Schwerpunkt Nutzgeflügel Aschenbach JR, Gäbel G, Daugschies A (Hrsg.) LBH: Proceedings 4. Leipziger Tierärztekongress (ISBN: 978-3-934178-80-9) Nutzgeflügel – H5N1 Mettenleiter et al. Geflügelpest H5N1 in Europa – Aktueller Stand zur Epidemiologie und Entwicklung von Markerimpfstoffen Thomas C. Mettenleiter*1, Timm Harder2, Fred Unger3, Kathrin Teske3, Jutta Veits1, Angela Römer-Oberdörfer1, Walter Fuchs1, Martin Beer2, Franz Josef Conraths3 1Institut für Molekularbiologie, 2Institut für Virusdiagnostik, 3Institut für Epidemiologie, Friedrich-LoefflerInstitut, Greifswald-Insel Riems/Wusterhausen Einleitung Im Jahre 1997 trat in Hongkong ein durch ein hochpathogenes aviäres Influenzavirus (HPAIV) vom Subtyp H5N1 hervorgerufenes Geflügelpestgeschehen auf, in dessen Folge es auch zu 18 Humaninfektionen kam, wobei 6 der Patienten verstarben. Dieses Virus war zum ersten Mal ein Jahr zuvor auf dem chinesischen Festland in der Provinz Guangdong aufgetaucht. Das Geschehen in Hongkong konnte durch eine rigorose Tötung allen Nutzgeflügels im Stadtbereich kontrolliert werden. Zur Jahreswende 2003/2004 meldeten eine Reihe von ostasiatischen Ländern umfangreiche Geflügelpestausbrüche, wobei nahezu ausschließlich H5N1 des nunmehr so genannten Typs 'Asia' nachgewiesen wurde. Nach einem Ausbruch bei Wildvögeln am See Quinghai in Zentralchina im Frühjahr 2005 wurden kurz darauf erste Fälle in Sibirien und in der Mongolei festgestellt. Die Epidemie in Europa in 2006 Im Oktober 2005 trat das Virus in Rumänien und kurz darauf in Kroatien auf. Im Februar 2006 wurde HPAIV H5N1 zunächst bei Wildvögeln (Schwänen) in Griechenland, Bulgarien und Süditalien nachgewiesen, bevor es am 14. Februar zum Erstnachweis in Deutschland bei zwei auf der Insel Rügen tot aufgefundenen Schwänen kam. In der Folgezeit wurden auch in weiteren Ländern Nord- und Osteuropas sowie in Frankreich und Spanien H5N1-Nachweise geführt. Der letzte Nachweis 2006 erfolgte am 03. August bei einem Trauerschwan im Dresdner Zoo (1). Insgesamt wurden in Deutschland 344 Wildvögel positiv getestet (Abb. 1). In einem Fall kam es zu einer Infektion in einem Nutzgeflügelbestand (Mutzschen, Sachsen). Auch vier Säugetiere (drei Katzen, ein Steinmarder), die tot oder moribund im Epizentrum des Geschehens auf der Insel Rügen gefunden wurden, waren mit HPAIV H5N1 infiziert. Bei mehr als 25 Wildvogelarten wurde das Virus gefunden. Besonders häufig wurden Schwäne positiv getestet, gefolgt von Enten. Aber auch Raubvögel (Bussard, Uhu), Möwen und Störche waren infiziert. Molekularepidemiologische Analysen ergaben, dass es sich bei den in Deutschland gefundenen Viren um Vertreter der 'Quinghai'-Linie handelte, wobei allerdings zwei distinkte Virusgenotypen gefunden wurden. Ein vornehmlich im Norden Deutschlands diagnostizierter Typ 'Rügen' ließ sich von einem hauptsächlich in Süddeutschland vorkommenden Typ 'Bodensee' unterscheiden. Die Viren konnten den Claden EMA-A und EMA-B (EMA = Europe-Middle East-Africa) zugeordnet werden. Es ist daher davon auszugehen, dass es im Frühjahr 2006 zu zwei unabhängigen Einträgen von HPAIV H5N1 nach Deutschland gekommen ist, wobei der nördliche Eintrag vermutlich via Sibirien erfolgt ist, der südliche Eintrag über den Schwarzmeerraum und den Balkan. Späterhin kam es dann zu überlappenden Vorkommen beider Genotypen, insbesondere in Mitteldeutschland (2). * [email protected] 623 Nutzgeflügel – H5N1 Abb. 1: Mettenleiter et al. Vorkommen von HPAIV H5N1 in Deutschland 2006 (links) und 2007 (rechts). Kreise markieren HPAIV H5N1 Nachweise in Nutzgeflügelbeständen. Die vollständige molekulare Charakterisierung der Isolate aus einem Schwan und einer Katze von der Insel Rügen ergab einen sehr hohen Verwandtschaftsgrad und zeigte keine auffallenden Änderungen, die auf eine Virusevolution hin zu einer erhöhten Pathogenität für Säugetiere in diesem Zeitraum hindeuteten (3). Das Wiederauftreten von HPAIV H5N1 in 2007 Nach einer Phase ohne HPAIV H5N1-Nachweise in Europa, die allerdings von einer erneuten Ausbreitung der Seuche in Ostasien und im mittleren Osten gekennzeichnet war, wurden im Januar 2007 zwei Gänsebestände (Freilandhaltung) in Ungarn HPAIV H5N1 positiv getestet (Abb. 2). In der Folge kam es auch zu einem Ausbruch in einem großen Truthahnbestand in Großbritannien, wobei hier offenbar die Verbringung von Geflügelprodukten infizierter Tiere eine wesentliche Rolle gespielt hat. Der Erreger wurde genotypisiert und ähnelte den im Jahr 2006 aufgetretenen Viren. Am 21. Juni wurde ein durch H5N1 hervorgerufener Geflügelpest-Ausbruch in einem Truthahnmastbetrieb in Böhmen (Tschechische Republik) mit drastisch erhöhter Mortalität (1800 von 6000 Tieren starben innerhalb von zwei Tagen) bestätigt. Kurz darauf kam es am 24. Juni zum ersten Nachweis von H5N1 in Deutschland im Jahr 2007 bei zwei im Stadtgebiet von Nürnberg tot aufgefundenen Schwänen. In der Folgezeit wurden infizierte Wildvögel auch in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gefunden. Besonders dramatisch war hierbei das Geschehen am Stausee Kelbra (Thüringen/Sachsen-Anhalt), dem über 200 Schwarzhals- und Haubentaucher zum Opfer fielen (1). 624 Nutzgeflügel – H5N1 Abb. 2: Mettenleiter et al. Auftreten von HPAIV H5N1 Asia in Europa im Jahre 2007 (Stand 12.07.2007) Diese lokale Epidemie ähnelte dem Geschehen an der Wittower Fähre auf Rügen im Jahre 2006 unter Schwänen. Erstaunlicherweise waren die ebenfalls am Stausee vorhandenen Schwäne dieses Mal nicht betroffen. Die weite geographische Ausdehnung des Geschehens in Juni/Juli 2007 wurde auch durch den Nachweis von HPAIV H5N1 bei Schwänen in Ostfrankreich deutlich (Abb. 1). Glücklicherweise kam es bisher (Stand 03.08.2007) nur zu einem Nachweis von HPAIV H5N1 bei einer Gans aus einem Kleinstbestand in Thüringen. Molekulargenetische Untersuchungen belegten eine sehr enge Verwandtschaft der im Juni/Juli 2007 in Europa gefundenen Viren, die auf eine gemeinsame Quelle hindeuten. Die molekularepidemiologische Analyse ergab, dass es sich hierbei um einen der Clade EMA 3 zuzuordnenden Virusstamm handelt, so dass von einem dritten unabhängigen Eintrag ausgegangen werden muss, der allerdings weder zeitlich noch der Herkunft nach eindeutig zu determinieren ist. Interessanterweise zeigen die im Juni/Juli in Europa gefundenen Viren eine hohe Verwandtschaft zu derzeit im mittleren Osten (Kuwait, Dubai) zirkulierenden Stämmen. Entwicklung von Markerimpfstoffen gegen Geflügelpest Der Einsatz von Impfstoffen gegen die Geflügelpest kann unter bestimmten epidemiologischen Bedingungen angezeigt sein. So ist z. B. in Ostasien eine Reduktion der Menge an zirkulierenden Virus in der dort vorhandenen endemischen Situation durch eine möglichst flächendeckende Impfung von empfänglichem Nutzgeflügel eine mögliche Option. Allerdings variieren die Erfahrungen von Land zu Land, so dass sich kein eindeutiges Bild ergibt. In Europa wurden umfangreiche Impfungen gegen aviäre Influenza vor allem in Norditalien durchgeführt. In Frankreich (Gänsebestände in drei Departements) und 625 Nutzgeflügel – H5N1 Mettenleiter et al. in den Niederlanden (Hobbytiere sowie einige wenige größere Freilandhaltungen) wurde mit heterologen Impfstoffen vom Typ H5N9 bzw. H5N2 gegen eine mögliche Infektion mit HPAIV H5N1 Asia immunisiert. Alle diese Impfstoffe enthielten inaktivierte Vollviren, womit die Problematik der Differenzierung zwischen geimpften und infizierten Tieren auftritt. In Italien wurde eine solche Differenzierung durch den Nachweis von Antikörpern gegen disparate Neuraminidase-Typen in zirkulierendem Feldvirus und Impfstoff angewendet. Dieses auf Immunfluoreszenztests beruhende Verfahren ist allerdings wenig robust und höchst arbeitsaufwändig. Weltweit werden daher Forschungsarbeiten durchgeführt, um zu einer einfacheren Differenzierung zu gelangen. Besonders vielversprechend ist hierbei die Entwicklung von Vektorimpfstoffen. Ein solcher Vektorimpfstoff auf der Basis von rekombinantem Geflügelpockenvirus, das Hämagglutinin H5 von AIV exprimiert, ist bereits seit einigen Jahren in Mexiko und in Ostasien im Einsatz, allerdings ohne eine begleitende DIVA-Diagnostik (DIVA = Differenzierung zwischen infizierten und vakzinierten Tieren). Zudem ist auch bei diesem Impfstoff, wie bei den Inaktivat-Vakzinen, eine individuelle Applikation bei jedem Tier notwendig. Am FLI entwickeln wir Vektorimpfstoffe auf der Basis rekombinanter NewcastleDisease- bzw. infektiöser Laryngotracheitis-Viren. Dazu wird das für Subtypen H5 oder H7 kodierende Hämagglutiningen aus AIV in die jeweiligen Vektoren mittels gentechnischer Methoden inseriert und mit den passenden Expressionsregulationssequenzen versehen. Entsprechende rekombinante Viren führen nach Immunisierung zu einem Schutz vor dem homologen AIV-Typ, aus dem das Hämagglutiningen stammt, und gleichzeitig vor der Newcastle-Krankheit bzw. der infektiösen Laryngotracheitis (4). Die Unterscheidung zwischen Vektor-geimpften und AIV-infizierten Tieren kann z. B. durch einen am FLI entwickelten ELISA erfolgen, der Antikörper gegen das Nukleoprotein von AIV nachweist. Da diese nur nach Infektion, aber nicht nach Impfung entstehen, ist eine eindeutige Differenzierung möglich. Gleichzeitig haben diese Vektorviren den Vorteil, dass sie auch per Aerosol oder über das Trinkwasser einfach und schnell an große Tierzahlen appliziert werden können, was gerade in der Geflügelhaltung einen wertvollen Vorteil darstellt. Bis zur Zulassung solcher gentechnisch veränderter Viren sind aber noch umfangreiche Studien durchzuführen, die wohl noch einige Jahre in Anspruch nehmen. Es bleibt aber festzuhalten, dass ein auf einem NDV-Vektor beruhender AIV-Impfstoff in China bereits in erheblichem Umfang zum Einsatz kommt, ohne aber die Markerqualitäten zu nutzen. Über Erfahrungen aus dem Einsatz dieses Impfstoffs ist allerdings leider nur wenig bekannt. Literatur 1. 2. 3. 4. 626 Friedrich-Loeffler-Institut (2006, 2007): Epidemiologisches Bulletin, Lagebericht zur aviären Influenza. Starick E, Beer M, Hoffmann B, Staubach C, Werner O, Globig A, Strebelow G, Grund C, Durban M, Conraths FJ, Mettenleiter TC, Harder T (2007): Phylogenetic analyses of highly pathogenic avian influenza virus isolates from Germany in 2006 and 2007 suggest at least three separate introductions of H5N1 virus. Vet Microbiol. (eingereicht). Weber S, Harder T, Starick E, Beer M, Werner O, Hoffmann B, Mettenleiter TC, Mundt E (2007): Molecular analysis of highly pathogenic avian influenza virus of subtype H5N1 isolated from wild birds and mammals in Northern Germany. J Gen Virol. 88:554-558. Fuchs W, Veits J, Mettenleiter TC (2006): Rekombinante Geflügelviren als Vektorimpfstoffe gegen Geflügelpest. Berl Münch Tierärztl Wschr. 119:160-166. Nutzgeflügel – H5N1 Ahlers Hochpathogene Aviäre Influenza des Subtyps H5N1: Situation in Asien Christine Ahlers* Food and Agriculture Organization of the United Nations, Regional Office for Asia and the Pacific, Bangkok (Thailand) Zusammenfassung Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Situation zur Geflügelpest in Asien, Bekämpfungsstrategien werden vorgestellt und praktische Probleme bei deren Umsetzung erläutert. Im Dezember 2003 wurden aus Südkorea erste Ausbrüche von hochpathogener aviärer Influenza (HPAI) des aktuell verbreiteten Subtyps H5N1 in Nutzgeflügel gemeldet. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Manuskriptes (31.07.2007) konnten HPAI-H5N1-Infektionen in Nutzgeflügel und Wildvögeln in Afrika, Europa und in 25 asiatischen Ländern nachgewiesen werden (OIE 2007). Weltweit hatten sich 319 Personen durch intensiven Kontakt zu erkrankten Vögeln infiziert, darunter 192 mit letalem Ausgang (WHO 2007). 276 der gemeldeten humanen Fälle (172 mit letalem Ausgang) traten in asiatischen Ländern auf, in denen die kleinbäuerliche Geflügelhaltung als wesentlicher Bestandteil der SubsistenzLandwirtschaft weit verbreitet ist. Nationale und regionale Strategien zur Bekämpfung der hochpathogenen aviären Influenza basieren auf einer globalen Bekämpfungsstrategie, die von OIE und FAO in Zusammenarbeit mit WHO entwickelt wurde. Früherkennung und frühzeitige Warnung, unverzügliche Labordiagnose, schnelle und transparente Meldung der Ausbrüche sowie die unverzügliche Einleitung effektiver Bekämpfungsmaßnahmen sind wesentliche Elemente dieser Strategie. Die Einbeziehung landesspezifischer Faktoren bei der Erstellung und Umsetzung nationaler Strategien, eine nachhaltige Umstrukturierung der Geflügelproduktion zur Minimierung der Ausbreitung von Infektionserregern sowie die Sicherung einer ausreichenden Kapazität des Veterinärwesens zur Bekämpfung hochkontagiöser Tierseuchen sind essentiell für eine erfolgreiche Bekämpfung der hochpathogenen aviären Influenza. Aktuelle Situation Aviäre Influenza (AI) ist eine hochkontagiöse virale Erkrankung, für die eine Vielzahl von Nutzgeflügelarten (Hühner, Puten, Wachteln, Perlhühner, etc.), aber auch Zier- und Wildvögel empfänglich sind. Die globale Ausbreitung der hochpathogenen aviären Influenza des Subtyps H5N1 steht seit einigen Jahren im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Internationalen Gemeinschaft. Bis zum 31.07.2007 wurden der OIE weltweit aus 60 Ländern Fälle von hochpathogener Aviärer Influenza (HPAI) des Subtyps H5N1 gemeldet; in 43 Ländern waren Nutzgeflügelbestände betroffen. Meldungen über den Nachweis dieses Subtyps in Wildvögeln lagen aus 35 Ländern vor (OIE 2007). Als erster Fall gilt ein im Dezember 2003 in Südkorea gemeldeter Ausbruch in einem Nutzgeflügelbestand. Seither1 wurde der Erreger in 24 weiteren asiatischen Ländern nachgewiesen: Afghanistan, Aserbaidschan, Bangladesch, China, Hongkong, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Israel, * [email protected] 1 Zeitpunkt der Erstellung dieses Manuskriptes: 31.07.2007 627 Nutzgeflügel – H5N1 Ahlers Japan, Jordanien, Kambodscha, Kasachstan, Korea, Kuwait, Laos, Malaysia, Mongolei, Myanmar, Pakistan, Palästinensische Autonomiegebiete, Philippinen, Thailand und Vietnam (OIE 2007). Weltweit hatten sich 319 Personen durch intensiven Kontakt zu erkrankten Vögeln infiziert, darunter 192 mit letalem Ausgang (WHO 2007)1 276 der gemeldeten humanen Fälle (172 mit letalem Ausgang)1 traten in asiatischen Ländern auf, in denen die kleinbäuerliche Geflügelhaltung als wesentlicher Bestandteil der Subsistenz-Landwirtschaft weit verbreitet ist. Betroffen sind insbesondere kleinbäuerliche und kommerzielle Hühnerhaltungen unterschiedlicher Größenordnung; HPAI Subtyp H5N1 wurde jedoch auch in Entenbeständen und Wildvögeln nachgewiesen. Neben dem Kontakt zwischen Nutzgeflügel und aquatischen Wildvögeln gelten der insbesondere in ländlichen Regionen nur schwierig zu kontrollierende regionale Handel mit Geflügel und Geflügelprodukten und die weit verbreiteten „wetmarkets“, Märkte, auf denen Schlachtgeflügel lebend verkauft wird, als Faktoren, die zur Ausbreitung des Erregers beitragen. Die seuchenhygienische Absicherung („biosecurity“) von Geflügel in kleinbäuerlichen Haltungen, die in vielen asiatischen Ländern einen Großteil der Geflügelproduktion ausmachen, ist ebenso wie in extensiven Wassergeflügelhaltungen unzureichend, um die Bestände vor einer Infektion mit aviärer Influenza zu schützen. Seuchenhygienische Absicherung und Hygienemanagement in kommerziellen Geflügelhaltungen variieren in hohem Maße. Die veterinärmedizinische Betreuung der Bestände ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich und insbesondere in ländlichen Regionen und Kleinbeständen nur bedingt ausreichend, um HPAI-Ausbrüche frühzeitig zu diagnostizieren. Bekämpfungsstrategien Nationale und regionale Bekämpfungsstrategien basieren auf einer globalen Bekämpfungsstrategie, die von OIE und FAO in Zusammenarbeit mit WHO entwickelt wurde. Durch progressive Kontrolle und Eradikation des Erregers in Geflügelbeständen soll langfristig das von HPAI-Infektionen in Geflügel und Menschen ausgehende globale Risiko minimiert werden. Früherkennung und frühzeitige Warnung, unverzügliche Labordiagnose, schnelle und transparente Meldung der Ausbrüche und die unverzügliche Einleitung von umfassenden Bekämpfungsmaßnahmen (u. a. Quarantäne, humane Tötung von Tierbeständen, unschädliche Beseitigung und Dekontamination von infiziertem Material, Kontrolle und Beschränkung von Geflügeltransporten und gegebenenfalls Impfung) sind wesentliche Elemente einer effektiven Strategie zur Bekämpfung der Geflügelpest. Früherkennung von HPAI-Infektionen in Nutzgeflügelbeständen und frühzeitige Warnung bei Vorliegen von HPAI-Verdachtsfällen und bestätigten Ausbrüchen sind unerlässlich, um die Verbreitung dieses hochkontagiösen Erregers zu minimieren. Die Kapazität der Veterinärdienste und -behörden in den betroffenen Ländern wird mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erweitert und verbessert, um die Etablierung von Tiergesundheitsüberwachungs- und Informationssystemen zu ermöglichen. Die seuchenhygienische Absicherung von Nutzgeflügelbeständen ist ein wesentlicher Faktor in der Prävention von HPAI-Infektionen und trägt zur Stabilisierung der Tiergesundheit bei. Insbesondere in kleinbäuerlichen und kleinen kommerziellen Geflügelhaltungen soll die seuchenhygienische Absicherung der Bestände durch praktikable Empfehlungen nachhaltig verbessert werden. Um eine unverzügliche labordiagnostische Bestätigung von Verdachtsfällen zu ermöglichen, werden die Laborkapazitäten der betroffenen Länder mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erweitert und verbessert. 628 Nutzgeflügel – H5N1 Ahlers Um die Eliminierung des Erregers zu ermöglichen, werden Geflügelbestände, in denen HPAI H5N1 nachgewiesen wurde, getötet. Tierkörper sowie potentiell kontaminiertes Material werden unschädlich beseitigt, Stallungen und Gerätschaften werden desinfiziert. Im Umkreis des Seuchenherdes werden Quarantänemaßnahmen angeordnet. In Ländern, in denen aus logistischen Gründen eine effektive Seuchenbekämpfung durch unverzügliche Tötung betroffener Bestände und Quarantänemaßnahmen nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, besteht die Möglichkeit der strategischen Impfung gegen HPAI Subtyp H5N1 in Ergänzung der genannten Maßnahmen, um der Ausbreitung des Erregers entgegen zu wirken. In China, Vietnam, Indonesien, Pakistan und der Mongolei werden aus diesem Grund empfängliche Geflügelarten gegen HPAI geimpft. Praktische Umsetzung der Bekämpfungsstrategien Die praktische Umsetzung der genannten Bekämpfungsmaßnahmen wird u. a. durch verschiedene landesspezifische Faktoren beeinflusst: Struktur der Geflügelwirtschaft, seuchenhygienische Absicherung der Bestände („biosecurity“), Vermarktungswege von Geflügel und Geflügelprodukten, Lebendmärkte, Kapazität des Veterinärwesens, labordiagnostische Kapazität, Logistik. In der Mehrzahl der von HPAI-Infektionen betroffenen asiatischen Länder dominiert die kleinbäuerliche Geflügelhaltung in extensiven Haltungssystemen. Freilaufende Hühner, Enten, Gänse, Perlhühner, Puten u. a. werden ohne seuchenhygienische Absicherung des Bestandes gehalten. Die veterinärmedizinische Betreuung dieser Bestände ist minimal und irregulär. Kleinere kommerzielle Geflügelhaltungen sind überwiegend im ländlichen Raum und in der Nähe von Kleinstädten anzutreffen. Ihre seuchenhygienische Absicherung ist minimal, die veterinärmedizinische Betreuung ist in Abhängigkeit von der Kapazität der Veterinärdienste in den einzelnen Ländern unterschiedlich. Geflügel und Geflügelprodukte aus diesen Haltungen werden i. d. R. auf lokalen und regionalen Märkten vermarktet. Intensive Geflügelhaltungen mit mehreren tausend Tierplätzen machen in vielen asiatischen Ländern weniger als 50% der Geflügelwirtschaft aus. Die seuchenhygienische Absicherung dieser Bestände ist unterschiedlich, eine veterinärmedizinische Betreuung ist i. d. R. vorhanden. Geflügel und Geflügelprodukte aus diesen Haltungen werden i. d. R. national vermarktet. Eine seuchenhygienischer Absicherung kleinbäuerlicher Haltungen und kleiner kommerzieller Geflügelbestände ist insbesondere im Hinblick auf die begrenzte Kapazität der lokalen Veterinärbehörden und die unzureichende veterinärmedizinische Betreuung kurzfristig kaum durchzusetzen. Die Früherkennung von HPAI-Infektionen ist von der Sachkenntnis der Geflügelhalter und deren Kooperation mit den lokalen Veterinärbehörden abhängig. Die Umstrukturierung kleinerer kommerzieller Haltungen erscheint aus diesen Gründen langfristig unabdingbar. Die Vermarktung von Schlachtgeflügel über Lebendmärkte ist in Asien weit verbreitet. In den meisten Ländern wird auch Geflügel aus intensiven Haltungen ausschließlich über so genannte „wetmarkets“ vermarktet. Da auf diesen Märkten nicht nur Schlachtgeflügel, sondern verschiedene Geflügelarten unterschiedlicher Nutzungsrichtungen angeboten werden, ist eine mögliche Ausbreitung von Infektionserregern über dieses nicht zu kontrollieren. Die Kapazität des Veterinärwesens in vielen asiatischen Ländern wird mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erweitert und verbessert, um eine effektive Umsetzung der nationalen Bekämpfungsstrategien zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang werden u. a. Tiergesundheits629 Nutzgeflügel – H5N1 Ahlers überwachungs- und Informationssysteme etabliert, Laborkapazitäten, logistische Voraussetzungen u. a. in den Bereichen Transport, Kommunikation und Datenverarbeitung verbessert bzw. etabliert und Fortbildungen für Tierärzte und veterinärmedizinische Hilfskräfte organisiert. Die Einbeziehung der genannten landesspezifischen Faktoren bei der Erstellung und Umsetzung nationaler Strategien, eine nachhaltige Umstrukturierung der Geflügelproduktion zur Minimierung der Ausbreitung von Infektionserregern sowie die Sicherung einer ausreichenden Kapazität des Veterinärwesens zur Bekämpfung hochkontagiöser Tierseuchen sind essentiell für eine erfolgreiche Bekämpfung der hochpathogenen aviären Influenza. Literatur OIE (2007): http://www.oie.int/eng/info_jw/elaine's%20stuff/en_factoids_H5N1_Timeline.htm WHO (2007): http://www.who.int/csr/disease/avian_influenza/country/en/ 630 Nutzgeflügel – H5N1 Müller-Molenar H5N1 – Erfahrungen aus der tierärztlichen Praxis. Risiken und Abwehrmaßnahmen in einer international arbeitenden Zuchtfirma Klaus Müller-Molenar* Tierärztehaus Sonnenreich, Praxis/Labor Köthen Klassische Geflügelpest In Deutschland ist die Klassische Geflügelpest seit Jahrzehnten nicht mehr aufgetreten (Hilbrich 1978). Diese Feststellung ist heute leider nicht mehr aufrecht zu halten. Das Kürzel H5N1 steht in diesem Zusammenhang für ein aviäres Influenza-A-Virus vom Subtyp H5, das in seiner hoch pathogenen Form wie das Influenza-A-Virus vom Subtyp H7 für Seuchenausbrüche mit schweren, generalisierten Verlaufsformen und hohen wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Geflügelbestände und Regionen verantwortlich gemacht wird. Für das verlustreiche Seuchengeschehen 1979 im Nutzgeflügelbestand in der Region Leipzig ist ein Influenza-A-Virus vom Subtyp H7N7 dokumentiert (Banks & Plowright 2003). Seuchenausbrüche zur Jahrtausendwende in Italien haben deutlich gezeigt, dass ursprünglich gering pathogene Virusstämme vom Subtyp H7N1 bei Zirkulation in Geflügelbeständen zu hoch pathogenen Stämmen mutieren können und ein verlustreiches Seuchengeschehen in Gang setzen. In dem beschriebenen Seuchenzug waren über 413 Farmen betroffen. Mehr als dreizehn Millionen Tiere verschiedener Geflügelarten verendeten oder wurden getötet (Capua & Mutinelli 2001). Der Erreger der Klassischen Geflügelpest ist also weltweit verbreitet. In Deutschland besteht für diese Erkrankung wie auch in anderen Ländern Anzeige- und Bekämpfungspflicht. Die Richtlinie des Rates 2005/94/EG vom 20. Dezember 2005 mit Gemeinschaftsmaßnahmen zur Bekämpfung der Aviären Influenza und zur Aufhebung der Richtlinie 92/40/EWG (EU ABl. Nr. L 10, 14.01.2005, S. 16) verpflichtet alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zur harmonisierten Umsetzung und Anwendung der Geflügelpestbekämpfung auf Landesebene. Auf Grund der historischen Erfahrungen, der Eigenschaften der Influenza-A-Viren, der epidemiologischen Erfahrungen aus jüngerer Zeit, der Übertragungs- und Einschleppungswege ist die Verhütung der Erregereinschleppung oberstes Gebot zur Gesunderhaltung der Geflügelbestände und damit indirekt ein Beitrag zur Gesunderhaltung der Humanpopulation. WIMEX Agrarprodukte Export & Import GmbH Die WIMEX GmbH (Regenstauf) bewirtschaftet Farmen und Brütereien zur Produktion von Bruteiern und Eintagsküken für Elterntiere und Masthähnchen in 8 Bundesländern (Bayern, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen). Die Produkte werden in Deutschland vermarktet und darüber hinaus in europäische Mitgliedsstaaten und Drittländer exportiert (Tabelle 1). Die Basiszucht des Geflügels der Mastrichtung liegt bei Cobb-Ventress (Siloam Springs, USA). Alle nachfolgenden Produktions- und Wirtschaftsteilbereiche werden von der WIMEX GmbH in Deutschland organisiert und verantwortet (Großelterntierhaltung mit Aufzucht, Produktion und Brüterei, Elterntierhaltung mit Aufzucht, Produktion und Brüterei, Broilermast, Exportlogistik für Bruteier und Eintagsküken). * [email protected] 631 Nutzgeflügel – H5N1 Müller-Molenar Tabelle 1: Produktionsprofil und Standorte Großelterntiere und Elterntiere Elterntiere Anzahl Großelterntiere Anzahl Farmen Bruteier Broilereintagsküken Masthähnchen Bundesländer Vertriebsländer 70 245 Millionen pro Jahr 50 Millionen pro Jahr 8 Millionen pro Jahr 8 32 Farmen 35 Hennenküken 10 Millionen pro Jahr eingestallte Hennenküken 300.000 pro Jahr Nebenprodukte 12 Millionen pro Jahr Bundesländer 3 Vertriebsländer 21 Ein spezialisiertes Praxisteam aus dem Tierärztehaus Sonnenreich in Köthen mit drei Fachtierärzten für Geflügel, einem Fachtierarzt für Mikrobiologie und Pathologie, einer Labortierärztin, weiteren Tierärzten sowie Labor- und Hilfskräften betreut und berät die Zuchtfirma seit Jahren. Schwerpunkt ist dabei die Gesundheitsprophylaxe. Abwehrmaßnahmen gegen die aviäre Influenza Zur Minimierung des Risikos einer Erregereinschleppung der aviären Influenza sind zwei Schwerpunkte unerlässlich, Präventive und Prophylaxe. Mit präventiven Überlegungen in der Phase der Produktionsvorbereitung werden u. a. durch Standortfestlegungen nach dem Prinzip der Dislokalisation, mit Belegungszyklogrammen, die ein „ReinRaus-Prinzip“ gewährleisten und ausreichend Zeit für Reinigung, Desinfektion und Wartung der Stallausrüstung in einer Servicezeit berücksichtigen, sowie für Stall- und Standortgestaltung nach dem „Schwarz-Weiß-Prinzip“ Vorrausetzungen für eine universelle Gesundheitsfürsorge geschaffen. In der belegten Hühnerfarm soll ein Bündel von Maßnahmen der Prophylaxe das Eindringen des Erregers in den Stall verhindern helfen. Schwerpunkte zur Krankheitsprophylaxe sind einheitliche Kükenherkunft, Quarantäne, kontrollierter Personen- und Fahrzeugverkehr über Hygieneschleusen, Wechsel von Kleidung und Schuhwerk, Desinfektionseinrichtungen, keine private Hühnerhaltung, optimales Stall- und Tiermanagement, Vermeidung von Stresssituationen, täglich qualifizierte Gesundheitskontrolle durch den Farmer, tagfertige Herdendokumentation, Regelungen zur Beseitigung der Abfallprodukte (Kadaver, Müll, …). Sowohl zur Steuerung der Maßnahmen zur Krankheitsabwehr als auch nach Erregerfeststellung im Seuchenfall sind vorbereitete Dokumentationen, klare Informationswege, trainierte Aktionsabläufe nach betrieblichen Notfallprogrammen unabdingbar. Unerlässlich für die Einhaltung der Hygieneregime ist die Klarheit im Kopf eines jeden Firmenmitarbeiters. Im Falle eines Erstausbruches im Betrieb ist die Eradikation des Erregers durch Bestandstötung das vordringlichste Ziel. In Ausnahmen sind nach EU Richtlinien Impfungen möglich. Solange nach Impfstoffeinsatz keine Garantie gegeben ist, dass unter der Impfdecke ein möglicher Feldvirus sich nicht mehr vermehren kann und eine Verschleppung der Infektion durch geimpfte Tiere nicht ausgeschlossen ist, sollte diese Art Impfung keine Anwendung finden. In der täglichen Abklärung des Influenzastatus darf für übertriebene Hysterie kein Platz sein. Beispielhaft kann hier das verlustreiche Geschehen in einem Elterntierbestand nach Umstallung von einer Aufzucht- in eine Produktionsfarm in Mecklenburg-Vorpommern angeführt werden. In enger Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Behörden vor Ort konnte als Ursache für die über zwei Prozent ansteigende Tagesmortalität differentialdiagnostisch eine nichtinfektiöse Intoxikation ermittelt werden. 632 Nutzgeflügel – H5N1 Müller-Molenar Literatur 1. 2. 3. Banks J, Plowright L (2002): Additional glycosylation at the receptor binding site of the hemagglutination (HA) for H5 and H7 viruses may be an adaptation to poultry hosts, but does it influence pathogenicity? Avian Dis. 47:942-950. Capua I, Mutinelli F (2001): A colour atlas and text on Avian Influenza. Papi Editore. Hilbrich P (1978): Krankheiten des Geflügels. Verlag Hermann Kuhn GmbH & Co. KG, 3.Aufl. 633 Nutzgeflügel – H5N1 Spies et al. Prävention von Nutzgeflügel gegen die Aviäre Influenza – was ist möglich? Sigrid Spies*1, Paul van Aarle2, Aris Malo2 1Intervet Deutschland GmbH, Unterschleißheim, 2Intervet International, Boxmeer (Niederlande) Vor dem Hintergrund der im Sommer 2007 erneuten Nachweise von hoch pathogenen Stämmen der Aviären Influenza (AI) in Deutschland muss der Nutzen von Impfungen bei der Eradikation und Bekämpfung der AI ausführlich diskutiert werden. Die derzeit bevorzugte Methode der Bekämpfung basiert auf der Keulung des infizierten Geflügels und aller in der Umgebung befindlichen seuchenempfänglichen Tiere, um eine geflügelfreie Pufferzone zu schaffen und dadurch die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Dies ist eine wirksame Bekämpfungsmethode, wenn sie zusammen mit strikten Quarantänemaßnahmen und einem entsprechenden Hygienemanagement angewendet wird. Ob eine Impfung sinnvoll ist oder nicht, muss von Fall zu Fall nach einer gründlichen Risikoanalyse entschieden werden. Die Impfung gegen die AI ist eine Maßnahme, um die enormen wirtschaftlichen Auswirkungen der Krankheit zu mindern und den Virusdruck in der Umgebung zu reduzieren, wie auch das mögliche Gesundheitsrisiko für den Menschen zu senken. Die beste Weise, um die Impfung einzusetzen, ist die präventive Vakzinierung in dem Moment, wo sich das Virus noch nicht verbreitet hat. Versuche bei Hühnern, Puten und Enten zeigen, dass geimpfte Tiere eine höhere Infektionsschwelle haben als nicht geimpfte Tiere1. Geimpfte Tiere können zwar angesteckt werden, aber die Mehrzahl der geimpften Tiere scheidet kein Virus mehr aus. Bei einer Minderheit kann es noch zur Virusausscheidung kommen, jedoch wesentlich kürzer und in viel geringerer Menge als bei nicht geimpften Tieren2. Die Kombination aus erhöhter Infektionsschwelle und verminderter Ausscheidung führt zur Blockade der Infektion in einer geimpften Population. Experimente zur Übertragung zeigen, dass geimpfte Tiere, die trotzdem infiziert werden, nicht mehr im Stande sind, andere, nicht infizierte, geimpfte Tiere anzustecken3. Die Entscheidung, in welchen Gebieten innerhalb eines Landes und welche Geflügelarten (Freilandhühner, Zoovögel, Rassegeflügel, Wassergeflügel) geimpft werden sollen, muss für jeden Fall individuell nach einer gründlichen Risikoanalyse erfolgen. Die bisher von Intervet verfügbaren inaktivierten AI-Impfstoffe wie Nobilis® Influenza H5N2, H5N6, H7N1 oder H7N7 bieten Schutz gegen eine Vielzahl von Virusstämmen innerhalb derselben H-Subtypen. Eine Unterscheidung zwischen Impf- und Feldstämmen ist durch Anwendung der DIVAStrategie, durch den Einsatz von Sentineltieren in geimpften Herden oder über eine RT-PCR möglich. Das Ziel des Kampfes gegen die AI ist die Tilgung der Erkrankung. In Fällen, in denen die Krankheit endemisch wird, ist es in bestimmten Fällen nicht möglich, eine kurzfristige Eradikation herbeizuführen. Dann kann die Krankheitskontrolle mittels Impfung ein erster Schritt hin zur Eradikation sein. Literatur 1. 2. 3. Anonym (2006): Effect of vaccination on virus excretion and transmission. Summary of data of Intervet vaccines against AI (Jan 2006). Website: www.avian-influenza.com Capua, I, Marangon S (2003): The use of vaccination as an option for the control of Avian Influenza. 71st General Session OIE, Mai 2003. Van der Goot JA, Koch G, de Jong MCM, van Boven M (2005): Quantification of the effect of vaccination on transmission of avian influenza (H7N7) in chickens. PNAS. 102:18141-18146. * [email protected] 634 Nutzgeflügel – H5N1 Hatt & Furger Erfahrungen mit der Impfung von Zoovögeln in 4 Zoologischen Gärten in der Schweiz Jean-Michel Hatt*, Maria Furger Klinik für Zoo-, Heim- und Wildtiere, Departement für Kleintiere, Vetsuisse-Fakultät, Universität Zürich Einleitung Die aktuelle Ausbreitung der hochpathogenen Aviären Influenza H5N1 hat in zoologischen Gärten die Diskussion entfacht betreffend die Durchführbarkeit längerfristiger Stallhaltung und der speziellen Bedrohung seltener Vogelarten. Die Keulung ganzer Bestände, wie sie beim Nutzgeflügel vorgeschrieben ist, erscheint in zoologischen Gärten nicht realistisch. Die Vakzination als Schutz im Falle eines Ausbruchs aber auch als präventive Maßnahme wird in Betracht gezogen, obschon diese für Nutzgeflügel im Allgemeinen verboten ist. In der EU wurden aufgrund eines Kommissions-Entscheides (2006/474/EC) in den Jahren 2005 und 2006 in 13 EU-Mitgliedstaaten unter Ausnahmegenehmigungen über 40.000 Vögel in zoologischen Gärten gegen Vogelgrippe geimpft. Auch in der Schweiz wurden ab Dezember 2005 in den vier wissenschaftlich geleiteten Zoos Basel, Bern, Goldau und Zürich Vakzinationen durchgeführt. Die Vakzination wurde als wissenschaftliches Projekt durchgeführt. Ziele der Untersuchung waren unter anderem: Bestimmung von Antikörper-Titer bei verschiedenen Vogelspezies, Beurteilung der Vakzination unter „Feldbedingungen“, Evaluation eines Schnelltests zur Bestimmung von Aviäre Influenza-Antigen. Material und Methode Geimpft wurden klinisch gesunde Zoovögel in den zoologischen Gärten Basel, Bern, Goldau und Zürich. Die Auswahl der zu impfenden Tiere erfolgte nach Entscheid des jeweilig verantwortlichen Kurators in Abhängigkeit von Empfänglichkeit für Aviäre Influenza und Stressanfälligkeit der Tiere. Die Impfungen erfolgten in den Monaten Dezember 2005 bis Februar 2006. Sämtliche Vögel wurden zwei Mal im Abstand von 5 Wochen mit einer inaktivierten Vakzine (Nobilis® Influenza Intervet, Boxmeer, Niederlande) gegen H5N2 (Stamm A/Chicken/Mexico/232/95/CPA) mit flüssigem Paraffin als Adjuvans geimpft. Vögel mit einer Körpermasse (KM) bis 1,5 kg erhielten 0,25 ml, solche mit einer KM zwischen 1,5 kg und 20 kg 0,5 ml und 1,0 ml wurde Tieren mit einer KM ≥ 20 kg verabreicht. Geimpft wurde subkutan im Nacken oder in der Kniefalte, sowie intramuskulär in die Pectoralis- oder Femorotibialis-Muskulatur. Die humorale Antwort auf die Impfung wurde im Serum mittels ELISA (Galliformes; IDEXX FlockChek AI ELISA IDEXX GmbH, Ludwigsburg, Deutschland) oder Hämagglutinations-Hemmtest (Nicht-Galliformes) gemessen. Ein Kloakentupfer wurde von jedem Tier entnommen und mittels PCR und bei einer Auswahl zusätzlich auch mittels Schnelltest (FASTest AIV Ag®, MegaCor, Österreich) untersucht. Die Tiere standen während der gesamten Untersuchung unter täglicher tierärztlicher Kontrolle und Todesfälle wurden pathologisch untersucht. Die Haltung entsprach den gesetzlichen und seuchenpolitischen Vorgaben, d. h. die meisten Vögel waren in sperlingssicher abgeschlossenen Außenstallungen. Im Zoo Zürich wurde auch der Zeitaufwand (Dreier-Team: Tierarzt, Assistent, Tierpfleger) für das * [email protected] 635 Nutzgeflügel – H5N1 Hatt & Furger Einfangen, die Impfung, die Blutentnahme und die Probenvorbereitung zwecks Versand ans Labor gemessen. Resultate Es wurden insgesamt 365 Vögel (56 Arten und 14 Ordnungen) geimpft (Tabelle 1). Bei keinem Vogel traten klinisch relevante Veränderungen auf. Drei Zwischenfälle wurden registriert: ein Turmfalke (Falco tinnunculus) entflog, ein Satyrtragopan (Tragopan satyra; vermutlich Kreislaufversagen wegen Stress durch Handling) sowie ein Kuhreier (Bubulcus ibis; Hypovolämie nach Blutentnahme) verstarben. Von allen geimpften Vögeln wurden bei 259 Tieren wiederholt Serumproben untersucht. Die meisten geimpften Vögel zeigten eine deutliche humorale Reaktion, der Anteil Tiere mit positivem Titer 10 Wochen nach Erstimpfung ist in Tabelle 2 vergleichend mit anderen Studien dargestellt. Die Durchführbarkeit der Vakzination unter Feldbedingungen erwies sich als Herausforderung. Zum Einen mussten die Impfdosen à 500 ml (erlaubt theoretisch Impfung von rund 1000 Tieren bis 20 kg KM) innerhalb von 10 h aufgebraucht sein. Es wurde gemessen, dass bei einem Dreier-Team pro Vogel inkl. Probenentnahme 11 min eingeplant werden müssen. Daraus ergab sich die Notwendigkeit rund die doppelte Menge an Impfstoff bereit zu stellen, da die Flaschen in einem Tag nicht vollständig aufgebraucht werden konnten. Ferner schreibt der Hersteller vor, dass der Impfstoff körperwarm verabreicht werden muss. Da die Vakzination im Winter durchgeführt wurde, mussten Wärmebeutel eingesetzt werden, um ein Abkühlen des Impfstoffes zu verhindern. Sämtliche 419 Kloakenabstriche und Kotproben, die auf H5-Antigen mittels PCR untersucht wurden, waren negativ. Davon wurden 114 Proben mit dem FASTest untersucht, wobei diese ebenfalls alle negativ waren. Diskussion Aus der vorliegenden im Rahmen eines Forschungsprojekts durchgeführten Studie können folgende Schlüsse gezogen werden: • • • • Der verwendete Virusstamm zeigte bei den 365 geimpften Zoo-Vögeln keine relevanten klinischen Nebenwirkungen. Bei den meisten Vögeln wurde eine deutliche humorale Reaktion nach zweimaliger Impfung erzielt. Aus dem Vergleich mit anderen publizierten Untersuchungen kann geschlossen werden, dass in Multispezieseinheiten, wie sie in zoologischen Gärten angetroffen werden, rund 80% der geimpften Tiere im Hämagluttinations-Hemmtest positive Antikörpertiter entwickeln. Die Impfung muss angepasst an spezielle anatomische Besonderheiten erfolgen (z. B. Pelikane sind intramuskulär und nicht subkutan zu impfen). Unter Zoobedingungen können die herkömmlichen 500 ml Impfflaschen im empfohlenen Zeitraum nicht aufgebraucht werden. Die neuerdings erhältlichen 20 ml Portionen der Nobilis® Influenza Vakzine sind zu verwenden. Es muss festgehalten werden, dass zum jetzigen Zeitpunkt, keine Aussage darüber gemacht werden kann, inwieweit die gemessenen Antikörpertiter im Falle eines Ausbruches vor Krankheit schützen und die Virusausscheidung reduzieren. 636 Nutzgeflügel – H5N1 Hatt & Furger Danksagung Für die Unterstützung dieser Studie wird folgenden Institutionen besonders gedankt: Schweizerisches Bundesamt für Veterinärwesen, Firma Veterinaria Zürich, Nationales Referenzlabor für Geflügel- und Kaninchenkrankheiten Vetsuisse-Fakultät Universität Zürich, zoologische Gärten Basel, Bern, Goldau und Zürich. Tabelle 1: Anzahl und Ordnungen der in 2005/06 mit dem inaktivierten Impfstoff H5N2 (Nobilis® Influenza Intervet, Boxmeer, Niederlande) gegen Aviäre Influenza geimpfte Vögel in den zoologischen Gärten Basel, Bern, Goldau und Zürich. Wissenschaftlicher Name Deutscher Name Anzahl Anseriformes Casuariiformes Charadriiformes Ciconiiformes Coraciiformes Falconiformes Galliformes Passeriformes Pelicaniformes Phenicopteriformes Psittaciformes Sphenisciformes Strigiformes Upupiformes Gänsevögel Australien Laufvögel Schnepfen, Möven, Alken Storchenvögel Rakenvögel Falkenartige Hühnerartige Sperlingsvögel Pelikane Flamingo Papageienartige Pinguine Eulenartige Hopfartige Total 51 2 13 27 4 5 135 7 14 32 16 40 18 1 365 Tabelle 2: Prozentualer Anteil positiver Zoo-Vögel im Hämagglutinations-Hemmtest (HHT) rund 10 Wochen nach erster Impfung gefolgt von Wiederholung mit inaktivierten, kommerziellen Vakzinen gegen Aviäre Influenza. Feldvirus / Impfvirus Anzahl Vögel / Ordnungen Prozentsatz positiv im HHT Eigene Untersuchung H5N1 / H5N2 259 / 12 85% Singapur Oh et al. 2005 H5N1 / H5N2 118 / 5 84% Niederlande Philippa et al. 2005 Niederlande Philippa et al. 2007 Dänemark Bertelsen et al. 2007 H7N7 / H7N1 H5N1 / H5N2 H5N9 / H5N2 211 / 13 82% Titer ≥ 40 positiv 334 / 14 81% Titer ≥ 40 positiv 540 / 17 76% Titer ≥ 32 positiv Bemerkungen Titer ≥ 16 positiv Pelikane 100% und Eulen 81% Titer ≥ 16 positiv Pelikane und Eulen keine humorale Reaktion 637 Nutzgeflügel – H5N1 Hatt & Furger Literatur 1. 2. 3. 4. 638 Bertelsen MF, Klausen J, Holm E, Grøndahl C, Jørgensen PH (2007): Serological response to vaccination against avian influenza in zoo-birds using an inactivated H5N9 vaccine. Vaccine. 25:4345-4349. Oh A, Martelli P, Hock OS, Luz S, Furley C, Chiek EJ, Wee LC, Keun NM (2005): Field study on the use of inactivated H5N2 vaccine in avian species. Vet Rec. 157:299-300. 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