Organklage der Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp) Eingereicht beim Bundesverfassungsgericht am 3.9.2002 Bevollmächtigter: Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim Gliederung I. Gegenstand des Verfahrens II. Zulässigkeit des Antrags III. Begründetheit des Antrags 1. Der strenge Gleichheitssatz als Maßstab 2. Bedeutung und Gefährdung der Offenheit des politischen Prozesses und der Chancengleichheit der Parteien 3. Inadäquanz des Mindestquorums nach dem Systemwechsel bei der staatlichen Parteienfinanzierung 4. Anerkennung der ödp als Partei 5. Politische "Ernsthaftigkeit" der ödp 6. Weizsäcker-Kommission – Verdoppelung des Quorums durch den Gesetzgeber 7. Drei-Länder-Quorum 8. Fünfprozent-Quorum 9. Verstoß gegen das Übermaßverbot Anhang (hiernicht enthalten) Anlage 1: Staatliche Teilfinanzierung für das Jahr 2001 (Tabelle 1 Anlage 2: Rechenschaftsbericht 2000 der ödp Anlage 3: Pressmitteilung des Bundeswahlleiters vom 12.7.2002 Anlage 4: Übersicht über die steuerbegünstigten politischen Parteien Anlage 5: Satzung der ödp Anlage 6: Bundespolitisches Programm der ödp Anlage 7: Ergebnisse der jeweils letzten Bundestagswahl, Europawahl und Landtagswahlen (Tabelle 2) Anlage 8: Staatsfinanzierung der politischen Parteien (Schaubild) Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim Im Oberkämmerer 26 67346 Speyer Tel. 06232/98123 An das Bundesverfassungsgericht Postfach 1771 76006 Karlsruhe Organklage der ödp gegen den Deutschen Bundestag und den Bundesrat Hiermit beantrage ich im Namen und im Auftrag der Ökologisch-Demokratischen Partei (ödp) – Antragstellerin – festzustellen, dass der Deutsche Bundestag und der Bundesrat – Antragsgegner – durch das Achte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes vom 28. Juni 2002 (BGBl. S. 2268) gegen Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen haben, indem sie in Artikel 3 die Voraussetzungen für die Teilnahme von Parteien an der staatlichen Finanzierung in Form der Zuschläge auf Zuwendungen massiv verschärft und statt bisher 1 Prozent der Wählerstimmen bei der letzten Landtagswahl eines Bundeslandes nunmehr 5 Prozent oder ein Prozent bei den letzten Landtagswahlen von drei Bundesländern verlangen. Vollmacht ist beigefügt. I. Gegenstand des Verfahrens Am 19. April 2002 beschloss der Deutsche Bundestag das Achte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes.1 Der Bundesrat stimmte dem Gesetz am 31. Mai 2002 zu.2 Das Gesetz wurde ausgefertigt und am 29. Juni 2002 im Bundesgesetzblatt verkündet.3 Durch dieses Gesetz wurden die Regelungen betreffend die Parteienfinanzierung in mehreren Punkten geändert. Insbesondere enthält das neue Gesetz in seinem Artikel 3 eine enorme Verschärfung der Voraussetzungen, die kleineren Parteien erfüllen müssen, um an wesentlichen Teilen der staatlichen Parteienfinanzierung beteiligt zu werden. Nach der neu eingeführten, ab dem Jahre 2005 geltenden "Drei-Länder-Grenze" muss eine Partei (die bei Bundestags- oder Europawahlen nicht mindestens 0,5 Prozent der Zweitstimmen erlangt) bei den letzten Landtagswahlen in mindestens drei Ländern 1 Prozent der Stimmen erreicht haben, um den Staatszuschuss auf Beiträge und Spenden in Höhe von 38 Cent je Euro Zuwendung zu erhalten (§ 18 Abs. 4 Satz 3 Parteiengesetz n.F.). Alternativ dazu reicht es auch aus, in einem Land mindestens 5 Prozent der Stimmen erlangt zu haben. Die Verschärfung tritt zum 1.1.2005 in Kraft (Art. 6 Abs. 3 des Änderungsgesetzes). Bisher reichte 1 Prozent bei der letzten Landtagswahl in einem Bundesland. Die Neuregelung bedeutet in der einen Alternative somit eine Verschärfung der Voraussetzungen auf das Dreifache (1 Prozent bei drei Landtagswahlen statt bisher bei einer Landtagswahl), in der anderen Alternative bedeutet sie eine Verschärfung der Voraussetzungen auf das Fünffache (5 Prozent bei einer Landtagswahl statt bisher 1 Prozent). 1 Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode, 231. Sitzung am 19. April 2002, S. 22989. 2 Bundesrat, Stenografischer Bericht, 776. Sitzung vom 31.5.2002, S. 280. 3 BGBl. S. 2268, ausgegeben am 29. Juni 2002. II. Zulässigkeit des Antrags Der Antrag ist statthaft. Die ödp ist ein Beteiligter im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 1 GG, der durch das Grundgesetz mit eigenen Rechten ausgestattet ist. Die ödp ist eine politische Partei und damit nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG berechtigt, an der politischen Willensbildung des Volkes, gleichberechtigt mit anderen Parteien, mitzuwirken. Die ödp macht gemäß § 64 Abs. 1 BVerfGG geltend, durch eine Maßnahme des Bundestags und des Bundesrats in den genannten, durch das Grundgesetz übertragenen Rechten unmittelbar gefährdet zu sein. Das Achte Änderungsgesetz zum Parteiengesetz stellt eine Maßnahme der Antragsgegner dar. Die darin enthaltene Verschärfung der Voraussetzungen für eine Beteiligung kleinerer Parteien an der staatlichen Parteienfinanzierung in der Form des Zuschusses auf Zuwendungen gefährdet die genannten Rechte der Antragstellerin. Die Verschärfung droht die Antragstellerin massiv zu benachteiligen. Denn die Antragstellerin erhielt in der Vergangenheit bei Landtagswahlen in Bayern regelmäßig mehr als 1 Prozent der Stimmen und nahm somit an der staatlichen Bezuschussung von Beiträgen und Spenden teil. Sie hat die Einprozent-Schwelle aber regelmäßig nur in Bayern, nicht auch bei Landtagswahlen in zwei oder mehr weiteren Bundesländern überschritten. Die Neuregelung droht ihr deshalb einen großen Teil ihrer bisherigen Einnahmen zu entziehen, nämlich den gesamten Zuwendungsanteil der Staatsfinanzierung. Das wären nach bisherigem Recht mehr als neun Zehntel ihrer staatlichen Mittel und rund ein Viertel ihrer Gesamteinnahmen.4 Das Achte Änderungsgesetz zum Parteiengesetz hat das Verhältnis zwischen Wählerstimmen und Zuwendungsanteil zu Lasten des letzteren geändert. Danach betrüge – auf Grund einer überschlägigen Rechnung und auf der Basis der 2001 vorliegenden Zuwendungen und Wählerstimmen – der Zuwendungsanteil fast sechs Siebtel ihrer staatlichen Mittel von insgesamt etwa 512.000 Euro, also immer noch ein knappes Viertel ihrer Gesamteinnahmen. In jedem Fall würde die angegriffene Regelung, falls sie Bestand hätte, zu einer dramatischen Einnahmeneinbuße der ödp führen, die ihre Handlungsfähigkeit aufs Schwerste beeinträchtigten müsste.5 Das liefe auf eine massive Einschränkung der Wettbewerbskraft der ödp hinaus und könnte für sie letztlich geradezu die Existenzfrage stellen. Die Gefährdung ist auch unmittelbar. Das Gesetz ist ausgefertigt und verkündet und damit rechtsgültig zustande gekommen. Alle am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten haben das ihre zum Zustandekommen des Gesetzes beigetragen. Die verschärfende Vorschrift ist allerdings noch nicht in Kraft. Das Gesetz sieht aber ausdrücklich ihr Inkrafttreten zum 1. Januar 2005 vor. Zu diesem Zeitpunkt wird die Vorschrift somit wirksam, ohne dass es noch eines weiteren Aktes des Gesetzgebers bedarf. Damit ist die Unmittelbarkeit der Gefährdung gegeben. Dass der Eingriff endgültig erst später eintritt, ist unerheblich. Davon geht auch die verfassungsrechtliche Literatur aus. So schreibt Klaus Stern: "Es steht (...) nichts entgegen, zwischen Verkündung und Inkrafttreten eines Gesetzes (...) eine unmittelbare Gefährdung anzunehmen".6 Dies bestätigt auch Thomas Clemens: 4 Das ergibt eine Rechnung aufgrund der Staatszuwendungen für das Jahr 2001 (siehe Tabelle 1 im Anhang). Danach betrug der Wähleranteil der Staatsmittel der ödp 72.396,84 Euro, der Zuwendungsanteil betrug 699.159,83 Euro. Der Zuwendungsanteil betrug somit 90,6 Prozent der gesamten Staatszuschüsse. Die Beträge wurden aufgrund der absoluten Obergrenze zwar für alle Parteien (und damit auch für die ödp) gekürzt, so dass sich für die ödp 579.099,85 Euro (= 1.132.620,88 DM) an staatlichen Mitteln ergeben. Die proportionale Kürzung verändert die Relation zwischen Wähleranteil und Zuwendungsanteil jeder der Parteien (und damit auch der ödp) aber nicht. Berücksichtigt man, dass die staatlichen Mittel mit rund 1,13 Millionen Mark etwa ein Viertel der Gesamteinnahmen der ödp von voraussichtlich rund 4,4 Millionen Mark – so die Gesamteinnahmen im Jahr 2000 (siehe Rechenschaftsbericht, Anlage 2), die Angaben für 2001 liegen noch nicht vor – ausmachen, so bedeutet der Wegfall von neun Zehntel der staatlichen Mittel den Ausfall von etwa einem Viertel der Gesamteinnahmen der Partei. 5 Die ödp müsste ihre hauptberuflichen Mitarbeiter abbauen und ihre Ausgaben für den laufenden Geschäftsbetrieb, die allgemeine politische Arbeit und für Wahlkämpfe massiv einschränken. 6 Klaus Stern, Zweitbearbeitung des Art. 93 TT (1982), in: Bonner Kommentar, Rdnr. 180. "Ob die Rechtsbeeinträchtigung zeitlich noch fern ist, ist (...) unerheblich."7 Nach anderen Formulierungen liegt eine unmittelbare Gefährdung eines Rechts dann vor, wenn seine "Verletzung, falls dem nicht entgegengetreten wird, mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht und sich bereits – sachlich und zeitlich – so konkretisiert hat, dass von einer konkreten Streitigkeit gesprochen werden kann."8 Diese Voraussetzungen sind gegeben: Die Verletzung der Rechte der Antragstellerin ist – angesichts des bereits beschlossenen und verkündeten Gesetzes und angesichts der seit langem stabilen Verhältnisse der ödp – mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Sie hat sich – angesichts der unmissverständlichen gesetzlichen Regelung – auch bereits derart sachlich konkretisiert und – angesichts des feststehenden Zeitpunkts des Inkrafttretens – auch derart zeitlich konkretisiert, dass von einer konkreten Streitigkeit gesprochen werden kann. Das unaufhaltsame Näherrücken des Zeitpunkts, an dem der ödp große Teile ihrer Mittel genommen werden, hat schon jetzt gewaltige Vorwirkungen: Die ödp muss praktisch ab sofort Vorkehrungen treffen, um dem ab 2005 drohenden Ausfall großer Teile ihrer Einnahmen zu begegnen. Das heißt, sie muss schon jetzt Einsparungen vornehmen, um zum Beispiel für die im Jahr 2006 stattfindenden Bundestagswahlen gerüstet zu sein. Das aber beeinträchtigt ihre Schlagkraft bei den zahlreichen, zwischenzeitlich stattfindenden Wahlen, etwa auch der bayerischen Landtagswahl im Jahre 2003. Dass Parteien ein elementares Interesse haben, sich auf derart einschneidende Regelungen vorbereiten zu können, erkennt auch der Gesetzgeber selber an, indem er die verschärfende Regelung erst in zweieinhalb Jahren in Kraft setzt. In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es dazu: "Die Verschärfung der Voraussetzungen für die Teilnahme an staatlichen Zuschüssen auf Zuwendungen "tritt erst am 1. Januar 2005 in Kraft, um den betroffenen Parteien Gelegenheit zu geben, sich auf die veränderte Situation einzustellen."9 Das gleiche massive Interesse der betroffenen Parteien, insbesondere der ödp, an rechtzeitiger Klarheit besteht natürlich auch hinsichtlich der Frage, ob die Regelung verfassungswidrig ist und deshalb keinen Bestand hat. Auch darüber muss die ödp, um sich darauf einstellen zu können, möglichst rasch Klarheit erhalten: Die Regelung hat gewaltige Vorwirkungen und beeinträchtigt die politische Schlagkraft der ödp ganz erheblich – lange bevor die Regelung wirklich in Kraft tritt. Die Antragsfrist von sechs Monaten (§ 64 Abs. 3 BVerfGG) ist ebenfalls gewahrt. Das angegriffene Gesetz ist mit seiner Verkündung im Bundesgesetzblatt am 29. Juni 2002 ins Leben getreten und der Antragstellerin ab diesem Zeitpunkt im Sinne der genannten Vorschrift bekannt geworden. Die Zulässigkeit des Antrags wird im Übrigen auch durch folgende Überlegung voll bestätigt: Wollte man – entgegen den vorstehenden Ausführungen – annehmen, die Zulässigkeit des Antrags sei zu verneinen, weil die Verschärfung erst im Jahre 2005 in Kraft tritt und deshalb jetzt noch keine unmittelbare Gefährdung der Rechte des Antragstellers vorliege, so könnte die Antragstellerin überhaupt nicht mehr unmittelbar gegen das Gesetz vorgehen. Denn im Jahre 2005 wird die Sechsmonatsfrist für den Antrag gemäß § 64 Abs. 3 BVerfGG verstrichen sein. III. Begründetheit des Antrags 1. Der strenge Gleichheitssatz als Maßstab 7 Thomas Clemens, in: Dieter C. Umbach/Thomas Clemens (Hg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 1992, §§ 63, 64, Rdnr. 145. 8 Ernst Benda/Eckart Klein, Verfassungsprozessrecht. Ein Lehr- und Handbuch, 2. Aufl., 2001, Rdnr. 1029. 9 Gesetzentwurf, Bundestagsdrucksache 14/8778, S. 20. Der Ausschluss der ödp von der staatlichen Bezuschussung der Mitgliedsbeiträge und Spenden und damit des größten Teils ihrer staatlichen Mittel verstößt gegen Art. 21 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Er verletzt den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. Nach Einführung der staatlichen Parteienfinanzierung haben grundsätzlich alle politischen Parteien Anspruch darauf, daran in gleicher Weise beteiligt zu werden. Dies gilt für beide Teile der staatlichen Teilfinanzierung: für die Wählerstimmenbezuschussung und für die Bezuschussung der Zuwendungen. Bei der gesetzlichen Regelung der Parteienfinanzierung gilt – genau wie bei Wahlgesetzen – der strenge Gleichheitssatz, der sehr viel höhere Anforderungen an die Zulässigkeit der Ungleichbehandlung von Parteien stellt als das herkömmliche Willkürverbot: Der Gesetzgeber muss, wie das Bundesverfassungsgericht betont, bei der Regelung der staatlichen Parteienfinanzierung "beachten, dass ihm auf diesem Gebiet besonders enge Grenzen gezogen sind und ihm jede verschiedene Behandlung der Parteien verfassungskräftig versagt ist, die sich nicht durch einen besonders zwingenden Grund rechtfertigen lässt."10 Ausnahmen sind somit nur in sehr engen Grenzen zulässig und bedürfen eines zwingenden Grundes. Als solchen zwingenden Grund hat das Bundesverfassungsgericht nur Maßnahmen anerkannt, die dazu dienen, die Ernsthaftigkeit des Bestrebens der Partei, sich an der politischen Willensbildung zu beteiligen,11 zu gewährleisten und "den Missbrauch zu verhindern, dass sich kleine Splittergruppen nur deshalb am Wahlkampf beteiligen, weil er vom Staat finanziert wird."12 Insbesondere dürfen Mindestquoren für die Beteiligung von Parteien an der Staatsfinanzierung nicht mit dem Hinweis gerechtfertigt werden, "Wahlen sollten funktionsfähige Parlamente schaffen."13 Diesem Ziel dienen bereits die bestehenden 5-Prozent-Sperrklauseln bei Wahlen. Würde man es bei der Parteienfinanzierung abermals heranziehen, ergäbe sich eine unzulässige Kumulierung der Wirkung solcher Sperrklauseln. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht das Quorum für die Beteiligung an der früheren staatlichen Wahlkampfkostenerstattung auf maximal 0,5 Prozent der gültigen Wählerstimmen bei Bundestags- oder Europawahlen herabgesetzt.14 2. Bedeutung und Gefährdung der Offenheit des politischen Prozesses und der Chancengleichheit der Parteien Die Rechtsprechung hat den strengen Gleichheitssatz für Regelungen, die den politischen Wettbewerb betreffen, entwickelt, weil die Chancengleichheit hier besonders wichtig, zugleich aber auch besonders gefährdet ist.15 Denn einerseits hängt von der Chancengleichheit die Legitimation des ganzen Systems ab. "Dem Ergebnis der politischen Willensbildung, der Mehrheitsentscheidung, sind alle unterworfen, auch diejenigen, die nicht die Parteien der Mehrheit unterstützt haben."16 Von diesen aber kann die Akzeptierung der Mehrheitsentscheidungen nur bei strikter Einhaltung des Grundsatzes der Chancengleichheit erwartet werden. Andererseits entscheiden bei Fragen der Politikfinanzierung die Parteien in den Parlamenten "in eigener Sache".17 Das Gesetzgebungsverfahren ermangelt "in diesem Bereich regelmäßig des korrigierenden Elements gegenläufiger politischer Interessen".18 Die Parteien im Parlament sind deshalb versucht, die Regelungen zu ihrem Vorteil und zum Nachteil ihrer Konkurrenten zu treffen. Diese Gefährdung zeigt nichts deutlicher als die Geschichte der Mindestquoren selbst. Immer wieder musste das 10 BVerfGE 24, 300 (341) – 1968. Siehe auch BVerfGE 8, 51 (64 f.) – 1958. 11 BVerfGE 85, 264 (293) – 1992. 12 BVerfGE 20, 56 (118) - 1966. Siehe auch BVerfGE 24, 300 (341 f.). 13 BVerfGE 24, 300 (341 f.). 14 BVerfGE 24, 300 (342). 15 Siehe auch Hans Herbert von Arnim, Der strenge und der formale Gleichheitssatz, DÖV 1984, S. 85 (86). 16 BVerfGE 8, 51 (67). Hervorhebung auch im Original. 17 BVerfGE 40, 296 (327) – 1975. 18 BVerfGE 85, 264 (292). Bundesverfassungsgericht einschreiten und die Offenheit und Chancengleichheit gegen politische Kartellierungstendenzen verteidigen. Ursprünglich hatten die Parteien im Parlament die staatliche Finanzierung allein für sich selbst reserviert. In den Genuss der Staatsmittel kamen nur die Parteien, die im Parlament vertreten waren, also die 5 Prozent-Hürde überwunden hatten. Das galt zunächst für die indirekte Staatsfinanzierung durch Steuervergünstigungen auf Spenden und Beiträge, später auch für die Finanzierung durch direkte Zuschüsse. Die Beschränkung der Steuervergünstigung auf Parlamentsparteien erklärte das Gericht 1957 für "evident" verfassungswidrig.19 Der "Ausschluss bestimmter Parteien von der Steuervergünstigung (sei) nicht zu rechtfertigen."20 Seitdem steht die Steuervergünstigung den Mitgliedern und Spendern aller politischen Parteien im Sinne des § 2 PartG offen und ist nicht mehr an ein von der Partei zu erreichendes Quorum an Wählerstimmen gebunden. Die Reservierung der direkten staatlichen Parteienfinanzierung für Parteien im Parlament erklärte das Bundesverfassungsgericht 1966 für verfassungswidrig: Das Quorum für die Beteiligung an der Staatsfinanzierung müsse "erheblich unterhalb der 5 v.H.-Grenze liegen."21 Daraufhin wurde das Quorum im Parteiengesetz von 1967 bei 2,5 Prozent der Zweitstimmen festgelegt. Diese Regelung erklärte das Bundesverfassungsgericht in einer weiteren Entscheidung von 1968 ebenfalls für verfassungswidrig: Das Quorum dürfe nicht höher als 0,5 Prozent der Zweitstimmen betragen. Es dürfe allein dazu dienen, die Ernsthaftigkeit des Bestrebens der jeweiligen Partei, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, zu belegen und den Missbrauch zu verhindern, dass Parteien sich nur deshalb an der Willensbildung beteiligen, um in den Genuss der Staatsfinanzierung zu kommen.22 Die etablierten Parteien im Parlament haben die vom Bundesverfassungsgericht erzwungene Einbeziehung der kleinen Parteien in die Staatsfinanzierung aber dadurch im Ergebnis in einigem Umfang unterlaufen, dass sie nunmehr große Teile der zusätzlichen Zahlungen ihren Schwesterorganisationen (Parlamentsfraktionen und parteinahe Stiftungen) oder ihren Amtsträgern (etwa durch Ausstattung der Abgeordneten mit Mitarbeitern) zuleiten. Diese Zahlungen, von denen die Parteien zumindest indirekt durchaus profitieren und von denen die kleinen außerparlamentarischen Parteien natürlich ausgeschlossen sind, wurden seit den Sechzigerjahren in unglaublichem Umfang erhöht.23 3. Inadäquanz des Mindestquorums nach dem Systemwechsel bei der staatlichen Parteienfinanzierung Das Gericht hat das Mindestquorum von 0,5 Prozent für die Wahlkampfkostenerstattung entwickelt. Es ist schon sehr zweifelhaft, ob diese Konstruktion auch nach der völligen Umstellung des staatlichen Parteienfinanzierungssystems auf die nunmehr gewährten staatlichen Zuschüsse auf Zuwendungen überhaupt noch passt. Zuwendungen an Parteien werden seit dem Systemwechsel von 1994 doppelt begünstigt, bei der Partei und beim zuwendenden Mitglied oder Spender: Die Partei erhält darauf den besagten Zuschlag von bisher nominell 50 Prozent und nunmehr (nach dem Achten Änderungsgesetz) von nominell 38 Prozent. 19 BVerfGE 6, 273 (279-281) – 1957. 20 BVerfGE 6, 273 (280 f.). 21 BVerfGE 20, 56 (118). 22 BVerfGE 24, 300 (340-343). Siehe auch schon oben unter 1. 23 Siehe unten 5. Der Spender oder das Mitglied erhält für seine Zuwendung nach § 34g EStG eine Minderung seiner Steuerschuld in Höhe von 50 Prozent der Zuwendung. Begünstigt sind Spenden und Beiträge bis zur Höhe von jährlich bisher 3.000 Mark (6.000 Mark für zusammenveranlagte Verheiratete). Nach dem Achten Änderungsgesetz sind es 1.650 Euro (3.300 Euro). Hinzu kommt die Steuervergünstigung nach § 10b EStG. Danach können Mitglieder und Sympathisanten von Parteien ihre Beiträge und Spenden, soweit sie höher als die genannten Beträge sind (also 1.650 bzw. 3.300 Euro übersteigen), bis zur Höhe von 1.650 (3.000) Euro von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen. Insgesamt sind also Zuwendungen an Parteien bis zur Höhe von 3.300 Euro bzw. 6.600 Euro beim Mitglied oder Spender steuerlich begünstigt. Das für unser Thema Entscheidende ist nun Folgendes: Auch die steuerliche Begünstigung von Spenden und Beiträgen ist eine Form der staatlichen Parteienfinanzierung. Indem der Gesetzgeber Zuwendungen an politische Parteien in der dargestellten Weise für steuerlich abzugsfähig erklärt, verzichtet der Staat auf den Teil der Einkommensteuer, der an sich auf die Beträge entfallen würde.24 Dieser Steuerverzicht versetzt Spender und Mitglieder in die Lage, (bis zu den Obergrenzen für die Begünstigung) ihre Zuwendungen praktisch zu verdoppeln, ohne dafür aus eigenen Mitteln einen höheren Betrag aufwenden zu müssen.25 Das bedeutet, "dass der Staat mittelbar in Höhe des ihm verloren gegangenen Steueranteils an der Finanzierung der politischen Parteien teilnimmt."26 Für diese Form der staatlichen Parteienfinanzierung gibt es keinerlei Mindest-Quoren. Alle Parteien sind begünstigt. Sie alle haben an der steuerlichen Begünstigung von Beiträgen und Spenden teil und dürfen entsprechende Spendenquittungen ausstellen. Sie müssen nur überhaupt Parteien im Sinne des § 2 PartG sein, also "eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit" ihres Willens bieten, im Bund oder einem Land "auf die politische Willensbildung Einfluss (zu) nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mit(zu)wirken." Partei im Sinne dieser Vorschrift kann eine Organisation selbst dann sein, wenn sie sich nur an einer Landtagswahl beteiligt und dort nur wenige Stimmen erhalten hat. Sie kann – ausweislich § 2 Abs. 2 PartG – sogar fast sechs Jahre lang nicht an Parlamentswahlen teilnehmen und verliert dennoch ihren Parteistatus nicht, so dass Mitglieder und Spender also weiterhin die volle Steuervergünstigung auf ihre Beiträge und Spenden erhalten. Auf die direkten staatlichen Zuschüsse auf Mitgliedsbeiträge und Spenden passt denn auch die überkommene Rechtfertigung des Mindestquorums nicht mehr. Das Quorum soll verhindern, "dass sich kleine Splittergruppen nur deshalb am Wahlkampf beteiligen, weil er vom Staat finanziert wird."27 Nach der Umstellung des Systems mag diese Argumentation noch für den Wähleranteil der staatlichen Teilfinanzierung zutreffen, dessen Verfassungsmäßigkeit hier nicht bestritten wird. Für den Zuwendungsanteil, um den es in diesem Verfahren geht, macht das Wählerstimmenquorum (und die das Quorum tragende Argumentation) dagegen keinen Sinn mehr: Einer Partei vorzuhalten, dass sie nur deshalb Spenden und Beiträge einwerbe, um an die Staatszuschüsse zu kommen, wäre abwegig. Denn die von ihr erhaltenen Spenden und Beiträge werden ja gerade auch deshalb steuerlich gefördert, weil sie als Ausdruck der Verwurzelung der Parteien in der Bevölkerung angesehen werden. Und das gilt, wie dargelegt, auch für sehr kleine Parteien. Deshalb ist die steuerliche Begünstigung von Spenden und Beiträgen nicht an irgendein Mindestquorum gebunden. In ihren Genuss kommen Parteien auch dann, wenn sie nicht die Quoren für die direkte Staatsfinanzierung erreichen. Dass die Parteien auf die Zuwendungen – zusätzlich zur Steuerbegünstigung der Mitglieder und Spender – noch Staatszuschüsse erhalten, dient demselben Zweck: Zuwendungen als Ausdruck der Verwurzelung der Parteien in der Bevölkerung zu prämieren.28 Dasselbe Verhalten, das der 24 BVerfGE 8, 51 (62). 25 BVerfGE 8, 51 (66). 26 BVerfGE 8, 51 (62). 27 Siehe oben Fußn. 12. 28 BVerfGE 85, 264 (292 ff.); Bundespräsidialamt (Hg.), Empfehlungen der Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung, 1994, 56 f. Gesetzgeber gezielt steuerlich prämiert, nämlich das Einwerben von Spenden bei Sympathisanten und von Beiträgen bei Mitgliedern, kann aber nicht gleichzeitig ein missbräuchliches Verhalten sein, wenn es um die staatliche Bezuschussung der Partei geht, zumal diese ja genau dasselbe Ziel verfolgt. Hinsichtlich der staatlichen Zuschüsse auf Spenden und Beiträge macht die überkommene Rechtfertigung eines Mindestquorums und damit auch das Mindestquorum selbst also keinen Sinn mehr. Es liegt deshalb nahe, für Zuschüsse auf Spenden und Beiträge überhaupt kein Quorum festzulegen und dieses allein auf die Zuschüsse für Wählerstimmen zu beschränken. 4. Anerkennung der ödp als Partei Es lässt sich gegenüber der ödp auch nicht einwenden, sie sei keine Partei im Sinne des § 2 PartG. Die Prüfung der Parteieigenschaft erfolgt zweispurig. Für die Teilnahme an Wahlen liegt die Prüfung jeweils in der Hand von Wahlausschüssen, zum Beispiel für Bundestagswahlen beim Bundeswahlausschuss (§ 18 BWahlG). So hat zum Beispiel für die Bundestagswahl vom 22. September 2002 der Bundeswahlausschuss in seiner Sitzung am 12. Juli 2002 festgestellt, dass 31 Vereinigungen für die Wahl des 15. Deutschen Bundestags als "Parteien" anzuerkennen seien.29 Dazu gehört natürlich auch die ödp. Dreiundzwanzig der zugelassenen 31 Parteien sind nicht im Bundestag oder in einem Landtag vertreten und müssen deshalb für ihre Wahlvorschläge Unterstützungsunterschriften von Wahlberechtigten beibringen: 200 Unterschriften von Wahlberechtigten des jeweiligen Wahlkreises für jeden Kreiswahlvorschlag und 1 v.T. der Wahlberechtigten des jeweiligen Landes, jedoch höchstens 2.000, für jeden Landeslistenvorschlag. Auch dies ist der ödp in den acht größten Bundesländern und in 40 Wahlkreisen gelungen. Die Prüfung der Parteieigenschaft von Vereinigungen als Voraussetzung für die Bejahung der Steuerbegünstigung von Beiträgen und Spenden liegt in der Hand der Finanzbehörden. Diese haben zum Beispiel für das Jahr 2001 über 90 politische Organisationen als Parteien anerkannt (Anlage 4). Dazu gehört selbstverständlich auch die ödp. Auch sie ist berechtigt, Spendenquittungen im Sinn der §§ 10b, 34g EStG auszustellen, und dies seit ihrer Gründung. 5. Politische "Ernsthaftigkeit" der ödp Es lässt sich gegenüber der ödp auch nicht einwenden, bei Anerkennung von Vereinigungen als Parteien würden die Voraussetzungen des Parteibegriffs nicht sorgfältig geprüft, so dass es insbesondere zur steuerlichen Spendenbegünstigung zugelassene Parteien gebe, die es mit der Beteiligung an der politischen Willensbildung in Wahrheit gar nicht ernst meinten. Dieser Einwand scheint deshalb nahezuliegen, weil die Diskrepanz zwischen den steuerlich anerkannten Parteien und den Parteien, die direkt staatliche Mittel erhalten, ins Auge sticht: Während für das Jahr 2001 über 90 politische Organisationen als Parteien im Sinne der Steuerbegünstigung anerkannt waren (Anlage 5), kamen im selben Jahr lediglich 17 Parteien in den Genuss der staatlichen Teilfinanzierung (Anlage 1). Könnte diese Diskrepanz aber nicht vielleicht umgekehrt daran liegen, dass schon die bisherigen Kriterien für die Teilnahme an der direkten staatlichen Finanzierung zu streng sind und sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen lassen? Und weiter: Könnten die zu strengen Voraussetzungen vielleicht sogar darin ihre Erklärung finden, dass der Ausschluss kleiner Parteien von den staatlichen Direktzahlungen – auf Grund des feststehenden Gesamtvolumens – unmittelbar den anderen Parteien zugute kommt (und nicht dem Fiskus) und die Parlamentsparteien die Regelungen in eigener Sache (und deshalb zu ihren Gunsten) getroffen haben? Sollte es sich dennoch – und entgegen den vorstehenden Überlegungen – erweisen, dass die Prüfung der steuerlichen Anerkennung von Parteien zu lax erfolgt, müsste dem dann in der Tat durch schärfere Kontrollen bei der Anerkennung als steuerbegünstigte Partei abgeholfen werden und nicht durch eine weitere Verschärfung der Kriterien für die staatliche Teilfinanzierung. Hinsichtlich der ödp würde jedenfalls auch eine strenge Kontrolle bei Anerkennung von Vereinigungen als Parteien ergeben, dass sie zweifellos alle Voraussetzungen des Parteibegriffs des § 2 PartG in vollem Umfang erfüllt und deshalb berechtigt ist, die Steuervergünstigung und die direkte Staatsfinanzierung in 29 Siehe Pressemitteilung des Bundeswahlleiters vom 12.7.2002, in der die zugelassenen Parteien namentlich aufgeführt sind (Anlage 3). Anspruch zu nehmen. Der Parteibegriff des Parteiengesetzes verlangt die Ernsthaftigkeit der Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes. Diese Ernsthaftigkeit kann bei der ödp nicht zweifelhaft sein. Die ödp verfügt selbstverständlich über eine Satzung, in der alle politische Parteien konstituierende Merkmale niedergelegt sind (Anlage 5). Die ödp wirbt für ein umfassendes bundespolitisches Programm, das in der jüngsten (am 13./14. April 2002 in Halberstadt beschlossenen) Fassung beiliegt (Anlage 6). Die ödp hat seit ihrem Bestehen regelmäßig die nach dem Parteiengesetz für Parteien vorgesehenen und vom Präsidenten des Bundestags veröffentlichten jährlichen Rechenschaftsberichte vorgelegt und auf ihrem Parteitag erörtert. Das ist deshalb hervorzuheben, weil viele der als steuerbegünstigt anerkannte Parteien diese gesetzlichen Pflichten nicht erfüllen.30 Die ödp erzielte in Bayern bei den letzten drei Landtagswahlen jeweils weit über 1 Prozent der Stimmen: 1990 1,7%, 1994 2,2% und 1998 1,8%.31 Diese Ergebnisse müssen im Licht der Verhältnisse beurteilt werden, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehen und die es kleineren Parteien besonders schwer machen, Wahlerfolge zu erzielen. Hier fallen vor allem die indirekten Auswirkungen der 5 Prozent-Sperrklausel ins Gewicht: Kleinere Parteien erhalten – nach zuverlässigen Erfahrungssätzen der Wahlforschung32 – tendenziell weniger Stimmen als sie erhielten, wenn es keine Sperrklausel gäbe. Viele Wähler, die an sich bereit wären, eine bestimmte kleine Partei zu wählen, lassen sich davon nämlich schließlich doch abhalten, weil sie befürchten, die bevorzugte Partei werde die 5 Prozent-Hürde nicht überspringen mit der Folge, dass die für die kleine Partei abgegebenen Stimmen verfallen. Die im Parlament vertretenen Parteien pflegen diesen Effekt im Wahlkampf auch groß herauszustreichen, um die Wähler gezielt davon abzuhalten, ihre kleineren Konkurrenten zu wählen. Auf Grund dieser massiven zusätzlichen indirekten Beeinträchtigung der Chancengleichheit kleiner Parteien ist die Unterstützung, die eine Partei in der Wählerschaft genießt, in Wahrheit oft erheblich größer, als die von ihr bei der Wahl erreichten Stimmenprozente vorgeben. Hinzu kommt, dass die in den Parlamenten vertretenen Parteien sehr viel bessere Möglichkeiten besitzen, öffentlich auf sich aufmerksam zu machen. Sie entsenden beispielsweise auch Personen in die Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten und haben Einfluss auf die Besetzung der wichtigen Positionen in den Anstalten. Das schlägt sich der Tendenz nach auch in deren Berichterstattung nieder, in der die etablierten Parteien und ihre Repräsentanten völlig dominieren. Darüber hinaus macht die staatliche Parteienfinanzierung im engeren Sinne tatsächlich nur einen Teil der staatlichen Parteienfinanzierung im weiteren Sinne aus.33 Zur staatlichen Parteienfinanzierung im weiteren Sinne gehören auch die staatliche Finanzierung der Parlamentsfraktionen, der parteinahen Stiftungen, der Abgeordneten und ihrer Mitarbeiter. Die etablierten Parteien im Parlament haben die entsprechenden Zahlungen in eigener Sache in großem Umfang angehoben, nachdem das Bundesverfassungsgericht der staatlichen Parteienfinanzierung im engeren Sinne in der zweiten Hälfte der 60er Jahre Grenzen gezogen und zudem die Einbeziehung der kleinen Parteien erzwungen 30 Siehe Bundestagsdrucksache 13/4303. 31 Ein umfassender Überblick über die Ergebnisse der ödp bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen findet sich in: Raphael Mankau (Hg.), 20 Jahre ödp. Anfänge, Gegenwart und Perspektiven ökologisch-demokratischer Politik, 1999, 172 f. 32 Dieter Roth, Empirische Wahlforschung, 1998, 29 f. 33 Siehe auch Rudolf Streinz, in: von Mangoldt/Klein/Starck, 4. Aufl., 2000, Art. 21 Abs. 1, Rdnr 193: "Die Parteienfinanzierung ist nur ein Teil der 'Politikfinanzierung'. (...) Mit der Parteinähe ist die Gefahr verbunden, dass diese Formen der Politikfinanzierung als Nebenwege einer versteckten Parteienfinanzierung missbraucht werden. Dies verletzt auch die Chancengleichheit, da solche Formen der Politikfinanzierung nicht allen Parteien offen stehen. (...) Der Ansatz, durch sparsame Finanzzuweisungen und strikte Zweckbindung die Fraktionen von der Umleitung von Mitteln auf die Parteien abzuhalten, ist zwar prinzipiell richtig. Angesichts des rapiden Wachstums der Fraktionszuschüsse und anderen Leistungen ist aber zumindest zweifelhaft, ob diese Gebote beachtet werden." hatte.34 Die staatlichen Zuwendungen an die Parteistiftungen wurden seitdem fast verfünfzigfacht, die an die Bundestagsfraktionen mehr als verdreißigfacht, so dass allein die Fraktionen und Parteistiftungen heute sehr viel mehr Geld aus der Staatskasse erhalten, als die eigentlichen Parteien.35 Alle diese Leistungen an Schwesterorganisationen der Parteien stärken die Rolle und das Gewicht der jeweiligen Mutterparteien, erhöhen ihre Präsenz in der Öffentlichkeit und vollenden damit ihre Dominanz. Von allen diesen Formen der staatlichen Parteienfinanzierung im weiteren Sinne sind kleinere Parteien wie die ödp, die nicht im Parlament vertreten sind, ausgeschlossen. In diesem – von den etablierten Parteien weitgehend in ihrem Sinne gestalteten – öffentlichen Umfeld der Politik als kleiner Außenseiter überhaupt "ein Bein auf den Boden" zu bekommen und sich Gehör zu verschaffen, ist besonders schwierig. Die tatsächlich erlangten Wählerstimmen können die Ernsthaftigkeit des Bestrebens einer kleinen Partei, an der politischen Willensbildung gestaltend mitzuwirken, deshalb nur unzureichend zum Ausdruck bringen. Über ein Prozent der Stimmen in einem großen Land wie Bayern zu erreichen, ist für eine Außenseiterpartei besonders schwierig und belegt in jedem Fall ihre Ernsthaftigkeit. Die Ernsthaftigkeit der ödp, an der politischen Willensbildung teilzunehmen, wird darüber hinaus auch durch folgende Fakten belegt: Die ödp beteiligte sich seit ihrer Gründung auf Bundesebene im Jahre 1982 an insgesamt 47 Parlamentswahlen (Bundestags-, Europa- und Landtagswahlen), davon allein im Jahr 2002 und den beiden vorangehenden Jahren bisher an acht Parlamentswahlen. Die ödp war bei Kommunalwahlen in zahlreichen Gemeinden, Städten und Landkreisen erfolgreich. Insgesamt haben derzeit 328 Männer und Frauen der ödp Mandate in Volksvertretungen von Kommunen inne, und zwar36 in Bayern: 244 (einschließlich 12 Mandaten für ödpler auf anderen Listen) in Baden-Württemberg :47 (einschließlich 19 Mandaten für ödpler auf anderen Listen) in Rheinland-Pfalz :21 (einschließlich 2 ödpler über Mehrheitswahl) in Nordrhein-Westfalen :12 in Hessen :1 in Thüringen: 1 in Brandenburg :2 ___________________________ Summe 328 Die ödp hat sich an mehreren Volksgesetzgebungsverfahren mit Erfolg beteiligt. Das Volksbegehren und den Volksentscheid vom 8. Februar 1998, durch den schließlich der Bayerische Senat abgeschafft wurde, hatte ursprünglich die ödp allein initiiert; später schlossen sich andere Parteien und Gruppierungen an.37[37] Auch bei wichtigen Verfassungsprozessen war die ödp erfolgreich. So 34 Siehe schon oben 2. 35 Hans Herbert von Arnim, Das System, 2001, 112 ff. mit weiteren Nachweisen. 36 Umfassende Angaben über die Erfolge der ödp bei Kommunalwahlen in Mankau, a.a.O., 180 ff. 37 Urban Mangold, Wie die ödp die CSU das Fürchten lehrte, in: Mankau, a.a.0., 185 ff.; Gabriela Schimmer, Schlanker Staat ohne Senat. Erfolg am Beispiel Memmingen, in: Mankau, a.a.O., 191 ff. beruhte die Beseitigung der verfassungswidrigen Fünfprozenthürde bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen durch das Urteil des dortigen Verfassungsgerichtshofs vom 6. Juni 1999 auf einer von der ödp angestrengten Klage und den von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten.38 Die ödp hat laut ihrem Rechenschaftsbericht für das Jahr 2000, also dem zuletzt eingereichten, 6.533 Mitglieder (Stand: 31.12.2000). Die ödp verfügt über Geschäftsstellen in Würzburg (Bundesgeschäftsstelle), Passau (Landesverband Bayern), Mainz (Landesverband Rheinland-Pfalz), Stuttgart (Landesverband Baden-Württemberg) und Bottrop (Landesverband Nordrhein-Westfalen). Sie hat in vielen Gliederungen hauptberufliche Angestellte, so zum Beispiel im Bundesverband (3 volle Stellen, 2 halbe Stellen, 1 drei viertel Stelle), in Bayern (2 volle Stellen, 1 drei viertel Stelle), in Baden-Württemberg (1 drei viertel Stelle) und in Nordrhein-Westfalen (1 halbe Stelle). Nach alldem ist die politische Ernsthaftigkeit der ödp unseres Erachtens völlig unbestreitbar. 6. Weizsäcker-Kommission – Verdoppelung des Quorums durch den Gesetzgeber Selbst wenn man – entgegen den vorstehenden Ausführungen – nicht überhaupt auf ein Quorum für staatliche Zuschüsse auf Zuwendungen verzichtet, sollte das Quorum in jedem Fall niedrig sein. Das Bundesverfassungsgericht hat die von ihm für die Beteiligung kleiner Parteien an der Wahlkampfkostenerstattung entwickelten Grundsätze in seiner Entscheidung von 1992 auch auf das neue System für entsprechend anwendbar erklärt.39 Was damit genau gemeint ist, bleibt allerdings unklar.40 Die herrschende Auffassung interpretiert das Bundesverfassungsgericht dahin, ein gewisses Quorum sei auch für staatliche Zuschüsse auf Zuwendungen zulässig. Die alte Konstruktion wird unbesehen auch auf das neue System angewendet, ohne von Grund auf zu überprüfen, ob sie auf den Zuwendungszuschuss noch passt. Irgendwie scheint die Problematik einer solchen Vorgehensweise aber doch insofern durchzuschlagen, als jedenfalls nur für ein geringes Quorum eingetreten wird. So hat die von Weizsäcker-Kommission vorgeschlagen, das Quorum für eine Beteiligung am Zuwendungsanteil auf 0,5 Prozent der Wählerstimmen auch bei einer Landtagswahl festzulegen. Die Kommission empfahl, "das Mindestquorum für die Beteiligung der Parteien an der staatlichen Finanzierung sollte (...) das Gleiche bleiben wie bisher, nämlich 0,5 v.H. der abgegebenen Wählerstimmen. Danach werden die Stimmen, die eine Partei bei einer Parlamentswahl erlangt hat, staatlich bezuschusst, wenn bei der betreffenden Wahl für die Partei mindestens 0,5 v.H. der Wählerstimmen abgegeben worden sind. Ein anderes Quorum für die staatliche Bezuschussung der Beiträge und Spenden festzulegen (hielt) die Kommission nicht für sinnvoll. An der Bezuschussung der Beiträge und Spenden sollten diejenigen Parteien teilnehmen können, die bei einer Parlamentswahl mindestens 0,5 v.H. der Stimmen erlangt haben; die Beteiligung an der Bezuschussung gilt für die Dauer der Wahlperiode des zu wählenden Parlaments."41 Der Gesetzgeber hat sich allerdings nicht an die Empfehlungen der Kommission gehalten, sondern das Quorum für Landtagswahlen auf 1 Prozent festgesetzt und damit verdoppelt, ohne dass diese Verschärfung im Gesetzentwurf irgendwie begründet worden wäre. Dort heißt es lediglich: Im Gesetzentwurf "wird differenziert zwischen dem erforderlichen Quorum bei der Teilnahme an Europa- und Bundestagswahlen einerseits (0,5 vom Hundert) und an den einzelnen Landtagswahlen andererseits (1,0 vom Hundert) (...) Zahlungen für Wählerstimmen werden dabei nur für diejenige 38 Claudius Moseler, in: Mankau, a.a.O., 163 (174). 39 BVerfGE 85, 264 (294). 40 Das Gericht geht zwar auch unter dem neuen System von einem "zu fordernden Mindeststimmenanteil" aus (BVerfGE 85, 264 [294]). Es wird jedoch nicht deutlich, ob das geforderte Quorum sich nur auf den Wählerstimmenanteil der Staatsfinanzierung oder auch auf den Zuwendungsanteil bezieht. 41 59. Bundespräsidialamt (Hg.), Empfehlungen der Kommission unabhängiger Sachverständiger zur Parteienfinanzierung, 1994, Wahl geleistet, bei der die Partei das jeweils erforderliche Quorum erreicht hat. Zahlungen für Beiträge und Spenden werden bereits geleistet, wenn bei einer Wahl das erforderliche Quorum von der Partei erreicht wurde."42 7. Drei-Länder-Quorum Nach den vorstehenden Ausführungen ist eigentlich überhaupt kein Quorum für die staatliche Bezuschussung von Spenden und Beiträgen zulässig; schon gar nicht darf das Quorum bei einer Landtagswahl höher als 0,5 Prozent oder allenfalls 1 Prozent sein. Nur für den Fall, dass das Gericht den vorstehenden Ausführungen nicht folgen sollte, soll im Folgenden – lediglich eventualiter und als Hilfsargumentation – aufgezeigt werden, dass jedenfalls die Verschärfung des Quorums, die das Achte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes gebracht hat (Ersetzung des bisherigen "Ein-Land-Quorum" durch ein "Drei-Länder-Quorum" bzw. Heraufsetzung des Ein-Land-Quorums von 1 Prozent auf 5 Prozent), verfassungswidrig ist. Die Erweiterung des bisherigen "Ein-Land-Quorums" auf ein "Drei-Länder-Quorum" verstößt gegen die Grundsätze der Offenheit des politischen Prozesses und der Chancengleichheit der politischen Parteien. Sie erschwert das Aufkommen neuer Parteien, die sich häufig zunächst in einem Land bilden, in unangemessener Weise. Sie benachteiligt darüber hinaus auch Regionalparteien, die ihren Schwerpunkt in dem einen oder anderen Land haben. Angesichts der strengen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Offenheit des politischen Wettbewerbs und der Chancengleichheit der politischen Parteien hatten auch die von der von Wedel-Kommission beauftragten Gutachter Martin Morlok und Hans Hugo Klein übereinstimmend vor jeder Verschärfung der Voraussetzungen für die Teilhabe von Parteien an der staatlichen Parteienfinanzierung gewarnt. So schreibt Martin Morlok:43 "Einer Erhöhung des Teilhabequorums für die staatliche Parteienfinanzierung von 0,5 % der für Listen abgegeben gültigen Stimmen bei der letzten Europa- oder Bundestagswahl oder 1,0 % bei einer Landtagswahl (§ 18 IV PartG) sind enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt, ist durch eine solche Voraussetzung doch stets rechtfertigungsbedürftig in die Chancengleichheit der Parteien eingegriffen (...). Teilweise wird beklagt, dass der partielle Wahlerfolg in einem sehr kleinen Land wie Bremen ausreiche, um bundesweit in den Genuss des Zuwendungsanteils nach § 18 III S. 1 Nr. 3 PartG zu kommen. Sieht man den Sinn des Mindestquorums aber in der Indikation der Ernsthaftigkeit einer Partei, ihren Aufgaben nach § 1 II PartG nachzukommen, ist eine Verschärfung des Kriteriums nicht angezeigt. Den beiden verfassungsrechtlich legitimen Zwecken, nämlich dem Gebot fiskalischer Sparsamkeit und der Zielsicherung staatlicher Parteienfinanzierung, ist nach der bestehenden Rechtslage hinreichend Genüge getan. Insbesondere ist zu besorgen, dass die Realisierung von Forderungen nach einem bundesweit zu berechnenden Stimmenanteil (etwa 0,1 % aller Wahlberechtigten) sich zulasten von Regionalparteien und zunächst lokal begrenzt erfolgreichen Neugründungen auswirkt. Die finanziellen Effekte solcher Restriktionen sind zudem für den Staat relativ gering, sodass hier im Zweifel für die Chancengleichheit zu optieren ist." Und Hans Hugo Klein ergänzt:44 "Von Änderungen im Bereich des § 18 Abs. 4 PartG rate ich ab. Zwar kann eine Partei auch bei einem – in absoluten Zahlen gemessen – äußerst niedrigen Stimmenanteil in einem einzigen Land erreichen, dass sie an der staatlichen Teilfinanzierung teilnimmt. Soweit es sich dabei um den Wähleranteil handelt, muss die Partei die im Gesetz genannten Voraussetzungen allerdings bei der jeweiligen (!) Wahl erfüllen. Eine Partei, die im Land X. 1,0 v.H. der Stimmen erzielt, bei allen anderen Landtagswahlen darunter bleibt und bei Europa- und Bundestagswahlen nicht auf 0,5 v.H. der Stimmen kommt, erhält staatliche Mittel gem. § 18 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PartG also nur in diesem einen 42 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP vom 28.9.1993, Bundestagsdrucksache 12/5774. 43 Martin Morlok, Gutachten, Bundestagsdrucksache 14/6711, S. 64 f. 44 Hans Hugo Klein, Gutachten/Ergänzung, Bundestagsdrucksache 14/6711, S. 45. Land. Allerdings kommt sie allgemein in den Genuss des sog. Zuwendungsanteils (§ 18 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 PartG). Daran etwas ändern zu wollen, wäre aus verfassungsrechtlicher Sicht mit erheblichen Risiken belastet (vgl. BVerfGE 24, 300)." Auch die von Wedel-Kommission selbst warnt vor jeder Verschärfung der Voraussetzungen: 45 "Einer Erhöhung des Teilhabequorums für die staatliche Parteienfinanzierung sind (...) enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt, weil es um einen Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien geht. Die Offenheit des politischen Wettbewerbs, also auch das Ziel, 'Newcomern' keine allzu hohen Hürden für eine Teilhabe an der staatlichen Parteienfinanzierung aufzubauen, ist ein hohes Gut. Die Kommission empfiehlt daher, beim Quorum der Wählerstimmen keine Änderung vorzunehmen." Dass kein triftiger Grund besteht, den zentral wichtigen Grundsatz der Offenheit des politischen Prozesses und der Chancengleichheit der politischen Parteien zurücktreten zu lassen, wird auch dadurch bestätigt, dass durch derartige Regelungen keinerlei Einsparungen zugunsten des Fiskus zu erwarten wären. Denn die Summen, die kleine Parteien nach der Neuregelung einbüßen würden, kämen nicht etwa dem Fiskus zugute, sondern den anderen an der Staatsfinanzierung beteiligten Parteien. Dies ergibt sich daraus, dass die politischen Parteien aufgrund der absoluten Obergrenze immer eine fixe Summe von bisher 245 Millionen Mark, in Zukunft 156 Millionen Euro jährlich, erhalten. Zahlungen, die den kleineren Parteien aufgrund der Neuregelung vorenthalten würden, kämen damit den anderen Parteien (und eben nicht dem Fiskus) zugute. 8. Fünfprozent-Quorum Für Regionalparteien ist es auch kein ausreichender Trost, dass sie beim Erreichen von 5 Prozent der Wählerstimmen in einem Land doch wieder an den staatlichen Zuschüssen für Zuwendungen beteiligt werden. Diese Klausel war ursprünglich noch nicht vorgesehen und wurde in den Gesetzentwurf erst eingefügt, nachdem der Sachverständige Ernst Gottfried Mahrenholz in einer Anhörung des Innenausschusses des Bundestags meinte, man dürfe die "Schill-Partei" nach ihrem Erfolg in Hamburg, wo sie bei der letzten Bürgerschaftswahl auf Anhieb fast 20 Prozent der Wählerstimmen erreicht hatte, nicht von den staatlichen Zuschüssen auf Zuwendungen ausschließen.46 Die "SchillPartei" aber ist ein Sonderfall. Es ist nicht zulässig, die Regelung allein auf diesen Sonderfall zuzuschneiden. Man kann keinesfalls davon ausgehen, dass es neuen Parteien regelmäßig möglich sei, im ersten Anlauf mehr als 5 Prozent der Wählerstimmen in einem Land und damit die Voraussetzung für die staatliche Bezuschussung der Zuwendungen zu erreichen. Eine Hürde von 5 Prozent für einen wesentlichen Teil der Staatsfinanzierung der Parteien würde zu einer immensen Verschärfung der ohnehin schon bestehenden 5-Prozent-Sperrklausel bei Landtagswahlen führen. Eine solche Verdoppelung der Hürden hat das Bundesverfassungsgericht mit Recht ausdrücklich ausgeschlossen.47 Das Fünf-Prozent-Quorum für die Beteiligung von Parteien an den staatlichen Zuschüssen auf Zuwendungen ist also genauso verfassungswidrig wie das Drei-Länder-Quorum. 9. Verstoß gegen das Übermaßverbot Die vorstehenden Überlegungen haben ergeben, dass eine Erweiterung des Ein-Land-Quorums auf ein Drei-Länder-Quorum und die Erweiterung des Ein-Prozent-Quorums auf 5 Prozent unter keinen Umständen in Betracht kommt. Nur für den Fall, dass das Gericht die vorstehenden Überlegungen nicht teilen sollte, sei hilfsweise und zusätzlich noch darauf hingewiesen, dass die Neuregelung in jedem Fall übermäßig ist, weil die vom Gesetzgeber selbst erklärten Ziele entweder illegitim sind oder sich auch auf andere Weise 45 Bericht der Kommission unabhängiger Sachverständiger zu Fragen der Parteienfinanzierung, Bundestagsdrucksache 14/6710, S. 30. 46 Ernst Gottfried Mahrenholz, Protokoll der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestags am 28.2.2002, S. 31. 47 Oben 1. Siehe auch Streinz, a.a.O., Rdnr. 192. erreichen lassen, die weniger in die Rechte von Parteien wie der ödp eingreift, wenn es nicht ohnehin an der Proportionalität fehlt. Einschränkungen des Gleichheitssatzes müssen, wenn sie von so erheblicher Intensität sind wie die hier in Frage stehende Regelung, den Grundsätzen des Übermaßverbots genügen.48 Das heißt, der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck muss legitim sein und die dafür eingesetzten Mittel müssen den Grundsätzen der Eignung, der Erforderlichkeit und der Proportionalität entsprechen. Die vorgenommenen Einschränkungen müssen also geeignet sein, den damit erstrebten legitimen Zweck zu erreichen, es darf kein milderes Mittel geben, und die Einschränkung darf – im Verhältnis zum verfolgten Ziel – nicht außerhalb der Proportionalität liegen. Die mit der Neuregelung verfolgten Zwecke werden in der Begründung des Gesetzentwurfs im einzelnen dargelegt: Mit der Neuregelung "wird die staatliche Teilfinanzierung unter bundespolitischen Aspekten vereinheitlicht. Nach der gegenwärtigen Rechtslage ist das Quorum von 1 % bei Landtagswahlen bei einer Umrechnung in tatsächliche Wählerstimmen zwischen kleinen und großen Ländern sehr ungleichgewichtig. Die bisherige Regelung führte insbesondere dazu, dass sich kleine, radikale Parteien z.B. bewusst die Stadtstaaten für Wahlen ausgesucht haben, um mit möglichst geringem Aufwand an der staatlichen Teilfinanzierung teilnehmen zu können. Da die Parteien unabhängig von dem Land, in dem sie sich an der Wahl beteiligen, den gleichen Vorteil bezüglich der bundesweiten Abrechnung des Zuwendungsanteils haben, ist eine dauerhafte Privilegierung dieses Verhaltens untragbar." Das "'Drei-Länder-Quorum' wird sicherstellen, dass ein Partei, die an der vollen staatlichen Teilfinanzierung unter Berücksichtigung ihrer bundesweit erlangten Zuwendungen teilnimmt, auch eine wahrnehmbare bundespolitische Bedeutung hat."49 Und an anderer Stelle der Gesetzesbegründung heißt es, die Neuregelung zielte darauf ab, "den Missbrauch der staatlichen Teilfinanzierung durch Parteien zu verhindern, die sich in der Vergangenheit ausschließlich deshalb in Bundesländern mit wenigen Wählern zur Wahl gestellt haben, um bundesweit den Zuwendungsanteil abrechnen zu können."50 Der Gesetzgeber verfolgt – ausweislich der Begründung – also drei Zwecke: Einmal wendet er sich gegen "radikale Parteien", zum zweiten will er es – ganz allgemein – kleinen Parteien verwehren, sich – in Ausnutzung der großen Unterschiede zwischen großen und kleinen Bundesländern – auf ein sehr kleines Bundesland zu konzentrieren, um sich dort die relativ wenigen Wählerstimmen, die für das Erreichen der Ein-Prozent-Marke erforderlich sind, zu sichern und so am Zuwendungsanteil teilzuhaben. Schließlich will der Gesetzgeber nur Parteien mit bundespolitischer Bedeutung am Zuwendungsanteil beteiligen, wobei sich der zweite und dritte gesetzgeberische Zweck teilweise überlagern. Soweit das Gesetz sich gegen "kleine, radikale Parteien" richtet, kann diese Argumentation die Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Parteien von vornherein nicht rechtfertigen. Ganz abgesehen davon, dass die ödp zweifellos keine radikale Partei ist, wird mit der Zurückdrängung radikaler Parteien ein verfassungsrechtlich unzulässiger Zweck verfolgt. Das Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG verbietet es dem Gesetzgeber, die politische Ausrichtung einer Partei als Argument für einen Eingriff in die Chancengleichheit zu benutzen. Die Entscheidung, ob eine Partei "radikal" im Sinne des Grundgesetzes ist und deshalb ihre Rechte verliert, ist von Grundgesetzes wegen dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten. Andernfalls wäre die Gefahr zu groß, dass die etablierten Parteien sich (mittels ihrer Herrschaft über die Gesetzgebung) unliebsamer Konkurrenten mit der Behauptung entledigen, sie seien "radikal". 48 BVerfGE 88, 87 (96); 91, 389 (401); 95, 267 (316 f.). Zum Ganzen Bodo Pieroth/Bernhard Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 17. Aufl., 2001, Rdnrn. 438 ff. Siehe auch schon Hans Herbert von Arnim, Besteuerung und Eigentum, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 1981, Bd. 39, 286 (324 ff.). 49 Gesetzentwurf, Bundestagsdrucksache 14/8778, S. 20. 50 Gesetzentwurf S. 15. Im Übrigen würde auch die Neuregelung gewisse, als problematisch angesehene Parteien gerade nicht von staatlichen Zuschüssen auf Zuwendungen ausschließen: Parteien wie die DVU , die NPD oder Die Republikaner erhielten, selbst wenn die neue Regelung Bestand hätte, voraussichtlich weiterhin staatliche Zuschüsse auf Zuwendungen, weil sie auch bei den letzten Wahlen mindestens in drei Bundesländern die 1 Prozent-Klausel übersprungen haben. So hatte die DVU nicht nur in Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen die 1 Prozent-Marke überschritten, sondern auch bei der letzten Bundestagswahl 1,22 Prozent der Stimmen bekommen. Die NPD hatte in Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen und Thüringen die 1 Prozent-Marke überschritten. Die Republikaner hatten in neun Ländern die 1 Prozent-Marke überschritten und auch bei der Bundestags- und der Europawahl jeweils über 1 Prozent der Stimmen bekommen. Soweit die Neuregelung – zweitens – darauf abhebt, dass 1 Prozent der Wählerstimmen "in kleinen und großen Ländern" zu "sehr ungleichgewichtigen" tatsächlichen Zahlen von Wählerstimmen führt und der Gesetzgeber verhindern will, dass Parteien sich "bewusst die Stadtstaaten für Wahlen" aussuchen, "um mit möglichst geringem Aufwand an der staatlichen Teilfinanzierung teilnehmen zu können", geht es ihm erklärtermaßen darum, "den Missbrauch der staatlichen Teilfinanzierung durch Parteien zu verhindern, die sich in der Vergangenheit ausschließlich deshalb in Bundesländern mit wenigen Wählern zur Wahl gestellt haben, um bundesweit den Zuwendungsanteil abrechnen zu können." Unabhängig davon, ob es sich in solchen Fällen wirklich um einen "Missbrauch" handelt, werden von dem Drei-Länder-Quorum jedenfalls auch Parteien wie die ödp getroffen, die in einem großen Land wie Bayern mehr als 1 Prozent der gültigen Stimmen zu erzielen pflegen, obwohl die Regelung nach der Intention des Gesetzgebers gar nicht auf sie zielt. Denn 1 Prozent der Wählerstimmen in Bayern als dem zweitgrößten deutschen Bundesland macht erheblich mehr aus als 1 Prozent der Wählerstimmen in den sechs kleinsten deutschen Bundesländern zusammen. So ergab 1 Prozent der gültigen Wählerstimmen zum Beispiel bei den letzten Landtagswahlen in Bayern 61 743 Stimmen. Ein Prozent der gültigen Wählerstimmen bei den letzten Landtagswahlen in den sechs Ländern Bremen, Saarland, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thüringen zusammen ergaben dagegen nur 50 195 Stimmen (siehe Tabelle 2, Anlage 7), also 11 548 Stimmen weniger. Es fehlt deshalb offensichtlich an der Erforderlichkeit des Drei-Länder-Quorum zur Erreichung des erklärten gesetzgeberischen Zwecks. Die Regelung belastet Parteien wie die ödp massiv, ohne dass dies zur Erreichung des Gesetzeszwecks nötig wäre. Es gibt auch durchaus Wege, wie der Gesetzgeber sein Ziel – unter Wahrung der Erforderlichkeit – hätte erreichen können: Um zu verhindern, dass eine Partei sich durch Beteiligung an Wahlen in einem sehr kleinen Bundesland das erforderliche 1 Prozent der Wählerstimmen verschafft, hätte der Gesetzgeber beispielsweise je nach Größe der Länder differenzieren können: Er hätte das Drei-Länder-Quorum auf die sechs kleinsten Länder beschränken können. In mittleren Ländern wie zum Beispiel Schleswig-Holstein, SachsenAnhalt und Berlin51 hätte er ein Zwei-Länder-Quorum einführen können. Und in den größeren Ländern wie z.B. Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Hessen, Sachsen und Rheinland-Pfalz hätte er es bei dem bisherigen Ein-Land-Quorum belassen können. In jedem einzelnen der zuletzt genannten größeren Länder ist die Zahl der gültigen Wählerstimmen regelmäßig höher als in den drei kleinsten Ländern (Bremen, Saarland und Hamburg) zusammen (siehe wiederum Tabelle 2). Auf diese Weise wäre also der Gesetzeszweck, eine Partei nicht schon nach dem Erreichen relativ weniger Stimmen in einem kleinen Land an den staatlichen Zuschüssen auf sämtliche Zuwendungen zu beteiligen, voll erreicht worden, ohne dass man auch solche Parteien, die man erklärtermaßen gar nicht erfassen will, wie die ödp, in gravierender Weise belastet. Da es also sehr viel mildere Wege gibt, das Ziel des Gesetzgebers zu erreichen, wird durch die angegriffene Regelung der Grundsatz der Erforderlichkeit verletzt. Soweit es dem Gesetzgeber – schließlich drittens – darum geht, nur Parteien mit einer "wahrnehmbaren bundespolitischen Bedeutung" an der Bezuschussung der Zuwendungen teilhaben zu lassen, fehlt es ebenfalls an der Erforderlichkeit: Wenn die Erlangung von 1 Prozent der Wählerstimmen in drei kleinen Ländern in den Augen des Gesetzgebers für die Erlangung wahrnehmbarer bundespolitischer Bedeutung ausreicht, müsste dies erst recht für die Erzielung von 1 Prozent der Wählerstimmen in einem großen Land gelten, wo dafür sehr viel mehr Stimmen 51 Das Zwei-Länder-Quorum würde dann gelten, wenn ein Prozent der Wählerstimmen in zwei mittleren Ländern oder in einem mittleren und einem kleinen Land erreicht werden. erforderlich sind. Die Einbeziehung der großen Länder in das Drei-Länder-Quorum war also auch zur Erreichung dieses Ziels nicht erforderlich. Darüber hinaus ist auch der Grundsatz der Proportionalität verletzt: Die Verhinderung des angeblichen Missbrauchs bestimmter Parteien wiegt sehr viel geringer als die massive Benachteiligung der an diesem angeblichen Missbrauch gar nicht beteiligten ödp. Die kleinen Parteien erhalten insgesamt nur einen sehr geringen Anteil an der gesamten staatlichen Parteienfinanzierung (siehe Schaubild 1, Anlage 8). Dies geschieht auch nicht auf Kosten der Steuerzahler, sondern – wegen der Begrenzung der Gesamtmittel durch die absolute Obergrenze – auf Kosten der anderen Parteien, insbesondere der im Parlament vertretenen. Diese haben aber – auf Grund der größenabhängigen Gestaltung der Parteienfinanzierung (im engeren Sinne) und auch auf Grund der nur ihnen zugute kommenden Parteienfinanzierung im weiteren Sinne52 – ohnehin gewaltigen Vorteile im politischen Wettbewerb, so dass die relativ geringe Einschränkung durch die den kleinen Parteien zukommenden Anteile an der staatlichen Parteienfinanzierung im engeren Sinne kaum ins Gewicht fällt. Darüber hinaus ist es fraglich, ob es überhaupt Sinn macht, die Anteile an der Staatsfinanzierung, die kleinen Parteien auf Grund des Nichterreichens des Quorums vorenthalten werden, auf die anderen Parteien zu verteilen. In jedem Fall ist es für die Legitimität des ganzen demokratischen Systems von grundlegender Bedeutung, dass die Grundsätze der Offenheit und Chancengleichheit des politischen Wettbewerbs gesichert werden. Deshalb müssen diese Grundsätze strikt eingehalten werden.53 Deshalb hat ihre Sicherung aber auch Vorrang vor dem – in seiner Berechtigung ohnehin zweifelhaften – Interesse der größeren Parteien, den Anteil kleiner Parteien auch noch zugeschlagen zu bekommen. Gezeichnet: von Arnim 52 Siehe oben III 4. 53 Siehe oben III 2.