Kapitel 1 Mechanik 1.1 Kinematik 1.2 Dynamik 1.3 Kräfte 1.4 Arbeit, Energie und Leistung 1.5 Statik 1.6 Periodische Bewegungen 1.7 Stoßgesetze Prof. J. Stroth Einführung in die Physik für Studierende der Pharmazie 1 1.2 Dynamik Prof. J. Stroth Einführung in die Physik für Studierende der Pharmazie 2 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.2 Dynamik Die Trägheit Welche Bewegungen bedürfen eigentlich einer besonderen Ursache und welche nicht? Galileo Galilei (1564-1642) hält fest: – Eine Bewegung mit konstantem Geschwindigkeitsvektor (also gleichförmig und geradlinig) bedarf keiner Ursache. – N.B.: „Ruhe“ ist hiervon nur der Spezialfall v=0. Dies ist der Inhalt des Galileischen Trägheitsprinzips. Kräfte bewirken eine Veränderung des gradlinigen Bewegungszustandes: Ursache = Kraft 3 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.2 Dynamik Kraft und Masse 4 Eine Änderung des Bewegungszustandes eines Körpers bedarf der Wirkung einer Kraft auf den Körper. rper Er wird dann beschleunigt. Die Kraft ist ebenfalls ein Vektor, der parallel zur Beschleunigung orientiert ist. Empirisch ist festzustellen: ) Die Beschleunigung ist proportional zur wirkenden Kraft! Dem beschleunigt werden setzt ein Körper einen „Widerstand“ entgegen. Dies ist eine Folge seiner trägen Masse m. Isaac Newton (1643-1727) formuliert diese Erfahrungstatsache in seinem Aktionsprinzip: d 2r F = m 2 = m&r& = ma dt Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.2 Dynamik Die Newtonschen Axiome 5 Die Newtonsche Formulierung der Mechanik basiert auf drei Sätzen: Trägheitsprinzip Ein Körper verharrt in seinen gegenwärtigen Bewegungszustand wenn die Summe der auf ihn einwirkenden Kräfte sich kompensieren. kompensieren Ö z.B. die Billardkugel, die nach dem Anstoßen so lange über den Filz des Tisches läuft, bis sie an die Tischkante kommt oder mit einer anderen Kugel zusammenstößt. Aktionsprinzip Die auf einen Körper einwirkende resultierende Kraft bewirkt eine proportionale Beschleunigung. Ö Stößt die Kugel an die Kante, überträgt diese eine Kraft auf die Kugel worauf sich die Bewegungsrichtung ändert. Reaktionsprinzip Kräfte treten immer paarweise auf. Wenn Körper A eine Kraft auf Körper B ausübt, so wirkt eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft von Körper B auf Körper A. Ö Die Kraft die von der Kante auf die Kugel übertragen wurde wirkt auch auf den Tisch. Da dieser viel schwerer ist und zudem noch fest auf dem Boden steht führt die Kraft zu keiner merklichen Beschleunigung (m → ∞) Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.2 Dynamik Actio gleich Reactio Beispiel: Laufen oder Springen Beim Laufen oder Springen übt Ihr Körper eine nach unten gerichtete Kraft auf die Unterlage aus. Nach dem Reaktionsprinzip übt die Unterlage eine nach oben gerichtete Reaktionskraft auf Ihren Körper aus. Beispiel: Münchhausen Hier ist kein zweiter Körper vorhanden, der die benötigte Reaktionskraft auf den Baron ausübt. Durch Ziehen am eigenen Zopf kann man sich daher nicht aus dem Sumpf retten. Kraft und Gegenkraft heben sich auf!! 6 Prof. J. Stroth SS 2006 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie 1.2 Dynamik Einsteins Äquivalenzprinzip 7 Es gibt zwei Definitionen für "Masse"! Schwere Masse: Masse ) Eigenschaft der Materie die bestimmt, wie stark ein Körper von einem anderen Körper aufgrund der Gravitationskraft angezogen wird. Träge Masse: Masse ) Eigenschaft der Materie, sich bei einer äußeren Krafteinwirkung einer Änderung des Bewegungszustandes zu widersetzen. Beispiel. Freier Fall Beim freien Fall betrachten wir eine beschleunigte Bewegung aufgrund der Gravitationskraft, also: G ⋅ mschwer = a ⋅ mträge a = G ⋅ mmschwer träge Da es sich in beiden Fällen offensichtlich um die gleiche Eigenschaft von Materie handelt hat man die Gravitationskonstante so gewählt, dass träge und schwere Masse gleich sind! 1.3 Kräfte Prof. J. Stroth Einführung in die Physik für Studierende der Pharmazie 8 Prof. J. Stroth SS 2006 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie 1.3 Kräfte Gravitation 9 Massebehaftete Körper ziehen sich gegenseitig an. Die Gravitationskraft... – steigt proportional mit der Masse der Körper – sinkt proportional mit dem Quadrat des Abstandes mm F = γ 12 2 r mit 3 m γ = 6.67 ⋅10 −11 kg ⋅ s 2 Diese Kraft ist uns als Lebewesen auf der Erdoberfläche allgegenwärtig. Die Schwerkraft ist die Kraft, mit der wir von der Erde auf Grund unserer Masse (Gewicht) Gewicht angezogen werden. Dies ist die schwere Masse! FG = G ⋅ m mit G= γ ⋅ mErde 2 RErde m ≈ 9.81 2 s Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.3 Kräfte Elektromagnetische Kräfte 10 Coulomb-Kraft Elektrische Ladungen wirken Kräfte aufeinander aus. Das Kraftgesetz ist analog zur Gravitation, allerdings können Ladungen (q) positiv und negativ sein, Massen nicht! F =α q1q2 r2 Lorentzkraft Wirkt auf bewegte Ladungen in einem Magnetfeld. Magnetfeld Insbesondere daher auch auf stromdurchflossene Leiter. – Besonderheit: Die Kraft wirkt senkrecht zur Bewegungsrichtung der Ladung und nur die Feldkomponente senkrecht zur Geschwindigkeit bestimmt die Stärke (Kreuzprodukt) F = q (v × B ) Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.3 Kräfte Das Hookesche Gesetz Die rücktreibende Kraft F einer ausgelenkten Feder ist der Auslenkung x entgegengerichtet. In vielen Fällen und für nicht zu große Auslenkungen ist die rücktreibende Kraft proportional zur Auslenkung. In diesem Fall genügt die Feder dem Hookeschen Gesetz: F = −k ⋅ x Der Proportionalitätsfaktor k heißt auch Federkonstante. Solche Federn eignen sich besonders zur Messung von Kräften und heißen Federwaagen. 11 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.3 Kräfte Haftreibung 12 Um einen Körper, der mit der Normalkraft FN gegen seine Unterlage gedrückt wird, auf dieser Unterlage zu verschieben, muss die tangential angreifende Kraft F den Schwellenwert µ0FN überschreiten. Kleinere Kräfte werden durch die Haftreibungskraft FR ausgeglichen. Es gilt: FR = −F FR ≤ µ 0 FN ) µ0 heißt Haftreibungszahl. Haftreibung entsteht durch mikroskopische „Verzahnung“ der Oberflächen. ) Die Haftreibungszahl ist unabhängig von der Größe der Berührungsfläche Autos fahren um die Kurve so lange die Haftreibungskraft der Reifen größer ist als die Zentrifugalkraft. Es wirkt die Haftreibung da der Reifen relativ zum Untergrund (Fahrbahn) in Ruhe ist (abrollt). Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.3 Kräfte Bestimmung der Reibungszahl Man bestimmt für den Körper auf einer schiefen Ebene den Neigungswinkel α, bei dem der Körper gerade zu rutschen anfängt (Haftreibung) bzw. bei dem er sich gerade noch langsam gleichförmig weiterbewegt (Gleitreibung). – Es gilt wegen der Abhängigkeit von der Normalkraft: µ0 = tan α r FH r F α r FG α r FN F = mg sin α = FH ,max = µ 0 FN = µ 0 mg cos α 13 Prof. J. Stroth SS 2006 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie 14 Gleitet ein Körper auf seiner Unterlage, dann erfährt er entgegen seiner Bewegungsrichtung eine Gleitreibungskraft FR vom Betrag FR = µG FN ) Die Gleitreibungszahl µG ist stets kleiner als die Haftreibungszahl µ0. ) Hat also eine Antriebskraft einen Körper erst einmal in Bewegung gesetzt, wird sie ihn beschleunigend weiter bewegen. Reibungskraft FR 1.3 Kräfte Gleitreibung FR = µ0FN FR = µGFN FR = F angreifende Kraft F Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Reibungskoeffizienten Typische Werte Prof. J. Stroth SS 2006 15 1.4 Arbeit, Energie und Leistung Prof. J. Stroth Einführung in die Physik für Studierende der Pharmazie 16 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.4 Arbeit, Energie und Leistung Arbeit 17 Der Begriff der Arbeit geht auf die Erfahrungen zurück, die man beim Umgang mit Hebeln, Seilen und Rollen macht: Mit einer geeigneten Übersetzung lässt sich der Kraftaufwand reduzieren. Dies geht aber immer auf Kosten des „Weges“, den man zurücklegen muss. Umgekehrt ist ein „Weggewinn“ nur mit erhöhtem Kraftaufwand zu bewerkstelligen. Wir fassen dies in der Goldenen Regel der Mechanik zusammen: ) Das Produkt Kraft x Weg bleibt erhalten, wenn man Reibungsverluste vernachlässigen kann. z.B.: Flaschenzug, Masse eine schiefe Ebene hoch ziehen, Hebel, … Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.4 Arbeit, Energie und Leistung Arbeit 18 Wird ein Objekt gegen eine Kraft verschoben so wird mechanische Arbeit geleistet: W = F ⋅ ∆x kg ⋅ m 2 [W ] = Nm = 2 = J (Joule) s Arbeit wird nur verrichtet, wenn die Bewegung parallel oder antiparallel zur Kraft erfolgt. Man kann daher die Arbeit über das Skalarprodukt definieren: W = F ⋅ ∆x = F ∆x cos α ) Es wird also keine Arbeit geleistet, wenn Kraft und Verschiebung senkrecht aufeinander stehen. ) Die Arbeit ist ein Skalar Prof. J. Stroth SS 2006 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie 1.4 Arbeit, Energie und Leistung Potential 19 Für beliebige Wege muss zur Berechnung der Arbeit ein Integral ausgewertet werden: x2 W = ∫ F(x) ⋅ dx x1 Ist die Kraft zeitlich konstant und hängt nur dazu nur vom Ort ab, dann ist die geleistete Arbeit bei einer Bewegung von x1 zu x2 unabhängig vom Weg zwischen den Punkten! ) Solche Kräfte werden z.B durch äußere Kraftfelder vermittelt. 8 Gravitation 8 Coulombfeld x2 8 Reibungskräfte erfüllen dies nicht! ∫ F (x) ⋅ dx Die verrichtete Arbeit ist in einem Körper als potentielle Energie „gespeichert“. x1 = W pot bel.Weg Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie 1.4 Arbeit, Energie und Leistung Potentielle Energie Schwerfeld der Erde (Gravitation) ) Die Seilbahn verrichtet Arbeit um dem Skifahrer die zur Abfahrt nötige potentielle Energie zu geben. Diese benutzt er zur Abfahrt, wobei wiederum Arbeit aufgrund der Reibung verrichtet wird. ) Speicherkraftwerke nutzen die potentielle Energie von Wasser in Speicherseen zur Erzeugung von Strom. Gespannte Feder (Coulomb) – Beim Spannen der Armbrust wird Arbeit geleistet und in der Biegung der Feder gespeichert. Atome im Stahl werden gegeneinander verschoben und damit aus ihrer Ruhelage gebracht. – Die Fahrzeugdämpfung speichert Energie durch Vertikalbewegung zunächst in einer Feder und wandelt sie dann über Reibung im Dämpfer in Wärme um. Prof. J. Stroth SS 2006 20 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie 1.4 Arbeit, Energie und Leistung Escher‘s Potentialbilder Prof. J. Stroth SS 2006 21 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.4 Arbeit, Energie und Leistung Der Energiesatz 22 Wir haben gesehen, dass verschiedene Energieformen in einander umgewandelt werden können. Energie geht aber nie verloren, sie ist in der Natur erhalten. In einem konservativen Kraftfeld ( = ohne Reibungsverluste) ist die Summe aus kinetischer und potentieller Energie (mechanische Energie) konstant: d (Wkin + W pot ) = 0 ⇔ Wkin + W pot = konst. dt Das lässt sich leicht zeigen: dWkin d ( 12 mv 2 ) = = mvv& = mva dt dt dW pot dt = − Fdr = − mav dt Die Einschränkung auf mechanische Energie ist wichtig. Die Gesamtenergie ist natürlich immer erhalten. Falls jedoch Reibung auftritt, wird ein Teil der Gesamtenergie in Wärme umgewandelt. Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.4 Arbeit, Energie und Leistung Beispiele Beschleunigen eines Körpers durch Kraft F (ohne Reibung) ) es wird Arbeit verrichtet, die dann als kinetische Energie im Körper steckt. Anheben eines Körpers im Schwerefeld der Erde um die Höhe h ) es wird Arbeit verrichtet, die dann als potentielle Energie im Körper steckt. Fallen lassen eines Körpers im Schwerefeld der Erde um die Höhe h: ) die potentielle Energie wird in kinetische Energie umgewandelt. Horizontale Verschiebung eines Körpers im Schwerefeld (ohne Reibung): ) potentielle und kinetische Energie sind vorher und nachher gleich, es wird keine Arbeit verrichtet. Horizontale Verschiebung eines Körpers im Schwerefeld (mit Reibung): ) es wird Arbeit gegen die Reibungskraft verrichtet. Diese steckt dann in Form von Wärme im System. 23 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Prof. J. Stroth SS 2006 1.4 Arbeit, Energie und Leistung Kinetische Energie 24 Beim Beschleunigen eines Körpers wird Arbeit verrichtet. Durch die Massenträgheit des Körpers wirkt ständig eine Kraft entgegen der Bewegungsrichtung. Die verrichtete Arbeit „trägt“ der Körper als kinetische Energie. Energie v = at → a = v t ⎛v 1 ⎞ 1 W = F ⋅ x = m(a ⋅ x ) = m⎜ ⋅ vt ⎟ = mv 2 ⎝t 2 ⎠ 2 1 2 1 x = at = vt 2 2 In gewisser Weise ist auch hier die verrichtete Arbeit gespeichert. Energie und Arbeit sind eng miteinander verknüpft. Sie haben, wie man sieht, dieselbe Einheit: [ ] m 2 kg m m [Wkin ] = [m]⋅ v = kg ⋅ 2 = ⋅ = [F ]⋅ [a ] = Nm = J s s s 2 Prof. J. Stroth SS 2006 Einfü Einführung in die Physik fü für Studierende der Pharmazie Leistung 25 Die Leistung P gibt an, wie schnell Energie von einem System auf ein anderes übertragen wird. Sie ist definiert als die verrichtete Arbeit pro Zeiteinheit. Sie ist ein Skalar. W P= t Nm [P] = = W (Watt ) s Im Alltag gebräuchliche Leistungsangaben sind: ) Elektrische Leistung („Stromverbrauch“) In einer Glühbirne wird elektrische Energie in Wärme und Licht (kinetische Energie von Photonen) umgewandelt. Der „Verbrauch“ von elektrischer Energie im Abrechnungszeitraum wird in kWh angegeben. 1kWh = 3.6 ⋅106 Ws = 3.6 MJ ) Die Leistung eines Fahrzeuges wir häufig noch in der Einheit PS angegeben. 1 PS = 735.5 W