Auf der Suche nach der euploiden Eizelle

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AufderSuchenachdereuploidenEizelle:
AneuploidiescreeningdurchrobustePolkörperdiagnostikmit
MolecularCopynumberCounting(MCC)
MartinSchorsch1,2,ThomasHahn1,2,HeikoTurley1,ElisabethMüller2,MelanieSchranz2,
DagmarSeifert2,CorneliaVogt2,PaulH.Dear3,AngelikaDaser2
Zusammenfassung
ChromosomaleFehlverteilungenindenEizellensindeinwesentlicherGrundfürdieniedrige
Erfolgsrate von IVF und ICSI in der Reproduktionsmedizin. Verschiedene Techniken zur
AnalysedesPloidiestatusvonEizelleoderEmbryowerdenhiervorgestelltunddiskutiert.Die
von uns entwickelte Methode des Molecular Copy Countings durch digitale PCR (MCC)
erweist sich als besonders geeignet für die Polkörperdiagnostik und ist im
KinderwunschzentrumWiesbadenerfolgreicherBestandteilderICSI-Behandlung.Vorallem
ältereKinderwunschpaareprofitierenimmensvonderPKD:(i)diewenigeeuploidenEizellen
könnenidentifiziertwerden;(ii)esbestehtkeinRisikoEizellenmitTrisomie13,18oder21zu
transferierenund(iii)einsinnloserTransferwegenausschließlichaneuploiderEizellenkann
vermieden werden. Die geringere Belastung durch vergebliche ICSI-Zyklen führt zu einem
deutlichenAnstiegvonWiederholungszyklenundgesteigertenSchwangerschaftsraten.
Einleitung
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 49.212 extrakorporale Befruchtungen (IVF, ICSI)
durchgeführt. Es traten 13.724 Schwangerschaften ein, das entspricht einer
Schwangerschaftsrate von 28% (1). Die Wahrscheinlichkeit, im ersten Zyklus ohne
medizinische Unterstützung eine Schwangerschaft zu erlangen, liegt bei einer 25-jährigen
Fraubei23%undbeieiner35-jährigenFraubei16%(2).
Das„DeutscheIVF-Register“(DIR)(1)weistaktuellSchwangerschaftsratenvonüber40%pro
Embryotransfer bei 25-jährigen, aber weniger als 25% bei 40-jährigen aus. Internationale
Zahlen aus den USA von 18.000 ICSI-Zyklen zeigen ein noch drastischeres Bild:
Schwangerschaftsratenvonunter10%beiFrauenüber39Jahrenundunter5%beiFrauen
über42Jahren(3).
Das Alter der Patientin spielt also sowohl bei spontaner als auch bei der extrakorporalen
BefruchtungeineentscheidendeRolle.UntersuchungenanAbortmaterialzeigten,dassmit
zunehmendem Alter der Frau chromosomale Fehlverteilungen (Aneuploidien) als Ursache
von Fehlgeburten deutlich zunehmen (4-6). Zurückzuführen sind diese chromosomalen
Fehlverteilungen auf Alterungsprozesse der Eizelle (7-10). Sie führen zu einer gestörten
1
Embryonalentwicklung und somit zu fehlender Implantation, Frühabort oder der Geburt
einesKindesmiteinerBehinderung.
Gerade die Gruppe mit den geringsten Erfolgsaussichten stellt mittlerweile den größten
Anteil an reproduktionsmedizinischen Behandlungen: war 1996 nur jede dritte behandelte
Frau älter als 35 Jahre, so waren es 2014 mehr als die Hälfte der behandelten Frauen (1).
Entsprechend muss die Reproduktionsmedizin immer wieder nach neuen Lösungsansätzen
suchen,umdieErfolgsratenderaufwendigenundbelastendenBehandlungenzuverbessern.
Ein Hauptverantwortlicher für die Erfolgsrate ist die Eizelle – die Aneuploidierate steigt ab
dem 35. Lebensjahr der Frau exponentiell an (7-9, 11). Entsprechend werden seit vielen
Jahren Methoden entwickelt und angewandt, die die Identifikation euploider Eizellen oder
intakterEmbryonenermöglichen(12).
WährendindenmeistenLänderndieUntersuchungdesEmbryosdurchBlastomerenbiopsie
am Tag 3 oder Trophektodermbiopsie (TE) am Tag 5 gestattet ist, ist nach dem deutschen
Embryonenschutzgesetz (ESchG) die Untersuchung des Embryos nur für wenige genetische
Erkrankungen durch Präimplantationsdiagnostik (PID) nach Genehmigung durch eine
Ethikkommissionmöglich.
Die Untersuchung der Eizelle hingegen ist regulatorisch nicht eingeschränkt und wird
deshalbinDeutschlandseitvielenJahreninFormderPolkörperdiagnostik(PKD)favorisiert.
AufderSuchenachdereuploidenEizelle-PKD
BeiderPolkörperdiagnostikwirdderChromosomengehaltderbefruchtetenEizelleüberprüft
und zwar indirekt durch Analyse der beiden Polkörper, die als „Abfallprodukte“ bei der
Eizellreifungund–befruchtungentstehen.WährendderReifungdurchläuftdieEizellezwei
Reduktionteilungen (Meiosen). Ursprünglich ist jedes Chromosom durch 4 Kopien
(Chromatiden) repräsentiert; bei 23 Chromosomen summiert sich das zu 92 Chromatiden.
Am Ende des Befruchtungsvorgangs soll nur noch 1 Kopie für jedes Chromosom aus der
Eizellestammen,d.h.dieEizellemussdieAnzahlderChromatidenvon92auf23reduzieren.
Umdieszuerreichen,werdenindenbeidenMeiosendie„überschüssigen“Chromatidenin
Polkörper1und2ausgeschleust(Abbildung1).DurchAnalysederPolkörperkannmanauf
die Anzahl der verbliebenen Chromatiden in der Eizelle schließen – die Polkörper spiegeln
den Chromosomengehalt der Eizelle wider, die Eizelle kann also nicht-invasiv auf einen
korrekten (Euploidie) bzw. fehlerhaften Chromosomensatz (Aneuploidie) untersucht
werden.
Altersbedingt kommt es während der beiden Reduktionsteilungen sehr häufig
(altersabhängig zwischen 40% und 90%) zu Störungen bei der Verteilung der Chromatiden
(Trisomie,Monosomie).DieseFehlverteilungenwerdenanalleZellendessichentwickelnden
EmbryosweitergegebenundführenzuImplantationsversagen,FehlgeburtoderMissbildung.
2
Abbildung1:BefruchteteEizellemiterstem(PK1)undzweitemPolkörper(PK2).Währendderersten
Reduktionsteilung(MeioseI)werden46ChromatidenüberdenerstenPolkörperindenperivitellinenRaum
ausgeschleust.NachFertilisationdurchdasSpermiumwerdenweitere23Chromatidenüberdenzweiten
PolkörperausderEizelleausgeschleust.
AufderSuchenachdemeuploidenEmbryo-PGS
Alternativ zur PKD wird das Präimplantationsscreening (PGS) am sehr frühen Embryo
durchgeführt. Da Untersuchungen an Embryonen in sehr vielen Ländern gesetzlich nicht
eingeschränkt sind, ist PGS an Tag 3-Blastomeren oder Trophektoderm von Tag 5Blastozysten die bei weitem häufigste Analytik des Aneuploidiescreenings. Argumente für
die PGS sind die Erfassung des väterlichen Anteils an Chromosomenfehlverteilungen (ca.
10%)(13)unddiegezielteAuswahlsichgutentwickelnderEmbryonen(14).
AktuelleVerfahrenfürPGS
DieheuteweltweitamhäufigsteneingesetztenTechnologienfürPGSsind:
• FluoreszenzinsituHybridisierung(FISH)
• ArrayComparativeGenomicHybridrisation(aCGH)
• NextGenerationSequencing(NGS)
IndenUSAwerdendieseVerfahrenmitfolgenderHäufigkeitangewandt:FISHimmernochin
hundertenvonLaboren,aCGHin180Laboren,NGSin4Laboren(15).
Im Folgenden werden die Methoden vorgestellt und die technischen Herausforderungen
bzw.Problemegeschildert.
Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung(FISH):
Noch immer wird die FISH-Methode am häufigsten eingesetzt, nicht zuletzt weil sie mit
relativgeringemtechnischenAufwandetabliertunddurchgeführtwerdenkann.Vorteilhaft
ist, dass es eine direkte Nachweismethode ist, d.h. die einzelnen Chromatiden und
3
Chromosomen werden mikroskopisch beurteilt. Dazu werden sie durch
chromosomenspezifischeFluoreszenssondenmarkiertunddieAnzahlderFluoreszenssignale
ausgezählt (12, 16, 17). In der Regel werden nur fünf, in Einzelfällen bis zu zehn
Chromosomen markiert. Zu der eingeschränkten Zahl der beurteilbaren Chromosomen
kommt als weiterer gravierender Nachteil Materialverlust und Überlagerung mit
entsprechendhoherFehlerquote(biszu25%)hinzu.DieserSachverhaltspiegeltsichinden
Schwangerschaftsraten wider – diese können mit FISH-Diagnostik niedriger sein als ohne
(18-20).
Array Comparative Genomic Hybridrisation (aCGH) und Next Generation Sequencing
(NGS):
Entsprechend suchte man nach neuen Verfahren, bei denen alle Chromosomen möglichst
fehlerfrei beurteilt werden können (21, 22). Durchgesetzt hat sich Array Comparative
GenomicHybridrisation(aCGH)(11,13,14,23,24)undaufdenMarktdrängtneuerdingsdas
NachfolgeverfahrenNextGenerationSequencing(NGS)(25-28).BeibeidenTechnikenmuss
die Ausgangsmenge des Probenmaterials vermillionenfacht werden. Dies geschieht durch
die sogenannte „whole genome amplification“ (WGA), bei der die gesamte chromosomale
DNAungezieltwillkürlichmassivvermehrtwird.JenachDNA-Beschaffenheitkönnendabei
unterschiedlich große Regionen der Chromosomen unter- oder überdurchschnittlich
vermehrt werden. Im Ergebnis kann dies wie eine biologische Unter- oder
Überrepräsentation,alsoeineAneuploidieaussehen(13,29).DiesesProblembetrifftsowohl
die aCGH als auch NGS und ist umso größer, je geringer die Ausgangsmenge ist. Bei
Blastomeren und Polkörpern ist dies besonders kritisch, da nur eine einzige Zelle für die
DNA-VermehrungzurVerfügungsteht(30).
AusserdemsindbeideVerfahrenindirekt:BeiaCGHwirddieMengeanvermillionenfachter
DNA pro Chromosom im Vergleich zu einer Referenz abgeschätzt. Das erfordert komplexe
AlgorithmenundNormalisierungsschritte;direkteInformationenüberdasAusgangsmaterial
sindnichtmehrzuerhalten.
Bei NGS werden statt eines Mengenvergleichs zu einer Referenz-DNA willkürlich viele
chromosomale Abschnitte des ebenfalls durch WGA vervielfältigten Ausgangsmaterials
sequenziert und die relative Anzahl der Sequenzen pro Chromosom im Verhältnis zu allen
Chromosomen bestimmt. Auch hier ist nur durch mehrere komplexe Algorithmen eine
Ergebnisinterpretation möglich, direkte Aussagen über die Qualität des Ausgangsmaterials
sind nicht möglich. Entsprechend werden Materialprobleme wie degradierte DNA oder
KontaminationenmitanderenZellennichtnotwendigerkannt.
Hinzukommt,dassdieerheblicheSensitivitätssteigerungbeiNGSgegenüberaCGH(27,28,
30)zueinerdeutlichenZunahmederDiagnose„Mosaikembryo“geführthat;obdiesinallen
Fällen der Biologie entspricht oder zu einem signifikanten Teil der angewandten Methode
geschuldetist,kannbislangnichtdurchpublizierteDatenbeurteiltwerden–dieerheblichen
biologischenKonsequenzenwerdenweiteruntendiskutiert.
4
DieneueMethode-MCC
AlsAlternativehabenwirfürEinzelzellen,alsoPolkörper(undtheoretischauchBlastomeren)
ein robustes, direktes Analyseverfahren etabliert: Molecular Copy number Counting mit
digitaler PCR (MCC). Untersucht werden klar definierte Produkte, die aus den beiden
meiotischenTeilungeneinerUrsprungszelle,derEizelle,hervorgegangensind.
MCCbasiertaufdemeinfachenPrinzipderEndpunktverdünnung(31),wodurchohnewhole
genome amplification und ohne Algorithmen die Anzahl der Chromatiden pro Chromosom
einfach abgezählt werden kann. Ausgangsmaterial sind erster und zweiter Polkörper mit 2
Kopien bzw. 1 Kopie von jedem Chromosom. Durch die Endpunktverdünnung werden die
Kopien der Chromosomen in kleinen Reaktionsgefäßen vereinzelt und dann die Anzahl der
Reaktionsgefäßeabgezählt,dieeineKopiederChromosomenenthalten,dieDatenwerden
also direkt und digital als Rohdaten erhoben - die Vorgehensweise ist in Abbildung 2
Methode'–'Endpunktverdünnung'und'PCR
schematischdargestellt.
Polkörper#lysieren#
#
#
#
Chroma+den#verteilen#
DNA#Vervielfäl+gung:#
PCR 1
PCR 2
PCR 3
PCR 4
PCR 5
PCR 6
PCR 7
PCR 8
Σ + PCR
PCR 1
PCR 2
PCR 3
PCR 4
PCR 5
PCR 6
PCR 7
PCR 8
Σ + PCR
Chrom. ROT
2
Chrom. GRAU
2
PCR 1
PCR 2
PCR 3
PCR 4
PCR 5
PCR 6
PCR 7
PCR 8
Σ + PCR
Chrom. BLAU
1.#Runde#
Mul+plex.PCR#
#
#
#
2.#Runde#
Einzel.PCR#
!
2
Digitale#Ergebniserfassung:######PCR#Produkte#zählen#
Zahl#der#PCR#Produkte###=##Produkte#der#Chroma+den#####
Abbildung2:SchematischeDarstellung vonMCCdurchEndpunktverdünnungundchromosomenspezifische
Research!
DNA-Vervielfältigung mittels PCR. Das hier dargestellte Beispiel bezieht sich auf einen ersten Polkörper. Die
DNA von PK1 (oder PK2) wird durch Zelllyse präpariert/zugänglich gemacht und auf acht Reaktionsgefäße
verteilt.DamitenthaltenzweiGefäßejeeineKopieeinesChromosoms–hierdargestelltals„ChromosomRot“,
„Grau“ und „Blau“; sechs Gefäße bleiben für das jeweilige Chromosom leer, enthalten keine Kopie. Auch bei
MCC muss die DNA vervielfältigt werden, das geschieht chromosomenspezifisch durch einfache PCR
(Polymerase-Ketten-Reaktion). In der ersten Runde wird die DNA mit chromosomenspezifischen Sonden
vorangereichert(multiplexPCR).InderzweitenRundewerdendieSondeneinzelnanalysiert.Manerhältnurin
denjenigen Reaktionsgefäßen ein PCR-Produkt, in die bei der Endpunktverdünnung eine Kopie des
Chromosoms gelangt ist. Durch simples Abzählen der PCR Produkte ermittelt man die Anzahl der Kopien =
ChromatidenderChromosomen.
5
MitMCCgibtesaufdemMarktjetztvierMethodenfürdiePKDbzw.PGS.DieEignungfür
dieunterschiedlichenAusgangsmaterialienistinTabelle1zusammengefasst.
Tabelle1:UntersuchungsmaterialundMethodenfürdasAuffindenvonAneuploidienvorderImplantation–
PKDundPGS
Methoden
Material
Herkunft
FISH
aCGH
NGS
MCC
Polkörper
2Einzelzellen
Eizelle
+
+
n.d.**
+++
Blastomeren
1Einzelzelle
Tag3Embryo
+
+
n.d.**
+++
Zellverband* Tag5Embryo
-
+++
++?***
-
TE
*ca.5-15ZellenausdemTrophektoderm,nichtderinnerenZellmasse,diedenEmbryobildet
**nichtdurchgeführt
***bislangnichthinreichendevaluiert
Tabelle1:UntersuchungsmaterialundMethodenfürdasAuffindenvonAneuploidienvorderImplantation–
PKDundPGS.EinzelzellanalysewirdanPolkörpernundBlastomerenvonTag3-Embryonendurchgeführt.FISH
und MCC sind ausschließlich dafür ausgelegt, FISH kann allerdings nur eine Auswahl von Chromosomen
untersuchen und hat eine Fehlerrate von bis zu 25%. MCC analysiert alle Chromosomen und die bislang
ermittelte Fehlerrate liegt unter 5%. Array CGH ist wegen des extrem geringen Ausgangsmaterials für die
Einzelzellanalyse nicht gut geeignet und für NGS gibt es keine publizierten Daten. Für die
Trophektodermanalyse sind beide Verfahren geeignet, allerdings kommt es besonders bei NGS wegen der
hohenSensitivitätbeinochunklarerSpezifitätsehrhäufigzuDiagnosen,dieschwerzuinterpretierensindund
zumVerwerfenmöglicherweiseguterEmbryonenführt.
PolkörperdiagnostikmitMCC–Ergebnisse
Wirhabeninzwischen375ICSI-Zyklenvon275PatientinnenmitMCCuntersucht.Diegrößte
NachfragebestehtinderAltersgruppemitdenmeistenzuerwartendenAneuploidienbzw.
niedrigsten Schwangerschaftsraten, nämlich 38 Jahre und älter mit 62% aller Zyklen. Die
Ergebnisse sind in drei Altersgruppen unterteilt, die sich reproduktionsbiologisch
unterschiedlich verhalten: die jüngste Gruppe (34 Jahre und jünger) mit zu erwartender
guter Schwangerschaftsrate, die mittlere Gruppe (35 bis 37 Jahre) mit bereits deutlich
abfallender Fruchtbarkeit und die älteste Gruppe (38 Jahre und älter) mit dem geringsten
Behandlungserfolg. Korrespondierend ist die Anzahl euploider Eizellen (Abbildung 3A+B):
WährendjungePatientinneninjedemZyklusimSchnitt3,6euploideEizellenhaben,sindes
beiüber37-jährigennurnoch1,1Euploide/Zyklus(Abbildung3A)undbeiüber41-jährigen
liegtdiedurchschnittlicheZahldereuploidenEizellenimmerunter1(Abbildung3B).
6
AnzahldereuploidenEizelleninden3Altersgruppen
1400
AnzahlEizellen
1200
1000
800
#analysierteEizellen
#aneuploid
600
#euploid
400
45%
200
0
18%
37%
34Jahreundjünger
35-37Jahre
3,6
2,9
38Jahreundälter
1,1
euploid/Zyklus
Abbildung3A:AnzahleuploiderEizellenindreiAltersgruppen.InderjüngstenGruppe(34Jahreundjünger)
Research
sind durchschnittlich 45% der untersuchten Eizellen euploid und es stehen für den Transfer 3,6 geeignete
Embryonen zur Verfügung; die mittlere Gruppe hat noch 37% euploide Eizellen und entsprechend gute
AussichtenfüreinenEmbryotransfer;beiderältestenGruppestehtmit18%euploidenEizellenimSchnittnur
nocheinEmbryofürdenTransferzurVerfügung.
Abbildung3B:AltersbedingteAbnahmeeuploiderEizellen.WährendbiszueinemAltervonetwa41Jahrenim
SchnittmindestenseineeuploideEizelleproZyklusdiagnostiziertwerdenkann,istab42Jahrennichtmehrin
jedem Zyklus eine euploide Eizelle vorhanden. Die Anzahl der MCC Zyklen pro Geburtsjahr ist in Klammern
hinterderJahreszahlangegeben.
7
Entsprechend häufig führt die PKD in den älteren Gruppen auch zu Zyklen ohne
375MCCZyklenvon275pa;ents–AltersgruppenundTransfers
Embryotransfer(Abbildung4).
250
225
200
AnzahlZyklen
175
150
#Zyklen
125
keinTransfer
100
81
75
50
25
5
0
34Jahreundjünger
35-37Jahre
38Jahreundälter
Abbildung4:AnzahlvonICSI-ZyklenundTransfersindendreiAltersgruppen34Jahreundjünger,35bis37
Research
Jahre,38Jahreundälter.EntsprechendderNachfragesindinderjüngstenGruppenur63der375Zyklen;in
allen Zyklen gab es euploide Eizellen und entsprechend wurde in allen Zyklen ein Transfer durchgeführt. Die
mittlere Gruppe hatte 78 Zyklen, hier waren 5 Zyklen ohne euploide Eizellen und ohne Transfer. Den
Löwenanteil stellt die älteste Gruppe: 234 Zyklen, 81 davon (35%) ohne Transfer wegen ausschließlich
aneuploiderEizellen.
Interessanterweise führt das Ergebnis der PKD gerade bei diesen Patientinnen zu
wiederholtenICSI-Zyklen:fastdieHälfteder375ZyklenwarenMehrfachzyklen,nämlich177
Zyklen bei 77 Patientinnen (44%), mit guter Erfolgsquote in Zyklus 2 und 3 (Tabelle 2 und
Abbildung5).
Tabelle2:AltersverteilungbeiwiederholtenICSI-Zyklen
Altersgruppe
#Frauen
#Zyklen
≤34Jahre
1981-1989
14
30
17%
35-37Jahre
1978-1980
12
27
15%
≥38Jahre
1966-1977
51
120
68%
Σ
77
177
100%
8
Schwangerscha,sratenacheinemodermehrerenZyklenmitMCC
60%
Schwangerscha,srate
50%
40%
Zyklus1mitMCC
30%
Zyklus2+3mitMCC
20%
10%
0%
10
0
26-30Jahre
49
64 20
39 14
36-39Jahre
40Jahreundälter
6
31-35Jahre
#Zyklen
Abbildung5:SchwangerschaftsratennacheinemodermehrerenICSI-ZyklenmitPKDdurchMCC.Zyklus2
Research
undZyklus3wurdenzusammengefaßt,dadieZahlenzumjetzigenZeitpunktnochsehrniedrigsind.
Betrachtet man die Schwangerschaftsraten in allen Altersgruppen für Zyklen, in denen ein
Embryotransferstattgefundenhat,sonähernsichdiesezwischendenAltersgruppenanund
liegen für alle über 30% (Abbildung 6), d.h. das Auffinden der seltenen, euploiden Eizellen
kann auch in einem Alter deutlich über 40 Jahre noch zu einer Schwangerschaft führen
EmbryotransferrateundSchwangerscha5sratevonMCC-ZyklenmitET
(Abbildung6).
Embryotransfer-undSchwangerscha5srate
80%
70%
60%
50%
Embryotransfer-Rate
40%
Schwangerscha5srate
30%
20%
10%
0%
34Jahreundjünger
35-37Jahre
38Jahreundälter
Abbildung 6: Embryotransfer- und Schwangerschaftsrate nach ICSI-Zyklen mit PKD und MCC.
in den beiden
Research
jüngerenGruppenwurdein70%derZykleneinodermehrereEmbryonentransferiert(dierestlichenca.30%
waren Einfrierzyklen); in der ältesten Gruppe lag die Transferrate nur knapp über 50% wegen der hohen
Aneuploidierate(s.auchAbb.4).
9
Diskussion
In vielen Ländern wird die Suche nach chromosomalen Fehlverteilungen am Embryo
vorgenommen,entwederaneinzelnenBlastomeren(sehrfrühenembryonalenEinzelzellen)
oder an Trophektoderm (einem Zellverband, der später die Plazenta bildet und nicht
BestandteildesEmbryoist).
InDeutschlandistdiePolkörperanalyseunddamitdieAnalysederEizelledasVerfahrender
Wahl. Der Vorteil der PKD gegenüber der Diagnose am Embryo ist das Ausgangsmaterial –
zwei Polkörper, die nacheinander von ein und derselben Eizelle abgetrennt werden und
nichtauseinemZellgemischstammen,dasgenetischuneinheitlichseinkann.
EinProblemwarimmer,dasseskeineakkurateMethodefürEinzelzellanalysegab.Durchdie
EtablierungvonMCCstehtjetzteinrobustesundeinfachesVerfahrenzurVerfügung,dasmit
hoher Präzision im Hochdurchsatz die Kopien aller Chromosomen in beiden Polkörpern
digitalbestimmtunddamitdenPloidiestatusderEizelleeindeutigdefiniert.
Die PKD erweist sich gerade bei älteren Patientinnen (40 Jahre und älter) als besonders
sinnvoll. In dieser Altersgruppe ist die Schwangerschaftsrate ohne PKD 10% und kleiner.
Wenn PKD mit MCC durchgeführt wird, können wir selbst bei deutlich über 40-jährigen
Schwangerschaftsraten von über 25% erzielen. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender
Effekt ist die Transparenz, die eine robuste Polkörperdiagnostik schafft: die biologische
Qualität eines Zyklus kann genau beurteilt und dem Kinderwunschpaar kommuniziert
werden – Vorhandensein oder Nichtvorhandensein euploider Eizellen mit der Konsequenz
Transfer oder kein Transfer. Wenn wegen ausschließlich aneuploider Eizellen kein Transfer
möglich ist, dann besteht immer die Option in einem Nachfolgezyklus euploide Eizellen zu
identifizieren und nach erfolgreichem Transfer zu einer Schwangerschaft zu kommen.
Entsprechend sind fast 50% unserer ICSI-Zyklen mit MCC Wiederholungszyklen mit
Schwangerschaftsraten von über 30% auch in der höchsten Altersgruppe. Und da keine
frustranen Transfers durchgeführt werden, ist das Intervall bis zum nächsten Zyklus in der
Regelkurz,eswirdalsokeinekostbareZeitverschenkt.
Nachteile der PKD sind zum einen, dass pro sich entwickelndem Embryo immer zwei
Analysen anfallen – PK1 und PK2. Durch die Entwicklung von MCC als schnellem
Hochdurchsatzverfahren haben wir aber auch diesem Sachverhalt Rechnung getragen. Der
andere Nachteil, dass der paternale Anteil nicht diagnostiziert wird, schlägt nur mit etwa
10% zu Buche, da 90% aller Chromosomenfehlverteilungen von der Eizelle kommen und
durchdiePKDerfasstwerden(13).
Das Präimplantationsscreening - PGS - am sehr frühen Embryo ist aus unserer Sicht neben
denbereitsgeschildertentechnischenauchmitgroßenbiologischenProblemenbehaftet.
DasgrößtebiologischeProblemistbedingtdurchdashäufigeAuftretenvonpostzygotischen
mitotischenFehlverteilungen:indenfrühenembryonalenZellenpassierenhäufigFehlerbei
der Zellteilung, sodass die frühen Embryonen aus Zellen mit unterschiedlicher genetischer
Ausstattung(genomischeMosaike)bestehen(32-34).ImLaufederEntwicklungkönnensich
10
diese Mosaike zurückbilden (35), allerdings ist es zur Zeit noch völlig unklar, wie und in
welchem Umfang die Mosaike korrigiert werden. Das bedeutet natürlich für das
Präimplantationsscreening,dasseseinMaterialuntersucht,dessenRelevanzunklarist(36,
37): bei der Tag 3-Biopsie von einer oder mehreren Blastomeren repräsentiert das PGSErgebnis nicht notwendig den Ploidiestatus der anderen, sich weiter entwickelnden
Blastomeren des Embryos. Bei der TE-Biopsie am Tag 5 wird nicht der Embryo (innere
Zellmasse), sondern das Trophektoderm biopsiert. Damit ist die PGS-Diagnose gleich mit
zwei großen Unsicherheiten behaftet: wird der Embryo durch die TE Zellen wirklich
repräsentiert; und ist bei Vorliegen eines Mosaikembryos der Chromosomengehalt der
biopsierten Zellen repräsentativ für den Chromosomengehalt des Gesamtembryos. Man
kannsomitnichtsichersein,obmaneinfürdenEmbryorelevantesBiopsatuntersuchthat
und damit eine sichere Diagnose gestellt hat. Konsequenzen können sein, dass man einen
vermeintlich euploiden Embryo transferiert, der aber eine Aneuploidie in der inneren
Zellmasse hat oder einen vermeintlich aneuploiden Embryo verwirft, dessen innere
Zellmasseabereuploidist.
Gerade durch die hohe Sensitivität von aCGH und NGS kommen sehr viele Diagnosen
„Mosaikembryo“ zustande. Nachdem man diese Embryonen lange Zeit verworfen hat,
entschließtmansichneuerdingsineinigenZentrenzumTransfer(38,39)undessindbereits
11Kindernach61Transfersgeborenworden.WieMosaikembryonenindiesenZentrenals
transferierbar ausgewählt werden, ist bislang nicht bekannt und es konnten noch keine
sicherenKriterienfüreineAuswahldefiniertwerden(39).
In Deutschland sind wir mit der PKD in einer komfortablen, weil eindeutigen Situation: die
PKDkannimmereinesichereAussageüberdenPloidiestatusdesMajorPlayers„befruchtete
Eizelle“ machen (13, 36). Major Player deshalb, weil 90% aller Aneuploidien durch
Meiosefehler der Eizelle bedingt sind und weil diese Meiosefehler sich in allen Zellen des
Embryos wiederfinden und somit für alle Kompartimente des Embryos relevant sind. Das
heißt,dassdieDiagnose„euploideEizelle“einensicherenTransfererlaubtunddieDiagnose
„aneuploideEizelle“einenTransferverbietet.MCCstelltsicher,dassdieseDiagnosenschnell
und präzise gestellt werden können. Und Schwangerschaftsraten um 30% auch bei über
40jährigen Frauen zeigen, dass PKD mit MCC den Kinderwunsch auch bei älteren Paaren
erfüllenkann.
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