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FORTBILDUNG + KONGRESS
REPRODUKTIONSMEDIZIN
Auf der Suche nach der
euploiden ­Eizelle
Aneuploidiescreening durch robuste Polkörperdiagnostik
mit Molecular Copy number Counting (MCC)
M. Schorsch 1,2, T. Hahn 1,2, H. Turley 1, E. Müller 2, M. Schranz 2,
D. Seifert 2, C. Vogt 2, P. H. Dear 3, A. Daser 2
Chromosomale Fehlverteilungen in den Eizellen sind ein we­
sentlicher Grund für die niedrige Erfolgsrate von IVF und ICSI
in der Reproduktionsmedizin. Im Folgenden werden verschiede­
ne Techniken zur Analyse des Ploidiestatus von Eizelle oder
Embryo vorgestellt und diskutiert. Die von uns entwickelte Me­
thode des Molecular Copy number Countings durch digitale PCR
(MCC) erweist sich als besonders geeignet für die Polkörper­
diagnostik und ist im Kinderwunschzentrum Wiesbaden erfolg­
reicher Bestandteil der ICSI-Behandlung.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland
49.212 extrakorporale Befruchtungen
(IVF, ICSI) durchgeführt. Es traten
13.724 Schwangerschaften ein, das
entspricht einer Schwangerschaftsrate von 28 % (1). Die Wahrscheinlichkeit, im ersten Zyklus ohne medizinische Unterstützung eine Schwangerschaft zu erlangen, liegt bei einer
25-jährigen Frau bei 23 % und bei
einer 35-jährigen Frau bei 16 % (2).
Das „Deutsche IVF-Register“ (DIR)
(1) weist aktuell Schwangerschaftsraten von über 40 % pro Embryotransfer bei 25-Jährigen, aber weniger als 25 % bei 40-Jährigen aus.
Internationale Zahlen aus den USA
von 18.000 ICSI-Zyklen zeigen ein
noch drastischeres Bild: Schwangerschaftsraten von unter 10 % bei
Frauen über 39 Jahren und unter 5 %
bei Frauen über 42 Jahren (3).
VZ Kinderwunschzentrum
M
­Wiesbaden
2 SH-Gen Forschungsgesellschaft bR,
Wiesbaden
3 Mote Research Limited,
­Babraham, Cambridge, UK
1
570
FRAUENARZT
57 (2016)
Nr. 6
Das Alter der Patientin spielt also
sowohl bei spontaner als auch bei
der extrakorporalen Befruchtung eine
entscheidende Rolle. Untersuchungen
an Abortmaterial zeigten, dass mit
zunehmendem Alter der Frau chromosomale Fehlverteilungen (Aneuploidien) als Ursache von Fehlgeburten
deutlich zunehmen (4–6). Zurückzuführen sind diese chromosomalen
Fehlverteilungen auf Alterungsprozesse der Eizelle (7–10). Sie führen
zu einer gestörten Embryonalentwicklung und somit zu fehlender Implantation, Frühabort oder der Geburt eines Kindes mit einer Behinderung.
Gerade die Gruppe mit den geringsten Erfolgsaussichten stellt mittlerweile den größten Anteil an reproduktionsmedizinischen Behandlungen: War 1996 nur jede dritte behandelte Frau älter als 35 Jahre, so waren es 2014 mehr als die Hälfte der
behandelten Frauen (1). Entsprechend muss die Reproduktionsme­
dizin immer wieder nach neuen Lösungsansätzen suchen, um die Erfolgsraten der aufwändigen und belastenden Behandlungen zu verbessern.
Ein Hauptverantwortlicher für die
Erfolgsrate ist die Eizelle – die Aneuploidierate steigt ab dem 35. Lebensjahr der Frau exponentiell an (7–9,
11). Entsprechend werden seit vielen
Jahren Methoden entwickelt und angewandt, die die Identifikation eu­
ploider Eizellen oder intakter Em­
bryo­nen ermöglichen (12).
Während in den meisten Ländern die
Untersuchung des Embryos durch
Blastomerenbiopsie am Tag 3 oder
Trophektodermbiopsie (TE) am Tag 5
gestattet ist, ist nach dem deutschen
Embryonenschutzgesetz (ESchG) die
Untersuchung des Embryos nur für
wenige genetische Erkrankungen
durch Präimplantationsdiagnostik
(PID) nach Genehmigung durch eine
Ethikkommission möglich.
Die Untersuchung der Eizelle hingegen
ist regulatorisch nicht eingeschränkt
und wird deshalb in Deutschland seit
vielen Jahren in Form der Polkörperdiagnostik (PKD) favorisiert.
Auf der Suche nach der
­euploiden Eizelle – PKD
Bei der Polkörperdiagnostik wird der
Chromosomengehalt der befruchteten
Eizelle überprüft, und zwar indirekt
durch Analyse der beiden Polkörper,
die als „Abfallprodukte“ bei der Eizellreifung und -befruchtung entstehen.
Während der Reifung durchläuft die
Eizelle zwei Reduktionsteilungen
(Meiosen). Ursprünglich ist jedes
Chromosom durch vier Kopien (Chromatiden) repräsentiert; bei 23 Chromosomen summiert sich das zu 92
Chromatiden. Am Ende des Befruchtungsvorgangs soll nur noch eine Kopie für jedes Chromosom aus der Eizelle stammen, d. h. die Eizelle muss
die Anzahl der Chromatiden von 92
auf 23 reduzieren. Um dies zu erreichen, werden in den beiden Meiosen
die „überschüssigen“ Chromatiden in
Polkörper 1 und 2 ausgeschleust (s.
Abb. 1). Durch Analyse der Polkörper
kann man auf die Anzahl der verbliebenen Chromatiden in der Eizelle
schließen – die Polkörper spiegeln
PK2
Abb. 1: Befruchtete Eizelle mit erstem (PK1)
und zweitem Polkörper (PK2). Während der
ersten Reduktionsteilung (Meiose I) werden
46 Chromatiden über den ersten Polkörper in
den perivitellinen Raum ausgeschleust. Nach
Fertilisation durch das Spermium werden in
der Meiose II weitere 23 Chromatiden über
den zweiten Polkörper aus der Eizelle ausgeschleust. Bei regelrechten Teilungen gelangen für jedes Chromosom zwei Chromatiden
in den ersten Polkörper und ein Chromatid in
den zweiten Polkörper.
den Chromosomengehalt der Eizelle
wider, die Eizelle kann also nicht-invasiv auf einen korrekten (Euploidie)
bzw. fehlerhaften Chromosomensatz
(Aneuploidie) untersucht werden.
Altersbedingt kommt es während der
beiden Reduktionsteilungen sehr häufig (altersabhängig zwischen 40 %
und 90 %) zu Störungen bei der Verteilung der Chromatiden (Trisomie,
Monosomie). Diese Fehlverteilungen
werden an alle Zellen des sich entwickelnden Embryos weitergegeben und
führen zu Implantationsversagen,
Fehlgeburt oder Missbildung.
Auf der Suche nach dem
euploiden Embryo – PGS
Alternativ zur PKD wird das Präimplantationsscreening (PGS) am sehr
frühen Embryo durchgeführt. Da Untersuchungen an Embryonen in sehr
vielen Ländern gesetzlich nicht eingeschränkt sind, ist PGS an Tag3-Blastomeren oder Trophektoderm
von Tag-5-Blastozysten die bei Weitem häufigste Analytik des Aneuploi­
diescreenings. Argumente für die PGS
sind die Erfassung des väterlichen
Anteils an Chromosomenfehlverteilungen (etwa 10 %) (13) und die gezielte Auswahl sich gut entwickelnder
Embryonen (14).
„„
Aktuelle Verfahren für PGS
Die heute weltweit am häufigsten
eingesetzten Technologien für PGS
sind
−−Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung
(FISH),
−−Array Comparative Genomic
­Hybridrisation (aCGH) und
−−Next Generation Sequencing (NGS).
In den USA werden diese Verfahren
mit folgender Häufigkeit angewandt:
FISH immer noch in Hunderten von
Laboren, aCGH in 180 Laboren, NGS
in vier Laboren (15).
Im Folgenden werden die Methoden
vorgestellt und die technischen Herausforderungen bzw. Probleme geschildert.
FISH
Noch immer wird die FISH-Methode
am häufigsten eingesetzt, nicht zuletzt weil sie mit relativ geringem
technischem Aufwand etabliert und
durchgeführt werden kann. Vorteilhaft ist, dass es eine direkte Nachweismethode ist, d. h. die einzelnen
Chromatiden und Chromosomen werden mikroskopisch beurteilt. Dazu
werden sie durch chromosomenspezifische Fluoreszenzsonden markiert
und die Anzahl der Fluoreszenzsignale ausgezählt (12, 16, 17). In der Regel werden nur fünf, in Einzelfällen
bis zu zehn Chromosomen markiert.
Zu der eingeschränkten Zahl der beurteilbaren Chromosomen kommt als
weiterer gravierender Nachteil Materialverlust und Überlagerung mit entsprechend hoher Fehlerquote (bis zu
25 %) hinzu. Dieser Sachverhalt spiegelt sich in den Schwangerschafts­
raten wider – diese können mit FISHDiagnostik niedriger sein als ohne
(18–20).
aCGH und NGS
Entsprechend suchte man nach neuen Verfahren, bei denen alle Chromosomen möglichst fehlerfrei beurteilt
werden können (21, 22). Durchgesetzt hat sich die Array Comparative
Genomic Hybridrisation (aCGH)
(11, 13, 14, 23, 24) und auf den
Markt drängt neuerdings das Nachfolgeverfahren Next Generation Sequencing (NGS) (25–28). Bei beiden
Techniken muss die Ausgangsmenge
des Probenmaterials vermillionenfacht werden. Dies geschieht durch
die sogenannte „Whole Genome Amplification“ (WGA), bei der die gesamte chromosomale DNA ungezielt
willkürlich massiv vermehrt wird. Je
nach DNA-Beschaffenheit können
dabei unterschiedlich große Regionen der Chromosomen unter- oder
überdurchschnittlich vermehrt werden. Im Ergebnis kann dies wie eine
biologische Unter- oder Überrepräsentation, also eine Aneuploidie
aussehen (13, 29). Dieses Problem
betrifft sowohl die aCGH als auch
NGS und ist umso größer, je geringer
die Ausgangsmenge ist. Bei Blastomeren und Polkörpern ist dies besonders kritisch, da nur eine einzige
Zelle für die DNA-Vermehrung zur
Verfügung steht (30).
Außerdem sind beide Verfahren indirekt: Bei aCGH wird die Menge an
vermillionenfachter DNA pro Chromosom im Vergleich zu einer Referenz
abgeschätzt. Das erfordert komplexe
Algorithmen und Normalisierungsschritte; direkte Informationen über
das Ausgangsmaterial sind nicht
mehr zu erhalten.
FORTBILDUNG + KONGRESS
PK1
Bei NGS werden statt eines Mengenvergleichs zu einer Referenz-DNA
willkürlich viele chromosomale Abschnitte des ebenfalls durch WGA
vervielfältigten Ausgangsmaterials
sequenziert und die relative Anzahl
der Sequenzen pro Chromosom im
Verhältnis zu allen Chromosomen bestimmt. Auch hier ist nur durch mehrere komplexe Algorithmen eine Ergebnisinterpretation durchführbar,
direkte Aussagen über die Qualität
des Ausgangsmaterials sind nicht
möglich. Entsprechend werden Materialprobleme wie degradierte DNA
oder Kontaminationen mit anderen
Zellen nicht notwendig erkannt.
Hinzu kommt, dass die erhebliche
Sensitivitätssteigerung bei NGS ge-
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Nr. 6
571
FORTBILDUNG + KONGRESS
genüber aCGH (27, 28, 30) zu einer
deutlichen Zunahme der Diagnose
„Mosaikembryo“ geführt hat; ob dies
in allen Fällen der Biologie entspricht oder zu einem signifikanten
Teil der angewandten Methode geschuldet ist, kann bislang nicht
durch publizierte Daten beurteilt
werden – die erheblichen biologischen Konsequenzen werden weiter
unten diskutiert.
Die neue Methode – MCC
Als Alternative haben wir für Einzelzellen, also Polkörper (und theoretisch auch Blastomeren) ein robustes, direktes Analyseverfahren eta­
bliert: Molecular Copy number Counting mit digitaler PCR (MCC). Untersucht werden klar definierte Produkte, die aus den beiden meiotischen
Teilungen einer Ursprungszelle, der
Eizelle, hervorgegangen sind.
MCC basiert auf dem einfachen Prinzip
der Endpunktverdünnung (31), wodurch ohne Whole Genome Amplification und ohne Algorithmen die Anzahl
der Chromatiden pro Chromosom einfach abgezählt werden kann. Ausgangsmaterial sind erster und zweiter
Polkörper mit zwei Kopien bzw. einer
Kopie von jedem Chromosom. Durch
die Endpunktverdünnung werden die
Kopien der Chromosomen in kleinen
Reaktionsgefäßen vereinzelt und dann
die Anzahl der Reaktionsgefäße abgezählt, die eine Kopie der Chromosomen enthalten, die Daten werden also
direkt und digital als Rohdaten erhoben – die Vorgehensweise ist in Abbildung 2 schematisch dargestellt.
Mit MCC gibt es auf dem Markt jetzt
vier Methoden für die PKD bzw. PGS.
Die Eignung für die unterschiedlichen
Ausgangsmaterialien ist in Tabelle 1
zusammengefasst.
„„
Polkörperdiagnostik mit MCC –
Ergebnisse
Wir haben inzwischen 375 ICSI-Zy­
klen von 275 Patientinnen mit MCC
untersucht. Die größte Nachfrage besteht in der Altersgruppe mit den
572
Methode – Endpunktverdünnunng und PCR
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Abb. 2: Schematische Darstellung von MCC durch Endpunktverdünnung und chromosomen­
spezifische DNA-Vervielfältigung mittels Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR). Das hier dargestellte Beispiel bezieht sich auf einen ersten Polkörper. Die DNA von PK1 (oder PK2) wird
durch Zelllyse präpariert/zugänglich gemacht und auf acht Reaktionsgefäße verteilt. Damit
enthalten zwei Gefäße je eine Kopie eines Chromosoms – hier dargestellt als „Chromosom
Rot“, „Grau“ und „Blau“; sechs Gefäße bleiben für das jeweilige Chromosom leer, enthalten
keine Kopie. Auch bei MCC muss die DNA vervielfältigt werden, das geschieht chromosomenspezifisch durch einfache PCR. In der ersten Runde wird die DNA mit chromosomenspezifischen Sonden vorangereichert (Multiplex-PCR). In der zweiten Runde werden die Sonden einzeln analysiert. Man erhält nur in denjenigen Reaktionsgefäßen ein PCR-Produkt, in die bei
der Endpunktverdünnung eine Kopie des Chromosoms gelangt ist. Durch simples Abzählen der
PCR-Produkte ermittelt man die Anzahl der Kopien = Chromatiden der Chromosomen.
meisten zu erwartenden Aneuploi­dien
bzw. niedrigsten Schwangerschafts­
raten, nämlich 38 Jahre und älter mit
62 % aller Zyklen. Die Ergebnisse sind
in drei Altersgruppen unterteilt, die
sich reproduktionsbiologisch unterschiedlich verhalten: die jüngste
Gruppe (34 Jahre und jünger) mit zu
erwartender guter Schwangerschaftsrate, die mittlere Gruppe (35 bis 37
Jahre) mit bereits deutlich abfallender Fruchtbarkeit und die älteste
Gruppe (38 Jahre und älter) mit dem
geringsten Behandlungserfolg. Kor­
Untersuchungsmaterial und Methoden für das Auffinden
von Aneuploidien vor der Implantation – PKD und PGS
Material
Herkunft
Methoden
Polkörper
2 Einzelzellen
Eizelle
FISH
+
Blastomeren
TE
1 Einzelzelle
Zellverband1
Tag-3-Embryo
Tag-5-Embryo
+
–
aCGH
+
NGS
n. d.2
MCC
+++
+
+++
n. d.2
++?3
+++
–
e twa 5–15 Zellen aus dem Trophektoderm, nicht der inneren Zellmasse, die den Embryo bildet
nicht durchgeführt
3 bislang nicht hinreichend evaluiert
1
2
Tab. 1: Einzelzellanalyse wird an Polkörpern und Blastomeren von Tag 3-Embryonen durchgeführt. FISH und MCC sind ausschließlich dafür ausgelegt, FISH kann allerdings nur eine Auswahl von Chromosomen untersuchen und hat eine Fehlerrate von bis zu 25 %. MCC analysiert
alle Chromosomen und die bislang ermittelte Fehlerrate liegt unter 5 %. Array CGH ist wegen
des extrem geringen Ausgangsmaterials für die Einzelzellanalyse nicht gut geeignet und für
NGS gibt es keine publizierten Daten. Für die Trophektoderm­analyse sind beide Verfahren geeignet, allerdings kommt es besonders bei NGS wegen der hohen Sensitivität bei noch unklarer Spezifität sehr häufig zu Diagnosen, die schwer zu interpretieren sind und zum Verwerfen
möglicherweise guter Embryonen führen.
schnittliche Zahl der eu­ploiden Eizellen immer unter 1 (s. Abb. 3B).
Entsprechend häufig führt die PKD in
den älteren Gruppen auch zu Zyklen
ohne Embryotransfer (s. Abb. 4 auf
S. 574).
Anzahl euploider Eizellen in den drei Altersgruppen
1.400
Betrachtet man die Schwangerschaftsraten in allen Altersgruppen
für Zyklen, in denen ein Embryotransfer stattgefunden hat, so nähern
sich diese zwischen den Altersgruppen an und liegen für alle über 30 %
(s. Abb. 6 auf S. 575), d. h. das Auffinden der seltenen, euploiden Eizellen kann auch in einem Alter deutlich über 40 Jahre noch zu einer
Schwangerschaft führen.
analysierte Eizellen
aneuploid
euploid
1.200
Anzahl Eizellen
1.000
800
600
400
45%
200
0
Diskussion
18%
37%
34 Jahre und jünger
35–37 Jahre
38 Jahre und älter
3,6
2,9
1,1
euploid/
Zyklus
Abb. 3A: In der jüngsten Gruppe (34 Jahre und jünger) sind durchschnittlich 45 % der untersuchten Eizellen euploid und es stehen für den Transfer 3,6 geeignete Embryonen zur Verfügung; die mittlere Gruppe hat noch 37 % euploide Eizellen und entsprechend gute Aussichten
für einen Embryotransfer; bei der ältesten Gruppe steht mit 18 % euploiden Eizellen im
Schnitt nur noch ein Embryo für den Transfer zur Verfügung.
Altersabhängige Abnahme euploider Eizellen
5
Euploide Eizellen (MW)
4
3
2
Alter
(Anzahl
Zyklen)
6)
0)
(1
9
45
–4
8)
(2
44
7)
(3
43
2)
(2
(2
42
0)
41
1)
(4
40
5)
(4
39
6)
(2
38
0)
(2
37
1)
(2
(3
36
1)
35
3)
(2
34
(1
33
1)
(1
(2
1
32
–3
26
0)
1
0
Interessanterweise führt das Ergebnis
der PKD gerade bei diesen Patien­
tinnen zu wiederholten ICSI-Zyklen:
Fast die Hälfte der 375 Zyklen waren
Mehrfachzyklen, nämlich 177 Zyklen
bei 77 Patientinnen (44 %), mit guter Erfolgsquote in Zyklus 2 und 3
(s. Tab. 2 und Abb. 5 auf S. 574).
Abb. 3B: Während bis zu einem Alter von etwa 41 Jahren im Schnitt mindestens eine euploide Eizelle pro Zyklus diagnostiziert werden kann, ist ab 42 Jahren nicht mehr in jedem Zyklus
eine euploide Eizelle vorhanden. Die Anzahl der MCC-Zyklen pro Geburtsjahr ist in Klammern
hinter dem Alter angegeben.
In vielen Ländern wird die Suche nach
chromosomalen Fehlverteilungen am
Embryo vorgenommen, entweder an
einzelnen Blastomeren (sehr frühen
embryonalen Einzelzellen) oder an
Trophektoderm (einem Zellverband,
der später die Plazenta bildet und
nicht Bestandteil des Embryos ist).
FORTBILDUNG + KONGRESS
res­pondierend ist die Anzahl euploider Eizellen: Während junge Patientinnen in jedem Zyklus im Schnitt 3,6
eu­ploide Eizellen haben, sind es bei
über 37-jährigen nur noch 1,1 Eu­
ploide/Zyklus (s. Abb. 3A) und bei
über 41-jährigen liegt die durch-
In Deutschland ist die Polkörperanalyse und damit die Analyse der Eizelle das Verfahren der Wahl. Der Vorteil
der PKD gegenüber der Diagnose am
Embryo ist das Ausgangsmaterial –
zwei Polkörper, die nacheinander von
ein und derselben Eizelle abgetrennt
werden und nicht aus einem Zellgemisch stammen, das genetisch uneinheitlich sein kann.
Ein Problem war immer, dass es keine
akkurate Methode für Einzelzellanalyse gab. Durch die Etablierung von
MCC steht jetzt ein robustes und einfaches Verfahren zur Verfügung, das
mit hoher Präzision im Hochdurchsatz die Kopien aller Chromosomen
in beiden Polkörpern digital bestimmt und damit den Ploidiestatus
der Eizelle eindeutig definiert.
Die PKD erweist sich gerade bei älteren Patientinnen als besonders
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573
250
Zyklen
kein Transfer
200
Anzahl Zyklen
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sinnvoll. In dieser Altersgruppe ist
die Schwangerschaftsrate ohne PKD
10 % und kleiner. Wenn PKD mit MCC
durchgeführt wird, können wir
selbst bei deutlich über 40-Jährigen
Schwangerschaftsraten von über
25 % erzielen.
375 MCC-Zyklen von 275 Frauen – Alter und Transfers
150
100
81
50
5
0
34 Jahre und jünger
35–37 Jahre
38 Jahre und älter
Abb. 4: Anzahl von ICSI-Zyklen und Transfers in drei Altersgruppen. Entsprechend der Nachfrage sind in der jüngsten Gruppe nur 63 der 375 Zyklen; in allen Zyklen gab es euploide Eizellen und entsprechend wurde in allen Zyklen ein Transfer durchgeführt. Die mittlere Gruppe
hatte 78 Zyklen, hier waren fünf Zyklen ohne euploide Eizellen und ohne Transfer. Der Löwenanteil entfällt auf die älteste Gruppe: 234 Zyklen, 81 davon (35 %) ohne Transfer wegen
ausschließlich aneuploider Eizellen.
Altersverteilung bei wiederholten ICSI-Zyklen
≤ 34 Jahre
(1981–1989)
35–37 Jahre
(1978–1980)
≥ 38 Jahre
(1966–1977)
∑
Frauen
14
12
51
77
Zyklen
30 (17 %)
27 (15 %)
120 (68 %)
177 (100 %)
Altersgruppe
(Geburtsjahr)
Tab. 2
Schwangerschaftsrate nach einem oder mehreren Zyklen
mit MCC
Schwangerschaftsrate
50 %
Zyklus 1 mit MCC
Zyklus 2+3 mit MCC
40
30
20
10
0
10
0
26–30 Jahre
49
6
31–35 Jahre
64
20
39
14
Anzahl
Zyklen
36–39 Jahre 40 Jahre und älter
Abb. 5: Schwangerschaftsraten nach einem oder mehreren ICSI-Zyklen mit PKD durch MCC.
Zyklus 2 und Zyklus 3 wurden zusammengefasst, da die Zahlen zum jetzigen Zeitpunkt noch
sehr niedrig sind.
574
FRAUENARZT
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Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Effekt ist die Transparenz, die
eine robuste Polkörperdiagnostik
schafft: Die biologische Qualität eines Zyklus kann genau beurteilt und
dem Kinderwunschpaar kommuniziert
werden – Vorhandensein oder Nichtvorhandensein euploider Eizellen mit
der Konsequenz Transfer oder kein
Transfer.
Wenn wegen ausschließlich aneuploider Eizellen kein Transfer möglich
ist, dann besteht immer die Option,
in einem Nachfolgezyklus euploide
Eizellen zu identifizieren und nach
erfolgreichem Transfer zu einer
Schwangerschaft zu kommen. Entsprechend sind fast 50 % unserer
ICSI-Zyklen mit MCC Wiederholungszyklen mit Schwangerschaftsraten
von über 30 % auch in der höchsten
Altersgruppe. Und da keine frustranen Transfers durchgeführt werden,
ist das Intervall bis zum nächsten
Zyklus in der Regel kurz, es wird also
keine kostbare Zeit verschenkt.
Nachteile der PKD sind zum einen,
dass pro sich entwickelndem Embryo
immer zwei Analysen anfallen – PK1
und PK2. Durch die Entwicklung von
MCC als schnellem Hochdurchsatzverfahren haben wir aber auch diesem
Sachverhalt Rechnung getragen. Der
andere Nachteil, dass der paternale
Anteil nicht diagnostiziert wird,
schlägt nur mit etwa 10 % zu Buche,
da 90 % aller Chromosomenfehlverteilungen von der Eizelle kommen
und durch die PKD erfasst werden
(13).
Das Präimplantationsscreening – PGS
– am sehr frühen Embryo ist aus unserer Sicht neben den bereits geschilderten technischen auch mit großen
biologischen Problemen behaftet.
80 %
Embryotransferrate
Schwangerschaftsrate
70
60
50
40
30
20
10
0
34 Jahre und jünger
35–37 Jahre
38 Jahre und älter
Abb. 6: Embryotransfer- und Schwangerschaftsrate nach ICSI-Zyklen mit PKD und MCC. In den
beiden jüngeren Gruppen wurde in 70 % der Zyklen ein oder mehrere Embryonen transferiert
(die restlichen etwa 30 % waren Einfrierzyklen); in der ältesten Gruppe lag die Transferrate
nur knapp über 50 % wegen der hohen Aneuploidierate (s. auch Abb. 4).
Das größte biologische Problem ist
bedingt durch das häufige Auftreten
von postzygotischen mitotischen
Fehlverteilungen: In den frühen embryonalen Zellen passieren häufig
Fehler bei der Zellteilung, sodass die
frühen Embryonen aus Zellen mit unterschiedlicher genetischer Ausstattung (genomische Mosaike) bestehen
(32–34). Im Laufe der Entwicklung
können sich diese Mosaike zurückbilden (35), allerdings ist es zurzeit
noch völlig unklar, wie und in welchem Umfang die Mosaike korrigiert
werden. Das bedeutet natürlich für
das Präimplantationsscreening, dass
es ein Material untersucht, dessen
Relevanz unklar ist (36, 37): Bei der
Tag-3-Biopsie von einer oder mehreren Blastomeren repräsentiert das
PGS-Ergebnis nicht notwendig den
Ploidiestatus der anderen, sich weiter
entwickelnden Blastomeren des Embryos. Bei der TE-Biopsie am Tag 5
wird nicht der Embryo (innere Zellmasse), sondern das Trophektoderm
biopsiert.
Damit ist die PGS-Diagnose gleich mit
zwei großen Unsicherheiten behaftet:
Wird der Embryo durch die TE-Zellen
wirklich repräsentiert? Und: Ist bei
Vorliegen eines Mosaikem­bryos der
Chromosomengehalt der biopsierten
Zellen repräsentativ für den Chromosomengehalt des Gesamtembryos?
Man kann somit nicht sicher sein, ob
man ein für den Embryo relevantes
Biopsat untersucht und damit eine
sichere Diagnose gestellt hat. Konsequenzen können sein, dass man einen
vermeintlich euploiden Embryo transferiert, der aber eine Aneuploidie in
der inneren Zellmasse hat oder einen
vermeintlich aneuploiden Embryo verwirft, dessen innere Zellmasse aber
euploid ist.
Gerade durch die hohe Sensitivität
von aCGH und NGS kommen sehr viele Diagnosen „Mosaikembryo“ zustande. Nachdem man diese Embryonen
lange Zeit verworfen hat, entschließt
man sich neuerdings in einigen Zentren zum Transfer (38, 39) und es
sind bereits elf Kinder nach 61 Transfers geboren worden. Wie Mosaikembryonen in diesen Zentren als transferierbar ausgewählt werden, ist
bislang nicht bekannt und es konnten noch keine sicheren Kriterien für
eine Auswahl definiert werden (39).
In Deutschland sind wir mit der PKD
in einer komfortablen, weil eindeutigen Situation: Die PKD kann immer
eine sichere Aussage über den Ploidiestatus des Major Players „befruchtete Eizelle“ machen (13, 36). Major
Player deshalb, weil 90 % aller Aneuploidien durch Meiosefehler der Eizelle bedingt sind und weil diese
Meiosefehler sich in allen Zellen des
Embryos wiederfinden und somit für
alle Kompartimente des Embryos relevant sind. Das heißt, dass die Diagnose „euploide Eizelle“ einen sicheren Transfer erlaubt und die Diagnose „aneuploide Eizelle“ einen Transfer
verbietet. MCC stellt sicher, dass
diese Diagnosen schnell und präzise
gestellt werden können. Und Schwangerschaftsraten um 30 % auch bei
über 40-jährigen Frauen zeigen, dass
PKD mit MCC den Kinderwunsch auch
bei älteren Paaren erfüllen kann. Es
ist daher zu überlegen, ob MCC im
Rahmen einer IVF/ICSI-Therapie
nicht allen Frauen angeboten werden
sollte, die das 35. Lebensjahr vollendet haben.
Literatur
Bei den Autoren oder in der OnlineVersion des Beitrags unter www.
frauenarzt.de
FORTBILDUNG + KONGRESS
Embyotransfer- und Schwangerschaftsrate
Embryotransferrate und Schwangerschaftsrate
von MCC-Zyklen mit ET
Für die Autoren
Dr. med.
Martin Schorsch
MVZ Kinderwunschzentrum
­Wiesbaden GmbH
Mainzer Straße 98–102
65189 Wiesbaden
[email protected]
FRAUENARZT
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575
FORTBILDUNG + KONGRESS
2
Literatur
zum Beitrag „Auf der Suche nach der
euploiden Eizelle – Aneuploidiescreening durch robuste Polkörperdiagnostik mit Molecular Copy number Counting (MCC)“
1. DIR Jahrbuch 2014, J Reproduktionsmed
Endokrinol 2015; 12.
2. Bundesgesundheitsblatt 2013; 56: 16331641.
3. Munne S, COGEN Paris 2015, http://www.
comtecmed.com/cogen/2015/webcasts.
aspx
4. Hassold T, Chen N, Funkhouser J, Jooss
T, Manuel B, Matsuura J, Matsuyama A,
Wilson C, Yamane JA, Jacobs PA. A cytogenetic study of 1000 spontaneous abortions. Ann Hum Genet. 1980; 44(Pt 2):
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5. Eiben B, Borgmann S, Schübbe I, Hansmann I. A cytogenetic study directly
from chorionic villi of 140 spontaneous
abortions. Hum Genet. 1987; 77(2): 13741.
6. Macklon NS, Geraedts JP, Fauser BC. Conception to ongoing pregnancy: the ‚black
box‘ of early pregnancy loss. Hum Reprod
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