ means that in PDD, ADHD is very common
-ODD: 60 % (oppositional defiant disorder)
-CD: 30 % (conduct disorder)
-depression 30 % (many teenagers with depression have ADHD)
-anxiety: 20 %
-psychoses: 5 %
-personality disorder: 40 %
⇒ probably most common adult psychiatric “misdiagnosis”
-eating disorders: 5 %
Prof. Christopher L. Gillberg
ADDISS, London, 02/03
ADHS
ist keine harmlose Störung
⇒ chronische lebenslangeBehinderung
ADHS-Kernsymptome
Aufmerksamkeitsstörung als Schwierigkeit, sich anhaltend konzentrieren
zu können, wenn etwas nicht attraktiv ist.
Hyperaktivität als Schwierigkeit, die inneren Bewegungsimpulse
beherrschen zu können.
Impulsivität als Schwierigkeit, eine automatisierte „ServoVerhaltenskontrolle“ aufzubauen.
Emotionale Labilität als Schwierigkeit, eine gleichmäßige Gestimmtheit
mobilisieren zu können.
ADHS
Störung der Wahrnehmung
ADHS
Störung der sensorischen
Integration
SENSORIK
Körperschema: Nahsinne
-Somästhesie (Oberflächensinne, Hautsinne)
-Kinästhesie (Tiefensinn bzw. Propriozeption und Gleichgewichtssinn)
-Geschmackssinn
Raumschema: Fernsinne
-Sehsinn
-Hörsinn
-Geruchssinn
Körperschema und Raumschema
→ Körper-im-Raum-Schema
ADHS
Störung der zentralen
motorischen Koordination
-Feinmotorik
-Grobmotorik
-Gleichgewicht
E.Dupré:
La débilité motrice dans ses rapports
avec la débilité mentale
(Nantes, 1909)
J. de Ajuriaguerra:
Le problème de la débilité motrice
(Paris 1948)
ADHS
Konstitutionelle Dysregulation der autonomen
Selbststeuerungsprozesse.
Schlaf-Wach-Regulierung
Thermoregulierung
Hunger-Durst-Bedürfnis
Nähe-Distanz-Regulierung
Herz-Kreislauf
Wahrnehmungsstörungen
Eltern/Lehrer/Ärzte : « Hie kann, mee hie wëllt nët ».
Kind :
« Ech wëll, mee ech kann nët ».
oder
Eltern/Lehrer/Ärzte :
Kind :
« Hie wëllt, mee hie kann nët ».
« Ech kann, mee ech wëll nët ».
Auch Eltern, Lehrer und Ärzte
können an Wahrnehmensstörungen vielfältiger Ätiologie
und Ausprägung leiden
ICD-10 und DSM IV
Alle Symptome müssen folgende Kriterien erfüllen:
- schwerwiegend
- chronisch
- behindernd
- in wechselnden Situationen vorhanden
“Herr Doktor,
mein Magen tut mir weh,
die Leber ist geschwollen,
die Füsse wollen nicht so recht,
das Kopfweh hört nicht mehr auf,
und wenn ich von mir selbst reden darf:
Ich fühle mich auch nicht wohl.„
Karl Valentin
„Nihil est in intellectu quod non
fuerat in sensibus.„
(Nichts ist im Verstand, was
nicht vorher in den Sinnen war.)
John Locke (1632-1704)
Biologische Basis der ADHS
Forschungsergebnisse
Neurogenetik
Neuroimaging
Neurophysiologie
Neuropsychopharmakologie
Behandlungsergebnisse
Dopamin > Noradrenalin
Familiäre Transmission
-Familiäre Häufung
Eltern von ADHS-Kindern haben ein höheres Risiko, an ADHS zu leiden.
Kinder von ADHS-Eltern haben ein höheres Risiko, an ADHS zu leiden
(57% erkrankt).
Der adulte ADHS-Typ hat eine hohe Erblichkeit.
-Beteiligung multipler Gene
z.B. Variante des D4 Dopamin-Rezeptor-Gens
-Zusammenspiel genetischer Einflüsse und Umweltfaktoren
Genetik
Brustkrebs
Asthma
Schizophrenie
ADHS
0,3
0,4
0,7
0,8
(d.h. wenn beide Eltern ADHS haben, werden 80 % ihrer
Kinder ADHS haben)
⇒durchschnittlicher genetischer Beitrag bei ADHS nach
Zwillingsstudien
Ursachen (Hypothesen)
Neurobiologische Faktoren
Frontalhirn-Dysfunktion (Inhibition, exekutive Funktionen)
Stammganglien-Dysfunktion
(Hyperaktivität)
Neurotransmitter-Ungleichgewicht (Dopamin, Noradrenalin, Serotonin, Glutamat)
Genetische Faktoren
keine chromosomalen Abweichungen
kein einheitliches Störungsbild
Familienstudien (50-80 %iges Risiko für Nachkommen)
Jungen mit ADHS: bei 45 % aller Elternpaare ist mindestens ein Elternteil betroffen
Mädchen mit ADHS: bei 63 % aller Elternpaare ist mindestens ein Elternteil betroffen
Kind ohne ADHD: bei 3 % aller Elternteile ist mindestens ein Elternteil betroffen
Adoptionsstudien
Zwillingsstudien (81 % Konkordanz für eineiige Zwillinge, 29 % Konkordanz für zweieiige
Zwillinge)
DNA-Analysen (dopaminerges, serotonerges und adrenerges System)
„Gene fahren also nicht auf Autopilot, sondern sie
gleichen einem Klavier, auf dessen Tasten zahlreiche
Signalstoffe spielen. Die Fachleute sprechen von
Genregulation. In den letzten Jahren konnte
nachgewiesen werden, dass nicht nur Ernährung und
Umwelt Einfluss auf die Genregulation haben, sondern
auch das, was wir in zwischenmenschlichen
Beziehungen erleben. Die stärkste „Droge“ für den
Menschen ist der andere Mensch.“
Joachim Bauer, Medizinprofessor am Universitätsklinikum Freiburg
mit Forschungsschwerpunkt Neurobiologie und Psychosomatik
(Furche Nr 18/3.5.2007)
Psycho-soziale Faktoren haben
neurobiologische Folgen
⇒ erfahrungs- bzw. nutzungsabhängige Plastizität
(„experience- dependent-plasticity“) des sich entwickelnden
Gehirns
⇒ auch zwischenmenschliche Erfahrungen werden als
Veränderungen der neuronalen Matrix im Gehirn verankert
„neurons that fire together wire together“
„After leaving this lecture, your brain and its synapses will no longer be
the same as before“
(Eric Kandel)
Pathophysiologie der unipolaren Depression
-genetische Einflüsse
-biochemische Veränderungen
-entwicklungsbedingte Ereignisse
→
einige multifaktorielle Störungen resultieren nicht
aus genetischen Variationen vieler Gene mit nur geringem
Effekt, sondern aus Variationen weniger Gene, deren
Effekte abhängig sind vom Auftreten bestimmter UmweltFaktoren.
Caspi et al (2003, Science, 301:386-389)
Influence of life stress on depression: moderation by a polymorphism in the 5-HT gene
„Dunedin Multidisciplinary Health and Development”-Studie
COMMON ENVIRONMENTAL ASSOCIATIONS
pregnancy
-nicotine, alcohol, anticonvulsants, cocaine,heroine
-lead, mercury
-hypothyroidism
-anxiety
-stress, infections, toxaemia, ADH
perinatal
low, birth weight, orphanage, perinatal care
infancy
attachment problems, neglect, injury
Prof. Eric Taylor
ADDISS London
November 2002
Biologische Befunde
Bildgebung
- Reduzierter Glucosemetabolismus präfrontal
- Frontale Störung einschließlich ihrer subkortikalen
Verbindungen und rechtshirnige Beteiligung
- Verminderte dopaminerge Aktivität präfrontal
⇒ Dopaminerge Funktionsstörung beim Erwachsenen
ausschließlich frontal?
Noxen
-Nikotin intrauterin : gesicherte Datenlage
-Nahrungsmittelzusätze?
-Konservierungsmittel?
Food Additives Associated with Hyperactivity in Children
Common food additives may cause hyperactivity in children in the general
population, according to a study published online in Lancet.
In a randomized crossover trial, 137 three-year-olds and 130 eight- or nine-yearolds consumed daily drinks of placebo, mix A (sodium benzoate and artificial food
coloring), or mix B (similar to mix A, but with additional food coloring) for 6
weeks. Hyperactivity was evaluated using teacher and parent ratings, direct
observation, and a computerized test.
Compared with placebo in adjusted analyses, mix A was associated with elevated
hyperactivity scores among three-year-olds, while mix B was associated with
elevated scores among eight- or nine-year-olds.
The authors write, "These findings show that adverse effects are not just seen in
children with extreme hyperactivity (ie, ADHD), but can also be seen in the
general population and across the range of severities of hyperactivity."
Lancet online september 2007
Geschichte
Heinrich Hoffmann 1809-1894
Schriftsteller, Arzt und 1851-1888 Direktor der
städtischen Nervenheilanstalt in Frankfurt am Main,
an der er als erster eine besondere Abteilung für
psychisch abnorme Kinder einrichtete.
“Der Struwwelpeter” (1845)
George Frederick Still
1868 – 1941
Goulstonian Lectures (1902)
-first description: series of 23 children
-diminished moral control
-passionateness (extreme tempers)
-spiteful
⇒ key explanatory ideas:
-inhibitory volition impaired, not influenced by punishment; lack of sustained attention
-occurs in normal families
-family histories positive in 17/20
-physical anomalies frequent
Prof. Eric Taylor
ADDISS London
November 2002
George Frederick Still
1868 – 1941
Goulstonian Lectures (1902)
key question:
“Can diminished moral control (∗) be a pathological state?”
∗ ⇒ “the control of action in conformity with the idea of the good of all”
it requires:
- cognitive appreciation of demands
- moral consciousness (reasoning)
- inhibitory volition
Prof. Eric Taylor
ADDISS London
November 2002
GESCHICHTE
1844
Heinrich Hoffmann
Die Geschichte vom Zappel-Philipp
1875
Hermann Lahr
„Über den Einfluss der Schule zur Verhinderung von Geistesstörungen "
1902
George Frederic Still
- Mutmassungen über eine " biologische Basis für unkontrolliertes Verhalten "
- " Ererbte Bereitschaft für moralische Verderbtheit "
1908
Alfred Tredgold
"minimal brain damage"
1934
Eugène Kahn
hyperaktives, impulsgetriebenes, moralisch unreifes Verhalten der von ihnen
behandelten Opfer der Encephalitis-Epidemie 1917 /1918 biologisch bedingt
GESCHICHTE
1937
Charles Bradley
Erfolge beim Einsatz von Benzedrin, einem Stimulans, zur Behandlung
verhaltensgestörter Kinder, welche an den Spätfolgen einer Encephalitis litten
1941
Synthese von Methylphenidat (Ritalin)
" Substitutionsbehandlung " (Dopamin- Analogon)
1947
Strauss
" Minimal brain damage " versus
" Minimal cerebral dysfunction "
1957
Maurice Laufer
"hyperkinetisches Syndrom"
(Funktionsstörung im Thalamus)
Hyperaktivität als eine Verhaltensstörung, welche eine organische Ursache
haben konnte, jedoch auch ohne diese vorkommen könnte
GESCHICHTE
1968 DSM II
- "hyperkinetic reaction of childhood disorder"
- grosse Diskrepanz zwischen Nordamerika und
Europa (Prävalenz, Diagnose, Therapie)
- Stimulantien-Therapie anerkannt
1975 - "Mythos" Hyperaktivität
- Umwelt-Gifte-Hypothese
- Diät-Therapie
- Verhaltenstherapie
- breite Akzeptanz der Lehrer- und ElternFragebögen (Conners)
- Psycho-Physiologie
- Erwachsenen-ADHD
1978
ICD-9
"Aufmerksamkeitsstörung +/- Hyperaktivität„
1980
DSM III
"attention-deficit disorder (ADD)"
(with or without hyperactivity)
(+ H / - H)
1987 DSM III-R
ADD/-H wird nicht mehr anerkannt
( ausschliesslich ADHD
- Eltern-Training
- Lehrer-Training
- Eltern-Initiativen
- Scientology-Kampagne gegen Stimulantien-Therapie
- multimodales Therapie-Konzept
GESCHICHTE
1990
Alan Zametkin
PET-Studie: Stoffwechsel im Frontalhirn bei ADHD-Erwachsenen vermindert
1992
ICD-10
"Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeits-
1994
DSM IV
ADD/-H wieder anerkannt
1996
Castellanos
- MRT-Studie: Frontalhirn-Striatum-Netzwerk bei ADHD-Kindern verkleinert
- Adoptionsstudien
- Zwillingsstudien
- DNA-Analysen
1997
Russel Barkley
störung"
"response-inhibition-deficit"-Konzept
(ADHD nicht durch eine Aufmerksamkeits-störung, sondern durch ein
Reaktionshemmungsdefizit ausgelöst)
1998
Alan Zametkin
PET-Studie: Dopamin-Aktivität ist im präfrontalen Kortex bei ADHDErwachsenen vermindert
2003
Atomoxetine (Strattera): selektiver Noradrenalin-Reuptake-Hemmer
Diagnose
Journal of Attention Disorders, Vol. 11, No. 2, 106-113 (2007)
DOI: 10.1177/1087054707300094
© 2007 SAGE Publications
Evaluating the Evidence For and Against the Overdiagnosis of ADHD
Mark J. Sciutto, PhD
Muhlenberg College, Pennsylvania, [email protected]
Miriam Eisenberg
Muhlenberg College, Pennsylvania
Objective: According to the DSM-IV TR, approximately 3 to 7% of school-age children meet the criteria for ADHD.
However, there is a common conception that ADHD is overdiagnosed. The purpose of this article is to evaluate the evidence
for and against overdiagnosis.
Method: Recent prevalence studies and research on factors affecting diagnostic accuracy were reviewed. For ADHD to be
overdiagnosed, the rate of false positives (i.e., children inappropriately diagnosed with ADHD) must substantially exceed the
number of false negatives (children with ADHD who are not identified or diagnosed).
Results and Conclusion: Based on the review of prevalence studies and research on
the diagnostic process, there does not appear to be sufficient justification for the
conclusion that ADHD is systematically overdiagnosed. Yet, this conclusion is
generally not reflected in public perceptions or media coverage of ADHD. Potential
explanations for the persistence of the belief in the overdiagnosis of ADHD are offered. (J. of Att. Dis. 2007; 11(2) 106-113)
Diagnostischer Prozess
Lebensgeschichte
DIAGNOSTISCHER PROZESS
- Fragebogen: biographische Daten, Schulanamnese, Sozialanamnese, Familienund Eigenanamnese, bereits durchgeführte Untersuchungen und Behandlungen
- Elterngespräch: offen und strukturiert/ Fragebogen
- Kindgespräch: offen und strukturiert/Fragebogen
- Lehrergespräch: offen und strukturiert/Fragebogen
- Medizinische Anamnese
- Körperliche/klinische Untersuchungen (allgemein-pädiatrisch, neurologisch)
- Paraklinische Untersuchungen (Labor, EEG, Frühe Akustisch evozierte
Potentiale, Schädel-CT u.a.)
- Psychologische und psychometrische Exploration
- Abschliessendes Synthesegespräch
Aufmerksamkeit
3 ARTEN DES SCHULVERSAGENS
1. schlechte Noten
2. genügende Noten
– inoffiziellesProgramm réduit
3. genügende Noten – Hausaufgaben
dauern täglich 4 Stunden
Diagnose-Weg
I. Verdacht
II. Screening (DSM IV, ICD 10, Conners)
III. Untersuchungen:
-medizinisch
-psychiatrisch
-neurologisch
IV. Multiaxiale Diagnostik in
6 Achsen
V. Therapie-Indikation
H. Remschmidt (Aachen 4/02)
IV. Multiaxiale Diagnostik in 6 Achsen
1.Achse: klinisch-psychiatrisches Syndrom
2.Achse: umschriebene Entwickungsstörungen (Sprechen, Sprache, Motorik,
schulische Fertigkeiten, etc.)
3.Achse: Intelligenzniveau
4.Achse: körperliche Symptomatik
(z.B. Tics, epileptische Anfälle, Eßstörungen, Enuresis, etc.)
5.Achse: abnorme psychosoziale Umstände
6.Achse: Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung in
4 Bereichen
⇒
sechsteilige Diagnose
H. Remschmidt
(Aachen 04/02)
Psychometrie
→Noo-Psyche:
geistig/kognitives Profil
→Thymo-Psyche:
emotional/affektives Profil
Bei jedem Schulversagen muss das Vorliegen von einer
intellektuellen Minder- oder Hochbegabung, ADHS
beziehungsweise einer anderen behandlungsrelevanten
Krankheit ausgeschlossen werden.
ADHS im Erwachsenenalter
Symptome:
•
•
•
•
Aufmerksamkeitsdefizit
Impulsivität
Hyperaktivität
affektive Instabilität
ADHS im Erwachsenenalter
Diagnostik:
Die Diagnose einer ADHS im Erwachsenen-Alter
setzt eine entsprechende Störung in der Kindheit voraus
• Fragebögen: -Wender Utah Rating-Scale (WURS)
-Brown ADD Scales
-The Conners Adult ADHD Rating Scale
• Eigen- und Fremdanamnese
• Neuro-psychologische Test-Batterie
B. Herpertz-Dahlmann
(Aachen 04/02)
ADHS im Erwachsenenalter
• Bei Erwachsenen dominieren Probleme in
der kognitiven Kontrolle und weniger in der
motorischen Kontrolle
• dopaminerge Funktionsstörung
ausschließlich frontal (weniger
Basalganglien)
• ⇒ fundamentale Störung kognitiver
Funktionen
KOMPLEXITÄT DER DIAGNOSE-FINDUNG
1. alle Symptome sind unspezifisch und, für sich allein
genommen, normale Komponenten der menschlichen
Natur
2. viele der Einzelsymptome kommen auch bei anderen
psychischen und geistigen Störungen vor
3. ADHD ist kein Alles- oder Nichts-Zustand, sondern das
extreme Ende einer normalen Kurve
Es gibt weder apparative Untersuchungen, noch
Labortests oder psychometrische Tests, welche für
die Diagnose ADDH spezifisch sind; diese
Untersuchungen dienen zur Stützung der klinisch
gestellten Diagnose (Psychometrie) bzw. zum
Ausschluss anderer Erkrankungen (Labor, EEG,
Schädel-CT, Frühe Akustisch Evozierte Potentiale,
u.a.)
Differentialdiagnose
„ ADHD-Muster “
Bei jedem anhaltenden
Mißverhältnis zwischen
gestelltem Anspruch und
eigenem Leistungs-Potential
→ „ erlernte Hilflosigkeit “
„Der Schein trügt, wenn er falsch ist.“
Dieses hintergründige Motto von Dagobert Duck soll uns
im Zusammenhang mit ADHS daran erinnern, dass ein
Symptom-Muster noch kein hinreichender Beleg für das
Vorliegen einer Krankheit ist, da die zugrunde liegenden
Definitionen eben keinem kategorialen, sondern einem
dimensionalen Krankheitsbegriff entsprechen.
Wir unterscheiden bei ADHS idiopathische
beziehungsweise genetische Formen, bei
denen Umwelt- und Erziehungsfaktoren eine
modulierende Rolle spielen, von
symptomatischen Formen, welche im Rahmen
von zerebralen Entwicklungsstörungen
auftreten und über die ursprünglichen
Definitionen von ICD-10 und DSM-IV
hinausgehen.
Differentialdiagnosen zu ADHD
Störungen mit Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit
-
Das " lebhafte " oder " turbulente " Kind
-
Angststörungen
-
Affektive Störungen
-
Anpassungsstörungen
-
Schizophrenie
-
tiefgreifende Entwicklungsstörungen
-
Medikamenten-Nebenwirkung (zB Cortison)
-
Medikamenten/Drogen-Missbrauch
-
Schilddrüsen-Über/Unterfunktion, GRTH
-
Erschöpfungszustände im Rahmen somatischer Erkrankungen
OPHTHALMOLOGISCHE ERKRANKUNGEN
MIT ASSOZIIERTER
AUFMERKSAMKEITSSTÖRUNG
- Sehschwäche
- Schielen
- Hornhautverkrümmungen
- zentrale Sehstörungen
HNO-Erkrankungen mit
assoziierter
Aufmerksamkeitsstörung
- chronische Mittelohr-Entzündungen
- Schwerhörigkeit
- Störungen der auditiven Diskrimination
- zentrale Fehlhörigkeit
- Sprachentwicklungsstörungen
Epilepsie
Epilesie und ADHS
● Kinder mit idiopatischer Epilepsie haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an ADHS
(vorwiegend ADS-H) zu erkranken.
● Kinder mit idiopatischer Epilepsie:
-geringerer Schulerfolg
-niedrigere Schulabschlüsse
-schlechtere soziale Integration
⇒durch gleichzeitig vorliegende Lernstörung ohne oder bei/durch ADHS
Im Rahmen einer Vielzahl neurologischer oder
psychiatrischer Krankheitsbilder
treten ADHS-Symptome auf, die oft in den Hintergrund
treten, wenn die Grundkrankheit
behandelt wird.
Viele Kinder mit Epilepsie erfüllen einerseits scheinbar
alle Kriterien für ADHS und haben andererseits ein
deutlich erhöhtes Risiko, an ADHS zu erkranken.
Nur eine differenzierte neurologische und
elektroencephalographische Exploration kann die
Diagnose einer Absencen-Epilepsie oder einer oft
verkannten kognitiven Epilepsie
ausschließen.
Absencen :
- « Ereignis »
-in der 1:1 - Situation unbeeinflusst
-manchmal motorische Begleitphänomene
-Amnesie
-Dauer : Sekunden
Träumerei:
- « Zustand »
-in der 1:1 - Situation gebessert
-keine motorischen Begleitphänomene
-keine Amnesie
-Dauer : Minuten
verträumt
Absencen
transitory cognitive impairment
(TCI)
History
-EEG events can occur without simultaneous clinical manifestations:
“larval”, “subclinical”, “interictal”
-by use of a simple reaction-time task during EEG recording Schwab
showed 1939, that apparently subclinical discharges can be accompanied
by decrements in cognitive function
-“transitory cognitive impairment“ (TCI) described by
Aarts et al. (1984) and found in about 50% of the
patients investigated
-the paradox of a clinical event occurring during a subclinical discharge is
avoided by the pragmatic approach of operationally defining subclinical
events as those that cannot be detected by normal methods of clinical
observation
Binnie CD, 2003
Kognitive EpilepsieI
1.Viele Kinder mit einer Absencen-E pilepsie erfüllen alle DS M IVKriterien für ADHS-H
⇒ ohne genaue neurologische Abklärung m it EE G
(Standard/Schlaf/24 S tunden) ist ein Auss chluss dies er Diagnose nicht
m öglich
2. Viele Kinder mit einer Absencen-Epilepsie leiden –auch bei gut
eingestellter Epileps ie- an Konzentrations- und Aufmerksam keitss törungen sowie an Wahrnehm ungsstörungen im auditiven und
visuellen/ räum lichen Bereich
⇒ Co-Morbidität von ADHD und Absencen-Epileps ie ist häufig
Kognitive EpilepsieII
Renzo Guerrini (München 6/03)
?
“Cognitive im pairm ent with sub-clinical interictal
electroencephalographic abnormalities”:
-is it correct to call them “interictal”?
-are they ictal to higher cortical functions?
-should we therefore treat them?
? “silent/sub-clinical” may be called “unrecognized/underevaluated”
? importance of psychometric/neuropsychological evaluation
NARCOLEPSY
Children
- excessive day-time sleepiness
- cataplexy (sudden loss of muscle tone)
- hypnagogic hallucinations
- sleep paralysis
- day-dreaming
- poor school performance
- inattentiveness
- irritability
- overactivity
- aggressive behaviour
- depressive mood
- learning disability
cave/ DD: ADHD
Obstructive Sleep Apnea Syndrome
Children
- labored breathing
- sleep apnea /hypopnea
- obstruction of the upper airway during sleep
(adeno-tonsillar hypertrophy)
- continuous snoring
- bedwetting
- excessive daytime sleepiness/hyperactivity
- poor school performance
- irritability
- overactivity
- inattentiveness
- growth retardation/obesity
cave/ DD: ADHD
Viele dieser Differentialdiagnosen können auch als
assoziierte Störungen zeitgleich mit ADHS vorliegen,
wobei circa die Hälfte der betroffenen Kinder durch
mehrfache Ko-Morbiditäten oder Teilleistungsstörungen
schwer behindert ist.
Die Verdachtsdiagnose ADHS ist somit immer ein Signal, dass
nach weiteren Störungen gezielt gesucht werden
muss.
Therapie
Was den ADS-Kindern gut tut,
schadet allen anderen Kindern
nicht.
Hans Biegert
Bad Boll, 02/03
« Du musst dein Leben ändern »
THERAPIE
1. Elternberatung und Elterntraining
2. Lehrerberatung und Lehrertraining
3. Medikamentöse Therapie
4. Psychologische Begleitung / Psychotherapie
5. Psychomotorische/ergotherapeutische Rehabilitation
6. Sensorische Integrationstherapie
7. Orthopädagogische Massnahmen
Therapieziele
Das Kind / der Jugendliche / der Erwachsene wird kompetent im
Umgang mit seinem Wahrnehmungsstil / seinem Verhalten – das
Umfeld kompetent im Umgang mit ihm.
-Erkennen der Leistungsinseln der Kompetenz
-ressourcen-orientierte Interventionen
-funktionelles Verstehen der Symptomatik: nicht dagegen
kämpfen, sondern lernen, damit umzugehen
-Coaching
-Warme Empathie
Therapienotwendigkeit
(nach Dr. J. Krause)
.Drohender Verlust des Arbeitsplatzes
.Angst, wegen innerer Unruhe verrückt zu werden
.Tiefe Depression, extreme Antriebslosigkeit
.Ständig gespannte Ärgerlichkeit, die zu gesellschaftlicher Isolation führt
.Dauerhafte motorische Unruhe
.Übermäßiger Alkohol- und Nikotin- und/oder Cannabiskonsum
.Verlust der Fähigkeit, das Alltagsleben zu organisieren
.Das Gefühl, allen Geräuschen ausgeliefert zu sein
.Extreme Sensationslust, die zur Selbstgefährdung führt
.Permanente Angst, keinen Durchblick mehr zu haben oder unter abruptem Abbruch der
Konzentration zu leiden.
MEDIKAMENTÖSE BEHANDLUNG
- Substanzen, welche regulierend in das
der Störung zugrunde liegende Ungleichgewicht im Stirnhirn eingreifen
(" Substitutionsbehandlung ")
- jede Behandlung ist symptomatisch
- keine Heilung, die die Ursache der
Störung beseitigt
SUBSTITUTIONS-THERAPIEN
-Diabetes mellitus – Insulin
-Diabetes insipidus – Antidiuretisches Hormon
-Morbus Parkinson – Dopamin
-Morbus Alzheimer – Acetylcholin
-Migräne -Serotonin
-Depressionen/Schizophrenie–Serotonin, Noradrenalin,
Dopamin, usw.
-ADHS- Methylphenidat (Dopamin, Noradrenalin)
-ADHS- Atomoxetin (Noradrenalin)
→ d.h. angenommenen defizienten hormonalen Regelkreisen werden von
aussen die fehlenden oder verminderten Hormone bzw. Neurotransmitter
zugeführt
→ keine Heilung, aber Funktionsverbesserung
Ein Medikament, von dem behauptet
wird, dass es keine Nebenwirkungen
habe, ist stark verdächtig darauf,
auch keine Hauptwirkung zu haben.
Gustav Kuschinsky
ENTSCHEIDUNGSKRITERIEN FÜR EINE
STIMULANTIEN-THERAPIE:
1. Wurde das Kind ausreichend körperlich und psychisch aufgeklärt?
2. Wie alt ist das Kind?
3. Welche anderen Therapie-Versuche wurden unternommen?
4. Wie ist der Schweregrad der Symptome?
5. Wie ist die finanzielle Belastbarkeit der Familie?
6. Sind die Eltern als Therapie-Supervisoren geeignet?
7. Wie ist die Haltung der Eltern zur Pharmakotherapie?
8. Gibt es in der Familie Alkohol- oder Drogenmissbrauch?
9. Gibt es beim Kind Hinweise auf Tics, Psychosen oder Denkstörungen?
10. Gibt es beim Kind Hinweise auf extreme Ängstlichkeit oder psychosomatische Störungen?
11. Hat der Arzt genug Zeit zum Therapie-Monitoring?
12. Was denkt das Kind über die medikamentöse Behandlung und Alternativen?
13. Nimmt das Kind an Leistungssportarten teil, wo Doping-Kontrollen vorgeschrieben sind?
14. Will der ältere Jugendliche sich um Aufnahme in die Armee bewerben?
ZNS-Stimulantien
Pharmakologische Wirkung:
- Ausgleich auf Neurotransmitter-Ebene, vor allem
Katecholamine betreffend
(Mittelhirn-Stammganglien-Frontalhirn)
Pharmakokinetik:
- Dextro-Amphetamin: SPS 2-3 h., HWZ: 4-6 h
- Methyl-Phenidat: SPS: 1,5 - 2,5 h., HWZ 2- 3 h.
- Pemoline: SPS 2-4 h., HWZ 7-8 h.
ZNS-STIMULANTIEN
- Dextro-Amphetamin (Dexedrine)
- Methylphenidat (Ritalin)
- Pemoline (Stimul)
- Amphetamin/Dextro-Amphetamine (Adderall)
Stimulantien-Therapie
Es geht nicht in erster Linie darum, Zeit zu
gewinnen, sondern der Zeit mehr Qualität zu
geben.
Methylphenidat-Retard-Präparate
Vorteile:
Fluktuationen ↓
Compliance ↑
Nebenwirkungen ↓
Dosis ↓
Einnahmefehler ↓
Mißbrauchsgefahr ↓
Schutz der Privatsphäre in Schule und Beruf ↑
Dosierung von Methylphenidat (Ritalin)
0,3 - 1 mg pro kg Körpergewicht pro Tag in 2-3 Einzeldosen
(im Durchschnitt 2-4 Tabletten/Tag)
täglich ohne Unterbrechung
« Je schlechter die Lehrer kooperieren,
desto mehr Ritalin brauchen wir. »
Manfred Döpfner
2004
Dosierung von Methylphenidat (Concerta)
0,3 - 1 mg pro kg Körpergewicht pro Tag in 1 Einzeldosis morgens
täglich ohne Unterbrechung
Nebenwirkungen der Stimulantien-Therapie:
Grosse therapeutische Breite (100 : 1)
Häufige Nebenwirkungen (harmlos, kurzfristig und reversibel):
- Appetitlosigkeit, Übelkeit, Schlaflosigkeit, Gewichtsverlust, Steigerung der Herzfrequenz,
„subdepressive“ Verstimmung
Seltene und dosisabhängige Nebenwirkungen:
- Tics
- Verhaltens-Rebound-Phänomen
- Über-Fokussierung/ Aufmerksamkeitseinengung
- Einschränkung pro-sozialen Verhaltens
- Psychose
- Blutbild-Veränderungen
- Leberparenchym-Schädigung (Pemoline-Stimul)
RELATIVE KONTRAINDIKATIONEN ZUR
STIMULANTIENTHERAPIE:
- Alter unter 4 Jahren
- Tics
- Gilles-de-la-Tourette-Syndrom
- Psychose
- Angststörungen
- Epilepsie
- Arterieller Hypertonus
- Kardiovaskuläre Erkrankungen
- Therapie mit MAO-Hemmern
BEENDIGUNG DER STIMULANTIEN-THERAPIE:
- wenn sie nicht länger notwendig scheint
- jährlich für kurze Zeit
(Therapiepause: 2-14 Tage)
Atomoxétine efficace dans le cortex
préfrontal
Executive function in
prefrontal cortex
• Concentration
• Working memory
• Selfcontrol
• Planning of activities
Modulating neurotransmitters are
noradrenaline and dopamine
Biederman and Spencer 1999
Dosierung von Atomoxetine (Strattera)
0,5 - 1 mg pro kg Körpergewicht pro Tag in 1 Einzeldosis
morgens oder abends
täglich ohne Unterbrechung
KOMBINATIONSTHERAPIE
Stimulantien-Atomoxetine:
Bei koexistierenden affektiven oder aggressiven/antisozialen Störungen
Stimulantien-Antidepressiva:
Bei sozial hochgradig behindernder Enuresis oder koexistierenden
affektiven Störungen
Stimulantien/Clonidin:
Bei ko-assoziierten Verhaltensstörungen bzw. Tic-Störungen mit extremer
Hyperaktivität/Impulsivität inklusive Schlafstörungen
ANTIDEPRESSIVA-THERAPIE
1. Trizyklische Antidepressiva
(Imipramin, Desipramin, Nortryptilin)
- Wiederaufnahmehemmung für Noradrenalin und Serotonin
- Besserung der affektiven Komponente und der Verhaltensstörung
- Weniger wirksam bezüglich der Aufmerksamkeits- und der Wahrnehmungsstörung
2. Bupropion
Dopamin-Agonist, Noradrenalin-Agonist
3. Monoamino-Oxidase-Hemmer
(zB Moclobemid, Selegilin)
- Diät notwendig, vielfältige Arneimittel-Interaktionen
4. Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer
(Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin, Fluvoxamin)
- wenig gesicherte Daten
5. Venlafaxin
- Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer
6. Mirtazapin
- Serotonin/Noradrenalin- Agonist
ANDERE MEDIKAMENTÖSE THERAPIEVERSUCHE
Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer
Atomoxetin
Bluthochdruckmittel (Antihypertensiva)
- Clonidin
- Guanfacin
- Betablocker
Antiepileptika
- Carbamazepin
Antipsychotika:
(Neuroleptika:Thioridazin, Chlorpromazin, Haloperidol)
- Gilles-de-la-Tourette-Syndrom
- Tic-Erkrankung
KONSEQUENZEN EINER NICHT-BEHANDLUNG
Geringes Selbstwertgefühl ("dummes, schlechtes und/ oder böses Kind")
Schulversagen
Gesellschaftliches/soziales Versagen
Entwicklung von antisozialem/
delinquentem Verhalten und Drogen-Missbrauch im späteren Verlauf
ADHS
nicht
zu
behandeln
ist
sehr
teuer.
UNWIRKSAME THERAPIEN
- Diät
- Kinesiologie
- Horch-Therapie nach Tomatis
- Bachblüten
- u.a.
Ritalin- und Suchtentwicklung
In den 60 Jahren Praxis der Stimulantien-Therapie ist kein
einziger Fall von Suchtentwicklung beschrieben.
Medikamente führen dann zur Suchtentwicklung, wenn sie
ohne ärztliche Aufsicht eingenommen werden, um
Änderungen im Leben zu ersetzen oder zu vermeiden anstatt
diese zu unterstützen.
Ausnahmen: -möglich bei Fehlindikation
-möglich (aber noch nicht bewiesen) bei
Beginn im höheren Lebensalter
⇒Risiko/Nutzen-Abwägung spricht trotzdem meistens für
die Stimulatien-Therapie
Huss M., Lehmkuhl U. (2002)
Methylphenidate and substance abuse: a review of
pharmacology, animal and clinical studies
Journal of Attention disorders 6,53-59
215 Patienten mit ADHS-Diagnose im Kindesalter
Nachuntersuchung 10 Jahre später
Urinscreening auf substanzbezogene Störungen
MPH-Behandlung in der Kindheit reduzierte signifikant das Risiko eines
Suchtmittel-Konsums im Erwachsenenalter
- Metaanalyse (Wilens et al, 2003, Pediatrics): Bestätigung dieser
Resultate in 6 Langzeit Untersuchungen
Ritalin ist kein Ersatz für fehlende
Entscheidungen, oft aber die neurochemische Voraussetzung, welche
Verhaltungsänderungen und nichtmedikamentöse Therapiemassnahmen erst ermöglicht.
⇒ das Medikament eröffnet eine
Chance, die genutzt werden muß
Bildunterschrift
« Where is my stimulant? »
BMJ 2004; 329, 907-908
Use of stimulants for attention
deficit hyperactivity disorder
David Coghill
KONSEQUENZEN EINER
NICHT-BEHANDLUNG
-Geringes Selbstwertgefühl („dummes, schlechtes und/oder böses
Kind“)
-Schulversagen
-Gesellschaftliches/soziales Versagen
-Entwicklung von antisozialem/delinquentem Verhalten und Drogenmissbrauch im späteren Verlauf
(lineare Korrelation zwischen Dauer der Ritalin-Behandlung und dem
verminderten Risiko einer Suchtentwicklung)
Konzept der
„ERLERNTEN HILFLOSIGKEIT“ (Seligman)
→generalisierte Erwartung der Nicht-Kontrollierbarkeit von
Ereignissen
→Einstellung, nichts mehr ändern zu können
→Einstellung, nichts mehr ändern zu wollen
→Resignation
→Depression
Der Spiegel
Nr.32,
6.8.2007
Does medication change the developing brain of children in
pre-school age ?
⇒ yes, but towards the normal range
Robert Doyle/Peter Hill
London, ADDISS, 11/02
At last month’s meeting of the pediatric committee, APA director of Research Darrel Regier, M.D.,
M.P.H., urged members of the committee and FDA officials “to pursue the original objectives of (Drug
Safety and Risk Management) panel and avoid the use of black-box warnings as expressions of FDA
consultant personal opinions about the most appropriate prevalence and treated prevalence rates as the
basis for allegations of inappropriate prescribing.”
Overstated warnings not backed up by hard data could result in limiting access to the medications, Regier
continued, a risk that is “clearly heightened when the FDA is asked to use nonresearch standards for
warnings and also finds itself pressured from individuals and organizations that deny the very existence
of mental disorders…,” Regier concluded,
“The plural of anecdote is not data.”
Psychiatric News
April 21, 2006
(American Psychiatric
Association)
Statistische Notizen I
Anzahl der mit Stimulantien (Methylphenidat)
behandelten Kinder von 1990 bis 1999
Am Beispiel Deutschland:
1990:
1999:
1500 Kinder mit Methylphenidat behandelt
42000 Kinder mit Methylphenidat behandelt
⇒ X Faktor 28
= zwischen 6. und 9. Lebensjahr
-2,4 % der Jungen
-0,6 % der Mädchen
Med Line Veröffentlichungen zu ADHD
1970
2000
0,06 % aller Veröffentlichungen
1,09 % aller Veröffentlichungen
⇒ X Faktor 18
nach Lehmkuhl/Remschmidt
(Aachen/ 04/02)
Statistische Notizen II
Anzahl der mit Stimulantien (Methylphenidat) behandelten Kinder
Luxemburg (2001)
Schüler-Gesamtzahl zwischen 6. und 19. Lebensjahr:
71 949
davon mit Methylphenidat behandelt zwischen dem 5. und 19. Lebensjahr:
774
⇒ entspricht 1,1 % der Gesamtzahl
⇒entspricht 21,5 % der ADHS-Kinder
(nach dem Durchschnittswert epidemiologischer Studien leiden ca. 5 % aller Kinder
und Jugendlichen an einer Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitäts-störung)
Deutschland (2000)
Schüler-Gesamtzahl zwischen 6. und 18. Lebensjahr :
10 911 605
davon mit Methylphenidat behandelt :
47 333
⇒ entspricht 0,4 % der Gesamtzahl
⇒ entspricht 8,7 % der ADHS-Kinder
d.h. nach wie vor inadäquate therapeutische Versorgung (Unterversorgung) der
ADHS-Kinder und Jugendlichen
Therapieziel:
Normalisierung
Grundsatz
der Entwicklungs-rehabilitation:
„spätestens sofort“
« Handle stets so, dass Du die
Anzahl der Möglichkeiten
erweiterst. »
(Ethischer Imperativ systemischen
Denkens)
Heinz von Foerster
Die Pharmakotherapie steht bei
schwerer ADHS an der Basis der
nicht-medikamentösen Therapien
und oft macht sie diese erst möglich
(wie auch in anderen Bereichen der Psychiatrie und
Neurologie)
Aber:
Ritalin ist kein Ersatz für eine
korrekte Schulorientierung.
Resultate:
73-77 % der behandelten Kinder zeigen eine Verbesserung:
- Verhalten und Emotionen
- Wahrnehmung, Lernen, Schulleistungen
- Soziale Interaktionen
„Zënter datt ech Ritalin huelen,
kann den Här Lehrer vill besser
erklären.“
“Ech huelen dat Medikament,
ech mierke keng Wirkung,
mee ménger Fra geet et vun
Dag zu Dag besser”
Schlussfolgerungen
0-THERAPIE
ist nicht
0-RISIKO
Es gehört nicht zu den Wahlmöglichkeiten der Eltern,
sondern zu ihren Pflichten, ihr Kind vor einer
gravierenden Fehlentwicklung zu schützen.
Es gehört nicht zu den Wahlmöglichkeiten der Ärzte,
Lehrer, Erzieher, Schulpsychologen und Sozialarbeiter,
sondern zu ihren Pflichten, sich über ein häufiges
Störungsbild und über die Behandlung zu informieren,
bevor sie sich als vermeintliche Autoritäten zu
Stellungnahmen hinreissen lassen, die das Leben eines
Kindes oder Jugendlichen mit ADHS zerstören können.
Die Mutter hat (fast) immer recht
(wenn sie sich Sorgen macht)
Der Lehrer hat (fast) immer recht
(wenn er sich Sorgen macht)
Der Psychologe…
“Achte auf Deine Gedanken; sie
sind der Anfang deiner Taten”
(Chinesisches Sprichwort)
« Car rater sa vie est un
droit inaliénable ».
(Amélie Poulin)
Aufmerksamkeit
If I didn't believe it,
I wouldn't have seen it.
Yogi B.
Das Auge sieht, was es sucht.
Max Slevogt
ubi amor, ibi oculus
Augustinus
In einem kleinen Experimentalfilm der späten
siebziger Jahre, dessen Titel und dessen
Regisseur ich leider vergessen habe, sah man
einen Förster durch sein Revier laufen und „Der
Wald ist nur ein Vorwand! Der Wald ist nur ein
Vorwand!“ brüllen.
Die Zeit / 4.7.1986
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