Neue Z}rcer Zeitung STAATSPOLITISCHES FORUM Samstag, 14.04.2001 Nr.87 89 Der moralische Status des Embryos Von Christian Starck* Die moderne Fortpflanzungsmedizin kann seit geraumer Zeit Paaren helfen, ihren Kinderwunsch durch eine exkorporale Zeugung zu verwirklichen. Doch die In-vitro-Fertilisation ermöglicht über die Genforschung ein Weiteres: Auch das Ergebnis der Zeugung wird beeinflussbar. Dies wirft grundlegende ethische Fragen auf. Der Autor des folgenden Beitrags zeigt, dass es dabei letztlich um die Würde des Menschen geht. Die Fortpflanzungsmedizin ist seit einiger Zeit in der Lage, die Zeugung eines Menschen ausserhalb des weiblichen Körpers in der Retorte (in vitro) stattfinden zu lassen. Der so entstandene Embryo wird dann in die Gebärmutter der Frau «eingepflanzt», von der die Eizelle stammt. Das Ziel dieser Massnahme ist, körperliche Defekte, z. B. eine Eileiterfehlfunktion, zu überwinden. Die In-vitro-Fertilisation schuf die Möglichkeit, den Zeugungsakt und das Ergebnis der Zeugung unter Kontrolle zu bringen. Damit ist ein neues Feld der Medizin eröffnet worden, die nun die Zeugungsingredienzien und nach der Zeugung die befruchteten Eizellen unter dem Mikroskop diagnostizieren und selektieren kann. So befürwortet die deutsche Bundesforschungsministerin Bulmahn Präimplantationsdiagnostik, und der Vorstand der Bundesärztekammer hat immerhin schon einen Diskussionsentwurf einer Richtlinie über Präimplantationsdiagnostik vorgelegt. Eine dritte Stufe der Fortpflanzungsmedizin, und womit diese schon überschritten wird, ist erreicht, wenn befruchtete Eizellen als Forschungsmittel zu dem Zweck benutzt werden, Erbkrankheiten auf die Spur zu kommen (negative Eugenik) oder gar in Zukunft «bessere Menschen» zu züchten (positive Eugenik). Bei dieser Forschung werden Embryonen «verbraucht». – Beim sogenannten therapeutischen Klonen wird der Zellkern einer Körperzelle des zu behandelnden Patienten in eine entkernte Eizelle übertragen, die sich in der Metaphase der zweiten Reifeteilung befindet. Auf diesem Wege kann man Gewebe und Organe mit den für den Patienten charakteristischen Merkmalen gewinnen, die keine Abwehrreaktion auslösen. Falls in diesem Verfahren totipotente Zellen entstehen, die sich zu einem menschlichen Individuum entwickeln können, würde therapeutisches Klonen auf den Verbrauch von Embryonen hinauslaufen. Das Fundament des Status des Embryos Angesichts der heutigen Möglichkeiten der Forschung an Embryonen stellt sich die Frage, anhand welcher Massstäbe sich beurteilen lässt, ob die «verbrauchende» Forschung mit Embryonen und die Präimplantationsdiagnostik freigegeben werden dürfen? Der Jurist denkt hier zunächst an das Verfassungsrecht, wie es vom Bundesverfassungsgericht und der herrschenden Meinung ausgelegt wird und wie es ähnlich auch in der Schweiz gilt. Angesichts der Internationalität der medizinischen Forschung und der Therapiemethoden sind aber auch die philosophische Beurteilung des moralischen Status des Embryos und das internationale Recht von Interesse. Würde- und Lebensschutz im Grundgesetz Artikel 1 des Grundgesetzes beginnt mit dem Satz: «Die Würde des Menschen ist unantastbar.» Damit wird keine Feststellung getroffen. Vielmehr handelt es sich um eine verfassungsrechtliche Garantie, die am Anfang der Verfassung mit besonderem Pathos als Grundnorm für die gesamte Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht wird. Die Normativität des Menschenwürdesatzes ergibt sich unmissverständlich aus dem zweiten Satz des Artikels 1, der alle staatliche Gewalt verpflichtet, die Menschenwürde zu «achten und zu schützen» (so auch Art. 7 der Schweizerischen Bundesverfassung). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen beiden Abtreibungsurteilen 1975 und 1993 entschieden, dass auch das ungeborene menschliche Leben unter dem Schutz der Menschenwürdegarantie steht. Die Würde des Menschseins liegt auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen. Da für das Werden und das spätere Entfalten der Person das Leben existenzielle Grundlage ist, umfasst die Würdegarantie den Lebensschutz, der in Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes und in Art. 10 der Schweizerischen Verfassung gesondert gewährleistet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat dargelegt, dass das ungeborene Leben zumindest von der Einnistung an den Schutz der Menschenwürdegarantie geniesst. In den Abtreibungsurteilen ging es um den Schutz des im weiblichen Körper befindlichen Embryos, für den vor der Einnistung eine grosse Lebensunsicherheit besteht und dessen Existenz vor der Einnistung nur schwer nachzuweisen ist. Bei der Befruchtung in vitro stellt sich die Frage anders, weil die genannten Schwierigkeiten weitgehend entfallen. Die Existenz eines menschlichen Individuums, auf die das Bundesverfassungsgericht in den Abtreibungsurteilen abgestellt © 2001 Neue Zürcher Zeitung AG hat, ist bereits mit der Befruchtung der Eizelle – auf natürlichem Wege oder in vitro – determiniert. Damit beginnt ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, der ohne entscheidende qualitative Zäsuren zur Ausdifferenzierung des Organismus und zu seiner Geburt führen kann. Die philosophische Frage Diese natürliche Finalität der befruchteten menschlichen Eizelle ist eine Vorgabe des Rechts, die sich einer beliebigen Bewertung entzieht. Deshalb hat der Embryo prinzipiell am Menschenwürdeschutz bzw. am Lebensschutz teil. Wer hier von einem naturalistischen Fehlschluss spricht, weil aus dem Sein ein Sollen abgeleitet wird, muss sich eingestehen, dass jede Grenzziehung für den Beginn des Würdeschutzes nach dem jeweiligen Entwicklungsstand – Einnistung, Beginn der Hirnfunktion, Lebensfähigkeit, Geburt, Beginn des Selbstbewusstseins, Fähigkeit zum geistig-seelischen Werterlebnis usf. – Selektion bedeutet. Der Mensch kann sich über viele natürliche und gesellschaftliche Phänomene – Einsatz der Elektrizität, Atomkraftwerke, Atomwaffen, Homosexualität, Behandlung personenbezogener Daten usw. – seine Meinung bilden und entsprechende Wertungen vornehmen, die über die Gesetzgebung das Recht so oder so beeinflussen werden. Geht es aber um die Humansubstanz, ist Selbstbescheidung gefordert. Das bedeutet, dass nur die weitestmögliche Definition des Menschen erlaubt sein kann. Danach sind Träger der Menschenwürde alle Lebewesen, die von menschlichen Gameten stammen, in welchem Entwicklungszustand sie sich auch befinden. Mit dem prinzipiell gleichen Würde- und Lebensschutz sind freilich Differenzierungen vereinbar, die auf dem jeweiligen Entwicklungsstand des menschlichen Lebens beruhen: ungeboren geboren, (geistes)krank - gesund, Alter usw. Insoweit sind Wertungen möglich, als nicht das Lebensrecht angetastet wird. Diese Wertungen können in den einzelnen Rechtsordnungen durchaus verschieden sein. Würde- und Lebensschutz im Völkerrecht Was nun die internationalen Verträge über Menschenrechte anbelangt, muss festgestellt werden, dass das ungeborene Menschenleben und somit auch extrakorporal erzeugte Embryonen zunächst nicht ausdrücklich geschützt waren. Man konnte diesen Schutz aber ohne Schwierigkeiten aus den einschlägigen Texten ableiten. Art. 2 der Blatt 1 Neue Z}rcer Zeitung Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 enthält das Recht jedes Menschen auf Leben. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat über die Erstreckung dieses Rechts auf Embryonen bisher nicht entschieden, die früher existierende Europäische Kommission für Menschenrechte hatte in Abtreibungsfällen die Frage ausdrücklich offen gelassen. Das Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin vom 4. April 1997, das nach der Ratifikation durch fünf Staaten 1998 in Kraft getreten ist – das freilich Deutschland, weil der Schutz nicht ausreichend sei, noch nicht unterzeichnet und die Schweiz noch nicht ratifiziert hat –, verbietet ausdrücklich die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken und verlangt von der Rechtsordnung einen angemessenen Schutz des Embryos, sofern die Forschung an Embryonen in vitro zugelassen wird (Artikel 18). In einem Zusatzprotokoll vom 12. Januar 1998 wird das Klonen von menschlichen Lebewesen verboten. Da- STAATSPOLITISCHES FORUM Samstag, 14.04.2001 Nr.87 89 mit hat der Europarat den in der Menschenrechtskonvention verbürgten Lebensschutz ausdrücklich auf Embryonen erstreckt. Menschenwürdeschutz für den Embryo Die Präambel des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966 leitet die im Einzelnen verbürgten Rechte, so auch das Recht auf Leben, aus der dem Menschen innewohnenden Würde ab und nimmt insoweit auf die Würdeklauseln der Präambeln der Charta der Vereinten Nationen (1945) und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) Bezug. Da die dem Menschen innewohnende Würde bereits im Embryo angelegt ist, spricht alles dafür, den Internationalen Pakt angesichts der heutigen medizinischen Möglichkeiten so auszulegen, dass auch Embryonen Menschenwürdeschutz zukommt. Übereinkommen, die denen des Europarates entsprechen, sind der Klarstellung wegen anzustreben. * Der Autor ist ordentlicher an der Universität Göttingen. Professor für öffentliches Recht Wertungswidersprüche in der Rechtsprechung? Jüngst ist versucht worden, unter Berufung auf das zweite Abtreibungsurteil des Bundesverfassungsgerichts den Embryonenschutz in Deutschland ad absurdum zu führen. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar 1975 und bestätigend 1993 entschieden, dass der nicht medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbruch für die ganze Dauer der Schwangerschaft als Unrecht angesehen und demgemäss verboten sein müsse. Das Lebensrecht des Ungeborenen dürfe nicht, auch nicht für eine nur begrenzte Zeit, der freien, rechtlich nicht gebundenen Entscheidung eines Dritten, und sei es selbst der Mutter, überantwortet werden. Gleichwohl hat es das Gericht aber zugelassen, dass in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft der Staat auf einen strafrechtlichen Schutz des ungeborenen Lebens verzichtet und den Schwerpunkt auf eine obligatorische Beratung der schwangeren Frau legt, um sie für das Austragen des Kindes zu gewinnen. Die Mindestanforderungen an diese Beratung und an die dazugehörenden Rahmenbedingungen, d. h. die rechtliche Bindung der Schwangeren, hat das Bundesverfassungsgericht im Einzelnen festgelegt. Diese sind freilich vom deutschen Bundesgesetzgeber durchlöchert worden, und da, wo sie durch den bayrischen Gesetzgeber ernst genommen worden sind, hat der andere Senat des Bundesverfassungsgerichts die entsprechenden gesetzlichen Vorschriften mit neuartigen, nicht überzeugenden Argumenten als kompetenzwidrig beurteilt und für nichtig erklärt. Daraus ist geschlossen worden, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Embryonenschutz derogiert, d. h. aufgehoben habe. Obwohl der Schutz des ungeborenen Lebens durch die Gesetzgebung und das jüngste Urteil des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts weiter geschwächt worden ist, bleibt es doch bei dem vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Würdeschutz, der hinsichtlich extrakorporal erzeugter Embryonen zur Geltung gebracht werden kann, da insoweit das Problem der Annahme der Schwangerschaft durch die schwangere Frau nicht besteht. Zwischen dem Abtreibungsurteil und dem gesetzlichen Schutz extrakorporal erzeugter Embryonen besteht kein Wertungswiderspruch im Grundsätzlichen. Versäumnisse der Gesetzgebung und faktische Schwierigkeiten beim Schutz des ungeborenen Lebens im Mutterleib vermögen nicht den Schutz in vitro befruchteter Eizellen in Frage zu stellen, die als menschliche Keimlinge – ausgestattet mit allen Anlagen eines menschlichen Individuums – unter dem Schutz der Menschenwürde stehen. Embryonen als Objekte der Forschung? Die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken ist sowohl nach dem Embryonenschutzgesetz als auch nach dem Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin verboten. Dieses Verbot ist zwingende Konsequenz des Würdeschutzes, der sich auch auf Embryonen erstreckt. Die Menschenwürde ist immer dann verletzt, wenn der Mensch vom Staat oder durch andere Menschen zum blossen Objekt und für Zwecke eines andern vollständig verfügbar gemacht wird. Diese Objektformel, die das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen verwendet, entstammt der philosophischen Tradition und findet Ausdruck in der «Grundlegung zur Metaphysik der Sitten» (1785) von Immanuel Kant. Dort heisst es: «Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person als in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloss als Mittel brauchst.» Verbrauchende Forschung mit Embryonen würde diese menschlichen Keimlinge ausschliesslich den Zwecken anderer unterwerfen. Das muss besonders betont werden, wenn es sich um gute Zwecke handelt. © 2001 Neue Zürcher Zeitung AG Die Tücke guter Zwecke Ein guter Zweck ist z. B. die Erforschung von Erbkrankheiten, um diese mit neuen Methoden heilen zu können. Ein anderer guter Zweck könnte in der Erzeugung von Stammzellen gesehen werden, aus denen menschliche Organe entwickelt werden, die kranke Organe ersetzen können. In beiden Fällen kann wahrscheinlich menschliches Leid vermindert werden. Das genügt dem utilitaristisch gestimmten Zeitgenossen, um verbrauchende Forschung mit Embryonen zu rechtfertigen, vielleicht diese sogar zu fordern, weil menschliches Wohlergehen maximiert werde. Erst recht lässt sich im utilitaristischen Denken die Präimplantationsdiagnostik als Grundlage für Selektion von Embryonen rechtfertigen, heute zur Vermeidung erbkranken Nachwuchses, morgen vielleicht zur Sicherung eines noch zu definierenden Qualitätsstandards des Kindes. Professor Nida-Rümelin, Kulturstaatsminister im deutschen Bundeskanzleramt, hat in einem Artikel über die ethischen Gründe für die Schutz- Blatt 2 Neue Z}rcer Zeitung würdigkeit des Embryos und über den Begriff der Menschenwürde («Süddeutsche Zeitung» vom 3./4. 2. 01) die Behauptung aufgestellt, dass «die utilitaristische Tradition des Sozialen und die kantische der Autonomie» in dem sich abzeichnenden internationalen Ethos eine Verbindung eingingen. Für die Frage der Schutzwürdigkeit des Embryos ist eine solche Verbindung freilich nicht zu erkennen; vielmehr stossen beide Traditionen hart zusammen: Die Utilitaristen wollen verbrauchende Forschung mit Embryonen zur Maximierung menschlichen Wohlergehens zulassen; die Kantianer verbieten den Verbrauch von Embryonen für Zwecke anderer Menschen. Professor Nida-Rümelin löst die Unvereinbarkeit beider Positionen für sich gewissermassen mit dem Millimetermass, wenn er schreibt: «Die Zuschreibung gleicher Menschenwürde an wenige Millimeter grosse Zellwände ohne jedes Empfin- © 2001 Neue Zürcher Zeitung AG STAATSPOLITISCHES FORUM Samstag, 14.04.2001 Nr.87 89 dungsvermögen (Embryonen in den ersten 14 Tagen vor ihrer Einnistung in die Gebärmutter) entwertet dagegen einen wichtigen moralischen Grundbegriff.» Verräterische Wortwahl Schon die Wortwahl lässt aufhorchen: Die Millimetergrösse der Embryonen, die als Zellwände bezeichnet werden; befürchtet wird die Entwertung eines moralischen Grundbegriffs, wenn diesen Zellwänden gleiche Menschenwürde zugeschrieben werde, obwohl es in der Diskussion um die verbrauchende Forschung mit Embryonen nur um deren unverletztes Überleben geht und gehen kann. In dem oben zitierten Satz scheint Utilitarismus fein säuberlich verpackt zu sein. Blatt 3 Neue Z}rcer Zeitung STAATSPOLITISCHES FORUM Samstag, 14.04.2001 Nr.87 89 Konkreter Schutz des Embryos in der Fortpflanzungsmedizin C. Sta. Das 1991 in Kraft getretene deutsche Embryonenschutzgesetz stellt die missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken unter Strafe. Zu den unter Strafe stehenden Tatbeständen gehören z. B. die In-vitro-Fertilisation zu anderen Zwecken, als die Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt, die Entnahme eines Embryos aus dem Körper einer Frau vor dessen Einnistung in der Gebärmutter oder die künstliche Übertragung der Erbinformation (Klonen) eines Menschen, eines Verstorbenen, eines Fötus oder eines Embryos auf einen (anderen) Embryo. Als Embryo bezeichnet das Gesetz die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag. Dem deutschen Embryonenschutzgesetz mit seinen Strafvorschriften liegt die klare Wertung zugrunde, dass ein Embryo, der in vitro erzeugt worden ist, weder zu Forschungs- oder anderen Zwecken verbraucht noch bei schlechter Erbanlage selektioniert und verworfen werden darf, sondern die Chance haben muss, seinem natürlichen Telos entsprechend, als Mensch geboren zu werden. Ausgelöst durch die kürzlich ergangene Entscheidung des britischen Parlaments, die Erzeugung geklonter Embryonen für die Gewinnung von Stammzellen bis zum 14. Tag nach der Befruchtung der Eizelle zuzulassen, ist in Deutschland gefordert worden, das Embryonenschutzgesetz so zu ändern, dass neue Therapiemöglichkeiten erforscht und später genutzt werden können und dass der Fortschritt der biomedizinischen Forschung nicht behindert wird. Die Forderungen werden u. a. damit begründet, dass die Abtreibung, also die Tötung von Föten in den ersten drei Monaten ihrer Existenz gesellschaftlich akzeptiert sei und deshalb nicht einleuchte, warum nicht Embryonen dafür eingesetzt werden könnten, neue Heilungsmöglichkeiten zu erforschen, die schwer kranken Menschen und damit letztlich potenziell der gesamten Menschheit zugute kämen. Für die Präimplantationsdiagnostik und die Möglichkeit der Selektion von Embryonen wird mit dem Argument plädiert, dass dadurch embryopathische Abtreibungen vermieden werden könnten. © 2001 Neue Zürcher Zeitung AG Blatt 1