Zeitschrift für Neurologie des Kindes

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Zeitschrift für Neurologie des Kindes- und Jugendalters und ihre Grenzgebiete · 7. Jg. A 58655
02
2008
Official Journal of the Academy of Education of the Society for Neuropediatrics
(Gesellschaft für Neuropädiatrie)
Herausgeber: F. Aksu, Datteln
Habilitation
Originalien / Übersichten
Diagnostik und Therapie
der infantilen Haltungsasymmetrie
Transkulturelle Pädiatrie
Zonisamid im Kindesalter
Psychogene Störungen
Mitteilungen
Forschung
Personalia
Verschiedenes
Kongresse
Vorschau
www.
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Medicus
Wissenschaftlicher Beirat: H. Bode, Ulm · E. Boltshauser, Zürich · C. G. Bönnemann, Philadelphia · U. Brandl,
Jena · H.-J. Christen, Hannover · F. Ebinger, Heidelberg · S. Friedrichsdorf, Minneapolis/St. Paul · Jutta Gärtner,
Göttingen · F. Heinen, München · G. F. Hoffmann, Heidelberg · C. Hübner, Berlin · O. Ipsiroglu, Vancouver · D.
Karch, Maulbronn · A. Kohlschütter, Hamburg · R. Korinthenberg, Freiburg · E. Mayatepek, Düsseldorf · P.
Meinecke, Hamburg · B. Neubauer, Gießen · C. Panteliadis, Thessaloniki · Barbara Plecko, Graz · B. Schmitt,
Zürich · N. Sörensen, Würzburg · M. Spranger, Bremen · Maja Steinlin, Bern · Sylvia Stöckler-Ipsiroglu,
Vancouver · V. Straub, Newcastle upon Tyne · Ute Thyen, Lübeck · Ingrid Tuxhorn, Cleveland · D. Uhlenbrock,
Dortmund · S. Unkelbach, Volkach/Main · T. Voit, Paris · B. Wilken, Kassel · B. Zernikow, Datteln · Redaktion:
F. Aksu · M. Blankenburg, Datteln · S. Friedrichsdorf, Minneapolis/St. Paul · Angela M. Kaindl, Paris
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Zeitschrift für Neurologie des Kindes- und Jugendalters und ihre Grenzgebiete
Offizielles Organ
der Fortbildungsakademie der
Gesellschaft für
Neuropädiatrie e. V.
Heft 2/2008
Inhalt · Contents
Habilitation · Habilitation
Diagnostik und Therapie der infantilen
Haltungsasymmetrie
Diagnostic approach and treatment of infantile
postural asymmetry
H. Philippi ............................................................................................ 32
PD Dr. Heike Philippi
wurde am 13.12.2006
an der Universität
Heidelberg für das Fach
Kinder- und Jugendmedizin habilitiert.
Originalien/Übersichten · Original/Review articles
Transkulturelle Pädiatrie: Fakten, Thesen und
Lösungen
Transcultural Paediatrics. Facts, Hypotheses, and
Solutions
O. S. Ipsiroglu ..................................................................................... 38
Zonisamid im Kindesalter – Literaturübersicht
und eigene Erfahrungen
Clinical experience for the use of zonisamide in
childhood – onset epilepsy
A. Müller, H. Holthausen, G. Kluger ............................................ 47
Prävalenz und klinische Symptomatik psychogener
Störungen in der Pädiatrie
Prevalence and clinical symptoms of paediatric
psychogenic disorders
M. Blankenburg, B. Zernikow, T. Hechler, F. Aksu ................... 52
Mitteilungen · Communications
Forschung · Research .................................................................... 59
Titelbild:
Ausprägungsgrad 5
für das Kriterium
„Rumpfkonvexität in
Bauchlage“ (a) und
Ausprägungsgrad 6
für das Kriterium
„HWS-Rotationsdefizit
in Rückenlage“ (nach
H. Philippi, 2008)
Personalia · Personalia ................................................................. 59
Verschiedenes · Miscellaneous .................................................. 60
Kongresse · Congress announcements .................................. 62
Vorschau · Preview ......................................................................... 62
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Impressum
Herausgeber: F. Aksu, Datteln
Redaktion: F. Aksu (verantwortlich)
· M. Blankenburg, Datteln · S.
Friedrichsdorf, Minneapolis/St. Paul
· Angela M. Kaindl, Paris
Wissenschaftlicher Beirat:
H. Bode, Ulm · E. Boltshauser, Zürich
· C. G. Bönnemann, Philadelphia ·
U. Brandl, Jena · H.-J. Christen,
Hannover · F. Ebinger, Heidelberg
· S. Friedrichsdorf, Minneapolis/St.
Paul · Jutta Gärtner, Göttingen · F.
Heinen, München · G. F. Hoffmann,
Heidelberg · C. Hübner, Berlin · O.
Ipsiroglu, Vancouver · D. Karch,
Maulbronn · A. Kohlschütter, Hamburg · R. Korinthenberg, Freiburg
· E. Mayatepek, Düsseldorf · P.
Meinecke, Hamburg · B. Neubauer,
Gießen · C. Panteliadis, Thessaloniki
· Barbara Plecko, Graz ·B. Schmitt,
Zürich · N. Sörensen, Würzburg · M.
Spranger, Bremen · Maja Steinlin,
Bern · Sylvia Stöckler-Ipsiroglu,
Vancouver · V. Straub, Newcastle
upon Tyne · Ute Thyen, Lübeck ·
Ingrid Tuxhorn, Cleveland · D. Uhlenbrock, Dortmund · S. Unkelbach,
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Nr. 1 vom 1. Dezember 2001
Namentlich gekennzeichnete
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© 2008 Die Zeitschrift und alle
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ISSN 1619-3873
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Habilitation
Diagnostik und Therapie der
infantilen Haltungsasymmetrie
H. PHILIPPI
Sozialpädiatrisches Zentrum Frankfurt Mitte mit Epilepsieambulanz,
Frankfurt am Main
Priv.-Doz. Dr. med. Heike Philippi wurde
am 13.12.2006 an der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg für das Fach Kinder- und Jugendmedizin habilitiert.
Nach ihrem Medizinstudium an der
Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
erfolgte ihre Weiterbildung zur Ärztin
für Kinder- und Jugendmedizin in der
Univ.-Kinderklinik Mainz. Im August 1991
absolvierte sie an der Universität Mainz
ihre Promotion zum Thema „Radioaktive
und photometrische Lymphozytenproliferationstests: Aufbau und Analyse“. Im
Juli 1997 erhielt sie das Certificate of
the Educational Commission for Foreign
Medical Graduates und im März 1997
die Anerkennung als Ärztin für Kinderund Jugendmedizin. Von 2004 bis 2007
arbeitete sie als Oberärztin und Leiterin
des SPZ der Abteilung für Pädiatrische
Neurologie der Univ.-Kinderklinik Heidelberg. Seit März 2007 leitet sie das SPZ mit
Epilepsiezentrum Frankfurt a.M. Mitte.
Sie verfügt über die Zertifikate für EEG,
Epileptologie, SPZ-Leiterin der DGSPJ und
Schwerpunkt Neuropädiatrie.
Das Thema ihrer Habilitationsarbeit
lautete: „Diagnostik und Therapie der infantilen Haltungsasymmetrie“. Nachfolgend fasst Dr. Philippi auf Aufforderung
der Schriftleitung die wichtigsten Ergebnisse ihrer Habilitationsarbeit zusammen.
bensmonaten. Die Skala weist eine hohe
Praktikabilität auf und kann deshalb auch
im kinderärztlichen Alltag zur klinischen
Verlaufsbeobachtung ggf. ohne Videoaufnahme verwendet werden. Die Ergebnisse
der Therapiestudie geben einen ersten Hinweis, dass eine osteopathische Behandlung
in den ersten Lebensmonaten den Asymmetriegrad von Säuglingen mit infantiler
Haltungsasymmetrie bei guter klinischer
Verträglichkeit signifikant verbessert. Die
Musteranalyse der infantilen Haltungsasymmetrie zeigt, dass funktionelle und
morphologische Asymmetriezeichen häufig zusammen auftreten und sich zum Teil
auch gegenseitig bedingen. Die punktuelle
Aggravierung eines Asymmetriesymptoms
sollte bei Diagnostik- und Therapieplanung nicht dazu verleiten, das gesamte
asymmetrische Bild außer Acht zu lassen.
Nur so lassen sich ein Plagiocephalus induzierter Fehlbiss oder Strabismus, eine
Tortikollis-assoziierte progrediente Skoliose, eine Skoliose-assoziierte dauerhafte
Funktionsbeeinträchtigung der HWS oder
eine Schräglagen-induzierte asymmetrische Gangstörung vermeiden. Inwieweit
eine fixierte asymmetrische Haltung im
Verlauf feinmotorische und koordinative
Defizite bedingen kann, wäre in weiteren
Studien zu überprüfen.
Zusammenfassung
Asymmetrie, Haltung, Säuglingsalter,
Skoliose, Tortikollis
Die infantile Haltungsasymmetrie ist
definiert als eine Rumpfkonvexität (Skoliosemuster) und/oder eine eingeschränkte
Kopfrotation (Tortikollismuster) als reaktives Bewegungsmuster auf eine orientierende Kopfwendung nach rechts und links
in Bauch-und Rückenlage. Sie kann mit
Hilfe einer videobasierten Asymmetrieskala in den ersten Lebensmonaten objektiviert und quantifiziert werden. Aufgrund
der hohen Reliabilität und Konsistenz der
Skala eignet sie sich als Ausgangsuntersuchung für epidemiologische Langzeituntersuchungen und für die Überprüfung
von Therapieeffekten in den ersten Le-
Schlüsselwörter
Diagnostic approach and
treatment of infantile postural
asymmetry
Abstract
Infantile postural asymmetry is defined as trunk convexity (scoliosis pattern)
and cervical (torticollis pattern) rotation
deficit to an orienting head turn in the
prone and supine position. It could be
reliably and objectively quantified by a
video based standardised measurement
scale. The infantile asymmetry scale could
serve for epidemiological and therapeutic
studies. The scale is easy and quick to perform and can be implemented in the routine examination of infants. Video taping
is helpful but not mandatory.
The data of our randomized therapeutic
trial renders first evidence that osteopathic treatment in the first months of life is
beneficial for infants with idiopathic postural asymmetry. The pattern analysis of
infantile postural asymmetry showed that
morphological and functional anomalies are intricately linked and that infants
with an apparent single sign of asymmetry have actually much more generalized
disturbance.
Considering these multi-dimensional
aspects of infantile postural asymmetry
a plagiocephaly induced temporomandibular joint displacement or strabism, a
torticollis associated scoliosis, a scoliosis
related cervical dysfunction or an oblique
body position associated gait disturbance
could be prevented. The question in how
far a fixed asymmetric posture will cause
motor and coordination deficits needs to
be answered by further studies.
Key words
Asymmetry, infancy, posture, scoliosis,
torticollis
Bibliography
Neuropaediatrie 2008; 7: 32–37, ©
Schmidt-Roemhild-Verlag,
Luebeck,
Germany: ISSN 1619-3873; NLM ID
101166293; OCoLc 53801270
Einleitung
Eine asymmetrische Körperhaltung, Bewegungsmuster oder Muskeltonus gelten
als Hinweis auf eine gestörte frühkindliche
Entwicklung. Diese Asymmetriesymptome
können Ausdruck einer neuromuskulären
oder skelettalen Erkrankung wie spastische Hemiparese nach cerebralem Infarkt,
Plexusparese oder einer Segmentations-
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Habilitation
störung der Wirbelsäule sein (1, 7,-10, 12,
25, 33). Die symptomatische Symmetriestörung des Säuglings ist jedoch selten.
Viel häufiger tritt sie im Sinne einer asymmetrischen Haltung als Sequenz aus intrauteriner asymmetrischer Lage, Geburtseinfluss und postnataler Lagerung auf (5,
6, 20, 26, 31). Klinische Beachtung finden
derzeit meist nur einzelne Komponenten
des Asymmetriekomplexes wie Tortikollis
oder Säuglingsskoliose, und häufig auch
erst in fortgeschrittenem Alter, wenn ein
deutlicher Fixationsgrad besteht. Auf die
Tatsache, dass asymmetrische Symptome
doch relativ häufig miteinander assoziiert
auftreten und morphologische und funktionelle Symptome sich gegenseitig bedingen, wurde von einigen Autoren zwar
hingewiesen, der Einzug in den klinischen
Alltag ist weitgehend ausgeblieben (5, 15,
21, 23, 24, 31).
Im Säuglingsalter wird der Haltungsasymmetrie u.a. deshalb wenig Beachtung
geschenkt, weil man darauf vertraut, dass
der Spontanverlauf günstig sei. Dass dies
bei ca. 25% der asymmetrischen Säuglinge
nicht der Fall ist, belegen eine prospektive
und zahlreiche retrospektive Untersuchungen bzw. Querschnittsstudien (2-5, 11, 18,
26, 27). In Anbetracht der empfohlenen
ausschließlichen Rückenlage zur Prävention des plötzlichen Säuglingstodes ist
zudem eine Zunahme der infantilen Haltungsasymmetrie zu beobachten (16, 17,
19), weshalb mancherorts Säuglinge mit
einer Haltungsasymmetrie nun verstärkt
frühzeitig einer physiotherapeutischen,
manualtherapeutischen oder osteopathischen Intervention zugeführt werden.
Keine dieser Behandlungsstrategien wurde bisher allerdings bezüglich ihres Effektes evaluiert.
lage, HWS-Rotationsdefizit Rückenlage)
können je 1-6 Punkte vergeben werden
(Abb. 1 und 2). Anhand von weiteren 20
Säuglingen der gleichen Altersgruppe
wurde die Interrater-Reliabilität von fünf
unabhängigen Beobachtern und die Konsistenz der Skala überprüft. Es ergab sich
mit einem Intraclass-Korrelations-Koeffizienten von 91,5% eine hohe Reliabilität.
Die Konsistenz der Skala ist ebenfalls als
gut einzustufen, wie es ein Cronbach Alpha von 0,84 belegt. Die Asymmetrieskala
eignet sich gut für den klinischen Alltag
für Kinder zwischen 6 und 16 Wochen, weil
sie einfach in die klinische Untersuchung
zu integrieren ist. Eine Videodokumentation macht den Befund verlässlicher und
ist eine unabdingbare Vorraussetzung für
klinische Studien; eine Punktdokumentation genügt für den geübten Untersucher
im Alltag.
Therapiestudie
Mit Hilfe der Asymmetrieskala wurde
dann in einem weiteren Schritt der Effekt
einer osteopathischen Behandlung auf
die infantile Haltungsasymmetrie evaluiert (29). Die Evaluation der Osteopathie
als Interventionsmethode wurde aus drei
Gründen gewählt. Zum einen handelt es
sich um die am wenigsten invasive Methode. Zum Zweiten ist eine osteopathische Behandlung insofern nicht von der
Compliance der Eltern abhängig, als dass
sie ausschließlich vom Osteopathen selbst
durchgeführt wird. Zum Dritten ist für den
Laien von außen nicht ersichtlich ob eine
Behandlung durchgeführt wird oder nur
Hände aufgelegt werden, und es ergibt
sich damit die Möglichkeit die Intervention doppelt zu verblinden. Die Auswertung
des Schweregrads der Asymmetrie erfolgte anhand von Videos durch unabhängige
verblindete Beobachter. Für die doppeltblind randomisierte Therapiestudie wurde
ein adaptives Studiendesign mit Parallelgruppenbildung gewählt. Die Säuglinge
der Verumgruppe erhielten einmal pro
Woche für 45 Minuten eine osteopathische Behandlung für 4 Wochen. Die
Säuglinge der Kontrollgruppe erhielten
Asymmetrieskala für Säuglinge
Um eine Therapiestudie durchführen
zu können, musste zunächst eine standardisierte klinische Untersuchungsmethode
zur Objektivierung und Quantifizierung
der infantilen Haltungsasymmetrie entwickelt werden, nachdem ein solches Messinstrument bisher nicht existierte. Anhand
von 30 Säuglingen in einem Reifealter von
10 Wochen (Spannweite 6-16 Wochen)
mit einer variablen Ausprägung der Haltungsasymmetrie wurde eine Asymmetrieskala von 20 Punkten erarbeitet. Mit der
Asymmetrieskala werden Rumpfkonvexität und HWS-Rotationsdefizit in Bauchund Rückenlage als reaktive Bewegungen
auf eine orientierende maximal mögliche
Kopfrotation nach rechts und links bewertet (28). Für jedes Kriterium (Rumpfkonvexität Bauchlage, Rumpfkonvexität Rückenlage, HWS-Rotationsdefizit Bauch-
Abb.1: Definition der 6 Kategorien von „Rumpfkonvexität“ und „HWS-Rotationsdefizit“ im Seitenvergleich bei maximaler Kopfwendung nach rechts und links
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Habilitation
Abb. 2: a) Ausprägungsgrad 5 für das Kriterium „Rumpfkonvexität in Bauchlage“, b) Ausprägungsgrad 6 für das Kriterium „HWS-Rotationsdefizit in Rückenlage“
Punkten (SD +/- 3,5). In der Behandlungsgruppe verbesserten sich 13 Säuglinge
und 3 Säuglinge blieben unverändert. Die
mittlere Verbesserung lag bei 5,9 Punkten
(SD +/- 3,8). Der mittlere Gruppenunterschied betrug damit 4,7
15
Punkte und belegt einen
signifikanten Therapieeffekt der osteopathischen
Behandlung gegenüber
10
dem
Spontanverlauf
(Abb. 3 und 4).
Osteopathie
Das Konzept der „Osteopathie“ ist am Anfang
dieses
Jahrhunderts,
etwa zeitgleich mit dem
der Manuellen Medizin
und Chiropraktik in den
USA entstanden. Es wurde um die Jahrhundertwende von dem amerikanischen Arzt Dr. Andrew
Taylor Still (1828-1917)
begründet (14). Still und
seine Nachfolger entwickelten ein empirisch begründetes Behandlungskonzept, bei dem der Patient durch eine subtile,
GSD (Punkte)
nach gleichem Zeitschema eine osteopathische Scheinbehandlung. Vor und nach
den Behandlungsblöcken wurde die Haltungsasymmetrie gemäß den Vorschriften
der Asymmetrieskala video-dokumentiert
und anschließend von drei unabhängigen geblindeten Beurteilern bewertet. Die
Fallzahlkalkulation ergab mit einem einseitigen Signifikanzniveau von 0,025, einer Power von 0,80 und einem relevanten
Gruppenunterschied von im Mittel mindestens 4 Punkten sowie einer Standardabweichung der Messergebnisse von 3,7
Punkten eine Fallzahl für die erste Stufe
der Studie von 16 Patienten pro Behandlungsarm. Die Standardabweichung wurde auf dem Boden von 12 asymmetrischen
Säuglingen, die in einem Abstand von 4
Wochen ohne Therapie beurteilt wurden,
ermittelt.
Die Zwischenauswertung der Therapiestudie nach Einschluss von insgesamt 32
asymmetrischen Säuglingen ergab bereits
einen signifikanten Gruppenunterschied
(p = 0,001, t-test) zu Gunsten der Behandlungsgruppe, sodass die Studie beendet wurde. In der Kontrollgruppe verbesserten sich fünf Säuglinge (≥ 3 Punkte),
acht Säuglinge blieben unverändert (+/- <
3 Punkte) und 3 Säuglinge verschlechterten sich (≤ -3 Punkte). Die mittlere Verbesserung der Kontrollgruppe lag bei 1,2
je nach Befund spezifische manuelle Behandlung im Bereich seiner Funktionsbeeinträchtigung wieder mehr Beweglichkeit erhielt (22, 32). Durch eine osteopathische Behandlung würde die Zirkulation
von Körperflüssigkeiten (Blut, Lymphe, Liquor) verbessert und Stoffwechselprozesse angeregt (13, 22, 32). Ein wesentlicher
Aspekt bei der osteopathischen Behandlung sei dabei, dass nicht nur der Bereich
der Symptome in die Behandlung miteinbezogen, sondern der ganze Organismus
bezüglich Bewegungseinschränkung und
Fixationen palpiert und ggf. osteopathisch mitbehandelt würde. Die Subtilität
der osteopathischen Behandlungsmethode mache es schwierig, dieses Konzept zu
veranschaulichen. Anders als bei Physiotherapie, Manualmedizin oder Chiropraktik würde nicht explizit im herkömmlichen
Sinne stimuliert, Zug oder Druck ausgeübt oder gerenkt. Der Säugling wird für
eine osteopathische Behandlung auf die
Untersuchungsliege gelegt und der Osteopath legt für die Dauer von ca. 45 Minuten seine Hände in wechselnde Position
im Bereich von Becken, Bauch, Brustkorb
und Kopf an, unter oder auf den Körper
des Säuglings und verweilt dort für einige Minuten. Dabei wird ein gerichteter
sanfter Druck oder Zug zielgerichtet auf
bestimmte anatomische Strukturen ausgeübt. Dabei ist eine Bewegung, wie sie
beispielsweise von einer Körpermassage
bekannt ist, für den Beobachter nicht
sichtbar. Bei guter Körperwahrnehmung
ist die osteopathische Behandlung für
den Patienten selbst spürbar.
5
0
-5
-10
Kontrollgruppe
Osteopathiegruppe
Abb. 3: Gesamtscoresdifferenz (GSD) in der Kontroll- und
Osteopathiegruppe als Box- und Whisker-Plots. Eine positive
Differenz entspricht einer Verbesserung und eine negative einer
Verschlechterung. Die Ergebnisse sind als Box- und Whisker-Plots
dargestellt. Die mittlere horizontale Linie entspricht dem Median.
Die Unter- und Oberkanten der Box markieren jeweils die 25. und
75. Percentile. Die Whiskers zeigen die Spannweite, soweit die
Werte in das 1,5-Fache der Boxlänge fallen
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Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störg. (ADHS) als Teil e. umfass. Bhdlgs.progr., wenn sich and. Maßn. allein
als unzureich. erwiesen haben. Gegenanz.: Überempfindl. gg. Methylphenidat od. sonst. Bestandt.; ausgepr. Angst
u. Anspanng.; Glaukom; diagnostiz. od. i. d. Familienanamn. aufgetr. Tourette-Syndr.; Komb. m. nichtselekt., irrevers.
Monoaminoxidase(MAO)-Hemmern bzw. i. d. ersten 14 Tagen n. Abs. e. MAO-Hemmers; Hyperthyreose; schwere
Angina pect.; Herzrhythm.störg.; schwere Hypertonie; gegenwärt. schwere Depress., Anorexia nerv., psychot. Sympt.
od. Suizidneigung; bek. AM- od. Alkoholabhängk.; Schwangersch. u. Stillzeit; Kinder unter 6 J.; Bes. Vorsicht b.: vorbesteh. strukturellen kardialen Anomalien; Hypertonie u. and. kardiovask. Erkr.; vorbesteh. schwerer Stenose i.
Bereich d. Gastroint.traktes, Dysphagie od. Pat. m. großen Schwierigk., Tabl. zu schlucken; motor. u. verb. Tics (auch
in Familienanamn.); früherer AM- od. Alkoholabh. od. Psychose (treten psychot. od. manischen Sympt. auf, ggf. Ther.
absetzen); Krampfanfälle/anormales EEG (treten Krampfanfälle auf, AM absetzen); Aggression; Pat., deren Grunderkr. durch Erhöhg. d. Blutdr. od. d. Herzfrequenz verschlimm. werden könnte; Nieren- od. Leberinsuff.; Sehstörg.;
normale Erschöpfungszustände. Bhdlg. b. Pat. m. nicht erwart. Wachstum/Gewichtszun. unterbr.. Enth. LactoseMonohydr.. Pat. m. d. selt. hereditären Galactose-Intoleranz, mit Lactase-Mangel od. Glucose-GalactoseMalabsorption sollten CONCERTA® nicht einnehmen. Nebenwirk.: Sehr häufig: Kopfschm.. Häufig: Nasopharyngitis,
Schlaflosigk., Tic, Aggression, Angst, Affektlabilität, Schwindel, Husten, laryngopharyngealer Schmerz, abdomin.
Schmerz, Erbr., Nausea, Diarrhoe, Magenbeschw., Reizbark., Pyrexie, Gewichtsabn.. Gelegentl.: Anorexie, vermind.
Appetit, Depress., Schlafstörg., geänd. Stimmungslage, Stimmungschwank., Wut, Agitat., Hypervigilität, Traurigk.,
medik. induz. Psychose (z. B. Halluzinat.), Unruhe, Nervosität, Suizidgedank., Somnolenz, psychomot. Hyperaktivität,
Tremor, Sedierung, verschwomm. Sehen, Diplopie, Tachyk., Palpitat., Hypertonie, Dyspnoe, Obstipat., Alopezie,
(Haut-)Ausschlag, Myalgie, Arthralgie, Muskelzuck., Überempfindl.reakt. w. Angioödem, anaphylaktische Reakt., aurikuläre Schwellungen, bullöse Hauterkr., exfoliative Hauterkr., Urtikaria, Pruritus, Ausschläge u. Eruptionen, Fatigue,
Brustschm., erhöh. Blutdr., Herzgeräusch, erhöh. Leberenzyme. Selten: Desorientierth., Manie, Mydriasis, Sehstörg.,
Erythem, Hyperhidrose, makulöser Hautausschlag. Sehr selten: Leukopenie, Panzytopenie, Thrombozytopenie,
thrombozyt. Purpura, Verwirrungszust., Suizidversuch (bei m. CONCERTA® behand. Pat. wurde üb. Suizidgedank.
u./od. Suizidversuche bericht.; Zus.hang m. CONCERTA® in dies. Fällen ist unklar.), Konvulsionen, Grand-mal-Anfälle,
Angina pect., Bradyk., Extrasyst., supraventr. Tachyk., ventr. Extrasyst., Raynaud’sches Phänomen, Brustbeschw.,
Hyperpyrexie, erhöh. alk. Ph.-Werte i. Blut, erhöh. Bilirubin-Werte i. Blut, erniedr. Thrombozytenzahl, abnorm.
Leukozytenzahl. NW m. and. Methylphenidat-Formulier. (zusätzl. zu o.g. Reakt.): Choreoath. Beweg., Tourette-Syndr.,
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Habilitation
in Bauch- und Rückenlage. In 2/3 der Fälle
wiesen diese kongruenten Säuglinge eine
Linkskonvexität und eine linksseitig eingeschränkte HWS-Rotation auf. 27 Säuglinge hatten einen Lagerungsplagiocephalus,
13 Säuglinge eine Schräglage, 4 Säuglinge
eine Hüftdysplasie > Typ II a nach Graf,
11 Säuglinge eine asymmetrische Fußstellung, 4 Säuglinge einen passageren Strabismus und 19 Säuglinge asymmetrische
Greifreflexe. 1/3 aller Säuglinge zeigten
eine fixierte HWS-Neigung nach links und
dies entsprach der intrauterinen Lage (I.
Schädellage).
Literatur
1. Alfonso I, Alfonso DT, Papazian O (2000) Focal
upper extremity neuropathy in neonates. Semin
Pediatr Neurol 7: 4-14
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in patients with myelomeningocele: an evidencebased literature review. J Neurosurg 103: 24-35
Abb. 4 a) Bilderserie aus dem Bewertungsvideo eines Säuglings der Kontrollgruppe vor (obere
Zeile) und nach (untere Zeile) vier Scheinbehandlungen. Es zeigt sich eine Verschlechterung der
HWS-Rotaton von 3 nach 4 Punkten und eine Verschlechterung der Rumpfkonvexität von 4 nach
5 Punkten, b) Bilderserie aus dem Bewertungsvideo eines Säuglings der Behandlungsgruppe vor
(obere Zeile) und nach (untere Zeile) vier osteopathischen Behandlungen. Es zeigt sich eine Verbesserung der HWS-Rotaton von 6 nach 6 Punkten und eine Verbesserung der Rumpfkonvexität
von 5 nach 1 Punkten
Musteranalyse der infantilen
Haltungsasymmetrie
Zur Erfassung des gesamten Symptomenkomplexes der infantilen Haltungsasymmetrie und deren Muster wurde
schließlich eine um qualitative Merkmale
erweiterte Auswertung der videodokumentierten Untersuchungen durchgeführt
(30). Für die Musteranalyse der infantilen
Haltungsasymmetrie wurden 54 Säuglinge
mit einem Asymmetriescore von mindestens 12 Punkten aus den o. g. Kollektiven
(Kollektive der Asymmetrie-Skalaentwicklung und Therapiestudie) ausgewählt. Neben der funktionellen quantitativen Asymmetriebewertung wurden Plagiocephalus,
Schräglage, Fußfehlstellung, Hüftreife,
Hand- und Fußgreifreflexe sowie Augen-
bewegungen qualitativ ausgewertet. Es
zeigte sich bei 6 Säuglingen ein dominierendes Skoliosemuster, bei 9 Säuglingen
ein dominierendes Tortikollismuster, bei
13 Säuglingen ein gemischtes Bauchlagenmuster und bei 26 Säuglingen ein gemischtes Muster (Abb. 5 und 6). 27 Säuglinge zeigten eine Seitenübereinstimmung
von Rumpfkonvexität und HWS-Rotation
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(Rumpfkonvexität BL + Rumpfkonvexität RL) – (HWS-Rotationsdefizit BL + HWS-Rotationsdefizit RL)
(Rumpfkonvexität BL + HWS-Rotationsdefizit BL) – (Rumpfkonvexität RL + HWS-Rotationsdefizit RL)
Abb. 5: Formel zur Ermittlung des führenden Musters, BL = Bauchlage und RL = Rückenlage.
36 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
#5706_neuropa diatrie_02_08.indd 36
03.04.2008 13:30:27 Uhr
Habilitation
Abb. 6: HWS-Rotationsdefizit und Rumpfkonvexität in Bauch- und Rückenlage
disease or mitochondrial myopathy?. J Neurol Sci
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Hüftdysplasie und Schiefhals im Säuglingsalter. Z
Orthop 117: 784-789
Mein respektvoller Dank gebührt dem
physiotherapeutischen und osteopathischen Team der Universitätskinderklinik
Mainz. Für die methodologische Unterstützung bedanke ich mich bei Herrn Dr.
Andreas Faldum, Ltd. Arzt und Statistiker
am Institut für Medizinische Biometrie,
Epidemiologie und Informatik der Universitätsklinik Mainz, Herrn Prof. Dr. Jürgen
Spranger, ehemaliger Direktor, und Herrn
Prof. Dr. Bernd Reitter, Ltd. Oberarzt der
Universitätskinderklinik Mainz, Herrn
Prof. Dr. Dietz Rating, Ärztlicher Direktor
der Pädiatrischen Neurologie sowie Herrn
Prof. Dr. Joachim Pietz, Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrums der Universitätskinderklinik Heidelberg.
Priv.-Doz. Dr. med. Heike Philippi
Sozialpädiatrisches Zentrum
Frankfurt-Mitte
mit Epilepsieambulanz
Theobald-Christ-Str. 16
60316 Frankfurt am Main
[email protected]
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03.04.2008 13:30:28 Uhr
Originalien/Übersichten
Transkulturelle Pädiatrie:
Fakten, Thesen und Lösungen
O. S. IPSIROGLU
Sunny Hill Health Center for Children, BC Childrens Hospital, University of British
Columbia, Vancouver, Canada
Zusammenfassung
Der Zuwanderungsprozess der letzten
Jahrzehnte hat in der europäischen Bevölkerung eine ethnische Heterogenität
bewirkt, die neben sprachlichen zu kulturellen Kommunikationsbarrieren führt
und die medizinische Versorgung Massiv
erschwert: „... Trotz gleichwertiger medizinischen Angebote verlaufen Krankheiten
bei Migrantenkindern ungünstiger als bei
Kindern österreichischer oder deutschen
Familien... Für viele Pädiater erweist sich
der gesellschaftspolitische Auftrag der
Gleichbehandlung aller Patienten schon
aufgrund der fehlenden Möglichkeiten
einer (sprachlich) einwandfreien Kommunikation als schwierig bis unmöglich...“
(Presseerklärung der ÖGKJ & DGSPJ, 2004).
Lösungsansätze seitens der Gesundheitspolitik fehlen. Fachgesellschaften kommt
die Funktion von Lotsen zu; sie müssen die
notwendigen Prioritäten aufzeigen und
die Diskussion führen.
„Im besten Interesse des Kindes“ heißt,
das Kind als Patienten innerhalb seines
sozialen Umfeldes mit seiner Familie und
Gleichen [„peers“] wahrzunehmen. Hier
ermöglicht ein „explorativer“ Zugang
über traditionell geprägte Stereotypien
und Vorurteilsfallen hinwegzukommen
und die Bewegungsgründe unseres Gegenübers besser zu verstehen, und somit
eine optimierte Patient/Arzt Interaktion
herzustellen. Die erforderliche Zeit beim
„Explorieren“ und „Zuhören der Krankheitsgeschichte“ [„narrative“] kann dem
Geübten die Denkmodelle seines Gegenübers offenbaren und damit den Zugang
zu einem anderen Verständnis und Verhalten ermöglichen. Unterschiedliche
Meinungen zum „besten Interesse des
Kindes“ sollten möglichst in einer vordefinierten offiziellen Struktur, z. B. innerhalb der klinischen Ethikkommission, zusammen mit den Angehörigen, diskutiert
werden. Hier gibt es in Deutschland und
Österreich einen Handlungsbedarf, das
medizinische System muss sich der Diskussion der andersempfundenen Prioritäten
stellen, ihre Positionen klarlegen, innerhalb der gesetzlichen Vorgaben verteidigen und vom traditionellen Paternalismus
abgehen. Erst der Diskurs ermöglicht das
gemeinsame und gemeinschaftliche Voneinanderlernen und damit die Wahrnehmung vom besten Interesse des Kindes.
In cases where opinions differ regarding
what the best interest is, c) clinical ethics
committees will help to discuss challenges
in a predefined official setting enabling
discussants to argue within existing acts
and to get an understanding of different
needs.
Schlüsselwörter
Key words
Transkulturelle Pädiatrie, Exploration,
Vorurteile im ärztlichen Gespräch, Gesundheitspolitik
Transcultural Paediatrics, Exploration,
Prejudice in Medical Communication,
Health Policy
Transcultural Paediatrics. Facts,
Hypotheses, and Solutions
Bibliography
Abstract
Living in a different country with a different lifestyle and a different orientation
is a multi-faceted challenge for migrants
and the host community. In Europe the
turn of the millennium is characterized by
migration, ethnic diversity and emergence
of communication barriers. Apart from
language, information and education,
diverse conceptions of life and different
value systems are responsible for these
tremendous challenges. As stated in the
press information of the Austrian Paediatric Society and the German Society for
Social-Paediatrics & Adolescent Medicine
(Graz, Ulm, February 04) the individual
paediatrician is no longer able to fulfil
his socio-political commitment to treat
all clients equally. However health politics
have not been able to lead out of, not to
mention, solve these existing challenges.
‘In the best interests of the child“ is the
basic leading principle of ethics in paediatric medicine, and is based on the fundamental rights of the child. ‘In the best
interests of the child“ equates to work out
the transcultural approach to understand
the clients“ own world, mainly perception,
and cultural environment: a) the explorative approach and b) listening to disease
narratives will open a new understanding.
Neuropaediatrie 2008; 7: 38–46, ©
Schmidt-Roemhild-Verlag,
Luebeck,
Germany: ISSN 1619-3873; NLM ID
101166293; OCoLc 53801270
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
[Aristoteles]
Einleitung
Europa zeichnet sich nach den kriegsbedingten Wanderungsbewegungen des 20.
Jahrhunderts und dem wirtschaftlichen
Wiederaufbau der Nachkriegszeit durch
einen demographischen Alterungsprozess
aus (1). Parallel dazu hat ein anhaltender
Zuwanderungsprozess aus dem nahen und
mittleren Osten sowie aus afrikanischen
Ländern in der europäischen Bevölkerung
eine ethnische, kulturelle und religiöse
Heterogenität bewirkt (38). Diese Heterogenität führt zu sprachlichen und kulturellen Kommunikationsbarrieren, die die
medizinische Versorgung von Zuwanderern
und deren Kindern Massiv erschweren (8).
Die transkulturelle Pädiatrie beschäftigt
sich mit den Herausforderungen in der
medizinischen Betreuung von Kindern aus
Migrantenfamilien und mit möglichen
Lösungsansätzen zur verbesserten Versorgung dieser Kinder (10).
Der Gesundheitszustand von Migranten
ist nicht nur ein Maß für den Zustand des
Gesundheitssystems des Zuwanderungs-
38 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
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03.04.2008 13:30:28 Uhr
DIACOMIT
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Dravet-Syndrom (SMEI)
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Diacomit® 250 mg / 500 mg Hartkapseln – Wirkstoff: Stiripentol. Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: arzneil. wirksamer Bestandteil: 1 Hartkapsel Diacomit® 250 mg enth. 250 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol); 1
Hartkapsel Diacomit® 500 mg enth. 500 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol) Sonstige Bestandteile Hartkaps. Diacomit® 250 mg: Povidon K29/32; Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) entspricht 0,16 mg Natrium pro Hartkaps.;
Magnesiumstearat, Gelatine, Titandioxid (E 171); Erythrosin (E 127); Indicogarmin (E 132). Sonstige Bestandteile Hartkaps. Diacomit® 500 mg: Povidon K29/32; Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) entspricht 0,32 mg Natrium
pro Hartkaps.; Magnesiumstearat, Gelatine, Titandioxid (E 171) Anwendungsgebiete: Diacomit® ist indiziert für die Anwendung in Verbindung mit Clobazam u. Valproat bei refraktären generalisierten tonisch-klonischen
Anfällen bei Patienten mit schwerer myoklonischer Epilepsie im Kindesalter (SMEI, Dravet-Syndrom), deren Anfälle mit Clobazam u. Valproat nicht angemessen kontrolliert werden können. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegenüber Stiripentol o. einen der sonst. Bestandteile; Vorgeschichte mit Psychosen in Form deliranter Anfälle. Nebenwirkungen: Sehr häufig: Anorexie; Appetitverlust; Gewichtsverlust (v.a. in Komb. mit
Natriumvalproat); Schlaflosigkeit; Benommenheit; Ataxie; Hypotonie; Dystonie. Häufig: Neutropenie (persistierende schwere Neutropenie bildet sich nach Absetzen i. allg. spontan zurück); Aggressivität; Reizbarkeit;
Verhaltensstörungen, ablehnendes Verhalten; Übererregbarkeit, Schlafstörungen; Hyperkinesie; Übelkeit; Erbrechen; erhöhte g-GT (v.a. in Kombi. mit Carbamazepin u. Valproat). Gelegentlich: Diplopie (bei Anwendung mit
Carbamazepin); Lichtempfindlichkeit; Hautausschlag; Hautallergie; Urtikaria; Müdigkeit. Hinweis: weitere Informationen zu Wechselwirkungen, Dosierungsangaben; Anwendungsempfehlungen sowie Hinweise für
Verkehrsteilnehmer enthält die Fach- und Gebrauchsinformation. DESITIN ARZNEIMITTEL GMBH, Weg beim Jäger 214, 22335 Hamburg, www.desitin.de · Stand: Dezember 2007
Diacomit® 250 mg / 500 mg Pulver - Wirkstoff: Stiripentol. Verschreibungspflichtig. Zusammensetzung: arzneilich wirksamer Bestandteil: 1 Beutel Diacomit® 250 mg Pulver enth. 250 mg (E)-Stiripentol (Stiripentol); 1 Beutel
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Natrium pro Beutel; sprühgetrockn. Glucosesirup (500 mg pro Beutel); Aspartam (E 951) 2,5 mg pro Beutel; Tutti-Frutti-Aroma (enth. 2,4 mg Sorbitol pro Beutel); Hyetellose; Erythrosin (E 127); Titandioxid (E 171). Sonstige
Bestandteile Diacomit® 500 mg Pulver: Povidon K29/32; Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A) und Carmellose-Natrium, entspricht 0,22 mg Natrium pro Beutel; sprühgetrockn. Glucosesirup (1000 mg pro Beutel); Aspartam
(E 951) 5 mg pro Beutel; Tutti-Frutti-Aroma (enthält 4,8 mg Sorbitol pro Beutel); Hyetellose; Erythrosin (E 127); Titandioxid (E 171). Warnhinweise: Diacomit® 250 mg / 500 mg Pulver enthält Aspartam
u. kann daher für Menschen mit Phenylketonurie schädlich sein; Pat. mit Glucose-Galactose-Malabsorption sollten Diacomit® 250 mg / 500 mg Pulver aufgrund seines Gehaltes an Glucose nicht
einnehmen; aufgrund des Gehaltes an Sorbitol sollten Pat. mit hereditärer Fructoseintoleranz Diacomit® 250 mg / 500 mg nicht einnehmen. Hinweis: Informationen zu Nebenwirkungen,
Gegenanzeigen siehe oben; Informationen zu Wechselwirkungen, Dosierungsangaben; Anwendungsempfehlungen sowie Hinweise für Verkehrsteilnehmer enthält die Fach- und
Gebrauchsinformation. DESITIN ARZNEIMITTEL GMBH, Weg beim Jäger 214, 22335 Hamburg, www.desitin.de · Stand: Dezember 2007
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Originalien/Übersichten
landes, sondern auch ein Maß für deren
Integration in das gesellschaftspolitische
System des Zuwanderungslandes (3, 8). Ist
das gesellschaftspolitische System in der
Lage, das Erkennen und Fördern der Gesundheit als Wert zu vermitteln? [Ottawa Charter
for Health Promotion, WHO 1986; http://europa.eu]
. Wie ist der
Gesundheitszustand und das Gesundheitsverständnis der Zuwanderer? Wie wird der
Gesundheitszustand der heutigen Migrantenkinder als zukünftige Erwachsene sein
und wie werden sie ihren Beitrag zur Stützung des Gesellschafts- und Wirtschaftssystems des aktuellen Heimatlandes leisten
können? Mit diesen systemimmanenten
Fragen und möglichen Lösungsansätzen
beschäftigt sich der Public Health Aspekt
der transkulturellen Pädiatrie.
Transkulturelle Pädiatrie ist ein neuer Begriff, der sich inhaltlich vom herkömmlichen Ansatz der interkulturellen
Kompetenz unterscheidet (8, 37, 39). Ziel
der transkulturellen Pädiatrie ist nicht so
sehr die Erstellung von Checklisten und
Standardisierung der Betreuung von Migrantenkindern, sondern eine darüber hinausgehende generelle Optimierung der
Interaktion zwischen Patient und Arzt/
Therapeut. Der vorliegende Artikel zeigt
die Rahmenbedingungen unter denen die
aktuellen Herausforderungen der transkulturellen Pädiatie im deutschsprachigen
Raum zu verstehen sind, zeigt transkulturelle Herausforderungen und Lösungsansätze im medizinischen Alltag auf und
umreißt schließlich Lösungsmodelle unter
Einbeziehung ethischer (31, 33, 47) und
medizinanthropologischer Betrachtungsweisen (37, 39).
I. Rahmenbedingungen
Demographische Entwicklung
Die Bevölkerung Europas ist durch einen demographischen Alterungsprozess
und durch Zuwanderung aus unterschiedlichen außereuropäischen Regionen gekennzeichnet (1,38). Beide Entwicklungen
resultieren in einer zunehmenden ethnischen, kulturellen, religiösen und sozioökonomischen Heterogenität der Bevölkerung. Durch das Fehlen einer langfristigen
Integrationspolitik und durch mangelnde
gesundheitspolitische Maßnahmen wird
diese Heterogenität im medizinischen
Alltag zu einer Herausforderung, der sich
sowohl der einzelne niedergelassene Arzt
als auch die in Spitälern tätigen Ärzte und
Gesundheitsprofessionisten stellen müssen: „Trotz gleichwertiger medizinischer
Angebote und Versorgungsstrukturen
verlaufen Krankheiten bei Migrantenkindern ungünstiger als bei Kindern österreichischer oder deutscher Familien. Für viele
Pädiater erweist sich der gesellschaftspo-
litische Auftrag der Gleichbehandlung aller Patienten schon aufgrund der fehlenden Möglichkeiten einer sprachlich einwandfreien Kommunikation als schwierig
bis unmöglich ...“
[http://www.docs4you.at/Content.Node/News/Gesundheitsplan
/
gesundheitsplan_für_kinder und_ jugendliche1.php ]
.
Gesundheitsbegriff und Prävention
Die
Weltgesundheitsorganisation
(WHO) definiert Gesundheit als einen
Zustand des umfassenden körperlichen,
geistigen und sozialen Wohlbefindens
und nicht nur als das Fehlen von Krankheit und Behinderung [WHO 1947]. In Fortsetzung dieses umfassenden, aber statischen
Verständnisses empfiehlt die WHO nunmehr die Gesundheit dynamisch, als Wert
und nachhaltige Strategie in die neue
Gesundheitspolitik zu integrieren [Ottawa Charter for Health Promotion, WHO 1986]
. Primäre Prävention
und Förderung zur Weiterentwicklung des
jeden Individuum von Natur aus gegebenen Kapitals der Gesundheit (Salutogenese) sind die Hauptkomponenenten des
neuen Public Health Verständnisses [http://
europa.eu]
(Abb. 1, 2).
Wie aber kann dieser neue Präventionsansatz, der bestmögliche medizinische
und soziale Anstrengungen beinhaltet, die
Gesundheit fördern (health promotion)
und Krankheit und Unfälle sowie deren
Folgen verhüten [Ottawa Charter for Health Promotion, WHO
1986]
, Migranten aus anderen Kulturkreisen
mit anderem Körper- und Gesundheitsverständnis vermittelt werden?
Prävention kann nach einem Vorschlag
der „Commission on Chronic Illness“ in
eine primäre, sekundäre und tertiäre eingeteilt werden [Am J Public Health Nations Health. 1949
October; 39(10): 1343–1344]
, je nachdem ob sie Anstrengungen zur Verhinderung der Krankheitsentstehung überhaupt, Maßnahmen
zur Früherkennung und frühzeitigen
Therapie von Krankheitsprädispositionen,
oder Maßnahmen zur Verhinderung des
Fortschreitens bereits vorhandener Krankheitssymptome beinhaltet.
Anlässlich der 1. Wiener Arbeitstagung
(9.-10.5.2004) zum Thema Transkulturelle Aspekte in der Pädiatrie wurden zum
Thema Prävention bei Migrantenfamilien
folgende konkrete Beispiele erarbeitet:
Primäre Prävention im transkulturellen Kontext kann durch die Einbindung
unterschiedlicher Migranten Communities in Aufklärungs- und Informationskampagnen (z. B. Impfungen) erreicht
werden. Traditionell sind Migranten mit
primären Präventionsmaßnahmen von ihren Heimatländern her vertraut und ihre
aktive Einbindung in Kampagnen kann
den ersten Schritt zu einer Interaktion mit
dem Gesundheitssystem des Gastlandes
bedeuten. Sekundäre Prävention im trans-
Article 152: A high level of human
health protection shall be ensured in
the definition and implementation of
all Community policies and activities.
Article 153: The Community shall contribute to protecting health, safety and
economic interests of consumers, as
well as to promoting their right to information, education and to organize
themselves in order to safeguard their
interests.
Abb. 1: Resolution der Europäischen Kommission, 18. November 1999, Quelle: http://eur-lex.
europa.eu
Die Gesundheit hat einen hohen Stellenwert für die Bürger der Europäischen
Union. Diese erwarten zu Recht, dass
sie vor möglichen Gesundheitsgefahren
geschützt werden. Der Gemeinschaft
kommt hierbei eine überaus wichtige
Rolle zu, und sie ist verpflichtet, ihren
Bürgern ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Der Entwurf
einer neuen Strategie ist erforderlich,
weil neue Herausforderungen und
Prioritäten im Bereich der Gesundheit
entstanden sind, wie die Erweiterung,
das Auftreten neuer Krankheiten, der
Kostendruck im Gesundheitswesen und
die verstärkten Verpflichtungen der
Gemeinschaft infolge der Änderungen
des EG-Vertrags (Artikel 3 und 152).
Abb. 2: Die gesundheitspolitische Strategie der
Europäischen Gemeinschaft: Sie ist das Ergebnis einer Debatte, die 1998 mit der Mitteilung
der Kommission über die Entwicklung der Gemeinschaftspolitik im Bereich der öffentlichen
Gesundheit begann. Sie trägt den Ergebnissen
dieser Debatte sowie den Erfahrungen Rechnung, die mit den vorhergehenden Aktionsprogrammen und Maßnahmen gewonnen wurden.
Quelle: http://europa.eu
kulturellen Kontext kann durch die aktive
Einbindung von Migranten in Selbsthilfegruppen erreicht werden. Damit wird
die gesellschaftliche Anerkennung der
Erkrankten selbst und zugleich die gesellschaftliche Integration der betroffenen
Familien gefördert. Ein wichtiger Schritt
in der transkulturellen tertiären Prävention ist der Einsatz von professionellen Dolmetschern zur Verminderung der sprachlichen Barrieren. In der derzeitigen Situation mit fehlenden oder unzureichenden
Dolmetschstrukturen ist dieser Auftrag
nicht erfüllbar (3, 5).
Europäische Gesundheitspolitik
Die europäische Gesundheitspolitik ist
dazu herausgefordert, allen Menschen
40 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
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03.04.2008 13:30:32 Uhr
Originalien/Übersichten
trotz soziokultureller und ökonomischer
Unterschiede Zugang zu einer bedarfsund qualitätsgerechten sowie kosteneffizienten Kranken-, Pflege- und Behindertenversorgung zu gewährleisten, unter
Aufrechterhaltung der Finanzierungskapazität anderer gesellschaftspolitische
Ziele wie Bildungs-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik [http://europa.eu]. Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage, Faktoren wie
Arbeitslosigkeit, rückläufiger Anteil der
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten an der Gesamtbevölkerung, absehbare Finanzierungslücken in der gesetzlichen Krankenversicherung und Ineffizienzen im Gesundheitssystem bewirkten in
Deutschland die neue Gesundheitsreform.
In Österreich wird eine ähnlich umfassende Gesundheitsreform sukzessive mit der
Einführung des österreichischen Strukturplanes ab dem 1.1.2008 eingeleitet.
Die öffentlichen Diskussionen um diese
Reformen zeigen jedoch noch wenig Willen, langfristige, über parteipolitischen
Dissens hinausgehende Lösungen auch
hinsichtlich der Versorgungsproblematik
bei Migranten zu erarbeiten.
Positionierung der medizinischen
Fachgesellschaften
Nachdem Migranten in manchen Regionen bis zu 40% oder mehr unseres Patientenaufkommens ausmachen (5), sind auch
Fachgesellschaften gefragt, aus ihrer Sicht
heraus, über politische Grenzen hinweg,
Leitlinien für die notwendigen Schritte
der verbesserten Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe vorzugeben [http://www.docs4you.
at/Content.Node/
News/Gesundheitsplan/gesundheitsplan_für_kinder
und_ jugendliche1.php]
. Im Leitbild der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) sind transkulturelle
Aspekte in den Kernaufgaben festgehalten
(43, 44, 46). Individuelle Wachsamkeit und
Zivilcourage werden allerdings notwendig
sein, um systemische Lücken aufzuzeigen
und auf Basis eines ethischen Selbstverständnisses zu bearbeiten (3, 8).
II. Transkulturelle
Herausforderungen
Herausforderung Religion
Häufig wird in Verbindung mit dem
„Andersartigen“ die Religion als ein Hauptfaktor, der unser interkulturelles Verständnis beeinflusst und politischen und gesellschaftlichen Spannungen zugrunde liegt,
assoziiert (29, 30). In ihrem faszinierenden
Artikel „Leiden und Krankheitsverhalten
im Spannungsfeld zwischen Religion und
Ethik“ zeigen die Autoren Körtner, Aksu und Scheer aus christlicher, jüdischer
und islamischer Sicht, dass das Bekenntnis
zur Verfügungsmacht Gottes sehr unter-
schiedlich sein kann, jeweils abhängig
vom eigenen Bekenntnis und dem individuellen Standpunkt (47). Die Autoren leiten daraus ab, dass es in einer modernen,
pluralistisch strukturierten Gesellschaft
keiner Gruppe oder Institution zukommen
kann, Wertfragen autoritativ zu entscheiden (47) und vertreten die anthroplogische These, dass sich die Frage nach der
sinnhaften Bedeutung von Leiden, Krankheit und Tod weder dogmatisch religiös
noch dogmatisch naturwissenschaftlich
beantworten lässt. Die Medizin als naturwissenschaftlich gestützte Handlungswissenschaft soll dementsprechend nicht
nur
wissenschaftszentriert,
sondern
auch gesellschaftsorientiert ihre Handlungsinhalte und Ziele kommunizieren.
Die Entwicklung und Aufrechterhaltung
dieser Forderung ist eine wichtige Aufgabe
der Medizinethik (11, 47). Ärztliche Praxis
und medizinische Ethik müssen daher einerseits kultur- und religionssensibel, andererseits aber auch transkulturell reflexiv
sein (47). Ohne zum Beispiel die religiösen
Überzeugungen der Eltern zu missachten,
bleibt in einer säkularen Gesellschaft und
im wertanschaulich neutralen Staat das
Wohl des Kindes der entscheidende Maßstab (11, 47). Das nachfolgende Beispiel
(Abb. 3) zeigt, dass unterschiedliche Meinungen und Streitangelegenheiten vom
Gesetzgeber auf Basis desselben Grundgesetzes auch unterschiedlich interpretiert
und in der Rechtssprechung gehandhabt
werden können.
Herausforderung Kultur
Der Begriff Kultur ist nicht eine technische Fähigkeit, die einfach erlernbar ist. [DelVecchio Good 1995]
Im Gegensatz zum anthropologischen Kulturbegriff mit seinen umfassenden Hintergründen und Implikationen,
wird in der täglichen klinischen Tätigkeit
Kultur unpräzis verallgemeinernd für
Sprache, Ethnizität oder Nationalität verwendet. Die weitverbreitete Gleichstellung
von Gesellschaft und kultureller Identität
führt zu gefährlichen Stereotypien und
Vereinfachungen, die der Frage, wie und
warum ein Individuum in einer Situation
der gesundheitlichen Beeinträchtigung
reagiert, nicht gerecht werden können,
und damit aber auch den dringend notwendigen Lösungsansatz im individuellen
Fall blockieren (36, 37, 39). Mehr noch,
kulturspezifische Vorurteile können dazu
führen, dass wesentliche andere Faktoren,
wie die soziale oder psychische Situation
der Kinder und ihrer Eltern und die Überforderung mit Therapiekonzepten, in den
Hintergrund gedrängt werden (35). Aus
medizinanthropologischer Sicht ist Kultur
als dynamisch zu sehen und in ständiger
Entwicklung (39), beeinflusst von indivi-
In unterschiedlichen Gesellschaften
finden wir unterschiedliche Verhaltensnormen und die Frage nach dem Besten
Interesse des Kindes kann schon in ein
und demselben Kulturkreis mit unterschiedlicher föderaler Rechtsprechung
zu kontroversen Resultaten führen: In
British Columbia gab es in den letzten
Jahren zwei Fälle von krebskranken Kindern aus dem Glaubensbekenntnis der
Jehovas Zeugen, in der die Eltern und
das Kind (im ersten Fall war das Kind 4
Jahre, im zweiten Fall 16 Jahre) die notwendige Therapiemaßnahme mit einer
Blutkonserve aufgrund ihrer religiösen
Überzeugung ablehnten. Während im
ersten Fall, die Vormundschaft über
die Therapiezeit den Eltern gerichtlich
abgenommen und damit die Therapie
ermöglicht wurde, sind im zweiten Fall
nach der Rechtssprechung die Eltern mit
dem Kind in die benachbarte Provinz
Saskachewan, geflohen. Die gerichtliche Entscheidung, Aberkennung der
Vormundschaft, von British Columbia
wurde initial anerkannt, allerdings dem
Einspruch der Eltern und des Jugendlichen stattgegeben und nach einer
umfassenden Anhörung akzeptierte das
dortige Gericht ihre Argumentation mit
der zu erwartenden Konsequenz, dass
der Jugendliche starb. [Faye, North Pacific Pediatric
Society Conference 2007]
Dieses Beispiel kann sicher unterschiedlich diskutiert werden, aber es zeigt uns
dass es keine einheitlichen und „klaren
Lösungen“ trotz desselben Grundgesetzes gibt. Wenn Gesetze bei einer so
klaren Frage schon so unterschiedlich
interpretiert und umgesetzt werden
können, wie groß können Interpretationen bezüglich der Unterschiedlichkeit
von ein und derselben Kultur sein.
Abb. 3: Beispiel: Bluttransfusion bei Jehovas
Zeugen in British Columbia
duellen psychologischen und biologischen
Faktoren (wie psychologisches und soziales Wohlbefinden, Krankheit, Krankheitsverständnis, Alter, ...) sowie von ökonomischen und politischen Entwicklungen.
Die kulturelle Dynamik und Entwicklung
kann zwischen Einwanderern aus ein und
derselben Region, je nach den erlebten
Erfahrungen und dem Umfeld, trotz ähnlicher Ausgangssituation vollkommen unterschiedlich sein (9).
Herausforderung Kommunikation
Andere zu verstehen und selbst verstanden werden, erfordert neben Zeit und
Empathie für das Anliegen seines Gegenübers sprachliche und kulturelle Kompe-
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Originalien/Übersichten
tenzen. In unseren bisherigen Fallanalysen
(5, 9) haben wir aus dem Blickwinkel des
Klinikers 3 Hauptebenen der Verständnisbarrieren entdeckt:
1. Sprachliche Barrieren bedingt durch
fehlende Sprachkenntnisse,
2. Informationsbarrieren und Verständnisbarrieren durch unterschiedliche
Krankheits- und Gesundheitskonzepte
von Migranten und
Sprachbarrieren
3. kulturelle Barrieren, die auf unterschiedlichen Religionen und ethischen
Wertvorstellungen basieren.
Sind Ressourcen bildungsbedingter
Verständigung eingeschränkt, bleibt Menschen der Zugriff auf wichtige Informationen zur Gestaltung ihrer sozialen, rechtlichen und gesundheitlichen Bedürfnisse
weitgehend versagt. Dies gilt insbesondere für Migranten und Flüchtlinge, die der
Landessprache und Kultur des Gastlandes
nicht mächtig sind, und fördert die Segregation in Ghettos, die eine Scheinsicherheit anbieten (39).
III. Lösungsansätze
Empfehlungen der Fachgesellschaften
(ÖGKJ und DGSKJ, Deutsche Gesellschaft
für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin)
Empfehlungen für individuelle Dienstleister
Empfehlungen für das Gesundheitssystem
„Neben einer Offenheit für den Patienten und
seine Familie geht es hauptsächlich darum, die
eigenen Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern: Wissen verständlich machen heißt, komplizierte Sprache vermeiden und auf eine dem
Bildungsstand des Laien angepasste Verständlichkeit achten.“
„Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes: Erstellung von Standards in der Betreuung von
MigrantInnen im Rahmen von Qualitätsmanagementkonzepten.“
„Es sollten möglichst professionelle Dolmetscher
hinzugezogen werden, die nicht nur die Sprache,
sondern auch die Standards, Regeln und Ethik
des Dolmetschens beherrschen. Es sollten keine Verwandten oder Nachbarn, auf keinen Fall
Kinder, als Dolmetscher eingesetzt werden. Auch
das Beiziehen von, z. B. die selbe Muttersprache
sprechenden Ärzten lediglich zu Dolmetscherzwecken ist kritisch zu betrachten. Auch sie haben keine Ausbildung im Dolmetschen und fühlen sich häufig in dieser Funktion überfordert.“
Informationsbarrieren
„Der Einsatz von fremdsprachigem Informationsmaterial, das nach denselben Qualitätskriterien
wie deutschsprachiges Informationsmaterial
ausgewählt werden sollte (Empfehlungen von
Fachgesellschaften im Sinne einer Qualitätskontrolle wären hilfreich), ist zu fordern.“
„Gezielte Fürsorge für sozial Schwache: Einsatz
von mehrsprachigen Sozialarbeitern als soziale
Lotsen, die gerade bei komplexen Erkrankungen
ihre Klienten begleiten und die Compliance steigern helfen.“
„Schulung: Aufnahme des Themas Migrantengesundheit in Fort- und Ausbildungscurricula
für Pflege-, ärztliches und therapeutisches Personal.“
Kulturbarrieren
„In komplexen Fällen, die eine hohe Compliance
erfordern, sollte die gesamte Familie einbezogen
werden. Wahrnehmung der sozialen Rolle der
einzelnen Familienmitglieder (Vater, Mutter,
Familienoberhaupt, Familie des Vaters und der
Mutter) und dementsprechende aktive Einbindung sind wichtig.“
„Die transkulturelle Kompetenz in der Kinderund Jugendmedizin muss durch Wahrnehmung
des Themas und Fortbildung gestärkt werden.
Die Grenzen der transkulturellen Offenheit sind
allerdings dort gegeben, wo bildungsbedingtes
Unwissen, kulturell geprägte Einstellungen und
Verhaltensweisen für das einzelne Kind schädlich
werden.“
„Koordination: landes- bzw. bundesweite Koordination, damit die Maßnahmen effizient
umgesetzt bzw. auch evaluiert werden können.
Auf der anderen Seite sollten Mitgliedern von
Migrantengruppen nicht nur Rechte eingeräumt
werden, sondern nach den Gesetzmäßigkeiten
unseres Systems sind sie auch an ihre Pflichten
zu erinnern. Dies kann allerdings erst durch ihre
aktive Einbindung in unser Gesellschaftssystem
geschehen, z. B. durch Förderung mittels einer
Migrantenquote in Sozialberufen und Akademien
für den gehobenen medizinischen Dienst (Therapeuten für Logopädie, Ergotherapie usw.).“
„Verpflichtung, im Gesundheitssystem zu partizipieren, z. B. Einbindung in Ethikkommissionen.
Darüber hinaus ist ein bildungspolitisches Konzept für Kinder aus sozial schwachen Migrantenfamilien zu fordern. Dazu zählt u. a. die intensive
Förderung der Mutter- und der Zweitsprache bei
Migrantenkindern und deren Eltern.“
Abb. 4: Empfehlungen der ÖGKJ und DGSPJ
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Monotherapie. Zusatztherapie b. Erw. u. Kdrn. ab 2 Jahren m. fokalen epilept. Anfällen mit od. ohne sek. Generalisier., primär general. ton.-klon. Anfällen u. epilept. Anfällen b. Lennox-Gastaut-Syndr.. Gegenanz.: Überempfindl. gg. Wirkstoff od. sonst.
Bestandt.; Kdr. unter 2 Jahren; akute Myopie und sekundäres Engwinkelglaukom; Stillzeit. Vorsicht bei: Bhdlgs.ende: schrittweise Ausschleichen, b. schnellem Absetzen Überwach. empf.. Eingeschr. Nierenfunkt. (Kreatinin-Clearance < 60 ml/min);
Nephrolithiasis und diesbezügl. Prädisposition; eingeschr. Leberfunkt.; Gewichtsverlust. Metabol. Azidose: Pat. währ. d. Therapie hinsichtl. metabol. Azidose unters.; abh. v. d. klin. Situat. kann diese Unters. d. Bestimm. v. Bicarbonat i. Serum, Verlaufskontr.
d. Serumchloridwertes od. Blutgasanalysen beinhalten. Wenn sich e. metabol. Azidose entwickelt od. fortbesteht, Verring. d. Dosis od. d. Beendigung d. Bhdlg. in Betr. ziehen (Dosis ausschleichen). Stimmungsschwank./Depression: Erhöh. Inzidenz v.
Stimmungsschwank. u. Depression beob.. Hinw.: Filmtabl.: Enth. Lactose. Kaps.: Ent. Sucrose. Pat. mit d. selt. hereditären Galactose-Intoleranz, Lactase-Mangel od. Glucose-Galactose-Malabsorption, heredit. Fructose-Intoleranz, Saccharase-IsomaltaseMangel sollten TOPAMAX nicht einnehmen. Gleichz. Gabe m. Lithium, Hydrochlorothiazid, Metformin, Glibenclamid, Pioglitazon. Schwangerschaft: Nur anw., wenn keine Therapiealternativen z. Verfüg. u. mögl. Nutzen f. d. Mutter d. mögl. Risiko f. d. ungeb.
Kind überwiegt. Nebenwirk.: Klin. Studien: Sehr häufig: Müdigk./Fatigue, Schwindel, Ataxie, Sprach-/Sprechstörg., Parästhesie, Nystagm., Benommenh./Somnolenz, Nervosität, psychomot. Verlangsam., Gedächtnisstörg., Verwirrtheit, Appetitlosigk./
Anorexie, Ängstlichk., Konzentrat.-/Aufmerksamk.störg., Depress., Übelk., Gewichtsverl., Kopfschm., Doppelbilder u. and. Sehstörg.. Häufig: Psychose, psychot. Sympt. u. aggr. Verhalt., Geschmacksveränd., Erregung/Agitation, kogn. Probl., Stimmungsschwank., emot. Labilität, Koordinat.störg., Gangstörg., Apathie, abd. Beschw., Asthenie, Stimmungsprobl., Leukopenie, Nephrolithiasis, Tremor. Gelegentlich: Suizidgedanken u. -versuche. Sehr selten: Suizide, thromboembol. Ereign. (Einzelfälle), Kausalzus.hang mit Topiramat konnte nicht hergest. werden. Hypospadie b. Neugebor. nach Anw. währ. Schwangersch., kausal. Zus.hang bisher nicht gesichert; Hypokaliämie. Erfahr. n. Markteinführ.: Selten: Appetitlosigk./Anorexie, Depress., Erreg./Agitat.,
Benommenh./Somnolenz, Parästhesie, Konvulsion, Kopfschm., Sehstörg., verschwomm. Sehen, Übelk., Alopezie, Nephrolithiasis, Müdigk./Fatigue, Oligohidrosis (meist b. Kindern), Gewichtsabn.. Sehr selten: Leukopenie u. Neutropenie, Thrombozytopenie,
metabol. Azidose, vermind., Appetit, Hyperammonämie, Schlaflosigk., Verwirrtheitszust., psychot. Störg., Aggress., Halluzin., Suizidgedank., Suizidvers. sow. Suizid, sprachl. Ausdrucksstörg., Sprachstörg., Störg. d. Geschmacksempf., Amnesie,
Gedächtn.störg., Konvulsion (b. Abdosierung), Myopie, Engwinkelglauk., Augenschm., transiente Blindheit, Durchfall, Bauchschm., Erbr., akute Pankreatitis, Hautausschl., renale tubuläre Azidose, Pyrexie, anomales Gefühl, Asthenie. Außerd.: Berichte
üb. erhöh. Leberfunktionswerte; Einzelf. v.: Hepatitis u. Leberversagen b. Pat., die m. einer Vielzahl v. Arzneim. behandelt wurden, bullöse Haut- u. Schleimhautreakt. (einschl. Erythema multiforme,
Pemphigus, Stevens-Johnson-Syndrom u. toxische epidermale Nekrolyse), wobei Mehrzahl d. Fälle b. Pat. auftr., d. weit. Arzneim. einnahmen, d. auch m. bullösen Haut- u. Schleimhautreakt. in
Zus.hang stehen, akute Myopie u. sekundäres Engwinkelglaukom (kann begleitet sein v. supraziliärem Ödem mit Vorverlagerung v. Linse u. Iris). Kdr. ab 2 Jahren: Über die o.g. NW hinaus
wurden zusätzl. folg. NW beob.: Hyperkinesien, Halluz., Verhaltensauffälligk., verstärkt. Speichelfluss. Stand d. Inform.: 02/2007. Verschreibungspflichtig. JANSSEN-CILAG GmbH, 41457 Neuss.
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Originalien/Übersichten
Die Effektivität und Effizienz einer Information hängt bei Vorhandensein
von unterschiedlichen Wertvorstellungen
davon ab, ob und wie eine gemeinsame
Sprache und ein gemeinsamer Nenner gefunden werden. Dem Gesetz nach obliegt
die Aufklärungspflicht dem behandelnden
Arzt [§1299, Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, ABGB] und
es obliegt dem Arzt, sicherzustellen, dass
die im Rahmen der medizinischen Aufklärung enthaltene Information vom Patienten verstanden wurde. Trotz dieser
eindeutigen Gesetzeslage wird allerdings
der Bedarf an professionellen Dolmetschern nicht realisiert (2, 5). Stattdessen
sind spontane Notlösungen (Übersetzung
durch Reinigungsdienste, sonstiges Krankenhauspersonal,
Familienangehörige
die der Sprache besser kundig sind) zum
selbstverständlichen Status quo geworden
(3, 8). Wie Krankenhausverwaltungen und
Gesundheitsversorger für die Vorhaltung
professioneller Dolmetschdienste zu verpflichten sind, wird wahrscheinlich erst
anlässlich von Musterprozessen geklärt
werden.
Wie können wir dem gesellschaftspolitischen Auftrag „alle Kinder gleich zu
behandeln“ nachkommen? Neben dem
fakultativen individuellen Beitrag jedes
einzelnen Arztes muss es einen medizinischen Mindeststandard in den Krankenhäusern mit öffentlichem Versorgungsauftrag geben. Die ÖGKJ und DGSPJ haben 2004 anlässlich der Publikation des
Themenheftes „Transkulturelle Pädiatrie“
(8, 9) einen umfassenden Standard gesetzt, der den einzelnen angeführten Verständnissbarrieren zugeordnet ist (43, 44,
46) (Abb. 4).
Lösungsmodell Ethik
Der gemeinsame Nenner für alle transkulturellen Lösungsmodelle ist der in der
Kinder- und Jugendmedizin allgemein
gültige ethische Grundsatz des Handelns
und Entscheidens „im besten Interesse
des Kindes“. Viele Probleme von Migrantenkindern und ihren Familien lassen sich
zwar nur im gesamtgesellschaftlichen
Rahmen lösen, aber die Kinder- und
Jugendmedizin kann hierzu einen wichtigen Beitrag liefern (9): Die Basis für
das Verständnis und die Bewahrung der
Interessen der Kinder ist das fundamentale Recht aller Menschen auf Freiheit,
Gleichheit in Würde und Rechten (Art. 1
der Allgemeinen Menschenrechtsdeklaration), das in den 54 Artikeln der UNODeklaration von 1989 festgehalten ist
(32). Die UNO-Deklaration beinhaltet das
selbstverständliche Recht jedes Kindes auf
Leben und Identität, optimale Betreuung
im Allgemeinen und im Besonderen, bei
Bedarf medizinische Hilfe sowie Priorität
in der Wahrnehmung seiner Interessen unabhängig von Herkunft und Gesundheitszustand. Von der abstrakt-theoretischen
Ebene auf eine alltagstaugliche medizinische Ebene übertragen, ist „im besten
Interesse des Kindes“ nicht mehr alleine
auf das Kind fokussiert, sondern auf das
Kind innerhalb seines sozialen Umfeldes,
also kind- und familienzentriert zugleich.
Familienzentrierte Medizin ist ein neuer Begriff, der unser Gesundheitssystem
Maßiv herausfordert. Warum zum Beispiel
wird die ältere Schwester ihres chronisch
erkrankten Bruders, dem der Hauptfokus
der Eltern gilt, keine therapeutische Unterstützung bekommen, solange sie nicht
selber krank wird und erst mit eingetretener Erkrankung den Anspruch erwirbt,
auf tertiärer Präventionsebene versorgt
zu werden? Es werden in unseren Gesundheitssystemen noch grundlegende Reformen benötigt, um diese und ähnliche
familienzentrierte Zielvorgaben in die Realität umzusetzen (14). Leitlinien helfen
im Alltag, sich den besseren Interessen
von Kindern und Jugendlichen zu nähern,
ohne dass z. B. politische oder religionsbedingte Unterschiede Überhand nehmen
(47). Eine Analyse der eigenen Handlungsweise kann hier grundsätzliche Versaumnisse erfassen helfen (siehe Abb. 5: Fragen
zur Selbstreflexion).
Lösungsmodell Medizinanthropologie
Da wir uns in der Praxis des konkreten
Falles nie vollkommen sicher sein können, was in einer individuellen Situation
das beste Interesse des Kindes darstellt,
möchte ich hier drei prinzipielle auf medizinanthropologischem Verständnis basierende Ansätze präsentieren, die uns einen
Zugang zu unserem Gegenüber und einen
Einblick in dessen Verstehen ermöglichen.
Erst dieser Einblick und das gegenseitige
Verstehen ermöglichen, eine gemeinsame
Entscheidung zu finden.
Kommunikationskultur: Der medizinische Alltag ist generell durch Zeitmangel der Dienstleister gekennzeichnet (20). Dieser Zeitmangel prägt unsere
Gesprächskultur und unser Verständnis:
Aufbauend auf den Hauptsymptomen des
Patienten versuchen wir möglichst schnell
ein Bild der Krankheit zu erstellen und die
ungenauen Angaben des Patienten durch
genauere Beschreibungen unsererseits zu
präzisieren. Diese „Präzisierungen“ unterbrechen allerdings den Ablauf der Erzählung des Patienten sowie die Wechselwirkung des Gespräches und enden in einem
vom Arzt strukturierten, zielorientierten
Gespräch (20). Der Patient braucht generell etwas länger, um seine Problematik zu schildern und seine Perzeption des
stattfindenden Gespräches zu reflektieren.
Diese Länge kann allerdings auch Sprachlosigkeit und fehlende Orientierung des
Patienten reflektieren, seine Ängste und
Vorurteile. Immer aber beinhaltet diese
Länge eine Aussage, die mit dem Wesen
Stufe 1 – In der Versorgung im Rahmen der Primärpädiatrie
• Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes: Werden die Grundrechte der Kinder wahrgenommen? Streben wir immer einen “informed consent” bzw. “informed assent” an?
• Wie kommunizieren wir: Kompliziert oder verständlich? Wie informieren wir: Allgemein oder spezifisch?
• Brauchen wir zur Kommunikation oder Information einen Helfer (Dolmetscher)? Ist dieser Helfer qualifiziert?
• Kommen unsere Informationen an? Brauchen wir eine Unterstützung, um das “beste Interesse des Kindes” wahrnehmen zu
können, z. B. Familienführung, Behandlungsvertrag, Sozialamt?
Stufe 2 – In der Versorgung im Rahmen der Sekundär- und Tertiärpädiatrie
• Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes: Gibt es einen Standard zur Versorgung von sozialschwachen Klienten in Krankenhäusern mit öffentlich-rechtlichem Auftrag?
• Wie ist die Compliance? Welche Maßnahmen sind für eine Umsetzung der Therapie notwendig?
• Haben wir genügend Schulung zu den Themen Sozialschwache Klienten, Kommunikation, etc.?
PS: Wo ist die Grenze zwischen Liberalität und laissez faire?
Abb. 5: Fragen zur Selbstreflexion, um das „beste Interesse des Kindes“ wahrzunehmen. [Aus Herausforderung Migration: Der Alltag in der Pädiatrie.
O. S. Ipsiroglu & R. Kurz. Monatsschrift Kinderheilkd. 2005. 153:6-7, mit freundlicher Genehmigung des Springer-Verlages]
44 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
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Originalien/Übersichten
des Patienten und seinem Verständnis in
Verbindung steht. Die oft einseitige Form
der Kommunikation, basierend auf den
Gedanken „ich weiß, was gut ist – der
Patient soll mich nur anhören und mir
folgen“ funktioniert in unserer Informationsgesellschaft nur mehr bedingt, da der
Patient zeitversetzt bis zeitgleich bewusst
Informationen einholt oder „unbewusst“
mit Informationen konfrontiert wird, die
ihm eine neue Perzeption seiner Situation
ermöglichen. Zahlreiche medizinanthropologische Studien und allgemein beobachtbare Trends wie „doctor shopping“
oder die zunehmende Inanspruchnahme
von alternativen Heilmethoden (die üblicherweise von „Zuhöreren“ ausgeübt wird)
belegen diese Hypothese (20, 22, 25).
Transkulturelle Reflexion: Um unter
dem Stichwort „transkulturell reflexiv“
nicht umgehend in die Falle der Vorurteile
zu tappen (siehe weiter unten), geht es darum ein exploratives Denkmodell zu entwickeln und damit umgehen zu lernen (37,
39). Der Psychiater und Medizinanthropologe Arthur Kleinman unterscheidet
strikt zwischen kultureller Kompetenz
und Ethnographie (37, 38, 39). Kulturelle
Kompetenz kann relativ rasch in eine Art
von Abhakliste entarten und ist durch die
in ihrem Wesen liegende Kategorisierung
ungenau: Migranten, wie der Autor dieser
Arbeit werden entweder aufgrund ihres
Namens oder Herkunftlandes als Türke
[= Ausländer] oder ihrer Aussprache als
Österreicher [= Inländer] kategorisiert,
was nicht dem Selbstbild des Autors als
türkischer Österreicher und der damit
verbundenen Denkart und Handlungsweise, inklusive dieser Arbeit, entspricht.
Die Exploration nach Kleinman würde
mit dem Versuch beginnen, die ethnische
Identität und das zugrundeliegende Anliegen des Patienten zu verstehen. Kleinman schlägt interessierten Klinikern das
Benutzen eines exploratorischen Modells
nach der Methode der Ethnographie vor.
Die Beobachtung und deskriptive Beschreibung eines Volkes im Rahmen einer
(üblicherweise Feld-) Studie wird von Anthropologen Ethnographie genannt. Das
besondere an der Ethnographie ist der
Versuch, die „lokale Welt“ seines Gegenübers, das tägliche Leben, die ethischen
Werte und die Religion vorurteilsfrei und
empathisch zu verstehen. Dies können wir
durch Zuhören, Nachfragen, Beobachten
und Sich-Zeit-nehmen erreichen.
In den medizinischen Alltag übersetzt
heißt dies, zu explorieren sind:
1. Die ethnische Identität,
2. das Anliegen,
3. das subjektive Empfinden und die subjektive Krankheitsgeschichte [= narrative],
4. psychosoziale Faktoren und
5. der mögliche Einfluss der gelebten
[subjektiven] Kultur auf die Krankheit
und klinische Beziehungen. Eindrücklich warnt Kleinman in seinen Artikeln
und Büchern vor der Vorurteilsfalle, die
vom Ansatz der kulturellen Kompetenz
ausgeht. In seiner grundsätzlichen Arbeit von 1988 beschreibt Kleinman das
exploratorive Modell als Einstieg in ein
Gespräch, um das Denkmodell seines
Gegenübers zu verstehen und warnt
von den eigenen Vorurteilen, die das
Zuhören verhindern (37).
IV. Ausblick:
Neue Diskussionsebene
Das Ziel des medizinischen Gespräches ist eine gemeinsame Einigung über
die zu setzenden medizinischen Schritte
für das Erhalten oder Erlangen der Gesundheit. Wie im Beispiel „Blutransfusion
bei Jehovas Zeugen in British Columbia“
angeführt, kann es unterschiedliche Meinungen zum besten Interesse des Kindes
geben: Eltern, das Kind selbst, sowie das
medizinische Personal, sie alle können unterschiedliche Ansichten vertreten. In diesem Falle sollten diese Ansichten in einem
definierten Rahmen (z. B. innerhalb der
klinischen Ethikkommission) zusammen
mit den Angehörigen diskutiert werden,
um dem Inhalt seine trennende Schärfe
zu nehmen und eine konsensuelle Einigung zu erreichen. [Albershein: Matters of Life and Death
in the Neonatal Intensive Care Unit: Who should decide for the not yet
competent?1
Gerichtlich erzwungene Entscheidungen haben die paternalistischen Konzepte in der Schulmedizin aufbrechen lassen und neue Sichtweisen zugelassen. „In
den letzten Jahrzehnten haben wir Ärzte
völlig zu Recht gelernt, die Autonomie
unserer Patienten zu akzeptieren und
unseren scheinbaren Allmachtsanspruch
aufzugeben.“ (43, 44, 46) Auf dieses
reflektive Selbstverständnis aufbauend
kann in vielen Fällen eine gemeinsam gesellschaftlich getragene Lösung erarbeitet
werden. Gemeinsam gesellschaftlich getragene Lösung bedeutet, von der Gesellschaft des Gastgeberlandes sowie der Gesellschaft (Community) der MigrantInnen
innerhalb der vorherrschenden Gesetzlage
respektiert und akzeptiert zu sein. Solche
Konsenslösungen sind in grundlegenden
Themen einzufordern, denn nur dadurch
kann der durch Verbote bewirkten Illegalität entgegengewirkt werden (20).
So hat die Verurteilung der Genitalverstümmelung durch geistliche Würdenträger aller Religionen (41) sicher mehr Erfolg
und Diskussionsbasis für Gegner sowie
Argumentationsnotstand für Fürsprecher
geschaffen, als Aktionismus durch „Null-
Toleranz“. Diese Vorgangsweisen verhindern Gesichtsverluste, die üblicherweise
eine Radikalisierung der Diskussion zu
Ungunsten der Zielsetzung Bewahrung
und Förderung der Gesundheit im „besten
Interesse des Kindes“ bewirken.
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Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2 45
#5706_neuropa diatrie_02_08.indd 45
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OS Ipsiroglu MD, MBA
Clinical Associate Professor
Sunny Hill Health Center for Children/
BC Children’s Hospital
University of British Columbia
3644 Slocan Street, Vancouver
BC V5M 3E8, Canada
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46 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
#5706_neuropa diatrie_02_08.indd 46
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Originalien/Übersichten
Zonisamid im Kindesalter –
Literaturübersicht und eigene
Langzeiterfahrungen
A. MÜLLER, H. HOLTHAUSEN, G. KLUGER
Klinik für Neuropädiatrie und Neurologische Rehabilitation, Epilepsiezentrum für
Kinder und Jugendliche, BHZ Vogtareuth
Zusammenfassung
Die Erfahrungen in Deutschland mit
Zonisamid bei Epilepsie-Patienten im Kindesalter sind bislang limitiert, da das Antikonvulsivum für diese Patienten in Europa
derzeit nicht zugelassen ist. Aufgrund der
umfangreichen, vorwiegend in Japan und
danach auch in den USA durchgeführten
Studien sowie der dortigen zulassungsbedingt praktischen Erfahrung mit Zonisamid gibt es Hinweise, die für eine hohe
Wirksamkeit sowie eine gute Verträglichkeit von Zonisamid auch bei Patienten im
Kindes- und Jugendalter sprechen.
Vor Markteinführung von Zonisamid
in Deutschland zur Zusatztherapie bei Erwachsenen mit fokalen Anfällen behandelten wir 24 Patienten (Alter: 2-40 Jahre, Mittel: 12,5 Jahre) mit sehr therapierefraktären Epilepsien (75% fokal, 12,5%
generalisiert, 12,5% refraktärer Status
epilepticus unklarer Ätiologie) in Add-onTherapie und verfolgten den Verlauf über
mindestens 24 Monate.
Die Erhaltungsdosis lag zwischen 4 und
16 mg/kg (Mittel: 7,7 mg/kg). Die initiale
Responderrate, definiert als mindestens
50%ige Anfallsreduktion nach 8 Wochen
betrug 58,3% (14 von 24 Patienten). 4 der
14 initialen Responder zeigten im weiteren Behandlungsverlauf einen Wirkverlust. Die Retentionsrate nach 24 Monaten
lag bei 41,7% (10 von 24 Patienten), ein
Patient (4,2%) wurde komplett und anhaltend anfallsfrei.
Nebenwirkungen wurden bei 46% der
Patienten beobachtet und waren leicht
oder mäßig schwer. Sie traten überwiegend in der Aufdosierungsphase auf und
bildeten sich meist in der Erhaltungsphase
zurück. Bei 2 Patienten (8,3%) wurde die
Zonisamid-Therapie wegen Nebenwirkungen (Appetitverlust) beendet.
Unsere Langzeit-Erfahrungen zeigen
ähnlich wie Studien aus Japan, dass Zonisamid in der Add-on-Therapie von Patienten mit therapierefraktären kindlichen
Epilepsien einschließlich geistig behinderter Patienten mit schweren Mehrfachbehinderungen eine Behandlungsoption mit
guter Wirksamkeit und Verträglichkeit
darstellt.
Schlüsselwörter
Zonisamid, therapierefraktäre Epilepsie,
Kinder, Langzeittherapie
Clinical experience for the
use of zonisamide in childhoodonset epilepsy
Abstract
Clinical experience for the use of zonisamide in childhood-onset epilepsy is limited so far in Germany because the drug
is not approved for children in Europe.
Several clinical trials performed in Japan
and in the USA as well as the extensive
clinical experience in these countries demonstrated efficacy and safety of zonisamide in the treatment of childhood-onset
epilepsy.
Before marketing authorization of zonisamide for the add-on Therapy of adult
patients with partial-onset seizures in
Germany, we initiated an open label study. Included were 24 patients (range 2-40,
mean age 12.5 years) which had a refractory childhood-onset epilepsy (75% focal,
12.5% generalized, 12.5% refractory status epilepticus). All patients were followed
for at least 24 months after beginning of
add-on zonisamide treatment.
Mean maintenance dosage was 7,7 mg/
kg/day (range 4-16 mg/kg/day). The initial response rate defined as a reduction of
at least 50% of seizure frequency after 8
weeks was 58.3% (14 of 24 patients). Four
of 14 initial responders experienced loss
of efficacy during long-term treatment.
The retention rate after 24 months was
41.7% (10 of 24 patients). One patient
(4.2%) became and remained completely
seizure-free.
Side effects were observed in 46%
of patients and were mild to moderate.
They mostly occurred during titration and
subsided in maintenance dosing. In two
patients (8.3%) zonisamide therapy was
discontinued due to side effects (loss of
appetite).
Our results in a long-term use of zonisamide are similar to the findings of
Japanese studies suggesting that use of
adjunctive zonisamide therapy may be
beneficial for treating patients with highly refractory childhood-onset epilepsy, including mentally retarded, multiple handicapped patients.
Key words
Refractory epilepsy, zonisamide, children, long-term use
Bibliography
Neuropaediatrie 2008; 7: 47–51, ©
Schmidt-Roemhild-Verlag,
Luebeck,
Germany: ISSN 1619-3873; NLM ID
101166293; OCoLc 53801270
Einleitung
Zonisamid ist in Europa als Zusatztherapie bei erwachsenen Patienten mit fokalen Anfällen mit oder ohne sekundäre Generalisierung zugelassen. Eine Zulassung
für die Behandlung von Kindern besteht
in Deutschland nicht. Aus Japan liegen
umfangreiche Erfahrungen zum Einsatz
von Zonisamid vor, denen zufolge sich das
Antikonvulsivum bei allen Altersgruppen
einschließlich Kindern und Jugendlichen
sowie bei einem breiten Spektrum von Anfallstypen bewährt hat (reviewed in Ohtahara S, Zonisamide in the management of
epilepsy – Japanese experience, Epilepsy
Res 68S, S25-S33). Entsprechend steht Zonisamid in Japan gemäß der Zulassung für
Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2 47
#5706_neuropa diatrie_02_08.indd 47
03.04.2008 13:30:37 Uhr
Originalien/Übersichten
Der Einsatz von Zonisamid bei pädiatrischen Patienten mit fokalen oder generalisierten Anfällen wurde in einer Vielzahl
von internationalen, vorwiegend in Japan
durchgeführten Studien untersucht. Eine
Auswertung von 14 japanischen Studien,
in denen 1.237 Kindern mit Zonisamid behandelt wurden, gibt ein deutliches Indiz
für die Wirksamkeit von Zonisamid bei
Patienten im Kindes- und Jugendalter (1).
Glauser und Pellcock werteten je fünf Studien zur Monotherapie und fünf Studien
zur Kombinationstherapie im Kindesalter
aus (1). In den Monotherapie-Studien
sprachen insgesamt 78% der Patienten
mit fokalen Anfällen und 71% der Patienten mit generalisierten Anfällen auf Zonisamid an (Abb. 1). Eingeschlossen waren
258 Patienten im Alter von 0,2–18 Jahren
(Mittel 8,2-9,4 Jahre). In den Studien zur
Kombinationstherapie waren die Kinder (n
= 191) zwischen 10 und 26 Jahre alt. Hier
betrug die Responderrate bei Patienten
mit fokalen Anfällen 34% und bei Patienten mit generalisierten Anfällen 15%
(Abb. 2).
In Übereinstimmung mit diesen Daten
stehen die Ergebnisse dreier weiterer großer multizentrischer japanischer Studien,
an denen über sieben Jahre neben 603
erwachsenen Epilepsie-Patienten auch
403 Kinder teilgenommen hatten (1). Die
durchschnittliche Dosis von Zonisamid betrug bei den Kindern 8,2 mg/kg/Tag und die
Plasmakonzentration lag durchschnittlich
bei 20 µg/ml. Durch die Behandlung mit
Zonisamid, das meist zusätzlich zu zwei
bis drei anderen Antikonvulsiva eingesetzt
wurde, zählten mehr als 50-60% aller Patienten mit fokalen Anfällen zu den Respondern.
In einer Studie von Hosada et al. an
72 Patienten im Alter von drei Monaten
bis 14 Jahren sprachen mehr als 80% der
Patienten mit komplex fokalen oder sekundär generalisierten Anfällen auf eine
Zonisamid-Monotherapie an. Bei 68% der
Patienten mit fokalen Anfällen wurde eine
komplette Anfallskontrolle erzielt (3).
Diese überwiegend in Japan erhobenen
Daten sprechen dafür, dass Zonisamid im
Kindesalter sowohl bei Mono- als auch in
Kombinationstherapie bei einem breiten
Spektrum verschiedener Anfallsformen
wirksam ist. Zahlreichen Berichten zufolge
scheinen auch Kinder mit anderen Epilep-
% Responder
Hinweise für die Wirksamkeit
von Zonisamid bei Kindern
100
80
78
71
60
40
20
0
fokale Anfälle
generalisierte Anfälle
Abb. 1: Gemeinsame Evaluation von 5 Monotherapie-Studien bei Kindern mit fokalen Epilepsien
und Epilepsien mit initial generalisierten Anfällen
sie- oder Anfallsformen auf eine Therapie
mit Zonisamid anzusprechen. Dabei handelt es sich um Kinder mit myoklonischen
Anfällen einschließlich Lennox-GastautSyndrom und infantilem/epileptischem
Spasmus, atonischen Anfällen und benigner fokaler Epilepsie im Kindesalter
(1-10).
Dosierungsempfehlungen in
Abhängigkeit vom Alter
In zehn in Japan, unter Einschluss von
Kindern und Jugendlichen durchgeführten Studien wurde Zonisamid initial in der
Regel in einer Dosierung von 2 mg/kg/Tag
eingesetzt (Tab. 1) (1). Anschließend wurde die Dosis im Abstand von ein bis vier
Wochen um jeweils 2 mg/kg/Tag auf maximal 10-12 mg/kg/Tag gesteigert. Die optimale Plasmakonzentration von Zonisamid
liegt diesen Daten zufolge bei 10-20 µg/
ml. Wie die Auswertung der Daten von
mehr als 1.000 Patienten, die in Japan an
den klinischen Prüfungen teilgenommen
hatten, zeigt, nimmt die zum Einstellen
therapeutischer Serumspiegel erforderliche Zonisamiddosis aufgrund der mit
steigendem Alter sinkenden Clearance ab
(1). Das heißt, dass bei älteren Kindern
eine niedrigere Dosis von Zonisamid erforderlich ist, um die für eine adäquate
100
% Responder
Kinder ab dem ersten Lebensjahr zur Behandlung von fokalen Anfällen, tonischklonischen Anfällen, tonischen Anfällen
sowie atonischen Anfällen in Mono- oder
Kombinationstherapie zur Verfügung.
80
60
40
34
20
15
0
fokale Anfälle
generalisierte Anfälle
Abb. 2: Gemeinsame Evaluation von 5 Add-on-Studien bei Kindern mit fokalen Epilepsien und
Epilepsien mit initial generalisierten Anfällen
48 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
#5706_neuropa diatrie_02_08.indd 48
03.04.2008 13:30:37 Uhr
Originalien/Übersichten
Initial
2 mg/kg/Tag
Titration
alle 1-4 Wo. Steigerung um
1-2 mg/kg/Tag
Maximal
10-12 mg/kg/Tag
Optimal
i.d.R. 5-8 mg/kg/Tag (10-20
µg/ml)
Tab. 1: Dosierung von Zonisamid, Konsensus
aus 10 Studien (n = 815, 3 Mon. – 26 J.)
Wirksamkeit notwendige Plasmakonzentration von 10–20 µg/ml zu erzielen. Eine
Auswertung der Daten von 105 Säuglingen, 785 Kleinkindern und 1711 älteren
Kindern ergab folgende durchschnittliche
Erhaltungsdosen1:
• Säuglinge (< 2 Jahre): 10,0 mg/kg/Tag.
• Kleinkinder (2-6 Jahre): 8,4 mg/kg/Tag.
• Ältere Kinder (7-16 Jahre):
6,7 mg/kg/Tag.
Verträglichkeit und Sicherheit
wirkungen sind von leichtem Schweregrad und oft passager. Zudem treten viele
Nebenwirkungen ausschließlich bei hohen
Plasmakonzentrationen (> 40 µg/ml) auf
und bilden sich bei Dosisreduktion zurück
(3, 4, 15).
Oligohidrosis und Hyperthermie
Ein mit Zonisamid assoziiertes erhöhtes
Risiko von Oligohidrosis und Hyperthermia
scheint spezifisch für pädiatrische Patienten zu sein. Charakteristische Symptome
sind vermindertes Schwitzen und eine
erhöhte Körpertemperatur (bis 42 °C). Im
Entwicklungsprogramm vor der Zulassung
in Japan wurde bei 403 pädiatrischen Patienten ein Fall von Oligohidrosis beobachtet; dies entspricht einer Inzidenz von
1:285 Patientenjahren der Einnahme. Auf
der Basis der internationalen Post-Marketingerfahrung wird die Häufigkeit der
Oligohidrosis auf 1:10.000 Patientenjahre
geschätzt. In allen Fällen erwies sich die
Oligohidrosis bei Absetzen von Zonisamid
als reversibel (2).
Um die damit verbundenen Risiken zu
minimieren, sollten pädiatrische Patienten,
die mit Zonisamid behandelt werden, sehr
Das Nebenwirkungsprofil unterscheidet
sich kaum von demjenigen erwachsener
Patienten (1). Wie bei erwachsenen Patienten werden unter einer Zonisamid-Monotherapie weniger
unerwünschte Era) Zusatztherapiestudien (n= 191)
eignisse berichtet als
unter einer Kombinationsbehandlung mit
35
anderen Antikonvul30
siva (1) (Abb. 3 a, b).
25
Mit
zunehmender
Zahl der begleitend
20
eingenommenen An- % 15
tikonvulsiva nimmt
10
die Häufigkeit uner5
wünschter Ereignisse
erwartungsgemäß
0
Somnolenz
Anorexie
Ataxie
Schwindel
Exanthem
zu. Am häufigsten
werden unter der
Behandlung mit Zonisamid Müdigkeit,
Appetitverlust und
b) Monotherapiestudien (n= 258)
Exanthem berichtet
(Abb. 3 a, b). Gemäß
einer Auswertung der
35
Daten von 2.601 Kin30
dern (0-16 Jahre), die
insgesamt 170.000
25
Patientenjahren der
20
Zonisamid-Einnahme entsprechen, wird %
15
Zonisamid von pädi10
atrischen Patienten
meist gut vertragen
5
(17). Die meisten
der mit der Zoni0
Somnolenz
Anorexie
Ataxie
Schwindel
Exanthem
samid-Behandlung
in Zusammenhang Abb. 3: Metaanalyse der Nebenwirkungsinzidenz (%) in Studien im
stehenden Neben- Kindesalter
hohe Außentemperaturen meiden und besonders sorgfältig auf eine ausreichende
Hydrierung achten. Eine Kombination mit
Arzneimitteln, die für hitzebedingte Erkrankungen disponieren, wie Carboanhydraseinhibitoren (z. B. Topiramat, Sultiam,
Acetazolamid) und anticholinerg wirkenden Arzneimitteln sollte nach Möglichkeit
vermieden werden.
Eigene Langzeiterfahrungen mit
Zonisamid bei therapierefraktären kindlichen Epilepsien
Am Epilepsiezentrum Vogtareuth wurden bereits vor der Zulassung von Zonisamid im Rahmen einer offenen Langzeitstudie erste Erfahrungen mit dem Antikonvulsivum bei pädiatrischen Patienten
mit therapierefraktären kindlichen Epilepsien gesammelt (19). 24 Patienten im
durchschnittlichen Alter von 12,5 Jahren
(2 bis 40 Jahre, 4 Patienten > 18 Jahre) mit
sehr schwer behandelbaren, pharmakoresistenten Epilepsien, darunter 75% mit
fokaler Epilepsie, 12,5% mit generalisierter Epilepsie und 12,5% mit therapieresistentem Status epilepticus mit Beginn vor
dem 10. Lebensjahr, wurden mit Zonisamid
behandelt (Tab. 2). Die meisten Patienten
hatten multiple Anfallsformen. Neben
symptomatischen oder kryptogenen fokalen Epilepsien handelte es sich um generalisierte und atypische benigne fokale
Epilepsien. Ein Drittel der Patienten hatte
eine fokale kortikale Dysplasie. Alle Patienten waren bereits erfolglos mit mindestens sechs anderen Antikonvulsiva vorbehandelt (Bereich: 6 bis 15; Tab. 3). Sieben
Patienten waren zuvor bereits erfolglos
epilepsiechirurgisch behandelt worden,
bei zwei Patienten war bereits ein Nervusvagus-Stimulator implantiert worden. Alle
Patienten waren mental retardiert, 84%
wiesen eine Mehrfachbehinderung auf.
Die Behandlung mit Zonisamid wurde
bei den jungen Patienten in einer Dosierung von 1 bis 2 mg/kg begonnen. Eine
Dosistitration erfolgte stufenweise alle 1-2
Wochen mit 0,5 bis 1 mg/kg/Tag abhängig
von der individuellen Wirksamkeit und
Verträglichkeit. Die durchschnittliche Erhaltungsdosis lag bei 7,7 mg/kg/Tag (Range 4-16 mg/kg/Tag). Die durchschnittliche
Behandlungsdauer betrug 55 Wochen
(Range 5-168 Wochen). Alle Patienten erhielten eine begleitende antiepileptische
Therapie, am häufigsten erfolgte ein Addon von Zonisamid zu Valproat und Oxcarbazepin. Das Ansprechen auf die Therapie
und mögliche Nebenwirkungen wurden
sechs Wochen nach Therapiebeginn und
anschließend im Abstand von 2 Monaten
erhoben. Die Baseline-Anfallshäufigkeit
Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2 49
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Originalien/Übersichten
Alle Patienten
Geschlecht (männl./weibl.)
14/10
Durchschnittl. Alter (range)
12,5 (2-40) Jahre
Durchschnittl. Dosierung (range)
7,7 (4-16) mg/kg/Tag
Epilepsieformen* and Ätiologie n (%)
Lokalisationsbezogene (fokale) Epilepsien
– Symptomatisch
Focal kortikale Dysplasie
Herpes encephalitis
Schlaganfall nach Varicella-Infektion
Perinatale asphyxia
Malformation of cortical development
Tuberous sclerosis
– Kryptogen fokal
Generalisierte Epilepsien
– Idiopathisch
(Dravet-Syndrom mit SNC-Mutation)
– Kryptogen
Refraktärer Status epilepticus mit unklarer Ursache
18 (75,0%)
8 (33,3%)
1 (4,2%)
2 (8,3%)
2 (8,3%)
1 (4,2%)
1 (4,2%)
3 (12,5%)
3 (12,5%)
4 (16,7%)
6 (25,0%)
3 (12,5%)
3 (12,5%)
6 (25,0%)
Vorherige Epilepsie-Operation
N. vagus Stimulation
7 (29,2%)
2 (8,3%)
Mentale Retardierung (%)
Mild
Moderat
Schwer
3 (12,5%)
7 (29,2%)
14 (58,3%)
Durchschnittl. Zahl der Antikonvulsiva vor Zonisamid
(Range)**
Durchschnittl. Zahl der Begleit-Antikonvulsiva unter
Zonisamid
10 (7-15)
1,9 (1-3)
* ILAE Klassifikation
** Bei zwei Patienten war die genaue Anzahl der Antikonvulsiva vor Beginn der Zonisamid-Behandlung nicht bekannt,
vermutlich > 10
Tab. 2: Patientenmerkmale (n = 24)
Anzahl
Patienten
Initiale Responder
(≥ 50% Anfallsreduktion /
< 50% Anfallsreduktion)
Fokal
18
Generalisiert
Epilepsieform
Anzahl der
Patienten (%)
Valproinsäure
Oxcarbazepin
Levetiracetam
Phenytoin
Topiramat
Clobazam
Lamotrigin
Phenobarbital
Sultiam
Bromid
Ethosuximid
Methsuximid
Primidon
Tiagabin
10 (41.7%)
8 (33.3%)
4 (16.7%)
4 (16.7%)
4 (16.7%)
2 (8.3%)
2 (8.3%)
2 (8.3%)
2 (8.3%)
1 (4.2%)
1 (4.2%)
1 (4.2%)
1 (4.2%)
1 (4.2%)
Tab. 3: Begleitende Antikonvulsiva (n = 43)
1 (4,2%)
2 (8,3%)
3 (12,5%)
Begleiterkrankungen (Mehrfachnennungen mögl.)
Tetraparese
Hemiparese
Autismus
Persistierender vegetativer Status
Perkutane endoskop. Gastrostomie
Antikonvulsiva
wurde retrospektiv über 4 Wochen bis
zum Studienbeginn bestimmt. Eine Response war definiert als eine mindestens
50%ige Reduktion der Anfallshäufigkeit
zwei Monate nach Beginn der ZonisamidBehandlung.
Mehr als die Hälfte aller Patienten mit
therapieresistenter Epilepsie zählten zu
den Respondern (58,3%; Tab. 4). Bei den
anderen Patienten kam es zu einem geringeren Ansprechen auf die Therapie (< 50%)
bzw. keiner Verbesserung der Anfallssituation. Die individuellen Responseraten
während des Beobachtungszeitraumes in
Abhängigkeit von der Epilepsieform sind
in Tab. 4 dargestellt.
Das Ansprechen auf die Therapie korrelierte nicht mit der Höhe der Dosis. Die
durchschnittliche Dosis betrug bei Respondern 7,5 mg/kg/Tag und bei Patienten
mit mangelnder Response 7,9 mg/kg/Tag.
Die Retentionsrate, d. h. der Anteil der
Patienten, die auch nach 24 Monaten noch
mit Zonisamid behandelt wurden, betrug
41,7% (10 Patienten). Bei acht der 14 initialen Responder war Zonisamid anhaltend
effektiv. Ein Patient wurde komplett an-
Patienten unter Zonisamid
(davon initiale Responder)
Retentionsrate
nach
24 Monaten
N (%)
Nach 4
Monaten
Nach 6
Monaten
Nach 8
Monaten
Nach 10
Monaten
Nach 12
Monaten
9 (50%) /
8 (44.4%)
15 (9)
13 (9)
9 (7)
8 (6)
7 (5)
7 (38.9%)
3
2 (66.7%) /
1 (33.3%)
2 (2)
2 (2)
1 (1)
0
0
0
Status
epilecticus
3
3 (100%) /
0
3 (3)
3 (3)
3 (3)
3 (3)
3 (3)
3 (100%)
Gesamt
24
14 (58.3%) /
9 (37.5)
21 (14)
17 (13)
12 (11)
11 (9)
10 (8)
10 (41.7%)
Tab. 4: Response-Daten in 2-monatigen Abständen während des Beobachtungszeitraumes in Abhängigkeit von der Epilepsieform
50 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
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03.04.2008 13:30:38 Uhr
Originalien/Übersichten
fallsfrei. Bei einem weiteren Patienten, bei
dem die Behandlung mit Zonisamid beibehalten wurde, kam es zu einer deutlichen,
jedoch weniger als 50%igen Reduktion
der Anfallsfrequenz. Bei einem anderen
Patienten wurde die Zonisamidgabe trotz
fehlender Verbesserung der Anfallssituation fortgesetzt, da Zonisamid deutlich
besser verträglich war als das vorherige
Antikonvulsivum.
Das Alter der Patienten hatte keinen
Einfluss auf die Responderrate oder die
Retentionsrate (Tab. 5). Bemerkenswerterweise profitierten insbesondere Patienten
mit therapierefraktärem Status epilepticus von der Langzeittherapie mit ZonisaA) Responder
Responder
Anzahl der
(≥ 50% AnfallsPatienten
reduktion)
2-6 Jahre
7-12 Jahre
13-18 Jahre
>18 Jahre
Gesamt
5
9
6
4
24
2 (40.0%)
7 (77.8%)
2 (33.3%)
3 (75.0%)
14 (58.3%)
B) Retentionsraten
2-6 Jahre
7-12 Jahre
13-18 Jahre
>18 Jahre
Gesamt
Anzahl der
Patienten
Retentionsrate
nach
24 Monaten
5
9
6
4
24
2 (40.0%)
4 (44.4%)
1 (16.7%)
3 (75.0%)
10 (41.3%)
Tab. 5: Response der Patienten in Abhängigkeit
vom Alter
mid. Wegen der geringen Patientenzahl
sollte dieses Ergebnis jedoch mit Vorsicht
interpretiert werden. Größere kontrollierte Studien sind notwendig um eine valide
Aussage zu unterschiedlichen Ansprechraten bei verschiedenen Epilepsieformen zu
treffen.
Zonisamid wurde von den jungen Patienten insgesamt gut vertragen (Tab. 6).
Nebenwirkungen waren meist milde und
traten bei weniger als der Hälfte aller Patienten (45,8%) auf. Am häufigsten wurde über Appetitverlust (20,8%) berichtet.
Bei drei Patienten trat Müdigkeit (12,5%)
N (%)
Verminderter Appetit
Fatigue
Übelkeit
Verstopfung
Verhaltensänderung
Anfallszunahme
Patienten mit Nebenwirkungen
Tab. 6: Nebenwirkungen (n = 12)
5 (20.8%)
3 (12.5%)
1 (4.2%)
1 (4.2%)
1 (4.2%)
1 (4.2%)
11 (45.8%)
auf, bei jeweils einem Patient Verstopfung
(4,2%), Verhaltensveränderungen (4,2%)
und Anfallshäufung (4,4%). Die meisten
Nebenwirkungen traten lediglich während der Titrationsphase auf und erwiesen
sich als passager. Die Behandlung wurde
bei zwei Patienten aufgrund mangelnder
Verträglichkeit (Appetitmangel) abgebrochen.
Fazit
Für Patienten mit schweren, therapierefraktären kindlichen Epilepsien, die auf
vorherige Antikonvulsiva keine ausreichende Response gezeigt haben, scheint
Zonisamid eine wirksame, gut verträgliche
und sichere Behandlungsoption zu eröffnen, wie die Ergebnisse unserer offenen
Langzeitbeobachtung bestätigen. Selbst
bei Patienten, die erfolglos mit zahlreichen Antiepileptika vorbehandelt wurden,
besitzt Zonisamid eine Wirksamkeit auf
unterschiedliche Anfallstypen. Mit einer
Responderrate von 58,3% nach acht Wochen und einer Retentionsrate von 41,7%
nach 24 Monaten stehen diese offenen
Langzeiterfahrungen in Einklang mit den
Ergebnissen kontrollierter, in Japan durchgeführter Studien. Obwohl sämtliche Patienten umfangreich vorbehandelt waren,
wurde Zonisamid gut vertragen. Nebenwirkungen waren selten und führten nur
in zwei Fällen zu einem Abbruch der Behandlung.
Ausblick
Obwohl Zonisamid in Europa derzeit
noch nicht zur Behandlung von Kindern
zugelassen ist, gibt es aufgrund der vorliegenden Studiendaten sowie eigenen praktischen Erfahrungen zunehmend Hinweise
auf eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit auch bei kindlichen Epilepsien mit
unterschiedlichen Anfallsformen. Langfristig sind entsprechende Zulassungsstudien sowie weitere Langzeitdaten zur
Sicherheit und Verträglichkeit notwendig.
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Dr. med. Arnd Müller
Klinik für Neuropädiatrie und
Neurologische Rehabilitation
Epilepsiezentrum für
Kinder und Jugendliche
BHZ Vogtareuth
Krankenhausstraße 20
D-83569 Vogtareuth
Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2 51
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Originalien/Übersichten
Prävalenz und klinische Symptomatik
psychogener Störungen in der Pädiatrie
M. BLANKENBURG1, 2, B. ZERNIKOW1, T. HECHLER1, F. AKSU1
1
Zentrum für Neuropädiatrie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie,
Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke
2
Vodafone Stiftungsinstitut für Kinderschmerztherapie und Pädiatrische Palliativmedizin,
Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke
Zusammenfassung
In dieser Studie analysierten wir die
Daten von 5.254 Kindern und Jugendlichen, die im Alter von 6 bis 18 Jahren auf
unsere allgemeinpädiatrischen Stationen
aufgenommen wurden (Zeitraum Januar 2005 bis Dezember 2007). Bei 19,7%
dieser Patienten wurde eine somatoforme
oder dissoziative Störung diagnostiziert.
Rezidivierende körperliche Beschwerden
oder Schmerzen ohne ausreichende organische Ursache werden nach der ICD10 als
dissoziative und somatoforme Störungen
klassifiziert. Die hohe Prävalenz (20% in
unserer Studie, 10-20% in der Literatur)
im Kindes- und Jugendalter weist auf die
differenzialdiagnostiche Bedeutung hin.
Die Symptome sind charakterisiert durch
vielfältige und verschiedenartige Phänomene, die echten organischen Störungen sehr ähnlich sind und dramatische
Formen annehmen können. Bei unseren
Patienten zeigten sich am häufigsten
Schmerzen (65%), motorische Störungen
(11%), Schwindel (9%), Anfälle (4%) und
Wahrnehmungsstörungen (4%). Die Muster psychogener Störungen weichen in
bestimmten Merkmalen von organischen
Störungen ab, sodass sie mit Hilfe der
klinischen Untersuchung und nicht nur
durch apparative Methoden von organischen Störungen unterschieden werden
können. Die Ursache psychogener Störungen ist ungeklärt, jedoch treten die Störungen häufig in zeitlicher Verbindung mit
traumatischen Ereignissen, Konflikten und
gestörten Beziehungen auf. Der sekundäre Krankheitsgewinn (Zuwendung) spielt
bei der Chronifizierung eine wesentliche
Rolle. Aus Unsicherheit tendieren Ärzte zu
selten dazu, eine psychogene Störung zu
diagnostizieren. Diese Einstellung ist nicht
ohne Konsequenzen, da verschiedene Studien gezeigt haben, dass das Verschleppen
der Diagnose mit einer schlechteren Prognose assoziiert ist. Die Grundlage für die
Therapie bilden die Informationen über
die unauffälligen Befunde und die Psychoedukation, ohne dass die Patienten das
Gefühl bekommen dürfen „überführt“ zu
werden. Einfache Interventionen sind das
Ignorieren dargebotener Symptome und
eine Verstärkung normaler Verhaltensweisen. Heute stehen effektive Therapieverfahren (kognitive Verhaltenstherapie,
soziales Kompetenztraining) zur Verfügung. Wichtig ist, die häufigen komorbiden Diagnosen wie Depression und Angst
zu erfassen. Oft verschwindet die Störung
so abrupt, wie sie aufgetreten ist. Wiederholtes Auftreten weist auf einen chronischen Verlauf bis ins Erwachsenenalter
mit schlechter Prognose hin.
Schlüsselwörter
Dissoziative Störungen, somatoforme
Störungen, Schmerzen, Kindes- und Jugendalter
Prevalence clinical presentations
of paediatric psychogenic
disorders
Abstract
In our study we included 5254 children
and adolescents at the age of 6 to 18 years
who were admitted to the general paediatric department of our hospital during
January 2005 and December 2007. 19,7%
of these patients were diagnosed with a
somatoform or dissociative disorder. Somatoform or dissociative disorders are
mental disorders characterized by symptoms suggesting physical disorders of psychogenic origin but not under voluntary
control. High prevalence of somatoform
and dissociative disorders in childhood and
adolescence points out the importance of
including these disorders in differential
diagnoses. Symptoms are characterized by
many different phenomena which resemble real physical disorders and which can
manifest in dramatic ways. The majority of
our patients suffered from pain disorders
(65%), followed by motor disorders (11%),
vertigo (9%), psychogenic seizures (4%)
and perceptional disorders (4%). Specific
patterns of psychogenic disorders have
different characteristics than physical
disorders. Therefore a thorough physical
examination is necessary for diagnosis
of psychogenic disorders next to technical examinations. The aetiology of psychogenic disorders is still unknown, they
occur in temporal relation to traumatic
experiences, conflicts and malfunctioning
relationships. Secondary gain (attracting
attention) plays an important role in the
development of chronic somatoform disorders. Due to incertitude among medical
doctors dissociative disorders are underdiagnosed. One has to point out, that a late
diagnosis is associated with poor outcome.
Therapy is based on psychoeducation and
the information of non pathological physical findings without disproving the patient. Simple therapeutical interventions
include ignorance of presented symptoms
and reinforcement of normal behavioural
patterns. Today more sophisticated interventions such us cognitive behavioural
therapy and soft skills training are used.
It is important to detect comorbid diagnoses such as depression and fear. Often
somatoform disorders resolve as abruptly
as they began. Recurrences of symptoms
suggest a chronic course until adulthood
with poor prognosis.
Keywords
Dissociative disorders, somatoform disorders, pain, childhood and adoles-cence
Bibliography
Neuropaediatrie 2008; 7: 52–57, ©
Schmidt-Roemhild-Verlag,
Luebeck,
Germany: ISSN 1619-3873; NLM ID
101166293; OCoLc 53801270
52 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
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Originalien/Übersichten
Einleitung
Körperliche Beschwerden und Schmerzen ohne somatische Ursache bei wiederholten Untersuchungen finden sich
in Allgemeinpraxen und Fachabteilungen
von Kliniken bei 10–40% der Erwachsenen (29). Bei Kindern und Jugendlichen ist
die Prävalenz nicht genau bekannt (24).
Eine repräsentative Stichprobe bei 14bis 24-jährigen Adoleszenten ergab eine
Prävalenzrate von 2,7 Prozent anhand der
DSM-IV-Kriterien für somatoforme Störungen (31). Häufig erfüllen Kinder und
Jugendliche aber nicht die vollständigen
Diagnosekriterien für eine kategoriale Zuordnung in die DSM-IV-Kriterien. Werden
Störungen hinzugezählt, die nur einen
Teil der Diagnosekriterien erfüllten, lag
die Prävalenz bei 11%. In einer anderen
repräsentativen Stichprobe bei Jugendlichen hatten 40% in den letzten zwei Jahren mindestens ein Symptom mit starker
Beeinträchtigung des Wohlbefindens für
das der Arzt keine Ursache finden konnte
(25). Diese hohen Prävalenzwerte weisen
auf die differentialdiagnostische Bedeutung dieser Störungen hin. Eine genaue
Beschreibung der epidemiologischen Verteilung somatoformer Störungen bei Kindern und Jugendlichen ist aufgrund mangelnder Daten zurzeit nur eingeschränkt
möglich (5).
Körperliche Symptome ohne nachweisbare organische Ursache werden in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD 10) nach Symptomatik und Verlauf
in dissoziative bzw. Konversionsstörungen
(F 44) und somatoforme Störungen (F
45) eingeteilt. Störungen der sinnlichen
Wahrnehmung und von Körperfunktionen, die unter willentlicher Kontrolle
stehen, führen meist zu (pseudo-)neurologischen Symptomen und werden als dissoziative oder Konversionsstörung klassifiziert. Dazu gehören dissoziative Anfälle,
Bewegungs-, Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen. Die Symptome werden
nicht willentlich hervorgerufen. Andernfalls handelt es sich um Simulation, Aggravation oder um „Artifizielle Störungen“
(z. B. Münchhausen-by-proxy-Syndrom).
Störungen mit Schmerzen und/oder komplexen körperlichen Empfindungen durch
Vermittlung des vegetativen Nervensystems werden unter somatoformen Störungen klassifiziert. Somatoforme Störungen
sind Erkrankungen mit anhaltenden oder
rezidivierenden Körperbeschwerden ohne
nachweisbare organische Ursache (12). Sie
treten bei Kindern und Jugendlichen meist
in Form von Kopf- und Bauchschmerzen,
Schwindel und Übelkeit auf. Die Ausprägung kann von (nicht selten) einmalig bis
wenige Male über intermittierende Häu-
fungen bis zur Chronifizierung reichen
(5). Somatisierungsstörungen (F 54) sind
seltene Extremvarianten mit multiplen
Körpersymptomen verschiedener Organsysteme mit wechselnder Qualität und
Lokalisation über mindestens zwei Jahre.
Im Gegensatz dazu sind psychosomatische Störungen organische Erkrankungen
mit morphologisch nachweisbaren Läsionen (z. B. Ulcus duodeni, Colitis ulcerosa)
aufgrund angeborener oder erworbener
Organstörungen. Dissoziative und somatoforme Störungen entstehen oft in zeitlichem Zusammenhang mit belastenden Ereignissen oder Lebensphasen und führen
zu einem ausgeprägten Vermeidungs- und
Rückzugsverhalten mit zahlreichen psychischen und sozialen Einschränkungen
sowie Problemen bei der Alltagsbewältigung, z. B. häufige Fehlzeiten in der Schule
(2). Weltweit am häufigsten sind Schmerzen wechselnder Qualität und Lokalisation
(somatoforme Schmerzstörung), gefolgt
von Schwindel und Erschöpfungszuständen (29). Die Betroffenen sind stark auf
ihre Symptome konzentriert und davon
überzeugt, an einer körperlichen Krankheit zu leiden. Häufig befürchten sie, dass
die körperliche Ursache der Erkrankung
übersehen wird. In jedem Fall sind eine
gründliche organische Ausschlussdiagnostik sowie eine biografische und soziale
Anamnese wichtig. Wahrscheinlich führen kindliche Belastungsfaktoren zu einer
erhöhten Vulnerabilität. Komorbiditäten
wie Depression, Angst und Persönlichkeitsstörungen finden sich bei ca. 2/3 der
Patienten (6, 14, 31). Die Diagnose einer
psychischen Ursache der Beschwerden
führt bei Eltern und Betroffenen häufig
zu Ablehnung und in der Folge zu Arztwechseln mit ungünstiger Prognose (24).
Die Interaktion zwischen Arzt, Eltern und
Patient gestaltet sich oft schwierig und
zeitaufwendig. Vor diesem Hintergrund
hat der erstversorgende Arzt die wichtige
Aufgabe eines Weichenstellers und Brückenbauers für die weitere Therapie, um
das erhöhte Risiko für somatoforme Störungen und psychiatrische Erkrankungen
im Erwachsenenalter vorzubeugen.
Methoden
Um die Häufigkeit und Verteilung von
körperlichen Beschwerden ohne organischen Befund als Ursache der stationären
Aufnahme zu erfassen, haben wir eine Untersuchung an der Vestischen Kinder- und
Jugendklinik Datteln, Universität Witten/
Herdecke, auf den Stationen für Schulkinder durchgeführt. Dabei handelt es sich
um eine Mädchen- und eine Jungenstation mit jeweils 24 Betten. Eingeschlossen wurden 5.254 Patienten über 3 Jahre
(2.874 Mädchen und 2.380 Jungen von
Januar 2005 bis Dezember 2007) im Alter von 6 bis 18 Jahren. Erfasst wurde die
Häufigkeit stationärer Aufnahmen wegen
körperlichen Störungen ohne organische
Ursache anhand der an erster Stelle aufgeführten Entlassungsdiagnose. Zusätzlich wurde die Häufigkeit von Diagnosen
erfasst, hinter denen sich wahrscheinlich
eine nicht organische, psychogene Störung
verbirgt, wie z. B. Ausschlussdiagnosen
aufgrund neurologischer Symptome bei
unauffälligen klinischen Befunden. Diese
werden als wahrscheinliche somatoforme
Störung angegeben. Die Geschlechtsverteilung und die Häufigkeit verschiedener
Symptome wurden nur bei den als sicher
klassifizierten psychogenen Störungen
untersucht. Die statistische Auswertung
erfolgte mit Excel 7.0 und SPSS.
Ergebnisse
Eine dissoziative oder somatoforme
Störung fand sich bei 1.035 der aufgenommenen Patienten, d.h. bei 19,7 % aller Patienten (im Zeitraum von 3 Jahren).
Werden Diagnosen, hinter denen sich
vermutlich eine somatoforme Störung
verbirgt (z. B. Ausschlussdiagnosen) dazugezählt, lag die Häufigkeit sogar fast 10%
höher. Die Geschlechtsverteilung mit etwa
3 : 2 (Mädchen : Jungen) zeigte ein häufigeres Auftreten bei Mädchen. Somatoforme Störungen waren deutlich häufiger
(80%) als dissoziative Störungen (20%)
ohne geschlechtsspezifische Unterschiede. Am häufigsten traten somatoforme
Schmerzstörungen (65%) auf, vor allem
Kopfschmerzen. Bei den dissoziativen Störungen waren Bewegungsstörungen (11%)
am häufigsten, gefolgt von psychogenen
Anfällen (4%) und Empfindungsstörungen
(4%). Sensibilitätsstörungen waren selten.
Bis auf eine signifikante Häufung psychogener Anfällen bei Mädchen fanden sich
keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. In den Jahrgängen von 10 bis 16 Jahren war die Häufigkeit der psychogenen
Störungen ungefähr gleichverteilt. D. h.
in jedem Jahrgang befanden sich ca. 100
Patienten, also ca. 10 Prozent aller 1.035
Patienten, abgesehen von einem Häufigkeitsgipfel im Alter von 13 Jahren mit ca.
15 Prozent. Deutlich weniger psychogene
Störungen zeigten sich bei den unter 10Jährigen.
Diskussion
Vor dem Schulalter sind dissoziative
Symptome selten (10, 24). Aus diesem
Grund haben wir die Stichprobe auf das
Schulalter beschränkt. Die Häufigkeit psychogener Störungen lag in unserer Stich-
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Originalien/Übersichten
Sicher
Sicher
Sicher
Sicher und
Sicher und
Sicher und
wahrscheinlich wahrscheinlich wahrscheinlich
Jahr
Gesamt
Mädchen
Jungen
Gesamt
2007
20,0
22,0
17,9
31,5
33,6
29,4
2006
20,7
24,4
17,0
30,4
35,0
25,8
2005
18,4
21,3
15,3
26,8
29,7
23,7
Gesamt
19,7
22,6
16,7
29,6
32,8
26,3
Mädchen
Jungen
Tab. 1: Häufigkeit der Diagnose „Dissoziative oder somatoforme Störung“ bei Patienten ab dem 7. Lebensjahr in Prozent (bezogen auf alle 5.254
aufgenommenen Patienten). Angaben 1. für sichere Diagnosen und 2. für wahrscheinliche Diagnosen, hinter denen sich vermutlich eine dissoziative
oder somatoforme Störung verbirgt (Ausschlussdiagnosen, s.o.)
Psychogene
Störungen
Klinische Symptomatik
Mädchen
Jungen
Gesamt
Dissoziative
Störungen
Bewegungsstörung
9,2
12,4
10,8
Psychogene Anfälle
6,5
1,4
4,0
Empfindungsstörung
2,8
5,1
4,0
Sensibilitätsstörung
1,5
1,7
1,6
Gesamt
20
20,6
20,4
Kopfschmerzen
48,4
45,9
47,2
Brust-/Rückenschmerz
10,6
14,6
12,6
Extremitätenschmerz
3,8
6,0
4,9
Schwindel
9,7
7,7
8,7
Erschöpfung
5,3
1,7
3,5
Autonome
Funktionsstörung
2,2
3,5
2,9
Gesamt
80
79,4
79,7
Somatoforme
Störungen
Tab. 2: Verteilung von dissoziativen und somatoformen Störungen im Zeitraum von 2005 bis
2007 in Prozent
probe mit 19,7% weit über den geschätzten Werten bei Kindern und Jugendlichen
(10%) (42) und im unteren Bereich der
Angaben bei Erwachsenen (10 bis 40%)
(29). Diese hohe Prävalenz weist auf die
differentialdiagnostische Bedeutung psychischer Störungen mit neurologischer
Leitsymptomatik hin. Dabei wird die Diagnose eher zurückhaltend gestellt aufgrund
von Befürchtungen, eine organische Erkrankung zu übersehen, auf Unverständnis bei den Eltern zu stoßen und aufgrund
der häufigen Rückfragen vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen bezüglich
der Kostenübernahme. Werden Diagnosen
hinzugezählt, hinter denen sich vermutlich eine somatoforme Störung verbirgt (z.
B. Ausschlussdiagnosen), ist die Prävalenz
noch höher. Die Geschlechtsverteilung
zeigt ein häufigeres Auftreten psychogener Störungen bei Mädchen als bei Jungen
im Verhältnis 3 : 2, was den Angaben in
der Literatur entspricht (24). Gründe sind
möglicherweise viszerale Sensationen im
Zusammenhang mit der Menstruation (6,
15, 25) und die erhöhte Prävalenz traumatischer Ereignisse bei Mädchen. Eine
altersabhängige Häufung psychogener
Störungen fand sich bei den Jugendlichen
nicht.
In unserer Stichprobe waren somatoforme Störungen viermal häufiger als dissoziative Störungen. Mit weitem Abstand
am häufigsten fanden sich Schmerzen,
wie bei anderen Untersuchungen älterer Kinder und Jugendlicher (21, 22, 25).
Im Vergleich zu Erwachsenen (20-40%)
traten sie häufiger (65%) auf, dagegen
waren Erschöpfungszustände (3,5%) und
autonome Funktionsstörungen (2,9%) seltener. Dissoziative Symptome entsprachen
in unserer Stichprobe etwa der Häufigkeit
bei Erwachsenen (20%) (29). Am häufigsten waren Bewegungsstörungen (10,8%
Paresen, Astatie/Abasie, Tremor), gefolgt
von psychogenen Anfällen (4%) und Empfindungsstörungen (4%). Sensibilitätsstörungen traten sehr selten auf (1,6%). Allgemeines Kennzeichen von dissoziativen
Störungen war der plötzliche Verlust der
bewussten Kontrolle über willkürliche motorische Bewegungen oder Sinneswahrnehmungen mit wechselnder Ausprägung
und Zunahme unter Beobachtung. Manchmal ähnelten die Symptome echten organischen Störungen. Öfter standen dramatische und manchmal bizarre Symptome im
Widerspruch zu dem relativ geringen Leidensdruck der Patienten wie bei anderen
Untersuchungen (26, 33, 34, 45). Die Symptome verkörpern häufig die Vorstellungen
der Patienten von ihrem Körper und nicht
die Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Dissoziative Symptome können in
der Regel klinisch durch ungewöhnliche
motorische Phänomene, eine Diskrepanz
zwischen Funktionsausfällen und objektivierbaren Befunden und Widersprüchen
mit neuroanatomischen Bedingungen von
„echten“ neurologischen Ausfällen unterschieden werden und nicht erst durch apparative Methoden. Typische dissoziative
Symptome und Unterscheidungsmerkmale
werden im Folgenden beschrieben (26, 27,
33, 34, 45). In Zweifelsfällen müssen organische Erkrankungen mit aufwendiger Dia-
54 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
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Originalien/Übersichten
gnostik ausgeschlossen werden. Bei Eltern
und Kindern besteht meist die Sorge, dass
die körperliche Ursache der Erkrankung
übersehen wird oder die Erkrankung von
den Ärzten nicht ernst genug genommen
wird (24).
Dissoziative Anfälle
Dissoziative Anfälle finden immer vor
einem Publikum statt und haben einen
demonstrativen Charakter. Die Ausprägung der Symptomatik kann von Zu- bzw.
Abwendung abhängen. Typisch sind regellose, ausfahrende, dramatisch anmutende Bewegungen. Dauer in aller Regel
> 2 Minuten, die Pupillenreflexe sind erhalten. Selten kommt es zu Verletzungen
(Zungenbiss), Stürzen, Inkontinenz. Die
Bewusstseinslage wirkt eingeschränkt, die
Patienten sind aber oft ansprechbar. Bei der
dissoziativen Ohnmacht wirkt der Patient
schlafend mit normalen Atmungs- und
Kreislaufparametern. Schluckbewegungen
sind am Kehlkopf sichtbar. Beim passiven
Öffnen der Lider spürt man typischerweise
einen Widerstand, und die Augen schauen
vom Untersucher weg oder blicken ihn an.
Löst man bei passiv offen gehaltenen Augen durch rasches Drehen des Kopfes den
vestibulookularen Reflex aus, kommt es
nicht zum physiologischen Ablauf wie bei
einem echt Komatösen, sondern die Bulbi
bleiben entweder auf einen Punkt in der
Ferne fixiert oder werden in Drehrichtung
des Kopfes überschießend bewegt.
Dissoziative
Bewegungsstörungen
Dissoziative Paresen betreffen meist die
nicht dominante Extremität. Zeichen der
psychogenen Minderinnervation sind eine
sakkadierte Innervation, eine reflektorische
normale Kraftentwicklung bei plötzlicher
Steigerung des Widerstandes während der
Kraftprüfung durch den Untersucher und
eine unwillkürliche Mitinnervation der
geschonten Extremität bei Prüfung der
Gegenseite. Beim Anziehen etc. kommt es
zum Einsatz der geschonten Extremität. Der
Muskeltonus und die Reflexe sind normal,
keine Pyramidenzeichen. Wird der Patient
im Stehen rasch um seine eigene Körperachse gedreht, wird ein schlaff-paretischer
Arm an den Körper gepresst gehalten und
aktiv am Herumbaumeln gehindert. Lässt
man den passiv hochgehaltenen Arm des
liegenden Patienten los, fällt dieser entsprechend der Schwerkraft neben dem
Körper auf die Unterlage. Bringt man den
so gehobenen Arm hinter die Achse des
Schultergelenkes, dann fällt eine wirklich
paretische Extremität neben den Kopf des
Patienten. Bei psychogenen Pseudopare-
sen jedoch fällt der Arm meist neben den
Rumpf. Muskelatrophien entwickeln sich
als Folge der Inaktivität erst nach Wochen.
Bei der elektromyographischen Untersuchung lassen sich normale motorische Potenziale ableiten. Bei dissoziativen Gangund Standstörungen finden sich starke
Fluktuationen in Abhängigkeit von der sozialen Situation (Zuwendungschancen). Im
Gegensatz zu organischen Gangstörungen
erscheinen die Bewegungsabläufe energieaufwendig und manchmal bis zur Groteske unökonomisch oder artistisch. Oft
ist der Gang verlangsamt mit eingeknickten Knien oder übertrieben ausfahrenden
(ataktischen) Bewegungen, seitlichen Ausfallschritten, Nachziehen des Beines oder
Daueranspannung der Zehen. Stürze werden durch phantasievolle Einbeziehung der
Umgebung vermieden, z. B. indem die Patienten bei der Untersuchung in die Arme
des Untersuchers schwanken. Wenn Stürze
auftreten, kommt es zu keinen Verletzungen. Die Beine funktionieren im Liegen
oft vollkommen normal. Der dissoziative
Tremor gehört zu den häufigeren dissoziativen Bewegungsstörungen, betrifft meist
den dominanten Arm und manifestiert sich
als Ruhe-, Halte- und Intentionstremor.
Bei dem Koaktivierungszeichen handelt es
sich um ein nahezu sicheres Zeichen für die
Diagnose eines psychogenen Tremors: Die
Mehrzahl der Patienten mit psychogenem
Tremor benutzt einen Klonusmechanismus
zur Erzeugung des Tremors. Dieser ist nur
einzuleiten, wenn die Antagonisten eines
Gelenkes vorgespannt werden. Diese Vorspannung ist für den Untersucher beim
passiven Durchbewegen der zitternden Extremität fühlbar. Dissoziative Myoklonien
können segmental, generalisiert und/oder
fokal verteilt sein. Kombinationen mit weiteren nicht organischen Funktionsstörungen wie Tremor, Dystonie und Gangstörung
sind nicht selten. Intensität und Häufigkeit
können – sowohl in Ruhe als auch bei Innervation – deutlicher als bei organischen
Myoklonien variieren. Elektrophysiologische Untersuchungen (Elektromyografie,
Startle-Reflex,
Bereitschaftspotential)
können bei der Differentialdiagnose hilfreich sein.
Dissoziative Sensibilitäts- und
Empfindungsstörungen
Dissoziative
Sensibilitätsstörungen
entsprechen nicht der anatomischen Begrenzung bei einer zentralen oder einer
radikulären bzw. peripheren Nervenläsion.
Meist entspricht die angegebene Begrenzung laienhaften Vorstellungen und ist
schneidermunsterförmig zirkulär an den
Extremitäten und genau in der Mittellinie
am Rumpf. Bei wiederholten Untersuchun-
gen finden sich Veränderungen der angegebenen Areale (Markierung mit einem
Stift) oder der Modalitäten (Berührung,
Temperatur). Häufig kann der Patient mit
angeblich völliger Gefühllosigkeit für Berührung, Schmerz empfinden, Temperatur
und Erkennen von Gegenstände beim Betasten mit der Hand unterscheiden. Damit
ist die erhaltene Berührungsempfindung
bewiesen. Klagt ein Patient über einen
einseitigen vollständigen Ausfall der Sensibilität an einzelnen Fingern, sollte man
ihn seine beiden Hände auf dem Rücken
verschränken lassen und dann die Sensibilität der Finger erneut prüfen. Das führt
bei psychogenen Ausfällen zu vermehrten Fehlantworten. Dissoziative Empfindungsstörungen (Sehen, Hören, Riechen)
sind insgesamt selten, Sehstörungen (Verschwommen- oder Tunnel-Sehen) sowie
Hörstörungen sind überwiegend partiell
ausgeprägt.
Ätiologie und Pathogenese
Die Ätiologie somatoformer Störungen
ist bislang unzureichend geklärt. Häufig
finden sich negative biografische Erfahrungen, wie z. B. Missbrauch oder Gewalt in
der Vorgeschichte. Menschen mit Traumata vor dem 17. Lebensjahr (z. B. Scheidung
der Eltern, Tod eines Elternteils, sexueller
Missbrauch) entwickeln im späteren Leben häufiger körperliche Beschwerden als
Menschen, die davon verschont wurden.
Häufig werden somatoforme Symptome
durch körperliche Vorschädigungen gebahnt. Begünstigend für die Entwicklung
einer somatoformen Störung gelten eine
psychische „Dünnhäutigkeit“ (Vulnerabilität), eine gesteigerte physiologische
Reaktionsbereitschaft (z. B. gesteigertes
Schmerzerleben) (1, 38), und eine reduzierte bzw. inadäquate Wahrnehmung für
körperliche und geistige Anspannung (9,
19). Dabei spielen genetische Faktoren
(Zwillingsstudien; 17), psychosoziale und
familiäre Einflüsse (Lernen am Modell) (1,
7) eine bedeutsame Rolle. Die Eltern reagieren eher auf körperliche als auf emotionale Signale ihrer Kinder und schreiben
körperliche Beschwerden somatischen
Ursachen zu (somatische Beschwerdeattribution). Darüber hinaus sind kognitive
Fehlbewertungen
(Katastrophisierung)
und ungünstige Konfliktbewältigungsstrategien (13, 22) sowie individuelle Persönlichkeitsmerkmale (hohe Ansprüche an die
eigene Leistungsfähigkeit) und Störungen
des Selbstwertgefühls (14, 36) wichtig. Für
die Aufrechterhaltung der Symptome sind
soziale und gesellschaftliche Aspekte (sekundärer Krankheitsgewinn) entscheidend.
Dazu gehört die Gefahr einer iatrogenen
Chronifizierung durch fortwährende in-
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Originalien/Übersichten
vasive diagnostische und therapeutische
Prozesse unter Ausblendung der psychogenen Genese (24).
Auslöser und im Verlauf aufrechterhaltende Faktoren sind chronisch belastende Lebenssituationen, etwa schulische
Überforderung, Integrationsprobleme bei
Gleichaltrigen, überhöhte elterliche Erwartungen, aber auch aktuelle belastende
Lebensereignisse, wie schwere Erkrankungen oder Tod eines Elternteils. Körperliche oder sexuelle Traumatisierungen sind
überdurchschnittlich häufig bei Adoleszenten mit chronischen Somatisierungssymptomen anzutreffen (5, 42).
Bei dissoziativen Symptomen gilt der
Funktionsverlust als Ausdruck emotionaler Konflikte oder Bedürfnisse. Nach
dem Diagnostic and Statistical Manual of
Mental Disorders (DSM-IV) sollen sich die
Symptome in zeitlicher Verbindung mit
psychosozialen oder posttraumatischen
Belastungssituation entwickeln. Die Übertragung von psychischen Konflikten auf
körperliche Störungen erfolgt unbewusst.
Als Mechanismus gilt die Abspaltung vom
Bewusstsein durch Dissoziation (Spaltung). Der Begriff stammt von Janet zur
Erklärung hysterischer Phänomene. Nach
der psychoanalytischen Theorie Freuds
werden unbewusste seelische Konflikte,
Angst, psychische Wünsche und Strebungen in körperliche (somatische) Symptome „konvertiert“ (umgewandelt). Bei allen
diesen Zuständen ist die integrative Leistung des Bewusstseins, der Identität, des
Gedächtnisses oder der Wahrnehmung
gestört. Der Patient hat keine willentliche Kontrolle über die Störung. Durch
die Scheinlösung des Konfliktes bekommt
das Symptom einen Angst reduzierenden
Charakter („primärer Krankheitsgewinn“),
der sekundäre Krankheitsgewinn (Zuwendung, Fürsorge) spielt bei der Chronifizierung eine wesentliche Rolle.
Interessanterweise verändern psychoaffektive Prozesse die Aktivität zerebraler
Bereiche, die bei der sensorischen Wahrnehmung beteiligt sind (44). Eine Studie
mit Hirn-SPECT zeigte bei Patienten mit
Konversionsstörungen eine selektive Unteraktivierung im Thalamus und eine Normalisierung dieser Aktivierung, wenn die
Konversionsstörungen verschwinden und
die Patienten den normalen bewussten
Gebrauch ihres betroffenen Körperglieds
zurückerhalten haben. Die Schwere der
zerebralen Unteraktivierung war bei Patienten ausgeprägter, deren Störungen
mehr als ein Jahr anhielten (3).
Diagnostik
Neben den klinischen Unterscheidungsmerkmalen ist bei Unsicherheiten eine
gründliche apparative Ausschlussdiagnostik und ggf. eine Verlaufsbeobachtung
notwendig. Gerade bei Dystonien kann die
Unterscheidung zwischen psychogenen
und organischen Ursachen sehr schwierig
sein. Darüber hinaus ist eine Kombination
von psychogenen und organischen Symptomen (z. B. Hysteroepilepsie) aufgrund
der hohen Komorbidität von dissoziativen
Störungen mit neurologischen Erkrankungen immer zu berücksichtigen. Mit diesen
Voraussetzungen beträgt die Rate an Fehldiagnosen von Konversionsstörungen bei
Erwachsenen nur ca. 4% entsprechend
einer Metaanalyse von 1.466 Fällen im
BMJ (40). Dagegen sind Fehldiagnosen in
umgekehrter Richtung viel häufiger, mit z.
T. erheblicher Konsequenz. So hatten 25%
der Patienten mit der Diagnose einer Epilepsie eine Synkope und 8% mit der Diagnose einer MS eine Konversionsstörung
(40). Darüber hinaus werden psychiatrische Kriterien über auslösende Belastungen in zeitlichem Zusammenhang für den
positiven diagnostischen Nachweis gefordert (DSM IV). Nach Möglichkeit sollten
alle Patienten mit dissoziativen Störungen eine psychopathologische Diagnostik
erhalten. Allerdings eignen sich positive
psychiatrische Kriterien nicht, um dissoziative Symptome zu „beweisen“. Prinzipiell ist die Diagnose einer dissoziativen
Störung eine Ausschlussdiagnose durch
den Kinderarzt bzw. Neurologen (26).
Aus Unsicherheit tendieren Kinderärzte
immer noch zu selten dazu, dissoziative
Störungen zu diagnostizieren. Diese Einstellung ist nicht ohne Konsequenzen, da
verschiedene Studien gezeigt haben, dass
das Verschleppen der Diagnose einer dissoziativen Störung mit einer schlechteren
Prognose assoziiert ist (24). In der Regel ist
die stationäre Aufnahme für die Diagnostik und Aufklärung über die Psychogenese
der Symptome besser geeignet als eine
ambulante Behandlung.
Bei Patienten mit dissoziativen und somatoformen Störungen findet sich eine
hohe Komorbidität mit anderen psychiatrischen Erkrankungen, am häufigsten Depression, Angst und Selbstwertprobleme
(7, 14, 31, 43). Sie sind mit einem erhöhten Risiko hinsichtlich der Chronifizierung
der körperlichen Beschwerden verbunden
(23). Häufig finden sie sich auch bei Familienangehörigen (30).
tens die Vermittlung der unauffälligen
Befunde (20). Dabei darf der Patient nicht
das Gefühl bekommen „überführt“ zu werden. Die Symptome müssen ebenso ernst
genommen werden wie die Aufklärung
über deren Psychogenese (37). Frühzeitige psychologisierende Erklärungsversuche
sollten vermieden werden, weil sie zu verstärkter Abwehr führen (24). Die Einstellung und Sensibilität des erstversorgenden Arztes ist als Weichensteller und ggf.
Brückenbauers zu einer weiterführenden
Behandlung entscheidend für den weiteren Verlauf. Wichtig ist in angemessener
Weise nach Belastungsfaktoren und möglichen Traumatisierungen zu fragen, ohne
dass die Eltern den Eindruck bekommen,
im Voraus verdächtigt bzw. verurteilt zu
werden. Finden sich diesbezüglich keine
Anhaltspunkte, sollen die Eltern dahingehend beraten werden, die Symptome zu
ignorieren und normale Verhaltensweisen zu verstärken. Meist verschwindet die
Störung so abrupt, wie sie aufgetreten ist.
Indikation für eine ambulante oder stationäre Psychotherapie sind Hinweise auf
schwere Belastungsfaktoren (z. B. Traumatisierung), die Dauer der Symptome (über
3 Monate), Schulausfall, psychosoziale
Chronifizierungsrisiken und psychische Komorbiditäten. Für den Behandlungserfolg
ist die therapeutische Beziehung wichtiger als die psychotherapeutische Methode
(29). Die sollte sich an den individuellen
Bedürfnissen des Patienten orientieren.
Zur Verfügung stehen mehrere effektive
Therapieansätze wie z. B. die kognitive
Verhaltenstherapie (20). Wichtige Aspekte
sind ein Verständnis über Zusammenhänge zwischen Psyche und Körper zu vermitteln, das Selbstwertgefühl und Vertrauen
in den eigenen Körper zu stärken, die (familiäre) Kommunikation um das Symptom
und das Krankheitsverhalten zu ändern,
Konfliktbewältigungsmöglichkeiten und
ggf. soziale Kompetenzen zu trainieren
und Möglichkeiten zu finden, das Leben
freudvoller zu gestalten. Bezugspersonen
müssen in die Therapie einbezogen werden, da sie immer zu der Aufrechterhaltung von dissoziativen und somatoformen
Störungen beitragen. Nach Möglichkeit
sollten die Patienten von Therapeuten
betreut werden, die mit dissoziativen und
somatoformen Störungen vertraut sind.
Bedauerlicherweise sind Einrichtungen
für Kinder und Jugendliche mit somatoformen bzw. dissoziativen Störungen noch
dünner gesät als für Erwachsene.
Therapie
Prognose
Grundlage der Therapie von dissoziativen und somatoformen Störungen ist erstens die sorgfältige Diagnostik und zwei-
Dissoziative Störungen bilden sich bei
Kindern und Jugendlichen nach einigen
Wochen häufig von alleine zurück. Wenn
Komorbidität
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Originalien/Übersichten
die Störung wiederholt auftritt, entwickelt sich häufig ein chronischer Verlauf
mit ungünstiger Prognose. Dissoziative
Symptome persistieren bei 14 bis 56 Prozent der Patienten mit Beginn der Erkrankung im Kindes- und Jugendalter, häufig
bis ins Erwachsenenalter (18, 35). Ein früher Beginn, eine späte Diagnose, sowie ein
längerer Zeitraum bis zum Behandlungsbeginn sind mit einem schlechteren Langzeitverlauf assoziiert (28). Untersuchungen bei Erwachsenen zeigen, dass 37-83
% der Patienten 2-16 Jahre nach Diagnosestellung immer noch Symptome haben
(3, 10, 32, 39). Die Prognose ist besser
wenn die Patienten lernen, ihre Symptome
zu emotionalen Belastungen in Beziehung
zu setzen (37). Aus diesem Grund ist eine
frühzeitige Erkennung somatoformer Störungen im Kindes- und Jugendalter und
deren adäquate Behandlung wichtig, um
eine Chronifizierung zu verhindern.
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Dr. med. Markus Blankenburg
Zentrum für Neuropädiatrie,
Entwicklungsneurologie und
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Mitteilungen
Forschung
Stefan-Engel-Preis
Die Deutsche Gesellschaft
für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. wird auf ihrer
Jahrestagung in München vom
11.-14.09.2008 zum fünften
Mal den Stefan-Engel-Preis
vergeben. Er ist mit 5.000,Euro (Stifter: Kirchheim-Verlag
Mainz) und einer Medaille ausgestattet. Mit dem Preis sollen
wissenschaftliche Leistungen
auf dem Gebiet der sozialen
Pädiatrie als Querschnittsfach
in der Kinderheilkunde und Jugendmedizin unter Einschluss
der Grenzgebiete ausgezeichnet werden.
Um den Stefan-Engel-Preis
können sich SozialpädiaterIn-
nen, Kinderärzte/innen und
Wissenschaftler aus nahestehenden Bereichen aus dem
deutschen Sprachraum bewerben.
Die Bewerber müssen bis
zum 02.06.2008 ihre wissenschaftliche Arbeit in 5 Exemplaren einreichen an den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie
und Jugendmedizin e.V., Herrn
Prof. Dr. Harald Bode, Universitätsklinikum für Kinder- und
Jugendmedizin, Sektion Sozialpädiatrisches Zentrum und
Neuropädiatrie, Frauensteige
10, 89075 Ulm.
Magnet-Impulse aufs Gehirn:
Welche Hirn-Regionen arbeiten
zusammen?
Um das „Gehirn beim Denken“ zu beobachten, reicht
Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Göttingen die
funktionelle MagnetresonanzTomographie (fMRT) nicht
mehr aus. Die Forschergruppe
MR-Forschung in der Neurologie und Psychiatrie „schockt“
das denkende Gehirn freiwilliger Versuchspersonen mit
Magnet-Impulsen durch die
Schädeldecke, während die
Versuchspersonen in der MRTRöhre liegen. Die Magnetstimulation stört das Gehirn
kurzzeitig „bei der Arbeit“,
während die Probanden in der
MRT-Röhre Bilder ansehen
und Knöpfe drücken. Für die
Teilnehmer ist das Verfahren
unbedenklich und ohne Nebenwirkungen.
Die gut platzierten, kurzen
Magnet-Impulse durch den
Schädel (transkraniale Magnetstimulation, TMS) unterbrechen kurzzeitig und räumlich begrenzt die Aktivität des
betroffenen Gehirn-Bereiches
(funktionelle Läsion). Ist die
Versuchsperson in der MRT-
Röhre gerade dabei, einen SehEindruck zu verarbeiten, kann
ein gezielter Magnet-Impuls
auf das Sehzentrum die Auswertung der Bild-Information
verzögern. Lösen die Versuchspersonen eine Aufgabe langsamer, wird deutlich, dass eine
wichtige Hirnregion getroffen
wurde. In Versuchsreihen können die Forscher so erfahren,
welche Hirn-Regionen in welcher Reihenfolge an welchem
Denkprozess aktiv beteiligt
sind. Die fMRT-Bilder zeigen
zusätzlich, welche weiteren
Hirnregionen „zusehen, aber
nicht mitarbeiten“.
Erstmals hat das Team um
Dr. Jürgen Baudewig die
fMRT- und die TMS-Methode
jetzt in einem Forschungsprojekt kombiniert. Die Ergebnisse
des „Uhren-Tests“ sind im März
2007 in der Internet-Version
der Zeitschrift „Cerebral Cortex“ erschienen. Testpersonen
in der MRT-Röhre sahen für
einen kurzen Moment das
Bild einer Uhr. Je nachdem, in
welchem Winkel die Uhrzeiger
zueinander standen, sollten die
Testpersonen einen von zwei
Knöpfen drücken. Zusätzlich
gaben die Wissenschaftler kurz
nach dem Bild einen MagnetImpuls auf eine Hirnregion,
die, beidseitig unter der Schädeldecke, für die räumliche
Koordination zuständig ist
(parietaler Cortex).
Technik allein lässt sich das
nicht beantworten“. Weiterhin
hoffen die Forscher, Ausfälle
bestimmter Hirnregionen, die
durch Unfälle oder Krankheit
entstanden sind, „nachzustellen“. Durch „scheinbare Schädigungen“ (virtuelle Läsionen)
des Gehirns gesunder Versuchs-
Blau gegen rot dargestellt sind die veränderten Hirnaktivitäten auf der
rechten Seite des Gehirns beim „Uhren-Test“ im MRT. (Foto: J. Baudewig,
Göttingen).
Für die Zukunft hoffen die
Forscher durch die Kombination von fMRT und TMS auf
grundlegende
Erkenntnisse
über die Funktion des Gehirns.
„Interessant ist beispielsweise,
warum manche Menschen auf
einer Seite ihres Gesichtsfeldes
nichts sehen, obwohl Augen,
Nervenbahnen und Gehirn intakt scheinen. Mit der fMRT-
personen könnte man mit Hilfe der fMRT und TMS-Technik
diese Krankheiten simulieren
und somit ihre Ursachen und
Auswirkungen untersuchen.
QUELLE:
Universitätsmedizin Göttingen, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, presse.
[email protected]
Personalia
In memoriam:
Prof. Dr. Ansgar Matthes
Am 15. Februar dieses Jahres ist in Kehl-Kork Prof. Dr.
Ansgar Matthes verstorben,
wenige Wochen vor seinem
84. Geburtstag. Seine Frau,
seine beiden Töchter mit ihren
Familien, seine Freunde, die
früheren Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter an dem von ihm
gegründeten Epilepsiezentrum
Kork, seine Kolleginnen und
Kollegen und eine große Zahl
ehemaliger Patienten trauern
um einen menschlich überaus
liebenswerten, fachlich außerordentlich kompetenten, national und international hoch
angesehenen und nicht zuletzt
auch künstlerisch beeindruckenden Menschen.
Wie kaum ein anderer hat
Ansgar Matthes der Epileptologie in Deutschland in den
ersten Jahrzehnten nach dem
Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2 59
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Mitteilungen
2. Weltkrieg entscheidende
Impulse gegeben. Darüber hinaus kann er – zusammen mit
Prof. Rolf Kruse – als ‚Gründungsvater’ der Gesellschaft
für Neuropädiatrie bezeichnet
werden: Die von ihm initiierte
und zusammen mit Herrn Kruse geleitete ‚Neuropädiatrische
Arbeitstagung’ im Oktober
1972 in Kork war gewissermaßen Geburtsstunde der Gesellschaft.
Mit dem Tod von Ansgar
Matthes ist nicht nur in Kork
eine Ära zu Ende gegangen.
Prof. Matthes hat selbst
noch verfügt, dass nach seinem Tod keine öffentliche
Trauerfeier, keine Laudationes,
kein Nachruf erfolgen sollen.
Diesen Wunsch gilt es selbstverständlich zu respektieren.
So wollen wir es mit dieser
Mitteilung belassen – in der
Überzeugung, dass die Men-
schen, die das Glück hatten,
ihn zu kennen, in ihrem Innern
ein sehr persönliches Memento halten werden, und mit dem
Hinweis, dass im Heft 83 der
Liga-Rundbriefe, dem Vorgänger-Organ der heutigen ‚Zeitschrift für Epileptologie’, eine
sehr schöne Laudatio auf Prof.
Ansgar Matthes nachzulesen
ist, die von Prof. Hermann
Doose abgefasst wurde, als
Herr Matthes sich entschlossen
hatte, aus dem aktiven beruflichen Leben am Korker Epilepsiezentrum auszuscheiden.
Möge sich die griechisch
abgefasste Aussage, die Ansgar
Matthes, der große HellenenFreund, als Text für die Nachricht über seinen Tod ausgesucht hatte, in der Form, die er
sich vorgestellt und gewünscht
hatte, bewahrheiten: ‚Είμαι
λέϕτερος’ (‚Ich bin frei’).
Dr. Hansjörg Schneble
Verschiedenes
Aut-idem-Ankreuzen: bei Antiepileptika wichtiger denn je!
G. KRÄMER1, C. ELGER2, D. DENNIG3, B. A. NEUBAUER4
(Ad hoc-Kommission der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie)
1
2
3
4
Schweizerisches Epilepsie-Zentrum, Zürich
Klinik für Epileptologie der Universität, Bonn
Schwerpunktpraxis Epilepsie, Stuttgart
Abteilung Neuropädiatrie, Sozialpädiatrie und Epileptologie des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, Gießen
Anlässlich der Einführung
des
Arzneimittelausgabenbegrenzungsgesetzes
2002
vertraten die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie und
die Deutsche Pharmazeutische
Gesellschaft übereinstimmend
die Auffassung, dass Antiepileptika wegen verschiedener Besonderheiten von der
vorgesehenen
Zwangsaustauschregelung
ausgenommen werden sollten (1, 2). Bei
der Bewertung verschiedener
Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen durch den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA;
oberstes
Beschlussgremium
der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte,
Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen
in Deutschland) wurde in der
Folge auch kein Antiepileptikum auf die bis Ende 2003
regelmäßig publizierten Listen
„aut-idem“-tauglicher Präparate gesetzt. Deswegen erhielten Epilepsiepatienten bis Ende
März 2008 in der Apotheke
i.d.R. selbst bei nicht erfolgtem
„aut-idem“-Ankreuzen auch
das verordnete Präparat. Diese
für die medikamentöse Epilepsiebehandlung beruhigende
Situation hat sich jetzt aber
grundlegend geändert.
Der ohne Beteiligung der
Ärzteschaft und der pharmazeutischen Industrie zwischen
den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und
dem Deutschen Apothekerverband abgeschlossene und
zum 1.4.2008 in Kraft getretene Rahmenvertrag (3) enthält Neuregelungen, die bei
fehlendem „aut idem“-Kreuz
zwangsläufig nicht nur zur
Substitution führen, sondern
die Auswahl des Präparates
dem Apotheker überlassen.
So heißt es in dem Vertrag:
„Hat der Vertragsarzt ein
Arzneimittel nur unter seiner
Wirkstoffbezeichnung verordnet oder die Ersetzung eines
unter seinem Produktnamen
verordneten Fertigarzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen (aut idem), hat
die Apotheke unter folgenden Voraussetzungen ein der
Verordnung entsprechendes
Fertigarzneimittel auszuwählen … :
a) gleicher Wirkstoff,
b) gleiche Wirkstärke,
c) gleiche Packungsgröße,
d) gleiche oder austauschbare
Darreichungsform...,
e) gleicher Indikationsbereich
(im Falle der aut idem-Ersetzung),
f) keine einer Ersetzung des
verordneten Arzneimittels
entgegenstehenden
betäubungsmittelrechtlichen
Vorschriften.“
Weiter heißt es: „Treffen
die Voraussetzungen nach
Satz 1 bei einer Krankenkasse
für mehrere rabattbegünstigte
Arzneimittel zu, kann die Apotheke unter diesen frei wählen.“ Im Gegensatz zur bisherigen Praxis wird nicht mehr
gefordert, dass das Arzneimittel einer Gruppe wirkstoffgleicher Arzneimittel angehören
muss, für die der G-BA positive Hinweise zur Austauschbarkeit gegeben hat. Jetzt
wird davon ausgegangen, dass
gleiche Darreichungsformen
grundsätzlich
austauschbar
sind und Hinweise des G-BA
für einzelne Wirkstoffe nicht
erforderlich sind. Dies bedeutet in der Praxis, dass der
Apotheker bei einem Antiepileptika-Rezept ohne „aut
idem“-Kreuz überprüfen muss,
welche Rabattverträge mit der
jeweiligen Krankenkasse bestehen und dann gezwungen
ist, das oder eines der dort
genannten Präparate abzugeben. Kommt der Patient nach
einigen Wochen oder Monaten wieder, geht in eine andere Apotheke oder wechselt die
Krankenkasse, besteht darüber
hinaus ein erhebliches Risiko, dass er erneut ein anderes
Präparat erhält.
Die
Zulassungsbehörden
erlauben für Generika ein
Schwanken der Bioverfügbarkeit in einem Bereich von
80–125% der Referenzsubstanz, was für Antiepileptika im
Gegensatz zu vielen anderen
Pharmaka relevant sein kann.
In Befragungen berichteten
sowohl US-amerikanische (4)
als auch deutschsprachige
Neurologen und Neuropädiater (5) von häufigeren Problemen mit Anfallsrezidiven
oder einer vermehrten Toxizität durch eine Substitution. Es
verwundert daher nicht, dass
solche Probleme nach Zwangsaustauschen von Antiepileptika bei 10–20 % der Patienten
einer kanadischen Studie eine
Rückumstellung erforderlich
machten (6).
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Mitteilungen
Eine unkontrollierte Subsitution von Antiepileptika
infolge der Rabattverträge ist
nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie medizinisch nicht zu
verantworten. Insbesondere
nach Erreichen einer Anfallsfreiheit ist deren Aufrechterhaltung für die Betroffenen
oft von erheblicher sozialer
Bedeutung. Schon das einmalige Wiederauftreten eines epileptischen Anfalls kann erhebliche Folgen haben. Inwieweit
ein Präparatewechsel bereits
die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt ist noch nicht geklärt. Bei den in Vorbereitung
befindlichen Neuregelungen
zur Kraftfahrertauglichkeit bei
Epilepsie wird daher die Empfehlung ausgesprochen, anfallsfreien Patienten bei einem
Präparatewechsel für sechs
Monate vom Führen eines
Kraftfahrzeuges
abzuraten.
Darüber hinaus sind die mit einem wiederholten Präparatewechsel verbundenen Risiken
auch für alle anderen Epilepsiepatienten abzulehnen, also
nicht nur für anfalls- und nebenwirkungsfrei eingestellte,
sondern auch für solche mit
Neueinstellungen oder Umstellungen. Der verschreibende
Arzt ist verpflichtet, die möglicherweise aus dem Austausch
resultierenden Probleme anzusprechen. Sollte er dies unterlassen, können im Falle negativer Folgen Haftungsprobleme
entstehen.
Die oft als wesentliches Argument für einen Präparateaaustausch genannte Kostenersparnis ist bei Antiepileptika
zum Teil vernachlässigbar gering (7). So beträgt der Unterschied zwischen dem teuersten
und günstigsten Präparat bei
einer bereits seit langer Zeit
festbetragsgeregelten
Substanz wie der Valproinsäure
nur 2% und beim Carbamazepin sind es 26%. Bei einer
Substanz wie Lamotrigin, die
erst seit Anfang 2008 einem
Festbetrag unterliegt, ist das
Gefälle mit 59% noch deutlich
größer. Wie schon in früheren
Stellungnahmen ausgeführt
(8), spricht nichts gegen einen
Einsatz preisgünstiger Präparate zu Beginn einer Therapie
oder bei einer ohnehin erforderlichen Therapieumstellung,
vorausgesetzt, die Behandlung
wird dann kontinuierlich mit
dem einmal gewählten Präparat weitergeführt.
Die Deutsche Gesellschaft
für Epileptologie nimmt die
Einführung von Rabattverträgen daher zum Anlass, nochmals an ihre beiden früheren
Stellungnahmen (1, 8) zu er-
innern und alle Ärzte dazu
aufzurufen, bei Antiepileptika-Rezepten grundsätzlich
„aut idem“ anzukreuzen. Die
Quote der im letzten Quartal
2007 „aut idem“-angekreuzten
Antiepileptika-Rezepte lag für
Valproinsäure nur noch bei
14,2%, für Oxcarbazepin bei
15,1%, für Carbamazepin bei
16,2% und für Lamotrigin bei
21,5% (9). Dies bedeutet in
etwa eine Halbierung im Verlauf des Jahres 2007, für die in
erster Linie die bereits einleitend erwähnte Tatsache verantwortlich sein dürfte, dass
die Patienten bislang auch
ohne „aut-idem“-Ankreuzen
das verordnete Präparat erhielten. Nach Inkrafttreten der
Rabattverträge zum 1. April
muss dieser Prozentsatz aber
wieder massiv gesteigert werden, weil ansonsten bei 80 bis
85% der Epilepsiepatienten
die Präparatewahl ohne ärztliche Beteiligung getroffen wird
und diese den mit dauernd
wechselnden Präparaten verbundenen Risiken ausgesetzt
werden.
Literatur
1. Krämer G, Schneble H, Wolf P (ad
hoc-Kommission der Deutschen
Sektion der Internationalen Liga
gegen Epilepsie): Risiken der neuen
Aut-idem-Regelung für die Be-
handlung mit Antiepileptika. Akt
Neurol 2002; 29: 115–122
2. Blume H, Brauer KG, Dingermann T,
Mutschler E, Zündorf I: Gute Substitutionspraxis – GSP. Dtsch Apoth
Ztg 2002; 142: 1205–1214
3. Spitzenverbände der Krankenkassen und Deutscher Apothekerverband (DAV); Rahmenvertrag über
die Arzneimittelversorgung nach §
129 Absatz 2 SGB V in der Fassung
vom 17. Januar 2008
4. Wilner AN. Therapeutic equivalency of generic antiepileptic drugs:
results of a survey. Epilepsy Behav
2004; 5: 995–998
5. Krämer G, Steinhoff B, Feucht M,
et al. Generic preparations of antiepileptic drugs: experiences in
Germany, Austria and Switzerland.
Epilepsia 2007; 48: 609–611
6. Andermann F, Duh MS, Gosselin
A, Paradis PE. Compulsory generic
switches of antiepileptic drugs:
high switchback rates to branded
compounds compared with other
drug classes. Epilepsia 2007; 48:
464–469
7. Informationsstelle für Arzneispezialitäten (IFA) GmbH, Frankfurt
am Main. Große Deutsche Spezialitätentaxe (Lauertaxe). Stand
15.2.2008
8. Krämer G, Dennig D, Schmidt D, et
al (ad hoc-Kommission der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie). Generika in der Epilepsietherapie: Was ist zu beachten? Akt
Neurol 2005; 32: 275–278
9. Aut-idem-Daten 2007. WaldemsEsch, Insight Health GmbH & Co.
KG 2008
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Die Zeitschrift „Neuropädiatrie in Klinik
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Beispiele für das Zitieren:
Zeitschriften:
Sassen R, Kuczaty S, Lendt M et al. (2001)
Epilepsiechirurgie im Kindes- und Ju-
gendalter. Monatsschr Kinderheilkd 149:
1180-1189
Bücher:
Gross-Selbeck G, Boenigk HE (2000) Diagnostische und therapeutische Prinzipien
bei Epilepsien im Kindesalter. Leitlinien Kinderheilkunde und Jugendmedizin. Urban &
Fischer, München, Jena
Buchbeiträge:
Elger CE, Kurthen M (1999) Predicting surgical outcome in epilepsy: how good are we?
In: Schmidt D, Schachter SC (eds) Epilepsy
problems solving in clinical practice. Martin
Dunitz, London, pp 399-410
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Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2 61
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03.04.2008 13:30:49 Uhr
Mitteilungen
Kongresse
03.-06.04.2008
Jena
34. Jahrestagung der Gesellschaft für Neuropädiatrie
und 5. Fortbildungsakademie
Information: ulrich.brandl@med.
uni-jena.de
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10.-12.04.2008
Magdeburg
52. Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für
Klinische Neurophysiologie
undfunktionelle Bildgebung
Information: [email protected]
www.conventus.de/dgkn2008
10.-11.04.2008
Otsu, Japan
The 11th Annual Meeting of
the Infantile Seizure Society
(ISS): International Symposium on Febrile Seizures and
Related Conditions (ISFS)
Information: www.iss-jpn.info
18.-21.05.2008
Gargnano, Gardasee
Optimierung der Versorgungsqualität Frühgeborener
und ihrer Familien
Information: www.comed-kongress.de
24.-26.04.2008
Bled, Slovenia
th
7 International Congress on
Cerebral Palsy
Information: http://en.cpbled2008.eu
Warschau, Polen
International Conference:
Diagnosis & Treatment in
Pediatric Neurology
Information: www.neuroped2008.pl
17.-21.05.2008
Istanbul, Türkei
7th International Congress
of Headche in Children and
Adolescents
Information: www.ichca7.org
th
Newcastle upon Tyne, England
13 European Congress of
Clinical Neurophysiology
13th World Muscle Society
Congress
Information: www.stiftungmichael.de
Information: www. eccn2008istanbul.
org
Information: www.worldmusclesociety.org
28.-31.05.2008
Tokyo, Japan
50th Meeting of Japanese
Child Neurology
Information: [email protected].
ac.jp
29.-31.05.2008
Zürich, Schweiz
34. Jahrestagung der Gesellschaft für Neonatologie und
Pädiatrische Intensivmedizin
Information: www.mcon-mannheim.
de
05.-07.06.2008
Kloster Frauenchiemsee
27.-31.08.2008
Athen, Griechenland
36. Interdisziplinärer
Herbst-Seminar-Kongress
für Sozialpädiatrie
2nd World Congress on
Controversies in Neurology
(CONY)
Information: www.akademie-muenchen.de
Information: www.comtecmed.com/
cony
11.-14.09.2008
Nizza, Frankreich
104. Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für
Kinder- und Jugendmedizin
2nd Congress of the European
Academy of Paediatrics
Information: www.kinderaerztekongress-muenchen-2008.de
Information: [email protected]
16. Jahrestagung der DGPI
Information: erika.prell@kinder-imed.
uni-erlangen.de
13.-15.06.2008
Information: www.dgn2008.de
20.-25.09.2008
22.-26.06.2008
Berlin
9th World Congress
of Perinatal Medicine
Information: www.wcpm9.org
13.-15.11.2008
Stuttgart
Prag, Tschechien
9. Stuttgarter
Kinderanästhesietage
14th World Congress
on Psychiatry
Information: www.mcn-nuernberg.de
Information: www.wpa.prague2008.cz
Zagreb, Croatia
20th Annual Meeting of the
EACD “Early diagnosis implies Early intervention”
Information: www.kennes.com/paediatrics
24.-28.10.2008
10.-13.09.2008
81. Kongress der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie
mit Fortbildungsakademie
Erlangen
24.-28.10.2008
München
Hamburg
05.-07.06.2008
23.-26.10.2008
Brixen (Südtirol), Italien
12. Vogtareuther
Neuropädiatrie-Workshop
Information: www.eacd2008.com
14.-17.05.2008
Istanbul, Türkei
01.-04.10.2008
20. Praxisseminar
über Epilepsie
18.-19.04.2008
Berlin
27.-31.08.2008
21.-25.09.2008
Berlin
8th European Congress
on Epileptology
04.-06.06.2009
Vilnius, Lithuania
21th Annual Meeting
of the EACD “From myth
to evidence”
Information: www.eacd2009.com
Information: www.epilepsyberlin2008.
org
Chicago, IL, USA
12th Congress of the
Movement Disorder Society
Information: [email protected]
Vorschau für das Heft 3 / 2008
20.-25.07.2008
Berlin
25th International Congress
of Psychology
Information: www.icp2008.org/home.
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Originalien / Übersichten
Prof. Dr. Wolfgang Sperl et al., Salzburg
Diagnostik und Therapie der mitochondrialen
Erkrankungen
Anzeigeschluss: 1. 6. 2008 • Änderungen vorbehalten
62 Neuropädiatrie in Klinik und Praxis 7. Jg. (2008) Nr. 2
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03.04.2008 13:30:49 Uhr
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Mit Epilepsie so normal und
so aktiv wie möglich leben
Verschiedene Lebensbilder – Ein Antikonvulsivum
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■
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Hohe Anfallsfreiheit 2- 4
Beeindruckende Wirksamkeit 2- 5
Das erste Medikament entscheidet!
1 Keppra® Fachinformationen, Stand Januar 2007 2 Brodie MJ et al. Neurol 2007; 68: 402–408 3 Morrow J. EFNS 2006. Europ Jou Neurol 2006; 13(S2): 108–9, P1252 4 Andermann E et al. AES 2005. Epilepsia 2005;
46(S8): 205–6, 2.339 5 Privitera M. Epilepsia 2001; 42(S4): 31–5
Keppra® 250 mg, 500 mg, 750mg, 1000 mg Filmtabletten, Keppra® 100 mg/ml Lösung zum Einnehmen, Keppra® 100 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung. Wirkstoff: Levetiracetam.
Zusammensetzung: 1 Keppra® Filmtablette enthält 250, 500, 750, 1000mg Levetiracetam. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Croscarmellose-Natrium, Macrogol 6000, hochdisperses Siliciumdioxid, Magnesiumstearat
(Ph.Eur.); Filmüberzug: Polyvinylalkohol part. hydrolysiert, Titandioxid (E 171), Macrogol 3350, Talkum; Keppra® 250mg Filmtabletten zusätzlich: Indigocarmin-Aluminiumsalz (E 132); Keppra® 500mg Filmtabletten zusätzlich: Eisenoxidhydrat (E172); Keppra® 750mg Filmtabletten zusätzlich: Gelborange S-Aluminiumsalz (E 110), Eisen(III)oxid (E 172). 1ml Keppra® 100mg/ml Lösung zum Einnehmen enthält 100mg Levetiracetam. Sonstige
Bestandteile: Natriumcitrat, Citronensäure Monohydrat, Methyl-4-hydroxybenzoat (E 218), Propyl-4-hydroxybenzoat (E 216), Ammoniumglycyrrhizat, Glycerol (E 422), Maltitol (E 965), Acesulfam-Kalium (E 950), Traubenaroma, gereinigtes Wasser. Eine 5-ml-Durchstechflasche Keppra® 100mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung enthält 500mg Levetiracetam. Sonstige Bestandteile: Natriumacetat, Essigsäure 99%, Natriumchlorid, Wasser für Injektionszwecke. Anwendungsgebiete: Monotherapie partieller Anfälle mit oder ohne sekundärer Generalisierung bei Patienten ab 16 Jahren mit neu diagnostizierter Epilepsie. Zusatzbehandlung partieller
Anfälle mit oder ohne sekundärer Generalisierung bei Erwachsenen und Kindern ab 4 Jahren mit Epilepsie, Zusatzbehandlung myoklonischer Anfälle bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit Juveniler Myoklonischer Epilepsie und Zusatzbehandlung primär generalisierter tonisch-klonischer Anfälle bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren mit Idiopathischer Generalisierter Epilepsie. Keppra® 100mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung zusätzlich: Diese Darreichungsform ist eine Alternative für Patienten, wenn die orale Anwendung vorübergehend nicht möglich ist. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegenüber Levetiracetam
bzw. anderen Pyrrolidon-Derivaten oder einem der sonstigen Bestandteile. Nebenwirkungen: ≥ 10%: allgemein: Asthenie/Müdigkeit; Nervensystem: Somnolenz. 1– <10%: Nervensystem: Amnesie, Ataxie, Konvulsion, Benommenheit, Kopfschmerzen, Hyperkinesie, Tremor, Gleichgewichtsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Beeinträchtigung des Gedächtnisses; Psyche: Agitation, Depression, emotionale Labilität/Stimmungsschwankungen,
Feindseligkeit/Aggression, Insomnie, Nervosität/Reizbarkeit, Persönlichkeitsstörungen, abnormes Denken; gastrointestinal: Abdominalschmerzen, Diarrhoe, Dyspepsie, Nausea, Erbrechen; Stoffwechsel und Ernährung: Anorexie, Gewichtszunahme, das Risiko einer Anorexie ist höher, wenn Levetiracetam zusammen mit Topiramat verabreicht wird; Ohr und Innenohr: Schwindel; Augen: Diplopie, verschwommenes Sehen; Skelettmuskulatur, Bindegewebe und Knochen: Myalgie; Verletzungen, Vergiftungen und Folgekomplikationen: zufällige Verletzungen; Infektionen: Infektion, Nasopharyngitis; Atemwege: vermehrter Husten; Haut und Unterhautzellgewebe:
Exanthem, Ekzem, Juckreiz; Blut- und Lymphsystem: Thrombozytopenie. Erfahrungen aus der Zeit nach der Zulassung: Nervensystem: Parästhesie; Psyche: abnormes Verhalten, Wut, Angst, Konfusion, Halluzination, psychotische Störungen, Suizid, Suizidversuch und suizidale Gedanken; gastrointestinal: Pankreatitis; Leber- und Gallenerkrankungen: Leberversagen, Hepatitis, abnormer Leberfunktionstest; Stoffwechsel und Ernährung: Gewichtsverlust; Haut und Unterhautzellgewebe: Haarausfall, in mehreren Fällen wurde nach dem Absetzen von Keppra® eine Besserung beobachtet; Blut- und Lymphsystem: Leukopenie, Neutropenie, Panzytopenie (bei
einigen dieser Fälle wurde Knochenmarkdepression festgestellt). Warnhinweise: Falls Keppra® abgesetzt werden muß, sollte dies ausschleichend erfolgen. Bei einer begrenzten Anzahl von Patienten, die auf eine Zusatztherapie mit Keppra® ansprachen, konnte die antiepileptische Komedikation abgesetzt werden. Die vorhandenen Daten bei Kindern lassen keinen Einfluss auf das Wachstum und die Pubertät vermuten. Allerdings sind Langzeiteffekte hinsichtlich Lernverhalten, Intelligenz, Wachstum, endokrine Funktion, Pubertät und Gebärfähigkeit bei Kindern unbekannt. Ein Anstieg der Anfallshäufigkeit wurde von einem geringeren Anteil der mit Keppra®
als der mit Placebo behandelten erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit partiellen Anfällen berichtet. Bei Anwendung von Keppra® zur Behandlung primär generalisierter tonisch-klonischer Anfälle bei Erwachsenen
und Jugendlichen mit Idiopathischer Generalisierter Epilepsie wurde kein Einfluss auf die Häufigkeit von Absencen festgestellt. Die Anwendung von Keppra® bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kann eine Dosisanpassung erfordern. Bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen sollte die Nierenfunktion überprüft werden, bevor die Dosis festgelegt wird. Keppra® 100mg/ml Lösung zum Einnehmen zusätzlich: Die enthaltenen Parabene können (möglicherweise verzögert) allergische Reaktionen hervorrufen. Aufgrund des Inhaltsstoffes Maltitol sollten Patienten mit der seltenen hereditären
Fructose-Intoleranz dieses Arzneimittel nicht einnehmen. Keppra® 100mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung zusätzlich: Das enthaltene Natrium pro Durchstechflasche ist bei Personen unter Natrium-kontrollierter (natriumarmer/kochsalzarmer) Diät zu berücksichtigen. Dosierungsangaben und Packungsgrößen: siehe Fach- und Gebrauchsinformation, Stand 01/2007.
Verschreibungspflichtig. UCB S.A. Allée de la Recherche 60, B-1070 Bruxelles, Belgien.
#5706_neuropa diatrie_02_08.indd 64
03.04.2008 13:31:11 Uhr
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