Aus der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln Direktor: Universitätsprofessor Dr. med. G. Lehmkuhl Stationäre Behandlung von Jugendlichen mit Schulabsentismus - Konzept und Langzeiteffekte- Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Alexandra Glaser aus Heidelberg Promoviert am: 06. Mai 2009 1 Dekan: Universitätsprofessor Dr. med. J. Klosterkötter 1. Berichterstatter: Universitätsprofessor Dr. sc. hum. M. Döpfner 2. Berichterstatter: Professor Dr. rer. nat. Dr. rer. medic. R. Pukrop Erklärung: Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne zulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe ich Unterstützungsleistungen von Herrn Universitätsprofessor Dr. sc. hum. Manfred Döpfner, Herrn Diplom-Psychologe Dr. Daniel Walter und Frau Diplom-Psychologin Ingrid Ziegert erhalten. Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten Dissertation stehen. Die Arbeit wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und ist auch noch nicht veröffentlicht. Köln, den 16.09.2008 Alexandra Glaser 2 Die Erarbeitung des Konzeptes dieser Dissertation erfolgte unter Anleitung von Herrn Prof. Dr. M. Döpfner und Herrn Dipl.-Psych. Dr. D. Walter, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln. Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Daten für die Fremd- und Selbstbeurteilungsbögen wurden von mir in Form einer postalischen und telefonischen Befragung an der vorliegenden Stichprobe erhoben. Zum Teil wurden die Daten auch von den jeweiligen Psychotherapeuten, mitwirkenden Diplomanden und Doktoranden der Universität zu Köln erhoben. 3 Danksagung Zunächst danke ich Herrn Prof. Dr. M. Döpfner für die Überlassung des Themas sowie insbesondere für die hilfreiche und freundliche Betreuung. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. G. Lehmkuhl für die Unterstützung meines Promotionsinteresses. Außerdem danke ich Herrn Dipl.-Psych. Dr. D. Walter für die hilfreiche und freundliche Unterstützung bei den statistischen Analysen, sowie Fr. Dipl.Psych. Ingrid Ziegert für die teilweise Überlassung und Eingabe der Daten. 4 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung………………………………………………………………………..8 2. Theoretischer und empirischer Hintergrund 2.1 2.2 Definition von emotional bedingtem Schulabsentismus…………………..11 Allgemeine Methoden zur Erfassung und Klassifizierung emotionaler Störungen….………………………………………………………………….12 2.2.1 L-Daten, Q-Daten und T-Daten……………………………………………..12 2.2.2 Biologische Daten…………………………………………………………….12 2.2.3 Das psychologische Interview.……………………………………………...13 2.2.4 Leistungsdaten………………………………………………………………..13 2.3 Schulabsentismus und psychische Störungen……………………………13 2.4 Funktionale Analyse des Schulabsentismus………………………………14 2.5 Schulabsentismus als multifaktoriell bedingtes Problem…………………15 2.6 Allgemeine Therapieprinzipien von emotional bedingtem Schulabsentismus……………………………………………………………15 2.7 Studien zu kognitiven Verhaltenstherapien………………………………..17 2.8 Behandlungsmanual je nach Psychopathologie…………………………..17 2.8.1 Depressiv-apathische Tendenzen…………………………………………18 2.8.2 Trennungsängste, generalisierte Ängste, soziale Ängste, Leistungsängste, spezifische Phobien…………………………………….18 2.8.3 Dissoziale Tendenzen……………………………………………………….19 2.9 Therapiesetting: Ambulante und stationäre Behandlung………………...19 2.10 Stand der Therapieforschung bei der Behandlung von emotional bedingtem Schulabsentismus………………………………………………20 2.10.1 Ambulante Therapiestudien………………………………………………...22 2.10.2 Stationäre Therapiestudien…………………………………………………32 2.10.3 Ambulante und stationäre Therapieeffekte……………………………….35 2.10.4 Katamnestische Studien zur Langzeitstabilität der Therapieeffekte… 37 2.11 Behandlungskonzepte – therapeutisches Vorgehen…………………….38 2.11.1 Behandlungskonzept in Form eines Stufenplanes……………………….39 2.11.2 Stationäre “Intensiv“-Behandlung………………………………………….39 3. Messinstrumente 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 Hamburg-Wechsler-Intelligenztest…………………………………...... …44 Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche (DIKJ)……………......44 Phobiefragebogen für Kinder (PHOKI)…………………………………….45 Child Behaviour Checklist (CBCL)…………………………………………45 Youth Self Report (YSR)……………………………………………………46 Angstfragebogen für Schüler (AFS) …………………………………47 Diagnostik-System für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter (DISYPS-KJ)…………………………………………………...47 3.7.1 S-SELBST-Fragebögen – Aufteilung der Items…………………………..49 5 4. Ablauf der Studie 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 Jugendlichenurteil……………………………………………………………50 Elternurteil…………………………………………………………………….51 Verlaufsmessung…………………………………………………………….52 Abschlussmessung………………………………………………………….52 Katamnese 1…………………………………………………………………52 Katamnese 2………………………………………………………………...52 5. Methodik 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 Verwendete Verfahren der Datenanalyse (Untersuchungsdesign)…….53 Ein- und Ausschlusskriterien……………………...………………..………54 Klassifikation und Symptomatik……………………...………..…………...55 Datenerhebung in dieser Studie………………………...……..…………..56 Eigene Fragestellung………………………………...……...………………58 6. Beschreibung der Stichprobe 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 Selektionsprozess der Gesamtstichprobe……………………………...….64 Stichprobenkriterien……………………………………………………..…...65 Persönliche Daten……………………………………………………………65 Schulische Daten………………………………………………………..……66 7. Kooperierer und Verweigerer 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.3 7.4 Selektionsprozess der Kooperierer und Verweigerer…………………….68 Unterscheidet sich die Gruppe der Kooperierer von der der Verweigerer……………………………………………………………………70 Persönliche Daten…………...……………………………………………….70 Schulische Daten……………………………………………………………..73 Ambulante Psychotherapie nach Entlassung……………………………..74 Erneute stationäre Aufnahme…………………………………………….....76 Verweildauer auf Station…………………………………………………….76 Problemverhalten zur Prae-Messung………………………………………78 Veränderungen im Prae-Post-Vergelich…………………………………...78 8. Ergebnisse 8.1 8.1.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.3.5 Regelmäßiger Schulbesuch im Verlauf…………………………………….81 Neun Monate nach Entlassung……………………………………………..82 Schultypen zu den vier Messzeitpunkten………………………………….83 Selbstbeurteilungsbögen – Jugendlichenurteil (S-SELBST-J2M) Selbstwertprobleme…………………………………………………………..85 Beziehungsprobleme…………………………………………………………86 Leistungsprobleme…………………………………………………………...87 Angst und Somatisierung.…………………………………………………...88 Schulbesuchsprobleme………………………………………………………89 6 8.3.6 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5 8.4.6 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.5.5 8.5.6 8.6 8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.6.4 8.6.5 8.6.6 8.7 Gesamtskala…………………………………………………………………..90 Fremdbeurteilungsbögen – Elternurteil (S-SELBST-E2M) Selbstwertprobleme…………………………………………………………..92 Beziehungsprobleme…………………………………………………………93 Leistungsprobleme…………………………………………………………...94 Angst und Somatisierung……………………………………………………95 Schulbesuchsprobleme………………………………………………………96 Gesamtskala…………………………………………………………………..97 Prozent der Auffälligen – Jugendlichenurteil Selbstwertprobleme…………………………………………………………..99 Beziehungsprobleme……………………………………………………….100 Leistungsprobleme………………………………………………………….101 Angst und Somatisierung…………………………………………………..102 Schulbesuchsprobleme…………………………………………………….103 Gesamtskala…………………………………………………………………104 Prozent der Auffälligen - Elternurteil Selbstwertprobleme…………………………………………………………105 Beziehungsprobleme……………………………………………………….106 Leistungsprobleme………………………………………………………….107 Angst und Somatisierung…………………………………………………..108 Schulbesuchsprobleme…………………………………………………….109 Gesamtskala…………………………………………………………………110 Anzahl der belastenden und erleichternden Ereignisse nach Entlassung……….…………………………………………………………..111 9. Diskussion ……………….……………………………………………………..112 10. Zusammenfassung…………………………………………………………...117 11. Literaturverzeichnis………………………………………………………….119 12. Anhang………………………………………………………………………….131 7 1. Einleitung: In der vorliegenden Arbeit wird eine umfassende Untersuchung zur Prüfung der Langzeitstabilität von Jugendlichen mit emotional bedingtem Schulabsentismus nach stationärer Kurzzeittherapie durchgeführt. Etwa 95% aller Schüler in Deutschland gelingt ein regelmäßiger Schulbesuch, wie er vom Gesetz vorgeschrieben ist. Ungefähr 5% aller schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen in Deutschland zählen zu den Schulverweigerern (Buhse & Fileccia, 2003). Häufigkeitsspitzen finden sich zum Zeitpunkt der Einschulung und Umschulung, eine erneute Zunahme zeichnet sich zwischen dem 13. und 17. Lebensjahr ab. In Köln sind v.a. die Hauptschulen von dem Problem, dass die Kinder und Jugendlichen dem Unterricht fernbleiben, betroffen. 14,7% der Hauptschüler bleiben der Schule fern, gefolgt von den Sonderschülern mit 12,8%. Bei den Realschülern sind es noch 6,1% und am Ende der Liste stehen die Gymnasiasten mit 4,7%. Die Schulverweigerer lassen sich am ehesten in zwei Gruppen aufteilen: zum einen in die Gruppe der vorwiegend emotional bedingten Schulverweigerer, die z. B. aufgrund einer sozialen Phobie oder einer depressiven Verstimmung der Schule fern bleiben, zum anderen in die Gruppe der dissozial bedingten sogenannten „Schulschwänzern“ (Jans & Warnke, 2004). Die Übergänge sind jedoch fließend, die Gründe vielfältig und häufig liegt eine Kombination von beiden Formen des Schulabsentismus vor (Egger, Costello & Angold, 2003). Bei den Jugendlichen, die in die vorliegende Studie eingeschlossen wurden, stehen die emotionalen Störungen im Vordergrund. Je nach Schweregrad der Problematik kommt es bei diesen zu langen Phasen des kompletten Schulabsentismus (King & Bernstein, 2001), was mit erheblichen negativen Konsequenzen für die psychosoziale Entwicklung der Jugendlichen verbunden ist und ebenfalls eine deutliche Belastungssituation für alle Beteiligten 8 (Jugendliche, Familie, Lehrer, Freunde) darstellt. Häufig kommt es zu verminderten schulischen Leistungen, Familienproblemen und Schwierigkeiten in der Beziehung zu Gleichaltrigen (Las & Strauss, 1990; Naylor, Staskowski, Kenney & King, 1994). Einige Forscher schätzen, dass etwa die Hälfte der Schüler mit Schulabsentismus niedrige schulische Abschlüsse hat (Chazan, 1962), seltener höhere Bildungseinrichtungen besucht, soziale Schwierigkeiten entwickelt und ein erhöhtes Risiko für psychische Auffälligkeiten aufweist (Buitelaar, van Abdel, Duyx & van Strien, 1994; Flakierska-Praquin, Lindström & Gilberg, 1997; Kearney & Albano, 2000a). Emotional bedingter Schulabsentismus bedarf einer zügigen professionellen Behandlung, um einer Chronifizierung der Problematik und einer Gefährdung der psychosozialen Entwicklung der betroffenen Schüler entgegenzuwirken (Elliott, 1999). Eine stationäre Behandlung ist dann indiziert, wenn durch einen ambulanten Behandlungsversuch weder die Wiederherstellung des Schulbesuchs noch eine Verminderung der emotionalen Belastung erzielt werden kann (Lauchlan, 2003). Oftmals ist es für die Jugendlichen ohne Abschluss schwierig eine Ausbildungsstelle zu finden, ohne die sie am Ende bei der Suche nach einer stabilen Erwerbstätigkeit wiederum benachteiligt sind (Reißig, 2001). Dadurch wird nicht nur die berufliche, sondern auch die soziale Entwicklung der Jugendlichen behindert (King & Bernstein, 2001). Verlieren die Schüler durch das Fernbleiben von der Schule den sozialen Kontakt zu Mitschülern, verlieren sie auch den Kontakt zu Gleichaltrigen, was wiederum zur sozialen Isolation führen kann (Last & Strauss, 1990; King & Bernstein, 2001). Die Jugendlichen der vorliegenden Studie und deren Bezugspersonen werden im Rahmen der stationären Behandlung intensiv und hochfrequent mit kognitivverhaltenstherapeutischen Intrerventionen behandelt. Bei der Beurteilung des stationären Behandlungserfolges sind der regelmäßige Schulbesuch, die Reduktion von ängstlichen und depressiven Symptomen sowie die Stabilität der erhofften positiven Veränderungen über einen Zeitraum von ca. neun Monaten entscheidende Kriterien. 9 Die Daten entstammen speziellen Selbst (Patienten)- und Fremd (Eltern, Lehrer, Therapeuten und Pflegepersonal)- Beurteilungsbögen, mit deren Hilfe es möglich ist, sich ein differenziert klinisches Urteil zu bilden. Die Fragebögen wurden zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme erhoben (Prae-Messung), des weiteren gab es eine Verlaufsdiagnostik während des Aufenthalts, eine Abschlusserhebung bei Entlassung (Post-Messung), sowie poststationäre Katamnesen, die jeweils mindestens zwei (K1) bzw. ca. neun Monate (K2) nach Entlassung der Jugendlichen erhoben wurden. Die in die Studie eingeschlossenen Jugendlichen sind im Alter zwischen 12 und 18 Jahren. Zu den beobachteten Depressive emotionalen Störungen, Leistungs- Störungen und gehören Angststörungen, Konzentrationsstörungen sowie Störungen des Sozialverhaltens. Das Patientenkollektiv wird durch 47 Patienten gebildet, die folgende Kriterien erfüllen: es handelt sich um Schulverweigerer, d.h. Patienten, die entweder mindestens die letzten zwei Wochen vor Aufnahme nicht mehr in der Schule waren oder mindestens 50 Fehlstunden auf dem letzten Zeugnis hatten. 10 2. Theoretischer und empirischer Hintergrund 2.1 Definition von emotional bedingtem Schulabsentismus Der Ausdruck Schulabsentismus lässt sich durch den Begriff Schuleschwänzen relativ gut beschreiben, ein Begriff, den man schon seit Einführung der Schulpflicht so kennt (Ricking, 2003). Das etymologische Lexikon des Dudens besagt, dass der Begriff schon im 16. Jahrhundert im Sinne von „herumschlendern“ verwendet wurde. Rund zwei Jahrhunderte später wurde der Begriff unter Studenten gebräuchlich, die eine Vorlesung versäumten. Bis Anfang des 19. Jh. wurden Kinder, die die Schule schwänzten als ungehorsam bezeichnet oder es wurde ihnen ein Instinkt geleiteter Wandertrieb unterstellt (Stier, 1913; Hanselmann, 1932). In der Fachliteratur wird der Begriff Schulabsentismus heute zum Teil gleichbedeutend mit Begriffen wie Schuleschwänzen, Schulversäumnis, Schulverweigerung und Schulmüdigkeit verwendet. Dabei wird nach dem zeitlichen Umfang der Abwesenheit, der Intensität der Abwesenheit von der Schule, dem Grad der Verinnerlichung der Handlungsform, dem Umfang der Mitwissenden und der vorrangigen Art der Intervention unterschieden (Ricking, 2003). Der Begriff „Schulabsentismus“ beschreibt in der vorliegenden Arbeit ganz neutral das Fernbleiben eines Schülers von der Schule, ohne dabei Annahmen über Gründe zu machen oder willentliche Entscheidungen des Jugendlichen zu implizieren (Döpfner & Walter, 2006). Durch den Zusatz „emotional bedingt“ wird der Begriff spezifiziert, das heißt, dass emotionale Beeinträchtigungen des Schülers oder emotionaler Stress, der mit der Schule verbunden wird, eine wichtige Rolle spielen. Klinisch-psychiatrische Diagnosen, die im Zusammenhang mit emotional bedingtem Schulabsentismus auftreten können, sind Ängste, Depressionen, Anpassungsstörungen, aber auch kombiniert introversive und expansive Störungen (Egger et al., 2003). 11 2.2 Allgemeine Methoden zur Erfassung und Klassifizierung emotionaler Störungen Im folgenden Kapitel werden allgemeine Methoden beschrieben, die zur Erfassung emotionaler Störungen dienen und auch in der vorliegen Studie zum Einsatz kamen. Die Erfassung von emotionalen Störungen geschieht meist über die Erhebung von Daten z.B. im Interview, über Fragebögen oder auch durch Verhaltensbeobachtung. 2.2.1 L-Daten, Q-Daten und T-Daten In der Regel werden laut einer Aufteilung von Cattell (1966) drei Datenarten unterschieden: Erstens L-Daten (life record), bei denen es sich um biographische Merkmale und Fremdbeurteilungen handelt. Zweitens Q-Daten (questionnaire), die in Form von Persönlichkeitsfragebögen erhoben werden mit Hilfe von Selbstauskünften der Probanden über ihre alltäglichen Verhaltensweisen, Erfahrungen und psychischen Zustände. Man spricht hierbei auch von subjektiven Persönlichkeitstests (Jäger, 1988). An dritter Stelle sind noch die TDaten (test) zu erwähnen. Dabei handelt es sich um Daten aus objektiven Tests, die unmittelbare situationsbezogene Messungen darstellen. Hierzu zählt man auch die Leistungs-, Intelligenz- und psychophysiologischen Testdaten. Die Erfassung von Persönlichkeitsdaten erfolgt z.B. meistens mit Fragebogeninventaren, bei denen Q- und T-Daten erfasst werden (Jäger, 1988). 2.2.2 Biographische Daten „Informationen, Ausschnitten die oder über die insgesamt Lebensgeschichte eines Auskunft bezeichnet geben“ Individuums man in als biographische Daten (Jäger, 1988). Hierbei geht es einerseits um Fakten, wie zum Beispiel Alter, Schulbildung, Beruf, Anzahl der Kinder, Anzahl der Geschwister, Familienstand. Andererseits um die medizinische Vorgeschichte (Krankheiten, Behandlungen, Therapien) sowie um Erlebnisse aus der Lebensgeschichte. 12 2.2.3 Das psychologische Interview Ein psychologisches Interview ist „eine zielgerichtete mündliche Kommunikation zwischen einem oder mehreren Befragern und einem oder mehreren Befragten, wobei eine Informationssammlung über das Verhalten und Erleben der zu befragenden Person(en) im Vordergrund steht“ (Jäger, 1988). Es dient einem bestimmten Zweck und ist auf den vorher festgelegten Befragungsgegenstand begrenzt. Interviewdaten sind Daten aus der sprachlichen Kommunikation, wie Inhalt, Art der Sprache und nonverbale Anteile. 2.2.4. Leistungsdaten Leistungsdaten im engeren Sinne sind Daten, die mit psychodiagnostischen (Leistungs-) Tests erhoben werden (Jäger, 1988). Es werden fünf Klassen von Leistungstests unterschieden: Entwicklungstests, Intelligenztests, allgemeine Leistungstests, Schultests sowie spezielle Funktionsprüfungs- und Eignungstests. Als Intelligenzdaten können Testdaten, Schulbildungsabschluss, Schul- und Berufsleistungen, sprachliche Gewandtheit und Wortschatz, Bewältigung von Alltagsproblemen u. a. betrachtet werden (Fissseni, 1990; Jäger, 1988). 2.3 Schulabsentismus und psychische Störungen Laut Jans & Warnke (2004) kann Schulabsentismus Folge oder Symptom einer psychischen Störung sein. Bei der Untersuchung einer nicht-klinischen Studie mit N = 100 Schulverweigerern kamen Bools, Foster, Braun und Berg (1990) zu dem Ergebnis, dass 50% dieser Schüler die Kriterien für eine klinisch-psychiatrische Diagnose erfüllten. 9% zeigten sowohl Anteile des angstbedingten Schulabsentismus als auch des dissozialen Schuleschwänzens, 11% zeigten Störungen im Sozialverhalten, 22% erfüllten die Kriterien für eine Diagnose aus dem emotionalen Störungsspektrum und 33% wiesen eine kombinierte expansive und introversive Störung auf. 13 In der Great Smoky Mountains Studie (N = 1422) waren Schüler mit einem gemischten Profil aus schuleschwänzendem Verhalten und angstbedingter Schulverweigerung am stärksten psychisch beeinträchtigt (Egger et al., 2003). Die Trennung der Schulverweigerer in die beiden Gruppen „angstbedingt“ und „dissozial“ hat durchaus seine Berechtigung (Egger et al., 2003; Bools et al., 1990). Es zeigt sich aber auch, dass es eine Vielzahl von Schülern gibt, die beide Anteile in sich vereinen. Diese zeigen sich psychisch besonders stark beeinträchtigt (Egger et al., 2003). Am häufigsten finden sich im Zusammenhang mit Schulabsentismus Angststörungen, depressive Störungen, aber auch Störungen aus dem expansiven Formenkreis sowie kombinierte Störungen. 2.4 Funktionale Analyse des Schulabsentismus Seit den 90ern ist das Ziel einer Forschergruppe um Kearney, die Funktion des Schulabsentismus zu beschreiben. Laut Kearney & Silverman (1993) gibt es vier Funktionen, die der Schulabsentismus für einen Schüler haben kann. Zum einen das Vermeiden negativer Affekte (z.B. die Schultoilette, das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln usw.), zum andern das Vermeiden aversiver sozialer Situationen oder Prüfungssituationen (z.B. Mobbing durch Mitschüler, Klassenarbeiten usw.). Diese beiden Funktionen werden durch eine negative Verstärkung aufrechterhalten. Dagegen werden das Aufmerksamkeit suchende Verhalten (z.B. ein Wutanfall) und das Aufsuchen von angenehmen Situationen außerhalb der Schule (z. B. Fernsehen, Computer, Sport usw.) durch das Prinzip der positiven Verstärkung aufrechterhalten. Es zeigte sich, dass viele Schüler ein gemischt funktionales Profil des Schulabsentismus aufweisen. So bleiben sie beispielsweise der Schule fern, um aversive Stimuli zu meiden, doch können die positiv verstärkenden 14 Bedingungen des Fernbleibens ebenfalls zu Funktionen des Schulabsentismus werden (Kearney & Albano, 2004). 2.5 Schulabsentismus als multifaktoriell bedingtes Problem Zu den wichtigen psychopathologischen Faktoren im Bereich des Schulabsentismus zählen Döpfner & Walter (2006) depressiv-apathische Tendenzen, Leistungsängste, soziale Ängste, Trennungsängste und Panikstörungen sowie dissoziale Tendenzen. Zusätzlich nehmen Faktoren, wie schulische Überforderung, Störungen im Lern- und Arbeitsverhalten, die Bedingungen der Schule und des sozialen Umfeldes einen großen Einfluss auf das Ausmaß des Schulabsentismus. Aufgrund der Vielfalt an Faktoren, die im Rahmen des Schulabsentismus eine Rolle spielen können, muss vor jeder Behandlung eine umfassende Diagnostik stehen. Hierbei sollten Kind bezogene, familiäre und Schul bezogene Faktoren, sowie ihre Wechselwirkung exploriert werden, um eine individuell ausgerichtete Therapie zu planen (Döpfner & Walter, 2006; Elliott, 1999). 2.6 Allgemeine Therapieprinzipien von emotional bedingtem Schulabsentismus Man kann sagen, dass das wichtigste einer guten Therapie die umfassende Diagnostik des Schülers und seines Umfeldes im Vorfeld der Behandlung ist. Zur Therapie des Schulabsentismus ist eine umfassende Intelligenzdiagnostik notwendig, um gleich zu Beginn eine schulische Überforderung des Schülers auszuschließen (Döpfner & Walter, 2006). Weitere grundlegende Therapieprinzipien wurden von Elliot (1999) formuliert. Zum einen eine möglichst rasche Rückführung in die Schule, um die Vermeidungshaltung des Schülers zu beenden zum anderen die Vermeidung von Krankschreibungen, Hausbeschulungen, 15 Mutter-Kind-Kuren oder ähnlichem. Des weiteren eine engmaschige Zusammenarbeit der an der Behandlung beteiligten Personen und Institutionen (Psychiater, Therapeuten, Lehrer, Jugendhilfe etc.) sowie die Psychoedukation der Eltern, ein individuelles Behandlungskonzept und die Integration von kognitiven, verhaltenstherapeutischen und je nach Indikation auch eine pharmakologische Behandlung. Ebenso muss an ein Behandlungskonzept bei Rückfällen gedacht werden. Im deutschen Sprachraum sind bisher evidenzbasierte Richtlinien erarbeitet worden für die Diagnostik und Therapie von Angststörungen (Blanz, 2007). Wobei Manifestationen von unrealistischer bzw. übermäßig ausgeprägter Angst die Hauptsymptomatik darstellen. Die störungsspezifische Diagnostik beruht auf der Exploration des Kindes, der Bezugspersonen und der Beobachtung, z.B auch innerhalb der Familie. Entwicklungsgeschichte, Dabei sollen psychiatrische die störungsspezifische Begleitstörungen und störungsrelevante Rahmenbedingungen eploriert werden. Unabdingbar sind auch Apparative-, Labor- und Testdiagnostik, z.B. mit Hilfe von Fragebögen. Eine weitergehende somatische Abklärung ist unablässlich zum Ausschluss einer organischen Angststörung oder einer substanzbedingten Störung. Daraufhin sollten die Leitsymptome und deren Anzahl identifiziert werden. Das Vorliegen einer Angststörung muss positiv, nicht nur durch Ausschluss einer somatischen Erkrankung belegt sein. Wichtig ist auch die Exploration des Grades der Ausprägung der Angstsymptomatik, der Dauer und die Frage nach Begleitstörungen. Ebenso ist es notwendig weitere Symptome und Belastungen zu identifizieren, wie z.B. umschrieben Entwicklungsstörungen, eine ausgeprägte Intelligenzminderung, Angst auslösende Ereignisse und in wieweit die Symptomatik die Funktionen in der Familie, in der Schule oder im Sozialkontakt beeinträchtigt. Kontrollierte Studien, die die Wirksamkeit von Psychotherapie in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen belegen, liegen bisher nur für die kognitive Verhaltenstherapie vor, teilweise in Kombination mit Familientherapie. Für trizyklische Antidepressiva zeigten sich in klinischen Studien keine ausreichenden Effekte, während die Wirksamkeit von selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRIs) im Kindes- und Jugendalter Trennungsangststörungen belegt ist. 16 bei generaliesierten- und 2.7 Studien zur kognitiven Verhaltenstherapie Von Kearney & Albano wurde 2000 ein erstes kognitiv- verhaltenstherapeutisches Manual für Schüler mit schulabsentem Verhalten veröffentlicht. Die Wirksamkeit des Therapiemanuals konnte in Einzelfallstudien nachgewiesen werden (Chorpita, Albano, Heimberg & Barlow, 1996; Kearney, Pursell & Alvarez, 2001; Moffitt, Chorpita & Fernandez, 2003). Je nach der dem Schulabsentismus zugrunde liegenden Funktion empfehlen sie spezifische Therapiebausteine aus dem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Bereich (Kearney und Albano, 2000a, b; vgl. auch Kearney et al. 2001). Wenn beispielsweise die patientenzentriertes Angst im Vorgehen, Vordergrund steht, Psychoedukation, empfehlen das sie Aufstellen ein einer Angsthierarchie, Entspannungstraining und Atemtraining, graduelle in-sensu und in-vivo Konfrontation mit den angstauslösenden Stimuli, Selbstverstärkung, kognitive Umstrukturierung, Modelllernen und Rollenspielen. Ein elternzentriertes Vorgehen mit dem Ziel, eine klare Tagesstruktur für das Kind bzw. den Jugendlichen zu schaffen sowie die Einführung eines Regelsystems mit klar formulierten Konsequenzen für erwünschtes und unerwünschtes Verhalten wird empfohlen, wenn der Schüler der Schule fern bleibt, um Aufmerksamkeit von wichtigen Bezugspersonen zu erhalten (Kearney et al., 2001). Ein familienzentriertes Vorgehen ist indiziert, wenn der Schüler während der Unterrichtszeit positiv verstärkende Situationen außerhalb der Schule aufsuchen möchte (Kearney et al., 2001). Hierbei spielen Verhaltensverträge mit klar formulierten positiven wie negativen Konsequenzen eine wichtige Rolle. 2.8 Behandlungsmanuale je nach Psychopathologie Folgende Beispiele für Interventionen aus dem Bereich der Verhaltenstherapie und der kognitiven Therapie würden sich je nach individuell diagnostizierter Psychopathologie zur Behandlung von emotional bedingtem Schulabsentismus 17 eignen (Döpfner & Walter, 2006). Detaillierte Informationen zu den einzelnen Therapieprogrammen finden sich in den jeweiligen Manualen. 2.8.1 Depressiv-apathische Tendenzen Emotional bedingte Schulverweigerer haben häufig ein sehr geringes Selbstbewusstsein und eine negative Sicht auf ihre Zukunft. Döpfner und Walter (2006) empfehlen in diesem Fall Interventionen, die die Schüler aktivieren und ihnen Erfolgserlebnisse ermöglichen. Das Therapieprogramm für Jugendliche mit Selbstwert-, Leistungs- und Beziehungsstörungen (SELBST, Walter, Rademacher, Schürmann & Döpfner, 2006) ist speziell für Jugendliche und ihre Problematiken entwickelt worden und bietet eine Reihe von Selbstwert stärkenden Interventionen an. Ein deutschsprachiges Manual zur Behandlung depressiver Kinder und Jugendlicher liegt von Harrington (2001) vor. Es umfasst u. a. Interventionseinheiten zur Selbstverstärkung, dem Aufbau von Aktivitäten sowie der kognitiven Umstrukturierung. Gruppenprogramme zur Behandlung depressiver Jugendlicher liegen von Ihle und Herrle (2003a, b) vor. 2.8.2 Trennungsängste, generalisierte Ängste, soziale Ängste, Leistungsängste und spezifische Phobien Im Bereich der Angstbehandlung im Kindes- und Jugendalter stellen kognitivverhaltenstherapeutische Behandlungsansätze derzeit die bestevaluierte Methode dar (Ihle et al., 2003). Empirisch validierte Behandlungsmanuale sind nach Schneider und Döpfner (2004) im Bereich der spezifischen Phobien, der Trennungsangst und der generalisierten Angststörung das „Coping CatProgramm" von Kendall (2000) und Kendall, Choudhury, Hudson und Webb (2002) sowie das „FREENDS-Programm" von Barrett, Webster und Turner (2000) und das „Cool Kids-Programm" von Lyneham, Abbott, Wignall und Rapee (2003). Im Bereich der Sozialen Phobien zeigen die Behandlungsmanuale von Petermann und Petermann (2003) sowie Joormann und Unnewehr (2002) gute Erfolge (Schneider & Döpfner, 2004). Zur Behandlung von Leistungsängsten liegt ein Behandlungsmanual von SuhrDachs und Döpfner (2005) vor. 18 2.8.3 Dissoziale Tendenzen Schüler mit emotional bedingtem Schulabsentismus zeigen zum Teil auch dissoziale Verhaltenstendenzen (Egger et al., 2003). Döpfner und Walter (2006) empfehlen hier insbesondere für die Therapie mit Jugendlichen den Selbstmanagementansatz, wie er im Therapieprogramm für Jugendliche mit Selbstwert-, Leistungs- und Beziehungsstörungen (SELBST, Walter et al., 2006) umgesetzt ist. Eine Übersicht über weitere Interventionen bei generell aggressiv-dissozialem Verhalten findet sich bei Petermann, Döpfner und Schmidt (2001). 2.9 Therapiesetting: ambulante und stationäre Behandlung Die Angemessenheit Jugendlichen mit einer stationären emotional bedingtem Behandlung von Schulabsentismus Kindern wird und kritisch diskutiert. Es besteht Einigkeit darüber, dass eine stationäre Aufnahme immer erst dann erfolgen sollte, wenn alle ambulanten Behandlungsansätze gescheitert sind (Lauchlan, 2003; Schneider & Döpfner, 2004). In empirischen Studien, in denen ambulant behandelte Schulverweigerer mit stationär behandelten Schulverweigerern verglichen werden, zeigte sich, dass die stationär behandelten Patienten in der Regel psychisch stärker beeinträchtigt sind als die ambulant behandelten Patienten. Sie weisen signifikant häufiger depressive Störungen und komorbide Störungsbilder sowie generell stärker ausgeprägte Symptome auf (McShane et al., 2001; Borchardt, Giesler, Bernstein & Crosby, 1994). Weiss und Cain (1964) sehen bei Kindern und Jugendlichen mit einer starken Chronifizierung der Problematik, einer sehr lang andauernden Schulabwesenheit und einer sehr starken psychischen Beeinträchtigung sowie einem hohen Grad an sozialer Isolation eine Notwendigkeit zu einer stationären Behandlung. Eine stationäre Therapie ist immer dann indiziert, wenn mit Hilfe einer ambulanten Therapie keine Wiederaufnahme 19 des Schulbesuchs wiederhergestellt werden kann. Dabei sollte eine stationäre Behandlung immer eine enge Einbindung der Bezugspersonen vorsehen und es sollte eine direkt nach der Entlassung einsetzende ambulante Weiterbehandlung sichergestellt sein (Schneider & Döpfner, 2004). 2.10 Stand der Therapieforschung bei der Behandlung von emotional bedingtem Schulabsentismus Auch heute noch stellt der Schulabsentismus ein im Jugendalter leider immer öfter auftretendes multikausales Problem mit vielfältigen Bedingungsfaktoren dar. Es handelt sich um eine ausgesprochen ernstzunehmende Situation, da die Schulverweigerung als Signal dafür zu werten ist, dass der Schüler, bzw. dessen Umfeld und Bezugspersonen, ernsthafte Schwierigkeiten haben, die den Schüler daran hindert, selbst grundlegende Entwicklungsaufgaben in unserer Gesellschaft, wie den regelmäßigen Schulbesuch, zu erfüllen (Döpfner & Walter, 2005). Durch lange andauernde Schulverweigerung wird die weitere Entwicklung des Jugendlichen durch die damit verbundenen schulischen Defizite erheblich beeinträchtigt und es folgen fehlende Schulabschlüsse, sowie die Unfähigkeit des Schülers grundlegende Arbeitshaltungen und Arbeitsfertigkeiten für eine erfolgreiche Berufstätigkeit zu erwerben und zu festigen (Döpfner & Walter, 2005). Andere betonen sogar, dass es immer schwerer wird, Schüler wieder in die Schule zurückzuführen, je länger die Schulabwesenheit andauert (Glaser, 1959). In der kinderpsychiatrischen Literatur dominiert seit langem die Unterscheidung zwischen dem dissozialen Schuleschwänzen, das meist im Rahmen einer Störung des Sozialverhaltens, also einer aggressiv-dissozialen Verhaltensstörung auftritt und der Schulverweigerung im engeren Sinne, die im wesentlichen durch Ängste bedingt sind (Steinhausen, 2002; Döpfner, 2000). Im internationalen Vergleich wurden in der 1997 veröffentlichten Publikation des „International Association for the Evaluation of Educational Achievement“ (IEA), in der TIMSS-Studie (Third International Mathematics and Science Studie) 130.565 SchülerInnen der 4., 8. und 12. Jahrgangsstufe aus 41 Nationen hinsichtlich der Schulabstinenz miteinender verglichen. Mit ca. 5% 20 entspricht die Abstinenzrate in Deutschland dem internationalen Mittelwert. Im Vergleich zu den USA sind im europäischen Raum nur wenige Studien zu finden. Die „Truancy Case Study 1996-1997“ des Washington State Institute for Public Policy (Burley/Harding1998) unterteilt die Ursachen der Abwesenheit in drei Kategorien: persönliche Eigenschaften, familiäre Hintergründe und schulische Faktoren. Zu den persönlichen Eigenschaften werden ein geringes Selbstvertrauen in schulische Leistungen, eine niedrige Sozialkompetenz, die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit, gesundheitliche Probleme sowie Identifikationsprobleme mit der „Schulkultur“ gezählt. Als ungünstige familiäre Hintergründe sind Alkoholismus der Eltern, Misshandlungen innerhalb der Familie, intensive Betreuung anwesender Geschwister und ein geringes Interesse der Eltern am schulischen Werdegang anzusehen. Zu den schulischen Faktoren zählen v.a. die schulischen Ordnungsregeln, die Gestaltung des Stundenplans sowie die Kompetenzen der Lehrer. Ebenfalls zeigt sich eine enge positive Beziehung zwischen Schulabsentismus und deviantem Verhalten (z.B. Ladendiebstahl, Sachbeschädigung) sowie dem Auszug aus dem Elternhaus vor dem 18. Lebensjahr. Die erhöhte Komorbidität sowie die vielfältigen assoziierten Belastungen erfordern eine multiple Verhaltens- und Psychodiagnostik. Hieran sollten sich differenzielle Therapiemaßnahmen anschließen mit Schwerpunkt in der kognitiven Verhaltenstherapie sowie auch edukativen und supportiven Maßnahmen (Lehmkuhl, G., 2005). Die Einbeziehung psychopharmakologischer Strategien in die Psychotherapie gewinnt im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzeptes zunehmend an Bedeutung. Ein störungsspezifisches Vorgehen verlangt häufig die Kombination verschiedener psychotherapeutischer Methoden sowie medikamentöser Ansätze und geht dabei von einem synergistischen Effekt aus. In Anlehnung an Teusch und Gastpar (2000) soll an kinder- und jugendpsychiatrischen Störungsbildern überprüft werden, bei welchen Patienten und welcher Symptomatik der Einsatz welcher psychotherapeutischer Maßnahmen in Kombination mit welchen psychopharmakologischen Strategien sich in welchem Zeitraum als effektiv erwiesen hat. Die Kombinationsbehandlung hat sich insbesondere bei Angst und Zwangsstörungen, hyperkinetischen Störungen und depressiven Episoden in der klinischen Praxis bewährt, auch 21 wenn die empirische Evaluation zum Teil noch ungenügend ist. Bei kombinierten Behandlungen sind Fragen der Patienteninformation und Aufklärung mit ihren Auswirkungen auf die therapeutische Beziehung und Haltung besonders zu beachten. Die Notwendigkeit eines individuellen differenzierten Vorgehens unter Beachtung wichtiger Einflussfaktoren wie Krankheitsverlauf, psychosozialen Belastungen, Persönlichkeitsmerkmalen des Patienten u.a. wird herausgestellt (Lehmkuhl, G. 2005). 2.10.1 Ambulante Therapiestudien Die ambulante Therapiestudie von Kennedy (1965) zur Überprüfung der Wirksamkeit einer verhaltenstherapeutischen Behandlung bei Kindern mit einer Schulphobie (Schulabsentismus aufgrund von Trennungsangst) war eine der ersten in diesem Bereich. Er behandelte 50 Kinder (vorwiegend jünger als 12 Jahre) mit einer leichten, nicht chronifizierten Schulphobie. Die Kinder litten unter keinen zusätzlichen psychopathologischen Auffälligkeiten. Die Behandlung war stark elternzentriert und beinhaltete den sofortigen und erzwungenen Schulbesuch der Kinder, die positive Verstärkung des erfolgreichen Schulbesuchs durch die Eltern und ein Kontingenzmanagement im Umgang mit somatischen Beschwerden. Mit den betroffenen Schülern selbst wurden nur kurze Sitzungen durchgeführt, in denen das Modelllernen beim Umgang mit Ängsten eine wichtige Rolle spielte. Alle behandelten schulphobischen Kinder besuchten nach kurzer Zeit wieder regelmäßig die Schule. Dieser Erfolg konnte auch noch nach zwei und acht Jahren für alle Patienten nachgewiesen werden. Kennedys Vorgehen des erzwungenen Schulbesuchs in Kombination mit einem Elterntraining zeigte in dieser sehr jungen Stichprobe mit sehr kurzer Symptomdauer überzeugende Erfolge. Seine verwendete Expositionsmaßnahme des erzwungenen Schulbesuchs, auch „flooding" genannt, ist umstritten. Kennedy (1965) empfiehlt es in Fällen von erstmalig auftretendem schulverweigerndem Verhalten. King et al. (1998) untersuchten die Wirksamkeit einer ambulanten kognitivverhaltenstherapeutischen Therapie mit integriertem Eltern- und LehrerTraining für schulabsente Kinder und Jugendliche im Vergleich zu einer nichtbehandelten Kontrollgruppe. Die 34 Kinder und Jugendlichen der Stichprobe waren zwischen 5 und 15 Jahre alt und erhielten hauptsächlich klinische 22 Diagnosen aus dem Bereich der Angststörungen. Jeweils ein Patient erhielt als klinische Diagnose eine Zwangsstörung und eine depressive Störung. 26% der Patienten der Stichprobe von King et al. (1998) litten unter komorbiden Störungsbildern. 15% erhielten keine klinische Diagnose. 29% der Patienten hatten den Schulbesuch zu Beginn der Behandlung komplett eingestellt. 50% zeigten einen unregelmäßigen Schulbesuch und 21% besuchten die Schule regelmäßig, jedoch mit großen Widerständen. Die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung erstreckte sich über vier Wochen und umfasste sechs Einzelsitzungen mit den Kindern und Jugendlichen und fünf Sitzungen mit den Eltern. Die Lehrer der Patienten wurden durch ein persönliches Gespräch und telefonische Beratungen in die Behandlung integriert. Die Kinder und Jugendlichen der Kontrollbedingung wurden vier Wochen lang nicht behandelt (King et al., 1998). King et al (1998) entwickelten für die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung ein Manual, das an die Arbeiten von Kendall (1994; Kendall et al., 2000) zur Therapie von Kindern mit Angststörungen angelehnt ist. Das Behandlungsprogramm umfasste folgende Therapiebausteine: Identifizierung angstauslösender Situationen, individuelle Zielplanung mit dem Patienten, Training von Bewältigungsstrategien, Erlernen einer Entspannungsmethode, das Erkennen von dysfunktionalen, angstfördernden Gedanken und die Einübung von Selbstverstärkung anschließenden Sitzungen mit angstreduzierenden sowie in-vivo das Gedanken, Aufstellen Expositionen. Psychoedukation Das und Selbstbeobachtung einer Angsthierarchie und mit Elterntraining umfasste fünf der Einführung in das Kontingenzmanagement. Nach der Behandlung gelang es 88% der Patienten, die kognitiv- verhaltenstherapeutisch behandelt wurden, bei 90% der Unterrichtszeit anwesend zu sein. Zur Katamnesen-Messung nach drei Monaten besuchten noch 82% der Schüler regelmäßig die Schule. Von den Schülern der Kontrollgruppe schafften es zur Post-Messung 29%, einen AnwesenheitsProzentsatz von 90% zu erreichen. Den Patienten der Kontrollgruppe wurde aus ethischen Gründen im Anschluss an die Post-Messung eine therapeutische 23 Behandlung angeboten, so dass von ihnen keine Daten zur KatamnesenMessung vorliegen. Die Patienten, die kognitiv-verhaltenstherapeutisch behandelt worden waren, berichteten nach der Therapie von signifikant weniger Ängsten, Depressionen und besseren Bewältigungsstrategien in angstbesetzten Schulsituationen als zur Prä-Messung und als die Kinder der Kontrollgruppe. Auch die Eltern der behandelten Kinder berichteten von signifikant weniger internalisierendem Problemverhalten ihrer Kinder als vor Beginn der Therapie und als die Eltern der Kontrollgruppe. Die positive Entwicklung zeigte sich auch im klinischen Urteil der Therapeuten, die globale psychische, soziale und schulische Funktionen vor und nach der Therapie einschätzten. Ein Kritikpunkt an der Untersuchung von King et al. (1998) ist, dass sich die Schüler der Wartekontrollgruppe hinsichtlich der Schwere ihres Schulabsentismus von den Schülern der Therapiegruppe vor der Behandlung unterschieden. Die mittlere schulische Anwesenheitsrate vor der Behandlung lag bei den Schülern der Therapiegruppe bei 62%, und bei den Schülern der Kontrollgruppe bei 40%. Somit zeigten die Schüler der Wartekontrollgruppe eine geringere schulische Anwesenheit zu Beginn der Behandlung und somit eine stärker ausgeprägte Schulabsentismusproblematik. Dies schränkt die berichteten Ergebnisse von King et al. (1998) ein. Ein weiterer kritischer Punkt in der Studie von King et al. (1998) ist die geringe Stichprobengröße in den beiden Untersuchungsbedingungen (N = 17). Die von King et al. (1998) berichteten Therapieeffekte können aufgrund einer fehlenden „Placebo-Therapie-Kontrollgruppe" nicht sicher auf die spezifischen Komponenten der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapie zurückgeführt werden, da sie auch durch die unspezifischen Wirkmechanismen jeder Art therapeutischer Intervention entstanden sein könnten (Aufmerksamkeit und Zugewandtheit des Therapeuten, Glaube an die Wirksamkeit der Therapie, etc.). Last et al. (1998) untersuchten die Wirksamkeit einer 12-wöchigen ambulanten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapie im Vergleich zu einer 12-wöchigen ambulanten „Placebo"-Therapie (eine pädagogisch-unterstützende Therapie 24 ohne Komponenten aus dem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Spektrum). Sie untersuchten 56 Schüler im Alter von 6-17 Jahren mit ausschließlich ängstlicher Schulverweigerung. Schüler mit depressiver Störung wurden aus der Stichprobe ausgeschlossen. 53% der Schüler litten unter mehr als einer Angststörung. Alle Patienten der Stichprobe hatten einen Monat vor Behandlungsbeginn mindestens 10% aller Unterrichtsstunden versäumt. Die in dieser Studie verwendete kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapie für ängstliche Schulverweigerer wurde von Last entwickelt (unveröffentlicht). Die wichtigsten Komponenten des Therapieprogramms waren die graduierte in-vivo Exposition mit einer individualisierten Angst- und Vermeidungshierarchie und ein kognitives Selbstinstruktionstraining. Die pädagogisch-unterstützende Therapie stellte eine Kombination aus Psychoedukation und unterstützender Psychotherapie dar. Die Patienten wurden hierbei angeregt, über ihre Ängste zu sprechen. Sie wurden jedoch nicht ermutigt, wieder in die Schule zu gehen oder sich mit angstbesetzten Situationen auseinander zu setzen. Nach der Behandlung gelang es 65% der Patienten der kognitiv- verhaltenstherapeutischen Behandlungsgruppe und 48% der Patienten der pädagogischunterstützenden Behandlungsgruppe bei 95% aller Unterrichtsstunden anwesend zu sein. Es zeigten sich, entgegen der Erwartungen von Last et al. (1998), keine signifikanten Unterschiede in der Wirksamkeit der beiden Therapiebedingungen. Zur ersten Katamnesen-Messung, einen Monat nach Beendigung der Therapie, konnten 71% der behandelten Patienten von Last et al. (1998) nachbefragt werden. 65% der Patienten, die kognitiv-verhaltenstherapeutisch behandelt worden waren, konnten ihren regelmäßigen Schulbesuch einen Monat nach der Behandlung beibehalten oder noch steigern. Von den Patienten, die mit der pädagogisch-unterstützenden Therapie behandelt worden waren, konnten einen Monat nach der Behandlung 40% der Patienten ihre Erfolge im Schulbesuch stabilisieren oder erneut steigern. Trotz der tendenziellen Überlegenheit der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapie zur Katamnesen-Messung konnten statistisch keine überzufälligen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden. 25 Die selbst berichteten ängstlichen und depressiven Symptome der Patienten beider Behandlungsgruppen gingen im Verlauf der Behandlung signifikant zurück (Last et al., 1998). 65% der kognitiv-verhaltenstherapeutisch behandelten Patienten und 50% der pädagogisch-unterstützend behandelten Patienten erfüllten zum Ende der Therapie nicht mehr die Kriterien für eine Diagnose aus dem Bereich der Angststörungen. Über die Stabilität des Rückgangs der depressiven und ängstlichen Symptome zur KatamnesenMessung, einen Monat nach der Behandlung, liegen keine Informationen vor. Kritisch anzumerken bei der Studie von Last et al. (1998) ist, dass es nicht ausgeschlossen werden kann, dass die berichteten Stabilitäten bezüglich des regelmäßigen Schulbesuchs einen Monat nach der Behandlung überschätzt wurden, da knapp 30% der behandelten Patienten nicht nachbefragt werden konnten. Heyne et al. (2002) gingen der Frage nach, ob die kognitiv- verhaltenstherapeutische Therapie bei emotional bedingtem Schulabsentismus nachweislich wirksamer ist, wenn die Bezugspersonen der Patienten stark in die Behandlung einbezogen werden oder ob dieser therapeutische Mehraufwand empirisch nicht zu rechtfertigen ist. Sie wiesen 61 Kinder und Jugendliche mit ängstlichem Schulabsentismus im Alter von 7-14 Jahren randomisiert drei Behandlungsbedingungen zu. Die erste Gruppe von Patienten erhielt eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Therapie mit hoher Einbindung der Eltern und Lehrer. Die zweite Gruppe von Patienten wurde mit einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Einzeltherapie behandelt. Die Patienten der dritten Behandlungsgruppe erhielten selber keine Therapie, ihre Eltern und Lehrer hingegen ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Training. Alle drei Behandlungsgruppen wurden ambulant über vier Wochen behandelt. Zum Einsatz kam eine leichte Modifizierung des 1998 von King und Kollegen entwickelten Behandlungsmanuals. Alle Patienten der Stichprobe von Heyne et al. (2002) erfüllten die Symptome einer Angststörung. Unter komorbiden Störungsbildern litten 39% der Patienten. Schüler mit einer Störung des Sozialverhaltens wurden nicht in die Studie aufgenommen. 64% der Patienten der Stichprobe hatten ihren Schulbesuch in den zwei Wochen vor der Behandlung komplett eingestellt. Die 26 anderen Patienten waren in den zwei Wochen vor der Aufnahme bei weniger als 85% der Unterrichtsstunden anwesend (Heyne et al., 2002). In allen drei Behandlungsgruppen zeigten sich nach der Behandlung signifikante Verbesserungen in der Regelmäßigkeit des Schulbesuchs. Von den Patienten mit der kombinierten Therapie (Einzeltherapie plus Eltern- und Lehrer-Training) gelang es 55% der Patienten bei 90% der Unterrichtszeit anwesend zu sein. Von den Patienten, die eine kognitiv- verhaltenstherapeutische Einzelbehandlung erhalten hatten, schafften es 38% das “90%-Anwesenheitskriterium" zu erreichen. Die Patienten, deren Eltern und Lehrer ein Training erhalten hatten, zeigten den engagiertesten Schulbesuch. Hier schafften es 70% der Patienten eine Anwesenheitsrate von 90% zu erreichen. Bei der Katamnesen-Messung, im Mittel viereinhalb Monate nach Abschluss der Behandlung, glichen sich diese Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen an. 60% aller behandelten Patienten gelang es bei 90% der Unterrichtszeit anwesend zu sein (Heyne et al., 2002). Die Kinder und Jugendlichen der drei Behandlungsgruppen profitierten auch hinsichtlich ihrer selbst beschriebenen ängstlichen und depressiven Symptome von der Behandlung. Sie beschrieben bei sich selbst vor Beginn der Behandlung signifikant mehr ängstliche und depressive Symptome als nach der Behandlung (Heyne et al., 2002). Die Patienten, die selber nicht in die Behandlung eingebunden wurden, sondern deren Eltern und Lehrer ein Training erhalten hatten, berichteten zum Ende der Therapie über signifikant weniger ängstliche und depressive Symptome als die Patienten, die mit einer Einzeltherapie ohne Einbindung der Eltern behandelt worden waren. Im Elternurteil zeigte sich, dass die internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten der Patienten der drei Behandlungsgruppen von der Prä- zur Post-Messung signifikant zurückgingen. Die Eltern, die in die Behandlung ihrer Kinder einbezogen worden waren, beobachteten bei ihren Kindern einen stärkeren Rückgang an internalen Problemen als die Eltern, die nicht integriert worden waren. 27 Zur Katamnesen-Messung, im Mittel viereinhalb Monate nach der Behandlung, erfüllten 60% der behandelten Patienten aller drei Therapiebedingungen nicht mehr die Kriterien für eine klinisch-psychiatrische Diagnose. In der Studie von Heyne et al. (2002) zeigte sich die Bedeutsamkeit der Integration der Eltern und Lehrer in die Behandlung von Schulverweigerern. Erhalten die Patienten eine Einzeltherapie ohne Einbezug der Eltern und Lehrer zeigen sich bei ihnen besonders im Bezug auf die Wiederherstellung des Schulbesuchs die geringsten positiven Veränderungen. Bei den eher jungen Schülern der Stichprobe von Heyne et al. (2002), mit einem mittleren Alter von 11,5 Jahren, zeigte sich sogar das alleinige Training der Eltern und Lehrer ohne jegliche Einbindung der Patienten als die wirksamste Methode zur Wiederherstellung eines regelmäßigen Schulbesuchs. Neben der therapeutischen Behandlung von emotional bedingtem Schulabsentismus gibt es die Möglichkeit, bei entsprechender Indikation ergänzend pharmakotherapeutisch zu behandeln. Pkarmakotherapeutische Interventionen im Bereich des Schulabsentismus sind umstritten (Heyne, King, Tonge & Cooper, 2001; Lauchlan, 2003). Bernstein et al. (2000) sehen die Pharmakotherapie bei schulabsenten Jugendlichen indiziert, die sowohl unter ängstlichen als auch unter depressiven Störungsbildern leiden. Von dieser komorbiden Diagnose sind etwa 25% (Bernstein, 1991) bis 50% (Bernstein & Garfinkel, 1986) der Schüler mit Schulabsentismus betroffen. Sie gelten damit als besonders stark beeinträchtigt (Bernstein et al., 2000). Die bisherigen Studien zur Wirkung von trizyklischen Antidepressiva im Bereich der Schulverweigerung kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen (Bernstein et al., 2000). Bernstein et al. (2000) vermuten, dass diese widersprüchlichen Ergebnisse aufgrund der unterschiedlichen Stichprobengrößen, der psychopathologisch unterschiedlich stark belasteten Stichprobenpopulationen und der Uneinheitlichkeit der ergänzenden Therapien zustande kamen. Bernstein et al. (2000) untersuchten die Wirksamkeit einer Kombinationstherapie aus einem trizyklischen Antidepressivum (Imipramine) und einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Therapie im Vergleich zu einer alleinigen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung bei 63 Schulverweigerern im Alter von 12-18 Jahren mit einem komorbiden 28 ängstlichen und depressiven Störungsbild. Alle Schüler der Stichprobe hatten in den vier Wochen vor Beginn der Behandlung mindestens 20% der Unterrichtszeit versäumt. Nach der Behandlung gelang es 54% der Patienten der Imipramine-Gruppe bei 75% aller Unterrichtsstunden anwesend zu sein. Von den Patienten der Placebo-Gruppe gelang dies nur 17%. Hinsichtlich der ängstlichen und depressiven Symptome zeigten sich in beiden Behandlungsgruppen signifikante Verbesserungen im Laufe der Behandlung. Die depressiven Symptome der Patienten, die medikamentös behandelt wurden, gingen schneller zurück, als die depressiven Symptome der Patienten, die ein Placebo erhielten. Ein Jahr nach der Behandlung konnten 65% der Patienten von Bernstein et al. (2000) von Bernstein, Hektner, Borchardt und McMillan (2001) nachuntersucht werden. Zu diesem Zeitpunkt zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Psychopathologie der beiden Untersuchungsgruppen. 64,1% der ehemaligen Patienten erfüllten im Selbst- und Fremdurteil die Kriterien für eine Angststörung und 33,3% die Kriterien für eine depressive Störung (Bernstein et al., 2001). Über die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs lagen ein Jahr nach der Behandlung keine detaillierten Informationen vor. Jedoch wurde, abgesehen von einem Jugendlichen, von allen Jugendlichen und deren Eltern versichert, dass die Jugendlichen zumindest zum Zeitpunkt der Befragung die Schule besuchten. Bei 35% der Jugendlichen gab es im Laufe dieses ersten Jahres nach der Therapie zwischenzeitlich Probleme mit dem Schulbesuch, was sich daran zeigte, dass 20% der Jugendlichen vorübergehend stationär aufgenommen wurden und 15% außerhäuslich untergebracht werden mussten. In dem Jahr seit der Entlassung hatten 67.5% der Jugendlichen mindestens einen psychopharmakologischen Behandlungsversuch unternommen, 77,5% hatten eine ambulante Therapie begonnen und 20% eine “In-home therapy" (Therapieform, bei der der Therapeut zu den Patienten nach Hause kommt). Blagg und Yule (1984) führten eine komparative Gruppenstudie zum Vergleich von drei unterschiedlichen Therapieformen 29 zur Behandlung von Schulabsentismus durch. Sie überprüften die Wirksamkeit einer ambulanten Verhaltenstherapie (VT) im Vergleich zu einer stationären Therapie ohne verhaltenstherapeutische Elemente (ST) und einer ambulanten Psychotherapie kombiniert mit einer Beschulung im Elternhaus (PT). Die Jugendlichen der drei Untersuchungsbedingungen erfüllten alle die folgenden Kriterien für Schulverweigerung (in Anlehnung an Berg, Nichols und Pritchard, 1969): Sie hatten seit mindestens drei Tagen starke Schwierigkeiten, die Schule zu besuchen, hinzu kamen starke emotionale Reaktionen wie z.B. starke Angstreaktionen, Temperamentsausbrüche oder somatische Beschwerden, wenn sie mit dem Schulbesuch konfrontiert wurden, sie blieben mit Wissen der Eltern der Schule fern und sie wiesen keine dissozialen Verhaltensweisen wie Stehlen, Lügen und destruktives Verhalten auf. Die ambulante Verhaltenstherapie bei Blagg und Yule (1984) sah, wie bei Kennedy (1965), eine rasche Rückführung in die Schulsituation vor. Mit den Jugendlichen wurden ihre Sorgen bezüglich der Rückkehr in die Schule besprochen und Bewältigungsstrategien für ganz konkrete Situationen mit Hilfe von Rollenspielen eingeübt. Die Lehrer wurden auf die Rückkehr des Schülers in die Schule vorbereitet. Mit den Eltern der Jugendlichen wurde das Kontingenzmanagement eingeübt. Die ambulante Verhaltenstherapie dauerte im Mittel zweieinhalb Wochen. In der stationären Therapie nahmen die Jugendlichen an einer Gruppentherapie und einer Beschäftigungstherapie teil. Ein Sozialarbeiter der Station hielt Kontakt zu den Eltern der Patienten. Die Jugendlichen besuchten während der Zeit des stationären Aufenthaltes eine Klinikschule. Die mittlere stationäre Verweildauer der Patienten lag bei 45 Wochen. In der dritten Untersuchungsbedingung wurden die Kinder von einem Privatlehrer unterrichtet. Die Psychotherapie fand 14-tägig in der Ambulanz einer Kinderklinik statt. Die ambulante Psychotherapie mit der privaten Beschulung im Elternhaus dauerte im Mittel 72 Wochen. Bei der Follow-up-Untersuchung, gut ein Jahr nach Ende der Behandlungen, gelang es 83% der Patienten, die mit der ambulanten Verhaltenstherapie behandelt worden waren, bei 80% der Unterrichtsstunden anwesend zu sein. 30 Dies gelang nur 31% der Patienten aus der stationär behandelten Gruppe. Drei weiteren Schülern, die stationär behandelt worden waren, gelang der regelmäßige Schulbesuch im Schonmilieu eines Internats. Diese Patienten wurden von Blagg und Yule (1984, S. 124) konservativ zu den Therapieversagern gezählt. Zählt man sie jedoch zu den Patienten, die regelmäßig die Schule besuchen hinzu, dann erhöht sich der Prozentsatz der stationär behandelten Patienten, die nach einem Jahr zu 80% aller Schulstunden anwesend waren, auf 50%. Von den Patienten, die zu Hause privat unterrichtet worden waren und eine Psychotherapie erhalten hatten, gelang es keinem Patienten zu 80% der Unterrichtsstunden anwesend zu sein. Aus den Ergebnissen von Blagg und Yule (1984) lässt sich nicht schlussfolgern, dass eine ambulante Therapie bei Schulverweigerern immer zu besseren Ergebnissen führt als eine stationäre Therapie, denn die Zuweisung der Jugendlichen zu den drei Untersuchungsbedingungen erfolgte nicht randomisiert. Die Autoren verwendeten die Daten von Patienten, die sich bereits in stationärer Therapie befanden und verglichen sie mit den ambulant behandelten Patienten. McShane et al. (2001) und Borchardt et al. (1994) stellten jedoch in ihren Studien fest, dass Schulverweigerer, die stationär behandelt werden, psychisch stärker belastet und somit auch schwieriger zu therapieren sind als die ambulant behandelten Schulverweigerer. Die Patienten, die in der Studie von Blagg und Yule (1984) ambulant verhaltenstherapeutisch behandelt wurden, waren zudem signifikant jünger und ihre Abwesenheit von der Schule war von kürzerer Dauer als die der Jugendlichen, die stationär behandelt wurden. Ein jüngeres Alter bei Symptombeginn und eine kürzere Dauer des schulabsenten Verhaltens sind prognostisch günstige Faktoren für eine erfolgreiche Therapie (Lehmkuhl, Flechtner & Lehmkuhl, 2003). Aufgrund dieser berichteten Unterschiede zwischen den Patienten der ambulanten VT-Bedingung und der stationären Bedingung lassen sich aus der Studie von Blagg und Yule (1984) keine Schlussfolgerungen hinsichtlich der besseren Wirksamkeit einer ambulanten oder stationären Behandlung bei Schulverweigerung ziehen. 31 2.10.2 Stationäre Therapiestudien Im Folgenden werden die bisher vorliegenden empirischen Studien zur stationären Therapie von emotional bedingtem Schulabsentismus dargestellt. Weiss und Cain (1964) berichten über die stationäre Behandlung von 14 Kindern und Jugendlichen im Alter von 8-16 Jahren mit einer Schulphobie (Schulabsentismus aufgrund von Trennungsangst). Alle Schüler der Stichprobe von Weiss und Cain (1964) besuchten zur Aufnahme seit neun Monaten nicht mehr die Schule und wiesen eine komplexe Psychopathologie mit depressiven Verstimmungen, psychosomatischen Beschwerden, anderen Formen der Phobie und zwanghaften Tendenzen auf. Im Rahmen der stationären Behandlung wurden die Patienten in einer Klinikschule beschult und erhielten eine psychotherapeutische Einzeltherapie. Der Einsatz von kognitiv- verhaltenstherapeutischen Interventionen wurde nicht berichtet. Die mittlere Verweildauer der Patienten im stationären Setting lag bei neun Monaten (Weiss & Cain, 1964). Bis auf einen Patienten besuchten nach der Entlassung alle Patienten wieder regelmäßig die Schule. Allerdings konnten nur fünf Patienten nach der Entlassung auf einer Regelschule beschult werden. Acht Patienten wurden im Anschluss an die Behandlung in einer Heimschule oder einem Internat beschult und ein Patient verblieb auf der Klinikschule. Hinsichtlich der sozialen Integration und psychischen Verfassung zeigten sich nur zwei der 14 Patienten nach der Entlassung sozial sehr gut integriert und psychisch stabil. Acht ehemalige Patienten waren sozial integriert, litten aber noch unter deutlichen neurotischen Symptomen. Vier ehemalige Patienten zeigten sich sozial schlecht integriert und wiesen eine große Anzahl von neurotischen Symptomen auf. Die bedeutendsten Wirkfaktoren der stationären Behandlung waren nach Weiss und Cain (1964): Die Trennung des Schülers von der Familie durch den stationären Aufenthalt, der Besuch der Klinikschule und die damit verbundenen sozialen Kontakte und schulischen Erfolgserlebnisse, die Vielzahl an Aktivitäten (Sportliche Aktivitäten, Spiele etc.), die im stationären Setting angeboten wurden und den Patienten die Möglichkeit zu selbstwertförderlichen Erfahrungen boten sowie die soziale Struktur des stationären Settings, die den 32 Patienten half aus ihrer sozialen Isolation herauszutreten und Erfahrungen mit Gleichaltrigen zu sammeln. Die psychotherapeutischen Sitzungen gestalteten sich schwierig, da die Patienten ihren behandelnden Therapeuten für die Trennung von ihren Eltern verantwortlich machten. Dadurch wurde die Entwicklung einer tragfähigen Beziehung beeinträchtigt (Weiss & Cain, 1964). Ein Kritikpunkt an der Studie von Weiss und Cain (1964) ist die geringe Stichprobengröße von N = 14. Hierdurch wird die Aussagekraft der Ergebnisse einschränkt. In der Studie von Berg (1970) wurde die Wirksamkeit einer stationären Behandlung bei 29 Schulverweigerern zwischen zehn und 15 Jahren untersucht. Die Patienten der Stichprobe erfüllten die Kriterien der Schulverweigerung, die von Berg et al. (1969) entwickelt wurden (siehe Kapitel 2.5.1; Beschreibung der Stichprobe von Blagg & Yule, 1984). Zur stationären Aufnahme verweigerten knapp 80% der Patienten den Schulbesuch ganz. Die restlichen Patienten zeigten einen unregelmäßigen Schulbesuch. In den ersten Wochen der Behandlung besuchten die Patienten die Klinikschule. Nach einigen Wochen wurden sie schrittweise in ihre Heimatschule integriert. Die Verwendung von kognitiv-verhaltenstherapeutischen Methoden in der Behandlung der Patienten wurde nicht berichtet. Die mittlere Verweildauer der Patienten im stationären Setting lag bei neun Monaten. Alle Patienten der Stichprobe von Berg (1970) wurden mit einem regelmäßigen Schulbesuch entlassen. 23 der 29 Patienten konnten im Mittel 13 Monate nach der stationären Entlassung nachuntersucht werden. Zu diesem Zeitpunkt gelang es 59% der ehemaligen Patienten regelmäßig die Schule oder eine Arbeitsstelle zu besuchen. Ein Drittel der Patienten zeigte sich zur Katamnese sozial gut integriert, ein Drittel der ehemaligen Patienten war hierzu nur in Maßen fähig und ein weiteres Drittel war durch neurotische Probleme so stark beeinträchtigt, dass sie sozial nicht integriert waren. Da sechs der ehemaligen Patienten zur Katamnese nicht nachbefragt werden konnten, kann man nicht ausschließen, dass die Stabilität im Schulbesuch zur Katamnese in der Studie von Berg (1970) überschätzt wurde. Die relativ kleine Stichprobengröße schränkt die Aussagekraft der Ergebnisse ein. 33 In der Studie von Kammerer und Mattejat (1981) wurden 20 Patienten mit einer Schulphobie (Schulabsentismus aufgrund einer Trennungsangst) in einem stationären Rahmen behandelt. Das Alter der Patienten lag zur Aufnahme zwischen neun und 17 Jahren. 85% der Patienten verweigerten vor der stationären Behandlung den Schulbesuch seit neun Monaten ganz, die restlichen Patienten zeigten einen unregelmäßigen Schulbesuch. Das stationäre Behandlungskonzept therapeutischer integrierte Richtungen verhaltenstherapeutische und Beiträge verschiedener (gesprächstherapeutische, familientherapeutische Elemente). Lehrer, Sozialpädagogen, Ärzte, Psychologen und Sozialarbeiter wurden in die Behandlung der Kinder und Jugendlichen einbezogen. Der mittlere Behandlungszeitraum belief sich auf 108 Tage (Kammerer & Mattejat, 1981). Zur Entlassung konnte bei allen Patienten ein regelmäßiger Schulbesuch wiederhergestellt werden (Kammerer & Mattejat, 1981). Im Mittel 19 Monate nach der Entlassung zeigten noch 70% der Patienten einen regelmäßigen Schulbesuch. Die Hälfte dieser Patienten konnte den regelmäßigen Schulbesuch nur in einem relativen Schonmilieu (Heim- oder Internatsschule) aufrechterhalten oder hatte in der poststationären Phase einen Rückfall in schulverweigerndes Verhalten. Die andere Hälfte der Patienten besuchte seit der Entlassung regelmäßig eine Regelschule. Kammerer und Mattejat (1981) fanden in ihrer Stichprobe einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Alter der Patienten und ihrem Therapieerfolg. Von den Patienten, die zum Zeitpunkt der Aufnahme jünger als 13 Jahre alt waren, besuchten zum Katamnesezeitpunkt alle regelmäßig die Schule. Ein weiterer signifikanter Zusammenhang fand sich zwischen der Dauer des Schulversäumnisses vor der stationären Aufnahme und dem Therapieerfolg. Die Patienten, die schon sehr lange aus der schulischen Situation ausgestiegen waren, hatten auch prognostisch die ungünstigsten Chancen auf einen Therapieerfolg. Die relativ kleine Stichprobengröße (N = 20) in der Untersuchung von Kammerer und Mattejat (1981) schränkt die Aussagekraft der berichteten Ergebnisse ein. 34 Walter et al. (2005) überprüften an einer kleinen Stichprobe von 15 Jugendlichen die Wirksamkeit einer multimodalen stationären Kurzzeittherapie. Das stationäre Behandlungskonzept sah eine hochfrequente Behandlung mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen vor. Dieses Behandlungskonzept wird in der vorliegenden Arbeit an einer größeren Stichprobe überprüft. Die behandelten Jugendlichen erhielten bei Aufnahme klinisch-psychiatrische Diagnosen aus dem Bereich der Angststörungen, der depressiven Störungen, der kombinierten introversiven und expansiven Störungen, der Anpassungsstörungen sowie der hyperkinetischen Störungen (Walter et al., 2005). Zum Ende der Therapie konnte bei allen behandelten Patienten wieder ein regelmäßiger Schulbesuch hergestellt werden (Walter, 2005). Es muss einschränkend hinzugefügt werden, dass bei neun der 15 Patienten dieser regelmäßige Schulbesuch in dem geschützten Rahmen einer Klinikschule für Kranke stattfand. Hinsichtlich der Psychopathologie der 15 Patienten zeigte sich, dass die ängstlichen und depressiven Symptome der Patienten im Selbstund Fremdurteil im Laufe der Behandlung signifikant zurückgingen (Walter, 2005). Die geringe Stichprobengröße von N = 15 schränkt die Aussagekraft der Ergebnisse ein. 2.10.3 Ambulante und stationäre Therapieeffekte In ambulanten Therapiestudien zeigen sich Hinweise auf die Wirksamkeit von kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen bei der Behandlung von emotional bedingtem Schulabsentismus (King et al., 1998; Last et al., 1998; Heyne et al., 2002). 55 bis 88% der behandelten Patienten gelang es nach Beendigung der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung zu 90% der Schulstunden anwesend zu sein (King et al., 1998; Last et al., 1998; Heyne et al., 2002). Die unersuchten Kurzzeit-Stabilitäten der Therapieeffekte zeigen gute Ergebnisse, nach einem bis viereinhalb Monaten gelang es noch 60 bis 82% der Patienten bei 90% der Schulstunden anwesend zu sein (King et al., 1998; Last et al., 1998; Heyne et al., 2002). 35 Die ängstlichen und depressiven Symptome verringerten sich im Verlauf der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung signifikant (King et al., 1998; Last et al., 1998; Heyne et al., 2002). Die kognitive Verhaltenstherapie erwies sich einer Wartekontrollgruppe gegenüber als überlegen (King et al., 1998). Im Vergleich zu unspezifischen therapeutischen Maßnahmen konnten jedoch keine signifikant besseren Therapieeffekte nachgewiesen werden (Last et al., 1998). Schüler, die ausschließlich einzeln behandelt wurden, d.h. ohne Einbezug der Eltern, Lehrer oder anderer Bezugspersonen, zeigten tendenziell die geringsten Verbesserungen bezüglich eines regelmäßigen Schulbesuchs (Heyne et al., 2002). Bei Jugendlichen mit komorbiden depressiven und ängstlichen Symptomen zeigte sich in der Studie von Bernstein et al. (2000), eine Überlegenheit der Kombinationstherapie von kognitiver Verhaltenstherapie und Pharmakotherapie im Vergleich zu einer alleinigen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung bei der Wiederherstellung eines regelmäßigen Schulbesuchs. In der Vielzahl der stationären Studien kamen kognitiv- verhaltenstherapeutische Maßnahmen bisher nicht zum Einsatz (Weiss & Cain, 1964; Berg et al., 1969; Berg, 1970; Kammerer & Mattejat, 1981; Blagg & Jule, 1984). In der Studie von Walter et al. (2005) zeigten sich an einer kleinen Stichprobe erste Hinweise auf die Wirksamkeit von kognitiv- verhaltenstherapeutischen Interventionen im stationären Setting. Zum Zeitpunkt der Entlassung konnte bei allen Patienten ein regelmäßiger Schulbesuch wiederhergestellt werden (Weiss & Cain, 1964; Berg, 1970; Kammerer & Mattejat, 1981; Walter et al., 2005). Bei 19 bis 64% der stationär behandelten Patienten gelang der regelmäßige Schulbesuch allerdings nur im schulischen Schonmilieu einer Heim-, Internats- oder Klinikschule (Weiss & Cain, 1964; Berg, 1970; Kammerer & Mattejat, 1981; Walter et al., 2005). Der regelmäßige Schulbesuch zeigte sich im Mittel ein- bis eineinhalb Jahre nach Entlassung bei 50 bis 70% der ehemaligen Patienten stabil (Blagg & Jule, 1984; Berg, 1970; Kammerer & Mattejat, 1981). 36 Bei Weiss und Cain (1964) zeigt sich, dass die Patienten nach Entlassung aus der stationären Behandlung noch unter deutlichen psychischen Auffälligkeiten litten. Nur 15% der Patienten wurden als psychisch stabil und sozial gut integriert beschrieben. Berg (1970) fand im Mittel 13 Monate im Anschluss an die stationäre Behandlung bei einem Drittel der ehemaligen Patienten schwerwiegende neurotische Störungen. In den Studien älteren Datums betrugen die Verweildauern der Patienten im Mittel neun bis elf Monate (Weiss & Cain, 1964; Berg, 1970; Blagg & Jule, 1984). Bei den Studien neueren Datums lag die mittlere Verweildauer bei zwei bis dreieinhalb Monaten (Kammerer & Mattejat, 1981; Walter et al., 2005). 2.10.4 Katamnestische Studien zur Langzeitstabilität der Therapieeffekte Berg, Butler & Hall (1976) zeigten, dass etwa 50% der stationär behandelten Schulverweigerer im Mittel drei Jahre nach der Entlassung weiterhin Schwierigkeiten mit einem regelmäßigen Schulbesuch hatten. Weiss und Burke (1970) berichten von einer katamnestischen Nachbefragung von 14 stationär behandelten Patienten fünf bis zehn Jahre nach Entlassung. Bis auf einen Patienten war allen ein Schulabschluss gelungen. Hinsichtlich der psychischen Auffälligkeiten berichten Heyne et al. (2002), dass im Mittel viereinhalb Monate nach einer ambulanten kognitiv- verhaltenstherapeutischen Behandlung noch 31% der ehemaligen Patienten die Kriterien für eine Diagnose aus dem ängstlichen Störungsspektrum erfüllten. Bernstein et al. (2001) stellten fest, dass ein Jahr nach einer kognitivverhaltenstherapeutischen Behandlung bzw. einer kombinierten kognitivverhaltenstherapeutischen und pharmakologischen Behandlung noch 64% die Kriterien für eine Angststörung und 33% die Kriterien für eine depressive Störung erfüllten. Berg et al. (1976) kamen bei Datenerhebungen nach im Mittel drei Jahren zu dem Ergebnis, dass etwa ein drittel der wegen Schulabsentismus stationär behandelten Jugendlichen noch unter emotionalen Störungen und sozialen Beeinträchtigungen litt, ein drittel noch unter neurotischen Symptomen, dafür 37 aber sozial gefestigter und ein drittel zeigte nach ca. drei Jahren weder emotionale Störungen noch soziale Beeinträchtigungen. Berg und Jackson (1985) berichten, dass nach etwa zehn Jahren nur ca. 50% der Schulverweigerer als psychisch stabil eingeschätzt werden konnten. Tendenziell war der Anteil an intellektuell begabteren Schülern unter den psychisch stabilen höher. 30% nahmen eine Psychotherapie in Anspruch, 14% wurden ambulant psychiatrisch behandelt und 5% wurden erneut stationär aufgenommen. McCune und Hynes (2005) befragten zehn ehemalige Schulverweigerer zehn Jahre nach Entlassung, von denen fünf eine psychiatrische Behandlung erhielten bzw. über psychische Beschwerden klagten. Flakierska, Lindstrom & Gilberg (1988) und Flakierska-Praquin et al. (1997) verglichen 35 Kinder und Jugendliche, die wegen einer Schulphobie behandelt wurden 15 bis 29 Jahre später mit einer Kontrollgruppe. Hierbei zeigte sich, dass die „Schulphobiker“ signifikant häufiger therapeutische oder psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen mussten. 2.11 Behandlungskonzepte – therapeutisches Vorgehen Schulabsentismus entspringt einer multifaktoriellen Genese. Es spielen intrapsychische, familiäre und schulische Faktoren eine entscheidende Rolle. Emotional bedingter Schulabsentismus ist ein Problem mit Langzeitwirkung. Bei der Behandlung ist die Befundlage insgesamt unzureichend. Es gibt Hinweise, dass eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung (KBT) erfolgreich ist. Allerdings erfüllt kein Verfahren die Kriterien für eine empirisch validierte Behandlung. Die Empfehlungen der American Acadamy of Child and Adolescent Psychiatrie (ACAP, 1997) sind Aufklärung und Beratung, KBT (z.B. Expositionsverfahren, 38 kognitive Umstrukturierung, Token economis), familienzentrierte Interventionen, Pharmakotherapie in Abhängigkeit von Art und Schweregrad der Symptome. Eine Hausbeschulung ist laut der Acadamy kontraindiziert. 2.11.1 Behandlungskonzept in Form eines Stufenplanes Das Behandlungskonzept in Form eines Stufenplanes umfasst einen umschriebenen ambulanten Behandlungsversuch. Kommt es nicht zu einer deutlichen Symptomlinderung innerhalb weniger Wochen, folgt eine stationäre Intensivphase (offen bzw. geschlossen), eine teilstationäre sowie ambulante Nachbehandlung, sowie bei Rezidiven gegebenfalls eine erneute Aufnahme. Zu einer stationären Aufnahme ohne ambulanten Vorversuch kommt es, wenn das Fernbleiben aus der Schule länger als 6 Monate andauert, keine Änderungsmotivation seitens des Jugendlichen zu erkennen ist und/oder eine hohe Einbindung bzw. Hilflosigkeit der Eltern besteht. 2.11.2 Stationäre “Intensiv“-Behandlung Die intensive Behandlungsphase eingeschlossenen Jugendlichen der während in des die vorliegende stationären Studie Aufenthaltes beinhaltet drei bis fünf Einzeltermine und ein Elterngespräch pro Woche, sowie begleitende Interventionen durch Stationsmitarbeiter (z.B. Expositionen). Die stationäre Verweildauer betrug im Durchschnitt 6,7 Wochen (SD=3,6). Falls Interesse bzw. Notwendigkeit bestand, konnte im Anschluss ein ein- bis zweiwöchiger tagesklinischer Weiterbehandlung in Aufenthalt Anspruch mit genommen nachfolgender werden. Die ambulanter ambulante Nachbehandlung wurde jedem empfohlen und bei Bedarf vermittelt. Es handelt sich um eine multimodale Therapie in Abhängigkeit von auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen, d.h. Interventionen setzen dort an, wo die Probleme auftauchen. Insgesamt besteht eine kognitivbehaviorale Ausrichtung unter Einbezug zusätzlicher Maßnahmen (z.B. Jugendhilfe, Pharmakotherapie). Konzept der Station war es, eine tragfähige Beziehung zu dem Patienten und seinen Eltern aufzubauen. Dabei war die Erarbeitung eines Störungsmodells 39 mit einer gemeinsamen Zieldefinition sehr wichtig, in das alle im Einzelfall wichtigen ursächlichen und aufrechterhaltenden Faktoren einflossen. Zusätzlich wurden mit den Beteiligten die Hauptziele der Behandlung herausgearbeitet und aufeinander abgestimmt (Walter et al., 2007a). Bei einer stationären Behandlung kann es bereits im ambulanten Vorfeld hilfreich sein, ein Störungsmodell zu erarbeiten und Therapieziele zu definieren, um darauf die Notwendigkeit einer stationären Therapie besser begründen zu können. Außerdem war es wichtig, eine adäquate schulische Platzierung für jeden einzelnen zu finden. Daher wurden vor der Herstellung eines regelmäßigen Schulbesuchs zunächst die Leistungsmöglichkeiten des Kindes oder Jugendlichen erfasst, um so von vorne herein eine intellektuelle Überforderung auszuschließen (Döpfner & Walter, 2006). Da ungünstige Erziehungsbedingungen (beispielsweise ein psychisch kranker Elternteil) oder eine erzieherische Überforderung der Eltern häufig dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche nicht mehr in die Schule gehen, war es sinnvoll, gemeinsam mit den Eltern angemessene Erziehungsstrategien zu erarbeiten, einzuüben und anschließend im Alltag umzusetzen (z.B. Stellen von effektiven Aufforderungen, Verstärkung beim Einhalten von Regeln oder bei der Bewältigung angstbesetzter Situationen (Döpfner et al., 2002)). Dabei konnten ambulante Jugendhilfemaßnahmen, die vor allem die Eltern, aber auch den Jugendlichen im Alltag unterstützten, hilfreich sein. Wiesen die Eltern selbst eine starke psychische Belastung auf, war es sinnvoll, diese zu ermuntern, eigene therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei sehr ungünstigen psychosozialen Bedingungen musste auch eine Unterbringung des Patienten in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung in Erwägung gezogen werden (Döpfner & Walter, 2007). Häufig trugen ungünstige Verstärkungsprozesse zur Aufrechterhaltung der Problematik bei. Beispielsweise reagierten viele Eltern bei Somatisierungstendenzen ihrer Kinder mit vermehrter Zuwendung, oder sie bekamen vermehrte Aufmerksamkeit, wenn sie der Schule fernblieben. Wenn die Jugendlichen anstatt in die Schule zu gehen im Bett liegen bleiben durften oder in dieser Zeit andere Annehmlichkeiten wie Fernsehen in Anspruch nehmen konnten, um sich nachmittags wie gewohnt mit Freunden zu treffen 40 oder Computer zu spielen, trug dies nachhaltig zu einer Chronifizierung der Problematik bei. Daher war es hilfreich, ungünstige Verstärkerprozesse zu verändern. Beispielsweise erhielt der Patient Zimmeraufenthalt, wenn er sich an einem Tag dafür entschied, nicht in die Schule zu gehen und musste stattdessen in seinem Zimmer Hausaufgaben machen. Auch wurden die Eltern dazu angeleitet, überbehütendes und entlastendes Verhalten abzubauen und bewältigendes Verhalten der Kinder und Jugendlichen (beispielsweise trotz Bauchschmerzen in die Schule zu gehen) zu verstärken. Bei einer Antriebsminderung, die häufig durch eine depressive Störung bedingt ist, war es zunächst notwendig, durch eine Aktivierung des Patienten den Antrieb zu steigern und regelmäßige angenehme Aktivitäten aufzubauen (beispielsweise Verabredungen mit Gleichaltrigen fördern, Lieblingstätigkeiten wieder aufnehmen). Gerade bei lang anhaltendem Schulabsentismus war der Tagesrhythmus der Patienten häufig verschoben. Viele der betroffenen Jugendlichen, hatte sich angewöhnt erst spät in der Nacht ins Bett zu gehen und dafür bis in den frühen Nachmittag zu schlafen. Dies ging häufig mit einer Antriebsminderung und dysphorisch/depressiver Stimmung einher. Gemeinsam wurden Maßnahmen erarbeitet, die eine möglichst rasche Normalisierung des Schlaf-/Wach-Rhythmuses zum Ziel hatten (regelmäßiges Zubettgehen und Aufstehen, Aufbau einer Tagesstruktur). Diese Methoden sind Bestandteil des Therapieprogramms zur Behandlung von Jugendlichen mit Selbstwert-, Leistungs- und Beziehungsstörungen SELBST (Walter et al., 2007a) oder des Therapieprogramms für depressive Kinder und Jugendliche (Harrington, 2001). Viele Patienten wiesen ungünstige Kognitionen bezogen auf die eigene Person, die Umwelt oder die Zukunft auf (beispielsweise „ich schaffe die Schule sowieso nicht“…“die anderen mögen mich nicht, die reden alle über mich…“), die zum Schulabsentismus beigetragen haben, indem sie beispielsweise Leistungs- oder soziale Ängste in der Schule verstärkten. Ausgehend vom kognitiven Modell wurden derartige Annahmen und Bewertungen zusammen mit den Jugendlichen herausgearbeitet, hinterfragt und durch realistischere Kognitionen ersetzt. In einem weiteren Schritt wurden diese gezielt im Alltag eingesetzt. In dem Therapieprogramm für Angst- und Zwangsstörungen THAZ (Suhr-Dachs & Döpfner, 2005) werden Interventionsbausteine für verschiedene Angstformen, etwa Leistungs- und soziale Ängste, entwickelt. Auch das 41 Gruppentherapieprogramm für Jugendliche „Stimmungsprobleme bewältigen“ (Ihle & Herrle, 2003) konnte eingesetzt werden, um dysfunktionale Kognitionen und Wahrnehmungsprozesse zu bearbeiten (Döpfner & Walter 2007). Fanden sich ausgeprägte situative oder objektbezogene Ängste, so waren Expositionsverfahren indiziert. In der Regel erwies sich hierbei ein gestuftes Vorgehen in vivo als hilfreich. Art und Ausmaß der Graduierung wurden eng mit den Patienten abgestimmt. Grundsätzlich war es wichtig, darauf zu achten, dass der Patient während der Exposition nicht frühzeitig aus der Situation floh, um ihm die Erfahrung zu ermöglichen, dass seine Ängste überhöht bzw. unangemessen waren und dass seine Ängste nach einiger Zeit zurückgehen würden (Habituation). Mit den Kindern und Jugendlichen, denen es zum Beispiel wegen einer Trennungsangst nicht gelang, die Schule zu besuchen, wurde schrittweise erarbeitet, wie sie zunächst in Begleitung von Erwachsenen und später mit zunehmendem räumlichen Abstand von den Erwachsenen den Schulbesuch bewältigen können. Mitunter war es sinnvoll, durch Interventionen auf der kognitiven Ebene („Angstkillergedanken“) oder auf der emotionalen Ebene (Entspannungsverfahren) dem Patienten die Erfahrung zu ermöglichen, seine Ängste beherrschen und vermindern zu können. (Döpfner & Walter, 2007). Häufig trugen unzureichende soziale Fertigkeiten dazu bei, dass es den Patienten zunehmend schwerer fiel, die Schule zu besuchen. Viele Betroffene wussten beispielsweise nicht, wie man Kontakte zu anderen Gleichaltrigen aufnimmt, Konflikte adäquat löst oder eigene Interessen angemessen durchsetzt. In Rollenspielen wurden soziale Fertigkeiten schrittweise eingeübt und in einem nächsten Schritt im Alltag umgesetzt. Gerade beim Aufbau sozialer Fertigkeiten hatte sich ein Gruppensetting als hilfreich erwiesen. Für die Behandlung können verschiedene Trainingsprogramme eingesetzt werden (Petermann & Petermann, 2003, 2006; Barrett et al., 2003; Walter et al., 2007a). Oft wurde die Freizeit der Jugendlichen mit exzessivem Medienkonsum (z.B. Fernsehen, Computer spielen) verbracht. Gemeinsam wurden potentiell attraktive Aktivitäten identifiziert, nachfolgend wurden die Patienten dabei unterstützt, systematisch Freizeitaktivitäten in ihren Alltag zu integrieren. 42 Hierbei war der Einbezug der Eltern in der Regel sinnvoll, um die Betroffenen zum einen im Alltag zu unterstützen und um zum anderen den Medienkonsum zu begrenzen. Verschiedene Behandlungsprogramme thematisieren diesen Aspekt (z.B. Ihle & Herrle, 2003, Walter et al., 2007a) Ausgeprägte Defizite im organisatorisch-planerischen Bereich verstärkten den Schulabsentismus zusätzlich. So verfügten viele der Betroffenen über unzureichende Lernstrategien, beispielsweise wie sie sich effektiv und überdauernd Wissen aneignen können (z.B. effektiv Vokabeln lernen) oder wie es ihnen gelingen kann, regelmäßig die Hausaufgaben zu erledigen, sich angemessen auf Klassenarbeiten vorzubereiten oder adäquat im Unterricht mitzuarbeiten. Häufig verstärkten ausgeprägte Wissenslücken die Problematik zusätzlich. Gemeinsam wurden Lernstrategien anhand von unterrichtsrelevantem Material eingeübt, die Mitarbeit im Unterricht verbessert und Maßnahmen zum Aufholen von Wissenslücken implementiert (indem beispielsweise ein geeigneter Nachhilfelehrer gesucht wurde und der aufzuholende Stoff in überschaubare Einheiten unterteilt wurde). Hierzu haben sich beispielsweise Interventionen aus dem Therapieprogramm SELBST (Walter et al., 2007a; Walter & Döpfner 2006, 2007a, b, c) oder dem Therapiemanual THAZ-Leistungsänste (Suhr-Dachs & Döpfner, 2005) als hilfreich erwiesen (Döpfner & Walter, 2007). 43 3. Messinstrumente Im folgenden Kapitel werden die für die vorliegende Arbeit relevanten Messinstrumente beschrieben. 3.1 Hamburg-Wechsler-Intelligenztest Der HAWIK-III (Tewes et al., 1999) und der HAWIE-R (Tewes, 1991) sind standardisierte mehrdimensionale Intelligenztests, die in der psychologischen Intelligenztestdiagnostik zu den Standardverfahren zählen. Der HAWIK-Ill wird bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 6;O bis 16;11 Jahren eingesetzt. Der HAWIE-R wird ab dem 17. Lebensjahr verwendet. Beide Verfahren setzen sich aus einem Handlungs- und einem Verbalteil zusammen, aus denen ein Gesamttestwert errechnet wird. Dieser Gesamtwert steht für die allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit. Die beiden Verfahren zur Intelligenzdiagnostik werden in der vorliegenden Studie zum einen zur Überprüfung des Ausschlusskriteriums der Lernbehinderung eingesetzt, zum anderen wird das Ergebnis des HAWIK-Ill und des HAWIE-R als wichtiges Kriterium verwendet um festzustellen, ob bei einem Jugendlichen eine intellektuelle schulische Überforderung vorliegt, die durch eine geeignete schulische Platzierung aufgelöst werden kann. 3.2. Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche (DIKJ) Das Depressionsinventar für Kinder und Jugendliche (Stiensmeier-Pelster et al, 2000) ist ein Selbsteinschätzungsfragebogen zur Erfassung der Schwere einer depressiven Störung bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 8,0 bis 17,11 Jahren. Die interne Konsistenz des Verfahrens liegt bei Schülerstichproben zwischen .82 und .85 mit der Tendenz zu höheren Kennwerten mit höherem Alter. Bei klinisch auffälligen Kindern und Jugendlichen beträgt sie .91 (Stiensmeier-Pelster et al 2000). Das DIKJ ist sensibel für Veränderungen im Schweregrad einer depressiven Störung und wird daher in der vorliegenden 44 Studie sowohl zur Prä-Messung als auch zur Post-Messung und zur Katamnesen-Messung nach zwei Monaten von den Jugendlichen ausgefüllt. 3.3 Phobiefragebogen für Kinder und Jugendliche (PHOKI) Der Phobiefragebogen für Kinder und Jugendliche (Döpfner et al., 2006) erfasst phobische Ängste bei Kindern und Jugendlichen vor verschiedenen Objekten und Situationen. Die Items des Fragebogens werden zu sieben Skalen zusammengefasst: Angst vor Gefahren und Tod, Trennungsängste, söziale Ängste, Angst vor Bedrohlichem und Unheimlichem, Tierphobien, Angst vor medizinischen Eingriffen sowie Schul- und Leistungsängste. Die internen Konsistenzen der Subskalen und der Gesamtskala liegen zwischen a = .70 und u = .93. Eine Normierung des Tests liegt getrennt für Altersgruppen und Geschlecht für Kinder und Jugendliche von acht bis 18 Jahren vor. Für die vorliegende Untersuchung wurde der Fragebogen zur Prä- und Katamnesen-Messung nach zwei Monaten von den Jugendlichen ausgefüllt. Die Skalen „Trennungsängste“, „Soziale Ängste“ und „Schul- und Leistungsängste“ wurden in die Analysen integriert. Der Fragebogen wurde nicht zur Post-Messung von den Jugendlichen ausgefüllt, da es von besonderem Interesse für die vorliegende Untersuchung ist, wie sich die Ängste der Jugendlichen im Alltag manifestieren. 3.4 Child Behavior Checklist (CBCL) Der Fragebogen der Child Behavior Checklist (CBCL) wurde von der Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checkhst in Zusammenarbeit mit Thomas Achenbach als deutsche Fassung der amerikanischen Version erarbeitet (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist 1998a). Die Child Behavior Checklist (für Kinder im Alter von vier bis 18 Jahren) erfasst die Einschätzungen von Eltern hinsichtlich der Kompetenzen und Probleme ihrer Kinder. Der Fragebogen umfasst drei Kompetenzskalen (Aktivität, soziale Kompetenz und Schule) sowie acht so genannte Syndromskalen, die 45 problematisches Verhalten beschreiben (Sozialer Rückzug, Körperliche Beschwerden, Angst/Depressivität, Soziale Probleme, Schizoid/Zwanghaft, Aufmerksamkeitsstörung, Delinquentes Verhalten, Aggressives Verhalten). Aus den Syndromskalen werden die übergeordneten Skalen zu internalisierenden Störungen und externalisierenden Störungen sowie ein Gesamtwert für das Problemverhalten gebildet. Die Arbeitsgruppe Child Behavior Checklist konnte für die Syndromskalen des Verfahrens zufrieden stellende interne Konsistenzen (r > .70) ermitteln sowie die faktorielle Validität des Instruments weitgehend bestätigen und die Validität anhand verschiedener Kriterien belegen (Döpfner et al., 1994, 1995, 1997). Eine repräsentative Normierung des Fragebogens liegt vor (Döpfner et al., 1997, 1998; Lehmkuhl et aL, 1998). Die Eltern der Jugendlichen werden gebeten, zur Prä-Messung die zwei Monate vor der Behandlung einzuschätzen und zur Katamnesen-Messung die beiden Monate nach der Entlassung, da von Interesse ist, wie sich die Verhaltensauffälligkeiten der Jugendlichen im Alltag manifestieren. 3.5 Youth Self Report (YSR) Die deutsche Fassung des amerikanischen Youth Self Report (Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1998b) erfasst Kompetenzen und Problemverhalten von Jugendlichen im Alter von 11-18 Jahren im Selbsturteil. Der Youth Self Report ist analog zur Child Behavior Checklist aufgebaut und verfügt über die gleichen Skalen. Der Fragebogen konnte sich in der deutschen Fassung als ein für die Forschung und Klinik nützliches und brauchbares Instrument erweisen, auch wenn für einige Skalen deutliche Einschränkungen gemacht werden müssen. Für die übergeordneten Skalen (internalisierende Störungen, externalisierende Störungen, Gesamtauffälligkeit) ließen sich gute bis sehr gute interne Konsistenzen (r > .85) finden. Die interne Konsistenz der Syndromskalen ist überwiegend zufrieden stellend (r > .70), nur die Skala „Sozialer Rückzug“ und die Skala „SchizoidlZwanghaft“ weisen ungenügende interne Konsistenzen auf (r < .60) (Döpfner et al., 1995, 1997). 46 In der vorliegenden Untersuchung wird der YSR, analog zum CBCL, zur PräMessung und zur Katamnesen-Messung nach zwei Monaten von den Jugendlichen ausgefüllt, um Veränderungen im Problemverhalten festzustellen. 3.6 Angstfragebogen für Schüler (AFS) Der Angstfragebogen für Schüler (Wieczerkowski et al, 1981) ist ein Verfahren zur Erfassung von Prüfungsangst, allgemeiner (manifester) Angst und Schulunlust. Dabei erfasst die Skala Prüfungsangst Gefühle der Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit in schulischen Prüfungssituationen sowie Ängste zu versagen. Die Skala Manifeste Angst beschreibt allgemeine Angstsymptome wie Herzklopfen und Nervosität, sie enthält aber auch Items, die ein reduziertes Selbstvertrauen wiedergeben. Die Skala Schulunlust umfasst Items, die die innere Abneigung der Jugendlichen gegenüber der Schule widerspiegeln und eine fehlende Motivation gegenüber Unterrichtsinhalten. Der Fragebogen enthält ferner eine Skala zur Erfassung der Tendenz von Schülern, sich sozial erwünscht darzustellen. Das Verfahren kann bei Schülern im Alter von neun bis 17 Jahren eingesetzt werden. Es liegt eine Normierung nach Altersklassen vor. Die interne Konsistenz der Skalen liegt zwischen r = .67 und r = .85. In der vorliegenden Studie wird der Angstfragebogen für Schüler zur Prä-, Post- und Katamnesen-Messung nach zwei Monaten eingesetzt, um zu beobachten, wie sich die Prüfungsangst und die Schulunlust der Jugendlichen im Laufe der drei Messzeitpunkte verändern. 3.7 Diagnostik-System für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter Das Diagnostik-System für psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter (DISYPS-KJ, Döpfner & Lehmkuhl, 1998) erfasst psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen gemäß den Diagnosekriterien der ICD-1O und des DSM-IV. Es umfasst die wichtigsten Störungen des Kindes- und Jugendalters (hyperkinetische Störungen, Störungen des Sozialverhaltens, Angststörungen, depressive Störungen, tief greifende Entwicklungsstörungen, Tic-Störungen, 47 Bindungsstörungen und Mutismus). Kinder im Alter von 11 bis 18 Jahren können sich selbst anhand von Selbstbeurteilungsbögen einschätzen. Die Einschätzung der Problematiken durch die Eltern erfolgt mit Hilfe von Fremdbeurteilungsbögen. In der vorliegenden Studie kommen der Selbst- und Fremdbeurteilungsbogen für depressive Störungen (SBB-DES, FBB-DES) und Angststörungen (SBB-ANG, FBB-ANG) zum Einsatz. Die interne Konsistenz für die Gesamtskala des Selbst- und Fremdbeurteilungsbogens-Depressive Störungen liegen bei ά = .88. Beim Fremdbeurteilungsbogen-Angststörungen ließ sich eine interne Konsistenz der Subskalen zwischen ά = 73 und ά = 91 ermitteln Im SelbstbeurteilungsbogenAngststörungen liegen die ermittelten Konsistenzen etwas niedriger, aber immer noch im zufrieden stellenden Bereich, mit Ausnahme der Skala spezifische Phobie mit ά. = 65. Für den Fremdbeurteilungsbogen- Hyperkinetische Störungen ließen sich zufrieden stellende bis sehr gute Konsistenzen ermitteln (zwischen ά = .80 und ά = .94). Beim Selbstbeurteilungsbogen-Hyperkinetische Störungen lagen die Werte im zufrieden stellenden Bereich bis auf die Subskala Impulsivität. Hier wurde ein deutlich geringerer Wert gefunden (ά = .68) (Görtz-Dorten, 2005). Eine Normierung der Bögen liegt getrennt für Altersgruppen und Geschlecht vor (Görtz-Dorten, 2005) Die Selbstbeurteilungsbögen werden von den Jugendlichen zur Prä-, Post- und zur Katamnesen-Messung nach zwei Monaten und neun Monaten ausgefüllt. Die Eltern füllen die Fremdbeurteilungsbögen der drei Störungsbereiche nur zur Prä-Messung und Katanmesen Messung aus, da sie ihre Kinder während der stationären Behandlung nur am Wochenende sehen und somit ihre Einschätzungen zur Post-Messung auf einer zu geringen Beobachtungszeit basieren würden. Im Folgenden wird ein Verfahren aus dem Therapieprogramm für Jugendliche mit Selbstwert-, Leistungs- und Beziehungsstörungen vorgestellt (SELBST, Walter et al., 2006). Der SELBST-Fragebogen im Jugendlichen- und Elternurteil (SELBST-JF, -EF). Da dieses Verfahren noch nicht psychometrisch überprüft wurde, ist es mit Vorsicht zu interpretieren. Es fand schon erste Anwendungen 48 bei Walter (2004) und Walter et al (2005). Exemplare der Fragebögen befinden sich im Anhang. 3.7.1 S-SELBST-Fragebögen – Aufteilung der Items In der vorliegenden Arbeit wurde eine erste Fassung des sich in den letzten Jahren in Entwicklung befindlichen SELBST-Fragebogens für Jugendliche und Eltern (SELBST JF, -EF, Walter et al., 2006) eingesetzt. Der SELBSTFragebogen erfasst adoleszentenspezifische Probleme im Bereich des Selbstwertes, der Beziehungen und des Leistungsverhaltens. Der Fragebogen besteht aus 23 Items, die zu den fünf folgenden Skalen zusammengefasst wurden: Items 1 - 8: Selbstwertprobleme Items 9 - 14: Beziehungsprobleme Items 15 – 18: Leistungsprobleme Item 19: Schulbesuchsprobleme Items 20 – 23: Angst und Somatisierung Die Jugendlichen und Eltern können auf einer vierstufigen Skala (von 0 = „nie“ bis 3 = „fast immer“) einschätzen, ob die formulierten Aussagen zutreffen. In der vorliegenden Untersuchung werden der SELBST-Fragebogen für Jugendliche und deren Eltern zur Prä-Messung und zur Katamnesen-Messung ausgefüllt. Der Beurteilungszeitraum bezieht sich jeweils auf die letzten beiden Monate. 49 4. Ablauf der Studie 4.1 Jugendlichenurteil Bei Aufnahme auf Station wurde eine Eingangsmessung (Prae-Messung) mit einem Beurteilungszeitraum, der die letzten zwei Monate umfasste, erhoben. Von den Jugendlichen beantwortet wurde der Fragebogen für Jugendliche (YSR), die deutsche Fassung des Youth Self-Report der Child Behavior Checklist. Der YSR ist für Kinder und Jugendliche zwischen 11 und 18 Jahren geeignet. Die faktorielle Validität und die Reliabilität der Problemskalen konnte auch für deutsche Stichproben weitgehend bestätigt werden. Die Normierung erfolgte anhand einer umfangreichen bundesweit repräsentativen Stichprobe von annähernd 1800 Kindern und Jugendlichen. Es liegen getrennte Normen (Prozentränge und T-Werte) für Jungen und Mädchen vor. Der erste Teil des YSR ist mit dem Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen (CBCL 4-18) weitgehend identisch. Im zweiten Teil wurden bis auf 16 alle Items des Elternfragebogens übernommen. Wie beim Elternfragebogen werden die Items des ersten Teils zu drei Kompetenzskalen zusammengefasst und aus den Items des zweiten Teils des Fragebogens werden acht mit dem Elternfragebogen weitgehend identische Problemskalen gebildet. Neben dem Fragebogen stehen ein Auswertungsbogen für die Handauswertung mit deutschen Normen, eine Handanweisung mit deutschen Normen und Auswertungsschablonen, das englische Manual und eine Zusammenfassung deutschsprachiger Forschungsergebnisse zur Verfügung (Döpfner, 1998). Des weiteren füllten die Jugendlichen den SBB-DES (Depressivität), den SBBHKS (Hyperkinetische Störung), den SBB-ANG (Angststörung), den LAVI (Lern- und Arbeitsverhalten), den DIKJ-Fragebogen (Denken und Fühlen), den AFS (Ängste und soziale Erwünschtheit), den PHOKI, mit dessen Hilfe man Aussagen über die schulischen Ängste, Trennungsängste und sozialen Ängste der Jugendlichen machen kann, einen S-Selbst-J2M-Fragebogen (Selbstbeurteilungsbogen) und den HAWIK-III (bis 16; 11 Jahre) bzw. HAWIE-R (ab 17; 0 Jahre) zur Einschätzung der Intelligenz des Jugendlichen aus. 50 4.2. Elternurteil Der CBCL 4-18 ist der Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen. Hierbei handelt es sich um die deutsche Fassung der Child Behavior Checklist for ages 4-18, die mittlerweile in mehr als 50 Sprachen übersetzt ist. International liegen mehr als 2000 Studien mit diesem Fragebogenverfahren vor. Der Fragebogen erfasst im ersten Teil das Urteil von Eltern über psychosoziale Kompetenzen und im zweiten Teil das Urteil über Verhaltensauffälligkeiten, emotionale Auffälligkeiten und somatische Beschwerden von Kindern und Jugendlichen im Alter von 4 bis 18 Jahren. Die Items des ersten Teils werden zu drei Kompetenzskalen (Aktivitäten, soziale Kompetenz und Schule) zusammengefasst. Aus den Items des zweiten Teils des Fragebogens werden acht Problemskalen gebildet. Die Skalen Sozialer Rückzug; Körperliche Beschwerden; Ängstlich/Depressiv werden zu der übergeordneten Skala Internalisierende Auffälligkeiten zusammengefasst. Die Skalen Dissoziales Verhalten und Aggressives Verhalten bilden die übergeordnete Skala Externalisierende Auffälligkeiten. Die restlichen drei Skalen mit den Bezeichnungen Soziale Probleme; Schizoid/Zwanghaft und Aufmerksamkeitsprobleme sind keiner übergeordneten Skala zugeordnet. Der Gesamtauffälligkeitswert umfasst 118 Items. Die faktorielle Validität und die Reliabilität der Problemskalen konnte auch für deutsche Stichproben weitgehend bestätigt werden. Die Normierung erfolgte anhand einer umfangreichen bundesweit repräsentativen Stichprobe von annähernd 2900 Kindern und Jugendlichen. Es liegen getrennte Normen (Prozentränge und TWerte) für Jungen und Mädchen im Alter von 4 bis 11 und von 12 bis 18 Jahren vor. Die Ergebnisse können mit den gleichartig aufgebauten Lehrerfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen (TRF) und dem Fragebogen für Jugendlichen (YSR) verglichen werden, wodurch eine Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten Perspektiven ermöglicht und Verhaltenskompetenzen wird. Neben dem aus Fragebogen mehreren stehen Auswertungsbögen für die Handauswertung (für Jungen und Mädchen getrennt) mit deutschen Normen und Auswertungsschablonen, das englische Manual und eine Zusammenfassung deutschsprachiger Forschungsergebnisse zur Verfügung (Döpfner, 1998). 51 Und wie die Jugendlichen füllten die Eltern noch folgende Fragebögen aus: SSELBST-E2M, FBB-DES, FBB-ANG. Beim Aufnahmegespräch einen SSELBST-Fragebogen über die vorangegangene Woche. 4.3 Verlaufsmessung Daraufhin wurde eine Verlaufsmessung während der gesamten Zeit des stationären Aufenthalts vorgenommen unter Miteinbeziehung des Pflegeteams. Bei allen S-SELBST-Bögen wurde versucht, die individualisierten Probleme der Jugendlichen, direkt oder durch Rücksprache mit dem behandelnden Arzt oder Therapeuten zu erfassen. Die Verlaufsmessung wurde in diese Arbeit nicht mit einbezogen. 4.4 Abschlussmessung (Post) Der dritte Teil der Datenerhebung besteht aus einer Abschlussmessung (Postmessung) bei Entlassung mit dem Beurteilungszeitraum über den stationären Aufenthalt anhand der bekannten Fragebögen für die Jugendlichen und deren Eltern. 4.5 Katamnese 1(K1) Der vierte Teil stellt die Katamnese 1 (K1) dar, die Auskunft über das Befinden des Patienten über einen Beurteilungszeitraum von mindestens 8 Wochen nach Entlassung gibt. Die verwendeten Fragebögen entsprechen denen der Eingangsdiagnostik. 4.6 Katamnese 2 (K2) Der fünfte Teil stellt die Katamnese 2 (K2) dar. Diese wurde im Durchschnitt nach ca. 9,2 Monaten (SD=3,2 Monate) nach Entlassung erhoben. Der Beurteilungszeitraum umfasst wieder die letzten zwei Monate. Hierfür wurden jeweils nur noch die S-Selbst-Fragebögen verwendet. 52 5. Methodik 5.1 Verwendete Verfahren der Datenanalyse (Untersuchungsdesign) Für die statistischen Analysen wurde das Programmpaket SPSS Version 12.0 verwendet. In Kapitel 7 wurde analysiert, ob sich die Gruppe der Jugendlichen, die sich kooperativ zeigte und die Fragebögen ausgefüllt zurücksendete, in zentralen Punkten von der Gruppe, die das Zurücksenden verweigerte, signifikant unterscheidet. Hierbei wurden bei metrischen Variablen t-Tests für unabhängige Stichproben berechnet und bei Vergleich der Häufigkeiten von zwei nominalen Merkmalen der Chi-Quadrat-Test nach Pearson, bzw. der exakte Test nach Fischer, falls eine der erwarteten Häufigkeiten pro Zelle kleiner als fünf war (vgl. Bühl & Zöfel, 2002, S. 240). Für die Überprüfung der gruppenstatistischen Berechnungen mit zwei Messzeitpunkten (der Vergleich der Mittelwerte der Patienten auf den einzelnen Verfahren zur Prä-Messung mit den Mittelwerten der Post-Messung) wurden t-Tests für abhängige Stichproben berechnet. Für die gruppenstatistischen Berechnungen mit vier Messzeitpunkten (Vergleich der Mittelwerte der Patienten zur Prä-, Post-, ersten und zweiten Katamnesen-Messung) wurden einfaktorielle Varianzanalysen mit Messwiederholung berechnet. Hierbei wurde sich bei den multivariaten Tests für die Pillai-Spur entschieden, da sich dieser Test am robustesten gegenüber möglichen Fehlerquellen, im Sinne von Verletzungen statistischer Voraussetzungen, erwiesen hat (vgl. Bühl & Zöfel, 2002, S. 409). Die multivariaten Tests Pillai-Spur, Hotelling und Wilks-Lamda gelangen ohnehin in den meisten Fällen zu den gleichen Ergebnissen (vgl. Diehl & Staufenbiehl, 2001; Bühl & Zöfel 200). Von der Prüfung der Sphärizität (Zirkularität) mittels des Mauchly-Tests konnte im Rahmen des multivariaten Pillai-Spur-Tests abgesehen werden (vgl. Diehl & Staufenbiehl 2001, S. 303). Für die Prüfung der a priori formulierten Hypothesen bezüglich der Veränderungen der untersuchten Variablen über die vier Messzeitpunkte wurden wiederholte Kontraste für die Einzelvergleiche der vier Messzeitpunkte berechnet. Hiermit konnte überprüft werden, ob, wie in den Hypothesen vermutet, die Auffälligkeiten der Patienten von der Prä- zur Postmessung signifikant zurückgehen und zu beiden Katamnesen-Messungen stabil bleiben. 53 Die statistischen Berechnungen erfolgten jeweils auf Rohwertebene. Als Signifikanzniveau wurde ein α von .05 festgelegt. Um die Stärke der Veränderungen über die Messzeitpunkte abschätzen zu können, wurde die standardisierte Mittelwertdifferenz d für abhängige Stichproben nach Cohen (1988) berechnet. Hierbei wurden folgende Grenzwerte für die Interpretation der Effektstärken zugrunde gelegt: Geringe Effekte bei einem d ≥ 0.20, mittlere Effekte bei einem d ≥ 0.50 und große Effekte bei einem d ≥ 0.80 (vgl. Cohen 1988). Bei der Berechnung der einfaktoriellen Varianzanalysen mit Messwiederholung wurde zusätzlich zur standardisierten Mittelwertdifferenz d, das partielle Eta² angegeben, das den prozentualen Anteil an aufgeklärter Varianz beschreibt. In der vorliegenden Studie wurden eine Reihe explorativer Fragestellungen bearbeitet. Dies hatte zur Folge, dass insgesamt sehr viele statistische Tests berechnet wurden. Um der daraus resultierenden Kumulierung des α-Fehlers zu begegnen wurde eine α-Fehler-Adjustierung nach Bonferoni vorgenommen. Im Zuge dessen wurden auch jeweils die beiden Einzelvergleiche, die bei den einfaktoriellen Varianzanalysen mit Messwiederholung berechnet wurden, mit Hilfe der Bonferoni-Korrektur α-adjustiert (Bortz 1999, S.260). Für die zahlreichen explorativen Hypothesen wurde ein korrigiertes α` von 0.002 errechnet. Hier gilt, dass die Mittelwertunterschiede für ein p kleiner als 0.002 auch nach der α-Adjustierung auf einem α-Niveau von 5 % signifikant bleiben. Fehlende Werte aus einzelnen Messinstrumenten wurden fallweise durch den individuellen Mittelwert der Jugendlichen ersetzt bzw. durch Gruppenmittelwerte. 5.2 Ein- und Ausschlusskriterien Die Stichprobe setzt sich aus Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren zusammen, die den Schulbesuch mindestens zwei Wochen vor Aufnahme eingestellt hatten und bei denen mindestens eine der folgenden Diagnosen vorkam: 54 • Stationäre Therapie im Zeitraum von Januar 2004 bis August 2005 • spezifische/soziale Phobie; generalisierte Angststörung • emotionale Störung mit Trennungsangst • depressive Episode/rezidivierende depressive Störung, anhaltende affektive Störung • kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen • zusätzlich musste die Bereitschaft der Eltern zur Teilnahme an wöchentlichen Elterngesprächen sichergestellt sein. Ausgeschlossene Diagnosen waren geistige Behinderung (SW>70), Anorexia/ Bulimia nervosa, Psychose, Persönlichkeitsstörungen, schwerer Alkohol-/ Drogenabusus und ausgeprägte Delinquenz bzw. Dissozialität. 5.3 Klassifikation und Symptomatik Die Diagnostik von psychischen Störungen basiert auf zwei Ansätzen, dem kategorialen einerseits und dem dimensionalen andererseits. Das Psychopathologische Befund-System für Kinder und Jugendliche (CASCAP-D) ist ein Verfahren, welches auf dem dimensionalen Ansatz basiert. Die dimensionale Diagnostik beschreibt psychische Personenmerkmale entlang eines Kontinuums und anhand von empirisch gewonnenen Daten. Dem Ansatz liegt eine Kontinuitätsannahme zugrunde, welche besagt, dass es fließende Übergänge zwischen normalen und pathologischen psychischen Prozessen gibt. Die wichtigsten klinischen Klassifikationssysteme in der kategorialen Diagnostik sind die ICD-10 und das DSM-IV. Beide begründen sich in dem Ansatz, dass es zwischen normalen und pathologischen psychischen Prozessen eine klare Grenze gibt. Daher beinhalten die Klassifikationssysteme vornehmlich sich gegenseitig ausschließende Kategorien. Das Symptom der Schulverweigerung stellt weder nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen der WHO ICD-10 noch nach dem amerikanischen diagnostischen und statistischen Manual psychischer Störungen DSM-IV eine eigenständige Diagnose dar (Lehmkuhl, U. & Lehmkuhl, G., 2004). 55 Eine gängige Unterteilung trennt zwischen Kindern und Jugendlichen, die wegen Ängsten und Furcht zu Hause bleiben, und solchen, die an der Schule wenig Interesse zeigen und sich Regeln widersetzen. Egger et al. beschreiben das Verhalten der ersten Gruppe als „school refusal", „anxious school refusal", „school phobia" oder als eine Variante der Trennungsangst in Abgrenzung zum Schulschwänzen (truency). Der Begriff der Schulphobie wurde zuerst von Johnson et al. für eine Gruppe von Kindern geprägt, bei denen schulbezogene Ängste und Trennungsschwierigkeiten vorlagen. Bei der Heterogenität der Probleme wundert es daher nicht, dass in den verschiedenen Gruppen von Schulabsentismus unterschiedliche klinische Diagnosen zu finden sind: bei Schülern mit dissozialer Schulverweigerung vor allem Störungen des Sozialverhaltens, angstbedingter aber auch Depressionen; Schulabwesenheit vor bei allem den Schülern Depressionen mit und Trennungsängste, aber auch Störungen des Sozialverhaltens. Am weitaus häufigsten wurden jedoch psychische Störungen sowohl aus dem expansiven als auch aus dem emotionalen Formenkreis bei Schülern mit kombiniertem dissozialem und angstbedingtem Schulabsentismus beobachtet (Egger et al., 2003). 5.4 Datenerhebung in dieser Studie In dieser Studie erfolgte bei Aufnahme eine klinische Exploration der Eltern, des Jugendlichen und – falls möglich – der Erzieher bzw. Lehrer. An dieser Stelle ging es um eine erste Einschätzung der Problematik durch den Therapeuten bzw. Arzt (Döpfner et al., 2000b). Auf der ersten klinischen Exploration aufbauend wurde eine umfassende Verhaltens- und Psychodiagnostik durchgeführt, die aus zwei Phasen bestand (Döpfner et al., 2000b). Im Rahmen dieser werden die psychischen Auffälligkeiten und psychosozialen Kompetenzen des Jugendlichen erfasst. In der ersten Phase wurden so genannte Basisverfahren angewandt, die eine große Bandbreite an psychischen Störungen abdecken (vgl. Döpfner et al. 2000b). Sie sollten bei allen Störungsbildern zum Einsatz kommen, da häufig mehr als nur eine einzige Störung bei den Jugendlichen vorlag. Die zweite Phase baut auf der ersten auf. In Abhängigkeit von den Ergebnissen aus der ersten Phase wurden 56 störungsspezifische Diagnostikverfahren eingesetzt mit Hilfe derer man sich ein differenziertes Bild der einzelnen Störungen machen kann (Döpfner et al., 2000b). Um ein möglichst umfassendes Bild der Problematik zu erhalten, sind beide Phasen der Verhaltens- und Psychodiagnostik multimodal aufgebaut. Das Konzept erfasst verschiedene Aspekte der Diagnostik. Es werden verschiedene Ebenen psychischer Störungen (kognitive, emotionale und Handlungsebene) erfasst, wobei unterschiedliche Methoden zum Einsatz kommen (Verfahren zur Erfassung des klinischen Urteils, des Urteils von Eltern, Erziehern, Lehrern und des Patienten selbst sowie die Verhaltensbeobachtungen und Testleistungen etc.). Die Situationsabhängigkeit von Verhaltensauffälligkeiten (in der Familie, Schule etc.), die individuellen Ausprägungen der Störungen wurden berücksichtigt und somit Hinweise für Therapiemaßnahmen und Erfolgskontrollmöglichkeiten abgeleitet. Aus der Integration der Ergebnisse der mulimodalen Verhaltens- und Psychodiagnostik lassen sich sowohl eine kategoriale Diagnose nach ICD-10 oder DSM-IV, als auch eine dimensionale Beschreibung der psychischen Auffälligkeiten ableiten. Die niedrig strukturierte klinische Exploration des Jugendlichen und seiner Bezugspersonen orientiert sich an den Beschwerden und Problemen, die der Jugendliche und die Bezugspersonen äußern. Dieses klinische Vorgehen ist ausgesprochen flexibel. Hierbei steht die systematische Erfassung psychopathologischer Merkmale im Vordergrund. Anhand dieses Vorgehens können sowohl die von den Bezugspersonen oder von dem Jugendlichen explorierten als auch in der Untersuchungssituation direkt beobachtbaren Symptome bewertet werden. Nach einer allgemeinen klinischen Exploration wurden Diagnosechecklisten für die detaillierte Informationssammlung eingesetzt, um eine spezifische Symptomatik abzuklären. Solche Checklisten (wie man sie z.B. im DISYPS-KJ findet) weisen einen relativ hohen Strukturierungsgrad auf. Die Auswertung der Diagnosechecklisten erfolgt erstens kategorial und zweitens dimensional. 57 5.5 Eigene Fragestellung: Bleiben die Veränderungen während der stationären Therapie auch über einen Katamnesezeitraum von etwa neun Monaten stabil? In der vorliegenden Arbeit soll die Langzeitstabilität einer multimodalen stationären Kurzzeittherapie mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen für die Behandlung von Jugendlichen mit emotional bedingtem Schulabsentismus überprüft werden. Die vorliegende Untersuchung baut auf die Arbeit von Ziegert (2006) auf, die an der gleichen Stichprobe (N = 47) über einen Katamnesezeitraum von zwei Monaten erste Hinweise auf eine Stabilität der Therapieeffekte nachweisen konnte. Die verwendeten Fragebögen wurden in Kapitel vier beschrieben. Zum Ende der Behandlung konnte bei Ziegert (2006) bei 90% der Jugendlichen ein regelmäßiger Schulbesuch wiederhergestellt werden oder eine Maßnahme zur Berufsvorbereitung eingeleitet werden. Zwei Monate nach Entlassung besuchten 80% die Schule bzw. eine berufsvorbereitende Maßnahme regelmäßig. Die depressiven und ängstlichen Symptome wiesen vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zur Entlassung im Selbst- und Fremdurteil einen signifikanten Rückgang auf. Dabei wurden mit Hilfe des Depressionsinventars für Kinder und Jugendliche (DIKJ) und dem Selbst- und Fremdbeurteilungsbogen Depressive Störungen (SBB-DES, FBB-DES) die Veränderungen der depressiven Symptome von Ziegert (2006) beschrieben. Zum Zeitpunkt der Prae-Messung (DIKJ) befanden sich 56,7% der Patienten im klinisch auffälligen Bereich, zum Zeitpunkt der Post-Messung waren dies nur noch 10% und zwei Monate nach Entlassung 23,3%. Zum Zeitpunkt der Prae-Messung (SBB-DES) befanden sich 63,3% der Patienten im klinisch auffälligen Bereich, zum Zeitpunkt der Post-Messung waren dies nur noch 23,3% und zur Katamnesenmessung 27,6%. Zur Prae-Messung (FBB-DES) waren 87% und zur Katamnesenmessung nur noch 43,8% im klinisch auffälligen Bereich. 58 Das Jugendlichenurteil über die Angstsymptome wurde mittels des Selbstbeurteilungsbogens Angststörungen (SBB-ANG) erhoben. Zum Zeitpunkt der Prae-Messung befanden sich 50% der Patienten im klinisch auffälligen Bereich. Zum Zeitpunkt der Post-Messung nur noch 20% und zwei Monate später 25%. Das Elternurteil wurde entsprechend mit dem Fremdbeurteilungsbogen (FBB-ANG) ermittelt, mit dem Ergebnis, dass zur Prae-Messung 83,3% im auffälligen Bereich lagen und zwei Monate später nur noch 56,3%. Der Rückgang der schulischen Ängste, sozialen Ängste und Trennungsängste wurde mit dem PHOKI, dem Phobiefragebogen für Kinder erfasst. Auf der Skala der schulischen Ängste lagen zu Beginn der Behandlung 51,7% im auffälligen Bereich, zur Katamnesenerhebung nur noch 16,7%. Auf der Skala soziale Ängste lagen 44,8% bei Aufnahme im auffälligen Bereich, bei Katamnesenmessung 16,7%. Auf der Skala Trennnungsangst waren es zu Beginn 24,1% und zwei Monate nach Entlassung noch 6,7%. Auf allen drei Skalen war ein deutlicher Rückgang der Symptome zu verzeichnen der in den zwei Monaten bis zur Katamnesenmessung tendenziell als stabil anzusehen ist. Des weiteren wurden die Ergebnisse zu den Punkten Schulunlust, Prüfungsangst und Manifeste Angst (AFS) von Ziegert (2006) veröffentlicht. Auf der Skala Schulunlust befanden sich zu Beginn der Behandlung 54% der Patienten im klinisch auffälligen Bereich und zum Ende der Behandlung nur noch 3% und nach zwei Monaten 10%. Auf der Skala Prüfungsangst befanden sich zum Zeitpunkt der Prae-Messung 23% der Patienten im klinisch auffälligen Bereich. Zum Zeitpunkt der Post-Messung sind dies nur noch 10% und noch 3% zum Zeitpunkt der Katamnese. Auf der Skala Manifeste Angst befinden sich zu Beginn der Behandlung 40% der Patienten im klinisch auffälligen Bereich. Zum Zeitpunkt der Post-Messung sind dies nur noch 27% und 24% zwei Monate nach Entlassung. Auch hier lässt sich eine tendenzielle Stabilität der Werte erkennen. Vor der Behandlung lagen 40% der Jugendlichen mit ihren Werten auf der Gesamtskala des YSR (Youth Self Reort) im klinisch auffälligen Bereich. Zur Katamensenmessung lag dieser Anteil nur noch bei 13,3%. 59 Zur Prae-Messung des CBCL (Child Behaviour Checklist) beschreibt Ziegert (2006) , dass 78,1% der Eltern ihre Kinder auf der Gesamtskala als klinisch auffällig einschätzen und zur Katamnesenmessung nur noch 34,4%. Nach Auswertung des S-SELBST-J2M-Fragebogens, kommt Ziegert (2006) zu der Schlussfolgerung, dass die Jugendlichen bei Entlassung signifikant weniger über Leistungs- und Selbstwertprobleme berichteten als vor der Therapie. Die Beziehungsprobleme gingen im Jugendlichenurteil tendenziell zurück. Zwei Monate nach Entlassung werden diese positiven Veränderungen als weitgehend stabil beschrieben. Über die Eltern (S-SELBST-E2M) lässt sich sagen, dass sie bei ihren Kindern nach der stationären Behandlung signifikant weniger Leistungs-, Selbstwertund Beziehungsprobleme beobachteten als vor der Therapie. Zwei Monate nach Entlassung werden diese positiven Veränderungen ebenfalls als weitgehend stabil beschrieben. Die Fragebögen zur Beurteilung der Behandlung (Mattejat & Remschmidt, 1998) gibt es in drei unterschiedlichen Versionen: Die Version für den Therapeuten, den Patienten (Jugendliche ab 12 Jahren) und die Eltern. So kann der Behandlungserfolg (Ergebnisqualität) und der Behandlungsverlauf (Prozessqualität) aus drei unterschiedlichen Perspektiven eingeschätzt werden. Die interne Konsistenz liegt für die verschiedenen Fragebogenversionen mit ihren Subskalen im Mittel bei über a = .80. Mattejat und Remschmidt (1998) bieten für die Mittelwerte der einzelnen Skalen des FBB Interpretationshilfen an. Der Mittelwert der einzelnen Skalen kann zwischen 0 und 4 liegen. Je höher der Wert ist, desto positiver wird die Behandlung bewertet. Mittelwerte von 0 bis 0.5 stehen für eine als „völlig erfolglos“ eingeschätzte Behandlung, eine „völlige Unzufriedenheit“ mit der Prozessqualität und eine „schlechte“ Gesamtbeurteilung der Behandlung. Mittelwerte zwischen 0.5 und 1.5 sprechen für eine als „überwiegende „überwiegend erfolglos“ Unzufriedenheit“ mit eingeschätzte der Therapie, Prozessqualität und eine einer Gesamtbenotung der Therapie als „unzureichend“. Mittelwerte zwischen 1.5 und 2.5 sprechen für eine „teilweise erfolgreiche“ Behandlung, eine „teilweise zufrieden stellenden“ Prozessqualität und eine Gesamtbeurteilung der Behandlung als „mäßig“. Mittelwerte zwischen 2.5 und 3.5 stehen für eine 60 „überwiegend erfolgreiche“ Behandlung mit einer „überwiegend zufrieden stellenden“ Prozessqualität und einer „guten“ Gesamtbeurteilung der Behandlung. Ein Mittelwert zwischen 3.5 und 4 steht für eine „vollständig zufrieden stellende“ Behandlung, mit einer „vollständig zufrieden stellenden“ Prozessqualität und einer „sehr guten“ Gesamtbeurteilung. In der vorliegenden Studie wird der Fragebogen zur Post-Messung von den Jugendlichen, deren Eltern und den behandelnden Therapeuten ausgefüllt. Ziegert (2006) beschreibt die Ergebnisse dieses Tests in ihrer Arbeit wie folgt. Der Therapieerfolg wurde durch die behandelnden Therapeuten hinsichtlich der Ergebnisqualität, der Prozessqualität und der Gesamtqualität beurteilt (Mattejat & Remschmidt, 1998). Die Ergebnisqualität hinsichtlich des Therapieerfolges des Patienten betrug im Mittel M = 2.72 (SD = 0.96) und konnte somit als überwiegend erfolgreich eingestuft werden. In Bezug auf die Familie wurde dieser als teilweise erfolgreich eingestuft (M = 2.03, SD = 0.74). Die Prozessqualität, d. h. die Kooperation von Patient (M = 2.74, SD = 0.78), Mutter (M = 2.93, SD = 0.78) und Vater (M = 2.92, SD = 0.71) wurde von allen drei Gruppen als überwiegend zufrieden eingeschätzt. Die Gesamtbeurteilung der Behandlung durch den Therapeuten fiel im Mittel gut aus (M = 2.62, SD = 0.60). Der Therapieerfolg wurde ebenfalls durch die Patienten hinsichtlich der Ergebnisqualität, der Prozessqualität und der Gesamtqualität beurteilt. Im Mittel schätzten die Patienten die Behandlung als überwiegend erfolgreich ein (M = 2.64, SD = 0.90). Mit dem Therapeuten waren sie überwiegend zufrieden (M = 2.93, SD = 0.92), mit den Rahmenbedingungen der Behandlung nur teilweise zufrieden (M = 2.22, SD = 0.64). Insgesamt benoteten sie die Therapie als gut. Die Eltern beurteilten die Behandlung als überwiegend erfolgreich (M = 2.81, SD = 0.83). Mit dem Verlauf der Behandlung (Prozessqualität) waren die Eltern überwiegend zufrieden (M = 3.84, SD = 0.58). Insgesamt beurteilten auch die Eltern die Behandlung als gut (M = 3.26, SD = 0.60). In der Arbeit von Ziegert (2006), wie in der vorliegenden Arbeit, dürfen die Stabilitäten der gewonnenen Daten allerdings nicht überschätzt werden, da von einem Drittel der Patienten die Beantwortung der zur Katamnese, entweder nach zwei oder nach neun Monaten, erhobenen Fragebögen verweigert wurde. Durch das Fehlen einer Kontrollgruppe kann eine Spontanremission nicht 61 sicher ausgeschlossen werden und die positiven Ergebnisse nicht sicher auf den alleinigen Erfolg der kognitiv-verhaltenstherapeutischen Behandlung zurückgeführt werden. In ambulanten Therapiestudien (s. Kapitel 2), in denen sowohl Kinder als auch Jugendliche untersucht wurden, konnten Hinweise auf die Wirksamkeit von kognitiv-verhaltenstherapeutischen Interventionen bei der Behandlung von emotional bedingtem Schulabsentismus aufgezeigt werden. So konnte beispielsweise im Anschluss an die Behandlung bei 55 bis 88% der behandelten Patienten ein regelmäßiger Schulbesuch wiederhergestellt werden (King et al., 1998; Last et al., 1998; Heyne et al., 2002). Bei Datenerhebungen ein bis vier Monate nach Therapie besuchten noch 60 bis 82% der ehemaligen Patienten regelmäßig die Schule (King et al., 1998; Last et al., 1998; Heyne et al., 2002). Die ängstlichen Symptome der Jugendlichen gingen im Verlauf der Behandlung signifikant zurück (King et al., 1998; Last et al., 1998; Heyne et al., 2002). Auch nach im Mittel viereinhalb Monaten zeigten sich die Patienten weniger stark psychisch belastet als zu Beginn der Behandlung (Heyne et al., 2002). In den Untersuchungen von McShane et al. (2001) und Borchardt et al. (1994) zeigte sich, dass stationär behandelte Patienten mit Schulabsentismus psychisch stärker beeinträchtigt sind als die ambulant behandelten Patienten. In Kapitel 2 wurden bereits Studien vorgestellt, die stationäre Therapieeffekte beurteilen. Darin wird beschrieben, dass es 93 bis 100% der Jugendlichen gelingt, im Anschluss an die stationäre Therapie, die Schule regelmäßig zu besuchen (Weiss & Cain, 1964; Berg, 1979; Kammerer & Mattejat, 1981; Walter et al., 2005). Etwa 18 Monate nach Entlassung gehen noch 50 bis 70% der ehemaligen Patienten regelmäßig in die Schule (Kammerer & Mattejat, 1981; Berg, 1970; Blagg & Yule, 1984). Allerdings zeigt sich in den Studien von Weiss & Cain (1964) und Berg (1970), dass ein großer Anteil der Patienten auch nach der Entlassung noch stark psychisch beeinträchtigt ist. Die Wirksamkeit von kognitiv-therapeutischen Ansätzen wurde in einem stationären Setting bisher noch nicht an einer größeren Stichprobe von Schulverweigerern überprüft. 62 Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, festzustellen, ob die multimodale stationäre Kurzzeittherapie mit kognitiv-verhaltenstherapeutischem Behandlungsansatz bei Jugendlichen mit emotional bedingtem Schulabsentismus dazu führt, dass die behandelten Jugendlichen im Anschluss an die stationäre Therapie wieder regelmäßig die Schule besuchen, dass ihre Selbstwertprobleme, ihre Beziehungsprobleme, ihre Leistungsprobleme, ihre Ängste und Schulbesuchsprobleme nach der Therapie weniger stark ausgeprägt sind und ob diese Effekte auch noch neun Monate nach Entlassung stabil sind. 63 6. Beschreibung der Stichprobe 6.1 Selektionsprozess der Gesamtstichprobe In die Studie mit eingeschlossen wurden Jugendliche, die zwischen Januar 2004 und August 2005 einen oder auch bis zu drei Aufenthalte auf der Jugendstation hatten und von denen eine Katamnesenerhebung im Zeitraum von durchschnittlich 9 Monaten nach Entlassung erhoben werden konnte. Bei allen Patienten lag ein unregelmäßiger Schulbesuch vor, mit im Mittel ca. 138 vermerkten Fehlstunden im letzten Zeugnis. Von diesen sind 82,6 Prozent die letzten zwei Wochen vor der stationären Aufnahme gar nicht mehr in die Schule gegangen. Wie in Abbildung 1 veranschaulicht, waren anfangs 80 potentielle Studienteilnehmer im Screening, von denen aber nur 61 die Kriterien erfüllten. Von diesen 61 wiederum erschienen nur 53 zur Aufnahme. Die acht, die nicht erschienen, litten unter einer ausgeprägten Trennungsangst. Einen regulären Verlauf konnten 45 der Patienten aufweisen, bei zwei kam es zu einer erneuten Aufnahme, wobei eine durch einen richterlichen Beschluss erfolgte. Screenings N=80 (Januar 2004-August 2005) nein Kriterien erfüllt? N=19 ja N=61 nein zur Aufnahme erschienen? N=8 (ausgeprägte Trennungsangst) ja N=53 nein regulärer Verlauf? N=8 (Abbruch, Trennungsangst) ja N=45 erneute Aufnahme: N=2 (1* per richterlichem Beschluss) Stichprobe: N=47 Abbildung 1: Screening der Gesamtstichprobe 64 6.2 Stichprobenkriterien Im Folgenden werden die 47 Patienten der Gesamtstichprobe, die alle Einschlusskriterien (s. Kapitel 3.2) erfüllten, auf zentralen Maßen beschrieben. 6.2.1 Persönliche Daten • Alter und Geschlecht Stichprobenumfang für den Prä-/Post-Vergleich ist n = 47 Jugendliche, die zu Studienbeginn zwischen 12,8 und 17,9 Jahre alt waren (M=15,7; SD=1,2). 26,1% der Jugendlichen sind zwischen zwölf und 14 Jahre alt, 72,9% sind zwischen 15 und 18 Jahre alt. 52,2 Prozent davon sind männlich und 47,8 Prozent weiblich. • Intelligenz Dem Alter entsprechend wurden die Jugendlichen entweder mittels des HAWIK-III (Tewes et al., 1999) bzw. des HAWIK-R (Tewes, 1991) auf ihre Intelligenz getestet. Insgesamt liegen die Patienten im Mittel auf einem Wert von SW=96.5 (SD=12.73). Die Spannbreite geht von SW=74 bis SW=134. • Trennung der Eltern 53,2% der Jugendlichen (N=25) wurden nicht mit einer Trennungs- bzw. Scheidungssituation der Eltern konfrontiert. 46,8% (N=22) Patienten haben eine Trennung bzw. Scheidung ihrer Eltern erlebt. • Gruppierte ICD-10-Diagnosen auf Achse 1 An kombinierten Störungen des Sozialverhaltens und der Emotionen, also an einer Kombination aus introversiven und expansiven Störungen litten 14 (30%) der Patienten, an Ängsten und Phobien 21 (44,6%) der Patienten. Die Patienten mit depressiven Episoden und Somatisierungsstörungen waren zu 65 25,4% (N=12) vertreten. 31 (66%) Jugendliche erhalten eine Zweitdiagnose und drei (6,4%) erhielten eine dritte klinisch-psychiatrische Diagnose. • Aufenthaltsdauer, Anzahl der Aufenthalte 80,4% hatten lediglich einen einzigen Aufenthalt von im Mittel 5,6 Wochen. 19,1% (N=9) hatten zwei Aufenthalte und drei Jugendliche hatten drei Aufenthalte im Zeitraum der K2-Erhebung. Insgesamt beläuft sich die Gesamtaufenthaltsdauer im Mittel auf 6,7 Wochen (SD=3,6). 6.2.2 Schulische Daten • Ausmaß des Schulabsentismus und Vorbehandlungen 78,7% (N=37) der Patienten haben den Schulbesuch im Mittel für eine Dauer von M=17 Wochen (SD=12,3; Max=56,0) eingestellt. N=10 Jugendliche wiesen laut dem letzten Schulzeugnis einen stark unregelmäßigen Schulbesuch auf mit im Mittel 84 Fehlstunden (SD=51; Max=200). Vor ihrer Aufnahme auf die Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universitätsklinik Köln hatten acht der 47 in die Studie aufgenommenen Jugendlichen bereits einen stationären bzw. teilstationären Aufenthalt in einem anderen Krankenhaus hinter sich, fünf hatten an einer ambulanten Übungsbehandlung in anderen Einrichtungen teilgenommen. Der größte Anteil mit 55,3%, d.h. 26 Jugendliche hatten zuvor schon einmal an einer ambulanten Psychotherapie andernorts teilgenommen und sechs der 47 Jugendlichen wurden in ihrer Vorgeschichte schon einmal medikamentös behandelt. • Schulform zum Aufnahmezeitpunkt Tabelle 1 gibt die Verteilung der Schulformen an, an denen die Jugendlichen zum Zeitpunkt der Aufnahme angemeldet waren, die sie aber nicht regelmäßig besuchten. Sechs Jugendliche (10,9%) waren auf einer Klinikschule gemeldet und insgesamt 41 Jugendliche (89,1%) waren auf einer Regelschule gemeldet. 66 93,6% (N=44) Jugendliche besuchten zum Zeitpunkt der Entlassung wieder regelmäßig eine Schule. Tabelle 1: Unregelmäßig besuchte Schulform zum Zeitpunkt der Aufnahme Schule • Häufigkeit Prozent Privatschule 6 13,0 Gesamtschule Hauptschule Realschule Gymnasium 7 12 8 8 15,2 26,1 17,4 17,4 Schule für Kranke 6 10,9 Gesamt 47 100,0 Schulische Überforderung 21,3% der Jugendlichen wiesen zum Zeitpunkt der Aufnahme eine schulische Überforderung auf. Die restlichen 78,7% waren laut Testung nicht intellektuell überfordert. Schulische Überforderung wird operationalisiert durch die NichtPassung zwischen dem kognitiven Leistungsniveau eines Jugendlichen und der von ihm besuchten Schulform. Schüler des Gymnasiums müssen im Gesamtteil eines standardisierten, mehrdimensionalen Intelligenztests mindestens einen Standardwert von SW = 105 erreichen, Schüler einer Realschule mindestens einen Wert von 90 und Schüler einer Hauptschule mindestens einen Standardwert von SW = 85, damit man davon ausgehen kann, dass es zu keiner intellektuellen Überforderung des Schülers kommt (Walter, 2004). 67 7. Kooperierer und Verweigerer 7.1. Selektionsprozess der Kooperierer und Verweigerer Die Abbildungen 2 (a,b,c) zeigen den Selektionsprozess der Gesamtstichprobe und die Aufteilung der Patienten in Fragebögen-Kooperierer und FragebögenVerweigerer. Die Kooperierer sind diejenigen Studienteilnehmer, die bereit waren, die Fragebögen ausgefüllt zurückzusenden, die Verweigerer, diejenigen, von denen keine Fragebögen zurückgesandt wurden. Die Fragebögen zum emotionalen Störungsspektrum und zu schulspezifischen Variablen, die nach mindestens zwei Monaten nach Entlassung (Jugendliche: YSR, S-SELBST-J2M, DIKJ, SBB-ANG/-DES/-HKS, PHOKI, AFS, LAVI; Eltern: S-SELBST-E2M, FBB-DES/-ANG/-HKS) und nach mindestens sechs Monaten nach Entlassung (Jugendliche: S-SELBST-J2M; Eltern: S-SELBST-E2M) auf dem Postwege erhoben wurden, wurden von 32 Patienten und von 30 Eltern bearbeitet. 15 Jugendliche und 17 Eltern verweigerten die weitere Teilnahme an der Studie. Stichprobe: N=47 ja Katamnese 1 vollständig? (aktive Verweigerer von Fragebögen) nein Katamnese 2 vollständig? (aktive Verweigerer von Fragebögen) ja N=32 Jugendliche N=30 Eltern nein N=15 Jugendliche N=17 Eltern Abbildung 2 (a): Selektionsprozess der Gesamtstichprobe 68 N=32 Jugendliche N=31 Eltern N=15 Jugendliche N=16 Eltern Abbildung 2 (b): Selektionsprozess der Jugendlichen Abbildung 2 (c): Selektionsprozess der Eltern Abbildung 2: (a) Selektionsprozess der Gesamtstichprobe (N = 47) und Aufteilung der Patienten in Katamnese-Kooperierer und Fragebögen-Verweigerer zum Zeitpunkt der Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) unterteilt in (b) Jugendlichenanteil und (c) Anteil der Eltern 69 7.2. Unterscheidet sich die Gruppe der Kooperierer von der der Verweigerer Im Folgenden wurde untersucht, ob sich die Gruppe der Jugendlichen, die bereit waren, die Fragebögen zum Katamnesezeitpunkt K2 auszufüllen und zurückzusenden (Kooperierer), in zentralen Daten von der unterscheidet, die die Zusammenarbeit verweigerte (Verweigerer), vgl. Tabelle 2 und 3. Die Gesamtstichprobe dieser Arbeit ist mit der von Ziegert (2006) identisch. Die Gruppen der Kooperierer und Verweigerer zum Zeitpunkt der K2-Erhebung unterscheiden sich allerdings voneinander. Sechs Jugendliche, die zu K1 noch verweigerten, haben zu K2 kooperiert und umgekehrt. Bei den Eltern waren es zu K1 31 Kooperierer, von denen zum Zeitpunkt K2 zehn verweigerten und dafür neun der K1-Verweigerer die Fragebögen der K2-Erhebung zurückschickten. 7.2.1 Persönliche Daten • Alter Es gibt beim Alter keinen signifikanten Unterschied zwischen der Gruppe der Kooperierer und der Gruppe der Verweigerer. Das Alter der Kooperierer unterscheidet sich mit M = 15,72 Jahre (SD = 1,25) nicht signifikant von dem der Verweigerer mit M = 15,62 Jahre (SD = 1,23); t = -0,254, p = 0,801. • Geschlecht Die Gruppe der Kooperierer besteht aus 15 männlichen und 17 weiblichen Jugendlichen, während sich die Gruppe der Verweigerer aus zehn männlichen und fünf weiblichen Patienten zusammensetzt. Die beiden Gruppen unterscheiden sich nicht signifikant hinsichtlich des Geschlechts (Chi² = 1,183; p = 0,277). 70 • Intelligenz Der Mittelwertunterschied der Verweigerer (M = 96,93; SD = 12,33) im Vergleich zu den Kooperierern (M = 95,79; SD = 12,81) im Merkmal Intelligenz ist nicht signifikant (t = -2,81; p = 0,78). • Anzahl der Diagnosen (ICD-10) Die beiden Gruppen von Jugendlichen unterscheiden sich nicht signifikant in der Anzahl der komorbiden Diagnosen. In der Gruppe der Kooperierer haben 21,9% eine Diagnose, 62,5% zwei Diagnosen und 15,6% drei Diagnosen. 35,7% der Verweigerer haben eine Diagnose, 42,9% zwei Diagnosen und 21,4% haben drei Diagnosen (Chi² = 1,568; p = 0,456). • Art der Diagnosen Zum Zeitpunkt der K2-Messung haben 23 der Kooperierer eine Phobie bzw. Angststörung, sechs eine Depression bzw. Somatisierungsstörung und drei leiden unter einer emotionalen Verhaltensstörung. Bei den Verweigerern sieht es folgendermaßen aus: sieben haben eine Phobie bzw. Angststörung, fünf eine Depression bzw. Somatisierungsstörung und drei eine Störung der Emotionen (vgl. Abb. 3). Der Unterschied ist nicht signifikant (Chi² = 2,848; p = 0,241). 71 Ängste und Phobien 100% 80% 46,7 71,9 60% 40% 33,3 20% 18,8 20 0% Depressive Episoden/ Somatisierungsstörungen Kooperierer 9,3 Emotionale und Verhaltensstörungen Verweigerer Abbildung 3: Vergleich: Prozentualer Anteil der Kooperier/Verweigerer: Achse 1-Diagnosen nach ICD-10 • Trennung der Eltern Auch hinsichtlich einer erlebten Trennung oder Scheidung der Eltern unterschieden sich die kooperierenden nicht signifikant von den verweigernden Jugendlichen. In der Kooperierer-Gruppe haben 50% eine Trennung der Eltern erlebt, in der Verweigerer-Gruppe haben 35,7% eine Trennung miterlebt. Dementsprechend haben 50% der Kooperierer keine Trennung mitgemacht und 64,3% der Verweigerer (Chi² = 0,801; p = 0,371). 72 7.2.2 Schulische Daten • Schulbesuch eingestellt Zum Zeitpunkt der Aufnahme verweigerten 80% der Jugendlichen, die die Fragebögen zurücksenden und 87% von den Fragebogen-Verweigerern den Schulbesuch vollständig. Die beiden Gruppen unterscheiden sich hierbei nicht signifikant voneinander, Chi² = 0,32; p = 0,699. • Dauer in Wochen Der Unterschied in der mittleren Dauer des Schulabsentismus ist in beiden Gruppen ebenfalls nicht signifikant. Die Kooperierer haben den Schulbesuch seit M = 16,21 Wochen (SD = 13,10) eingestellt, die Verweigerer seit M = 17,92 Wochen (SD = 10,94); t = 0,40; p = 0,691. Tabelle 2: Vergleich: Kooperierer/Verweigerer: Alter in Jahren, IQ-Standardwert, Dauer des Schulabsentismus in Wochen; Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), T-Werte (t) und Signifikanz (p) Alter in Jahren Intelligenz: IQStandardwert Schulabsentismus: Dauer in Wochen Kooperierer Verweigerer M SD M SD 15,72 1,25 15,62 95,8 12,81 16,21 13,10 73 t p 1,23 -0,254 0,801 96,9 12,33 -2,81 0,780 17,92 10,94 0,40 0,691 Tabelle 3: Vergleich: Kooperierer/Verweigerer: Geschlecht, Anzahl der Diagnosen, Status der Eltern, Schulabsentismus; Chi-Quadrat (Chi²), Signifikanz (p) Kooperierer Verweigerer 46,9%; N=15 53,1%; N=17 64,3%; N=9 35,7%; N=5 Chi ² p 1,183 0,277 1,568 0,456 0,801 0,371 0,320 0,699 Geschlecht männlich weiblich Diagnosen Anzahl: 1 21,9%; N=7 35,7%; N=5 2 62,5%; N=20 42,9%; N=6 3 15,6%; N=5 21,4%; N=3 Eltern getrennt ja 50%; N=16 35,7%; N=5 nein 50%; N=16 64,3%; N=9 Schulabsentismus größtenteils 20%; N=9 13%; N=6 vollständig 80%; N=38 87%; N=41 7.2.3 Ambulante Psychotherapie nach Entlassung Bei der Inanspruchnahme einer ambulanten Psychotherapie im Anschluss an die Entlassung zeigen sich tendenzielle Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (vgl. Abb. 4; Tabelle 4 und 5). Nach zwei Monaten nehmen von den Kooperierern 51,1% (N = 24) eine Therapie in Anspruch, bei den Verweigerern sind es zu K1 12,8% (N = 6), Chi² = 7,503; p = 0,006. Nach neun Monaten sind dies beiden Kooperierern noch 46,8% (N = 22) und bei den Verweigerern 12,8% (N = 6), Chi² = 3,05; p = 0,061. Die Unterschiede sind somit tendenziell nicht signifikant. 74 Die Verweigerer hatten nach zwei Monaten mit M = 8,8 Stunden (SD = 1.79) tendenziell mehr Therapiesitzungen als die Kooperierer mit im Mittel 5,5 Stunden (SD = 2.43), t = 2,9; p = 0,007. Dieser Unterschied ist als signifikant einzuschätzen. Nach neun Monaten ist der Unterschied tendenziell nicht mehr signifikant. (Verweigerer: M = 22,8; SD = 2,76; Kooperierer: M = 21,9; SD = 1,49; t = 0,924; p = 0,097). 63,9 70 60 51,1 59,6 46,8 Prozent 50 40 Verweigerer Kooperierer Gesamt 30 20 12,8 12,8 10 0 K1 K2 Abbildung 4: prozentualer Anteil der Jugendlichen, die eine ambulante Therapie in Anspruch genommen haben zum Zeitpunkt der Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2); Gesamtstichprobe, Kooperierer und Verweigerer 75 Tabelle 4: Anzahl der Jugendlichen, die eine ambulante Psychotherapie in Anspruch genommen haben zum Zeitpunkt der Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2); Kooperierer und Verweigerer Therapie ja N (K1) Kooperierer Verweigerer 24 6 Chi² p N (K2) Chi² p 3,505 0,061 22 6 7,503 0,006 Tabelle 5: Anzahl der Therapiestunden zum Zeitpunkt der Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2); Gesamtstichprobe, Kooperierer und Verweigerer. Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), T-Werte (t) und Signifikanzen (p) Therapie ja Gesamt Kooperierer Verweigerer K1 N 30 24 6 Anzahl der Stunden M SD t p 2,9 0,007 5,5 2,43 8,8 1,79 K2 N 28 22 6 Anzahl der Stunden M SD t p 0,9 0,097 21,9 1,49 22,8 2,76 7.2.4 Erneute stationäre Aufnahme Abbildung 5 auf der nächsten Seite veranschaulicht die Anzahl der Jugendlichen, die erneut stationär aufgenommen wurden. Bei den Kooperierern waren dies N = 6 der 32 Jugendlichen (18,8%) und bei den Verweigerern waren dies N = 3 der 15 Jugendlichen (20%). Der Unterschied ist mit Chi² = 0,010; p = 0,919 nicht signifikant. 7.2.5 Verweildauer auf Station Abbildung 6 (s. nächste Seite) zeigt die Verweildauer auf Station. Im Mittel beläuft sich diese für die Kooperierer auf 49,8 Tage (SD = 26,7) und für die Verweigerer auf 39,4 Tage (SD = 19,9). Der Unterschied ist nicht signifikant (t = -1,343, p = 0,186). 76 25 20,0 N=3 18,8 N=6 19,1 N=9 Prozent 20 15 Verweigerer 10 Kooperierer Gesamt 5 0 mind. 1 erneute stat. Aufnahme bis K2 Abbildung 5: Prozentualer Anteil der Jugendlichen, die bis zum Zeitpunkt der Katamnese 2 (K2) erneut stationär aufgenommen wurden; Gesamtstichprobe, Kooperierer und Verweigerer Tage 39,4 N=15 49,8 N=32 46,5 N=47 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Verweigerer Kooperierer Gesamt Verweildauer auf Station in Tagen Abbildung 6: Anzahl der Tage auf Station: Gesamtstichprobe, Kooperier und Verweigerer 77 7.3 Problemverhalten zur Prae-Messung In Tabelle 6 (S. 79) ist zu sehen, dass die Gruppe der Jugendlichen, die die Katamnese zurückgeschickt hat, sich nicht signifikant von der, die das Zurücksenden verweigert hat, unterscheidet. Die Kooperierer haben im YSR auf der Skala externales Problemverhalten ein M = 12.88 (SD = 6.56) und die Verweigerer ein M = 14.24 (SD = 10.38), t = 0,528; p = 0,600). Im Elternurteil (Tabelle 7, S. 80), das mittels des CBCL erhoben wurde, ist der Unterschied ebenfalls nicht signifikant. Die Kooperierer haben im CBCL auf der Skala externales Problemverhalten ein M = 14.17 (SD = 9,09) und die Verweigerer ein M = 19,75 (SD = 12.43), t = 1,781; p = 0,082. 7.4 Veränderungen im Prae- und Postvergleich Tabelle 6 zeigt auch, dass sich die Kooperierer von den Jugendlichen, die das Ausfüllen verweigert haben, im Prä-Post-Vergleich nicht signifikant hinsichtlich des Rückgangs ihrer Depressivität und Angst (DIKJ, SBB-DES, SBB-ANG) unterscheiden. Im Elternurteil, das in Tabelle 7 wiedergegeben ist, ergeben sich ähnliche Werte. Auch hier finden sich keine signifikanten Unterschiede. Aus diesen Ergebnissen lässt sich schlussfolgern, dass keine der beiden Gruppen mehr von der Behandlung profitiert hat als die andere. 78 Tabelle 6: Jugendlichenurteil: Vergleich Kooperierer (N=32) – Verweigerer(N=15) zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae) und zum Zeitpunkt der Entlassung (Post): Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), T-Test (t), Signifikanz (p) Prae Post Fragebogen M YSR (externale Auffälligkeiten) SD t p M SD t p Kooperierer 12,88 6,56 (N=32) Verweigerer 14,21 10,31 (N=15) 0,528 0,600 DIKJ Kooperierer 21,52 9,16 (N=32) Verweigerer 18,93 10,57 (N=15) 10,39 6,67 11,57 7,79 -8,44 0,403 SBB-DES Kooperierer (N=32) Verweigerer (N=15) 0,523 0,604 1,02 0,62 0,43 0,42 0,76 0,53 0,35 0,27 -1,37 0,177 SBB-ANG Kooperierer (N=32) Verweigerer (N=15) -0,64 0,526 0,85 0,57 0,46 0,35 0,61 0,44 0,26 0,25 -1,44 0,157 79 -1,83 0,074 Tabelle 7: Eltenrurteil: Vergleich Kooperierer (N=31)) – Verweigerer (N=16) zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae): Mittelwerte (M), Standardabweichungen (SD), T-Test (t), Signifikanz (p) Prae Fragebogen CBCL (externale Auffälligkeiten) FBB-DES FBB-ANG Kooperierer (N=31) Verweigerer (N=16) Kooperierer (N=31) Verweigerer (N=16) Kooperierer (N=31) Verweigerer (N=16) Zusammengefasst kann M SD 14,31 8,82 20,21 13,28 0,99 0,50 1,26 0,53 0,77 0,43 0,71 0,48 man zu den T p 1,781 0,082 1,622 0,112 -0,388 0,700 Fragebogen-Dropouts im Katamnesezeitraum sagen, dass etwa ein Drittel der Probanden das Ausfüllen der Fragebögen in diesem Zeitraum verweigerte. Bei der Analyse der Fragebogen-Verweigerer und der Katamnese-Kooperierer finden sich hinsichtlich zentraler Maße wie Alter, Geschlecht, Intelligenz, psychosoziale Bedingungen (z.B. Status der Eltern), Ausmaß des Schulabsentismus und Schulform zu Behandlungsbeginn bzw. Behandlungsabschluss, Angst, Depression, expansives Verhalten, mehrere stationäre Aufenthalte und Verweildauer auf Station keine signifikanten Unterschiede. Deutlich mehr Kooperierer hatten nach zwei Monaten eine ambulante Psychotherapie in Anspruch genommen. Nach neun Monaten ist der Unterschied allerdings nicht mehr als signifikant einzustufen. 80 8. Ergebnisse 8.1 Regelmäßiger Schulbesuch im Verlauf Die Ergebnisse zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prä-Messung) und bei Entlassung (Post-Messung), die in diesem Kapitel beschrieben werden, sind ebenfalls von Ziegert (2006) erhoben worden, da die Gesamtstichprobe der vorliegenden Arbeit identisch mit der von Ziegert (2006) ist. Zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme (Prä-Messung) besuchte keiner der 47 Jugendlichen regelmäßig die Schule. 37 Patienten (78,7%) hatten zu diesem Zeitpunkt die Schule für mindestens zwei Wochen (M=16.81, SD=12.26, Max=56 Wochen) überhaupt nicht mehr besucht. Die übrigen zehn (21,3%) besuchten die Schule zum Zeitpunkt der Prae-Messung sehr unregelmäßig. Die mittlere Anzahl der Fehlstunden im letzten Schulzeugnis dieser zehn Patienten betrug M = 84 Stunden (SD = 51, Max = 200). Im Mittel belaufen sich die Fehlstunden im letzten Zeugnis bei allen 47 Patienten auf im Mittel 138 Stunden. Die Eltern berichten fast einheitlich darüber, dass sie sehr besorgt über die schulverweigernde Haltung ihrer Kinder sind. Auf den folgenden Schulen waren die Jugendlichen zwar gemeldet, aber sie besuchten sie nicht regelmäßig. (Hauptschule, 41 Realschule, Jugendliche besuchten eine Gymnasium, Gesamtschule, Regelschule Berufsschule, Privatschule) und sechs eine Sonderschule bzw. eine Klinik-/Förderschule. Zum Zeitpunkt der Entlassung konnte bei 44 der 47 Patienten (93,6%) ein regelmäßiger Schulbesuch wiederhergestellt werden. Einer davon besuchte regelmäßig ein Berufspraktikum. Bei den restlichen drei Patienten wurde bei einem eine berufsvorbereitende Maßnahme für die Zeit nach der Entlassung geplant. Zwei der Patienten wurden während der Sommerferien entlassen, so dass kein Schulbesuch zum Zeitpunkt der Entlassung stattfand. Bei einigen Patienten wurde bei Aufnahme eine intellektuelle schulische Überforderung diagnostiziert. Durch geeignete Auswahl konnte eine Schulform gefunden werden, die zum kognitiven Leistungsniveau des Schülers passte. Für die Zeit des stationären Aufenthaltes wurden 19 Jugendliche auf eine 81 Schule für Kranke umgeschult, jeweils ihrem intellektuellen Leistungsniveau entsprechend. Von den 44, die zum Zeitpunkt der Entlassung wieder regelmäßig zur Schule gehen bzw. regelmäßig ein Praktikum besuchen, gehen 19 auf eine Regelschule und 25 auf eine Schule für Kranke. 8.1.1 Neun Monate nach Entlassung In dieser Studie ging es v.a. darum, die Langzeitstabilität der Ergebnisse zu dokumentieren. Es handelt sich hierbei um einen Zeitraum von im Mittel 9,2 Monaten nach Entlassung, mindestens jedoch sechs Monate (Katamnese 2). Wie in Abbildung 7 zu sehen, besuchten zum Zeitpunkt der Katamnese-2Messung 74,5% der Patienten (N=35) regelmäßig eine Schule, eine berufsvorbereitende Maßnahme, hatten eine Ausbildung oder ein Praktikum begonnen und regelmäßig daran teilgenommen. Zwölf Patienten gelingt es nicht, die Schule oder die Praktikumsstelle regelmäßig zu besuchen. Da sich die Jugendlichen bei dieser Fragestellung in zentralen Variablen unterscheiden und von drei Jugendlichen aus der Verweigerer-Gruppe keine Daten erhoben werden konnten, sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen. Die unten stehende Abbildung zeigt, dass zum Zeitpunkt der Entlassung 93,6% (N=44) Jugendliche die Schule wieder regelmäßig besuchen. Dies sind 96,9% der Kooperierer und 86,7% in der Gruppe der Verweigerer. Zum Zeitpunkt der K1 sind dies insgesamt 80,8% (N=38) der Jugendlichen, in der KooperiererGruppe noch 84,4% und in der Verweigerergruppe noch 73,4%. Nach im Mittel neun Monaten gehen insgesamt noch 74,5% (N=35) der Schüler regelmäßig zur Schule. Von den Kooperierern 81,3%, von den Verweigerern 60%. 82 Gesamt (N=47) % % % 100 100 93,6 90 80,8 74,5 80 FragebogenVerweigerer (n=12) Fragebogen-Kooperierer (n=32) 96,9 90 84,4 81,3 100 80 80 70 70 70 60 60 60 50 50 50 40 40 40 30 30 30 20 20 20 10 0 10 0 Prä 0 Post K1 K2 10 0 Prä 0 Post K1 K2 86,7 90 73,4 60 0 Prä Post K1 K2 Abbildung 7: Prozentualer Anteil der Schüler, die zum Zeitpunkt der Entlassung (Post), zur Katamnese-1-Erhebung (K1) und zur Katamnese-2-Erhebung (K2) regelmäßig die Schule besuchen, insgesamt und aufgeteilt in Fragebogen-Kooperierer und -Verweigerer 8.2 Schultypen zu den vier Messzeitpunkten Abbildung 8 (S. 84) zeigt, dass zum Aufnahmezeitpunkt sechs (12,8%) Schüler auf einer Klinikschule und 41 (87,2%) auf einer Regelschule gemeldet waren. Zum Zeitpunkt der Entlassung wurden die Schüler umverteilt und somit waren 25 (53,2%) auf einer Klinikschule und nur noch 22 (46,8%) auf einer Regelschule gemeldet bzw. absolvierten eine Ausbildung. Nach zwei Monaten war über drei (6,4%) Schüler nichts in Erfahrung zu bringen. Zwei von ihnen waren telefonisch nicht erreichbar und zu einem Jugendlichen hatten die Eltern keinen Kontakt zum Zeitpunkt der 2-Monats-Katamnese und wussten somit 83 nichts zu berichten. 19 (40,4%) besuchten regelmäßig eine Klinikschule und die restlichen 25 (53,2%) eine Regelschule bzw. eine Ausbildung, wobei vier dieser 25 Schüler gerade Sommerferien hatten. Nach neun Monaten ist die Lage noch sehr ähnlich. Über dieselben drei (6,4%) Schüler war aus den gleichen Gründen wieder nichts in Erfahrung zu bringen. 20 (42,6%) besuchten nach neun Monaten eine Klinikschule und 24 (51%) eine Regelschule bzw. haben eine Ausbildung oder ein Berufspraktikum begonnen. 100% 3 6 3 nichts/ unbekannt 80% 25 19 20 60% Klinikschule 41 40% 22 20% 25 24 Regelschule/ Ausbildung 0% Prä Post K1 K2 Abbildung 8: Verteilung der Schüler auf Klinikschulen bzw. Regelschulen im Verlauf zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post) zur Katamnese-1-Messung (K1) und zur Katamnese-2-Messung (K2) 8.3 Selbstbeurteilungsbögen – Jugendlichenurteil (S-SELBST-J2M) 8.3.1 Selbstwertprobleme Abbildung 9 zeigt den Verlauf der Mittelwerte auf der Skala der Selbstwertprobleme für die Jugendlichen im Selbsturteil. Auf dieser Skala ergibt sich für die Jugendlichen im Selbsturteil ein M von 1,60 (SD = 0,41) zum 84 Aufnahmezeitpunkt und ein M von 0,78 (SD = 0,52) zum Zeitpunkt der PostErhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 0,93 (SD = 0,52) und zu K2 beträgt M = 0,97 (SD = 0,48). Tabelle 8 zeigt die einzelnen Ergebnisse zu den verschiedenen Messzeitpunkten im T-Test und in den Varianzanalysen. Es konnte ein globales F von 25,35 ermittelt werden. Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 8,21; p = 0,000; F = 67,42; Eta² = 0,69. Somit ist der Unterschied signifikant. Cohens d ist mit 1,45 als hoch einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = -1,93; p = 0,063; F = 3,73; Eta² = 0,011. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung als stabil einzuschätzen. Die Effektstärke d ist hier mit -0,34 als sehr niedrig einzustufen. 2 gemittelte Rohwertsumme 1,60 0,93 1 0,97 0,78 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 9: Mittelwerte im Verlauf des Jugendlichenurteils im S-SELBST-J2M auf der Skala Selbstwertprobleme zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 85 8.3.2 Beziehungsprobleme Auf der Skala der Beziehungsprobleme (vgl. Abbildung 10) ergibt sich für die Jugendlichen im Selbsturteil ein M von 1,19 (SD = 0,8) zum Aufnahmezeitpunkt und ein M von 0,65 (SD = 0,38) zum Zeitpunkt der Post-Erhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 0,75 (SD = 0,37) und zu K2 beträgt M = 0,84 (SD = 0,50). Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 3,57; p = 0,001; F = 12,74; Eta² = 0,29. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 0,63 als mittel einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = -2,34; p = 0,026; F = 5,47; Eta² = 0,15. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit 0,41 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 8). gemittelte Rohwertsumme 2 1,19 1 0,75 0,65 0,84 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 10: Mittelwerte im Verlauf des Jugendlichenurteils im S-SELBST-J2M auf der Skala Beziehungsprobleme zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 86 8.3.3 Leistungsprobleme Auf der Skala der Leistungsprobleme ergibt sich für die Jugendlichen (vgl. Abbildung 11) im Selbsturteil ein M von 2,17 (SD = 0,70) zum Aufnahmezeitpunkt, M = 1,23 (SD = 0,76) zum Zeitpunkt der Post- Erhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 1,28 (SD = 0,60) und zu K2 beträgt M = 1,14 (SD = 0,76). Es konnte ein globales F von 13,90 ermittelt werden. Im Prae-K2Vergleich erhält man ein t = 5,76; p = 0,000; F = 33,13; Eta² = 0,52. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 1,02 als hoch einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = 0,47; p = 0,644; F = 0,22; Eta² = 0,01. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit 0,08 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 8). gemittelte Rohwertsumme 3 2,17 2 1,28 1,23 1,14 1 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 11: Mittelwerte im Verlauf des Jugendlichenurteils im S-SELBST-J2M auf der Skala Leistungsprobleme zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 87 8.3.4 Angst und Somatisierung Auf der Skala der Angst und Somatisierung (vgl. Abbildung 12) ergibt sich für die Jugendlichen im Selbsturteil ein M von 1,37 (SD = 0,59) zum Aufnahmezeitpunkt ein M von 0,41 (SD = 0,36) zum Zeitpunkt der PostErhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 0,61 (SD = 0,58) und zu K2 beträgt M = 0,60 (SD = 0,51). Es konnte ein globales F von 16,52 ermittelt werden. Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 6,32; p = 0,000; F = 39,87; Eta² = 0,56. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 1,12 als hoch einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = -2,63; p = 0,013; F = 6,93; Eta² = 0,18. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit -0,47 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 8). gemittelte Rohwertsumme 2 1,37 1 0,61 0,6 0,41 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 12: Mittelwerte im Verlauf des Jugendlichenurteils im S-SELBST-J2M auf der Skala Angst und Somatisierung zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 88 8.3.5 Schulbesuchsprobleme Auf der Skala Schulbesuchsprobleme (vgl. Abbildung 13) ergibt sich für die Jugendlichen im Selbsturteil ein M von 2,52 (SD = 0,78) zum Aufnahmezeitpunkt, ein M von 0,23 (SD = 0,11) zum Zeitpunkt der PostErhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 0,72 (SD = 0,78) und zu K2 beträgt M = 0,56 (SD = 0,64). Es konnte ein globales F von 73,63 ermittelt werden. Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 10,33; p = 0,000; F = 107; Eta² = 0,78. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 1,83 als hoch einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = -2,53, p = 0,017; F = 6,38; Eta² = 0,17. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit -0,45 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 8). 3 gemittelte Rohwertsumme 2,55 2 1 0,72 0,56 0,23 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 13: Mittelwerte im Verlauf des Jugendlichenurteils im S-SELBST-J2M auf der Skala Schulbesuchsprobleme zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 89 8.3.6 Gesamtskala Auf der Gesamtskala ergibt sich für die Jugendlichen im Selbsturteil (vgl. Abbildung 14) ein M von 1,60 (SD = 0,38) zum Aufnahmezeitpunkt und ein M von 0,88 (SD = 0,50) zum Zeitpunkt der Post- Erhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 0,87 (SD = 0,40) und zu K2 beträgt M = 0,86 (SD = 0,41). Es konnte ein globales F von 35,42 ermittelt werden. Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 9,87; p = 0,000; F = 97,35; Eta² = 0,76. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 1,74 als hoch einzuschätzen. Im Post-K2Vergleich erhält man ein t = 0,19; p = 0,852; F = 0,04; Eta² = 0,001. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit 0,03 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 8). gemittelte Rohwertsumme 2 1,60 1 0,87 0,88 0,86 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 14: Mittelwerte im Verlauf des Jugendlichenurteils im S-SELBST-J2M auf der Gesamtskala zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2). 90 Tabelle 8: Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) im Verlauf des Jugendlichenurteils im S-SELBST-J2M auf den einzelnen Skalen zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2), sowie Globales F, T-Werte (t), Signifikanzen (p), F, Eta², Effektstärken (Cohens d), im Prae-K2-Vergleich und Post-K2-Vergeleich (N = 32) K2 Prae-K2 T-Test Post-K2 Varianzanalyse T-Test Varianzanalyse F Cohens d K1 Cohens d Post F (global) Prae F SelbstwertProbleme 1,60 0,41 0,78 0,52 0,93 0,52 0,97 0,48 25,35 8,21 0,000 1,45 67,42 0,69 -1,93 0,063 -0,34 3,73 0,011 Beziehungsprobleme 1,19 0,48 0,65 0,38 0,75 0,37 0,84 0,50 12,34 3,57 0,001 0,63 12,74 0,29 -2,34 0,026 -0,41 5,47 0,15 Leistungsprobleme 2,17 0,70 1,23 0,76 1,28 0,60 1,14 0,76 13,90 5,76 0,000 1,02 33,13 0,52 0,47 0,644 0,08 0,22 0,01 Angst und Somatisierung 1,37 0,59 0,41 0,36 0,61 0,58 0,60 0,51 16,52 6,32 0,000 1,12 39,87 0,56 -2,63 0,013 -0,47 6,93 0,18 Schulbesuchsprobleme 2,55 0,78 0,23 0,11 0,72 0,78 0,56 0,64 73,63 10,33 0,000 1,83 107 0,78 -2,53 0,017 -0,45 6,38 0,17 Gesamtskala 1,60 0,38 0,88 0,50 0,87 0,40 0,86 0,41 35,42 9,87 0,000 1,74 97,35 0,76 0,19 0,852 0,03 0,04 0,001 S-Selbst Jugend M SD M SD M SD M SD 91 t p Eta² t p Eta² 8.4. Fremdbeurteilungsbögen – Elternurteil (S-SELBST-E2M) 8.4.1 Selbstwertprobleme Auf der Skala Selbstwertprobleme (vgl. Abbildung 15) errechnet sich im Elternurteil ein M von 1,86 (SD = 0,34) zum Aufnahmezeitpunkt und ein M von 1,02 (SD = 0,45) zum Zeitpunkt der Post- Erhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 1,09 (SD = 0,42) und zu K2 beträgt M = 1,14 (SD = 0,42). Im Prae-K2Vergleich erhält man ein t = 7,93; p = 0,000; F = 62,88; Eta² = 0,68. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 1,45 als hoch einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = -1,26; p = 0,219; F = 1,58; Eta² = 0,52. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit -0,23 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 9, S. 98). 2 gemittelte Rohwertsumme 1,86 1,09 1,02 1,14 1 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 15: Mittelwerte im Verlauf des Elternurteils im S-SELBST-E2M auf der Skala Selbstwertprobleme zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 92 8.4.2 Beziehungsprobleme Auf der Skala Beziehungsprobleme (vgl. Abbildung 16) ergibt sich im Elternurteil ein M von 1,37 (SD = 0,46) zum Aufnahmezeitpunkt und ein M von 0,79 (SD = 0,35) zum Zeitpunkt der Post- Erhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 0,85 (SD = 0,37) und zu K2 beträgt M = 0,87 (SD = 0,34). Es konnte ein globales F von 22,38 ermittelt werden. Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 7,09; p = 0,000; F = 50,33; Eta² = 0,63. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 1,30 als hoch einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = -1,02; p = 0,314; F = 1,05; Eta² = 0,04. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit -0,19 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 9). gemittelte Rohwertsumme 2 1,37 1 0,85 0,79 0,87 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 16: Mittelwerte im Verlauf des Elternurteils im S-SELBST-E2M auf der Skala Beziehungsprobleme zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2). 93 8.4.3 Leistungsprobleme Auf der Skala Leistungsprobleme (vgl. Abbildung 17) ergibt sich im Elternurteil ein M von 1,92 (SD = 0,85) zum Aufnahmezeitpunkt und ein M von 0,96 (SD = 0,67) zum Zeitpunkt der Post- Erhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 1,10 (SD = 0,86) und zu K2 beträgt M = 1,17 (SD = 0,84). Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 3,57; p = 0,001; F = 12,71; Eta² = 0,31. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 0,65 als mittel einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = -1,26; p = 0,195; F = 1,76; Eta² = 0,06. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit -0,24 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 9). gemittelte Rohwertsumme 2 1,92 1,10 1,17 0,96 1 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 17: Mittelwerte im Verlauf des Elternurteils im S-SELBST-E2M auf der Skala Leistungsprobleme zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 94 8.4.4 Angst und Somatisierung Auf der Skala Angst und Somatisierung (vgl. Abbildung 18) ergibt sich im Elternurteil ein M von 1,95 (SD = 0,42) zum Aufnahmezeitpunkt und ein M von 0,66 (SD = 0,46) zum Zeitpunkt der Post- Erhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 0,67 (SD = 0,46) und zu K2 beträgt M = 0,63 (SD = 0,39). Es konnte ein globales F von 81,13 ermittelt werden. Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 15,06; p = 0,000; F = 227; Eta² = 0,89. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 2,72 als sehr hoch einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = 0,31; p = 0,756; F = 0,10; Eta² = 0,003. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit 0,06 als sehr gering einzustufen (vgl. Tabelle 9). gemittelte Rohwertsumme 2 1,95 1 0,66 0,67 0,63 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 18: Mittelwerte im Verlauf des Elternurteils im S-SELBST-E2M auf der Skala Angst und Somatisierung zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 95 8.4.5 Schulbesuchsprobleme Auf der Skala Schulbesuchsprobleme (vgl. Abbildung 19) ergibt sich im Elternurteil ein M von 2,83 (SD = 0,18) zum Aufnahmezeitpunkt und ein M von 0,71 (SD = 0,62) zum Zeitpunkt der Post- Erhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 0,95 (SD = 0,91) und zu K2 beträgt M = 0,73 (SD = 0,61). Es konnte ein globales F von 135,69 ermittelt werden. Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 14,70; p = 0,000; F = 216; Eta² = 0,88. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 2,68 als sehr hoch einzuschätzen. Im Post-K2Vergleich erhält man ein t = 0,28; p = 0,783; F = 0,08; Eta² = 0,003. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit 0,05 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 9). 3 gemittelte Rohwertsumme 2,83 2 0,95 1 0,71 0,73 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 19: Mittelwerte im Verlauf des Elternurteils im S-SELBST-E2M auf der Skala Schulbesuchsprobleme zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 96 8.4.6 Gesamtskala Auf der Gesamtskala (vgl. Abbildung 20) ergibt sich im Elternurteil ein M von 1,76 (SD = 0,41) zum Aufnahmezeitpunkt und ein M von 0,88 (SD = 0,34) zum Zeitpunkt der Post- Erhebung. Zum Zeitpunkt K1 beträgt M = 0,89 (SD = 0,38) und zu K2 beträgt M = 0,95 (SD = 0,35). Es konnte ein globales F von 56,67 ermittelt werden. Im Prae-K2-Vergleich erhält man ein t = 10,15; p = 0,000; F = 103; Eta² = 0,78. Somit ist der Unterschied signifikant. Die Effektstärke d ist mit 1,85 als sehr hoch einzuschätzen. Im Post-K2-Vergleich erhält man ein t = 1,16; p = 0,257; F = 1,34; Eta² = 0,04. Somit ist der Unterschied nicht signifikant und die Ergebnisse auch neun Monate nach Entlassung stabil. Cohens d ist hier mit -0,21 als sehr niedrig einzustufen (vgl. Tabelle 9). 2 gemittelte Rohwertsumme 1,76 0,89 0,88 1 0,95 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkte Abbildung 20: Mittelwerte im Verlauf des Elternurteils im S-SELBST-E2M auf der Gesamtskala zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2) 97 Tabelle 9: Mittelwerte (M) und Standardabweichungen (SD) im Verlauf des Elternurteils im S-SELBST-E2M auf den einzelnen Skalen zum Zeitpunkt der Aufnahme (Prae), der Entlassung (Post), der Katamnese 1 (K1) und der Katamnese 2 (K2), sowie Globales F, T-Werte (t), Signifikanzen (p), F, Eta², Effektstärken (Cohens d), im Prae-K2-Vergleich und Post-K2-Vergeleich (N = 30) K2 Prae-K2 T-Test Post-K2 Varianzanalyse T-Test Varianzanalyse F Cohens d K1 Cohens d Post F (global) Prae F SelbstwertProbleme 1,86 0,34 1,02 0,45 1,09 0,42 1,14 0,42 41,31 7,93 0,000 1,45 62,88 0,68 -1,26 0,219 -0,23 1,58 0,50 Beziehungsprobleme 1,37 0,46 0,79 0,35 0,85 0,37 0,87 0,34 22,38 7,09 0,000 1,3 50,33 0,63 -1,02 0,314 -0,19 1,05 0,04 Leistungsprobleme 1,92 0,85 0,96 0,67 1,10 0,68 1,17 0,84 8,47 3,57 0,001 0,65 12,71 0,31 -1,33 0,195 -0,24 1,76 0,06 Angst und Somatisierung 1,95 0,42 0,66 0,46 0,67 0,46 0,63 0,39 81,13 15,06 0,000 2,72 227 0,89 0,31 0,756 0,06 0,1 0,003 Schulbesuchsprobleme 2,83 0,18 0,71 0,62 0,95 0,91 0,73 0,61 135,69 14,7 0,000 2,68 216 0,88 0,28 0,783 0,05 0,08 0,003 Gesamtskala 1,76 0,41 0,88 0,34 0,89 0,38 0,95 0,35 56,67 10,15 0,000 1,85 103 0,78 -1,16 0,257 -0,21 1,34 0,04 S-Selbst Eltern M SD M SD M SD M SD 98 t p Eta² t p Eta² 8.5 Prozent der Auffälligen – Jugendlichenurteil Zu den Auffälligen Jugendlichen gehören alle, die in den einzelnen Skalen der Selbst-Bögen einen Wert ≥ 1,5 erreichten und werden in den folgenden Abbildungen durch die dunkel markierten Flächen veranschaulicht. 8.5.1 Selbstwertprobleme In der Skala Selbstwertprobleme (vgl. Abbildung 21) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 68,9% der Jugendlichen im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 9,4%, zu K1 noch 12,5% und zu K2 noch 12,5% der Prozent Jugendlichen im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 68,9 12,5 9,4 Prae Post K1 12,5 K2 Messzeitpunkt Abbildung 21: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Jugendlichenurteil auf der Skala Selbstwertprobleme des S-SELBST-J2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 99 8.5.2 Beziehungsprobleme In der Skala Beziehungsprobleme (vgl. Abbildung 22) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 34,4% der Jugendlichen im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 3,1%, zu K1 noch 9,4% und zu K2 noch 9,4% der Prozent Jugendlichen im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 34,4 9,4 3,1 Prae Post K1 9,4 K2 Messzeitpunkt Abbildung 22: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Jugendlichenurteil auf der Skala Beziehungsprobleme des S-SELBST-J2M, zur Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 100 Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), 8.5.3 Leistungsprobleme In der Skala Leistungsprobleme (vgl. Abbildung 23) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 90,6% der Jugendlichen im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 40,6%, zu K1 noch 34,4% und zu K2 noch 9,4% der Prozent Jugendlichen im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 90,6 40,6 34,4 9,4 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkt Abbildung 23: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Jugendlichenurteil auf der Skala Leistungsprobleme des S-SELBST-J2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 101 8.5.4 Angst und Somatisierung In der Skala Angst und Somatisierung (vgl. Abbildung 24) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 28,1% der Jugendlichen im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 3,1%, zu K1 noch 9,4% und zu K2 noch 3,1% der Prozent Jugendlichen im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 28,1 9,4 3,1 Prae Post K1 3,1 K2 Messzeitpunkt Abbildung 24: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Jugendlichenurteil auf der Skala Angst und Somatisierung des S-SELBST-J2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 102 8.5.5 Schulbesuchsprobleme In der Skala Schulbesuchsprobleme (vgl. Abbildung 25) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 90,6% der Jugendlichen im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 3,1%, zu K1 noch 15,6% und zu K2 noch 9,4% der Prozent Jugendlichen im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 90,6 15,6 3,1 Prae Post 9,4 K1 K2 Messzeitpunkt Abbildung 25: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Jugendlichenurteil auf der Skala Schulbesuchsprobleme des S-SELBST-J2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 103 8.5.6 Gesamtskala In der Gesamtskala (vgl. Abbildung 26) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 62,5% der Jugendlichen im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 15,6%, zu K1 noch 9,4% und zu K2 noch 9,4% der Jugendlichen im auffälligen Bereich. 100 90 62,5 80 70 Prozent 60 50 40 15,6 30 9,4 20 9,4 10 0 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkt Abbildung 26: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Jugendlichenurteil auf der Gesamtskala des S-SELBST-J2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 104 8.6 Prozent der Auffälligen – Elternurteil 8.6.1 Selbstwertprobleme In der Skala Selbstwertprobleme (vgl. Abbildung 27) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 80% der Eltern mit ihrem Urteil im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 13,3%, zu K1 noch 26,7% und zu K2 noch 26,7% Prozent mit ihrer Einschätzung im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 80 26,7 26,7 13,3 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkt Abbildung 27: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Elternurteil auf der Skala Selbstwertprobleme des S-SELBST-E2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 105 8.6.2 Beziehungsprobleme In der Skala Beziehungsprobleme (vgl. Abbildung 28) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 36,7% der Eltern mit ihrem Urteil im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 3,3%, zu K1 noch 6,7% und zu K2 noch 6,7% mit Prozent ihrer Einschätzung im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 36,7 3,3 Prae Post 6,7 K1 6,7 K2 Messzeitpunkt Abbildung 28: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Elternurteil auf der Skala Beziehungsprobleme des S-SELBST-E2M, zur Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 106 Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), 8.6.3 Leistungsprobleme In der Skala Leistungsprobleme (vgl. Abbildung 29) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 76,7% der Eltern mit ihrem Urteil im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 26,7%, zu K1 noch 23,3% und zu K2 noch 26,7% Prozent mit ihrer Einschätzung im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 76,7 23,3 26,7 Prae Post K1 26,7 K2 Messzeitpunkt Abbildung 29: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Elternurteil auf der Skala Leistungsprobleme des S-SELBST-E2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 107 8.6.4 Angst und Somatisierung In der Skala Angst und Somatisierung (vgl. Abbildung 30) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 86,7% der Eltern mit ihrem Urteil im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 6,7%, zu K1 noch 6,7% und zu K2 noch Prozent 3,3% mit ihrer Einschätzung im auffälligen Bereich. 86,7 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 6,7 Prae Post 6,7 K1 3,3 K2 Messzeitpunkt Abbildung 30: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Elternurteil auf der Skala Angst und Somatisierung des S-SELBST-E2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 108 8.6.5 Schulbesuchsprobleme In der Skala Schulbesuchsprobleme (vgl. Abbildung 31) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 100% der Eltern mit ihrem Urteil im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 13,3%, zu K1 noch 16,7% und zu K2 noch Prozent 10% mit ihrer Einschätzung im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 100 16,7 13,3 10 Prae Post K1 K2 Messzeitpunkt Abbildung 31: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Elternurteil auf der Skala Schulbesuchsprobleme des S-SELBST-E2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 109 8.6.6 Gesamtskala In der Skala Beziehungsprobleme (vgl. Abbildung 32) waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 76,7% der Eltern mit ihrem Urteil im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu M9 noch 6,7%, zu K1 noch 3,3% und zu K2 noch 10% mit Prozent ihrer Einschätzung im auffälligen Bereich. 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 76,7 6,7 Prae Post 3,3 K1 10 K2 Messzeitpunkt Abbildung 32: Prozentualer Anteil der Auffälligen im Elternurteil auf der Gesamtskala des SSELBST-E2M, zur Aufnahme (Prae), Entlassung (Post), Katamnese 1 (K1) und Katamnese 2 (K2) 110 8.7 Anzahl der belastenden und erleichternden Ereignisse nach der Entlassung Zur Erhebung der belastenden Ereignisse mindestens sechs Monate nach Entlassung bediente man sich eines telefonischen Kurzinterviews. Dabei wurden die Eltern und Jugendlichen nach belastenden Lebensereignissen seit dem Zeitpunkt der Entlassung, wie z.B. Trennung der Eltern, Trennung von Freunden, Aufgabe von Freizeitaktivitäten, Unfällen oder Erkrankungen befragt. Von einem der 47 Jugendlichen liegen keine Angaben vor. Ein Jugendlicher ist durch die Erkrankung seiner Mutter dauerhaft belastet, ein anderer Jugendlicher war kurzfristig durch einen Unfall seiner Mutter belastet. Zwei Jugendliche berichten, dass eine Freundschaft auseinander gegangen ist. Ein Jugendlicher gab seine Freizeitbeschäftigung auf. Bei allen fünf Jugendlichen haben die belastenden Lebensereignisse ihren regelmäßigen Schulbesuch nicht beeinflusst. Die Jugendlichen, die zur Katamnesen-Messung nicht regelmäßig zur Schule gingen, berichten von keinen besonders belastenden Lebensereignissen in den Monaten nach ihrer Entlassung. 111 9. Diskussion Ziel der vorliegenden Arbeit war, die Wirksamkeit einer multimodalen stationären Kurzzeittherapie mit kognitiv-verhaltenstherapeutischem Behandlungsansatz bei der Behandlung von Jugendlichen mit emotional bedingtem Schulabsentismus zu überprüfen. Die wichtigsten Erfolgskriterien waren dabei die Wiederherstellung eines regelmäßigen Schulbesuchs, sowie die Verringerung von ängstlichen und depressiven Symptomen, die häufig im Zusammenhang mit schulabsentem Verhalten stehen (Egger et al., 2003; McShane et al., 2001; Bernstein, 1991; Bernstein & Garfinkel, 1986). Ebenfalls von großer Wichtigkeit ist die Stabilität der erzielten Therapieeffekte im Alltag. In der vorliegenden Studie konnte ein Katamnesezeitraum von 9,2 Monaten (SD = 3,2; Min = 5,9; Max = 18) überblickt werden. Die Wiederherstellung eines regelmäßigen Schulbesuchs war natürlich von großer Wichtigkeit. Zum Zeitpunkt der Entlassung gelingt 93,6% (N = 44) Schülern ein regelmäßiger Schulbesuch, 56,8% (N = 25) von ihnen besuchten eine Klinikschule. Im Mittel ca. neun Monate nach Entlassung besuchen noch 74,5% (N = 35) der Schüler regelmäßig die Schule. Davon besuchen 57,1% (N = 20) eine Regelschule und 42,9% (N = 15) eine Klinikschule. Ähnliche Ergebnisse liefern auch andere Studien: 92 bis 100% der stationär behandelten Schulverweigerer besuchten im Anschluss an die stationäre Behandlung wieder regelmäßig die Schule. Dabei mussten 19 bis 64% der ehemaligen Patienten auf eine Klinikschule beschult werden (Weiss & Cain, 1964; Berg, 1970; Kammerer & Mattejat, 1981; Blagg & Yule, 1984). Reißig (2001) kam bei einer bundesweiten Umfrage zu dem Ergebnis, dass das höhere Alter der jugendlichen Schulverweigerer oft der Grund für die Beschulung auf Klinikschulen oder anderen Weiterbildungsmaßnahmen ist. In anderen Studien, in denen ein Katamnesezeitraum von sechs bis neun Monaten nach Entlassung überblickt wird, weisen noch 50 bis 70% der 112 Jugendlichen einen regelmäßigen Schulbesuch auf (Berg, 1970; Kammerer & Mattejat, 1981; Blagg & Yule, 1984). Die stationäre Verweildauer der Jugendlichen in der vorliegenden Studie betrug im Mittel 6,7 Wochen (SD = 3,6; Min = 3; Max = 11,7). Die Verweildauer der Jugendlichen in anderen Studien war mit im Mittel neun bis elf Monaten wesentlich länger (Blagg & Yule, 1984; Berg, 1970; Weiss & Cain, 1964). Es ist als Erfolg zu werten, dass mit einer Kurzzeittherapie die Wiederherstellung eines regelmäßigen Schulbesuchs ähnlich gut geglückt ist. Zudem sind in der vorliegenden Arbeit ausschließlich Jugendliche mit einbezogen, während in den anderen Studien auch Kinder mit eingeschlossen wurden. Doch je älter die Patienten sind, desto ungünstiger ist in der Regel deren Prognose (Kammerer & Mattejat, 1981; Lehmkuhl et al., 2003; Berg & Jackson, 1985). Ein weiterer ungünstiger Faktor für den Therapieerfolg ist die Dauer des Schulabsentismus vor der stationären Aufnahme (Kammerer & Mattejat, 1981; Lehmkuhl et al., 2003). Je länger die Phase des Schulabsentismus andauert, desto ungünstiger ist die Prognose für eine erfolgreiche Therapie. Knapp 80% der Patienten der vorliegenden Studie blieben im Mittel vier Monate vor Aufnahme der Schule komplett fern, die restlichen 20% besuchten die Schule nur sehr unregelmäßig. Die Patienten in der Studie von Weiss & Cain (1964) blieben der Schule für einen Zeitraum von ca. neun Monaten gänzlich fern, bevor sie stationär aufgenommen wurden. Somit sind die erzielten Therapieerfolge nicht direkt und uneingeschränkt miteinander vergleichbar. In Bezug auf die Dauer der Schulabwesenheit ähnelt der vorliegenden Arbeit am ehesten die Studie von Blagg & Yule (1984), bei der die Schüler seit ca. drei Monaten die Schule nicht mehr besuchten. Im Hinblick auf die psychopathologischen Störungsbilder der Probanden sind die Studien sehr unterschiedlich. Bei Kammerer & Mattejat (1984) wurden Patienten mit einer Schulphobie aufgrund von Trennungsängsten behandelt, die Patienten bei Weiss & Cain (1964) wiesen zusätzlich depressive Störungen, somatische Beschwerden, andere Phobien und auch zwanghaftes Verhalten auf. 113 Die häufigste psychiatrische Diagnose in der vorliegenden Studie ist die Angststörung, gefolgt von den kombiniert expansiven und introversiven Störungen sowie den depressiven Krankheitsbildern und somatischen Beschwerden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Konzept der Kurzzeittherapie im Vergleich zu anderen Therapiestudien mit längeren Aufenthalten und einem im Schnitt jüngeren Patientenkollektiv positiv zu bewerten ist, da es in dieser Studie ähnlich gute Ergebnisse gab. Allerdings ist es nicht auszuschließen, dass der geringer ausgeprägte Schweregrad der Schulabwesenheit in dieser Studie einen positiven Einfluss auf den Therapieerfolg hatte (Lehmkuhl et al., 2003; Kammerer & Mattejat, 1981). Der Hauptunterschied zu den bisher genannten Therapiestudien zu der vorliegenden Arbeit besteht darin, dass es sich hier um ein multimodales kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungskonzept handelt. Walter et al. (2005) konnte bereits an einer kleinen Stichprobe von 15 Jugendlichen Hinweise auf erste Erfolge der genannten Vorgehensweise aufzeigen und Ziegert (2006) zeigte mit der gleichen Stichprobe, wie der hier vorliegenden, dass die Effekte größtenteils auch zwei Monate nach Entlassung weitestgehend stabil sind und somit stabile Kurzzeiteffekte erzielt werden konnten. In der vorliegenden Arbeit wurde besonders auf die Langzeitstabilität der Effekte nach erfolgter Kurzzeittherapie eingegangen. Nach 9,2 Monaten (SD = 3,2) wurden Daten, die sogenannten „Life-Events“ mittels eines telefonischen Interviews erhoben. Von den 47 Probanden waren lediglich zwei nicht erreichbar. Die Fragebögen „S-SELBST-J2M“ und „S-SELBST-E2M“ (Walter et al., 2006) wurden noch einmal verschickt, mit der Bitte um Rücksendung. Hierzu entschieden sich 32 Jugendliche und 30 Eltern. Die „SELBST“-Fragebögen wurden speziell entwickelt, um bei den Problemen der Jugendlichen genauer zu unterscheiden. In der hier vorliegenden Arbeit wurde speziell auf die Selbstwertprobleme, die Beziehungsprobleme, die Leistungsprobleme, die Ängste und somatischen Beschwerden sowie die Schulbesuchsprobleme eingegangen. In allen Punkten kam es zu einem 114 starken Rückgang der Symptome, sowohl im Jugendlichenurteil als auch im Elternurteil. Dieser Rückgang blieb auch insgesamt im Schnitt 9,2 Monate (SD = 3,2) nach Entlassung stabil. Im Jugendlichenurteil zeigten sich große Effekte bei der Verringerung der Schulbesuchsprobleme, gefolgt von den Selbstwertproblemen, den Ängsten und somatischen Beschwerden. Der geringste Effekt kam bei den Beziehungsproblemen zustande. Im Elternurteil zeigten sich die größten Effekte bei der Reduzierung der Ängste und Somatisierungsstörungen und bei der Reduktion der Schulbesuchsprobleme, gefolgt von den Selbstwert- und Beziehungsproblemen. Am geringsten war der Effekt bei den Leistungsproblemen. Der prozentuale Anteil der Auffälligen im Bereich Selbstwertprobleme ging bei den Jugendlichen von 68,9% bei Aufnahme auf 12,8% neun Monate nach Entlassung zurück. Beim Item Beziehungsprobleme befanden sich zum Aufnahmezeitpunkt nur 34.4% im auffälligen Bereich. Neun Monate später waren es nur noch 9.4%. Bei den Leistungsproblemen befanden sich zu Anfang 90.6% im auffälligen Bereich. Zum Zeitpunkt der K2-Messung belief sich ihr Anteil noch auf 9.4%. In der Skala Angst und Somatisierung waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 28.1% der Jugendlichen im auffälligen Bereich. Im Verlauf befanden sich zu K2 noch 3.1% der Jugendlichen im auffälligen Bereich. In der Skala Schulbesuchsprobleme waren bei Aufnahme 90.6% der Jugendlichen im auffälligen Bereich und zu K2 noch 9.4% der Jugendlichen. In der Gesamtskala waren zum Zeitpunkt der Aufnahme 62.5% der Jugendlichen im klinisch auffälligen Bereich, in der Katamnesenerhebung neun Monate nach Entlassung waren nur noch 9,4% der Jugendlichen insgesamt im auffälligen Bereich. Die eingesetzten Verfahren aus dem SELBST-Programm für Jugendliche (Walter et al., 2006) haben den großen Vorteil, dass sie speziell für Jugendliche entwickelt wurden und Problembereiche erfassen, die im Jugendalter von großer Relevanz sind (Rademacher et al., 2002). Die Aussagen, die mit Hilfe dieser Fragebögen getroffen wurden, sind allerdings mit Vorsicht zu 115 interpretieren, da sie hinsichtlich ihrer psychometrischen Güte noch nicht überprüft wurden. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass das Konzept der multimodalen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Kurzzeittherapie als wirksam bezeichnet werden kann im Hinblick auf die Verringerung der den Schulabsentismus aufrechterhaltenden und verstärkenden Faktoren. Ebenfalls konnte die Langzeitstabilität der erzielten Effekte aufgezeichnet werden. Weitere Studien, die eine größere Fallzahl einschließen, könnten noch besser für die Wirksamkeit der Kurzzeittherapie sprechen. Außerdem wäre auch der Einsatz einer Kontrollgruppe, z. B. Patienten auf der Warteliste oder Patienten mit einer Alternativbehandlung von Vorteil, um den Spontanremissionseffekt und andere unspezifische Faktoren besser kontrollieren zu können. Auf diese Weise könnte die Wirksamkeit der Therapie weiter erhärtet werden. Eine weitere interessante Forschungsfrage wäre die Abklärung klinischer Diagnosen über strukturierte Interviews, sowie die Extrahierung von Faktoren, die Jugendliche identifizieren, die von ambulanter bzw. von stationärer Therapie profitieren (sog. differenzielle Effekte). Auch eine Manualisierung des multimodalen Vorgehens wäre wünschenswert. 116 10. Zusammenfassung Mit der vorliegenden Studie wurde versucht, mit einer Stichprobenzahl von N = 47 Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren, die Langzeitstabilität und das Konzept der verhaltenstherapeutischen stationären Kurzzeittherapie des multimodalen kognitiv- emotional bedingten Schulabsentismus zu prüfen. Verglichen wurden mit- und untereinander die Jugendlichenurteile, die Elternurteile und die Therapeutenurteile. Des weiteren wurden die verschiedenen Diagnosen, das soziale Umfeld, die Life-Events, die Intelligenz und andere Items, die Einfluss auf schulabsentes Verhalten haben, miteinander in Beziehung gesetzt. Schulabsentismus als heterogenes Konstrukt lässt sich hiermit auch an klinischer Inanspruchnahmepopulation empirisch bestätigen. Die Patienten der Studie hatten vorwiegend Diagnosen aus den Bereichen primär introversive und gemischt introversiv-expansive Störungen. Patienten mit expansiven Störungen im Vordergrund wurden dagegen ausgeschlossen. Unter primär introversiven Störungen lassen sich Untergruppen bestätigen: zum einen eine große Gruppe von Patienten mit sozialen und spezifischen Phobien. Eine Gruppe der primär Trennungsängstlichen und gemischt Trennungsängstlichen im offen stationären Setting war nur schwer haltbar und sind daher in dieser Studie unterrepräsentiert. Die Behandlungseffekte können auch neun Monate nach Entlassung gut stabilisiert werden. 74,5% besuchen regelmäßig die Schule oder absolvieren eine Ausbildung, 31,9% benötigen auch neun Monate nach Entlassung einen geschützten schulischen Rahmen (Klinikschule). Im Selbst- und Elternurteil lassen sich überwiegend große, statistisch signifikante Verbesserungen finden in Bezug auf die Selbstwertprobleme, Beziehungsprobleme, Leistungsprobleme, Schulbesuchsprobleme, Ängste und Somatisierungsstörungen der Jugendlichen. Diese sind auch nach neun Monaten noch auf einem ähnlich niedrigen Niveau. Die Chronizität und 117 Beeinträchtigung der untersuchten Jugendlichen macht eine Spontanremission unwahrscheinlich. 118 11. Literaturverzeichnis 1. American Psychological Association (APA) (1996). Diagnostisches und statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM-IV). Göttingen: Hogrefe. 2. Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist (1998a). Elternfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen: Deutsche Bearbeitung der Child Behavior Checklist (CBCL 4-18). Einführung und Anleitung zur Handauswertung, bearbeitet von M. Döpfner, J. Plück, S. Bölte, K. Lenz, P. Melchers & K. Heim (2. Auflage mit deutschen Normen). 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Anhang S-SELBST-J2M: Jugendlichenfragebogen 131 S-SELBST-E2M: Elternfragebogen 132 Leitfaden für das telefonische Kurzinterview („Life-Events“) 133 LEBENSLAUF Name: Alexandra Glaser Geburtsdatum: 02.12.1976 Geburtsort: Heidelberg Konfession: evangelisch Staatsangehörigkeit: deutsch Eltern: Vater: Hermann Glaser; Lehrer Mutter: Ursula Glaser, geb. Ruckh; Sekretärin ab 10/2008 Assistenzärztin für Innere Medizin im St. Marien-Hospital in Köln 04/2006-03/2008 Assistenzärztin für Allgemeinmedizin und Innere Medizin in der Gemeinschaftspraxis Dr. Heidenreich und Knabe in Köln Seit 10/2005 Promotionsarbeit an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln 01.09.2005 Erhalt der Approbation 18.04.2005 Dritter Abschnitt der Ärztlichen Prüfung 12/2004-04/2005 3. Tertial des Praktischen Jahres an der Universitätsklinik Köln, Psychiatrie 08/2004-12/2004 2. Tertial des Praktischen Jahres an der Universitätsklinik Köln, Innere Medizin 04/2004-08/2004 1. Tertial des Praktischen Jahres im Spital Bülach (Schweiz), Chirurgie SS 2003 Auslandssemester an der Universidad de Valencia (Spanien) 10/2000-04/2005 Medizinstudium an der Universität zu Köln 134 10/1997-09/2000 Medizinstudium an der Universität des Saarlandes 10/1996-09/1997 Freiwilliges Soziales Jahr in der Kopfklinik in Heidelberg 1987-1996 Hohenstaufengymnasium Bad Wimpfen Abschluss: Abitur 1983-1987 Grund- und Hauptschule Bad Rappenau Köln, den 16.09.2008 Alexandra Glaser 135