Lernmodul Wahlen Der Text bietet einen Überblick über das schweizerische Zweikammersystem (Nationalrat und Ständerat). Der Schwerpunkt liegt in der Darstellung der beiden hauptsächlichen Wahlsysteme (Proporz und Majorz). Das Ergebnis der National- und Ständeratswahlen von 2007 wird mit einem kurzen Kommentar versehen. Autor: Martin Fenner Foto: Alessandro Della Bella / Keystone Grundlagentext Einleitung Der Parteienkompass ist, wie der Name sagt, auf das Thema Parteien ausgerichtet. Es ist aber sinnvoll, sich mit diesem Thema im Zusammenhang mit Wahlen (in der Gemeinde, im Kanton oder im Bund) auseinanderzusetzen. Auch für die Arbeit der Parteien selbst ist der Blick auf die nächsten Wahlen wichtig, gemäss dem alten Spruch: «Wahltag ist Zahltag.» Deshalb stehen hier Wahlen und Parteien in einer engen Beziehung zueinander. Wir kennen das schon von der Schule: Für die Mitwirkung im Schülerrat, für die Organisation von grösseren Anlässen oder andere Gelegenheiten werden in den Klassen Leute gesucht, die bereit sind mitzumachen. Oft ist man froh, wenn sich überhaupt jemand für solche Aufgaben zur Verfügung stellt. In einem solchen Fall braucht man natürlich nicht zu wählen. Denn Wählen heisst Auswählen, und das ist erst möglich, wenn verschiedene Leute an einem Posten interessiert sind. In vielen Organisationen, zum Beispiel in Vereinen, ist es gesetzlich vorgeschrieben, einen Vorstand zu wählen, der die wichtigen Aufgaben der Gruppe an die Hand nimmt. Auch hier ist man oft froh, wenn sich überhaupt Leute bereit erklären, mitzuwirken. Schon anders sieht das Bild aus, wenn es um die Mit- wirkung in Arbeitsgruppen usw. im Berufsleben geht (sei es in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst). Da stehen sich oft verschiedene Leute gegenüber, die Interesse am Mitmachen zeigen und zum Teil bewusst gegeneinander auftreten. Die Gruppe, welche für die Wahl zuständig ist, muss dann die eingegangenen Kandidaturen unter die Lupe nehmen und eine Auswahl treffen. Im politischen Leben denkt man beim Thema Wahlen vor allem an die personelle Besetzung von Parlamenten und Regierungen. Parlamente werden von den Stimm- und Wahlberechtigten gewählt. Dasselbe gilt in der Schweiz auch für die Regierungen in den Kantonen und Gemeinden. Eine Ausnahme: Der Bundesrat wird durch das Parlament gewählt. In anderen Ländern ist die Wahl der Regierung durch das Parlament die Regel. Das schweizerische Parlament ist zweigeteilt in den Nationalrat und den Ständerat. Die kantonalen Parlamente heissen in der Regel Kantonsrat oder Grosser Rat. Auch die grösseren Gemeinden haben ein Parlament (Grosser Gemeinderat). In kleineren Gemeinden steht die Gemeindeversammlung aller Stimm- und Wahlberechtigten an der Stelle eines Gemeindeparlaments. Lernmodul Wahlen | Grundlagentext 2 Zwei Parlamentskammern – ein Parlament Die Schweiz hat zwei gleichberechtigte Parlamentskammern: Im Nationalrat sind alle Kantone nach der Bedeutung ihrer Bevölkerungszahl mit einer unterschiedlichen Anzahl Sitze (aber mindestens einem Sitz) vertreten. Im Ständerat haben alle Kantone – ohne Berücksichtigung der Bevölkerungszahl – je zwei Sitze. Ausnahmen davon bilden 6 Kantone, die sich im Laufe ihrer Geschichte einmal geteilt hatten (Obwalden und Nidwalden; Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden; Basel-Stadt und BaselLandschaft). Diese Kantone haben je einen Sitz. Die 200 Mitglieder des Nationalrats und die 46 Mitglieder des Ständerats treten jährlich viermal für je drei Wochen zusammen. Sie tagen je gesondert, behandeln aber die gleichen Geschäfte. Sie befassen sich hauptsächlich mit Verfassungsänderungen, verabschieden Bundesgesetze und bestimmen, wofür das Budget des Bundes verwendet wird. Alle Vorlagen müssen von beiden Parlamentskammern beraten werden, und Entscheidungen sind nur dann gültig, wenn ihnen sowohl der Natio­ nalrat als auch der Ständerat zustimmen. Falls die Entscheide von Nationalrat und Ständerat nicht übereinstimmen, geht das Geschäft zwischen den beiden Räten hin und her, bis eine Einigung erzielt wird. Falls das Hin und Her («politisches Pingpong») längere Zeit ohne gemeinsames Ergebnis endet, landet das Geschäft im Papierkorb. Die vielleicht etwas seltsam anmutende Form eines Parlaments mit zwei gleichberechtigten Teilparlamenten geht von der Grundidee aus, die grossen Kantone dürften nicht ein zu grosses Gewicht haben. Im Nationalrat besetzen die 5 grössten Kantone tatsächlich mehr als die Hälfte der Sitze, im Ständerat dagegen haben sie nur 10 der 46 Sitze. Die Schweiz hat dieses Modell eines Parlaments mit 2 Kammern nicht selbst erfunden, sondern 1848 von den USA übernommen. Nur selten treffen sich National- und Ständerat zu einer gemeinsamen Sitzung, zum Beispiel anlässlich der Bundesratswahlen. Diese Vereinigung der 200 Nationalratsund 46 Ständeratsmitglieder nennt man die Vereinigte Bundesversammlung. Am 23. Oktober 2011 finden – wie alle vier Jahre am zweitletzten Sonntag im Oktober – die nächsten Nationalratswahlen statt. Gleichzeitig werden in den meisten Kantonen auch die Mitglieder des Ständerats neu bestimmt, in einigen Kantonen zu einem anderen Zeitpunkt. Im Dezember nach den Nationalratswahlen wählen Nationalrat und Ständerat dann gemeinsam die Landesregierung, den Bundesrat. Nationalrat: Unterschiedliche Anzahl Mitglieder pro Kanton Die Anzahl Sitze, welche den 26 Kantonen zustehen, ist von der Wohnbevölkerung abhängig und variiert 2011 zwischen 1 und 34. Die Sitzzuteilung wird alle 10 Jahre aufgrund der Volkszählung neu berechnet. Dabei erhält jeder Kanton unabhängig von der Bevölkerungszahl mindestens einen Sitz. Für die Wahlen von 2011 gilt die folgende Sitzzuteilung: Zürich Bern Waadt Aargau St. Gallen Genf 34 26 18 15 12 11 Luzern Tessin Solothurn Basel-Land Wallis Freiburg 10 8 7 7 7 7 Thurgau Basel-Stadt Graubünden Neuenburg Schwyz Zug 6 5 5 5 4 3 Schaffhausen Jura Uri Obwalden Nidwalden Glarus 2 2 1 1 1 1 Appenzell AR 1 Appenzell IR 1 Total 200 Lernmodul Wahlen | Grundlagentext 3 Wer darf wählen? Wer kann gewählt werden? Aktives Wahlrecht (= das Recht, wählen zu dürfen) Wahlberechtigt sind die Schweizerbürgerinnen und Schweizerbürger, die mindestens 18 Jahre alt sind. Dazu zählen auch die Auslandschweizerinnen und -schweizer. Passives Wahlrecht (= das Recht, gewählt werden zu können) Alle aktiv Wahlberechtigten dürfen sich auch zur Wahl stellen. Es gelten also keine Einschränkungen (dass man zum Beispiel älter als 18 sein müsste, um wählbar zu sein). Für die Nationalrats- und Ständeratswahlen bildet jeder Kanton einen Wahlkreis. Man darf deshalb nur Personen die Stimme geben, die im eigenen Kanton kandidieren. Zwei merk-würdige Fremdwörter, zweierlei Wahlsysteme Bei Wahlen kommt entweder das Majorz- oder das Proporzsystem zur Anwendung Proporz Proporzwahl heisst Verhältniswahl (proportional = verhältnismässig). Bei der Proporzwahl stehen die Parteien im Mittelpunkt. Das Proporzwahlsystem geht von zwei Hauptüberlegungen aus: In erster Linie sind die politischen Parteien und ihre Programme für die Gestaltung der Politik entscheidend. Erst in zweiter Linie zählt auch die einzelne Persönlichkeit. Zweitens: Das Proporzwahlverfahren soll auch den kleineren Parteien Chancen zu Sitzgewinnen geben. Deshalb wird eine doppelte Gewichtung vorgenommen: Man bestimmt mit der Wahl gleichzeitig den Stimmenanteil der Parteien (= Listenstimmen oder Parteistimmen) und den der kandidierenden Personen (= Kandidatenstimmen). Die Sitze werden dann zunächst den Parteien im Verhältnis zu den gewonnenen Parteistimmen zugeteilt und in einer zweiten Verteilung an die in den Parteien jeweils stärksten Kandidierenden vergeben. Ein Beispiel: In einem Wahlkreis mit 10 Sitzen erhält Partei A 20 Prozent aller Parteistimmen. Sie hat somit Anrecht auf 2 Sitze (rechnerische Details dazu in der «Berechnung der Sitzzuteilung»). Gewählt sind dann die beiden Personen, die auf dieser Liste am meisten Stimmen erhalten. Majorz Majorzwahl heisst Mehrheitswahl (Majorität = Stimmenmehrheit). Bei der Majorzwahl stehen die Kandidatinnen und Kandidaten im Mittelpunkt. Das Majorzsystem soll die Wahl starker Persönlichkeiten begünstigen und eröffnet vor allem Vertreterinnen und Vertretern der grossen Parteien Chancen, während kleinere Parteien leer ausgehen. Das muss aber nicht notwendigerweise so sein: Kandidierende kleinerer Parteien können sich dann Erfolgschancen ausrechnen, wenn sie von einer grösseren, politisch benachbarten Partei unterstützt werden oder wenn es sich um bekannte und in weiten Kreisen anerkannte Persönlichkeiten handelt. Bei Majorzwahlen werden nur Kandidatenstimmen gezählt. Dabei sind oft zwei Wahlgänge nötig: Im ersten Wahlgang sind nur die Personen gewählt, welche die Hälfte der gültigen Stimmen plus 1 Stimme erreicht haben. Das ist das absolute Mehr. Im zweiten Wahlgang gilt dann das relative Mehr: Gewählt sind diejenigen, die am meisten Stimmen erhalten haben. Die Voraussetzung des absoluten Mehrs gilt im zweiten Wahlgang also nicht mehr. Ein Beispiel: In einem Wahlkreis mit 10 Sitzen werden im ersten Wahlgang 7 Kandidierende von mehr als 50 Prozent der Wählenden gewählt. Sie sind damit nach der Regel des absoluten Mehrs gewählt. Im zweiten Wahlgang, der einige Wochen später erfolgt, werden zusätzlich zusätzlich diejenigen 3 gewählt, die relativ am meisten Stimmen auf sich vereinen. Lernmodul Wahlen | Grundlagentext 4 Wo wird wie gewählt? Im Bund, in Kantonen und Gemeinden werden die Parlamente in der Regel nach Proporz und die Regierungen nach Majorz gewählt. Von dieser Grundregel gibt es allerdings einige Ausnahmen. Eine Besonderheit betrifft die Wahlen in die Bundesversammlung: Der Nationalrat wird nach Proporz gewählt. Einen Spezialfall bilden die 6 Kantone mit nur einem Sitz. Hier gibt es keine andere Möglichkeit als eine Majorzwahl. Der Ständerat wird nach Majorz gewählt (Ausnahme: Kantone Jura und Neuenburg). Das hängt mit der geringen Sitzzahl pro Wahlkreis zusammen: Da nur 2 Sitze pro Wahlkreis zu vergeben sind, würden auch Proporzwahlen kleineren Parteien kaum Chancen bieten. Was ist Majorz? Was ist Proporz? Eine bildliche Darstellung in einem politischen Plakat (1910/1918)* Im 19. Jahrhundert wurden die Parlamente nach Majorz gewählt. Kurz vor 1900 gingen einige Kantone zum Proporz für das Kantons­ parlament über. Versuche, den Proporz auch für den Nationalrat einzuführen, scheiterten in Volksabstimmungen 1900 und 1910, hatten dann 1918 Erfolg. Das oben abgebildete Plakat von Melchior Annen, einem der bedeutendsten politischen Grafiker des 20. Jahrhunderts, diente 1910 und 1918 den Befürwortern des Wechsels als Illustration. Auf dem linken Bild (Majorz) verschlingt der freisinnige Kapitalist allein die auf dem Tisch liegenden Würste, während die Vertreter der anderen Parteien ( je ein Bauer, Arbeiter, Liberal-Konservativer und Katholisch-Konservativer) zuschauen müssen und sich Mutter Helvetia im Hintergrund entsetzt von der Szene abwendet. Auf dem rechten Bild (Proporz) herrscht dagegen ein freundliches Einvernehmen aller Parteien am Tisch; Mutter Helvetia teilt die Wurst gemäss der Devise auf dem Plakat: «Gerechtigkeit erhöht ein Volk». *Abbildung aus: Jean Meylan, Philippe Maillard, Michèle Schenk: Aux urnes, citoyens! 75 ans de votations fédérales par l’affiche, Prilly/Lausanne 1977, Seite 27. Lernmodul Wahlen | Grundlagentext 5 Die parteipolitische Zusammensetzung (Sitzverteilung) des Nationalrats und des Ständerats Gemäss den Wahlen vom Herbst 2007; Zusammenschluss FDP – Liberale 2008 und Ausscheidung SVP – BDP 2008 berücksichtigt Nationalrat Ständerat 200 Sitze PdA 1 SPS 43 GPS 20 GLP 3 EVP 2 CSP 1 CVP 31 FDP 35 46 Sitze BDP 5 EDU 1 SVP 57 Lega 1 Kurzer Kommentar: Die Statistik lässt sich mit Hilfe des Parteienkompasses leicht erweitern: Unter dem Link «Parteiprofile» stösst man auf «Parteistärke». Hier ist die Entwicklung des prozentualen Wähleranteils zugunsten der Parteien in den letzten Jahrzehnten dargestellt. Die Statistik betrifft die Nationalratswahlen. In der Zusammenstellung oben sind die erzielten Sitze angegeben. Im Nationalrat, der nach Proporz gewählt wird, ist die proportionale Wählerstärke der Parteien mit der Zahl der erzielten Sitze ziemlich identisch. Ein Beispiel: Die SVP hat eine Wählerstärke von ungefähr 30 %, und die 62 Gewählten unter den 200 Mitgliedern (vor der Abspaltung der BDP) entsprechen genau dieser Stärke. Ganz anders im Ständerat (Majorzwahl). Hier belegen die Mitglieder der Freisinnigen und der CVP zusammen fast 60 % der Sitze, obwohl sie eine Wählerstärke von je nur 15 % haben. Die Sozialdemokraten haben, gemessen am Wähleranteil, im SPS 9 GPS 2 GLP 1 CVP 15 FDP 12 BDP 1 SVP 6 Ständerat einen Sitz zu wenig. Ganz merkwürdig ist das schlechte Abschneiden der SVP: Als 30 %-Partei sollte sie nicht 7, sondern doppelt so viele Sitze haben. «Majorzwahlen begünstigen die grossen Parteien»: Das besagt die «Theorie». Diese Rechnung geht in unserem Beispiel nicht auf. Die geringe Präsenz der SVP im Ständerat mag verschiedene Gründe haben. Einer liegt darin, dass es ihr schwerfällt, Unterstützung durch andere Parteien zu erhalten. Und mit 30 % der Wählerstimmen ist man vom absoluten Mehr noch weit entfernt. Nationalrat und Ständerat im Vergleich: Das Gewicht der Parteien ist in den beiden Parlamentskammern unterschiedlich. Der Nationalrat und der Ständerat haben das gleiche politische Gewicht und müssen in allen Geschäften, die sie beraten, am Schluss zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Das zeigt, wie schwierig eine Einigung oft ist. Lernmodul Wahlen | Grundlagentext 6 Weiterführende Materialien Dieser Teil enthält zusätzliche Angaben zum Wählen nach dem Proporzsystem. Er dient als detaillierte Vorbereitung auf die «Wahlsimulation: Jugendliche wählen das Parlament» im Arbeitsteil. Die Nationalratswahl nach Proporz: Die Spielregeln Nochmals zwei Fremdwörter Wie schon erwähnt wurde, sind Proporzwahlen deshalb etwas kompliziert, weil auf dem Wahlzettel immer gleichzeitig Listenstimmen (= Parteistimmen) und Kandidatenstimmen vergeben und gezählt werden müssen. Grundsätzlich gilt: Nichts ist unabänderlich. Auch nicht eine vorgedruckte Parteiliste. Man hat drei Möglichkeiten, dem eigenen politischen Willen eine persönliche Note zu geben: Kumulieren: Man kann Kandidatennamen auf dem Wahlzettel im Maximum zweimal schreiben. Diese Kandidaten bzw. diese Kandidatinnnen erhalten also je zwei Partei- und Kandidatenstimmen. Das erhöht ihre Wahlchancen. Panaschieren: Es können Kandidatinnen und Kandidaten aus verschiedenen Listen auf den Wahlzettel übertragen werden, d. h., sie werden gemischt («panaschiert»). Diese Fremdstimmen schwächen die bevorzugte Partei. Panaschieren wird oft aber auch als Zeichen eines bewussten, unabhängigen Wählerwillens gedeutet. Es ist auch möglich, auf einem Wahlzettel gleichzeitig zu panaschieren und zu kumulieren. Streichen: Man kann auch vorgedruckte Namen streichen, ohne gleichzeitig zu kumulieren oder zu panaschieren. Spielregeln Man darf nur einen einzigen amtlichen Wahlzettel abgeben. Das kann ein leerer oder ein bedruckter Wahlzettel sein. Der Wahlzettel muss mindestens einen gültigen Namen enthalten. In Kantonen mit mehr als einem Sitz sind nur die Namen gültig, die auf einem der vorgedruckten Wahlzettel stehen. Alle Eintragungen muss man handschriftlich vornehmen und sie müssen gut lesbar sein. Der Wahlzettel darf nicht mehr Namen aufführen, als Sitze im Wahlkreis zu vergeben sind. Falls man also panaschiert oder kumuliert, muss man entsprechend andere Namen streichen. Bei handschriftlich eingesetzten Kandidatinnen und Kandidaten müssen der Name sowie die Kandidatennummer angegeben werden. Bemerkungen wie " oder «dito» sind ungültig. Die Wahlzettel dürfen nicht unterschrieben oder sonst wie gekennzeichnet werden. Wahlzettel mit ehrverletzenden Äusserungen sind ungültig. Wie erfolgt die Stimmabgabe? Seit vielen Jahren ist sowohl die Wahl im Abstimmungslokal wie die briefliche Wahl üblich. In verschiedenen Gemeinden sind in den letzten Jahren Erfahrungen mit der elektronischen Stimmabgabe, dem sogenannten E-Voting, gesammelt worden. Diese Form der Wahl wird in nächster Zeit ohne Zweifel zunehmen. Bei den National- und Ständeratswahlen 2011 wird dieses Verfahren aber noch nicht angewendet. Lernmodul Wahlen | Grundlagentext 7 Die fünf Varianten zum Wählen Variante 1: Leerer Wahlzettel Dieser vorgedruckte Wahlzettel enthält weder einen Parteinamen noch Namen von Kandidierenden, man kann ihn also ganz frei ausfüllen. Der Wahlzettel muss mindestens einen handschriftlich eingetragenen, gültigen Namen enthalten. Wenn oben ein Listenname eingesetzt wird, kommen die leeren Linien als Zusatzstimmen der entsprechenden Liste zugute, sonst werden sie keiner Liste zugerechnet. Liste Nr.: Stefan S. 0104 Michel W. Marianne M. Variante 2: Bedruckte Parteiliste unverändert einreichen Die Partei erhält alle Listenstimmen und alle aufgeführten Kandidierenden erhalten je eine Kandidatenstimme. Liste Nr. 02 Partei B 0201 Stefan S. 0203 Simon L. 0202 0204 0205 Liste Nr. 01 Partei A 0101 0105 Hanna K. Charlotte E. 0102 0103 Cédric E. Silvan J. 0104 Michel W. 0103 0201 0202 Variante 4: Kumulieren Namen höchstens zweimal aufführen und gleichzeitig gleich viele gedruckte Namen streichen. Die kumulierten Kandidatinnen oder Kandidaten erhalten so je 2 Stimmen. Alle Listenstimmen bleiben bei derselben Partei. Marianne M. Marionna U. 0105 Silvan J. Charlotte E. Variante 5: Panaschieren Namen, die auf einer anderen Liste stehen, in eine vorgedruckte Liste einsetzen. Dabei verliert die Partei mit der gedruckten Aufschrift die entsprechenden Listenstimmen an andere Parteien. Liste Nr. 01 Partei A 0101 Hanna K. 0202 0102 Cédric E. Marianne M. 0103 Silvan J. 0105 Charlotte E. 0104 0203 Michel W. Simon L. Lisa A. Variante 3: Streichen Auf vorgedrucktem Wahlzettel einen oder mehrere Namen streichen, ohne sie zu ersetzen. Die Zeilen mit den gestrichenen Namen verbleiben als Listenstimmen bei der Partei. Liste Nr. 02 Partei B 0201 Stefan S. 0203 Simon L. 0202 0204 0205 Marianne M. Marionna U. Lisa A. Lernmodul Wahlen | Grundlagentext 8 Rechnerisches: So werden bei Proporzwahlen die Wahlergebnisse ermittelt Die Sitzverteilung berechnet sich auf Grund der Parteistimmen. Die von den einzelnen Parteien eroberten Stimmen werden ins Verhältnis zur Gesamtstimmenzahl gebracht. Das Berechungsverfahren 1. Die Gesamtzahl aller Parteistimmen wird durch die um eins erhöhte Zahl der Sitze geteilt. Die nächsthöhere ganze Zahl heisst Verhältniszahl. 2. Jede Partei erhält so viele Sitze, wie die Verhältniszahl in ihrer Parteistimmenzahl enthalten ist. 3. Sind auf diese Weise noch nicht alle Sitze verteilt, werden in einer zweiten Runde die Restsitze vergeben: Die Stimmenzahl jeder Partei wird durch die um eins erhöhte Zahl der bereits erhaltenen Sitze geteilt. Der Liste, welche dabei die höchste Zahl erreicht, wird ein weiterer Sitz zugeteilt. Dieses Verfahren wird wiederholt, bis alle Sitze verteilt sind. Bei Nationalratswahlen können verschiedene Parteilisten auch Listenverbindungen eingehen. Dabei wird bei der Sitzberechnung zuerst jede Gruppe der miteinander verbundenen Listen wie eine einzige Liste behandelt. In einem zweiten Durchgang werden dann die Mandate an die beteiligten Parteien verteilt. Aus Gründen der Einfachheit wurde hier das Thema Listenverbindung bewusst ausgeklammert. Musterbeispiel 11 350 Stimmen = 10 Sitze 11 350 : 11 (10 + 1) = 1031,8 Stimmen Verteilungszahl: 1032 Liste A 4900 : 1032 = 4 Sitze Liste B 3400 : 1032 = 3 Sitze Liste C 2150 : 1032 = 2 Sitze Liste D 900 : 1032 = 0 Sitze Verbleibender Rest: 1 Sitz Liste A 4900 : 5 (4 + 1) = 980 Liste B 3400 : 4 (3 + 1) = 850 Liste C 2150 : 3 (2 + 1) = 716 Liste D 900 : 1 (0 + 1) = 900 Partei A erhält den Restsitz. Lernmodul Wahlen | Grundlagentext 9