Seite 1 WAS GIBT ES NEUES AUS DER FORSCHUNG BEI BIPOLARE STÖRUNGEN? EINE LITERATURÜBERSICHT 2013 Michael Bauer, Rita Bauer, Jörn Conell, Markus Donix, Karolina Leopold, Ute Lewitzka, Andrea Pfennig, Maximilian Pilhatsch, Dirk Ritter, Philipp Ritter, Christine Winter, Emanuel Severus Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden 1. 1.1 1.2 Risikokonstellationen und Früherkennung Merkmale, Symptomatik und naturalistische Behandlungsstrategien bei Personen mit Risikostatus für die Entwicklung einer Bipolaren Störung Früherkennungszentren für psychische Erkrankungen: ein Komplementärangebot der psychiatrischen Regelversorgung 2 2.1 2.2 2.3 Diagnostik und Epidemiologie Bipolare Störungen im neuen DSM-5 Klassifikationssystem der APA Lebenserwartung um 10 Jahre verkürzt Erhöhtes Demenzrisiko bei Patienten mit einer Bipolaren Erkrankung 3 3.1 Suizidforschung Häufigkeit von Suiziden bei Patienten mit bipolaren Störungen: Zusammenfassung aktueller epidemiologischer Daten Die suizidprophylaktischen Eigenschaften von Lithium bei Patienten mit affektiven Störungen: Übersicht und Metaanalyse 3.2 4 4.1 4.2 4.3 4.4 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 Neurobiologie und Neuropsychologie Tiefe Hirnstimulation (subgenuales Cingulum) bei der Behandlung der Bipolaren Depression Strukturelle Gehirnveränderungen bei Patienten mit einer Bipolaren Erkrankung: Befunde des ENIGMA Consortiums Günstiger Einfluss einer Lithiumtherapie auf das Hippocampusvolumen ist unabhängig vom rezidivprophylaktischen Ansprechen Meta-Analyse zu kognitiven Beeinträchtigungen bei bipolaren Patienten in euthymen Phasen Pharmakotherapie Internationale Kohortenstudie zur Wirksamkeit von Lithium in der Rezidivprophylaxe Bipolarer Störungen Die Wirksamkeit von Lithium nach Absetzen und erneutem Beginn der Prophylaxe Niedrige Lithium-Serumspiegel (<0.6) zeigen schlechte prophylaktische Wirksamkeit von Lithium in der Verhinderung manischer und depressiver Episoden Monitoring der Lithium Langzeitbehandlung: helfen Qualitätsverbesserungsprogramme? The International Society for Bipolar Disorders (ISBD) Task Force: Bericht über den Einsatz von Antidepressiva bei Bipolaren Störungen Lurasidon Monotherapie in der Behandlung der Bipolar-I-Depression: Eine randomisiert, doppel-blind, Placebo-kontrollierte Studie Lurasidon als Begleittherapie („add-on“) zu Lithium oder Valproat in der Behandlung der Bipolar-I-Depression: Eine randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrollierte Studie Supraphysiogische L-Thyroxin zur Behandlung der Bipolaren Depression Seite 2 5.9 Ketamin bei affektiven Störungen: Zusammenfassung von klinischer Wirksamkeit, Wirkmechanismen und Anwendungsbeschränkungen 6 6.1 Psychotherapie und andere Therapien Familien-fokussierte Therapie als Frühintervention bei symptomatischen Jugendlichen mit hohem Risiko für Bipolare Störungen 6.2 „Functional remediation“: Randomisierte Studie eines neuen neurokognitiven Interventionsprogrammes 7 7.1 Leitlinien Deutschland: S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen – wesentliche Empfehlungen zur Rezidivprophylaxe Canada: CANMAT-Leitlinie Therapie Bipolarer Störungen, Update 2013 World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) Guidelines for the Biological Treatment of Bipolar Disorders: Update 2012 on the long-term treatment of bipolar disorder 7.2 7.3 8 Literaturliste Seite 3 1. Risikokonstellationen und Früherkennung 1.1 Merkmale, Symptomatik und naturalistische Behandlungsstrategien bei Personen mit Risikostatus für die Entwicklung einer Bipolaren Störung (1) Während die Früherkennung von Psychosen bereits seit einigen Jahren beforscht wird und auch in Deutschland einzelne Früherkennungszentren etabliert wurden, steckt die Früherkennung Bipolarer Störungen aktuell noch in den Anfängen. Vorläufige, retrospektive Studien geben Hinweise darauf, dass der Manifestation der Bipolaren Störung eine Phase dynamischer Symptomentwicklung vorausgeht (sogenanntes Prodrom). Diese Phase scheint hinsichtlich der relevanten Dauer, die Frühidentifikation und -Intervention ermöglicht und depressiver Symptome dem Prodromalstadium der Schizophrenie ähnlich, obwohl Stimmungsschwankungen häufiger im bipolaren Prodrom und attenuierte, positive psychotische Symptome (bis eventuell kurz vor dem Vollbild der Manie) häufiger im schizophrenen Prodrom auftreten. Inwieweit es sich bei diesen Symptomen um erste subsyndromale Manifestationen der Erkrankung, oder auch z. T. um vorbestehende und nach Ersterkrankungsbeginn weiterbestehende Komorbiditäten handelt, ist derzeit aufgrund fehlender Datenlage ungeklärt. Unklar ist derzeit ebenfalls, welche Symptome oder Symptomkomplexe sich am besten eignen, um reliabel Patienten vor Beginn einer Manie zu identifizieren, ob Früherkennung einer Bipolar-IIStörung möglich ist und ob und inwieweit sich Prodromi in Patientenuntergruppen unterscheiden, abhängig vom Vorliegen von z. B. familiärer Belastung, psychotischen Vollsymptomen, Erkrankungsalter, spezifischen Komorbiditäten, etc. Abb. 1: Quelle (1) Im Früherkennungszentrum für psychische Störungen in Dresden wurden Personen auf das Vorhandensein von Risikokonstellationen für die Entwicklung bipolarer Störungen untersucht. Hierfür wurden zwei neu entwickelte Instrumente, die BPSS (Bipolar Prodrome Symptome Scale) und EPIbipolar (Early Phase Interview for bipolar disorders) angewendet. Diese erfassten Seite 4 bekannte Risikofaktoren wie positive Familienanamnese (bipolare Störungen bei 35 %, Majore Depressionen bei 41 % und Psychosen bei 7 %), zunehmende Stimmungsschwankungen (bei 62 %), unterschwellige (hypo)mane Symptome (bei 52 %), spezifische Schlaf- und Rhythmusstörungen (bei 62 %), Angst/Ängstlichkeit (bei 90 %), affektive Erkrankungen (bei 79 %), vermindertes psychosoziales Funktionsniveau (bei 79 %), zunehmender und periodischer Substanzkonsum (bei 17 %) und Diagnose eines ADHD (bei 3 %). Personen, die ein entsprechendes Risikoprofil aufwiesen, erhielten unter Berücksichtigung aktueller Symptomatik und aktueller und/oder vorheriger anderer psychischer Erkrankung individuelle Therapieangebote. Im Ergebnis erfüllten von den 180 untersuchten Personen 29 (16 %) die Kriterien für einen Risikostatus für bipolare Störungen. Von diesen 29 Risikopersonen erfüllten 27 (93 %) bereits die Kriterien für eine andere manifeste psychiatrische Erkrankung aktuell oder in der Anamnese und 14 (48 %) hatten bereits zuvor eine medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen. Die Therapieempfehlungen für die Personen mit Risikokonstellationen beinhalteten Psychoedukation (bei 100 %), Psychotherapie (bei 62 %), Medikation (bei 17 %) und eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie (bei 14 %). Zusammenfassend wird ein multifaktorieller Ansatz, der alle bekannten Risikofaktoren umfasst, bei der Früherkennung bipolarer Störungen als wichtig erachtet. Da die Mehrzahl der Patienten mit Risikokonstellationen bereits andere psychiatrische Erkrankungen aufweisen, ist die Untersuchung von Auswirkungen unterschiedlicher Therapiestrategien unbedingt notwendig. Dabei sollten sowohl kurzfristige als auch langfristige Effekte auf Symptomatik, Risikokonstellation und Übergangsraten berücksichtigt werden. Abb. 2: Quelle (1) Seite 5 Abb. 3: Quelle (1) 1.2 Früherkennungszentren für psychische Erkrankungen: ein Komplementärangebot der psychiatrischen Regelversorgung (2) In diesem Artikel werden Daten zu Personen präsentiert, die an einem universitären Früherkennungszentrum von Juli 2009 bis April 2012 untersucht wurden. Bei dem Früherkennungszentrum handelt es sich um ein niedrigschwelliges Diagnostik- und Behandlungsangebot für junge Menschen mit dem Verdacht einer psychischen Erkrankung. Insgesamt nahmen 192 Personen das Angebot eines Erstkontaktes war, dabei betrug der Altersdurchschnitt 25 Jahre. Knapp die Hälfte (46 %) aller Personen wurden vom Psychiater oder Psychotherapeuten geschickt, die andere Hälfte nahm aus eigener Initiative oder nach Anregung durch Freunde oder Familie den Kontakt auf. Von den 192 Erstkontakten durchliefen 149 Personen das gesamte Diagnostikprogramm. Dabei gaben 30 % an bisher noch nie in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung gewesen zu sein. Bei den 149 Personen mit kompletter Diagnostik lag nur bei 20 (13 %) keine psychiatrische Erkrankung vor. Insgesamt 78 Patienten (52 %) erfüllten die Kriterien für eine psychiatrische Erkrankung, 21 Patienten (14 %) für zwei Erkrankungen und 10 Patienten (7 %) für drei Erkrankungen. Außerdem erfüllten 49 Personen (33 %) die Kriterien für die Zuordnung zu einer (Ultra)(Hoch)-Risikogruppe, davon jeweils 27 Personen (18 %) für Psychosen und für Bipolare Störungen. Von diesen Personen wiesen vier Patienten Hochrisikokriterien für beide Gruppen auf. Außerdem waren 63 % aller (Ultra)Hochrisikopersonen für Bipolare Störungen und 48 % aller Hochrisikopersonen für Psychosen zum Zeitpunkt der Untersuchung manifest an mindestens einer anderen psychiatrischen Störung (z.B. Depression oder Angststörung) erkrankt. Die Patienten mit manifester psychiatrischer Erkrankung erhielten bei bestehender Indikation nach ausführlicher Aufklärung eine Therapieempfehlung und Weitervermittlung in die psychiatrische Regelversorgung. Hierbei wurde bei 11 % eine stationäre und bei 14 % eine teilstationäre Behandlung in einer psychiatrischen Klinik empfohlen. 52 % wurde eine ambulante Psychotherapie nahe gelegt und bei 44 % wurde zur ambulanten Weiterbetreuung durch einen Facharzt für Psychiatrie Seite 6 geraten. Bei 20 % erfolgte die Empfehlung von unspezifischen Angeboten wie z.B. Entspannungstraining, Familienberatung, Drogenberatung, etc. Fazit: Die große Mehrheit der im Früherkennungszentrum untersuchten Patienten weisen bereits manifeste psychische Erkrankungen auf und benötigen eine entsprechende Therapie. Abb. 4: Quelle (2) Abb. 5: Quelle (2) Seite 7 Ab Abb. 6: Quelle (2) Abb. 7: Quelle (2) Ziele der Früherkennung und bedarfsgerechten Frühintervention sind: • Reduktion der frühen Symptomatik, • Verbesserung oder zumindest die Stabilisierung des funktionellen Status auf einem möglichst hohen Niveau, • Verhinderung/Verzögerung der Erkrankungsmanifestation, • Minimierung des Erkrankungsschweregrades, • Verkürzung unbehandelter Krankheitsphasen sowie Seite 8 • positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs, falls eine Verhinderung der Vollmanifestation einer Bipolaren Störung nicht möglich ist. 2. Diagnostik und Epidemiologie 2.1 Bipolare Störungen im neuen DSM-5 Klassifikationssystem der APA (3) Im Frühjahr 2013 ist die 5. Auflage des Klassifikationssystems „Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders“ (DSM-5) der American Psychiatric Association erschienen. DSM-5 hat auch einige wichtige Neuerungen auf dem Gebiet der Bipolaren Störungen mit sich gebracht. Neue Einordnung Bipolarer Störungen im DSM-5 Im DSM-5 finden sich „Bipolar and related Disorders“ erstmalig in einem eigenen Kapitel wieder, lokalisiert zwischen den Kapiteln „schizophrenia spectrum and other psychotic disorders“ sowie „depressive disorders“. Umfassen tut dieses neue Kapitel, wie gehabt, die Bipolar I Störung, die Bipolar II Störung sowie die Zyklothyme Störung. Doch es gibt diagnostische Erweiterungen – und nicht alle Kriterien für die etablierten Bipolaren Störungen sind dieselben geblieben. Diagnostische Erweiterungen Neu hinzugekommen sind die „substance/medication-induced bipolar and related disorder“, hervorgegangen aus der „substance-induced mood disorder“ (DSM-IV-TR) sowie die „bipolar and related disorder due to another medical condition“, hervorgegangen aus der „mood disorder due to a general medical condition“ (DSM-IV-TR). Die bisherige Kategorie der „bipolar disorder not otherwise specified“ (DSM-IV-TR: 296.80) wird weiter unterteilt in die neue Kategorie „other specified bipolar and related disorder“ (DSM-5: 296.89) sowie die „unspecified bipolar and related disorder“ (DSM-5: 296.80). Letztere umfasst, wie schon im DSM-IV-TR Pendant (296.80) u.a. Situationen, in denen der Arzt auf Grund unzureichender Informationen (noch) nicht bestimmen kann, z.B. in Rahmen einer Notaufnahme, welche Bipolare Störung denn nun genau vorliegt[2]. Erstere umfasst näher spezifizierte bipolare Störungen, die jedoch unter der bisherigen diagnostischen Schwelle für die etablierten Bipolaren Störungen bleiben (Bipolar I, Bipolar II, Zyklothyme Störung)“, im Sinne einer „subthreshold bipolar disorder“. Von DSM-5 als Beispiele angegeben werden Krankheitsbilder, die unterschwellige hypomanische Episoden umfassen, in Verbindung mit Episode(n) einer Major Depression, nämlich „short-duration hypomanic episodes (2-3 days) and major depressive epsiodes“ sowie „hypomanic episodes with insufficient symptoms and major depressive episodes“, bzw. auch ausgewachsene hypomanische Episoden, jedoch ohne bisherige Episoden einer Major Depression „hypomanic episode without prior major depressive episodes“. Schließlich wird auch noch eine unterschwellige zyklothyme Störung definiert (short-duration cylothymia (less than 24 months)), die, wie im Namen bereits erwähnt, das konventionelle Zeitkriterium von mindestens 24 Monaten nicht erfüllt. Seite 9 Gemischte Episode: Mixed specifier Bisher konnte eine Bipolar I Störung bei Vorliegen einer einzigen gemischten Episode diagnostiziert werden. Dies Möglichkeit besteht in DSM-5 nicht mehr – da es keine gemischte Episoden mehr gibt – dafür jedoch, auf hypomanische, depressive und manische Episoden anwendbar, „mixed specifiers“. Die bisherige gemischte Episode wäre nunmehr eine manische Episode, mit „mixed features“. Diese neuen „specifiers“ erlauben nun auch „mixed hypomania“ und „mixed depression“ zu diagnostizieren, was praktisch hilfreich und prognostisch wesentlich sein kann, da z.B. (hypo)manische Symptome während einer Episode einer Major Depression (bei bisher unipolarem Verlauf) einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Bipolar I oder Bipolar II Störung darstellen. Als einen weiteren neuen „specifier“ für die aktuelle oder zuletzt aufgetretene Episode gibt es zudem with anxious features“, aus dem Wissen heraus, dass ängstliche Krankheitsmerkmale häufig vorkommen und mit einer schlechteren Prognose assoziiert sind. Neuer Kriterien für bekannte Diagnosen Zu begrüßen ist auch, dass nunmehr neben einer gehobenen, expansiven oder gereizten Stimmungslage eine Zunahme zielgerichteter Aktivität bzw. von Energie ein obligatorisches Symptom für eine hypomanische oder manische Episode darstellt. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass, dass nunmehr auch (hypo)manische Episoden, selbst wenn sie unter Antidepressiva erstmalig auftreten, prinzipiell als richtige (hypo)manische Episode zählen können, und damit die Diagnosestellung einer Bipolaren Störung, bei früher stattgehabter depressiver Episode, möglich ist – vorausgesetzt, die Dauer der (hypo)manischen Episode geht in voller Ausprägung über die physiologische Wirkung des Antidepressivums (nach dessen Absetzen) hinaus. Dies ist sicherlich ein zu begrüßender und praktikabler Schritt, insbesondere für den prospektiven Verlauf von Patienten mit Major Depression. Fazit: DSM-5 hat einige wichtige Veränderungen hinsichtlich der Diagnostik Bipolarer Störungen mit sich gebracht. Krankheitsbilder, die die Kriterien für Bipolare Störungen erfüllen, jedoch im Rahmen von Substanzkonsum oder körperlichen Erkrankungen auftreten finden sich nunmehr auch in dem neu geschaffenen Kapitel „Bipolar and related disorders“. Ebensolches gilt für Krankheitsbilder, die bisher als „subthreshold bipolar disorders“ fungiert hätten, und sich nunmehr in der Gruppe „other specified bipolar and related disorder“ wiederfinden. Eine Zunahme zielgerichteter Aktivität bzw. Energie ist, neben einer gehobenen, expansiven bzw. gereizten Stimmung, nunmehr ein obligatorisches Symptom für (hypo)manische Episoden. Unter Antidepressiva sich entwickelnde (hypo)manische Episoden können jetzt, sofern die Symptomatik in unveränderter Form auch nach Absetzen des Antidepressivums über den physiologischen Effekt des Antidepressivums hinaus in gleicher Ausprägung bestehen bleibt, für die Diagnosestellung einer Bipolar I bzw. II Störung herangezogen werden. Seite 10 Während einige dieser Neuerungen, insbesondere was den Zusatz von zielgerichteter Aktivität/Energie als obligatorisches Symptom für (hypo)manische Episoden angeht, als sehr sinnvoll angesehen werden müssen bleibt dies für andere, z.B. unterschwellige Bipolare Störungen, erst noch zu zeigen. 2.2 Lebenserwartung um 10 Jahre verkürzt (4) Es ist aus einigen Studien, z.B. aus den USA und Schweden, bekannt, dass Patienten mit psychischen Erkrankungen im Vergleich zur Normalbevölkerung kürzer leben. Dabei wurden zumeist nur die Sterberaten (standardisierte Mortalitätsrate, SMR) untersucht. Britische Forscher vom King`s Collage London wollten diese Befunde überprüfen und dabei speziell die Lebenserwartung, welche auch jüngere Menschen in die Kohorte einschließt, in den Blick nehmen. Sie hatten Zugriff auf sehr gut dokumentierte, elektronische Daten des South London and Maudsley NHS Foundation Trust (SLAM), einem der größten Anbieter von Betreuungsprogrammen bei psychischen Erkrankungen in Europa. Dieser Dienst hält ambulante, stationäre und gemeindenahe psychiatrische Leistungen für einen großen Einzugsbereich mit etwa 1,2 Millionen Einwohnern im Südosten Londons vor. Es wurden 31.719 Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen, d.h. mit den Diagnosen Schizophrenie (ICD 10: F20), schizoaffektive Störung (F25), bipolare Störung (F31), Suchterkrankungen (F10 bis F19), depressive Episode (F32) und rezidivierende depressive Störung (F33), die zwischen 2007 und 2009 vom SLAM betreut wurden, in die Untersuchung eingeschlossen. Verglichen wurde deren Lebenserwartung mit dem britischen Durchschnitt der Lebenserwartung bei Geburt (2006-2008). Dabei zeigte sich, dass bei der bipolaren Störung die Lebenserwartung etwa 10 Jahre verkürzt ist: Bei Männern um 10,1 Jahre und bei Frauen um 11,2 Jahre. Die deutlichsten Abweichungen von der Lebenserwartung der Allgemeinbevölkerung zeigten Frauen mit schizoaffektiver Störung: Sie hatten mit 64,1 Jahren eine um 17,5 Jahre verkürzte Lebenserwartung. Männliche Patienten mit einer Schizophrenie erreichten im Durchschnitt nur ein Alter von 62,8 Jahren und starben damit 14,6 Jahre eher als die anderen britischen Männer. Die Abbildung 8 zeigt eine Tabelle mit weiteren diagnosespezifischen Ergebnissen. Die Todesursachen wurden in der vorliegenden Studie nicht untersucht. Die Autoren vermuten, dass die Differenz der Lebenserwartungen nicht allein durch Suizide zu erklären ist. Bezugnehmend auf eine andere britische Studie wurde diskutiert, dass Herzinfarkte oder Schlaganfälle todesursächlich gewesen sein könnten. Auf andere Untersuchungen über unausgewogene Ernährung, physische Inaktivität sowie metabolische und kardiovaskuläre Nebenwirkungen bei langjähriger Neuroleptikabehandlung von psychiatrischen Patienten wurde in diesem Zusammenhang verwiesen. Fazit: Die Ergebnisse der Studie demonstrieren den wesentlichen Einfluss einer schweren psychischen Erkrankung, wie der bipolaren Störung, auf die Lebenserwartung, vergleichbar mit weithin bekannten Risikofaktoren wie Rauchen, Fettsucht oder Diabetes. Sie heben die Notwendigkeit von zu entwickelnden Strategien gegen die Früh-Mortalität vor. Der Verhinderung von Suiziden wird hierbei nach wie vor hohe Bedeutung zukommen; allerdings müssen weitere Ursachen, wie kardiovasculäre Erkrankungen, Krebs oder Diabetes mellitus erkannt und behandelt werden. Seite 11 Abb. 8: Quelle (4) 2.3 Erhöhtes Demenzrisiko bei Patienten mit einer Bipolaren Erkrankung (5) Gegenstand der Untersuchung war die Fragestellung, ob Patienten mit einer Bipolaren Erkrankung ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Demenz aufweisen. Kognitive Defizite können bei bipolar Erkrankten auch in euthymen Phasen vorliegen, jedoch wurde der mögliche Zusammenhang mit verändertem Demenzrisiko bislang hauptsächlich für unipolar depressive Patienten untersucht. Die Autoren dieser Studie, die in Taiwan durchgeführt wurde, nutzten Informationen einer landesweiten Datenbank für Krankenversicherte. Sie konnten zwischen 2000 und 2009 insgesamt 9.304 Patienten identifizieren, bei denen in diesem Zeitraum erstmalig eine Demenz diagnostiziert wurde und stellen ihnen etwa 55.000 Versicherte gegenüber, die keine Demenzdiagnose hatten. Es konnte gezeigt werden, dass das Vorliegen einer Bipolaren Erkrankung mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden war, und dies nicht durch eine Reihe von anderen Variablen erklärt werden konnte, wie z.B. zerebrovaskuläre Erkrankungen, Substanzabusus, oder verschiedene Formen der Inanspruchnahme des Versorgungssystems. In der Gruppe der Demenzerkrankten hatten 1,37 % der Patienten anamnestisch die zusätzliche Diagnose einer Bipolaren Erkrankung, in der Kontrollgruppe nur 0,25 %. Fazit: Die pathophysiologischen Grundlagen der gefundenen Assoziation, die für Männer und Frauen gleichermaßen nachgewiesen werden konnte, verbleiben Gegenstand weiterer Forschung. Diskutiert werden hirnmorphologische Aspekte, wie vermindertes Volumen des Frontalcortex oder Stoffwechselveränderungen, beispielsweise im Glucocorticoidhaushalt. Seite 12 Abb. 9: Quelle (5) Abb. 10: Quelle (5) Seite 13 3. Suizidforschung 3.1 Häufigkeit von Suiziden bei Patienten mit bipolaren Störungen: Zusammenfassung aktueller epidemiologischer Daten (6) Aufgrund der erheblichen gesellschaftlichen Bedeutung ist die Therapie suizidalen Verhaltens in den letzten Jahren zunehmend in den Mittelpunkt psychiatrischer Forschung gerückt und nimmt damit auch einen größeren Stellenwert in der Erarbeitung von Behandlungs- und Präventionsstrategien ein. Pompili und Kollegen berichten in dieser umfassenden Übersichtsarbeit die derzeitigen Erkenntnisse, wie häufig Suizide bei Erwachsenen mit bipolarer Störung auftreten. Dazu führten die Forscher eine systematische Literaturanalyse innerhalb verschiedener Datenbanken (z.B. Pubmed/Medline, Cochrane u.a.) durch und filterten dabei alle (N=455) zu diesem Thema erschienenen, englischsprachigen Arbeiten der Jahre 1980 bis 2011 heraus. Alle Studien, die epidemiologische Daten zu dem Thema „Suizid“, „Bipolare Störung (BD)“, „Erwachsene“ enthielten, wurden hinsichtlich des Inhaltes einer weiteren Prüfung unterzogen. Studien mit Daten zu Untersuchungen über Suizidgedanken und Suizidversuchen wurden nicht mitberücksichtigt. Insgesamt konnten 34 Artikel in die Analyse einbezogen werden. Mit ihrem Review konnten die Forscher zeigen, dass das Suizidrisiko bei erwachsenen Patienten mit bipolarer Störung insgesamt 20-30mal höher ist, verglichen mit dem Risiko für die allgemeine Bevölkerung. Insbesondere war dieses Risiko bei jungen Patienten während der ersten Jahre ihrer Erkrankung erhöht. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die einzelnen einbezogenen Studien zum Teil verschiedene Ergebnisse präsentierten. Abhängig von den eingeschlossenen Studienteilnehmern unterschied sich das relative Risiko beispielsweise abhängig vom Geschlecht, dem Auftreten früherer Suizidversuche, Dauer der Erkrankungen, Medikation etc. Das Review bestätigte, dass das Risiko bei Patienten mit einem früheren Suizidversuch in der Geschichte erhöht ist, ebenso bei Patienten, die kürzlich aus einer stationären Behandlung entlassen wurden sowie bei Patienten, die arbeitsbezogene Probleme haben. Innerhalb verschiedener psychiatrischer Erkrankungen weisen Patienten mit einer bipolaren Störung den stärksten Zusammenhang zwischen Erkrankung und Suizid auf – Suizide von Patienten mit BD machen etwa ein Viertel aller Suizide aus. Es bestätigte sich ebenfalls, dass durch Suizid verstorbene bipolare Patienten charakteristische Risikofaktoren aufweisen. Ein vorangegangener Suizidversuch, das Vorkommen von Suiziden bei Familienangehörigen ersten Grades oder das gleichzeitige Vorliegen einer Angsterkrankung gehören zu den Risikofaktoren mit dem stärksten Einfluss. Besonders heben die Autoren den Einfluss der pharmakologischen Behandlung hervor: Patienten, die mit Antidepressiva behandelt werden und eine stimmungsstabilisierende Substanz (insbesondere Lithium) absetzen, haben ein deutlich erhöhtes Risiko, durch Suizid zu versterben. Seite 14 Abb. 11: Quelle (6) Abb. 11: Quelle (6) 3.2 Die suizidprophylaktischen Eigenschaften von Lithium bei Patienten mit affektiven Störungen: Übersicht und Metaanalyse (7, 8) Für Lithium als eine der ältesten in der Psychiatrie verwendeten pharmakologischen Substanzen wurde seit Anfang der 90iger Jahre ein eigenständiger, im Vergleich zu anderen Psychopharmaka wahrscheinlich spezifischer sogenannter anti-suizidaler Effekt nachgewiesen. Trotz dieses Wissens und des heute ebenfalls in nationalen und internationalen Leitlinien dokumentierten Stellenwertes von Lithium in der Akut-und Erhaltungstherapie affektiver Störungen ist Lithium hinsichtlich seiner Verschreibungshäufigkeit im Vergleich zu anderen psychotropen Substanzen unterrepräsentiert. Seite 15 Die aktuellste Übersicht zum Thema suizidprotektive Wirkung von Lithium stammt von Cipriani et al. (8). Die Forscher führten ein umfassendes Review sowie eine Metaanalyse der zu diesem Thema erschienenen Arbeiten durch. Dazu wurden verschiedene Literaturdatenbanken (z.B. Medline, Embase, etc.), aber auch Datenbanken der Zulassungsbehörden (FDA) genutzt und alle randomisierten, kontrollierten Studien eingeschlossen, welche Lithium bzw. andere aktive Substanzen (beispielsweise Antidepressiva, andere Stimmungsstabilisierer) oder Plazebo in der Langzeitbehandlung (definiert als Behandlung länger als 12 Wochen) von affektiven Störungen untersuchten. Es wurden Studien von Erwachsenen aber auch von Kindern und Jugendlichen eingeschlossen, die die alleinige Therapie mit einer der Substanzen aber auch Kombinationsbehandlungen (verschiedene Medikamente) sowie Augmentationsbehandlungen beinhalteten. Als zu untersuchende Zielgrößen wurden „suizidale Ereignisse“, „Selbstverletzendes Verhalten“ sowie „Gesamtsterblichkeit“ definiert. Von den insgesamt 1.491 zu diesem Thema gefundenen Studien konnten 48 zwischen 1968 und 2013 publizierte Arbeiten eingeschlossen werden. Die durchschnittliche Behandlungszeit mit Lithium bzw. der Vergleichssubstanz betrug 19.1 Monate, insgesamt waren 6.674 Patienten zu einem der Behandlungsarme (Lithium oder Plazebo oder andere aktive Substanz) randomisiert worden. Lithium war in der Verhinderung von Suiziden (Odds Ratio 0.13, 95 % Konfidenzintervall 0.03-0.66) sowie hinsichtlich der Gesamtsterblichkeit (Odds Ratio 0.38, 0.15-0.95) effektiver als Plazebo, weniger deutlich überlegen in der Verhinderung von Selbstverletzenden Verhalten (Odds Ratio 0.60, 0.27-1.32). Im Vergleich zu Carbamazepin zeigte Lithium eine stärkere Überlegenheit in der Verhinderung von selbstverletzenden Verhalten (Odds Ratio 0.14, 0.02-0.83). Abb. 13: Quelle (8) Mit dieser Metaanalyse konnte erneut bestätigt werden, dass Lithium im Vergleich zu Plazebo mit einem erniedrigten Risiko für Suizide sowie im Vergleich mit Carbamazepin mit einem reduzierten Risiko für selbstverletzendes Verhalten assoziiert ist. Die Autoren fanden des Weiteren heraus, Seite 16 dass Lithium die Zahl der Suizide und die Gesamtsterblichkeit sowohl in Patienten mit unipolarer als auch in Patienten mit bipolarer Depression senkt. Sie schlussfolgerten, dass Lithium in der Behandlung von Menschen mit affektiven Störungen eine wichtige Rolle spielt, insbesondere bei Vorliegen von Suizidalität aber auch bei Patienten, die ein Risiko für selbstverletzendes Verhalten aufweisen. 4. Neurobiologie und Neuropsychologie 4.1 Tiefe Hirnstimulation (subgenuales Cingulum) bei der Behandlung der Bipolaren Depression (9, 10) Zwei Berichte beschäftigen sich mit der Tiefen Hirnstimulation (THS) bei der Behandlung der Bipolaren Störung. Bisherige Studien zur antidepressiven Wirksamkeit der THS fokussieren überwiegend auf drei in dem Depressionsnetzwerk zentrale Knotenpunkte, den vorderen Schenkel der Capsula interna, den Nacc und das subgenuale Cingulum (Cg25). In allen bislang vorliegenden Studien, mit Ausnahme der gerade erst veröffentlichten Studie zur Untersuchung der Auswirkungen der THS an der Abzweigung des superolateralen Arms des medialen Vorderhirnbündels, wird eine durchschnittliche Symptomverbesserung um 50 % in 50-60 % der ansonsten therapierefraktären depressiven Patienten beschrieben. In einige dieser Studien wurden bereits wenige Patienten mit therapieresistenter Depression im Rahmen einer Bipolaren Störung integriert, eine differenzierte Betrachtung dieses Patientenklientels konnte jedoch aufgrund der geringen Einschlusszahlen bislang nicht getroffen werden. Die jetzt erschiene Open-label Studie von der Arbeitsgruppe um Helen Mayberg untersucht 10 Patienten mit einer unipolaren Depression und 7 Patienten mit einer Bipolar II Störung und zeigt die gleiche Effektivität der Cg25-THS über einen Beobachtungszeitraum von 24 Wochen in beiden Patientengruppen (Holtzheimer et al. 2012). Zudem wird festgehalten, dass es zu keinen hypomanen oder manischen Episoden im Verlauf und zu keiner Symptomverschlechterung nach Remission kam. In Ergänzung zu dieser Studie berichten Torres und Mitarbeiter (2013) von der stabil antidpressiven Wirkung der Cg25-THS bei einer 74jährigen Bipolar Typ I Patientin mit einer zuletzt über zwei Jahre therapierefraktären depressiven Episode. Auch hier kam während des Beobachtungszeitraums von 9 Monaten zu keiner hypomanen oder manischen Episode. Diese ersten Berichte sind vielversprechend, bedürfen aber weiterer Untersuchungen in kontrollierten Studiendesigns über längere Beobachtungszeiträume. Seite 17 Abb. 14: Quelle 9 Abb. 15: Quelle 9 Seite 18 Abb. 16: Quelle 10 Abb. 17: Quelle (10) 4.2 Strukturelle Gehirnveränderungen bei Patienten mit einer Bipolaren Erkrankung: Befunde des ENIGMA Consortiums (11) Morphologische Veränderungen basierend auf strukturellen Magnetresonanztomographie (MRT) Befunden wurden bei Patienten mit Bipolarer Störung wiederholt in der Literatur beschrieben, allerdings waren die Befunde häufig widersprüchlich bzw. kleinen Fallzahlen erhoben. Im Kontext eines internationalen Neuroimaging Konsortiums (Enhancing Neuroimaging Genetics through Meta-Analysis, ENIGMA) wurden strukturelle Magnetresonanztomographie (MRT) Daten aus 20 Zentren von 1.747 Seite 19 bipolaren Patienten und von 2.615 korrespondierenden gesunden Kontrollpersonen auf Volumenunterschiede in 9 Regionen untersucht; dies waren der Nucleus accumbens, Amygdala, Kaudatus, Hippocampus, Pallidum, Putamen, Thalamus, Seitenventrikel und intrakranielles Volumen. age, sex, and differences in head size (ICV) as covariate. In der Analyse zeigte, sich dass die Gruppe der bipolaren Patienten signifikante Volumenreduktionen in den folgenden Regionen aufwiesen: Hippocampus, Thalamus und Amygdala. Des Weiteren zeigte sich, dass bipolare Patienten signifikant größere Ventrikel aufweisen. Bei den übrigen 5 Strukturen fanden sich keine signifikanten Veränderungen im Vergleich zu den Kontrollen. Fazit: Diese mit Abstand bislang größte Untersuchung von einzelnen MRT Befunden belegt strukturelle Gehirnveränderungen bei Patienten mit Biolarer Störung. Abb. 18: Quelle (11) 4.3 Günstiger Einfluss einer Lithiumtherapie auf das Hippocampusvolumen ist unabhängig vom rezidivprophylaktischen Ansprechen (12) Die Autoren der Studie untersuchten 37 Patienten mit einer Bipolaren Störung und langjähriger (seit mindestens 2 Jahren) bestehender Lithiumtherapie, oder bislang nicht erfolgter längerer Lithium-Behandlung und 19 gesunde Kontrollpersonen. Die Studienteilnehmer wurden über spezialisierte Kliniken in Canada, Deutschland und vier weiteren europäischen Ländern rekrutiert. Um die Hippocampusvolumina zu bestimmen, wurde eine magnetresonanztomografische Untersuchung (MRT) durchgeführt. Es konnte nachgewiesen werden, dass nicht mit Lithium behandelte langjährig erkrankte Patienten (> 10 Jahre bipolar erkrankt und mindestens 5 Krankheitsepisoden) geringere Hippocampusvolumina aufwiesen, als gesunde Personen; hingegen zeigte sich zwischen den mit Lithium behandelten Patienten und Gesunden dieser Unterschied nicht. Die Gruppe der mit Lithium behandelten Patienten wurden nochmals unterteilt in die mit guter Response auf Lithium Seite 20 und solche mit weniger guter Response. Der Effekt einer Hippocampusvolumen, wie er sich für die Lithiumgruppe im Vergleich zur Nicht-Lithium Gruppe zeigte, war in beiden Gruppen gleichermaßen vorhanden. Abb. 19: Quelle (12) Abb. 20: Quelle (12) Fazit: Die Ergebnisse der Studie unterstützen die Hypothese, dass mit fortschreitender Bipolarer Störung auftretende Verminderungen des Hippocampusvolumens durch mögliche neuroprotektive Effekte einer Lithiumbehandlung, aber nicht durch andere pharmakologische Behandlungen, günstig beeinflusst werden können. Da sich dieser Effekt auch bei weniger guten Lithium-Respondern zeigte, kann spekuliert werden, dass dieser neuroprotektive Effekt (und seine neurobiologische Basis) von Lithium unabhängig von seinen rezidivprophylaktischen Wirkungen eintritt. Seite 21 4.4 Meta-Analyse zu kognitiven Beeinträchtigungen bei bipolaren Patienten in euthymen Phasen (13) Bipolare Störungen sind häufig – auch in euthymen Phasen – mit kognitiven Einschränkungen der betroffenen Patienten assoziiert. So fand sich in Untersuchungen und Metaanalysen immer wieder Anhalt für derartige Probleme, allerdings sind diese Befunde inkonsistent. Aus diesem Grund reanalysierten Bourne et al. in der zugrundeliegenden Arbeit 31 Primärstudien (25 zwischen Januar 2007 und Juni 2010 veröffentlicht und partiell in Metaanalysen verarbeitet und 6 unveröffentlicht) mit N=2.876 Probanden (N=1.276 aktuell euthyme bipolare Probanden und 1.609 gesunde Kontrollprobanden) als Komplettset, indem sie 11 spezifische Outcomeparameter aus den Bereichen Lernen und Gedächtnis von verbalem Material (CVLT/RAVLT), Verarbeitungsgeschwindigkeit bei Aufgabenwechsel (TMT-A und B), nonverbales Arbeitsgedächtnis (Zahlenspanne vorwärts und rückwärts) und exekutive Funktionen/kognitive Flexibilität bzw. set-shifting (WCST) untersuchten. Neben dem Hauptziel der Arbeit, der Überprüfung der Größe des Einflusses konfundierender Faktoren auf die bisherigen Befunde, sollte auch der Einfluss der Medikation und der Krankheitsschwere auf die kognitiven Beeinträchtigungen überprüft werden. Die Gruppe der bipolaren Patienten ähnelte der Kontrollgruppe bezüglich der Geschlechterverteilung, war aber im Durchschnitt signifikant älter und wies eine durchschnittlich kürzere Schulbildung und auch einen signifikant geringeren durchschnittlichen prämorbiden IQ als die Kontrollgruppe auf. In allen gemessenen kognitiven Parametern zeigte sich eine deutlich geringere kognitive Leistungsfähigkeit der Probanden der bipolaren Gruppe, wobei diese Unterschiede zwischen den Gruppen mit der Effektgröße zunahm (insbesondere bei VLT, TMT-B und Zahlenspanne vorwärts und rückwärts). Für den Unterschied zwischen den Gruppen im TMT-A und der Anzahl der erreichten Kategorien im WCST zeigte sich in einer Metaregression die Verringerung der residualen Stimmung als entscheidend, während die Gruppenunterschiede zwischen den anderen gemessenen kognitiven Funktionen hiervon unbeeinflusst blieben. Innerhalb der bipolaren Gruppe fand sich ein Zusammenhang zwischen der Depressionsschwere und der Gedächtnis-, Geschwindigkeitsund der Leistung in den Exekutivfunktionen dahingehend, dass die Schwere der Depression mit schlechteren Ergebnissen in den drei Bereichen einherging. Es zeigte sich kein Effekt bezüglich der Schwere der Manie auf ein Outcomeparameter. Sowohl bezüglich der Medikation, die von 952 Probanden vollständig vorlag, als auch der Krankheitsschwere (Episoden und Krankenhausbehandlungen) ergaben sich nur in wenigen Bereichen maximal leichtgradige Effekte. So zeigte weder die Lithiumbehandlung, noch die mit Antidepressiva oder Antikonvulsiva einen Effekt auf die gemessenen kognitiven Leistungen, die mit Antipsychotika behandelten Probanden zeigten eine signifikant reduzierte Leistungsfähgikeit bezüglich des Gedächtnisses für verbales Material (VLT). Medikamentenfreiheit erhöhte die Gedächtnisleistungen für alle genannten Medikamentengruppen (Gesamtgedächtnis und Langzeit). Von den Krankheitsvariablen hatte die Anzahl manischer Episoden Einfluss auf das Ergebnis in Subskalen des VLT sowie auf das im TMT-A, wohingegen die Anzahl der Gesamtepisoden ausschließlich das Ergebnis im TMT-A beein- Seite 22 flusste, ebenso wie die Anzahl der stationären Behandlungen wegen Depression. Die Anzahl der gesamten Krankenhausbehandlungen hatte Einfluss sowohl auf das Ergebnis im TMT-A wie auch -B, während die Anzahl depressiver Episoden und die stationären Behandlungen wegen Manie ohne Einfluss auf gemessene kognitive Funktionen blieben. Fazit: Da alle genannten Ergebnisse immer für das Alter, den IQ und das Geschlecht kontrolliert wurden, ergab diese Untersuchung deutlichen Anhalt für das Vorliegen kognitiver Defizite bei bipolar Erkrankten auch in euthymen Phasen in den beschriebenen Bereichen unabhängig von den genannten Faktoren. Die meisten dieser Effekte können, so ein weiteres Ergebnis dieser Studie – entgegen bisheriger Annahmen – nicht hauptsächlich als Residualsymptome der Erkrankung oder als Medikamentennebenwirkung interpretiert werden, wohl aber als relativ nichtspezifische Effekte vielfältiger Netzwerkfunktionen des Gehirns. Abb. 21: Quelle (13) Seite 23 Abb. 22: Quelle (13) 5. Pharmakotherapie Studien mit etablierten Substanzen in der Therapie Bipolarer Störungen 5.1 Internationale Kohortenstudie zur Wirksamkeit von Lithium in der Langzeitbehandlung Bipolarer Störungen (14) Die Veröffentlichung der International Group for the Study of Lithium-Treated Patients (IGSLi, 14) beschreibt die Ergebnisse einer prospektiven Kohortenstudie von Patienten mit bipolaren Störungen aus Deutschland, Kanada und Polen. Ziel war es, die Wirksamkeit einer Langzeit-Lithium-Behandlung vor allem bezüglich der langfristigen Stabilisierung des Krankheitsverlaufs zu untersuchen. Insgesamt wurden 346 Patienten über im Mittel zehn Jahre ihrer Lithiumbehandlung im Rahmen ihrer Routineversorgung nachverfolgt (Spannweite 1 bis 20 Jahre). Als Parameter für die Langzeitstabilität wurde der Krankheits-Index (Morbidity Index) über die Zeit untersucht. Dieser ergibt sich für je ein Jahr, wenn Wochen mit leichter, mittelschwerer oder schwerer Symptomatik gewichtet addiert und durch die Gesamtzahl der Wochen des Jahres geteilt werden. Im Ergebnis fanden die Autoren einen stabilen, niedrigen Krankheits-Index von im Mittel 0,125 ± 0,299 im ersten und 0,110 ± 0,267 im 20. Jahr. Der niedrige Index spricht für eine gute Langzeitprophylaxe. Fazit: Die präsentierte Studie ist eine der wenigen großen Kohortenstudien an Patienten mit Bipolaren Störungen, und die einzige, welche die Langzeitstabilität unter Lithiumbehandlung über einen so langen Zeitraum untersucht hat, und die Wirksamkeit einer Lithium Langzeittherapie bestätigt. Einschränkend ist zu beachten, dass die verwertbaren Fallzahlen mit der Dauer der Studie sanken, 165 Patienten wurden mindestens 10 Jahre, 93 mindestens 15 und nur 45 Patienten mindestens 20 Jahre nachbeobachtet. Seite 24 Abb. 23: Quelle (14) 5.2 Die Wirksamkeit von Lithium nach Absetzen und erneutem Beginn (15) Lithium ist der Goldstandard in der Langzeitbehandlung Bipolarer Erkrankungen. Ein Absetzen von Lithium ist regelhaft mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, eine erneute Episode zu erleiden, vergesellschaftet. Zusätzlich gibt es Fallberichte, die nahelegen, dass eine erneute Behandlung mit Lithium nach einem vorherigen Absetzen mit einer verminderten phasenprophylaktischen Wirksamkeit einhergehen kann. Die vorliegende Studie nimmt sich dieser Fragestellung im Rahmen einer Metaanalyse an. Eingeschlossen wurden hierbei von den Autoren prospektive Studien, in denen bipolare Patienten auf Lithium eingestellt wurden, dieses zu einem späteren Zeitpunkt absetzten, in der Folge dann jedoch wieder auf Lithium eingestellt wurden. Verglichen wurde für die vorliegende Arbeit der Zeitraum, in dem die Patienten Lithium das erste Mal erhalten hatten mit dem Zeitraum, in dem sie Lithium nach dem Absetzen wieder erhalten hatten. Die Literatursuche ergab hierbei 5 relevante Arbeiten, von denen jedoch nur 3 die für die Metaanalyse notwendigen Angaben beinhalteten, insgesamt handelt es sich um eine Stichprobe von n= 212. Die „pooled odds ratio“ für das Auftreten einer oder mehrerer neuer Episoden nach der Unterbrechung der Lithiumbehandlung im Vergleich zur kontinuierlichen Behandlung betrug hierbei 1.40 (95 % confidence interval: 0.85-2.31; p=0.19). Somit ergab diese Meta-Analyse zumindest keinen klaren Hinweis dafür, dass Lithium tatsächlich weniger effektiv bei erneuter Gabe nach einer vorherigen Unterbrechung ist. Das Ergebnis schließt allerdings nicht aus, dass es Untergruppen von mit Lithium behandelten Patienten geben kann, auf die die getestete Hypothese dieser Studie zutrifft. Als limitierende Faktoren werden die geringe Anzahl der zur Verfügung stehenden Studien genannt, ferner die Tatsache, dass Informationen bez. potentieller konfundierender Variablen, wie zum Beispiel Begleitmedikation oder Lithiumspiegel nur teilweise zur Verfügung standen. Somit fordern die Autoren, dass weitere größere prospektive Studien notwendig sind, um die Frage nach einer „Lithium Refraktärität“ nach vorherigem Absetzen sicher beantworten zu können. Seite 25 Abb. 24: Quelle (15) Abb. 25: Quelle (15) 5.3 Niedrige Lithium-Serumspiegel (<0.6) zeigen schlechte prophylaktische Wirksamkeit von Lithium in der Verhinderung manischer und depressiver Episoden (16) Ältere Studien zeigten, dass Lithium-Dosierungen unter 0.5 nicht die gewünschten Ergebnisse in der prophylaktischen Behandlung bipolarer Patienten erbringen. Allerdings gibt es immer wieder positive Einzelfallberichte mit niedrigerer Dosierung (0.4-0.6), die in der Regel ja auch besser verträglich sind Seite 26 als höhere. In einer neuen internationalen, randomisierten Placebo-kontrollierten Studie wurde die Wirksamkeit von Lithium im Rahmen einer Zulassungsstudie eines atypischen Antipsychotikums als Goldstandard mit untersucht. In dieser Studie wurde gezeigt, dass Lithium signifikant die Zeit bis zu einem Rezidiv verlängert im Vergleich zur Placebobehandlung. In einer Post-hoc Analyse haben die Autoren nun untersucht, inwiefern die Höhe des Lithiumspiegels einen Einfluss auf das Ergebnis in der zweijährigen Studienphase hatte. Dabei zeigte sich ein deutlicher, klinisch relevanter Befund: Patienten mit einem Lithiumspiegel von <0,6 zeigten signifikant schlechtere Behandlungsergebnisse als die Gruppe der Patienten mit einem Spiegel mit >0.6. Und dieser Befund bezieht sich sowohl auf die Verhinderung manischer als auch depressiver Episoden gleichermaßen. Abb. 26: Quelle (16) Diese Studie bestätigt frühere Studienbefunde erneut, dass auf ausreichende Lithiumspiegel in der Langzeitbehandlung bipolarer Patienten geachtet werden muss. Ein Lithium-Serumspiegel von >0.6 ist dabei anzustreben zur optimalen Phasenprophylaxe. Das regelmäßige (ca. alle 3 Monate) Monitoring hat dabei eine bedeutende Rolle (s. auch nachstehender Beitrag). 5.4 Monitoring der Lithium Langzeitbehandlung: helfen Qualitätsverbesserungsprogramme? (17) Lithium gilt auch heutzutage als Standard in der Langzeitbehandlung Bipolarer Erkrankungen, zudem ist seine Wirksamkeit in der Rückfallprophylaxe wiederkehrender depressiver Episoden im Rahmen einer Majoren Depression erwiesen. Lithium hat allerdings auch einen engen therapeutischen Index, zudem kann es auch innerhalb dieses Indexes zu Nebenwirkungen kommen; zu nennen sind hier Veränderungen in der Schilddrüsenfunktion, zumeist im Sinne einer Hypothyreose und Struma, zum anderen, gerade wenn langfristig eingenommen, zu einer eingeschränkten Nierenfunktion. Vor diesem Hintergrund existieren von verschiedenen Leitlinien Empfehlungen hinsichtlich der zu kontrollierenden Laborparameter, vor als auch während der Behandlung Seite 27 mit Lithium. Zusätzlich sind Patienten über diese Notwendigkeiten als auch die möglichen Zeichen von Intoxikationen vor Einnahme des Medikamentes aufzuklären (Psychoedukation!). Abb. 27: Quelle (17) Die vorliegende Studie untersuchte, inwiefern solche Richtlinien, in diesem Fall von NICE (Grossbritannien) tatsächlich umgesetzt werden – und inwiefern hierbei ein Qualitätsverbesserungsprogramm helfen kann. Durchgeführt wurde die Studie in Grossbritannien, vom „Prescribing Observatory for Mental Health (POMH-UK)“, auf freiwilliger Basis, es gab insgesamt drei sogenannte „audits“, wobei beim „baseline audit“ 38 NHS Trusts Daten von 3,373 Patienten aus 436 klinischen Teams beisteuerten. Das Qulitätsverbesserungsprogramm beinhaltete neben dem Monitoring der interessierenden Parameter u.a. die Bereitstellung von Patientenbroschüren als auch von Dokumentationsmöglichkeiten für die entsprechenden Parameter. Im Vergleich zum Baseline Wert (2008) zeigte sich beim ersten follow-up (2010), dass der Anteil der Patienten auf Lithium, die mindestens 4 Lithiumspiegelbestimmungen aufwiesen, von 30 % auf 48 % angestiegen war, für die Nierenfunktion betrug der Prozentsatz der Patienten, die mindestens zwei Nierenfunktionstests während eines Jahres aufwiesen, 55 % bzw. 70 %, für die Schilddrüsenfunktion 49 % bzw. 66 %. Ältere Patienten als auch solche, die zusätzlich eine Begleitmedikation hatten, von der bekannt ist, dass sie potentiell mit Lithium interferieren kann, wurden nicht öfter gemonitort. Seite 28 Abb. 28: Quelle (17) Fazit: Die vorliegende Studie zeigt, dass durch geeignete Qualitätsverbesserungsprogramme der Anteil der mit Lithium behandelten Patienten, der die nach Guidelines empfohlenen Begleituntersuchungen erhält, deutlich gesteigert werden kann. Allerdings verbleibt auch bei dieser Studie, je nach Parameter, ein Anteil von bis zu 50 % der Patienten, der weiterhin nicht Leitlinien-gerecht behandelt wird. Hier ist nach weiteren Interventionsmöglichkeiten zu suchen, um auch für diese eine sichere und effektive Behandlung mit Lithium sicher zu stellen. 5.5 The International Society for Bipolar Disorders (ISBD) Task Force: Bericht über den Einsatz von Antidepressiva bei Bipolaren Störungen (18) Eine internationale Expertengruppe, eingesetzt von der globalen Fachgesellschaft „International Society for Bipolar Disorders“ (ISBD), entwickelte ein Konsensuspapier auf der Basis der Delphi-Methode über den Einsatz von Antidepressiva in den verschiedenen Behandlungsphasen Bipolarer Störungen. Als Basis für die Umfrage unter den Experten diente eine systematische Literatursuche zur Identifizierung aller relevanten kontrollierten Studien zu den verschiedenen Fragestellungen. Die wesentlichen Ergebnisse der Task Force sind wie folgt: • Es findet sich eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem weitverbreiteten Einsatz von Antidepressiva und der zugrundeliegenden geringen Evidenz aus kontrollierten Studien (u.a. Zahl der Studien, Effektstärken) (s. Tabelle). • Insgesamt ist die Zahl aussagekräftiger kontrollierter Studien als zu gering zu bezeichnen, um sichere Aussagen über den Einsatz von Antidepressiva zu machen. Wenn es im Einzelfall anamnestisch positive Seite 29 Behandlungserfahrungen mit Antidepressiva gibt, ist der Einsatz gerechtfertigt (gilt sowohl für die Akutphase-Therapie als auch die Rezidivproprophylaxe). • Bei der Bipolar I Störung sollten Antidepressiva allerdings nur zusammen mit einem Stimmungsstabilisierer gegeben werden; für die Gruppe der SSRI und Bupropion ist das Risiko eines „Switch“ in die Manie niedriger als für die Gruppe der Trizyklika, Tetrazyklika oder SNRIs (Venlafaxin, Duloxetin). Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Empfehlungen in den verschiedenen Behandlungsphasen und Indikationen. Abb. 29: Quelle (18) Seite 30 Abb. 30: Quelle (18) Abb. 31: Quelle (18) Seite 31 Studien mit neuen oder experimentellen Substanzen in der Therapie Bipolarer Störungen 5.6 Lurasidon Monotherapie in der Behandlung der Bipolar-IDepression: Eine randomisiert, doppel-blind, Placebokontrollierte Studie (19) In dieser Studie wurde die Effektivität und das Sicherheitsprofil von Lurasidon bei der Behandlung von Patienten mit einer depressiven Episode bei bekannter Bipolar I Störung evaluiert. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter zwischen 18 und 75 Jahren mit einer depressiven Episode von ≥4 Wochen Dauer und einem Wert ≥20 auf der Montgomery-Asberg-Depressions-Skala (MADRS). In der dreiarmigen Studie erhielten die Teilnehmer entweder Lurasidon 20-60 mg/Tag (n=166), 80-120 mg/Tag (n=169) oder Placebo (n=170) über einen Zeitraum von 6 Wochen. Primärer Endpunkt war die Reduktion des MADRS im Vergleich zur Baseline. Eine vorbestehende phasenprophylaktische Begleitmedikation wurde für den Studienzeitraum abgesetzt. Im Vergleich zu Placebo war in beiden Dosisgruppen (Lurasidon) eine signifikante Überlegenheit gegenüber der Placebo-Bedingung festzustellen. Nach 6 Wochen war in der 20-60 mg/Tag Gruppe eine Reduktion von 15,4 (Effektstärke=0,51), in der 80-120 mg/Tag Gruppe eine Reduktion von ebenfalls 15,4 (Effektstärke=0,51) und in der Placebo-Gruppe eine Reduktion von 10,7 im MADRS Score ermittelt worden. Eine signifikante Verbesserung trat auch in den sekundären Endpunkten dem CGI-BP, sowie der Angstsymptomatik und der Lebensqualität auf. Die Drop-out Raten unterschieden sich zwischen den Gruppen nicht signifikant. Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Übelkeit, Kopfschmerzen, Bewegungsunruhe und Schläfrigkeit. Es wurden minimale Veränderungen im Gewicht, den Blutfetten und dem Zuckerstoffwechsel gemessen. Abb. 32: Quelle (19) Seite 32 Abb. 33: Quelle (19) Fazit: Eine Monotherapie mit Lurasidon in der Dosis zwischen 20-120 mg/Tag führt – bei einem günstigen Nebenwirkungsprofil- zu einer signifikanten Besserung der depressiven Symptomatik in Patienten mit einer Bipolar Typ I Depression. Anmerkung: Lurasidon ist zur Behandlung der Bipolaren Störung bislang nur von der US amerikanischen FDA zugelassen, aber noch nicht in Europa/ Deutschland. 5.7 Lurasidon als Begleittherapie („add-on“) zu Lithium oder Valproat in der Behandlung der Bipolar-I-Depression: Eine randomisiert, doppel-blind, Placebo-kontrollierte Studie (20) Lurasidon als Begleittherapie zu Lithium oder Valproat in der Behandlung von Patienten mit einer depressiven Episode bei bekannter Bipolar 1 Störung evaluiert. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter zwischen 18 und 75 Jahren mit einer depressiven Episode von ≥4 Wochen Dauer und einem Wert ≥20 auf der Montgomery-Asberg-Depressions-Skala (MADRS). Die Patienten mussten zuvor mindestens 28 Tage mit einer suffizienten Dosis Valproat oder Lithium behandelt worden sein. In der zweiarmigen Studie erhielten die Teilnehmer über einen Zeitraum von 6 Wochen Lurasidon in einer Dosierung zwischen 20-120 mg/Tag (n=183) oder Placebo (n=165). Primärer Endpunkt war die Reduktion im MADRS-Score im Vergleich zur Baseline. Die Behandlung mit Lurasidon führte zu einer signifikanten Reduktion des MADRS-Score im Vergleich zu Placebo (-17,1 vs. -13,5; Effektstärke=0,34). Bezüglich der sekundären Endpunkte wurde eine signifikante Verbesserung des CGI-BP, der Angst-Symptomatik und der Lebensqualität festgestellt. Die Drop-out Rate war in der Lurasidon Gruppe leicht erhöht (7,9 % vs. 6,0 %). Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen in der Lurasidon Gruppe waren Übelkeit, Schläfrigkeit, Tremor und Bewegungsunruhe. Es wurden minimale Veränderungen im Gewicht, den Blutfetten und dem Zuckerstoffwechsel gemessen. Seite 33 Abb. 34: Quelle (20) Fazit: Eine Begleittherapie mit Lurasidon in der Dosis zwischen 20-120 mg/Tag bei vorbestehender suffizienter Behandlung mit entweder Lithium oder Valproat führt zu einer signifikanten Besserung der depressiven Symptomatik in Patienten mit einer Bipolar Typ I Depression. Anmerkung: Lurasidon ist zur Behandlung der Bipolaren Störung bislang nur von der US amerikanischen FDA zugelassen, aber noch nicht in Europa/ Deutschland. 5.8 Supraphysiogische L-Thyroxin zur Behandlung der Bipolaren Depression (21) Eine Therapiealternative bei therapieresistenten Patienten mit unipolarer Depression ist die Augmentationsbehandlung mit Schilddrüsenhormonen. Studien, die die Wirkungen von Schilddrüsenhormonen bei behandlungsresistenten Depressionen untersuchten, wurden überwiegend mit Triiodthyronin (T3) durchgeführt, allerdings ohne einheitliche positive Studienergebnisse. Zur Augmentation mit L-Thyroxin (L-T4, in supraphysiologischer Dosis, 300-400 µg/Tag) liegen bisher nur kleinere Studien vor, die die Wirksamkeit dieses Verfahrens zeigen. Die Autoren Stamm und Kollegen (2013) führten nun erstmals in einem multizentrischen Design eine randomisierte, doppel-blinde, Plazebo-kontrollierte Studie mit L-T4 (300 µg/Tag) bei bipolarer Depression durch. Patienten mit resistenter depressiver Episode wurden über 6 Wochen augmentativ mit dem Schilddrüsenhormon behandelt. Im primäre Outcome-Parameter zeigte sich eine deutliche Absenkung der Depressionsschwere (7.8 Punkte auf der Hamilton Depressionsskala), allerdings war der Unterschied zu Placebo zum Studienende nach 6 Wochen statistisch nicht signifikant (p=0.198). In einer post-hoc Analyse zeigte sich jedoch ein solcher signifikanter Effekt für die Gruppe der Frauen (p=0.12). Hohe TSH Werte (=Indikator für eine relativ hypothyreote Stoffwechsellage) vor Beginn der Behandlung waren ein Prädiktor für ein gutes Ansprechen auf die L-T4 Behandlung bei Frauen (p=0.05). Die Verträglichkeit wurde insgesamt als gut berichtet; innere Unruhe trat in der Verumgruppe (L-T4) häufiger auf. Seite 34 Abb. 35: Quelle (21) Fazit: Bei Frauen ist die Augmentationstherapie mit hochdosiertem L-Thyroxin eine neue Behandlungsalternative bei therapieresistenten Patienten mit bipolarer Depression. Die Autoren weisen auf die sorgfältige Auswahl (z.b. Ausschluss kardial kranker Patienten) der Patienten hin, die für dieses Verfahren in Frage kommen. 5.9 Ketamin bei affektiven Störungen: Zuammenfassung von klinischer Wirksamkeit, Wirkmechanismen und Anwendungsbeschränkungen (22) Die Autoren erstellten ein systematisches Review zur klinischen Anwendung des NMDA (N-Methyl-D-Aspartat) Rezeptor-Antagonisten Ketamin (ein seit längerem vor allem in der Narkosebehandlung gebräuchlichen und zugelassenes Medikament), der sich zunehmend als schnell-wirksames Antidepressivums etabliert. Hierbei wurden Daten aus 143 Publikationen der letzten 40 Jahre im Hinblick auf klinische Wirksamkeit bei affektiven Störungen (unipolar und bipolar), Wirkmechanismen und zukünftige Möglichkeiten, sowie Limitationen in der Anwendung berücksichtigt. Mehrere kleinere randomisierte, plazebo-kontrollierte Studien zeigten eine rasche, 1-2 Wochen anhaltende hohe Wirksamkeit einer einmaligen i.v. Gabe auf depressive Symptome einschließlich Suizidgedanken bei zum Teil therapieresistenten depressiven Patienten. Kürzlich wurde zudem in einer größeren randomisierten Studie an 73 Patienten eine gegenüber der i.v. verabreichten Vergleichssubstanz aus der Gruppe der Benzodiazepine (Midazolam) deutlich überlegene Wirksamkeit bei Linderung depressiver Symptome demonstriert. Die klinisch als moderat bis schwerwiegend zu gewichtenden, typischen Nebenwirkungen nach Einmalgabe sind gut charakterisiert und umfassen in der Regel maximal 2 Stunden anhaltende Zustände von Verwirrtheit, Wahrnehmungsstörungen, Euphorie Blutdruckerhöhungen und Schwindel. Demgegenüber sind evidenzbasierte Aussagen zur Tolerabilität bei langfristiger Anwendung derzeit noch nicht möglich. Bezüglich der Wirkmechanismen legen präklinische Studien sowohl einen Seite 35 NMDA Rezeptorantagonismus mit nachfolgender Modulation des glutamatergen Systems, als auch eine Induktion neuro- und synaptogenetischer Prozesse nah. Abb. 36: Quelle (22) Fazit: Zusammenfassend bietet die klinische und präklinische Anwendung von Ketamin eine Möglichkeit, die Bedeutung des glutamatergen Systems in der Pathophysiologie affektiver Störungen zu profilieren. Die ersten Studiendaten bei therapierefraktären depressiven Patienten geben Anlass zu optimistischer Betrachtung. Zur Etablierung eines breiten therapeutischen Nutzens und Einsetzbarkeit werden allerdings weitere Studiendaten zur klinischen Wirksamkeit und vor allem auch Verträglichkeit langfristiger Anwendungen benötigt. 6. Psychotherapie und andere Therapien 6.1 Familien-fokussierte Therapie als Frühintervention bei symptomatischen Jugendlichen mit hohem Risiko für Bipolare Störungen (23) In der Veröffentlichung der Gruppe um David Miklowitz (23) werden Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten und Rater-verblindeten Studie zur spezifischen Familien-fokussierten Psychotherapie bei Hochrisikopersonen für die Entwicklung bipolarer Störungen berichtet. In der Studie wurden 40 Jugendliche (mittleres Alter 12,3±2,8 Jahre) per Zufall der Familienfokussierten Therapie (n=21) oder einer Psychoedukations-Kontrollgruppe (n=19) zugeteilt. Einschlusskriterien waren das Vorliegen einer Bipolar-I- oder -II-Störung bei einem Verwandten ersten Grades und die Erkrankung des Jugendlichen selbst an einer unipolar-depressiven Störung, einer Zyklothymie oder einer bipolaren Störung, welche die diagnostischen Kriterien für eine Bipolar-I oder II nicht erfüllt. Außerdem mussten in den letzten 2 Wochen vor Einschluss affektive Symptome vorgelegen haben. Die spezifischen Familienfokussierten Therapiesitzungen widmeten sich der Psychoedukation, der Seite 36 Kommunikations- und Problemlösungsfertigkeiten. Siebzehn der 21 eingeschlossenen Familien nahmen an mindestens 10 der 12 Sitzungen der Familien-fokussierten Therapie teil, die über vier Monate angeboten wurden, einige nahmen darüber hinaus bis sechs Krisensitzungen wahr. In der Kontrollgruppe besuchten 18 der 19 Familien mindestens eine der beiden Psychoeduktionssitzungen. Die Teilnehmer beider Gruppen wurden im Mittel 45 Wochen nachbeobachtet. Der Hauptendpunkt der Studie, die Zeit bis zur Genesung, war signifikant kürzer in der Interventions- als der Kontrollgruppe (P=0,047). Über die Followup-Zeit verbrachten die Jugendlichen der Interventionsgruppe signifikant mehr Zeit in Remission als die der Kontrollgruppe (26,8 vs. 19,5 Wochen, p<0.001). Abb. 37: Quelle (23) Abb. 38: Quelle (23) Seite 37 Abb. 39: Quelle (23) Fazit: Die Studie ist eine der wenigen Studien zur frühen Intervention bei Hochrisikopersonen für die Entwicklung bipolarer Störungen, die bislang publiziert sind. Durch die methodische Güte mit Randomisierung, Kontrollbedingung und Verblindung des die Studienendpunkte erfassenden Mitarbeiters, ist sie als sehr wertvoll zu betrachten. Limitierend sind die geringe Fallzahl und die fehlende Vergleichbarkeit der Intensität der Therapien (12 Sitzungen Familien-fokussierte Therapie vs. 2 Sitzungen Psychoedukation) zu berücksichtigen. Ferner ist zu beachten, dass zu Studienbeginn 60 % der Teilnehmer mindestens eine psychotrope Medikation erhielten (einschließlich Antidepressiva, Antipsychotika, Stimmungsstabilisierer und Stimulantien). 6.2 „Functional remediation“: Randomisierte Studie eines neuen neurokognitiven Interventionsprogrammes (24) Es ist gut untersucht, dass 40-60 % der Patienten mit einer bipolar affektiven Störung neurokognitive Beeinträchtigungen nicht nur während akuten Stimmungsepisoden sondern auch während euthymen Perioden erfahren. Bis vor kurzer Zeit wurden Strategien des „kognitiven Trainings“ in erster Linie jedoch als eine Intervention für schizophren erkrankte Patienten angesehen und es gab kaum Wissen über die Wirkung von „neurokognitivem Training“ bei Patienten mit affektiven Erkrankungen. Die Autoren Torrent et al. (24) wollten deshalb mit Ihrer Studie die Wirksamkeit von „funktionalem Training“ („functional remediation“) in einer Stichprobe von euthymen Patienten mit bipolar affektiver Störung beurteilen. „Funktionales Training“ ist ein neues neurokognitives Interventionsprogramm, welches speziell für bipolar erkrankte Patienten entwickelt wurde und neurokognitive Themen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und exekutive Funktionen trainiert, dabei aber den Schwerpunkt auf die Erfüllung der notwendigen Anforderungen des Alltags legt. Die Patienten werden angeleitet zu Übungen hinsichtlich ihrer Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Problemlösefähigkeit, „Multitasking“ und Organisation, um ihre funktionalen Fähigkeiten zu verbessern. In einer multizentrischen randomisierten, Rater-verblindeten klinischen Ver- Seite 38 suchsanordnung mit 239 ambulanten Patienten mit bipolarer Störung nach DSM-IV-Kriterien, wurde „funktionales Training“ (N=77) über 21 Wochen lang mit Psychoedukation (N=82) und „Routinebehandlung (TAU)“ (N=80) verglichen. Die pharmakologische Behandlung wurde in allen drei Gruppen unverändert belassen. Die primären Ergebnisvariablen waren Verbesserungen in der „Allgemeinen psychosozialen Funktionsfähigkeit“, verblindet gemessen als die durchschnittliche Veränderung in der Bewertung des „Functioning Assessment Short Form (FAST)“ im Zeitraum zwischen Beginn und Ende des Behandlungszeitraumes. Der Functioning Assessment Short Test (FAST) ist ein Fragebogen zur Erfassung der grundlegenden Funktionsprobleme von psychiatrischen Patienten, insbesondere auch bipolar affektiv Erkrankter. Der Fragebogen umfasst 24 Items um Beeinträchtigungen und Behinderungen in sechs spezifischen Bereichen der Funktionalität zu beschreiben: Selbständigkeit, berufliche Funktionsfähigkeit, kognitive Funktionen, Fertigkeiten im Bereich Finanzen, in zwischenmenschlichen Beziehungen und im Bereich Freizeit. Am Ende der Studie hatten 183 Patienten die Interventionsphase beendet. Die Ergebnisse der Analysen zeigten signifikante funktionale Verbesserungen über den Behandlungszeitraum der 21 Wochen hinweg, welche einen Zusammenhang zwischen Behandlungsaufgabe und Zeit nahelegen. Turkey’s Post hoc Tests zeigten, dass sich „funktionales Training“ signifikant von den Bedingungen der Routinebehandlung (TAU) unterscheidet, aber nicht von Psychoedukation. Fazit: “Funktionales Training” als eine neue Gruppenintervention ist wirksam bezüglich von Verbesserungen im funktionalen Ergebnis in einer Stichprobe von euthymen bipolar affektiv Erkrankten verglichen mit den Bedingungen der Routinebehandlung (TAU). Abb. 40: Quelle (24) Seite 39 Abb. 41: Quelle (24) 7. Leitlinien 7.1 Deutschland: S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie Bipolarer Störungen – wesentliche Empfehlungen zur Rezidivprophylaxe (25) Die im Jahre 2012 online verfügbare erste deutschsprachige evidenz- und konsensbasierte S3-Leitlinie Bipolare Störungen, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS) e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN), wurde nun 2013 kompakt und damit anwenderfreundlicher auch als Buch publiziert. Diese Leitlinie ermöglicht Ärzten, Therapeuten, Patienten und Angehörigen mehr Sicherheit in der Entscheidungsfindung. Neben Empfehlungen zur Diagnostik und Behandlung enthält die Leitlinie auch solche zum trialogischen Handeln, zu Wissensvermittlung und Selbsthilfe sowie zu Versorgungsstrategien für diese komplexe Erkrankung. S3 (Stufe 3) steht für die bestmöglichste evidenzbasierte Methodik, die eine Leitlinie derzeit haben kann. Dies bedeutet unter anderem, dass die gesamte internationale wissenschaftliche Fachliteratur systematisch aufzubereiten und zu bewerten war, und dass sich alle relevanten Gruppen in einem Konsensusverfahren auf die Empfehlungen der Leitlinie einigen mussten. Das Kapitel Therapie gliedert sich in die verschiedenen Ziele der Behandlung (Grundsätzliches, Behandlung der akuten Manie, Behandlung der akuten bipolaren Depression, Phasenprophylaxe, spezielle Patientengruppen und spezielle Therapiesituationen). Bezüglich vieler pharmakotherapeutischer Fragen stellten sich Erkenntnisdefizite und Forschungsbedarf heraus. Daher konnten nur in seltenen Ausnahmefällen Empfehlungen mit dem höchsten Empfehlungsgrad A („soll eingesetzt werden“) vergeben werden. Dennoch bemüht sich die Leitlinie, für alle klinisch relevanten Konstellationen Seite 40 Empfehlungen oder Hinweise zu geben. Drei farbige Grafiken fassen die Empfehlungen für die Initialbehandlung und für die nachfolgenden Schritte im Falle unzureichender Response zusammen. Abb. 42: Quelle (25) Im Folgenden ist ein Algorithmus abgebildet, der die Empfehlungen zur Phasenprophylaxe bei Bipolaren Störungen zusammenfasst. Abb. 43: Quelle (25) 1 Gegen depressive Episoden bei Ansprechen in Akutphase, KKP für Einsatz gegen depressive Episoden auch ohne Ansprechen in Akutphase, 2 gegen manische Episoden bei Ansprechen in Manie, 3 bei Rapid Cycling, 4 bei Ansprechen in Manie, 5 Depotpräparat, bei Ansprechen in Akutphase, 6 bei Ansprechen auf diese Kombination in Akutbehandlung, 7 bei Ansprechen auf ZIP in Manie, 8 bei Beginn in akuter Phase und längerfristiger Planung, *Behandlung wie üblich: Jede Monotherapie und Kombination von Antidepressiva Stimmungsstabilisierer und Anxiolytika erlaubt. Empfehlungsgrade: Seite 41 A, B, 0, KKP (klinischer Konsenspunkt). ARI Aripiprazol, CBZ Carbamazepin, DVP Valproat, EKT Elektrokonvulsionstherapie, FFT familienfokussierte Therapie, IPSRT interpersonelle und soziale Rhythmustherapie, KVT kognitive Verhaltenstherapie, LAM Lamotrigin, Li Lithium, OLZ Olanzapin, PE Psychoedukation, QUE Quetiapin, RIS Risperidon, ZIP Ziprasidon Abb. 44: Quelle (25) Abb. 45: Quelle (25) Seite 42 Abb. 46: Quelle (25) Abb. 47: Quelle (26) 7.2 Canada: CANMAT Leitlinie Therapie Bipolarer Störungen, Update 2013 (27) Eine weitere Leitlinie, die seit vielen Jahren international beachtet wird, auch weil sie jedes Jahr aktualisiert wird, ist die des Canadian Network for Mood and Anxiety Treatments (CANMAT). Für die Behandlung der depressiven Phase, der manischen Phase und der Rezidivprophylaxe gibt es in diesen Leitlinien Übersichten, für welche Substanzen es hohe Evidenz gibt und für welche weniger. Diese Tabellen sind im folgenden abgebildet („first line, second line, third line, not recommended“ sind die verschiedenen Kategorien). Seite 43 Abb. 48: Quelle (27) Abb. 49: Quelle (27) Seite 44 Abb. 50: Quelle (27) Abb. 51: Quelle (27) 7.3 World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP) Guidelines for the Biological Treatment of Bipolar Disorders: Update 2012 on the long-term treatment of bipolar disorder (28) Die Globale Fachgesellschaft der biologisch-psychiatrischen Gesellschaften, die World Federation of Societies of Biological Psychiatry (WFSBP), entwickelt seit vielen Jahren Behandlungsleitlinien für alle wesentlichen psychiatrischen Erkrankungen. Es handelt sich dabei um evidenzbasierte Leitlinien, die von Seite 45 einer international besetzten Expertengruppe zusammengestellt werden. Zur Indikation der Rezidivprophylaxe („maintenance treatment“) bipolarer Störungen gibt es nun eine aktualisierte Version (28). Bemerkenswert und für den Leser hilfreich ist der nachstehende Algorithmus zur Integrationsstellung einer Rezidivprophylaxe. Die Abbildung gibt einen Überblick über diesen Algorithmus, in dem je nach Abhängigkeit der Anzahl der bisherigen Episoden und dem Vorliegen einer positiven Familiengeschichte das weitere Procedere empfohlen wird. Abb. 52: Quelle: (28) Seite 46 8. Literatur 1. Leopold et al. (2014) Characteristics, symptomatology and naturalistic treatment in individuals at-risk for bipolar disorders: baseline results in the first 180 help-seeking individuals assessed at the Dresden high-risk project. J Affect Disord 152-154:427-33. 2. Leopold et al. (2013) Früherkennungszentren für psychische Erkrankungen – ein Komplementärangebot der psychiatrischen Regelversorgung in Deutschland. Psychiatr Prax 40(5):264-270. 3. American Psychiatric Association (2013) Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Fifth Edition. 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