Benefits! Das bAV-Fachmagazin von Towers Watson Deutschland

Werbung
Benefits!
Das bAV-Fachmagazin von Towers Watson Deutschland
Ausgabe 03 | November 2013
towerswatson.de
„Die
„
veränderte Altersstruktur, der Fachkräftemangel und
die verlängerte Lebensarbeitszeit durch die Rente mit 67
werfen vielfältige und tief greifende Folgefragen auf.“
Demografischer Wandel:
Nur wenige Unternehmen sind vorbereitet /
Aktuelle Studie
bAV-Benchmarkanalyse:
Umfassendes Bild durch
qualitative und quantitative Betrachtung
Insolvenzfestigkeit
von CTA: Sorgfältige
vertragliche Ausgestaltung entscheidend
Outsourcing-Lösungen:
Trends und Erfahrungen /Aktuelle Studie
von Towers Watson
Talent-Management
in fünf Schritten: Die
richtigen Mitarbeiter
gewinnen und binden
Muster-Rubrik
Inhalt
November 2013
Herausgeber:
Towers Watson GmbH
V.i.S.d.P.: Reiner Jung
Editorial
4
Jetzt wirklich!
Redaktion
Ulrike Lerchner-Arnold
Im Fokus
5
Demografischer
Wandel: Unternehmen
kaum vorbereitet
Verantwortlich:
Prof. Dr. Dr. Wolfgang Förster
Dr. Michael Karst
Sybille Siefer
Dr. Manfred Stöckler
Dr. Claudio Thum
Online-Archiv
Benefits! ist auch online abrufbar unter:
www.towerswatson.com/de-DE/Insights/
Newsletters/Europe/benefits-fachmagazin
8
Nachgefragt:
Weltweiter Wandel,
weltweite Lösung
10
Demografischer
Wandel bei RWE
Praxis Benefits
13
Wettbewerbsfähige
bAV dank
maßgeschneiderter
Benchmarkanalyse
15
Altersteilzeit vs.
Zeitwertkonto
17
Die wirtschaftliche
Lage deutscher
Lebensversicherer
19
Gesundheitsreform
in den USA erzeugt
Handlungsbedarf
Bilanzen & Finanzen
21
Zinsdiskussion:
Klärungsprozess vorläufig abgeschlossen
36
Versorgungsausgleich:
Keine Bezugnahme
auf Teilungsordnung
bei externer Teilung
24
Behandlung von
Mitarbeiterbeiträgen
bei Leistungszusagen
37
Steuerbilanzielle
Folgebewertung von
angeschafften Pensionsrückstellungen
25
IDW zur Bilanzierung
von Altersteilzeitverpflichtungen nach HGB
27
Schwellenländer
als Anlageregion für
Pensionsvermögen
Recht & Steuern
29
Prüfungsanpassung
von Betriebsrenten
31
Insolvenzfestigkeit
von CTA vom BAG
bestätigt
32
Außerplanmäßige
BBG-Erhöhung 2003
34
Leistungsausschließende Wartezeit von
15 Jahren zulässig
39
Versorgungsanwartschaften: Übertragung
auf Pensionsfonds
Administration &
Software
41
bAV-Administration:
Trends und Erfahrungen mit Outsourcing
HR-Strategie,
Talent & Rewards
44
Talent-Management
in fünf Schritten
News
47
Rückblick:
bAV-Konferenz 2013
49
M&A-Projekte erfolgreich führen
35
Gespaltene Renten­
formel: keine unzulässige Benachteiligung
Benefits! 3
Editorial
Jetzt wirklich!
Von der Prognose zur Realität – diesen Schritt hat
der demografische Wandel in den letzten Jahren offensichtlich absolviert. In zwei Dritteln der
Unternehmen hat sich die Altersstruktur demografiebedingt bereits verändert. Mehr als die Hälfte
verzeichnet darüber hinaus einen Fach- und Führungskräftemangel, wie die aktuelle Demografie­
studie von Towers Watson zeigt (siehe Seite 5 ff.).
Nun sind realistische Lösungsansätze gefragt.
Durch Zuwanderung allein wird sich der Rückgang
des Erwerbspersonenpotenzials nicht auffangen
lassen, wären hierfür doch unrealistisch hohe
Zuwanderungszahlen erforderlich. Auch wenn die
Geburtenrate – nachdem sie schon etwa 40 Jahre
auf ähnlichem Niveau verharrt – sprunghaft steigen würde, wären die ersten Effekte erst in 20 bis
30 Jahren spürbar. Aussicht auf Erfolg verspricht
hingegen eine bessere Ausschöpfung des Erwerbspersonenpotenzials: eine Steigerung der Beschäftigungsquote bei Frauen und älteren Arbeitnehmern beispielsweise, oder die Verlängerung der
Lebensarbeitszeit, wie sie durch die Rente mit 67
gefördert wird.
Das zieht einen tief greifenden Umbruch nach
sich. Viele heutige Arbeitsplätze werden künftig besetzt werden von sehr unterschiedlichen
Menschen, was Alter, Lebensphase, Herkunft
usw. angeht. Belegschaften werden dann vielfältiger zusammengesetzt sein – und darauf werden
Arbeitsmodelle, Produktionsprozesse usw. angepasst werden müssen.
Von einer solchen „Generalinventur“ bleiben
auch sämtliche HR-Instrumente, einschließlich der
betrieblichen Altersversorgung (bAV) nicht verschont.
Stellenprofile, Karrieremodelle, Vergütungsstrukturen und die Wege für den Übergang in den Ruhestand gilt es anzupassen. Gerade hier eignet sich
die bAV, um – zusammen mit Zeitwertkonten (siehe
Seite 15) und Demografiefonds – flexible, auf die
Bedürfnisse von Unternehmen und Mitarbeitern
abgestimmte Lösungen bereitzustellen.
„Herausragende
„
bAV-Lösungen will
der ‚Deutsche bAV-Preis‘ würdigen.“
Dabei ist die bAV nicht nur ein Zukunftsthema.
Bereits heute existieren zahlreiche schlagkräftige betriebliche Versorgungsprogramme, die
einen wesentlichen Beitrag zur Alterssicherung in
Deutschland leisten. Damit gute bAV-Lösungen
breiter bekannt werden (und weitere Unternehmen
zu guten Versorgungsplänen inspirieren können),
sollen künftig herausragende bAV-Lösungen –
sei es in der Gestaltung, der Finanzierung, der
Administration oder der Kommunikation – mit
den „Deutschen bAV-Preis“ gewürdigt werden.
Der Award wird im Februar 2014 zum ersten Mal verliehen. Bewerbungsschluss ist am 15. Januar; unter
deutscher-bav-preis.de steht ein Bewerbungsformular zum Download zur Verfügung. Towers Watson
unterstützt diese Initiative zusammen mit weiteren
Organisationen, Medienpartnern und namhaften
Juroren aus Wissenschaft oder Unternehmenspraxis.
Über die Preisverleihung am 18. Februar im Rahmen
der Konferenz „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ wird
Benefits! im März berichten.
Aktuelle Informationen über Entwicklungen und
Trends aus der bAV finden sich auch jetzt schon –
in diesem Heft. Eine inspirierende Lektüre wünscht
Dr. Thomas Jasper
Leiter Retirement Solutions
Towers Watson Deutschland
Die nächsten Ausgaben
Der Newsletter Benefits! online bietet im Januar ein kurzes Update zu bAV-Rechtsprechung und
-Bilanzierung. Das nächste ausführliche Benefits-Fachmagazin erscheint im März.
4 towerswatson.de
Im Fokus
„Obwohl
„
ein Großteil der Unternehmen bereits erste demografische
Veränderungen verzeichnet und vielfältige Risiken identifiziert hat,
wurden erst bei einem Drittel demografiebezogene Maßnahmen
geplant oder umgesetzt.“
Demografischer Wandel: Nur wenige
Unternehmen sind vorbereitet
Erste Folgen bereits sichtbar / Demografiestudie 2013
Die strategische Bewältigung des demografischen Wandels ist wesentlich für den künftigen Unternehmenserfolg, sagen 70 Prozent der für die Demografiestudie 2013 von Towers Watson befragten
Unternehmen. Obwohl die ersten Folgen des Wandels bereits sichtbar sind, hat jedoch nur ein Drittel
Maßnahmen ergriffen.
Die Befragungsergebnisse zeigen eindrücklich,
dass die demografischen Veränderungen bereits
eingesetzt haben. So zeichnen sich bei zwei Drittel
der Unternehmen (67 Prozent) demografiebedingt
bereits Änderungen in der Altersstruktur der Belegschaft ab. Über die Hälfte (53 Prozent) klagt über
Fach- und Führungskräftemangel.
Die veränderte Altersstruktur, der Fachkräftemangel
und die verlängerte Lebensarbeitszeit durch die
Rente mit 67 werfen vielfältige und tief greifende
Folgefragen auf. Für Unternehmen empfiehlt es sich,
jetzt zu überlegen, wie sie Arbeitsprozesse künftig
gestalten. Darauf müssen die strategische Personalplanung, Karrieremodelle und die Maßnahmen für
einen schrittweisen Übergang vom aktiven Erwerbsleben in den Ruhestand abgestimmt werden. Dabei
hilft es nicht, isolierte Einzelmaßnahmen vorzuschie-
ben. Vielmehr ist eine integrierte Gesamtplanung
erforderlich, die sowohl HR-Aspekte als auch die
Auswirkungen des demografischen Wandels auf
Konsumenten, Nachfrage und gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge berücksichtigt.
Top-Themen: Talent-Management,
Karriere- und Nachfolgeplanung
Demografiebedingte HR-Risiken sehen vier Fünftel
der Unternehmen (81 Prozent) in den Bereichen
Talent-Management, Karriere- und Nachfolgeplanung. Drei Viertel (74 Prozent) sehen Handlungsbedarf beim Employer Branding – veranlasst durch
den bereits sichtbaren Fach- und Führungskräftemangel. Erst an dritter Stelle (72 Prozent der Unternehmen) wird das Gesundheitsmanagement, das
landläufig stark mit Demografieprojekten assoziiert
wird, genannt.
Benefits! 5
Im Fokus
Die längere Lebensarbeitszeit aufgrund der Rente
mit 67 macht zudem Anpassungen bei zahlreichen
HR-Konzepten erforderlich: 82 Prozent der Unternehmen sehen einen zunehmenden Bedarf an flexiblen Modellen für einen gleitenden Übergang in die
Rente. Das kann zum Beispiel so aussehen, dass
Wissensträger in den letzten Arbeitsjahren eine
eher beratende Teilzeitfunktion ausüben und ihre
Arbeitszeit über mehrere Stufen „herunterfahren“,
bis sie sich ganz in den Ruhestand verabschieden.
Im Umkehrschluss heißt das, dass viele Menschen künftig nicht mehr unbedingt auf dem
Zenit ihrer beruflichen Karriere in den Ruhestand
treten, sondern erst später. Arbeitsplätze, Stellenprofile, Karrieremodelle usw. müssen daher neu
überdacht werden, wie 80 Prozent der befragten
Unternehmen bestätigen.
Spannungsfeld: Mitarbeiter binden vs.
zeitigen Ruhestand ermöglichen
Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie für Mitarbeiter,
die beispielsweise aufgrund einer großen körperlichen Belastung ihre Tätigkeit nicht bis zum Rentenalter ausüben können, der Ruhestand weiterhin
finanziell abgesichert werden kann. Die Studie zeigt,
dass sich mehr als zwei Drittel der Unternehmen
(69 Prozent) mit einer entsprechenden Gestaltung
der betrieblichen Altersversorgung (bAV) bereits auf
diese Situation vorbereiten. Modelle zum flexiblen
Übergang in den Ruhestand müssen zwei wesentlichen Anforderungen gerecht werden:
•• Zum einen sollen sie den Mitarbeitergruppen,
die das Unternehmen möglichst lange im aktiven
Arbeitsleben behalten will, die richtigen finanziellen Anreize bieten.
•• Zum anderen sollen sie den Mitarbeitern, die
nicht länger arbeiten wollen oder können, einen
finanziell abgesicherten Ausstieg – beispielsweise durch eine Kombination aus Teilzeit und
Teilrente – ermöglichen.
Dabei steht für 90 Prozent der Unternehmen die
Bindung von Leistungsträgern an das Unternehmen
im Vordergrund. Fast ebenso viele (88 Prozent)
legen Wert auf eine flexible und unternehmensspezifische Gestaltung der Modelle. Auch die langfristige Motivation der Mitarbeiter spielt eine wichtige
Rolle: 86 Prozent legen darauf großen Wert bei der
Entwicklung von Demografie-Programmen. Wichtig
ist zudem, dass diese Modelle flexible Entscheidungen ermöglichen, die (je nach Leistungsbereitschaft und Belastungsfähigkeit der jeweiligen
Mitarbeiter und Personalbedarf des Unternehmens)
auch ohne jahrelange Vorlaufzeiten getroffen
werden können.
6 towerswatson.de
Abb. 1: Rahmenbedingungen für flexiblen
Übergang in den Ruhestand
Betriebliche
Altersversorgung
Flexible
Arbeitszeitmodelle
Altersteilzeit
Abfindungsprogramme
Altersgerechte
Arbeitsplätze
Zeitwertkonten
Vorruhestandmodelle
69 %
66 %
7 %
13 %
52 %
9 %
34 %
6 %
34 %
10 %
16 %
9 %
30 %
25 %
Aktuell
angeboten
Einführung
geplant
Die Finanzierung solcher Modelle sollte aus Sicht
der meisten Unternehmen (82 Prozent) gemeinsam
von Unternehmen und Mitarbeitern geschultert werden. Letztere sind dazu grundsätzlich auch bereit,
wie die Studie „bAV und Altersversorgung aus
Mitarbeitersicht“ (Towers Watson 2012, siehe auch
Benefits! August 2012) zeigt: Drei Viertel der Mitarbeiter würden demnach zumindest einen gewissen
Teil ihrer Bezüge für eine garantierte bAV einsetzen.
Bei der Bewältigung des demografischen Wandels
sehen einige Unternehmen auch den Staat in
der Pflicht: Ein Viertel (26 Prozent) kritisiert die
mangelnde Flexibilität der verfügbaren Instrumente
aufgrund zu enger gesetzlicher Gestaltungsspielräume. Gut unterstützt vom Staat fühlt sich lediglich eine Minderheit von 5 Prozent der befragten
Unternehmen.
Dank strategischer Personalplanung weniger
Arbeitskräftemangel
Obwohl ein Großteil der Unternehmen bereits
erste demografische Veränderungen verzeichnet
und vielfältige Risiken identifiziert hat, wurden
erst bei einem Drittel demografiebezogene Maßnahmen geplant oder umgesetzt. Handlungsbedarf besteht jedoch oftmals unmittelbar, da viele
HR-Maßnahmen erst mit einer gewissen Vorlaufzeit Wirkung zeigen.
Die Teilgruppe der Unternehmen, die Maßnahmen
schon geplant oder umgesetzt haben, beginnt mit
einer strategischen Personalplanung (78 Prozent)
bzw. Mitarbeiterbestandsanalysen (81 Prozent).
Auf Basis dieser Daten wurden vor allem TalentManagement-Maßnahmen und Employer-BrandingKampagnen (je 89 Prozent), aber auch Personalentwicklungsprogramme (bei 86 Prozent) konzipiert und
implementiert. Das Thema Gesundheitsmanagement
folgt erst auf Platz 4; es wird von 73 Prozent der
Unternehmen genannt.
Die aktiven Unternehmen können bereits erste
Erfolge verzeichnen: Diese Teilgruppe erwartet
einen Arbeitskräftemangel für ihr Unternehmen
zumeist später als Unternehmen, die sich noch
in der Phase der Informationssammlung oder der
Risikoidentifizierung befinden.
Abb. 2: Demografiebedingte Risiken
Abb. 3: Stand der Maßnahmenumsetzung
53 %
67 %
?
Fach- und
Führungskräftemangel
33 %
25 %
Maßnahmenentwicklung und
Umsetzung
Informationssammlung
42 %
Altersstruktur
Analyse und Prognose/
Identifizierung von Risiken
Dr. Reiner Schwinger
Fazit
Wie die Befragungsergebnisse zeigen, lohnt
sich ein frühzeitiges und integriertes Vorgehen, um demografische Risiken abzuwenden
oder abzumildern und etwaige Chancen zu
nutzen.
reiner.schwinger@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 3122-228
Ulrich Wiesenewsky
Die Studie
Die Towers-Watson-Studie „Demografischer
Wandel – Status quo und Herausforderungen für Unternehmen in Deutschland und
Österreich“ basiert auf einer Befragung von
HR- und Demografieverantwortlichen aus
116 Unternehmen aller Branchen mit insgesamt 700.000 Mitarbeitern in Deutschland
bzw. 4 Mio. Mitarbeitern weltweit. Die Studie wurde nach der ersten Erhebung 2011
in überarbeitetem Design zum zweiten Mal
durchgeführt.
ulrich.wiesenewsky@
towerswatson.com
Telefon: +49 221 8000-3450
Benefits! 7
Im Fokus
Nachgefragt
Demografie:
Weltweiter Wandel, weltweite Lösung
Karrierewege und Ruhestandsmodelle in der Zukunft
Der demografische Wandel stellt Unternehmen und Mitarbeiter vor vielschichtige Herausforderungen. Was
auf uns zukommt – und wie Unternehmen sich vorbereiten können, klopft Benefits! im Experteninterview ab.
Herr Dr. Schwinger, Prognosen sind schwierig.
Dennoch: Gibt es den demografischen Wandel
wirklich?
Ja, diese Erkenntnis hat sich inzwischen durchgesetzt. Die Fakten kennen Sie: Die arbeitende Bevölkerung wird künftig älter und heterogener sein. In
Deutschland werden insgesamt weniger Menschen
leben und die Anzahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter wird kleiner sein. Das hat Folgen für
das Arbeitskräfteangebot, die Rentenkassen, die
beruflichen Perspektiven vieler Menschen, kurz, für
alle Bereiche der Gesellschaft. Diese Entwicklung
ist nicht umkehrbar, kann aber durch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, eine bessere Ausschöpfung des Erwerbspersonenpotenzials und durch
Zuwanderung abgemildert werden.
In ca. 25 Jahren wird der demografische
Wandel seinen Höhepunkt erreichen. Wie
sieht die Arbeitswelt dann aus?
Die Situation wird sich für jedes Unternehmen
je nach Branche und internationaler Ausrichtung
anders darstellen. Auch jeder Mitarbeiter wird den
Wandel – je nach Alter, Beruf, Lebenssituation
usw. – anders erleben. Das ist aber nicht die einzige Veränderung. Parallel greifen technologischer
Fortschritt, Konjunkturzyklen und weltwirtschaftliche Verschiebungen. Wenn wir das zu Ende
denken, lässt sich Folgendes prognostizieren:
•• Viele heutige Arbeitsplätze werden künftig von
unterschiedlichen Menschen, was Alter, Lebensphase, Herkunft usw. angeht, besetzt werden.
Belegschaften werden dann vielfältiger zusammengesetzt sein – und darauf werden Arbeitsmodelle, Produktionsprozesse usw. angepasst
werden müssen. Unternehmen werden dann eher
Mehrgenerationenhäusern als einem Club jungdynamischer Mittdreißiger ähneln.
•• Angesichts des Fachkräftemangels werden Unternehmen versuchen, gute Mitarbeiter über das
Rentenalter hinaus im Unternehmen zu behalten.
8 towerswatson.de
So wie schon heute Unternehmen und ihre Mitarbeiter mit kleinen Kindern höchst unterschiedliche
Lösungen entwickeln, um Arbeit und Kinderbetreuung unter einen Hut zu bringen, so wird es künftig
für die späten Arbeitsjahre kreative und flexible
Modelle geben, um Personalbedarf, Leistungsbereitschaft, Belastungsfähigkeit und finanzielle
Absicherung auszubalancieren – durch Teilzeittätigkeit, Teilruhestand, geänderte Aufgaben usw.
Wenn in Deutschland künftig weniger Menschen als jetzt Produkte herstellen, aber dann
auch weniger Menschen Produkte kaufen, ist
das doch eigentlich kein Problem, oder?
Das wäre für ein Land nur in einer geschlossenen
Volkswirtschaft richtig, d. h., wenn die Unternehmen ihre Produkte nur innerhalb der Landesgrenzen absetzen und Verbraucher auch nur Produkte
„made in Germany“ kaufen würden. Tatsächlich lebt
die deutsche Wirtschaft wesentlich von Export und
Import. Und ganz problemlos wäre es auch dann –
selbst aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht:
Für den Einzelnen (Unternehmen wie Konsument)
würde in diesem Szenario der Wandel einen erheblichen Anpassungs- und Schrumpfungsprozess
bedeuten, weil sich sowohl Produktions- als auch
Konsumstrukturen grundsätzlich ändern würden.
Vor dieser – auch volkswirtschaftlichen – Rosskur
schützt uns die globale Vernetzung.
Kurz: Der demografische Wandel ist kein nationales,
sondern ein weltweites Phänomen, das auch in einer
weltweit vernetzten Wirtschaft gelöst werden wird.
So wird ein Teil der hiesigen Arbeitsplätze vielleicht
künftig an anderen Orten in der Welt besetzt werden.
Unternehmen werden schauen, welche Tätigkeiten
tatsächlich hier vor Ort erledigt werden müssen (z. B.
Autoreparaturen oder die Krankenpflege) und welche
nicht ortsgebunden sind, z. B. das Ausfüllen von
Steuerformularen, die Entwicklung von Computerprogrammen usw.
Daneben müssen wir bedenken, dass die Finanzierung unserer Renten, Krankheitsvorsorge und
unserer Staatsfinanzen – Stichwort: Umlagefinanzierung der Rentenkassen und Schuldenfinanzierung der öffentlichen Haushalte – im Grundsatz
auf wachsende oder zumindest gleich bleibende
Bevölkerungszahlen abgestellt ist. Fehlen auf Dauer
Beitrags- und Steuerzahler, tun sich unüberbrückbare Lücken auf.
Wie reagieren die Unternehmen auf die absehbaren Veränderungen? Stellen sie beispielsweise angesichts des kommenden Fachkräftemangels Mitarbeiter „auf Vorrat“ ein?
Das wird nicht funktionieren – eine heutige Überbelegung wird nicht einen künftigen Mangel kompensieren. Vielmehr sollten Unternehmen jetzt überlegen,
wie Arbeitsprozesse künftig gestaltet werden sollen,
d. h. welche Tätigkeiten vor Ort und welche auf dem
weltweiten Arbeitsmarkt erledigt werden können.
Darauf müssen die strategische Personalplanung
und sämtliche Folgefragen abgestimmt werden. Es
hilft nicht, einzelne Schrauben festzuziehen – die
gesamte Konstruktion muss neu durchdacht werden.
Bis jetzt sind zwei Drittel der Unternehmen allerdings
nicht über die Informationssammlung und -analyse
hinausgekommen, wie die aktuelle Demografiestudie
von Towers Watson zeigt. Lediglich ein Drittel hat
bereits konkrete Demografieprojekte geplant und
umgesetzt.
Was bedeutet der demografische Wandel für
die einzelnen Mitarbeiter?
Das lässt sich nicht pauschal sagen, weil die Veränderungen die Menschen in unterschiedlichen Arbeitsund Lebensphasen treffen.
•• Heutige Berufseinsteiger werden angesichts
des Fachkräftemangels häufig aus einer Vielzahl
unterschiedlicher Jobangebote wählen können.
Sie werden sich aber auch auf einem Arbeitsmarkt bewegen, der sehr viel stärker internationale Dimensionen hat als heute. Sie werden
später in den Ruhestand treten und viel stärker
selbst für ihre Rente vorsorgen müssen. Gleichzeitig werden sie die Renten der Baby-Boomer
mitfinanzieren müssen. Die Themen Generationenvertrag und Generationengerechtigkeit
werden sie also beschäftigen.
•• Viele Mitarbeiter, die heute Mitte 50 sind und
auf ein komfortables Frühverrentungsprogramm
gehofft hatten, werden wohl enttäuscht werden.
Aber sie werden auch stärker als die vorangehenden Generationen erleben, dass sie im Arbeitsleben gebraucht werden.
•• Karriereverläufe werden sich wandeln. Die Menschen werden vermutlich nicht mehr unbedingt
vom Höhepunkt ihrer Karriere aus in den Ruhestand wechseln. Vielmehr werden sie in ihrem
Berufsleben mehr unterschiedliche Positionen und
Aufgaben ausfüllen als es bei traditionellen Karrieren der Fall war. Intensive Arbeitsphasen werden
sich mit zeitweilig weniger intensiven Arbeitsphasen (z. B. Familienzeiten oder Weiterbildungsphasen) abwechseln. Der Ruhestandsbeginn wird
weniger durch einen Zeitpunkt, sondern eher durch
einen Zeitraum markiert, in dem die Arbeitsbelastung schrittweise zurückgefahren wird.
•• Nur diejenigen, die schon heute im Ruhestand
sind, werden den demografischen Wandel ausschließlich aus der Beobachterperspektive verfolgen können. Alle anderen sind Beteiligte.
Dr. Reiner Schwinger ist Mitglied des Führungsteams
von Towers Watson für EMEA und Managing Director
von Towers Watson Deutschland. Er verfügt über
eine mehr als 20-jährige Erfahrung in der strategischen Beratung von multinationalen Unternehmen.
Schwinger ist Mitglied des Vorstands der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba).
Benefits! 9
Im Fokus
Demografischer Wandel bei RWE
Langfristige qualitative Personalplanung unterstützt Erreichen
der Unternehmensziele
RWE kann durch eine umfassende langfristige Personalplanung Verschiebungen in der Belegschaftsstruktur frühzeitig erkennen und darauf abgestimmte Maßnahmen wie z. B. Weiterbildung, Umqualifizierung oder Versetzung auf dem konzerninternen Arbeitsmarkt einleiten. Somit lassen sich etwaige
Engpässe effektiv kompensieren.
Die RWE Service GmbH steht als konzerninterner
Dienstleister vor der Herausforderung, passgenaue
Leistungen bereitzustellen – insbesondere vor dem
Hintergrund eines sich stetig politisch und gesellschaftlich ändernden Umfelds in der Energiewirtschaft. Dieses wirkt sich ebenfalls auf die dienstleistenden Unternehmensbereiche aus. Sinkende
Mitarbeiterzahlen in den Kraftwerken oder im Netzbetrieb führen auch zu einer sinkenden Nachfrage
nach Dienstleistungen. Betroffen sind hier vor allem
die Bereiche der Betriebsgastronomie, des Konzerneinkaufs oder des Personalmanagements. Um
diesen geänderten Rahmenbedingungen gerecht zu
werden, ist es erforderlich, eine aufeinander abgestimmte Personalstrategie anzuwenden.
Die Personalstrategie der RWE Service GmbH ist
eng mit der Unternehmensstrategie verbunden.
Sie stützt sich wesentlich auf die Nutzung eigenentwickelter Instrumentarien, z. B. für die Betrachtung zukünftiger, durch die Demografie bedingte
Veränderungen im Unternehmen. Diese sollen die
Aufgaben der Personalbeschaffung, der Personalentwicklung und des Personaleinsatzes optimieren.
Damit untrennbar verbunden sind die Berufsausbildung, die Qualifizierung von Mitarbeitern sowie die
rechtzeitige Weitergabe des vorhandenen Fachwissens an die nachfolgenden Stelleninhaber.
Personalbestandsorientierte, qualitative
Einsatzplanung
Durch den demografischen Wandel steigt das Durchschnittsalter der Beschäftigten trotz Frühpensionierung und Altersteilzeit, da immer weniger Stellen
wiederbesetzt werden. Aufgrund eines gleichzeitigen Einstellungsstopps werden die verbliebenen
Mitarbeiter zu knappen Ressourcen. Somit ist eine
personalbestandsorientierte, qualitative Einsatzplanung von großer Bedeutung.
Grundlage für diese qualitative Personalplanung ist
die einheitliche Zuordnung von Planstellen („Arbeitsplätzen“) zu Qualifikationsgruppen. Hierfür wird bei
der RWE Service GmbH die sog. Jobfunktion herangezogen. Eine Jobfunktion umfasst alle Planstellen,
welche die gleichen Mindestqualifikationsanforderungen voraussetzen. Jeder Planstelle im Unternehmen
wird folglich genau eine Jobfunktion zugeordnet.
Auf Basis dieser Zuordnung erfolgt eine Simulation
des zukünftigen Personalbedarfs sowie des zukünftigen Personalbestands. Hierfür werden verschiedene Parameter wie z. B. Effizienzsteigerung, Eintritt
in die Regelaltersrente, Inanspruchnahme von Frühpensionsregelungen oder die Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse als Prämissen herangezogen.
Frühzeitiges Erkennen von Über- bzw.
Unterdeckung
Durch eine Modifikation der verschiedenen Prämissen verändert sich der Verlauf der simulierten
Personalbedarfs- und Personalbestandskurven. Es
besteht die Möglichkeit, verschiedene Szenarien
gleichzeitig zu betrachten und somit die Auswirkungen der einzelnen Prämissen abzuschätzen
(siehe Abb. 1).
Ein Abgleich zwischen dem zukünftigen Personalbedarf und dem zukünftigen Personalbestand ermöglicht ein frühzeitiges Erkennen von Kapazitätsrisiken.
Somit können notwendige personalwirtschaftliche
Maßnahmen eingeleitet werden, um diesen Risiken
rechtzeitig entgegenzuwirken.
Abb. 1: Szenarioanalysen
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
20112016 20212026 2031 2036 2041 2046
Soll 1 (– 0 %)
Verlängerung von Befristungen (50 %)
Soll 2 (– 1 %)
ATZ Inanspruchnahme (50 %)
Soll 3 (– 3 %)
Wiederbesetzung ATZ (67 %)
„Alles auf Null“
10 towerswatson.de
Abb. 2: Analyse von Über- bzw. Unterdeckungen in den Teilbereichen
Jobfunktionen
2013
2014
2015
2016
2017
2018
2019
2020
2021
2022
SQL 4 Kaufmännische Hilfskraft
66,70
65,87
63,40
60,27
59,00
58,75
58,75
58,75
58,75
52,75
SQL 4 Technische Hilfskräfte
70,27
68,92
67,47
64,85
62,40
62,40
62,40
62,40
62,40
61,87
SQL 3 Verwaltung
70,44
69,89
68,55
63,55
60,82
60,82
60,82
60,82
60,82
56,29
170,02
159,20
156,32
153,08
149,04
149,04
149,04
149,04
149,04
142,77
4,00
4,00
2,80
2,80
2,80
2,80
2,80
2,80
2,80
1,80
SQL 3 Facharb Querschnittsfunktionen
77,55
75,95
72,85
71,32
68,92
68,92
68,92
68,92
68,92
67,92
SQL 3 Fahrzeugführer
27,40
26,47
25,87
24,07
22,87
22,87
22,87
22,87
22,87
20,87
SQL 2 Verwaltung
12,00
12,00
11,67
10,40
10,40
10,40
10,40
10,40
10,40
7,40
341,62
336,26
327,36
318,35
311,36
311,36
310,57
310,57
310,57
298,02
SQL 2 kaufm. /techn. Funktionen
26,00
25,67
25,33
24,33
23,40
23,40
23,40
23,40
23,40
21,40
SQL 2 Meist /Techn Kfz-Wesen
10,22
9,62
9,62
9,02
8,53
8,53
8,53
8,53
8,53
7,53
2,66
2,66
2,33
2,04
2,04
2,04
2,04
2,04
2,04
2,04
10,00
9,67
9,33
8,40
8,40
8,40
8,40
8,40
8,40
7,40
5,00
5,00
4,67
4,07
3,47
3,47
3,47
3,47
3,47
3,47
276,17
273,88
268,48
260,48
255,34
255,34
254,34
254,34
254,34
243,88
SQL 1 Juristische Funktionen
10,50
10,75
10,50
10,50
10,50
10,50
10,50
10,50
10,50
10,50
SQL 1 IT - Funktionen
35,04
35,44
34,50
34,50
33,57
33,57
33,57
33,57
33,57
32,57
SQL 1 Trainee
10,00
7,50
7,50
7,50
7,50
7,50
7,50
7,50
7,50
7,50
SQL 1 kaufm. /techn. Funktionen
14,00
14,00
12,73
11,90
11,30
11,30
11,30
11,30
11,30
11,30
SQL 1 Ing Bau
30,51
28,98
28,38
27,18
26,58
26,58
26,58
26,58
26,58
23,58
SQL 1 Zentrale Steuerungsfuktionen
42,65
41,30
40,37
40,37
40,37
40,37
40,37
40,37
40,37
40,37
SQL 3 Kaufmännische Funktionen
SQL 3 Metaller
SQL 2 Kaufmännische Funktionen
SQL 2 Meist /Techn Infrastr/Qschnfunk
SQL 2 Gastronomie
SQL 1 Administration
SQL 1 Kaufmännische Funktionen
Die zukünftig eintretenden Über- oder Unterdeckungen in den verschiedenen Jobfunktionen einer
Betrachtungseinheit werden aufgezeigt und anhand
einer Grafik visualisiert (siehe Abb. 2).
Passgenaue Maßnahmenentwicklung
Anschließend wird analysiert, ob die Problematik
dieser Über- und Unterdeckungen mit unternehmensinternen Maßnahmen gelöst werden kann.
Hierfür werden die HR-Spezialisten beauftragt, mit
den Fachbereichen Möglichkeiten – idealerweise
jedoch konkrete Maßnahmen – zur Problemlösung
aufzuzeigen bzw. festzulegen.
Für eine interne Kompensation der Über- und Unterdeckungen bestehen die Möglichkeiten der Weiterbildung, Umqualifizierung oder der Vermittlung bzw.
Versetzung über den konzerninternen Arbeitsmarkt.
Nach Abschluss dieser internen Maßnahmen evtl.
verbleibende Unterdeckungen können im Regelfall
durch eine zielgerichtete Berufsausbildung oder
zukunftsorientierte Traineeprogramme kompensiert
werden.
Fazit
Durch eine stetig steigende Sensibilisierung
im Umgang mit entstehenden Über- und
Unterdeckungen kann auf strukturelle Veränderungsprozesse im Unternehmen deutlich
effektiver und flexibler reagiert werden. Die
Einführung der qualitativen Personalplanung
hat gezeigt, dass ein frühzeitiges Erkennen
von Kapazitätsrisiken erheblich dazu beiträgt,
die langfristige Zielerreichung der Fachbereiche und somit auch des Unternehmens zu
unterstützen.
Mariana Kolditz
Teamleiterin im
Personalcontrolling,
RWE Service GmbH
Benefits! 11
Praxis Benefits
„Die
„
Höhe der Beiträge kann als erster Anhaltspunkt für
die Wertigkeit einer bAV dienen. Jedoch entsteht erst in
Kombination mit der Betrachtung weiterer Merkmale,
wie z. B. des Zinsmodells, ein aussagekräftiges Bild.“
Wettbewerbsfähige bAV dank
maßgeschneiderter Benchmarkanalyse
Optimierte Gestaltung und Finanzierung
Damit eine Pensionszusage zielgerichtet die Bindung und Gewinnung von Mitarbeitern unterstützen kann,
sollte sie im Vergleich zum externen Markt wettbewerbsfähig sein. Eine Benchmarkanalyse liefert die
hierfür notwendige Positionsbestimmung und zeigt Optimierungs- oder Anpassungspotenzial.
In jüngster Zeit haben die private Altersvorsorge und
die betriebliche Altersversorgung (bAV) immer mehr
an Bedeutung gewonnen. So zählt die bAV nicht nur
für Arbeitnehmer, sondern auch für Arbeitgeber zu
den wichtigsten Nebenleistungen. Daher gilt es, die
Höhe und Attraktivität der eigenen bAV im Vergleich
zu anderen Marktteilnehmern genau einschätzen zu
können. Eine Benchmarkanalyse kann dabei helfen,
die Stärken und Schwächen des unternehmenseigenen Systems im Vergleich zum externen Markt zu
identifizieren. Sie kann zudem als Ausgangspunkt
für eine Anpassung oder Umgestaltung bestehender
Zusagen, eine Neuausrichtung der bAV bzw. des
ganzen Benefit-Systems oder die Optimierung der
Finanzierung oder des Risikomanagements dienen.
Qualitativer Vergleich: Nicht nur Plantyp und
Beitragsmodell
Eine bAV-Benchmarkanalyse gliedert sich i. d. R. in
einen qualitativen und einen quantitativen Teil. Der
qualitative Teil untersucht die Marktpraxis bzgl. maßgeblicher Strukturmerkmale wie z. B. Plantyp, Beitragsmodell, Definition der beitragsfähigen Bezüge,
Zinsmodell und Auszahlungsoptionen. Dotierung und
Werthaltigkeit der bAV-Zusagen werden im quantitativen Teil betrachtet.
Vorbereitung von Benchmarkanalysen
– die wichtigsten Prüfpunkte
•• Welchem Zweck soll die Benchmarkanalyse primär dienen (z. B. Neugestaltung der bAV, Optimierung der Finanzierung, Kommunikation)?
•• Wie soll die Peergroup zusammengesetzt werden (z. B. nach Branche,
Index, Region, Größe)?
•• Für welche Vertragsgruppen soll die Analyse durchgeführt werden
(z. B. tarifliche oder außertarifliche Mitarbeiter, leitende Angestellte,
Führungskräfte)?
•• Sollen über die maßgeblichen qualitativen Merkmale weitere qualitative Aspekte untersucht werden (z. B. Unverfallbarkeitsfristen,
Finanzierung)?
•• Welche quantitativen Größen sollen untersucht werden (z. B. Leistungshöhe, Beitragsäquivalent, fiktive Versicherungsprämie)?
•• Wird nur ein Marktüberblick benötigt oder soll auch der Stellenwert
der unternehmensindividuellen bAV im Markt betrachtet werden?
Ein Blick auf den aktuellen bAV-Markt 1 in Deutschland zeigt z. B., dass die meisten Unternehmen
für Neueintritte auf beitragsorientierte Systeme
umgestiegen sind. Diese werden nach wie vor
größtenteils als Direktzusagen durchgeführt. Die
Beiträge entsprechen i. d. R. einem bestimmten
Prozentsatz des Gehalts, wobei für Gehaltsbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze
in der gesetzlichen Rentenversicherung (West:
69.600 Euro p. a. für 2013) meist ein höherer
Prozentsatz gewährt wird. Die in den letzten Jahren
neu eingeführten Pensionspläne stützen sich vor
allem auf eine kapitalmarktorientierte Verzinsung.
Festzinszusagen werden derzeit seltener vergeben
(siehe Abb. 2). Als Altersgrenze setzt rund die Hälfte
der Systeme nach wie vor das 65. Lebensjahr an.
Ein Drittel stellt bereits auf die Regelaltersgrenze
der gesetzlichen Rentenversicherung ab. Hier ist für
die Zukunft eine weitere Steigerung zu erwarten.
Quantitative Aspekte: Dotierung und
Wertigkeit
Die Werthaltigkeit von bAV-Zusagen kann stärker
die Leistungsaspekte („Was kommt für den Arbeitnehmer heraus?“) oder stärker die Kostenaspekte
(„Was steckt der Arbeitgeber hinein?“) beleuchten.
Aus der Sicht der Arbeitnehmer stehen vor allem die
Leistungshöhen bzw. der Versorgungsgrad (prozentuale Höhe der Rente, gemessen am letzten Gehalt) in
den verschiedenen Versorgungsfällen Alter, Invalidität oder Tod im Vordergrund. Für die Unternehmen
spielen hingegen die bAV-Kosten eine größere Rolle.
Die Höhe der bAV-Beiträge kann hierfür als erster
Anhaltspunkt dienen. Jedoch entsteht erst in Kombination mit einer Betrachtung des Zinsmodells ein
aussagekräftiges Bild: Ein fester Beitrag in Höhe von
drei Prozent der Bezüge ist bei einer Direktzusage
mit sechs Prozent Festverzinsung mit ganz anderen
Kosten verbunden als bei Einzahlung in eine Direktversicherung.
Soll auch das Zinsmodell berücksichtigt werden, ist
die Kalkulation eines Beitragsäquivalents zielführend:
Hierbei wird für alle Zusagen der Vergleichsgruppe
(Peergroup) die Leistung in einem vorgegebenen
Rentenalter ermittelt. Im nächsten Schritt wird der
1 Vergleichsgruppe: 50 deutsche Großunternehmen in einer repräsentativen Branchenmischung
Benefits! 13
Praxis Benefits
Muster-Rubrik
Beitragssatz berechnet, der unter Annahme eines
festen Referenzzinses (der vorab für die Peergroup
einheitlich festgelegt wird) zu der vorher ermittelten
Leistung führt.
Die Analyse des Beitragsäquivalents liefert somit
eine gute Indikation für die wertmäßige Einordnung
der eigenen bAV im Markt – allerdings nur bezogen
auf die Altersleistung. Die gesamte Wertigkeit einer
bAV-Zusage einschließlich der Risikoleistungen bei
Invalidität und /oder Tod kann nur anhand der Kalkulation einer fiktiven Versicherungsprämie beurteilt
werden. Hierzu wird der Beitrag ermittelt, den eine
Versicherung benötigen würde, um das komplette
Leistungspaket abzusichern.
Die aktuell im deutschen Markt vergebenen bAVPrämien inkl. Risikoleistungen (d. h. die fiktiven
Versicherungsprämien) liegen für tarifliche Mitarbeiter im Median bei rund drei Prozent und für
leitende Angestellte bei rund neun Prozent des
Gesamtgehalts.2 Diese Zahlen variieren je nach
verwendeten Musterpersonen und eingeflossenen
versicherungsmathematischen Parametern sowie
wesentlich auch nach Branche oder ggf. regionalen
Unterschieden. So liegen die bAV-Prämien in der
Automobil-, Elektro- und Metallindustrie im Tarifbereich deutlich niedriger.
Abb. 1: Beitragsmodelle
(bAV für Tarifmitarbeiter)
(Angaben in Prozent)
8
Abb. 2: Zinsmodell (bAV für Tarifmitarbeiter)
(Angaben in Prozent)
4
13
28
24
31
Rentenbaustein (Festzins)
Kapitalbaustein (Festzins)
Fonds (akzessorisch)
Versicherung (akzessorisch)
Virtuelle Akzessorik
Hinweis für die Praxis
Eine Benchmarkanalyse hilft Unternehmen, die Wertigkeit ihrer bAV im
Marktvergleich zu bestimmen und die Mittelallokation für die Vergütungsbestandteile optimal zu gestalten. Um eine aussagekräftige Analyse zu
erhalten, sollte im ersten Schritt definiert werden, welchem Zweck die
Analyse primär dienen soll. Im nächsten Schritt sind die Analyseinhalte
(Einzelheiten der qualitativen und/oder quantitativen Analyse) abzustimmen. Hierbei entscheidend ist insbesondere die präzise Definition der
Vergleichsgruppe (Peergroup), die sich neben der Branche auch nach
Unternehmensgröße oder Region richten kann.
10
12
70
plit-Beitrags­satz
S
(in Prozent der Bezüge)
Beratung durch Towers Watson
Towers Watson unterstützt Unternehmen mit individuell zusammenstellbaren Benchmarkanalysen, die auf Basis einer umfassenden bAV-Datenbank und kundenbezogener Musterkarrieren durchgeführt werden. Das
Leistungsspektrum zieht sich hierbei von Standard-Reports (mit überwiegend qualitativer Betrachtung) über umfassende qualitative und /oder
quantitative Benchmark-Reports bis hin zu Spezialanalysen ausgewählter Strukturmerkmale.
Eckwert­system
Euro-Beitrag
inheitlicher Beitrags­satz
E
(in Prozent der Bezüge)
2M
usterperson Tarifmitarbeiter mit 37.500 Euro Gesamtgehalt p. a.;
Musterperson leitender Angestellter mit 275.000 Euro Gesamtgehalt p. a.
14 towerswatson.de
Anne Becker
anne.k.becker@­towerswatson.com
Telefon: +49 69 1505-5210
Altersteilzeit vs. Zeitwertkonto
Finanzwirtschaftlicher Vergleich
Ein gleitender Übergang in den Ruhestand wird sowohl durch Altersteilzeit- als auch durch Zeitwertkontenmodelle ermöglicht. Dieser Beitrag vergleicht die finanzwirtschaftlichen Folgen beider Modelle nach
dem Wegfall der staatlichen Förderung der Altersteilzeit.
Im Zuge des demografischen Wandels und des
Anstiegs der Lebensarbeitszeit (siehe auch Beitrag
auf S. 5) wird ein gleitender Übergang in den Ruhestand eine wesentlich bedeutendere Rolle spielen
als bislang. Er ermöglicht sowohl die Weiterbeschäftigung qualifizierter älterer Arbeitnehmer als auch
einen finanziell abgefederten stufenweisen Übergang
in den Ruhestand für Mitarbeiter, die aufgrund ihrer
Tätigkeit oder aus persönlichen Gründen nicht bis
zum Regelpensionsalter arbeiten wollen oder können.
Hierzu werden bereits heute sowohl Altersteilzeitmodelle (ATZ-Modelle) als auch Zeitwertkontenmodelle
eingesetzt. Wie stellt sich die finanzwirtschaftliche
Effizienz beider Modelle aus Unternehmenssicht
dar? Dies soll im Folgenden untersucht werden,
ohne im Einzelnen auf personalwirtschaftliche
Überlegungen sowie auf die Vorteilhaftigkeit aus
Mitarbeiterperspektive einzugehen.
Steuerrechtliche und finanzwirtschaftliche
Rahmenbedingungen
ATZ-Modelle: Für nach dem Jahr 2009 begonnene
Altersteilzeitverhältnisse ist die Förderung der
Bundesagentur für Arbeit eingestellt worden. Durch
den Wegfall dieser Subventionsleistung verbleibt
eine Förderung des Modells lediglich auf Mitarbeiterebene durch lohnsteuerfreie (§ 3 Nr. 28 EStG)
und beitragsfreie Aufstockungsbeträge, welche dem
Progressionsvorbehalt (§ 32b EStG) unterliegen.
In der ATZ-Phase leistet der Arbeitgeber neben dem
Teilzeitgehalt eine Aufstockungszahlung in Höhe von
i. d. R. mindestens 20 Prozent des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit sowie eine Erhöhung
des Arbeitgeberanteils zur Rentenversicherung in
Höhe von mindestens 80 Prozent. Insofern führt
das ATZ-Modell über die gesamte Dauer zu zusätzlichen Zahlungen des Arbeitgebers, die den üblichen
Vergütungsrahmen übersteigen. Diese Zusatzbelastungen sind beim Gleichverteilungsmodell korrespondierend mit der Arbeitsleistung des Mitarbeiters
gleichmäßig über den gesamten Modellzeitraum
verteilt. Hingegen erbringt der Mitarbeiter im sog.
Blockmodell in der Arbeitsphase eine Vorleistung
(100 Prozent Arbeitsleistung bei herabgesetzten
Bezügen) und erhält dafür in der anschließenden
Freistellungsphase eine Vergütung ohne korrespondierende Gegenleistung.
Die steuerliche Rückstellungsbildung ist durch
das BMF-Schreiben vom 28.3.2007 geregelt.
Rückstellungen sind lediglich für das Blockmodell
und frühestens zu Beginn der Altersteilzeit – somit
nicht vor Vollendung des 55. Lebensjahrs des
Mitarbeiters – für ungewisse Verbindlichkeiten zu
passivieren. Vor Beginn des ATZ-Vertrags wird also
die steuer- und finanzwirtschaftliche Sphäre des
Unternehmens nicht berührt. Erst mit Unterzeichnung des Vertrags beginnt im Blockmodell die
Vorausfinanzierung der Zusatzbelastungen in
Form einer steuerlichen Rückstellungsbildung.
Wertguthabenmodelle: Im Gegensatz zu ATZ-Modellen beginnt die Finanzierung von Zeitwertkontenmodellen bereits nach Vertragsbeginn. Finanziert
werden sie in der Anwartschaftsphase durch regelmäßige Einbringungen und Rückstellungsbildungen,
die sowohl vom Mitarbeiter durch Gehaltsumwandlung als auch vom Arbeitgeber geleistet werden
können. Während der Freistellungsphase werden
die Mittel aus den Zeitwertkonten entnommen,
ohne dass es zu einer (über das übliche Ausmaß
der Beitragszahlungen hinausgehenden) Aufstockung des Arbeitgeberanteils zur gesetzlichen
Rentenversicherung kommt.
Finanzwirtschaftlicher Vergleich
Die finanzwirtschaftlichen Unterschiede sollen mit
einem Berechnungsbeispiel verdeutlicht werden, das
zeigt wie die Vorteilhaftigkeit anhand des geringsten
Eigenkapitalverzehrs ermittelt wird. Zugrunde gelegt
wird, dass ein Mitarbeiter mit einem Eintrittsalter
von 40 Jahren und einem Regelpensionsalter von
67 Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung
nach Vollendung des 63. Lebensjahrs seine verbleibende durchschnittliche Arbeitszeit um 50 Prozent
reduziert und eine zusätzliche Aufstockungszahlung
von seinem Arbeitgeber in Höhe von 20 Prozent
seines zuletzt bezogenen Vollzeitgehalts erhält. Die
Aufstockung soll alternativ über ein Altersteilzeitoder ein Zeitwertkontenmodell finanziert werden.
Hierbei werden eine Verzinsung des Zeitwertkontenmodells in einem Fondsmodell sowie eine unternehmensinterne Verzinsung von drei Prozent pro Jahr
sowie ein Ertragsteuersatz des Unternehmens von
30 Prozent angenommen (Nach-Steuer-Rendite von
2,1 Prozent p. a.). Wie bereits ausgeführt, erfolgt
Benefits! 15
Praxis Benefits
Abb. 1: Eigenkapitalminderung im Vergleich*
Abfindungsvereinbarung in
Höhe von 1,5 Jahresgehältern
1,5-faches Jahresgehalt x 70 % Steuerfaktor = EK-Minderung von ca. 105 % des Gehalts
Altersteilzeit
(Gleichverteilungsmodell)
Vorteil ZWK vs. ATZ durch Wegfall
zusätzlicher Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung und längere
Phase der Innenfinanzierung
Zeitwertkonto, Beginnalter 40
Rein arbeitgeberfinanziert
Weiterer Vorteil ZWK vs. ATZ durch Kostenteilung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter
über den Weg der Gehaltsumwandlung
Zeitwertkonto, Beginnalter 40
50 % Gehaltsumwandlung und
50 % Arbeitgeber-Beitrag
0 %
20 %
40 %
60 %
80 %
100 %
120 %
* Eigenkapitalminderung nach Steuern in Prozent des letzten Vollzeitgehalts nach Vollendung des Regelpensionsalters 67
der Ansparprozess beim Zeitwertkontenmodell ab
dem Zeitpunkt des Diensteintritts über regelmäßige Einzahlungen, so dass zu Beginn der Freistellungsphase ausreichende Vermögensmittel zur
Verfügung stehen (Interpolation des notwendigen
Beitrags). Darüber hinaus werden zu Vergleichszwecken die alternativen Kosten einer Abfindungszahlung in Höhe eines 1,5-fachen Jahresgehalts
nach 23 Dienstjahren mit in die Untersuchung
einbezogen.
Aus der Sicht des Unternehmens resultieren Unterschiede zwischen den Modellen aus
•• dem abweichenden Innenfinanzierungszeitraum
aufgrund der steuerlichen Rückstellungsbildung,
•• der abweichenden Höhe der Arbeitgeber-Rentenversicherungsbeiträge während der Phase der
Arbeitszeitreduzierung,
•• der Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung in
Form der Gehaltsumwandlung.
Aus Vereinfachungsgründen bleiben Eigenkapitalminderungen durch die Administration sowie die
Insolvenzsicherung unberücksichtigt. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Komponenten das
Ergebnis nicht wesentlich beeinflussen.
Ein Blick auf die relative Eigenkapitalveränderung
(siehe Abb. 1) zeigt, dass Zeitwertkontenmodelle
zu signifikant geringeren Kosten (gemessen an der
Eigenkapitalminderung nach Steuern) im Vergleich
zur Altersteilzeit oder alternativen Freistellungsmaßnahmen führen. Dies gilt insbesondere, wenn die
Mitarbeiter über eine Gehaltsumwandlung an der
Finanzierung beteiligt werden. Aber auch ohne eine
Mitarbeiterbeteiligung sind im Vergleich zur Altersteilzeit Kostenersparnisse zu erwarten. Am teuersten ist die Variante der Abfindungszahlung.
16 towerswatson.de
Bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Mitarbeiters
aus dem Unternehmen können im Einzelfall unterschiedliche Ergebnisse resultieren. Diese sollten
– marktübliche Fluktuationsraten vorausgesetzt –
die aufgezeigten ökonomischen Grundaussagen
nicht beeinflussen.
Fazit
Nach dem Wegfall der Förderung der Bundesagentur erscheinen Altersteilzeitmodelle allenfalls einzelfallbezogen sinnvoll. Zu den höheren Belastungen trägt neben der Aufstockungszahlung auch der Zusatzbeitrag des
Arbeitgebers zur gesetzlichen Rentenversicherung bei. Ein Abwarten bzw.
Nichtstun kann in Verbindung mit zukünftig ggf. erforderlichen Abfindungsvereinbarungen bzw. Sozialplänen langfristig zu erheblichen Belastungen für
das Unternehmen führen. Vor dem Hintergrund des Anstiegs des Renteneintrittsalters auf das 67. Lebensjahr erscheint in diesem Zusammenhang
eine vorausschauende, strategische Finanz- und Personalplanung sinnvoll.
Zur Steuerung bieten sich aus finanzwirtschaftlicher Sicht Zeitwertkontenmodelle an, die neben einer höheren steuerlichen Effizienz auch die
Möglichkeit bieten, dass sich die Mitarbeiter an den Vorruhestandskosten
beteiligen. Die mit den Modellen verbundenen Administrationsaufwendungen und Kosten der Insolvenzsicherung fallen im Vergleich zu den finanzwirtschaftlichen Vorteilen deutlich geringer aus.
Markus Stein
[email protected]
Telefon: +49 89 51657-4618
Die wirtschaftliche Lage deutscher
Lebensversicherer
Situation stabil trotz Renditebelastung durch Niedrigzinsphase
Die Niedrigzinsphase geht an den Lebensversicherern zwar nicht spurlos vorbei. Eine genaue Analyse zeigt
aber, dass ihre wesentlichen Kennzahlen nur in relativ geringem Ausmaß beeinträchtigt wurden. Daher können versicherungsförmige Versorgungskonzepte weiterhin als eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung gelten.
Die Verzinsung der Deckungsmittel von Lebensversicherungen ist seit Jahren rückläufig: Waren es bis
2001 mehr als sieben Prozent, ist die deklarierte
laufende Verzinsung auf 3,68 Prozent in 2013 abgesunken (Quelle: Assekurata). Der Grund für diesen
Rückgang ist die Kapitalmarktsituation. Allerdings
wurden Lebensversicherer von der Kapitalmarktkrise
vergleichsweise wenig betroffen.
Im Sommer 2013 hat Towers Watson turnusgemäß
bei 15 Lebensversicherern, die spezielle Versicherungstarife für die betriebliche Altersversorgung
(bAV) anbieten, aktuelle Kennzahlen abgefragt
und analysiert. Diese Lebensversicherer decken –
gemessen an den Beitragseinnahmen 2012 – einen
Marktanteil von mehr als 50 Prozent ab.
Kennzahlenanalyse zeigt stabile Anlageerträge
Nettoverzinsung: Angesichts der sinkenden Überschussdeklarationen ist vor allem das Kapitalanlageergebnis von Interesse. Die Nettoverzinsung gibt an,
welche Rendite im Geschäftsjahr mit den Kapitalanlagen erzielt wurde. Diese ist 2012 auf 4,59 Prozent
gestiegen (Vorjahr 4,13 Prozent, Quelle: GDV). Dabei
reicht die Spanne bei den befragten Unternehmen
von 4,00 bis 5,44 Prozent.
Laufende Durchschnittsverzinsung: Anders als die
Nettoverzinsung berücksichtigt die laufende Durchschnittsverzinsung nur die laufenden Kapitalerträge
und -aufwendungen. Sie ist im Markt von 4,19 Prozent in 2011 auf 4,01 Prozent in 2012 gesunken
(Quelle: GDV). Die Werte für die befragten Unternehmen liegen zwischen 3,50 und 4,80 Prozent.
Die unterschiedliche Entwicklung der Netto- und
laufenden Durchschnittsverzinsung weist darauf
hin, dass der Anstieg der Nettoverzinsung durch
Sondereffekte generiert wurde.
Bewertungsreservequote: Tatsächlich waren Versicherer gezwungen, zur Finanzierung einer Zinszusatzreserve und der gesetzlich vorgeschriebenen
Beteiligung an den Bewertungsreserven Gewinne
zu realisieren. Dennoch ist eine Absenkung der
Bewertungsreservequote nicht zu beobachten.
Im Durchschnitt über die Versicherer ist sie von
5,20 Prozent in 2011 auf 12,74 Prozent in 2012
gestiegen – die Einzelwerte für 2012 bewegen sich
zwischen 4,37 und 19,7 Prozent. Ohne die Auflösung von Reserven wäre die Bewertungsreservequote stärker gestiegen.
Abb. 1: Zinserträge und -verpflichtungen deutscher Lebensversicherer
5,0
in Prozent
4,5
4,0
3,5
3,0
2007 20082009 201020112012
Nettoverzinsung der Kapitalanlagen (Quelle: GDV)
Laufende Durchschnittsverzinsung (Quelle: GDV)
Durchschn. Garantiezins im Bestand (Quelle: Assekurata)
Referenzzinssatz gemäß DeckRV (Quelle: Assekurata)
Benefits! 17
Praxis Benefits
Kapitalanlagestruktur: Der Anstieg der Reserven ist
in der Kapitalanlagestruktur der Lebensversicherer
begründet: Mehr als die Hälfte des Kapitals ist in
festverzinslichen Papieren angelegt. Diese befinden
sich lange im Bestand und verbriefen hohe Nominalzinsen. Dies hat zwei Konsequenzen:
•• Sie bieten einen stabilen Zinsertrag, der zu einer
guten Nettoverzinsung beiträgt.
•• Der Kurswert der hochverzinslichen Papiere ist
gegenüber dem Nennwert vergleichsweise hoch.
Dies führt zu den großen Reserven.
Insbesondere nach der Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) im November 2013
wird die Bewertungsreservequote zum Jahresende
2013 noch einmal ansteigen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Diskussion um die Neuregelung
der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven, die zuletzt im Februar 2013 gescheitert
war, wieder aufgenommen worden.
Die hochverzinslichen Papiere können die Verzinsung nur noch eine begrenzte Zeit stützen. Somit
wird sich die Niedrigzinsphase weiter negativ auf
die Kapitalerträge der Lebensversicherer auswirken. Der durchschnittliche Garantiezins im Bestand
sinkt zwar im Zeitablauf, die Absenkung geht aber
langsam voran.
Zinszusatzreserve: Um die langfristige Erfüllbarkeit
der Garantien zu gewährleisten, wird jährlich die
Garantieverzinsung der Bestandsverträge der Kapitalmarktentwicklung gegenübergestellt. Als Referenzzinssatz gilt seit 2010 gemäß Deckungsrückstellungsverordnung der Zehnjahresdurchschnitt
der Renditen europäischer Staatsanleihen höchster
Bonität. In 2011 lag der Referenzzins mit 3,92 Prozent erstmals unter vier Prozent. Für Verträge mit
einem Garantiezins von vier Prozent mussten daher
Mittel nachreserviert werden. Die Zinszusatzreserve lag im Markt in 2011 bei 0,24 Prozent der
Deckungsrückstellung (Quelle: Assekurata). In
2012 fiel der Referenzzins weiter auf 3,64 Prozent.
Die Zinszusatzreserve wurde auf durchschnittlich
0,74 Prozent der Deckungsrückstellung angehoben
(Quelle: Assekurata). Dabei variieren die Angaben
der befragten Unternehmen zwischen 0,37 und
4,00 Prozent. Sollte der Referenzzins weiter fallen,
müsste auch für Verträge mit einem Garantiezins
von 3,50 Prozent eine Reserve gebildet werden.
Entwicklung neuer Garantiekonzepte
Die Branche will der Zinsentwicklung gegensteuern
und von den herkömmlichen Garantien abweichen.
Sie sieht die Entwicklung neuer Garantiekonzepte
als dringlichste Aufgabe in der Bewältigung der Kapitalmarktkrise. Bisher haben allerdings Versicherer
nur vereinzelt Produkte entwickelt, die z. B. während
der Ansparphase die Beiträge und erst ab Rentenbeginn eine positive Verzinsung garantieren.
Kunden müssen bei diesen Produkten für die
Chance einer guten Rendite ein höheres Risiko in
Kauf nehmen. Prognosen zur Akzeptanz der neuen
Produkte lassen sich noch nicht anstellen. Ihr Einsatz in der bAV ist möglich, muss aber im Hinblick
auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrieblicher Versorgungswerke intensiver
als bei klassischen Produkten analysiert werden.
Dr. Uda Buttig
Fazit
Die aktuelle Kapitalmarktsituation schlägt
sich zwar in den Bilanz- und Ertragskennzahlen der Lebensversicherer nieder, jedoch
bislang nur in relativ geringem Ausmaß.
Die Bildung von Zinszusatzreserven soll die
Erfüllbarkeit langfristiger Garantieversprechen sichern. Trotz sinkender Renditen ist
die Branche weiterhin stabil und bietet eine
attraktive Kapitalanlagemöglichkeit. Daher
kann die Einrichtung bzw. Fortführung bestehender versicherungsförmiger Versorgungskonzepte weiterhin wirtschaftlich sinnvoll
sein. Allerdings kommt der qualifizierten
Auswahl des Anbieters eine immer größere
Bedeutung zu.
18 towerswatson.de
[email protected]
Telefon: +49 611 794-355
Christopher Schumbert
[email protected]
Telefon: +49 611 794-273
Gesundheitsreform in den USA erzeugt
Handlungsbedarf
Grundsatzentscheidung für deutsche Konzernzentralen
In den USA entsteht mit „ObamaCare“ erstmals eine allgemeine Krankenversicherungspflicht. Die Rahmenbedingungen für private und betriebliche Krankenversicherungen wurden reformiert. Unternehmen müssen
nun entscheiden, ob und wie sie künftig ihren Mitarbeitern einen Krankversicherungsschutz anbieten.
Die Gesundheitsreform von Präsident Obama stellt
eine Zäsur in der Sozialgeschichte der USA dar.
Mit der Krankenversicherung betrifft sie das wohl
wichtigste Instrument der persönlichen Risikovorsorge. Sie ändert die Rolle bzw. Verantwortung
des Einzelnen, des Staats und der Unternehmen
von Grund auf. Künftig besteht eine allgemeine
Versicherungspflicht: jeder Bürger der USA muss
krankenversichert sein. Damit der Einzelne diesen
Versicherungsschutz auch tatsächlich und zu angemessenen Preisen erwerben kann, wurde der private
Versicherungsmarkt tief greifend reformiert. Darüber
hinaus soll durch öffentliche Versicherungsbörsen
(Public Healthcare Exchanges) mehr Transparenz,
Wettbewerb und die Einhaltung von Mindeststandards sichergestellt werden.
„Play or Pay“
Die wohl wichtigste Rolle im Hinblick auf die Krankenversicherung der Erwerbstätigen in den USA
haben bislang die Unternehmen wahrgenommen.
Dabei verfügten sie bzgl. des Angebots und der Ausgestaltung ihrer Medical Plans über weitreichende
Gestaltungsspielräume. Die Gesundheitsreform
führt nun Mindeststandards für den Umfang der
Versicherungsleistungen und Obergrenzen für die
Kostenbeteiligung der Mitarbeiter ein.
Unternehmen, die unter diesen neuen Rahmenbedingungen keine betriebliche Krankversicherung (mehr)
anbieten, müssen ab 2015 eine jährliche Strafsteuer
in Höhe von 2.000 US-Dollar pro Mitarbeiter zahlen
(„play or pay“). Die Gesundheitsreform nimmt die
Unternehmen (und den Einzelnen) in die Pflicht; es
kann also keineswegs von einer „Verstaatlichung
des Gesundheitssystems“ gesprochen werden.
Ab 2018 werden Unternehmen, die eine eher großzügige betriebliche Krankenversicherung anbieten, mit
einer jährlichen Steuer in Höhe von 4.000 US-Dollar
pro versichertem Mitarbeiter (sog. „Cadillac-Steuer“)
an der Finanzierung der Gesundheitsreform beteiligt. Hier besteht für alle größeren Unternehmen
Prüf- und ggf. Anpassungsbedarf.
Öffentliche und private Versicherungsportale
Ein zentrales Element der Reform ist die Schaffung
öffentlicher, d. h. von den jeweiligen Bundesstaaten
oder ersatzweise von der Bundesregierung getragener Versicherungsbörsen bzw. Einkaufsportalen
(Public Healthcare Exchanges). Diese regulierten
„Marktplätze“ bieten dem Einzelnen die Möglichkeit, Versicherungsangebote zu vergleichen und
auszuwählen. Die hier angebotenen Versicherungsprodukte erfüllen in jedem Fall die gesetzlichen
Mindeststandards.
Daneben existieren bereits private Versicherungsportale (private healthcare exchanges), die von
Unternehmen in Anspruch genommen werden
können, um ihre Mitarbeiter von der betrieblichen
Krankenversicherung auf den privaten Versicherungsmarkt umzulenken. Zu diesem Zweck zahlen
sie ihren ehemaligen Mitarbeitern einen regelmäßigen Betrag aus, mit welchem diese über das vom
Unternehmen beauftragte Versicherungsportal
einen qualitativ hochwertigen und aufgrund einer
Rabattierung preislich attraktiven Versicherungsschutz erwerben können.
Diesen Ansatz verfolgt bereits eine zunehmende
Anzahl von kleinen und mittelgroßen Unternehmen,
wobei die Zusatzversicherung der Rentner (Retiree
Medical Plan) im Zentrum steht. Dass kürzlich mit
IBM ein großes und kapitalstarkes Unternehmen –
mit Hilfe der von Towers Watson angebotenen Versicherungsbörse „Extend Health“ – diesen Weg für
seine 110.000 Rentner geht, hat für viel Interesse
in der Öffentlichkeit gesorgt.
Neue Handlungsoptionen
Mit der Regulierung des privaten Versicherungsmarkts ist es dem Einzelnen künftig möglich, privaten Versicherungsschutz in ausreichendem Maß
und zu angemessenen Kosten zu erwerben. Dies
wiederum macht den Verzicht auf eine betriebliche
Krankenversicherung zu einer realistischen und
ethisch vertretbaren Option.
Benefits! 19
Praxis Benefits
Es kann für Unternehmen durchaus sinnvoll sein,
die Strafsteuer von 2.000 US-Dollar pro Mitarbeiter und Jahr zu zahlen und sie beim Erwerb eines
privaten Versicherungsschutzes zu unterstützen –
finanziell und durch den Zugang zu günstigem
Versicherungsschutz. Bei der Entscheidung über
„play oder pay“ sind allerdings viele Faktoren zu
berücksichtigen, wie z. B.
•• die Besteuerung des Mitarbeiters,
•• die Zugänglichkeit von staatlichen Förderungen
(Medicaid),
•• die Auswirkungen auf die Mitarbeitergewinnung
und -bindung sowie
•• die Reputation bzw. das Wertesystem des
Unternehmens.
Handlungsbedarf – lokal und global
Die anstehenden Entscheidungen haben erhebliche finanzielle Auswirkungen, da die jährlichen
Ausgaben (nach Berücksichtigung des Mitarbeiterbeitrags) zwischen ca. 8.000 bis 12.000 US-Dollar
pro Mitarbeiter betragen. Darüber hinaus können
Entscheidungen auf diesem sensiblen Feld nur
schwer und nur sehr langfristig korrigiert werden.
Daher sollten deutsche Unternehmenszentralen
die lokalen Entscheidungsträger nicht allein lassen,
sondern Unterstützung und Orientierung geben,
damit die zu treffenden Entscheidungen auf die
Unternehmensstrategie und die Unternehmenswerte abgestimmt sind.
Umgekehrt kann das US-Management die deutsche
Unternehmenszentrale bei der Weiterentwicklung
eines globalen Gesundheitsmanagements unterstützen. Amerikanische Unternehmen haben hier –
gerade weil sie im Rahmen ihrer betrieblichen
Krankenversicherung einem hohen Kostendruck
ausgesetzt sind – effektive Konzepte entwickelt.
Diese könnten (ggf. adaptiert) auch für Tochterunternehmen in anderen Ländern genutzt werden.
Hinweise für die Praxis
Deutsche Unternehmenszentralen sollten einen in einen offenen Dialog
mit ihren Kollegen in den USA über die kurz- und mittelfristigen Strategien für die betriebliche Krankenversicherung und das betriebliche
Gesundheitsmanagement eintreten. Es lohnt sich für beide Seiten.
Ernst Schmandt
[email protected]
Telefon: +49 69 1505-5191
20 towerswatson.de
Bilanzen & Finanzen
„Bei
„ der langfristigen Kapitalanlagestrategie von Pensionsgeldern
empfiehlt Towers Watson den Aufbau eines breit diversifizierten
Portfolios unter Einschluss von Anlagen in Schwellenländern.“
Zinsdiskussion:
Klärungsprozess vorläufig abgeschlossen
„High Quality“ als absoluter Qualitätsbegriff
Wertpapiere mit einem Rating unterhalb von AA werden zur Festlegung des Rechnungszinses für die
Bewertung von Pensionsverpflichtungen weiterhin wohl nur um das Kreditrisiko korrigiert herangezogen
werden dürfen.
Angesichts des seit Jahresmitte 2012 anhaltenden
historisch niedrigen Zinsniveaus und infolge der
Herabstufung einiger AA-Unternehmensanleihen
wurde seit dem zweiten Halbjahr 2012 diskutiert,
auch Unternehmensanleihen mit A-Rating für die
Zinsbestimmung zuzulassen. So wurde z. B. ein
sog. „6A-Portfolio“, zusammengesetzt aus Anleihen
mit AAA -, AA - und A-Bewertung, als mögliche Alternative zum reinen AA-Ansatz vorgeschlagen.
Nach fast einjähriger Diskussion unter Einbindung des IASB entschied das IFRS Interpretations
Committee (IFRS IC) im Juli 2013, dass mit dem
Begriff „High Quality Corporate Bonds“ für die Wahl
des Rechnungszinses ein absoluter Qualitätsbegriff verbunden sei. Für Unternehmen liege folglich
auch bei einer Ausdünnung der Emittenten in den
obersten Qualitätskategorien kein Grund vor, ihre
Zinsbestimmungsmethodik zu ändern. An dieser
Grundsatzentscheidung wurde auch auf der Sitzung
des IFRS IC im November 2013 festgehalten.
„6A-Ansatz“ weiterhin wohl nicht zulässig
Am 25.7.2013 veröffentlichte das IFRS IC seine
als Abschluss der Diskussion konzipierte Stellungnahme zur Auslegung des Begriffs „High Quality
Corporate Bonds“ (HQCB) für die Wahl des Rechnungszinses. Vorausgegangen waren insgesamt fünf
Sitzungen des IFRS IC zu diesem Thema sowie eine
Anrufung des IASB. Ab Januar 2013 hatte sich die
Diskussion des IFRS IC dabei auf ursprünglich gar
nicht gestellte Fragen wie z. B. die etwaigen Mindestanforderungen an Staatsanleihen für den Fall
nicht tiefer HQCB-Märkte als Auffanglösung verlagert. Auf seiner Juli-Sitzung kehrte das IFRS IC dann
aber wieder zu der eigentlichen 6A-Frage zurück.
Mit der Entscheidung vom 16.7.2013 bestätigte
das IFRS IC zunächst, dass IAS 19 nicht festlege,
welches konkrete Rating als „hochwertig“ i. S. der
Zinsfindung anzusehen sei. Es führte zusätzlich
aus, dass der in IAS 19.83 verwendete Begriff
„High Quality“ ein absolutes und kein relatives
Benefits! 21
Bilanzen & Finanzen
Abb. 1: Rechnungszins nach IFRS, US-GAAP und HGB (BilMoG)
5,5
5,0
4,5
4,0
3,5
Okt 13
Sep 13
Aug 13
Jul 13
Jun 13
Mai 13
Apr 13
Mrz 13
Feb 13
Jan 13
Dez 12
Nov 12
Okt 12
Sep 12
Aug 12
Jul 12
Jun 12
Mai 12
Apr 12
Mrz 12
2,0
Feb 12
2,5
Zinsniveaus
Oktober 2013
HGB (BilMoG) Globale RATE:Link
Rentnerbestand
3,2 %
Mischbestand
4,90 %
3,5 %
Aktivenbestand
3,7 %
Jan 12
3,0
Dez 11
Rechnungszins in Prozent (Mischbestand)
6,0
Bilanzstichtag: Monatsende (31.10.2013)
HGB (BilMoG)
Global RATE: Link
Qualitätskonzept reflektiere, denn andernfalls hätte
der Richtliniengeber den Begriff „Highest Quality“
verwendet, also auf „hochwertigste“ Anleihen
abgestellt.
Mit einem relativen Qualitätsbegriff verbunden ist
u. a. die Idee, dass die für die Zinsbestimmung
heranzuziehenden hochwertigen Unternehmensanleihen einen gleichmäßigen Anteil innerhalb des
gesamten Corporate-Bonds-Universums des Investment-Grade-Bereichs (Anleihen mit einem Rating
von BBB bis AAA) einnehmen sollten, z. B. die obere
Hälfte. Insbesondere als Folge der massiven Abwertungen des Jahres 2012 ist das Durchschnittsrating des Investment Grade aber auf A gesunken.
Bei einer Annahme des relativen Qualitätsbegriffs
hätte sich folglich für Unternehmen die Möglichkeit
eröffnet, aktuell auch A-Anleihen für die Zinsfindung
ohne Korrektur des Kreditrisikos heranzuziehen.
Des Weiteren bekräftigte das IFRS IC, dass eine
einmal gewählte Methode zur Wahl des Rechnungszinses im Zeitverlauf grundsätzlich konsistent anzuwenden sei. Dementsprechend gäbe es auch für den
Fall eines ausgedünnten Universums hochwertiger
Unternehmensanleihen für die Unternehmen keinen
ausreichenden Grund, ihr Zinsverfahren zu ändern,
jedenfalls nicht, solange der Markt für derartige
Anleihen noch als „tief“ anzusehen sei.
Trotz der klaren Festlegung auf einen absoluten
Qualitätsbegriff vermied das IFRS IC jedoch –
anders als z. B. die amerikanische Börsenaufsicht
SEC 1993 für die Rechnungslegung nach US-GAAP
sowie der britische oder der japanische Richtliniengeber – einen konkreten Bezug auf die Ratings
der internationalen Ratingagenturen herzustel-
22 towerswatson.de
len. Dies hätte etwa mit der Aussage geschehen
können, dass „High Quality“ mit einem Rating
von „AA oder höher“ gleichzusetzen sei; es hätte
zweifellos der Klarstellung gedient. Der Grund für
diese Zurückhaltung dürfte in dem vom IFRS IC
mehrfach geäußerten Misstrauen gegenüber den
großen Ratingagenturen liegen, deren jeweiligen
Ratingvorschriften man sich nicht ausliefern wolle.
Des Weiteren spricht auch die am 16.1.2013 vom
Europäischen Parlament verabschiedete umfassende Neuregelung zur Regulierung der Ratingagenturen (Rating-Änderungsverordnung) für eine solche
Vorgehensweise, wonach im Unionsrecht und von
europäischen Behörden ein „übermäßiger Rückgriff
auf Ratings“ künftig verhindert werden soll.
Vor diesem Hintergrund verdichten sich zum Jahresende 2013 erneut die Anzeichen, dass sich an
den bisherigen Qualitätskriterien zur Einbeziehung
von „hochwertigen Unternehmensanleihen“ für die
Wahl des Rechnungszinses nichts ändern wird. Auf
seiner Sitzung im November 2013 hielt das IFRS IC
dann auch weitgehend an seiner Stellungnahme
vom Juli fest. Gleichwohl ist hierzu vor einer finalen
Beurteilung noch der genaue Wortlaut des Sitzungsprotokolls abzuwarten.
Auf einem Nebenschauplatz kam es dagegen am
16.7.2013 zu einer aus Sicht der Unternehmen
sicherlich positiven Entscheidung des IFRS IC. Demnach war es zwar seit Einführung der Eurozone gängige Praxis, die Auswahl der „Corporate Bonds“ auf
Ebene der Währungszone und nicht derjenigen eines
einzelnen Landes zu treffen. Allerdings entbehrte
diese Praxis bislang einer Grundlage im Standard
selbst. Durch eine im Rahmen des „Annual Improve-
Abb. 2: Von deutschen Unternehmen gewählter Rechnungszins zum 31.12.2012
40
34 31
30
25
20
17 15
5 4
4,00 bis 4,24
3,75 bis 3,99
3,50 bis 3,74
1
3,25 bis 3,49
2,25 bis 2,49
3 3,00 bis 3,24
0 1 2,50 bis 2,74
1 2,00 bis 2,24
0
2 1,00 bis 1,99
5
weniger als 1,00
10
2,75 bis 2,99
Prozent der Pläne
35
Rechnungszins in Prozent
Quelle: Towers Watson Client Survey of 31/12/12 Proposed Assumptions for Eurozone Plans
ments Project“ geplante Anpassung von IAS 19.83
soll die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise nunmehr bis zum Jahresende 2013 klargestellt werden.
Zinsentwicklung 2013: leichter Anstieg,
kaum volatil
Nach dem drastischen Rückgang des Rechnungszinses im ersten Halbjahr 2012 auf ein neues historisches Zinstief war die weitere Zinsentwicklung
von einem leichten Auf und Ab mit nur noch sehr
geringer Volatilität geprägt. Rating-Änderungen auf
breiter Basis und damit verbundene Schwankungen
des Rechnungszinses waren nicht mehr zu beobachten. Bis zum 31.10.2013 stieg der Rechnungszins
gemäß dem RATE:Link-Modell von Towers Watson
für den sog. „Mischbestand“ auf 3,5 Prozent an
und die entsprechenden Zinsempfehlungen für
den „Rentnerbestand“ bzw. den „Aktivenbestand“
betragen aktuell 3,2 Prozent bzw. 3,7 Prozent. Im
Jahresverlauf 2013 ist der Rechnungszins somit für
alle Laufzeiten um ca. zehn Basispunkte gestiegen.
Eine deutlichere Erholung des internationalen Rechnungszinses ist dagegen bedauerlicherweise nach
wie vor nicht in Sicht. Es kann daher heute davon
ausgegangen werden, dass die aktuelle Niedrigzinsphase auch 2014 noch anhält. Glücklicherweise ist
aber bislang eine bleibende Auswirkung der Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) vom
7.11.2013 auf den Rechnungszins nicht erkennbar.
Für den nationalen Jahresabschluss (BilMoG) ergab
sich über das Jahr 2013 infolge der vorgeschriebenen Durchschnittsbildung bislang eine geringfügige
Ermäßigung um 14 Basispunkte von 5,04 Prozent
auf 4,90 Prozent zum 31.10.2013. Bis zum Jahresende 2013 geht Towers Watson von einem weiteren
Rückgang des BilMoG-Zinses um ca. drei Basispunkte auf 4,87 Prozent aus. Für 2014 ist infolge
der Durchschnittsbildung und der damit verbundenen
stark gedämpften bzw. verzögerten Wiedergabe des
aktuellen Zinsniveaus von einem weiteren moderaten Rückgang des BilMoG-Zinses um ca. 20 Basispunkte auszugehen.
Ausblick
Der genaue Wortlaut des Sitzungsprotokolls
des IFRS IC vom November 2013 sowie die
weitere Entwicklung der Marktrenditen der
Unternehmensanleihen bleiben abzuwarten.
Benefits! wird weiter über dieses Thema
berichten.
Alfred-E. Gohdes
alfred.gohdes@
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-4407
Jürgen Fodor
juergen.fodor@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 3122-266
Benefits! 23
Bilanzen & Finanzen
Behandlung von Mitarbeiterbeiträgen
bei Leistungszusagen
Pragmatischer Ansatz vom IASB akzeptiert
Für die Bestimmung des Arbeitgeberanteils an den Gesamtkosten einer Leistungszusage können die
baren Mitarbeiterbeiträge in den meisten Fällen weiterhin von dem aktuariell berechneten Brutto-Periodenaufwand (Service Cost) abgezogen werden.
Die Behandlung von Mitarbeiterbeiträgen unter
IAS 19 und die zu dem entsprechenden Exposure
Draft eingegangenen Kommentare diskutierte
das IASB in seiner Sitzung vom 13. September.
Erfreulicherweise ist es dabei im Wesentlichen
dem Vorschlag des Staff gefolgt, der eine für die
Praxis pragmatische Lösung skizziert hatte. Der
endgültige Wortlaut der Änderung bleibt dennoch
abzuwarten. Er soll bis Ende des Jahres vorliegen
und spätestens am 1. Juli 2014 in Kraft treten.
Grundsätzlich bleibt alles beim Alten
Auf Anfrage von Beobachtern hat sich das IASB
seit dem letzten Jahr mit diesem Thema beschäftigt. Diese hatten die Frage gestellt, ob die überwiegend von Anwendern getroffene pragmatische
Auslegung – die allerdings dem ausdrücklich für
diesen Sachverhalt geänderten Wortlaut der Richtlinie entgegenlief – auch wirklich i. S. des IASB
ist. Im Frühjahr 2011 war nämlich, kurz vor der
Verabschiedung der Neufassung des IAS 19, die
Behandlung von Mitarbeiterbeiträgen im Standard
neu geregelt worden. Im Kern geht es darum, dass
für die Bestimmung des Arbeitgeberanteils an den
Gesamtkosten einer Leistungszusage die baren
Mitarbeiterbeiträge nicht einfach von dem aktuariell berechneten Brutto-Periodenaufwand (Service
Cost) in Abzug gebracht werden dürfen. Vielmehr
sollten die Mitarbeiterbeiträge ebenfalls nach den
Zuordnungsgrundsätzen des Standards aktuariell
bewertet und erst dann von den Service Cost in
Abzug gebracht werden dürfen. Anstelle des bisherigen einfachen Abzugs in Höhe des Beitrags hätte
dies somit sehr komplexe Berechnungen erfordert.
Erfreulicherweise hat sich nun nicht nur der Stab
des IASB, sondern auch das IASB selbst dem pragmatischen Ansatz der Anwender angeschlossen.
Grundsätzlich bleibt somit alles beim Alten. Nur
bei sehr ungewöhnlichem Verlauf der Mitarbeiterbeiträge ist eine gesonderte, aktuarielle Bewertung
erforderlich. Mitarbeiterbeiträge in absoluter oder
relativ zum Gehalt konstanter Höhe als auch nur
vom erreichten Alter abhängige Beiträge können
somit wie bisher durch einfachen Abzug von den
Service Cost bei den Pensionsplankosten nach
IAS 19 berücksichtigt werden. Nur „ausgefallene“
Konstruktionen, bei denen die Mitarbeiterbeiträge
lediglich dienstzeitabhängig ausgestaltet sind,
müssen äußerst komplex nach dem Wortlaut des
neu gefassten Standards behandelt werden.
Alfred-E. Gohdes
alfred.gohdes@
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-4407
24 towerswatson.de
Weil das IASB allerdings mit der Verabschiedung des
neuen IAS 19 erklärt hatte, die vorher bestehenden
Bewertungsregeln mit der Neufassung des Standards
nicht ändern zu wollen, hatten die meisten Praktiker
daraus den pragmatischen Schluss gezogen, dass
der geänderte Text gänzlich unberücksichtigt bleiben
könne. Andere Beobachter vertraten dagegen die
Meinung, dass eine solche Auslegung nicht haltbar
sei und forderten vom IASB eine Klarstellung.
Fazit
Für die Praxis kann die Entscheidung insgesamt als erfreulich gewertet
werden. Die meisten Pläne in Deutschland, die Mitarbeiterbeiträge vorsehen, können somit unverändert nach dem pragmatischen Verfahren
behandelt werden. Allerdings bleiben auch nach der Entscheidung des
IASB noch einige wichtige Fragen offen. So ist noch nicht vollständig
geklärt, ob die in Deutschland häufig anzutreffende Entgeltumwandlung,
die zwar wirtschaftlich aber nicht rechtlich als Arbeitnehmerbeitrag
gilt, im Rahmen von IAS 19 als Mitarbeiterbeitrag einzustufen ist oder
nicht. Die meisten Anwender stellen sich hier auf den Standpunkt, dass
sowohl eine Berücksichtigung als Mitarbeiterbeitrag und damit Buchung
als Gehaltsaufwand und nachfolgendem Abzug von den Service Cost,
als auch ein Ansatz der ungekürzten Service Cost mit entsprechender
Reduktion der Gehaltssumme, als im Einklang mit dem neuen IAS 19
anzusehen ist.
IDW zur Bilanzierung von
Altersteilzeitverpflichtungen nach HGB
Unterschiede zur IFRS-Bilanzierung
Das IDW hat sich zur „Handelsrechtlichen Bilanzierung von Verpflichtungen aus Altersteilzeitregelungen“
geäußert. Im Gegensatz zu IAS 19 richtet sich die bilanzielle Behandlung nach dem wirtschaftlichen
Gehalt der Vereinbarung.
Separate Verlautbarungen für IFRS- und
HGB-Bilanzierung
Die vom Hauptfachausschuss (HFA) des Instituts
der Wirtschaftsprüfer (IDW) am 18.11.1998 verabschiedete Stellungnahme zur Rechnungslegung
IDW RS HFA 3 wurde durch den HFA am 19.6.2013
grundlegend geändert. Sie befasst sich nur noch
mit der Bilanzierung von Verpflichtungen aus Altersteilzeitregelungen in Einzel- und Konzernabschlüssen nach dem Handelsgesetzbuch (HGB). Die in der
bisherigen Fassung enthaltenen Ausführungen zur
Bilanzierung nach International Financial Reporting
Standards (IFRS) entsprechen mit Inkrafttreten von
IAS 19 (2011) sowie auch vor dem Hintergrund
des hierzu ergangenen Anwendungshinweises des
Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee DRSC AH 1 (IFRS) vom 4.12.2012 nicht mehr
den geltenden Regelungen. Sie wurden ersatzlos
gestrichen.
Ausgestaltung von Altersteilzeitverhältnissen
Einleitend skizziert das IDW die Ausgestaltung der
Altersteilzeit (Blockmodell, Gleichverteilungsmodell)
und geht dann insbesondere auf eine mögliche Veränderung der Zielsetzung von Altersteilzeitvereinbarungen in der Praxis ein. Sollten sie ursprünglich
älteren Arbeitnehmern einen gleitenden Übergang
in den Ruhestand ermöglichen, so wird nunmehr
zunehmend die langjährige Betriebszugehörigkeit
der Mitarbeiter zusätzlich honoriert und /oder ein
Anreiz zur Verlängerung der Gesamtlebensarbeitszeit geschaffen. Der wirtschaftliche Charakter der
Vereinbarung im konkreten Einzelfall (Abfindungscharakter vs. Entlohnungscharakter) stellt die
Grundlage für die erforderliche Klassifizierung der
Aufstockungsbeträge (vom Arbeitgeber zu zahlende
Zuschüsse sowie zusätzlich zu leistende Beiträge
an die gesetzliche Rentenversicherung) dar.
Erfüllungsrückstand im Blockmodell
Während der Beschäftigungsphase baut sich ein
Erfüllungsrückstand in Höhe des noch nicht entlohnten Anteils der Arbeitsleistung auf. Hierfür ist
eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten
nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB anzusammeln. Der
Verbrauch der Rückstellung erfolgt in den Perioden,
in denen der Arbeitnehmer entlohnt wird, ohne
Arbeitsleistung zu erbringen (Freistellungsphase).
Im Anwendungshinweis des DRSC wird hierzu eine
analoge Auffassung vertreten.
Aufstockungsleistungen
Die Verpflichtung zur Zahlung von Aufstockungs­
beträgen stellt entweder eine eigenständige Abfindungsverpflichtung dar oder eine Schuld, für die
eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten
anzusammeln ist. Die Pflicht zur Leistung entsteht
regelmäßig, sobald eine Kollektivvereinbarung oder
eine individualrechtliche Regelung abgeschlossen
wird, die einem bestimmten Personenkreis ein
unentziehbares Wahlrecht zur Inanspruchnahme
der Altersteilzeitregelung einräumt.
Nach der Klassifizierung der Aufstockungsbeträge
richtet sich, welche Art der Verpflichtung zu welchem
Zeitpunkt bilanziell zu erfassen ist.
•• Sofern die Aufstockungsbeträge Abfindungscharakter haben, ist der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendige Erfüllungsbetrag
zum Zeitpunkt der Entstehung der Abfindungsverpflichtung sofort in voller Höhe aufwandswirksam
zu passivieren.
•• Sofern die Aufstockungsbeträge Entlohnungscharakter haben, ist eine Rückstellung über den
Zeitraum anzusammeln, in dem die zusätzliche
Entlohnung in Form der Aufstockungsbeträge vom
Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß erdient wird.
In beiden Fällen sind Zins und Biometrie bei der
Bewertung zu berücksichtigen.
Gegenüber IDW RS HFA 3 /1998 stellt die Ableitung
der bilanziellen Behandlung aus dem Charakter der
Aufstockungsleistungen die wesentliche Neuerung
dar. Auch in IAS 19 (2011) ist diese Unterscheidung
nicht vorgesehen. Aufgrund einer Auslegung des
Standards durch das IFRS Interpretations Committee (IFRS IC) und entsprechend dem Anwendungshinweis DRSC AH (IFRS), wonach die Gewährung
von Aufstockungsbeträgen von der zukünftigen
Arbeitsleistung abhängt, kann es hier keinen Abfindungscharakter geben.
Benefits! 25
Bilanzen & Finanzen
In IDW RS HFA 3 /2013 wird – anders als im
Anwendungshinweis des DRSC – das Ansammlungsverfahren nicht konkretisiert. Daraus kann
nach Einschätzung von Towers Watson abgeleitet
werden, dass neben den in DRSC AH 1 (IFRS)
aufgeführten Ansammlungsmethoden (degressives
m /n-tel-Verfahren, FiFo-Methode, Prepaid-Methode)
auch weitere, auf einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung basierende Verfahren zulässig
sein dürften. Grundsätzlich müsste hinsichtlich des
Bewertungsverfahrens ein Einklang zwischen der
IFRS- und der HGB-Bilanzierung möglich sein.
Die Ausführungen des IDW zum Rückstellungsbeginn
sind offen formuliert und lassen dem Bilanzierenden
auf der Basis seiner individuellen Vereinbarung einen
Ermessensspielraum. Der Ansammlungszeitraum
endet stets mit dem Ende der Beschäftigungsphase
beim Blockmodell. Die in DRSC AH 1 (IFRS) enthaltene Störfallunterscheidung wurde vom IDW nicht
übernommen.
Das IDW betont, dass die Aufstockungsbeträge
zum ersten Abschlussstichtag nach dem Zustandekommen der Altersteilzeitvereinbarung nach Abfindungs- bzw. Entlohnungscharakter zu klassifizieren
sind. Die Klassifizierung sei nach dem Grundsatz
der Stetigkeit beizubehalten.
Abfindungszahlungen
IDW RS HFA 3 /2013 enthält keine Aussage, wie
Abfindungszahlungen zu behandeln sind. Nach Auffassung von Towers Watson sollten Abfindungszahlungen das bilanzielle Schicksal der Aufstockungsleistungen teilen, d. h. bei Vereinbarungen mit
Abfindungscharakter vollumfänglich zurückgestellt
und bei Vereinbarungen mit Entlohnungscharakter
während der Beschäftigungsphase angesammelt
werden. Zins und Biometrie ist in beiden Fällen zu
berücksichtigen.
Im Gegensatz zur Stellungnahme aus 1998 geht
IDW RS HFA 3/2013 konkret auf den Erfolgsausweis in der GuV ein. Dieser hängt insbesondere von
der Klassifizierung der Aufstockungsleistungen als
Abfindung oder Entlohnung ab.
Fazit
Bestehende Vereinbarungen haben überwiegend Abfindungscharakter
und wurden bisher zwingend als solche behandelt. Es gilt der Stetigkeitsgrundsatz. Im Falle einer begründeten Neubeurteilung kann in
Abstimmung mit dem Wirtschaftsprüfer eine ergebniswirksame Änderung des Abschlusses in Betracht kommen. Bei Klassifizierung der Aufstockungsbeträge als Abfindung erfolgt nach deutschem Handelsrecht
eine zu IAS 19 unterschiedliche bilanzielle Abbildung der Altersteilzeit.
Dr. Manfred Stöckler
[email protected]
Telefon: +49 89 51657-4601
Thomas Weppler
[email protected]
Telefon: +49 611 794-245
Ausweisfragen
Mit § 8a schreibt das Altersteilzeitgesetz (AltTZG)
eine spezielle Insolvenzsicherungspflicht von Wertguthaben im Blockmodell vor. Nach dem Wortlaut
von IDW RS HFA 3 /2013 sind die für Verpflichtungen aus ATZ-Vereinbarungen gebildeten Rückstellungen mit saldierungsfähigem Deckungsvermögen
zu verrechnen, soweit sie durch dieses Deckungsvermögen abgesichert sind. Somit ist in einem
ersten Schritt zu prüfen, ob Deckungsvermögen
vorliegt, da es nach den Vorgaben des AltTZG genügende Sicherungsmodelle gibt, die kein Deckungsvermögen i. S. des § 246 Abs. 2 S. 2 HGB darstellen. Bejahendenfalls ist dann im zweiten Schritt die
Zweckbindung des Deckungsvermögens zu prüfen:
Wird nur der Erfüllungsrückstand oder werden auch
die Aufstockungsleistungen abgesichert? Eine
Saldierung von Deckungsvermögen ist nur für die
besicherte Leistung vorzunehmen.
26 towerswatson.de
Checkliste für Anhangsangaben nach IAS 19 neu
Angabepflichten erheblich erweitert
Für den internationalen Konzernabschluss zeichnet sich mit IAS 19
(2011) ab dem Geschäftsjahr 2013 eine wesentliche Veränderung der
Berichterstattungspraxis ab. Die Neuregelungen lassen Spielraum für
eine unternehmensindividuelle Umsetzung unter Berücksichtigung von
Wesentlichkeit und Proportionalität. Nach IAS 19 (2011) wurden die
Anhangangaben für materiell wesentliche Pensionspläne gegenüber
dem alten Standard verpflichtungs- und vermögensseitig erheblich
erweitert, während gleichzeitig eine Beschränkung auf wesentliche Informationen vorgenommen wurde. Eine Checkliste der für kapitalmarktorientierte Unternehmen geltenden wesentlichen Angabepflichten kann auf
Anfrage bei Towers Watson ([email protected])
bezogen werden.
Schwellenländer als Anlageregion für
Pensionsvermögen
Steigende Bedeutung der aufstrebenden Wirtschaftsnationen
Bei der Diversifizierung ihrer Portfolios ziehen Anleger von Pensionsvermögen derzeit Aktien und Anleihen
der Schwellenländer stärker in Erwägung. Für Investoren, die mit den speziellen Risiken dieser Anlagekategorie umgehen können, eröffnen sich langfristige Renditepotentiale.
Die Kräfteverhältnisse der Weltwirtschaft haben
sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich
verschoben. Während die traditionellen Industrienationen zu Beginn der neunziger Jahre noch zwei Drittel der globalen Wirtschaftsleistung erbrachten, ist
deren Anteil im Laufe der Jahre deutlich gesunken.
Im Gegenzug hat sich der Anteil der Schwellenländer signifikant erhöht.
Um an der positiven Entwicklung der Schwellenländer
zu partizipieren, hat bereits die Mehrheit der DAXund MDAX-Unternehmen bei der Kapitalanlage ihrer
Pensionsvermögen einen globalen Ansatz gewählt.
Als Ergebnis dieses Wandels finden sich zunehmend
auch Aktien und Anleihen aus den Regionen der
aufstrebenden Volkswirtschaften im Portfolio.
Anlageklassen innerhalb der Schwellenländer
Im Wesentlichen stehen innerhalb der traditionellen
Anlageklassen drei Investmentformen zur Verfügung.
Neben Aktien stehen dem Anleger auch Staats- und
Abb. 1: Anteil am globalen BIP*
70 %
65 %
60 %
55 %
50 %
45 %
40 %
35 %
Industrienationen
Schwellen- und Entwicklungsländer
* gemessen auf Basis der Kaufkraftparität.
Die Werte ab 2013 sind Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IMF).
Quelle: IMF, Bloomberg (Stand: 31.8.2013).
2017
2015
2013
2011
2009
2007
2005
2003
2001
1999
1997
1995
1993
30 %
Unternehmensanleihen in fremder Währung, überwiegend ausgestellt in US-Dollar, und lokaler Währung
zur Verfügung.
Aktien: Über Aktien kann man sich unmittelbar an
den Unternehmen der Region beteiligen. Neben
attraktiven, langfristigen Wachstumsperspektiven
gibt es jedoch auch besondere Risiken zu beachten.
Neben dem üblichen Kursrisiko von Aktien sind Währungsrisiken zu berücksichtigen. Eine vollständige
oder auch anteilige Absicherung der Währung zur
Vermeidung dieses Risikos ist meist nicht sinnvoll,
da dies oftmals mit hohen Kosten verbunden ist.
Zudem gibt es in den Schwellenländern ein größeres Konzentrationsrisiko, da oftmals einige wenige
Unternehmen eine sehr große Marktkapitalisierung
besitzen und daher auch in den repräsentativen
Marktindizes ein hohes Gewicht einnehmen.
Staatsanleihen in Hartwährung: In den Portfolios
größerer Pensionsfonds haben Staatsanleihen der
Schwellenländer inzwischen einen festen Platz eingenommen. Die Allokation beträgt i. d. R. fünf bis
zehn Prozent. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen
Anleihen in fremder Währung, die meist in USDollar ausgestellt sind, und Anleihen in der lokalen
Landeswährung. Bei externen Schulden in einer
Fremdwährung, wie dem US-Dollar, besteht eine
erhöhte Gefahr eines Kreditausfalls, wenn das Land
in eine tiefe Krise gerät. Wenn sich die Wirtschaft
und die lokale Währung stark abschwächen, kann
es dazu führen, dass der Staat nicht mehr über
ausreichende Devisen verfügt, um die Schulden in
der fremden Währung zu begleichen. Aufgrund der
gestiegenen Wettbewerbsfähigkeit vieler aufstrebender Länder und der Verbesserung der Ratings
im Laufe der letzten Jahre sind die Risiken aktuell
jedoch in vielen Ländern überschaubar.
Staatsanleihen in lokaler Währung: Hier spielt
das Währungsrisiko eine wesentliche Rolle. Die
Inflationsgefahren innerhalb der Schwellenländer
sind oftmals deutlich größer als in den traditionellen Industrieländern. Hohe Inflationsraten bergen
das Risiko, dass die lokale Währung über einen
längeren Zeitraum an Wert verliert und somit den
Renditevorteil eines hohen Kupons aufzehrt. Durch
die Abwertung wird zwar ein Ausfall der Anleihe
Benefits! 27
Bilanzen & Finanzen
unwahrscheinlicher, jedoch ist das Ergebnis, nämlich ein deutlicher Kursverlust durch die schwache
Währung, aus Sicht des ausländischen Anlegers
in gleichem Maße schmerzvoll. Hinzu kommt, dass
bei einer Flucht in sichere Anlagen Kapital oftmals
abrupt aus den Regionen der Schwellenländer
abgezogen wird und dies zu hohen Währungsschwankungen führen kann. Diesem Risiko steht
allerdings ein sehr attraktives Zinsniveau gegenüber, das Anleger durchaus ausnutzen sollten.
Unternehmensanleihen (überwiegend in Hartwährung): Als relativ neue Anlageklasse gewinnen
Unternehmensanleihen aus den Regionen der
Schwellenländer innerhalb der Portfolien institutioneller Anleger zunehmend an Bedeutung. Für
große Unternehmen ist der globale Kapitalmarkt
eine wichtige Finanzierungsquelle, da sich das
betreffende Unternehmen über das zweite Standbein bei der Finanzierung unabhängiger von seinen
Partnerbanken machen kann. Die Suche internationaler Investoren nach attraktiven Renditen in
Zeiten allgemein niedriger Zinsen bewirkt somit,
dass größere Firmen aus den Schwellenländern
ihr Wachstum zunehmend über den internationalen Kapitalmarkt finanzieren können. Die Anleihen
werden meist in US-Dollar begeben und bieten bei
gleichem Rating gegenüber Unternehmensanleihen aus Europa oder den USA einen deutlichen
Renditeaufschlag.
angesichts der jüngsten Marktschwankungen bei
Schwellenländer-Investments ihre regionale Ausrichtung überdenken. Da die langfristigen Wachstumsperspektiven der Schwellenländer weiterhin
intakt sind, würde Towers Watson i. S. eines breit
diversifizierten Portfolios eine Verbreiterung des
Anlagespektrums sowohl bei Aktien als auch bei
Anleihen empfehlen.
Hinweis für die Praxis
Der Umfang der Allokation und der Implementationsweg sollten sich stets
an der vorhandenen Governance orientieren. Nur Investoren, die über
ausreichende Ressourcen verfügen, um mit den speziellen Risiken von
Kapitalmarktanlagen in Schwellenländern umgehen zu können, sollten in
diese Märkte investieren. Wer diese grundlegende Regel befolgt, kann
die aktuelle Marktschwäche nutzen, um sein Portfolio schrittweise, unter
Einbeziehung der Schwellenländer, globaler auszurichten.
Dr. Harald Eggerstedt
[email protected]
Telefon: +49 69 1505-5264
Verstärkte globale Allokation
Stefan Friesenecker
Bei der langfristigen Kapitalanlagestrategie von
Pensionsgeldern empfiehlt Towers Watson den
Aufbau eines breit diversifizierten Portfolios
unter Einschluss von Anlagen in Schwellenländern. Investoren, die bisher noch einen starken
regionalen Fokus auf Investments in den entwickelten Volkswirtschaften setzen, sollten gerade
[email protected]
Telefon: +49 69 1505-5245
PSV-Beitrag für 2013: 1,7 Promille
Beitragssatz unter langjährigem Durchschnitt
Der Pensions-Sicherungs-Verein, Köln, hat seinen Beitragssatz für das Jahr 2013 auf 1,7 Promille (Vorjahr
3,0 Promille) festgesetzt. Damit müssen die rund 93.600 Mitgliedsunternehmen in diesem Jahr einen
deutlich niedrigeren Betrag für die Pensionssicherung insolventer Unternehmen aufbringen als im Vorjahr.
Der Beitragssatz wird bezogen auf die von den Arbeitgebern bis 30. September 2013 gemeldete
Beitragsbemessungsgrundlage. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die abgesicherten Rückstellungen für Betriebsrenten in den Bilanzen der Mitgliedsunternehmen, die sich auf rd. 311 Mrd. Euro
addieren. Insgesamt müssen die Mitgliedsunternehmen in diesem Jahr somit 529 Mio. Euro (Vorjahr:
rund 912 Mio. Euro) zahlen.
Der niedrigere Beitrag resultiert daraus, dass gegenüber dem Vorjahr zwar mehr Insolvenzen eingetreten, größere Schäden jedoch ausgeblieben sind und eine deutlich niedrigere Anzahl von Versorgungsberechtigten zu verzeichnen war. Der für das Jahr 2013 festgelegte Beitragssatz liegt somit ebenfalls
deutlich unter dem langjährigen durchschnittlichen Beitragssatz von 3,0 Promille.
28 towerswatson.de
Recht & Steuern
„Für
„ die Insolvenzfestigkeit einer Treuhandkonstruktion (CTA) ist eine sorgfältige
vertragliche Ausgestaltung entscheidend.“
Prüfungsanpassung von Betriebsrenten
BAG zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des
Unternehmens
Basis für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers sind die HGB-Jahresabschlüsse eines
Unternehmens und ggf. auch seiner Rechtsvorgänger. An die Stelle des Berechnungsdurchgriffs im qualifiziert faktischen Konzern tritt der Berechnungsdurchgriff bei Existenzvernichtungshaftung.
Bei einer schlechten wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zum Anpassungsstichtag kann dieser die
Anpassung der laufenden Betriebsrenten (im Rahmen
der Prüfungsanpassung nach § 16 Abs. 1 Betriebsrentengesetz – BetrAVG) verweigern. Die wirtschaftliche Lage umschreibt die künftige Belastbarkeit des
Arbeitgebers in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag. Dies setzt eine zuverlässige Prognose
voraus. Hierfür muss die bisherige Entwicklung vor
dem Anpassungsstichtag über einen Zeitraum von
i. d. R. mindestens drei Jahren ausgewertet werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind die nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) erstellten handelsrechtlichen Jahresabschlüsse ein geeigneter Einstieg für die Beurteilung
der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers.
HGB-Konzernabschlüsse keine geeignete Basis
Laut BAG (11.12.2012 – 3 AZR 615/10) kommt es
für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage auf die
HGB-Jahresabschlüsse des jeweiligen Unternehmens
an (Einzelabschlüsse). Das gilt auch dann, wenn –
wie im entschiedenen Fall – Versorgungsschuldner
die Führungsgesellschaft eines Konzerns ist, die
zugleich Einzelgesellschaft mit eigenen Geschäftsaktivitäten ist. Der Konzern sei lediglich eine wirtschaftliche Einheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit und
könne demnach nicht Schuldner der Betriebsren-
tenanpassung sein. Daher sei der HGB-Konzernabschluss keine geeignete Basis für die Ermittlung
der wirtschaftlichen Lage. Zudem sei er ein reines
Informationsinstrument. Betriebswirtschaftlich
gebotene Korrekturen an den Jahresabschlüssen
sind vorzunehmen. Im entschiedenen Fall konnte
offenbleiben, um welche neutralen Positionen das
handelsrechtliche Jahresergebnis zu bereinigen ist.
Berechnungsdurchgriff bei Existenzvernichtungshaftung
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die
wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners
maßgeblich ist, gilt im Fall des sog. Berechnungsdurchgriffs. Dabei wird dem Versorgungsschuldner
die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen
Konzernunternehmens zugerechnet.
Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG kam ein
Berechnungsdurchgriff im sog. qualifiziert faktischen
Konzern unter den folgenden zwei Voraussetzungen
in Betracht: Ein konzernangehöriges Unternehmen
musste die Geschäfte des Versorgungsschuldners
tatsächlich dauernd und umfassend geführt haben.
Weiterhin musste die Leitungsmacht vom herrschenden Unternehmen in einer Weise ausgeübt worden
sein, die keine angemessene Rücksicht auf die
Belange der abhängigen Gesellschaft genommen
Benefits! 29
Recht & Steuern
hatte und dadurch die mangelnde Leistungsfähigkeit des beherrschten Unternehmens verursacht
wurde. Dieser Rechtsprechung des BAG lag eine
entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Haftung im qualifiziert faktischen Konzern zugrunde.
Diese Rechtsprechung hat der BGH zwischenzeitlich zugunsten einer sog. Existenzvernichtungshaftung aufgegeben. Seit der Grundsatzentscheidung
des BGH vom 16.7.2007 – II ZR 3/04 – (TRIHOTEL) handelt es sich hierbei um einen besonderen
Fall der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung
(§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) eines
Unternehmens durch den Gesellschafter. Die Existenzvernichtungshaftung setzt u. a. den Entzug
von Vermögenswerten, die fehlende Kompensation
oder Rechtfertigung des Vermögensentzugs und die
dadurch hervorgerufene Insolvenz der Gesellschaft
bzw. deren Vertiefung voraus. Sie erfordert einen
kompensationslosen Eingriff in das im Gläubigerinteresse zweckgebundene Gesellschaftsvermögen.
Die Existenzvernichtungshaftung soll wie eine das
gesetzliche Kapitalerhaltungssystem ergänzende
Entnahmesperre wirken.
Der Berechnungsdurchgriff setzt nach Ansicht des
BAG eine Einstandspflicht des anderen Konzernunternehmens gegenüber dem Versorgungsschuldner voraus. In dem konkreten Fall hat das BAG (15.1.2013
– 3 AZR 638/10) einen Berechnungsdurchgriff auf
die wirtschaftliche Lage der Konzernobergesellschaft
abgelehnt, da die Versorgungsschuldnerin zu keinem
Zeitpunkt von der Insolvenz bedroht war.
Anpassung bei Verschmelzung zweier
Gesellschaften
Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage ist
es grundsätzlich entscheidend, wer zum jeweiligen
Anpassungsstichtag Versorgungsschuldner ist. In
dem zugrunde liegenden Fall (BAG vom 28.5.2013
– 3 AZR 125/11) ging es um einen Versorgungsschuldner, der aus einer Verschmelzung zweier
Unternehmen entstanden ist, die in dem für die
Prognose maßgeblichen repräsentativen Zeitraum
stattgefunden hat. Nach Ansicht des Senats kommt
es als Grundlage für die Prognose grundsätzlich
auch auf die wirtschaftliche Entwicklung der beiden
ursprünglich selbständigen Unternehmen bis zur
Verschmelzung an. Die wirtschaftliche Lage werde
durch die Ertragskraft des Unternehmens im Ganzen geprägt. Der Versorgungsschuldner sei nicht
schon dann zur Anpassung verpflichtet, wenn einzelne Erträge die Anpassungslast übersteigen. Auf
der anderen Seite könne er eine Anpassung nicht
allein deshalb ablehnen, weil sich die Ergebnisse
einzelner Geschäftsbereiche negativ entwickeln.
30 towerswatson.de
Hinweis für die Praxis
Grundlage für die Feststellung sowohl der erzielten Betriebs- bzw. Jahresergebnisse als auch des vorhandenen Eigenkapitals des Unternehmens
sind stets die handelsrechtlichen HGB-Jahresabschlüsse. Konzernabschlüsse nach International Financial Reporting Standards (IFRS), United
States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) oder HGB
sind insofern keine geeignete Ausgangsgrundlage. Sie können allerdings
im Einzelfall ergänzende Informationen zur wirtschaftlichen Lage enthalten. Liegt im Unternehmen nur ein Zahlenwerk nach internationaler oder
US-amerikanischer Rechnungslegung (IFRS oder US-GAAP) vor, sollte mit
Blick auf eine etwaige gerichtliche Überprüfung zumindest eine geeignete Überleitungsrechnung gemäß HGB erstellt werden.
An die Stelle des nach bisheriger Rechtsprechung möglichen Berechnungsdurchgriffs im qualifiziert faktischen Konzern ist der Berechnungsdurchgriff bei einer Existenzvernichtungshaftung getreten. Letztere setzt
insbesondere voraus, dass die Insolvenz des Schuldners hervorgerufen
oder vertieft wurde, so dass die Anforderungen hier eher gestiegen sind.
Henning Rihn
[email protected]
Telefon: +49 89 51657-4650
Thomas Weppler
[email protected]
Telefon: +49 611 794-245
Insolvenzfestigkeit von CTA vom
BAG bestätigt
BAG vom 18.7.2013 – 6 AZR 47/12
Das BAG hat eine zur Absicherung von Altersteilzeitguthaben vereinbarte sog. Doppeltreuhand, die eine
Sicherungstreuhand zugunsten des Arbeitnehmers enthält, als i. d. R. insolvenzfest beurteilt. Damit wird
in der Insolvenz des Arbeitgebers ein Absonderungsrecht des Treuhänders i. S. der Insolvenzordnung an
dem Sicherungsgegenstand begründet.
Ein Arbeitgeber hatte zur Insolvenzsicherung von
Altersteilzeitguthaben seiner Arbeitnehmer einen
Treuhandvertrag mit einem Treuhänder geschlossen.
Danach übertrug der Arbeitgeber Geldmittel auf den
Treuhänder, der mit diesen Mitteln Anteilsscheine
einer Kapitalanlagegesellschaft erwerben sollte. Vereinbart war die Verwahrung des Treuhandvermögens
für jeden Arbeitnehmer auf einem auf den Treuhänder lautenden Treuhanddepot, jedoch auf Rechnung
des Arbeitgebers, der auch wirtschaftlich Berechtigter blieb. Im Insolvenzfall sollte der Arbeitnehmer
wirtschaftlich Berechtigter der vom Treuhänder auf
den für diesen Arbeitnehmer geführten Depots und
Unterdepots werden.
Im Grundsatz hat das BAG anerkannt, dass
Ansprüche von Arbeitnehmern durch die vertragliche Gestaltung einer sog. doppelseitigen Treuhand
(auch Doppeltreuhand genannt) insolvenzgesichert
werden können, indem der Arbeitgeber (Treugeber)
einem Treuhänder Vermögenswerte zur Verwaltung
überträgt (Verwaltungstreuhand) und gleichzeitig
der Treuhänder die Sicherungsinteressen der
Arbeitnehmer wahrnimmt (Sicherungstreuhand).
Eigenes Forderungsrecht der Begünstigten
gegen Treuhänder erforderlich
Nach dem BAG liegt eine Sicherungstreuhand
dann vor, wenn den Arbeitnehmern vertraglich ein
eigenes Forderungsrecht gegen den Treuhänder in
Bezug auf das Treuhandvermögen (echter Vertrag
zugunsten Dritter) für den Fall der Insolvenz des
Arbeitgebers eingeräumt ist. Im vom BAG entschiedenen Fall war den Arbeitnehmern durch den Treuhandvertrag ein eigener Zahlungsanspruch gegen
den Treuhänder eingeräumt. Deshalb war hier von
einem echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328
Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) auszugehen. Fehlt ein solcher eigener Anspruch, so kann
es sich um eine reine Verwaltungstreuhand handeln, die nicht insolvenzfest ist (siehe dazu LAG
Nürnberg vom 14.11.2012 – 2 Sa 837/10).
Christine Bleeck
Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung macht deutlich, dass für die Insolvenzfestigkeit einer
Treuhandkonstruktion (Contractual Trust Arrangement, kurz: CTA) eine
sorgfältige vertragliche Ausgestaltung entscheidend ist. Wesentlich
ist bei der doppelseitigen Treuhand die Vereinbarung sowohl einer Verwaltungstreuhand zwischen Treugeber und Treuhänder als auch einer
eigenständigen und klar von der Verwaltungstreuhand abgrenzbar aus­
gestalteten Sicherungstreuhand zwischen Treugeber, Treuhänder und
begünstigten Dritten (in der Praxis regelmäßig im Wege eines Vertrags
zugunsten Dritter, § 328 BGB). Sehen die vertraglichen Regelungen im
Rahmen einer Sicherungstreuhand explizit ein eigenes Forderungsrecht
des Mitarbeiters gegen den Treuhänder vor, ergibt sich aus der Entscheidung im Grundsatz kein Handlungsbedarf. Typischerweise beinhalten CTA-Gestaltungen ein solches eigenes Forderungsrecht im Rahmen
der vereinbarten Sicherungstreuhand.
christine.bleeck@
towerswatson.com
Telefon: +49 611 794-336
Henning Rihn
henning.rihn@
towerswatson.com
Telefon: +49 89 51657-4650
Die Entscheidung des BAG gibt Anlass, bereits eingerichtete Treuhandgestaltungen darauf zu überprüfen, ob entsprechend den Ausführungen
des BAG eine Sicherungstreuhand bzw. ein eigenes Forderungsrecht der
Begünstigten gegen den Treuhänder hinreichend deutlich vereinbart ist.
Dies empfiehlt sich insbesondere angesichts der weitreichenden Folgen
einer fehlenden Insolvenzfestigkeit.
Benefits! 31
Recht & Steuern
Außerplanmäßige BBG-Erhöhung 2003
Entscheidungsgründe zur „Kehrtwende des BAG“
(23.4.2013 – 3 AZR 475 /11)
Das BAG verneint die gerichtliche Schließung einer eventuellen Regelungslücke, da mehrere gleichwertige Möglichkeiten bestehen, die außerplanmäßige BBG-Erhöhung – soweit erforderlich – interessengerecht umzusetzen.
Im entschiedenen Fall hatte das beklagte Unternehmen ein endgehaltbezogenes Ruhegeld mit einer
sog. gespaltenen Rentenformel zugesagt. Für die
Höhe des Ruhegelds wurden Gehaltsbestandteile
oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in
der gesetzlichen Rentenversicherung stärker gewichtet als Gehaltsbestandteile darunter. Die BBG wurde
im Jahre 2003 einmalig außerplanmäßig – abweichend zur üblichen Entwicklung – um 500 Euro durch
den Gesetzgeber erhöht (sog. „BBG-Sprung“). Durch
diese Erhöhung reduzierte sich wegen der überproportionalen Gewichtung der Gehaltsbestandteile
oberhalb der BBG die Betriebsrente des Klägers.
Der Kläger machte unter Berufung auf die bestehende Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
(BAG, Urteile vom 21.4.2009) geltend, dass – im
Wege der ergänzenden Vertragsauslegung – eine
Minderung seiner Betriebsrente aufgrund des BBGSprungs zu unterbleiben habe. Dies hat das BAG
vorliegend verneint.
32 towerswatson.de
Die Leitsätze und der Sachverhalt der Entscheidung
wurden bereits in Benefits! (Juli 2013) dargestellt.
Seinerzeit lag jedoch nur eine Pressemeldung des
BAG zu diesem Urteil vor. Zwischenzeitlich hat das
BAG die Entscheidungsgründe veröffentlicht, die sich
auf zwei tragende Prüfungspunkte reduzieren lassen.
Keine ergänzende Vertragsauslegung durch
das Gericht
Das BAG lässt im vorliegenden Fall (und auch in der
Parallelentscheidung 3 AZR 23/11) unentschieden,
ob durch den BBG-Sprung in der Versorgungsregelung überhaupt eine Regelungslücke (planwidrige
Unvollständigkeit) entstanden ist. Eine ggf. bestehende Lücke kann jedoch vorliegend nicht im Wege
einer ergänzenden gerichtlichen Vertragsauslegung
ausgefüllt werden, weil für die typisierten Vertragsparteien mehrere gleichwertige Möglichkeiten zur
Schließung einer eventuellen Regelungslücke bestehen. Ist ein hypothetischer Parteiwillen aber nicht
feststellbar, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich aus.
Auf den BBG-Sprung kann nach dem BAG mit verschiedenen Lösungs- und Berechnungs-Regelungen
z. B. wie folgt reagiert werden:
•• Bei der Berechnung der Altersrente wird von
einer um die „außerplanmäßige“ Anhebung der
durch § 275c SGB VI „bereinigten“ Beitragsbemessungsgrenze ausgegangen, dafür aber die
durch diese Anhebung in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielte höhere Rente angerechnet (Lösung des BAG, Urteile vom 21.4.2009).
•• Schaffung einer auf wenige Jahre begrenzten Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge, da sich
die Auswirkungen der „außerplanmäßigen“ Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze verringern,
je später der Versorgungsfall nach dem 1.1.2003
eintritt (Personengruppenbezogene Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge).
•• Aufspaltung der Berechnung der Altersrente für
Betriebszugehörigkeit bis zum 31.12.2002 mit
Korrektur der „außerplanmäßige“ Erhöhung (für
die bis zum 31.12.2002 erdiente Rentenanwartschaft, weil insoweit keine Rentensteigerungen
in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht
werden konnten) und ab 1.1.2003 ohne Korrektur (Berechnungsweise entsprechend „BarberEntscheidung“ des EuGH).
Hinweis für die Praxis
Unternehmen können sich nun konkret mit den für sie relevanten Fragestellungen und den möglichen Folgen im Detail auseinandersetzen. Bei
Zusagen mit gespaltener Rentenformel führt der sog. „BBG-Sprung“ nicht
zwingend zu einer vertraglichen Regelungslücke.
Unternehmen, die im Anschluss an die Entscheidung des BAG von 2009
ihre Zusage mit gespaltener Rentenformel und die darauf beruhende
Rentenberechnung nicht angepasst haben, sehen sich bestätigt. Sofern
sich Vermögenseinbußen unter 25 Prozent belaufen, können Unternehmen sich nach den Begründungen des BAG auf den Standpunkt stellen,
dass keine Regelungslücke entstanden, jedenfalls aber die Vermögenseinbuße noch hinnehmbar ist und keine Störung der Geschäftsgrundlage
vorliegt. Da die Vermögenseinbußen für die – nach dem Jahre 2003 –
rentennahen Jahrgänge relativ am größten ausfallen, lässt sich für die
Praxis zudem vermuten, dass sich das Problem bei den Unternehmen,
bei denen mitarbeiterseitig der BBG-Sprung bislang nicht thematisiert
wurde, nunmehr nach zehn Jahren „ausgewachsen hat“.
Für Unternehmen, die der BAG - Entscheidung von 2009 arbeitsrechtlich
gefolgt sind und entweder in den Berechnungen und ggf. auch in der Versorgungszusage Anpassungen vorgenommen haben (analog BAG oder in
anderer interessengerechter Weise), werden diese nicht ohne Weiteres
„zurückändern“ können, da der Versorgungsträger durch die Anpassung
letztlich das Bestehen einer Regelungslücke dokumentiert bzw. akzeptiert hat. Insofern hat die Begründung des BAG die Position für diese
Unternehmen nicht vereinfacht. Die jeweils gewählte Anpassungslösung
sollte am Rahmen der durch das BAG (exemplarisch) dargestellten interessengerechten Lösungsansätze und -möglichkeiten geprüft werden.
Keine Störung der Geschäftsgrundlage
Das BAG hat eine Vertragsanpassung zugunsten
des Klägers aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage verneint, da die vorliegende Vermögens­
einbuße von acht Prozent für den Versorgungsberechtigten noch zumutbar sei. Zwar lässt das BAG
in seiner Entscheidung ausdrücklich offen, bis zu
welchem Prozentsatz eine Vermögenseinbuße für
den Versorgungsberechtigten noch zumutbar ist. Es
zeigt jedoch folgenden Orientierungsrahmen auf.
Bei einer Vermögenseinbuße von 40 Prozent dürfte
die Zumutbarkeit überschritten sein (BAG vom
30.3.1973). Aus den Entscheidungsgründen lässt
sich zudem entnehmen, dass die Schwelle zur
Unzumutbarkeit („Opfergrenze“) bereits bei einem
geringeren Prozentsatz überschritten sein könnte.
Bei einer Anlehnung an die Rechtsprechung zur
Wirksamkeit der Vereinbarung eines Widerrufvorbehalts (BAG vom 11.10.2006) wäre es nach den
Hinweisen des BAG zulässig und zumutbar, wenn
der – im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende – zu
widerrufende Teil des Gesamtverdiensts unter
25 Prozent liegt; bei Zahlungen des Arbeitgebers,
die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen (Aufwandsersatzleistungen), kann
der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung dagegen
bis zu 30 Prozent betragen.
Weitere Klarstellung
In einer Parallelentscheidung hat das BAG
(23.4.2013 – 3 AZR 23 /11) die Grundsätze und
Anforderungen zur ergänzenden Vertragsauslegung –
unter Berücksichtigung tarifrechtlicher Besonderheiten – bestätigt und u. a. noch zusätzlich klargestellt:
•• Versorgungsregelungen mit gespaltener Rentenformel, die nach dem 1. Januar 2003 abgeschlossen wurden, nehmen auf die bereits (um den
BBG-Sprung) angehobene (jeweilige) BBG Bezug.
••Eine zulässige Reaktion auf den BBG-Sprung
kann gerade auch die Nicht-Anpassung des Vertragswerks sein, wenn die Vertragsparteien keinen dahin gehenden Handlungsbedarf erkennen.
Dr. Rekka Schubert-Eib
rekka.schubert-eib@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 3122-235
Benefits! 33
Recht & Steuern
Leistungsausschließende Wartezeit von
15 Jahren zulässig
BAG vom 12.2.2013 – 3 AZR 100/11
Enthält eine Versorgungsordnung eine leistungsausschließende Wartezeit von 15 Jahren (d. h. eine Mindestbetriebszugehörigkeit bis zur Regelaltersgrenze), stellt dies weder eine Diskriminierung wegen des
Alters noch wegen des Geschlechts dar.
Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte im Dezember 1999 ihren Arbeitnehmern die Absicht bekannt
gegeben, künftig an sie Betriebsrenten zu zahlen.
Der im Februar 1942 geborenen Klägerin teilte die
Beklagte mit, dass sie für die Betriebsrente zu alt
sei. Als Voraussetzung für den Anspruch auf die
Betriebsrentenleistung hatte die Beklagte nämlich
u. a. festgelegt, dass bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung
eine mindestens 15-jährige Betriebszugehörigkeit
zurückgelegt werden kann. Diese Voraussetzung
konnte die Klägerin nicht erfüllen, da sie am im Juli
1997 bei der Beklagten eingetreten war und im
Februar 2007 das 65. Lebensjahr vollendete.
Ihre auf Betriebsrentenzahlung gerichtete Klage
hatte weder in den Vorinstanzen noch vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) Erfolg. Das BAG hat u. a.
festgestellt, dass die leistungsausschließende
Wartezeit von 15 Jahren nicht gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoße und daher wirksam
sei. Eine Altersdiskriminierung scheitere daran,
dass die Wartezeitenregelung i. S. des § 10 AGG
(eine Regelung, die nach Ansicht des BAG mit Unionsrecht vereinbar ist) sachlich gerechtfertigt sei.
Dass eine solche Wartezeitregelung einem legitimen Ziel diene, ergebe sich bereits aus § 10 S. 3
Nr. 4 AGG, wonach – zur Förderung der betrieblichen
Altersversorgung – die Festsetzung von Altersgrenzen bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder
den Bezug von Altersrente gerechtfertigt ist.
Gestaltungs- und Ermessensspielraum des
Arbeitgebers
Die Wartezeitregelung sei auch angemessen. Dem
Arbeitgeber stehe bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen ein Gestaltungs- und Ermessensspielraum
zu, der ihm grundsätzlich die Möglichkeit eröffne,
eine Wartezeit für den Erwerb eines Versorgungsanspruchs festzusetzen. Die Festsetzung einer
15-jährigen leistungsausschließenden Wartezeit
beeinträchtige zudem die Interessen der Arbeitnehmer nicht unangemessen, da ein Erwerbsleben bei
typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre und
mehr umfasse und die Arbeitnehmer bereits in vor-
34 towerswatson.de
angegangenen Arbeitsverhältnissen die Möglichkeit
hätten, Betriebsrentenanwartschaften zu erdienen.
Ferner sei mit der Wartezeitenregelung keine (mittelbare) Diskriminierung von Frauen verbunden, da bei
typisierender Betrachtung auch nach Zeiten der Kindererziehung bereits vor Vollendung des 50. Lebensjahrs mit dem Wiedereintritt in das Berufsleben zu
rechnen sei.
Für die Zulässigkeit einer leistungsausschließenden
Wartezeit von 15 Jahren ist es nach Ansicht des BAG
dagegen unerheblich, dass die gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen kürzer seien. Diese seien von Wartezeitregelungen grundlegend zu unterscheiden.
Hinweis für die Praxis
Mit Urteil vom 11.12.2012 (3 AZR 634/10, siehe Benefits! Juli 2013)
hatte das BAG bereits festgestellt, dass eine Dienstzeitbegrenzung von
40 Jahren keine Altersdiskriminierung darstellt. Das vorliegende Urteil
führt die Rechtsprechung zu Altersdiskriminierungsfragen konsequent fort;
es ist aus Arbeitgebersicht zu begrüßen. In einem weiteren aktuellen Urteil
(BAG vom 12.11.2013 – 3 AZR 356 /12), zu dem bislang nur die Pressemitteilung vorliegt, hat das BAG außerdem bestätigt, dass nicht nur eine
leistungsausschließende Wartezeit von 15 Jahren, sondern auch die Festsetzung einer entsprechenden Höchstaltersgrenze von 50 Jahren zulässig
ist. Ob das BAG an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, nach der
sogar leistungsausschließende Wartezeiten von 20 Jahren zulässig sein
sollen, ist dagegen offen.
Sebastian Löschhorn, LL.M.
[email protected]
Telefon: +49 611 794-4414
Gespaltene Rentenformel: keine unzulässige
Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten
BAG vom 11.12.2012 – 3 AZR 588/10
Werden Gehaltsbestandteile oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung in einem Pensionsplan mit einem höheren Betrag bewertet (sog. gespaltene Rentenformel), benachteiligt dies Teilzeitbeschäftigte nicht in unzulässiger Weise.
Die Parteien streiten über die Berechnung einer
betrieblichen Altersversorgung (bAV) durch Erwerb
jährlicher Rentenbausteine auf Basis einer gespaltenen Rentenformel. Hierbei wird das jährliche rentenfähige Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung
(BBG) vierfach gewichtet. Der teilzeitbeschäftigte
Kläger fordert eine Korrektur der Berechnungsformel
dahingehend, dass die BBG proportional zur Teilzeitquote umgerechnet wird. Andernfalls läge eine
unzulässige Benachteiligung wegen Teilzeitarbeit
oder des Geschlechts vor.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hält eine Korrektur nicht für erforderlich. Es hat insoweit entschieden, dass die gespaltene Rentenformel keine
unzulässige Benachteiligung wegen Teilzeitarbeit
oder Geschlecht darstellt. Die Berechnungsregelung selbst differenziert weder nach dem Beschäftigungsgrad noch dem Geschlecht, sondern stellt
ausschließlich für beide Beschäftigungsgruppen
auf das tatsächlich bezogene, jährliche rentenfähige Einkommen ab und bewertet Gehaltsbestandteile oberhalb der BBG gleich.
Hinweis für die Praxis
Das BAG hat nunmehr erstmals ausdrücklich
entschieden, dass bei einer gespaltenen
Rentenformel die BBG nicht proportional zur
Teilzeitquote umgerechnet werden muss,
wenn mit der gespaltenen Rentenformel –
was typischerweise der Fall sein dürfe – der
erhöhte Versorgungsbedarf für Einkommensteile über der BBG abgedeckt werden soll.
Die Vertragsparteien können jedoch (weiterhin) eine proportionale Umrechnung der
Bemessungsgrenze zur Teilzeitquote vorsehen, wenn z. B. die Entgeltkomponente der
bAV als Teil des Gesamtvergütungspakets
betont werden soll. Bei der Neugestaltung
oder Änderung von Versorgungswerken mit
gespaltener Renten- oder Beitragsformel
sollte die Wirkungsweise für Teilzeitbeschäftigte auf Basis des gerichtlich zulässigen
Gestaltungsspielraums geprüft werden.
Versorgungsbedarf an der Höhe des Verdiensts
orientiert
Sofern die Berechnungsregelung zu einer faktischen
Benachteiligung führt, weil bei Teilzeitbeschäftigten
das rentenfähige Einkommen typischerweise unterhalb der BBG liegt, ist diese durch einen sachlichen
Grund i. S. eines unterschiedlichen Versorgungsbedarfs gerechtfertigt (§ 4 Abs. 1 S. 1 Teilzeit- und
Befristungsgesetz – TzBfG). Sinn und Zweck der
gespaltenen Rentenformel ist es, den im Einkommensbereich über der BBG bestehenden erhöhten
Versorgungsbedarf abzudecken, da diese Bezügeteile
nicht durch die gesetzliche Altersrente gesichert sind
(BAG vom 21.4.2009 – 3 AZR 695/08). Diese Versorgungslücke besteht für Teilzeitbeschäftigte nicht.
Eine mittelbare Diskriminierung wegen des
Geschlechts (Teilzeitarbeit wird charakteristischerweise durch die weibliche Belegschaft ausgeübt)
liegt gleichfalls nicht vor. Ein rechtmäßiges Ziel
des Arbeitgebers ist es, seinen Mitarbeitern eine
am Versorgungsbedarf orientierte, dem Verdienst
angemessene Altersversorgung zu gewähren. Die
gespaltene Rentenformel ist zur Erreichung dieses
Ziel angemessen und erforderlich. Nur auf diese
Weise könne dem an der Höhe des Verdiensts orientierten Versorgungsbedarf (unter Berücksichtigung
der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung) Rechnung getragen werden.
Dr. Rekka Schubert-Eib
rekka.schubert-eib@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 3122-235
Benefits! 35
Recht & Steuern
Versorgungsausgleich: Keine Bezugnahme
auf Teilungsordnung bei externer Teilung
BGH vom 29.5.2013 – XII ZB 663/11
Art und Höhe des gekürzten Anrechts des Ausgleichspflichtigen ergäben sich unmittelbar aus Versorgungsordnung und Teilungsordnung und nicht aufgrund einer in die Entscheidungsformel aufzunehmenden familiengerichtlichen Konkretisierung.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte über die Frage
zu entscheiden, ob auch bei der externen Teilung im
Tenor der gerichtlichen Entscheidung die Fassung
oder das Datum der zugrunde liegenden Versorgungsregelung benannt werden muss. Ausgangspunkt war eine Rechtsbeschwerde eines betrieblichen Versorgungsträgers. Dieser wendete sich
dagegen, dass die Vorinstanz in ihrem Tenor zwar
die Versorgungsordnung und die Teilungsordnung
genannt, hierbei deren jeweiligen Stand aber nicht
konkret bezeichnet hatte. Die Rechtsbeschwerde
hatte keinen Erfolg.
Bei der internen Teilung ist nach Auffassung des BGH
die genaue Bezeichnung der maßgeblichen Versorgungsregelungen im Tenor der gerichtlichen Entscheidung geboten, um den konkreten Inhalt des durch
richterlichen Gestaltungsakt für den Ausgleichsberechtigten bei dem Versorgungsträger geschaffenen
Anrechts klarzustellen.
Bei der externen Teilung bedürfe es dieser Klarstellung demgegenüber nicht. Die Wirkung der
gerichtlichen Entscheidung über die externe Teilung
erschöpfe sich in der Anordnung der Teilung und in
der Festsetzung des Zahlbetrags (so auch schon
BGH vom 23.1.2013 – XII ZB 541/12).
Anrechtskürzung macht Bezugnahme nicht
erforderlich
Auch im Hinblick auf das dem Ausgleichspflichtigen nach der Teilung verbleibende Anrecht sei
eine Bezugnahme auf die genauen Versorgungsregelungen im Tenor nicht geboten. Das dem Ausgleichspflichtigen nach der Teilung verbleibende
Anrecht beurteile sich nach den für die Versorgung maßgeblichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der Versorgungsordnung und der Teilungsordnung. Die Anwendbarkeit der Bestimmungen zu
Art und Höhe des gekürzten Anrechts ergäbe sich
unmittelbar aus diesen Rechtsgrundlagen und
nicht aufgrund einer in die Entscheidungsformel
aufzunehmenden familiengerichtlichen Konkretisierung (auch so schon BGH vom 23.1.2013 –
XII ZB 541/12). Noch deutlicher hat der BGH
in seiner Entscheidung vom 6.3.2013 (XII ZB
271/11, Rn. 9) Stellung bezogen. Danach ist für
die Entscheidung über die Kürzung des auszugleichenden Versorgungsanrechts der Versorgungsträger zuständig. Gegen dessen Entscheidung
ist die Zuständigkeit der jeweiligen Fachgerichte
gegeben. Insoweit bestehe keine Zuständigkeit
des Familiengerichts.
Hinweis für die Praxis
Die Ausgestaltung des dem Ausgleichspflichtigen verbleibenden
Anrechts – d. h. die Anrechtskürzung – ergibt sich nach Auffassung
des BGH aus den Rechtsgrundlagen für das Versorgungsanrecht. Für
Auseinandersetzungen hierüber seien die Fachgerichte (bei betrieblicher Altersversorgung: die Arbeitsgerichte) zuständig. Die ersten Auseinandersetzungen vor Arbeitsgerichten über die Kürzung betrieblicher
Versorgungsanrechte sind bereits zu beobachten. So weit ersichtlich,
ist das neue Versorgungsausgleichsrecht für Arbeitsgerichte bisher
noch eine „exotische Materie“. Damit ist es für den Prozesserfolg
zielführend, diese so weit wie möglich aufzubereiten.
Dr. Andreas Hufer
Beratung durch Towers Watson
Sofern solche arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen im Unternehmen eintreten,
kann Towers Watson die diesen Prozess
führende Rechtsabteilung bzw. den diesen
Prozess führenden Rechtsvertreter des
Unternehmens gerne unterstützen.
36 towerswatson.de
[email protected]
Telefon: +49 611 794-4419
Steuerbilanzielle Folgebewertung von
angeschafften Pensionsrückstellungen
Mögliche Bilanzberichtigung
Ob erworbene Pensionsverpflichtungen in der Steuerbilanz nach dem Anschaffungskostenprinzip oder
nach den Vorgaben des EStG zu bewerten sind, ist weiterhin noch nicht durch ein neues Gesetz geklärt.
Bislang spiegelt die Auslegung der Gesetze durch den BFH das geltende Recht wider.
Nach der Rechtsprechung hat die Erfolgsneutralität
des Anschaffungsvorgangs Vorrang vor steuerlichen
Spezialvorschriften. Der Grundsatz der erfolgsneutralen Behandlung von Anschaffungsvorgängen gilt
aufgrund mittlerweile ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH, Urteile vom 16.12.2009
I R 102 /08, 14.12.2011 I R 72 /10, 26.4.2012,
IV R 43 /09 sowie 12.12.2012 I R 69/11 bzw.
I R 28/11, siehe auch Benefits! März 2013), unabhängig davon, ob für diese Passivpositionen in der
Steuerbilanz ein von der Handelsbilanz abweichendes Ausweisverbot (in Form eines Ansatz- oder
Bewertungsvorbehalts, wie z. B. durch § 6a Einkommensteuergesetz – EStG) existiert. Wesentlich
ist, dass der Realisierung der stillen Lasten auf
der Seite des Veräußerers kein entsprechender
erwerbsseitiger Folgegewinn gegenübersteht. Von
dieser Rechtsprechung dürften schwerpunktmäßig
folgende Fälle erfasst werden:
•• Betriebsübergang nach § 613a Bürgerliches
Gesetzbuch (BGB);
•• Übernahme einer einzelnen Pensionsverpflichtung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 Betriebsrentengesetz
(BetrAVG) im Zusammenhang mit einem Arbeitgeberwechsel (Portabilität);
•• (Interner) Schuldbeitritt mit Erfüllungsübernahme
(im Innenverhältnis);
•• Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge nach dem
Umwandlungsgesetz (UmwG), wie z. B. eine Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG (soweit keine
umwandlungsteuerrechtliche Sonderregelung die
Anwendung von § 6a EStG vorschreibt).
In diesen Fällen kann regelmäßig davon ausgegangen
werden, dass die übernommenen Verpflichtung(en)
nach Parametern bewertet werden, die nicht mit den
Parametern des § 6a EStG übereinstimmen. Vielmehr werden sich die Parameter an § 253 Handelsgesetzbuch (HGB) oder an IAS 19 orientieren.
Benefits! 37
Recht & Steuern
Hingegen hatte das Bundesfinanzministerium
den Vorrang des § 6a EStG mit Schreiben vom
16.12.2005 zum Schuldbeitritt und mit Schreiben
vom 24.6.2011 zu Anschaffungskosten postuliert.
Ein Nichtanwendungserlass, d. h. ein BMF-Schreiben, wonach die Rechtsprechung nicht generell
angewendet wird, scheidet nach dem üblichen
Prozedere damit aus.
Zwei Anläufe, die Bewertung dieser Vorgänge im
Gesetz i. S. der Finanzverwaltung zu regeln, sind –
zuletzt mit dem AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz
(AIFM-StAnpG) – gescheitert. Mit der BR- Drucks.
740/13 verfolgt der Bundesrat das Anliegen weiter.
Praxisfolgen: ggf. Bilanzberichtigung
erforderlich
Das laufende Gesetzgebungsverfahren sieht
Änderungen für die Zeit nach dem Inkrafttreten
der Neuregelung vor. Für die Vergangenheit sind
die BFH-Entscheidungen zu beachten.
Da die Auslegung des Gesetzes durch Rechtsprechung das geltende Recht widerspiegelt, sind alle
davon abweichenden Bilanzierungen nicht korrekt.
Bei Anwendung des § 6a EStG ist i. d. R. anstelle
der meist höheren negativen „Anschaffungskosten“ die Rückstellung zu niedrig ausgewiesen und
kann bzw. muss in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen berichtigt werden. Unklar ist dabei
allerdings, wie die vom BFH postulierte Anschlussbewertung nach § 6a EStG umzusetzen ist. Sinnvollerweise wird der Differenzbetrag zwischen dem
Abzugsposten (negative Anschaffungskosten) und
dem Wert nach § 6a EStG vorgetragen, im Zeitablauf bereinigt um Bewertungspositionen, die sich
in der Anwartschaftszeit auflösen, soweit sie über
zukünftige Zuführungen nach § 6a EStG berücksichtigt werden.
Fehlbeträge konnten nicht entstehen, da sich der
Steuerpflichtige an die Vorgaben der Finanzverwaltung gehalten hat. Das subjektive Empfinden von
„richtig“ oder „falsch“ spielt nach der Entscheidung
des BFH vom 31.1.2013 (GrS 1/10) ebenfalls keine
Rolle mehr. Für die Bilanzierung kann nur ein objektiv richtiger Ansatz gewählt werden.
Nun ist das Aufrollen lang vergangener Übernahmen
ein äußert aufwändiger Vorgang. Andererseits ist bei
einem zu gering angesetzten Schuldposten der steuerpflichtige Gewinn zu hoch angesetzt worden, damit
eine zu hohe Steuer gezahlt worden. Das kann im
Einzelfall ein geringer Betrag sein, wobei auch die
Verzinsung nach § 233a Abgabenordnung (AO) den
Aufwand kaum decken dürfte. Hierzu lässt die vorgesehene Neuregelung auf Antrag das Beibehalten
des Status quo zu.
Ausblick
Gleichwohl ist eine Stellungnahme der Finanzverwaltung zu diesem Themenkomplex dringend notwendig, auch wenn sie weiter den Weg einer
gesetzlichen Lösung beschreiten wird. Für die – verfahrensrechtlich noch
nicht abgeschlossene – Vergangenheit gilt die Rechtsprechung. Benefits!
wird über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens berichten.
Heinz-Josef Heger
[email protected]
Telefon: +49 611 794-236
Dr. Manfred Stöckler
[email protected]
Telefon: +49 89 51657-4601
38 towerswatson.de
Übertragung von Versorgungsanwartschaften auf einen Pensionsfonds
Regelungen verschärft / BMF-Schreiben vom 24.7.2013
Im Rahmen der Überarbeitung des „großen“ BMF-Schreibens zur bAV hat die Finanzverwaltung für
die Übertragung von Versorgungsanwartschaften auf Pensionsfonds eine Einheit der §§ 3 Nr. 66 und
Nr. 63 EStG eingeführt, die im Gesetz so nicht vorgesehen ist.
Die Finanzverwaltung hat das große RahmenBMF-Schreiben vom 31.3.2010, das sowohl die
geförderte private (Teil A) als auch die betriebliche
Altersversorgung (Teil B) betrifft, aktualisiert. Das
neue Schreiben datiert vom 24.7.2013 und ist für
einen Übergangszeitraum auf der Internetseite
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zu finden. Teil B gilt seit der Veröffentlichung im Bundessteuerblatt am 11.9.2013 (BStBl. I 2013, S. 1022).
Die Änderungen im Bereich der betrieblichen
Altersversorgung (bAV) sind überschaubar. Sie entsprechen weitgehend dem Entwurf, der Mitte 2012
an die Verbände mit der Bitte um Stellungnahme
übersandt wurde. Einige Punkte werden jedoch stärker pointiert, wie z. B. die Zahlung von Versorgung
in einem noch aktiven Arbeitsverhältnis (Beschränkung auf die externen Durchführungswege Direktversicherung, Pensionsfonds, Pensionskasse) nach
Rz. 286 oder die Festlegung einer Prüfungsreihenfolge, inwieweit die Steuerfreiheit des § 3 Nr. 63
Einkommensteuergesetz (EStG) durch unterschiedliche Beiträge verbraucht wird (Rzn. 304, 310).
Vorgaben zur lohnsteuerfreien Übertragung
verschärft
Nach § 4e Abs. 3 EStG kann der Arbeitgeber Versorgungsverpflichtungen oder -anwartschaften ganz
oder teilweise auf einen Pensionsfonds übertragen.
Die im BMF-Schreiben vom 26.10.2006 dargelegte
Position der Finanzverwaltung zur lohnsteuerlichen
Behandlung der Übertragung von Versorgungsanwartschaften aktiver Beschäftigter auf einen Pensionsfonds wird im BMF-Schreiben vom 24.7.2013
fortgeschrieben, dabei allerdings ergänzt und
verschärft. Nach dem BMF-Schreiben kam bei einer
entgeltlichen Übertragung von Versorgungsanwartschaften aktiver Beschäftigter die Anwendung von
§ 3 Nr. 66 EStG nur für Zahlungen an den Pensionsfonds in Betracht, die für die bis zum Zeitpunkt
der Übertragung bereits erdienten Versorgungsanwartschaften (sog. „Past Service“) geleistet wurden. Zahlungen an den Pensionsfonds waren nach
dem Schreiben aus 2006 für zukünftig noch zu
erdienende Anwartschaften (sog. „Future Service“)
ausschließlich in dem begrenzten Rahmen des
§ 3 Nr. 63 EStG lohnsteuerfrei. Das aktuelle BMFSchreiben erweitert und verschärft nun den Anwendungsbereich des § 3 Nr. 63 EStG zulasten des
Anwendungsbereichs von § 3 Nr. 66 EStG weiter.
In Rz. 322 des BMF-Schreibens vom 24.7.2013
findet sich – gegenüber der Vorgängerversion vom
31.3.2010 – folgende Ergänzung: „Erfolgt im Rahmen eines Gesamtplans zunächst eine nach § 3
Nr. 66 EStG begünstigte Übertragung der erdienten
Anwartschaften auf einen Pensionsfonds und werden anschließend regelmäßig wiederkehrend (z. B.
jährlich) die dann neu erdienten Anwartschaften auf
den Pensionsfonds übertragen, sind die weiteren
Übertragungen auf den Pensionsfonds nicht nach
§ 3 Nr. 66 EStG begünstigt, sondern nur im Rahmen des § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei.“
Erfolgt die Übertragung im Rahmen eines Gesamtplans „regelmäßig wiederkehrend“, dann soll also
§ 3 Nr. 66 EStG nur bei der erstmaligen Übertragung anwendbar sein; alles andere soll (nur noch)
über den betragsmäßig begrenzten § 3 Nr. 63 EStG
begünstigt sein.
Passt das aus dem Blickwinkel des § 4e Abs. 3
EStG? Diese Auffassung der Finanzverwaltung
schränkt die Freiheiten des Arbeitgebers ein, da
das Gesetz in § 4e Abs. 3 EStG den Steuerpflichtigen nicht auf eine einmalige Aktion festlegt. So
kann die Übertragung beliebig oft in Teilstücken
vorgenommen werden, z. B. entsprechend der
verfügbaren Liquidität. Das Vorhaben, die Verpflichtung auf einen Pensionsfonds zu übertragen, kann
so auf mehrere Jahre verteilt werden. Nach § 4e
Abs. 3 EStG kann die Übernahme durch den Pensionsfonds die gesamte Zusage oder nur Teile davon
betreffen. Das Gesetz lässt dem Steuerpflichtigen
die Wahl. Die Auffassung der Finanzverwaltung will
hingegen eine Art Einheit von § 3 Nr. 66 EStG mit
§ 3 Nr. 63 EStG begründen.
Nun lässt sich „teilweise“ auf zwei Arten interpretieren: immer als Teil des Ganzen, wobei das
Ganze die bereits „erdiente“ Anwartschaft oder
die „erdienbare“ Anwartschaft darstellt.
Benefits! 39
Recht & Steuern
Neue Klassifizierung von Gesamtübertragung
in einzelnen Tranchen
Übertragung auch des noch zu erdienenden
Teils der Pensionsanwartschaft
Beabsichtigt der Steuerpflichtige, nach seinem
Gesamtplan alle bereits erdienten Anwartschaften
auf einen Pensionsfonds zu übertragen, entspricht
dies in der Terminologie des § 4e Abs. 3 EStG dem
Begriff „ganz“ und nicht dem Begriff „teilweise“.
Fehlt jedoch für eine vollständige Übertragung „in
einem Rutsch“ die notwendige Liquidität, so wird
die gesamte Übertragung in der Praxis meist in
einzelne, nach und nach zu übertragende Tranchen aufgeteilt. Der Plan, alles zu übertragen, wird
dadurch nicht aufgehoben. Nach der Terminologie
der Rz. 322 des BMF-Schreibens vom 24.7.2013
klassifiziert die Finanzverwaltung dies jedoch
(auch) als „teilweise“.
Beabsichtigt der Steuerpflichtige hingegen auch
die zukünftig erst noch zu erdienenden Anwartschaften zu übertragen, dann kommt es nach dem
BMF-Schreiben aus 2006 zu dem Zusammenspiel
der §§ 3 Nr. 66 und Nr. 63 EStG. Da in diesem
Fall bereits alles übertragen (allerdings noch nicht
bezahlt) ist, besteht aber auch kein Raum mehr
für weitere Übertragungen. Das Bezahlen der Steigerungen richtet sich dann nach § 3 Nr. 63 EStG.
Nun beurteilt die Betriebsprüfung einen Vorgang
i. d. R. einige Jahre später und sieht dann auch die
weitere Entwicklung. Einen Gesamtplan wird man
ggf. konstruieren können, wenn die Übertragung in
Tranchen erfolgt. Die Regelung in Rz. 322 ist damit
nach Einschätzung von Towers Watson praxisfeindlich, streitanfällig und nicht sachgerecht. Dennoch
ist sie zu beachten. Bei geplanten gestückelten
Übertragungen ist es insofern ratsam, Systematiken (Regelmäßigkeiten) herauszunehmen.
Hinweis für die Praxis
Die beiden Paragraphen § 3 Nr. 66 EStG und § 3 Nr. 63 EStG haben
keine Schnittstelle. Der eine regelt Übertragungsfälle, der andere laufende
Beitragszahlungen. Diese Ergänzung erschwert ohne Not die sukzessive
Übertragung einer Versorgungsverpflichtung auf einen Pensionsfonds und
führt zu einer bis dahin unbekannten Rechtsunsicherheit.
Heinz-Josef Heger
[email protected]
Telefon: +49 611 794-236
Allerdings stellt sich die Frage, warum § 3 Nr. 66
EStG nicht auch hier gelten soll. Der Nachteil der
Verteilung auf zehn Jahre ist beachtlich.
Zu diskutieren ist an dieser Stelle vielmehr die
Rückstellungsbildung nach § 6a EStG für den zu
erdienenden Teil; d. h. hier trotz Übertragungswillen die Rückstellung für den verbleibenden Rest
zuzulassen, weil in § 4e Abs. 3 EStG die teilweise
Übertragung zugelassen wird.
40 towerswatson.de
Dr. Manfred Stöckler
[email protected]
Telefon: +49 89 51657-4601
Administration & Software
„Der
„
Faktor Mensch wird im Rahmen der bAVBetreuung und -Beratung nach wie vor gefragt sein.“
bAV-Administration: Trends und
Erfahrungen mit Outsourcing-Lösungen
Aktuelle Studie von Towers Watson
Wie die Verwaltung der bAV in der Praxis aussieht, untersucht Towers Watson alle zwei Jahre im Outsourcing-Survey. Hier werden die Motivationen für Auslagerungsprojekte, Pläne und Prognosen der Unternehmen zur bAV- und Rentenverwaltung erhoben.
bAV-Entscheidern hilft diese Studie, Veränderungen
am Markt nachzuverfolgen und Trends zu erkennen.
Die wichtigsten Studienergebnisse aus 2013 lassen
sich folgendermaßen zusammenfassen:
Das Thema Kommunikation steht für viele Unternehmen an erster Stelle. Arbeitnehmer sind mehr
und mehr sensibilisiert für das Thema Altersvorsorge und fordern entsprechende Informationen
und Hilfsmittel.
Rund 90 Prozent der Teilnehmer erwarten, dass
die Komplexität des arbeits- und steuerrechtlichen
Umfelds der betrieblichen Altersversorgung (bAV) in
den nächsten zehn Jahren weiter ansteigt. Die Komplexität und das zunehmende Verwaltungsvolumen bei
gleichzeitig eher sinkendem unternehmensinternen
Know-how sind aus Unternehmenssicht die wichtigsten Gründe, die bAV-Administration auszulagern.
Administrationsmandate werden weiterhin überwiegend an bAV-Spezialisten übergeben. Die Zufriedenheit mit der ausgelagerten Administration von
bAV-Abläufen ist ungebrochen, wie über 85 Prozent
der Unternehmen bestätigen.
Im Vergleich mit den Ergebnissen der Vorgängerstudie aus 2011 zeichnet sich der Trend zum Outsourcing noch deutlicher ab. So planen aktuell 17 Prozent der befragten Unternehmen, in naher Zukunft
(weitere) Administrationsdienstleistungen im Bereich
der bAV-Verwaltung auszulagern (2011: 13 Prozent).
Jeder achte Teilnehmer plant die Auslagerung der
Rentenabrechnung
Starker Trend zum Outsourcing
An der Befragung 2013 haben insgesamt 65 Unternehmen aller Größenordnungen und aus nahezu
allen wichtigen Branchen teilgenommen. Die Untersuchung erfasst auch alle fünf Durchführungswege
der bAV. Die große Mehrheit der Befragten – rund
83 Prozent – nutzen einen Dienstleister für die
bAV-Verwaltung (die Verwaltung der Anwartschaften
aktiver und ehemaliger Mitarbeiter einschließlich
Anspruchsermittlung und Anpassung der laufenden
Renten) – eine deutlich höhere Anzahl als 2011
(67 Prozent). Die reine Rentenabrechnung (einschließlich der Auszahlung) erledigen jedoch 54 Prozent der Befragten innerhalb ihres Unternehmens
(2011: 65 Prozent). Wird die bAV-Verwaltung oder die
Benefits! 41
Administration & Software
befragten Unternehmen würden ihren Rentenabrechnungsdienstleister weiterempfehlen.
Rentenabrechnung ausgelagert, dann setzt die Mehrheit der Unternehmen auf einen bAV-Spezialisten
(80 bzw. 73 Prozent).
Die Gründe für die Auslagerung von bAV-Verwaltung
oder Rentenabrechnung liegen aus Unternehmenssicht vor allem im bAV-Know-how, der steigenden
Komplexität der bAV-Administration und dem damit
verknüpften zunehmenden Verwaltungsvolumen.
Unternehmen, die eine Auslagerung von Verwaltungsleistungen bisher nicht oder nur teilweise realisiert
haben, fürchten vor allem den Verlust der InhouseKompetenz oder zu hohe laufende Honorare der
Dienstleister. An einem geeigneten Dienstleister,
Compliance-Regularien oder Datenschutzthemen
scheitern Auslagerungsvorhaben hingegen nicht.
Der Trend zur Nutzung externer Dienstleister für die
bAV-Administration hat sich seit der Vorgängerstudie
fortgesetzt. Sowohl für die bAV-Verwaltung als auch
für die Rentenabrechnung sind die Outsourcing-Quoten deutlich gestiegen. Die ausgelagerten Dienstleistungen werden meist an bAV-Spezialisten übergeben.
Das bestätigen 80 Prozent der Unternehmen, welche
die bAV-Administration ausgelagert haben; für die
Rentenabrechnung sind es 73 Prozent.
Große Zufriedenheit mit externen
Dienstleistern
Kommunikation ist Top-Thema
Sowohl in der bAV-Administration als auch in der
Rentenverwaltung sind Unternehmen mit den externen Dienstleistern zufrieden, insbesondere dann,
wenn sie auf einen bAV-Spezialisten zurückgreifen.
Vor allem bAV-Know-how, Dienstleistungsspektrum,
Qualität und Datensicherheit werden hoch geschätzt.
Auch das Preis-/Leistungsverhältnis ist für rund
drei Viertel der Befragten in Ordnung. Ebenso viele
würden ihren Dienstleister weiterempfehlen.
Die größten Herausforderungen im Rahmen der
bAV-Administration liegen offensichtlich im Bereich
der Kommunikation. Mitarbeiter können eine bAV
nur dann wertschätzen, wenn sie ihren Pensionsplan kennen. Für Unternehmen empfiehlt es sich
daher, frei nach dem Motto „Tue Gutes und rede
darüber“ vorzugehen. Bereits in der Vorgängerstudie 2011 zeichnete sich ab, dass der Kommunikationsbedarf der Mitarbeiter zum Thema bAV steigt.
Daher wurde das Thema Kommunikation in der
Erhebung 2013 genauer beleuchtet.
Auch von den Unternehmen, die ihre Rentenabrechnung ausgelagert haben, wird das Know-how
der Dienstleister sehr geschätzt. Zwei Drittel der
Abb. 1: Zufriedenheit mit dem Dienstleister für die bAV-Verwaltung
100 %
9
90 %
4
12
9
9
9
4
7
7
7
11
9
9
7
9
11
10
17
80 %
28
70 %
28
41
60 %
37
44
39
43
13
6
16
17
9
19
48
43
35
50 %
54
41
40 %
30 %
59
56
43
20 %
47
40
43
39
37
37
35
10 %
24
19
42 towerswatson.de
zufrieden
nicht zufrieden
An
ei
t
n
nh
t io
rie
de
no
­va
uf
tz
m
sa
Ge
sv
ng
tu
is
keine Angabe
In
in
m
Te
r
Le
sehr zufrieden
er Pr e
h ä is
ltn -/
pa
is
s­s
un F le
gs x i b
­fä ili
hi t ä
gk t /
ei
t
ue
tre
it ä
t
en
be
En tr
ga eu
ge un
m g/
en
t
Zu
ve
r­lä
ss
ig
­ke
it
al
Qu
Ku
nd
s p is t u
ek n g
tr u s ­
m
Er
re
Ve ich
r f ü ba
g b r ke
ar i t
ke /­
it
le
st
en
Di
n­s
te
Da
bA
V-
Kn
ic
ow
he
-h
rh
ei
ow
t
0 %
Dr. Michael Paulweber
Viele Befragte skizzierten sowohl vorhandene Defizite als auch das Bestreben, Kommunikationsleistungen bzw. die Umsetzung von Online-Portalen, in
deren Rahmen sich die Mitarbeiter über ihre bAV und
den individuellen Stand ihrer Versorgungsansprüche informieren können, auszulagern. Mindestens
jährliche Konto-/Leistungsinformationen halten zwei
Drittel der befragten Unternehmen für unabdingbar.
Dies gilt insbesondere bei modernen beitragsorientierten Zusagen oder Entgeltumwandlungsmodellen.
michael.paulweber@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 3122-983
Dr. Claudio Thum
claudio.thum@
towerswatson.com
Telefon: +49 7121 1627-226
Gemischte Ansichten äußerten die Befragten zur
Notwendigkeit umfassender telefonischer Betreuung
und mobiler Kommunikation. Gleichwohl scheint
sich aus der täglichen Praxis heraus ein Trend hin
zur Einrichtung von „bAV-Apps“ abzuzeichnen. Der
Faktor Mensch wird im Rahmen der bAV-Betreuung
und -Beratung aber nach wie vor gefragt sein.
Ausblick
Auch künftig wird das Thema bAV-Kommunikation die Unternehmen beschäftigen. Die große Mehrheit der befragten Unternehmen
(82 Prozent) erwartet einen weiterhin steigenden Informationsbedarf der Anwärter. Dabei wird auch weiterhin eine persönliche
Betreuung der Mitarbeiter notwendig sein. Eine ausschließliche Online-Betreuung können sich nur 28 Prozent der Unternehmen
vorstellen. Jedoch werden Employee-Self-Service-Angebote in zehn Jahren weit verbreitet sein, wie über 80 Prozent der Unternehmen meinen.
Als weitere Herausforderungen für die Zukunft nennen die Unternehmen auch Themen wie Komplexität, Kosten, Qualität und
z. T. sogar den Datenschutz. Risiko- und Qualitätsmanagement werden künftig einen deutlich breiteren Raum einnehmen, wie
über 80 Prozent bestätigen.
Insgesamt wird der Trend zum Outsourcing weitergehen, sind sich drei Viertel der Befragten sicher. Dabei werden hohe Anforderungen an den Outsourcing-Dienstleister gestellt – nicht nur im Hinblick auf die Kernaufgaben, sondern auch auf vermeintliche
Randthemen wie Compliance-Regularien und Datenschutz. Dienstleister sind also gut beraten, ihre diesbezüglichen Fähigkeiten
durch extern belegte Zertifikate und ähnliche Nachweise (z. B. ISAE 3402 Typ II) zu belegen.
Abb. 2: Entwicklung der bAV-Administration in den kommenden zehn Jahren – Thema Kommunikation
90 %
80 %
70 %
60 %
50 %
85
40 %
82
72
30 %
45
20 %
10 %
12
5
0 %
Höhere Verbreitung
von EmployeeSelf-Services
stimme zu
Höherer Infor­
mationsbedarf
der Anwärter
55
35
38
42
28
15
Höhere Wertschätzung von bAV
bei Mitarbeitern
Flächendeckende
Nutzung mobiler
Kommunikationsmedien
Service Levels
der Betreuung:
24/7-Hotline
Ausschließliche
OnlineKommunikation
stimme nicht zu
Benefits! 43
HR-Strategie, Talent & Rewards
„Die
„
Herausforderung, ein erfolgreiches Talent-Management
zu etablieren, ist groß, aber sie lohnt sich.“
Talent-Management in fünf Schritten
Die richtigen Mitarbeiter gewinnen, begeistern, fördern
und binden
Nicht nur angesichts des demografischen Wandels und des Fachkräftemangels wird ein systematisches
Talent-Management für Unternehmen unerlässlich. Dabei erweist sich ein systematisches, integriertes
Vorgehen in fünf Schritten als erfolgskritisch.
Ob es für Unternehmen darum geht, in China Fuß
zu fassen, ein neues Geschäftsmodell in Europa
umzusetzen oder eine Marktinitiative in Brasilien
durchzuführen – stets muss der Personalbereich für
eine Mannschaft sorgen, die aus Strategien Erfolge
macht. Für HR heißt das zunehmend „business as
un-usual“. Talente, also Mitarbeitergruppen, die das
Unternehmen benötigt, um die Strategie zu erreichen, sind hierbei der „Motor“ für den unternehmerischen Erfolg. So stellte Google fest, dass ein
überdurchschnittlich guter Programmierer einen bis
zu 300-Mal höheren Wertbeitrag als ein mittelmäßiger Programmierer erzielt. 1
Daher wird ein systematisches Talent-Management
unerlässlich. Es steht für HR-Prozesse und -Lösungen, die Unternehmen befähigen, die „richtigen
Mitarbeiter“ für sich zu begeistern, zu fördern und
an sich zu binden. Dabei sind nach Einschätzung
von Towers Watson fünf Schritte erforderlich:
1. Talent-Management-Strategie entwickeln:
Die Talentstrategie definiert den Rahmen für alle
Mitarbeitergewinnungs-, -entwicklungs- und -bindungsaktivitäten. Sie differenziert das Unternehmen vom Wettbewerb und definiert ein attraktives
Gesamtleistungspaket für Mitarbeiter und Bewer-
1 www.tlnt.com/2013/02/26/how-google-is-using-people-analytics-to-completely-reinvent-hr
44 towerswatson.de
ber. Dieses sollte nicht nur in den Karriereseiten
auf der Unternehmens-Webseite angekündigt,
sondern unbedingt in der Praxis gelebt werden.
2. Workforce segmentieren: Welche sind die für das
Unternehmen wichtigen Positionen und Personen?
Zuerst wird auf Basis der Wachstumstreiber und
strategischen Prioritäten definiert, welche TalentGruppen für ein Unternehmen erfolgskritisch sind.
Unternehmen sollten in der Produktentwicklung,
dem Vertrieb und anderen Kernbereichen alle
strategisch relevanten Schlüsselpositionen identifizieren. Zudem müssen sie ihre Top-Performer
und High-Potentials und deren Präferenzen kennen,
um sie an das Unternehmen zu binden. Neben der
Arbeitsplatzsicherheit und einem angemessenen
Gehalt achten Top Performer etwa vor allem auf herausfordernde Aufgaben, während High Potentials in
erster Linie auf Karrierechancen Wert legen, wie die
aktuelle Global Workforce Study von Towers Watson
zeigt (siehe Benefits! August 2012).
3. Performance und Potenzial objektiv bewerten:
Eine klare Definition des Leistungs- und Potentialbegriffs ist die Grundlage für ein gutes Performance-Management. Daran sollte sich ein objektiver und transparenter Prozess anschließen, in
dem Leistung und Potential gemessen wird. Dabei
sollten Unternehmen ein besonderes Augenmerk
auf ihre Talente und Führungskräfte legen und
über den Performance-Management-Prozess hinaus
wertvolle Informationen über individuelle Entwicklungsfelder und Stärken sammeln. Hierfür können
Instrumente wie 360°-Feedback oder DevelopmentCenter hilfreich sein.
gehen. Jedoch benötigen Unternehmen zwar ein
hohes, aber vor allem auch ein nachhaltiges Mitarbeiterengagement, also Engagement, das auf
einem langfristig stabilen Niveau erhalten bleibt.
Denn ein hohes Engagement birgt das Risiko,
dass Mitarbeiter insbesondere in wirtschaftlich
volatilen Zeiten zu wenig auf die eigenen Ressourcen achten und sich verausgaben. Um diesem
Risiko zu begegnen, sollte ein Arbeitsumfeld
geschaffen werden, das sowohl die Produktivität
als auch eine ausgewogene Work-Life-Balance
unterstützt. Ebenso wesentlich für nachhaltiges
Engagement ist eine gute Mitarbeiterführung.
Fazit
Die Herausforderung, ein erfolgreiches TalentManagement zu etablieren, ist groß, aber sie
lohnt sich, da sie über den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen entscheiden kann.
Wesentlich ist dabei ein integriertes und konsistentes Vorgehen, damit das angestrebte
Ziel tatsächlich erreicht werden kann.
Bernd Süßmuth
bernd.suessmuth@
towerswatson.com
Telefon: +49 221 8000-3361
4. Karriereperspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten bieten: Das Karrieremanagement umfasst
die Formulierung und Umsetzung einer Karrierephilosophie, die Entwicklung einer Karrierearchitektur
sowie die Gestaltung von attraktiven Karrierepfaden.
Interessante Karrieremöglichkeiten und ein klarer
Karriereplanungsprozess steigern die Arbeitgeberattraktivität und die Mitarbeiterbindung. Um die
Karriere vorantreiben zu können, braucht es flankierende Entwicklungsmaßnahmen – insbesondere für
Führungskräfte. Je gezielter diese Maßnahmen auf
die tatsächlichen Entwicklungsbedarfe zugeschnitten sind, desto höher ist der Wertbeitrag. Führungskräfte in sehr erfolgreichen Unternehmen treffen
eher zeitnah Entscheidungen, managen Veränderung
direkt und kommunizieren mehr Informationen „von
oben“ an ihre Mitarbeiter.
5. Mitarbeiterengagement messen und verbessern:
Engagierte Mitarbeiter machen den Unterschied:
Sie sind aus Überzeugung Teil des Unternehmens
und sie sind bereit, die berühmte „Extrameile“ zu
Benefits! 45
News
„Mehr
„
als die Hälfte der Unternehmen könnten sich die Einführung von betrieblichen Opting-out-Lösungen vorstellen.“
Rückblick: bAV-Konferenz 2013
Demografischer Wandel – Aufwind für die bAV
Der demografische Wandel wird die Weiterentwicklung der bAV prägen. Mitarbeiter erwarten aufgrund
der Kürzungen in der gesetzlichen Rente von ihren Arbeitgebern Unterstützung bei der Altersvorsorge.
Darüber hinaus können bAV, Zeitwertkonten und Demografiefonds zur Mobilisierung älterer Arbeitnehmer beitragen und Möglichkeiten für einen flexiblen Übergang in den Ruhestand eröffnen.
Unternehmen benötigen jedoch ausreichend
Gestaltungsspielraum, um bedarfsgerechte Lösungen für ihre Belegschaften erarbeiten zu können.
So lautet das Fazit der bAV-Konferenz, die Towers
Watson am 9. Oktober 2013 für über 200 Teilnehmer in Frankfurt am Main ausgerichtet hat. Referenten namhafter Unternehmen wie E.ON, MAN,
EnBW, Akzo Nobel, Linde, IBM oder Bosch stellten
anhand ihrer Unternehmenspraxis Herausforderungen und Gestaltungsoptionen für die bAV vor.
„Erste Folgen des demografischen Wandels sind
bereits sichtbar, z. B. als Arbeitskräftemangel in
vielen Unternehmen“, erläutert Dr. Reiner Schwinger, Managing Director von Towers Watson Deutsch-
land. „Vielen Arbeitgebern und Mitarbeitern wird
immer deutlicher bewusst, dass sich das Arbeitskräfteangebot, die Situation der Rentenkassen, die
beruflichen Perspektiven vieler Menschen, kurz: alle
Bereiche der Gesellschaft wesentlich verändern
werden“, so Schwinger weiter.
„Viele Mitarbeiter erwarten, dass ihr Arbeitgeber
sie mit einer bAV-Lösung bei der Altersvorsorge
unterstützt“, ergänzt Dr. Thomas Jasper, Leiter
der bAV-Beratung bei Towers Watson Deutschland.
Im Wettbewerb um gute Mitarbeiter setzen viele
Unternehmen daher auch auf die bAV. Rund 80 Prozent der Konferenzteilnehmer – HR-, Finanz- und
bAV-Verantwortliche aus großen mittelständischen
Unternehmen und weltweit agierenden Konzernen –
bestätigten in einer Umfrage auf der Konferenz,
dass ihrer Meinung nach die bAV wesentlich dafür
ist, um als attraktiver Arbeitgeber zu gelten.
bAV auf To-do-Liste der neuen
Bundesregierung
Angesichts der aktuellen Herausforderungen sei
die Politik gefragt, fordert die Arbeitsgemeinschaft
für betriebliche Altersversorgung e. V. (aba). Ihr
Vorsitzender Heribert Karch, einer der beiden
Key-Note-Sprecher auf der Konferenz, betont: „Die
Betriebsrente gehört ganz oben auf die To-do-Liste
einer neuen Bundesregierung.“ Es gebe viel zu
tun, so Karch weiter: „Die neue Koalition muss
den Reformstau abbauen und unerledigte Projekte
schnellstens angehen. Das Betriebsrentenrecht
muss entschlackt werden, Betriebsrenten müssen
wieder leichter administrierbar werden und die Rahmenbedingungen müssen dem Niedrigzinsumfeld
angepasst werden.“
Gestaltungsspielraum und Opting-Out
Aus Unternehmenssicht ist wesentlich, dass sich
sowohl bAV-Lösungen als auch Modelle für den
flexiblen Übergang in den Ruhestand flexibel auf die
unternehmensspezifischen Anforderungen zuschneiden lassen. Darüber hinaus zeigte eine Umfrage
während der Konferenz, dass sich rund 60 Prozent
der Teilnehmer die Einführung von betrieblichen
Opting-out-Lösungen vorstellen können. In diesem Fall werden Mitarbeiter automatisch in den
betrieblichen Vorsorgeplan aufgenommen (siehe
auch Benefits! August 2012). Aus ihrem Gehalt
Benefits! 47
News
werden (ohne dass sie dafür aktiv werden müssten)
Beiträge für die Betriebsrente angespart – es sei
denn, sie entscheiden sich nach einer Prüfung ihrer
Vorsorgesituation dagegen. Somit ließe sich die
Eigenvorsorgequote und damit der Gesamtbeitrag
der bAV zur Altersabsicherung deutlich steigern.
„Menschen sind auch nur Fische“
In der abschließenden Key-Note „Schwarmintelligenz: Menschen sind auch nur Fische“ skizzierte
Professor Jens Krause, Verhaltensbiologe an
Leibniz-Institut und Humboldt-Universität Berlin, wie
sich Tierschwärme, aber auch Menschengruppen
orientieren und organisieren. So könnten Erkenntnisse der Schwarmforschung beispielsweise bei der
Planung von Fußballstadien und U-Bahn-Stationen
helfen. Krause weiß: „Einige informierte Individuen
in der Mitte und am Rand können eine große Menschenmenge recht effektiv leiten. Wenn Gebäude
oder Plätze im Notfall schnell evakuiert werden
müssen, kann das von großem Nutzen sein.“
Highlights der bAV-Konferenz
Interviews mit den Key-Note-Sprechern und filmische Impressionen
von der Konferenz finden sich in einer Online-Spezialausgabe von
Benefits!, die demnächst unter www.towerswatson.de (Bereich Studien
und Publikationen / Newsletter-Kiosk) abrufbar ist.
M&A-Projekte erfolgreich führen
Workbook mit Praxisbeiträgen von Towers-Watson-Autoren
Was ist mit Blick auf die betriebliche Altersversorgung (bAV) bei M&A-Projekten zu beachten?
Und welche weiteren HR-Themen, wie z. B. die HR
and Cultural Due Diligence, Personal-Assessment,
Staffing-Prozess, Cultural Change Management,
sind wie zu berücksichtigen? Diese und ähnliche
Fragen beantworten Beiträge von Towers-WatsonExperten in dem Praxisbuch „M&A-Projekte erfolgreich führen“.
Das konsequent an den Bedürfnissen der Praxis ausgerichtete Buch behandelt nicht nur alle
Aspekte des komplexen Themas Mergers & Acquisitions, sondern auch alle M&A-relevanten Management- und Führungsprozesse. Neueste Entwicklungen im M&A-Management werden hier erstmals
dargestellt. In das Buch fließen das Know-how
renommierter Unternehmensberatungen und die
Erfahrungen großer, im M&A-Bereich aktiver Unternehmen, wie z. B. Siemens, EnBW, Infineon oder
Bertelsmann, ein. Mit vielen Tools, Checklisten und
Empfehlungen unterstützt das Buch den Praktiker
bei der Organisation seiner M&A-Projekte.
48 towerswatson.de
Kai Lucks (Hrsg.)
M&A-Projekte erfolgreich führen:
Instrumente und Best Practices
735 S., 190 Abb., 20 Tabellen, gebunden
Preis: 99,95 Euro
ISBN: 978-3-7910-3210-8
Über Towers Watson
Towers Watson ist eine der führenden Unternehmens­
beratungen weltweit und unterstützt seine Kunden, ihren
Unternehmenserfolg durch ein effektives HR-, Finanz- und
Risikomanagement zu steigern. Weltweit sind wir mit rund
14.000 Mitarbeitern vertreten, in Deutschland mit ca.
800 Mitarbeitern an den Standorten Frankfurt, Köln, München, Reutlingen und Wiesbaden. Wir entwickeln Lösungen
für die betriebliche Altersvorsorge und Nebenleistungen,
für das Personal- und Vergütungsmanagement sowie das
Risiko- und Finanzmanagement, einschließlich der Beratung
von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen.
Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung bietet Towers
Watson die Expertise, um Unternehmen weltweit bei der
Gestaltung, dem Finanzmanagement, der Administration und
der Kommunikation der verschiedensten Versorgungspläne
zu unterstützen. In Deutschland haben die Experten von
Towers Watson zahlreiche bAV-Neuordnungen bei großen
Unternehmen gestaltet und dabei die Gestaltungsmodelle
für Pensionspläne maßgeblich weiterentwickelt. Fast alle
derzeit zugelassenen Unternehmenspensionsfonds wurden
bzw. werden von Towers Watson beraten.
Ebenso ist Towers Watson ein führender Anbieter im stark
wachsenden Markt der bAV-Administration (betriebliche Versorgungswerke, Unterstützungskassen, Pensionsfonds, Pensionskassen etc.) und weiterer Long-Term Employee Benefits
(z. B. Zeitwertkonten). Ein Mehrwert für zahlreiche Kunden
wird durch effiziente Administrationslösungen, zertifizierte
Prozesse und transparente, planbare Kosten geschaffen.
Towers Watson verwaltet mehrere hunderttausend Versorgungsanwartschaften und rechnet über einhunderttausend
Betriebsrenten ab.
Experten von Towers Watson sind als anerkannte Spezialisten aktiv beratende Mitglieder in zahlreichen Verbänden,
Arbeitsgemeinschaften und Organisationen. Ebenso sind sie
gefragte Fachautoren und Referenten für zahlreiche Seminare und Vorträge. Towers Watson führt regelmäßig Studien
zu HR-, bAV- und Risikomanagement durch.
Unsere Büros in Deutschland
Frankfurt
Reutlingen
Kontakt Redaktion Benefits!
Eschersheimer Landstraße 50
60322 Frankfurt
Telefon: +49 69 1505-50
Telefax: +49 69 1505-5544
Am Heilbrunnen 47
72766 Reutlingen
Telefon: +49 7121 16272-25
Telefax: +49 7121 16272-55
[email protected]
Telefon: +49 611 794-218
Telefax: +49 611 794-268
Köln
Reutlingen
Habsburgerring 2
50674 Köln
Telefon: +49 221 80003-0
Telefax: +49 221 80003-456
Oskar-Kalbfell-Platz 14
72764 Reutlingen
Telefon: +49 7121 3122-0
Telefax: +49 7121 3122-278
München
Wiesbaden
Arnulfstraße 19 (Renaissance Haus)
80335 München
Telefon: +49 89 51657-4500
Telefax: +49 89 51657-4599
Wettinerstraße 3
65189 Wiesbaden
Telefon: +49 611 794-0
Telefax: +49 611 794-298
Weitere Publikationen von Towers Watson Deutschland:
•• Rechnungszins: Jeden Monat informiert Towers Watson über die Aktualisierung des Diskontzinssatzes zur Bewertung
von Pensionsverpflichtungen unter Berücksichtigung von HGB, IFRS und US-GAAP
(abrufbar unter www.towerswatson.com/de-DE/Insights/Newsletters/Europe/rechnungszins).
•• HR Perspectives: Das Online-Magazin HR Perspectives informiert dreimal pro Jahr über Herausforderungen und
Lösungen rund um das Talent- und Vergütungsmanagement
(abrufbar unter www.towerswatson.com/de-DE/Insights/Newsletters/Europe/HR-perspectives).
•• Executive Matters: Der Online-Newsletter bringt dreimal jährlich aktuelle globale und lokale Informationen rund um
das HR-Management von Schlüsselfunktionen in Organisationen (Bezug über [email protected]).
•• Informationen zu Towers-Watson-Studien, Fallbeispielen usw. finden sich auch auf towerswatson.de
Towers Watson
Eschersheimer Landstraße 50
60322 Frankfurt
Telefon: +49 69 1505- 50
Telefax: +49 69 1505 - 5544
E-Mail: [email protected]
Die Beiträge dieser Publikation sind als allgemeine Hinweise zu verstehen.
Für die Lösung einschlägiger Probleme greifen Sie bitte auf die angegebenen
Quellen oder die Unterstützung unserer zuständigen Büros zurück.
Copyright © 2013 Towers Watson. All rights reserved.
TW-EU-D-0215 November 2013
towerswatson.de
Herunterladen