Originalien Ophthalmologe 2004 · 101:1098–1104 DOI 10.1007/s00347-004-1033-1 Online publiziert: 20. April 2004 © Springer-Verlag 2004 H. Heimann1 · R. Gochman2 · M. Hellmich3 · N. E. Bechrakis1 · M. H. Foerster1 1 Augenklinik, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Berlin 2 Klinik für Ophthalmologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel 3 Institut für Medizinische Statistik, Informatik und Epidemiologie, Universität zu Köln Benetzungsstörungen nach Netzhautchirurgie und okulärer Tumortherapie Hintergrund und Fragestellung Benetzungsstörungen des vorderen Augenabschnitts werden durch Störungen der natürlichen Funktion und Schutzmechanismen des äußeren Auges hervorgerufen [4]. Die Prävalenz der auch als „trockenes Auge“ bezeichneten Erkrankungsgruppe wird zwischen und 35% angegeben; in Deutschland berichtet durchschnittlich von 4 Patienten einer augenärztlichen Praxis über Symptome einer Benetzungsstörung [4, 3]. Der teilweise erheblichen und chronischen Beeinträchtigung der Patienten [20] steht die häufige Bagatellisierung in Klinik und Praxis gegenüber [4]. Dieses gilt insbesondere für Benetzungsstörungen nach netzhautchirurgischen Eingriffen, die bisher unserer Kenntnis nach nicht methodisch untersucht wurden. Dem widerspricht die klinische Erfahrung, dass Benetzungsstörungen nach netzhautchirurgischen Eingriffen relativ häufig zu beobachten sind. Unter anderem werden aus diesem Grund derzeit verkleinerte Zugangssysteme für glaskörperchirurgische Eingriffe propagiert, die das Auftreten postoperativer Benetzungsstörungen vermindern sollen [7]. In einer ersten Untersuchung konnten wir morphologische Veränderungen der Bindehaut als Folge netzhautchirurgischer Eingriffe demonstrieren, die in vivo 1098 | Der Ophthalmologe 11 · 2004 eine Störung der Muzinbildung und -verteilung hervorrufen [9]. Ziel der vorliegenden Studie ist die Beantwortung der Frage, ob auch in der klinischen Praxis Benetzungsstörungen nach Tumortherapie und Netzhautchirurgie vermehrt im Vergleich zu einer Kontrollgruppe beobachtet werden können. Studiendesign und Untersuchungsmethode Insgesamt gingen 334 Augen von 94 konsekutiven Patienten, die in der Netzhautund Tumorsprechstunde der Augenklinik des Campus Benjamin Franklin untersucht wurden, in die Studie ein. Die untersuchten Augen wurden in 3 Gruppen unterteilt. Gruppe 1. Augen nach Netzhautchirurgie oder Tumortherapie (n=40). Bei den Patienten wurden zwischen und 6 operative Eingriffe vorgenommen (Median 2). Der Abstand zur letzten Operation lag zwischen 6 und 92 Monaten (Median 6). Die Altersverteilung, unterteilt nach 2 Gruppen auf der Basis des verwendeten Fragebogens, betrug ≤45 Jahre 7% (24/40) und >45 Jahre 83% (6/4), die Geschlechterverteilung war weiblich 54% (76/40) und männlich 46% (64/40). Die netzhautchirurgischen Eingriffe umfassten bulbuseindellende Operationen oder eine Pars-pla- na-Vitrektomie mit 3 Zugängen nach segmentaler Bindehauteröffnung bei rhegmatogener Ablatio retinae, diabetischer Retinopathie oder Makulaforamen (Untergruppe a, n=3). In der Gruppe der brachytherapierten Patienten erfolgten Aufbringung und Entfernung eines Ruthenium06-Applikators bei malignem Aderhautmelanom nach segmentaler Bindehauteröffnung und konsekutiver Naht (Untergruppe b, n=76). Die verwendete Strahlenenergie betrug in Abhängigkeit von der Prominenz des behandelten Tumors zwischen 200 und .300 Gy Sklerakontaktdosis. Bei den protonentherapierten Patienten erfolgte die episklerale Aufnähung von Tantalumclips zur Rekonstruktion der Tumorlokalisation nach zirkulärer Bindehauteröffnung, gefolgt von einer Protonenbestrahlung mit einer Strahlenenergie von 60 Gy (Untergruppe c, n=33). Als Nahtmaterial zum Sklerotomie- und Bindehautverschluss wurden 60 und 7-0 Vicrylfäden (Firma Ethicon) verwendet. Die temporäre Bindehautadaptation im Rahmen der Brachytherapie wurde mit 6-0 Seidenfäden (Firma Ethicon) vorgenommen. Gruppe 2. Partneraugen der Patienten aus Gruppe . Es wurden nur Patienten eingeschlossen, bei denen das Partnerauge des operierten Auges keine Voroperationen aufwies (n=40). Die Einteilung in Unter- Tabelle 1 Symptomatische Benetzungsstörungen und deren Ausprägung n Beschwerden gesamt Gruppe 1 (Operiert) Gruppe 2 (Partneraugen) Gruppe 3 (Kontrolle) Gruppe 1a Netzhautoperation) Gruppe 1b (Applikator) Gruppe 1c (Protonen) 140 140 54 31 76 33 22 (40,7%) 18 (58,1%) 50 (65,8%) 21 (63,6%) 1 (1,9%) 1 (3,2%) 1 (1,3%) 1 (3,0%) 2 (3,7%) 1 (3,2%) 11 (14,5%) 2 (6,1%) 89 (63,6%) Stark 3 (2,1%) Mittel 14 (10,0%) 19 (13,6%) 5 (3,6%) Selten 72 (51,4%) 14 (10,0%) 19 (35,2%) 16 (51,6%) 38 (50,0%) 18 (54,4%) Nie 51 (36,4%) 121 (86,4%) 32 (59,3%) 13 (41,9%) 26 (34,2%) 12 (36,4%) 22 (40,7%) 22 (71,0%) p* (Kontrolle vs. Behandlung) Bindehautrötung p** (Kontrolle vs. Behandlung) 0,004 <0,001 76 (54,3%) 0,091 72 (51,4%) 0,147 0,182 0,003 37 (48,7%) 0,007 0,370 0,044 17 (51,5%) 0,327 *Mann-Whitney-U, **χ2 (2-seitig). gruppen 2a–2c erfolgte entsprechend der Gruppe . Gruppe 3. Als Kontrollgruppe dienten Patienten mit einer Netzhaut- oder Tumorerkrankung, die zur operativen Therapie in unsere Sprechstunde überwiesen worden waren, jedoch keine Voroperationen aufwiesen. Bei diesen Patienten wurden beide Augen untersucht, Auge nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und in die Auswertung aufgenommen (n=54). Die Altersverteilung betrug 20% (9/54) ≤45 Jahre und 80% (45/54) >45 Jahre, die Geschlechterverteilung war weiblich 65% (35/54) und männlich 45% (9/45). Fragebogen des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) Alle Patienten wurden mit dem Fragebogen des Arbeitskreises „Trockenes Auge“ des BVA untersucht, in dem die folgenden Punkte abgefragt werden: Geschlecht, Alter unter 25 Jahren/zwischen 25 und 45 Jahren/über 45 Jahren, vorliegende Symptome, Häufigkeit der Symptome, Empfindlichkeiten gegenüber Umwelteinflüssen, Arbeitsplatzbelastung, Verwendung von Tränenersatzmitteln und sonstigen Ophthalmologika, Anpassung von Kontaktlinsen, Verwendung von Kosmetika im Augenbereich, Allgemeinerkrankungen und sonstige medikamentöse Therapie, Allergien. Untersuchung des vorderen Augenabschnitts und der Tränenfilmstabilität Zusätzlich erfolgten ein Schirmer-Test nach Oberflächenanästhesie, gemessen nach Applikation von Proxymetacain0,5%-Augentropfen mit handelsüblichen Messstreifen, eine Bestimmung der Tränenfilmaufrisszeit (TAZ) nach Applikation von %iger Fluoreszeinlösung sowie eine spaltlampenmikroskopische Untersuchung, bei der eine konjunktivale Injektion notiert wurde. Statistische Analyse Die statistische Analyse erfolgte mit der Software SPSS für Windows, Version .0.. Die Signifikanz der Unterschiede in den Variablen „Tränensekretion“, „Tränenfilmaufrisszeit“ und „subjektive Symptome“ wurde zwischen den Gruppen von Patienten mit dem Mann-Whitney-UTest sowie innerhalb der Gruppen von Patienten (Partneraugen) mit dem Wilcoxon-Test für verbundene Stichproben geprüft. Als Signifikanzniveau wurde durchweg α=5% gewählt – ohne Adjustierung wegen multiplen Testens. Auf signifikante Gruppenunterschiede in der Variable „Bindehautrötung“ wurde mit dem χ2-Test (Pearson) geprüft. Der Korrelationskoeffizient (für 2 Variablen mit mindestens ordinalem Skalenniveau) wurde auf der Basis von Rängen berechnet (Spearmans rho). Schließlich wurden multivariable Regres- sionsmodelle zur Schätzung adjustierter Effekte angepasst (je nach Skalenniveau der abhängigen Variable entweder „linear“ oder „logistisch“). Ergebnisse Fragebogen des BVA Die Anteile der Patienten der einzelnen Gruppen, die mindestens Symptom (. Abb. 1) einer Benetzungsstörung bei Befragung angaben, sind in . Tabelle 1 aufgeführt. Immerhin 2% (7/40) in der operierten Gruppe vs. 5% (3/54) der Kontrollgruppe bemerkten die Beschwerden oft oder ständig. Drei operierte Patienten gaben an, dass aufgrund von Benetzungsstörungen im postoperativen Verlauf über mehrere Wochen eine Arbeitsunfähigkeit attestiert worden war. In der Gruppe wurden die Beschwerden überwiegend mittags und abends bemerkt; in der Gruppe 3 traten die Beschwerden dagegen vorwiegend morgens und mittags auf. In der Gruppe gaben 83% (75/89) der symptomatischen Patienten an, dass die Benetzungsprobleme erst nach der Operation aufgetreten seien beziehungsweise sich deutlich verschlechtert hätten; bei 79% (7/89) der Patienten mit Beschwerden war subjektiv das operierte Auge stärker von den Beschwerden betroffen. Bei 32% (45/40) der operierten Patienten vs. 9% (9/54) erfolgte zum Untersuchungszeitpunkt eine Therapie mit Tränenersatzmitteln. Der Ophthalmologe 11 · 2004 | 1099 Zusammenfassung · Abstract Ophthalmologe 2004 · 101:1098–1104 DOI 10.1007/s00347-004-1033-1 © Springer-Verlag 2004 H. Heimann · R. Gochman · M. Hellmich · N. E. Bechrakis · M. H. Foerster Benetzungsstörungen nach Netzhautchirurgie und okulärer Tumortherapie Zusammenfassung Hintergrund. Benetzungsstörungen stellen in der Praxis häufig zu beobachtende, jedoch bisher selten untersuchte Komplikationen nach Operationen im hinteren Augenabschnitt dar. Material und Methoden. Es wurden 140 Patienten nach Netzhautchirurgie (n=31), Brachytherapie (n=76) und Protonentherapie (n=33) sowie eine Kontrollgruppe (n=54) hinsichtlich des Auftretens von postoperativen Benetzungsstörungen befragt. Zusätzlich erfolgten eine spaltlampenmikroskopische Untersuchung der vorderen Augenabschnitte, eine Schirmer-Probe und die Bestimmung der Tränenfilmaufrisszeit. Ergebnisse. Insgesamt klagten 63% der operierten Patienten im Vergleich zu 40% der Kontrollgruppe über Symptome einer Benetzungsstörung (p=0,004). Die TAZ war in der Gruppe der operierten Patienten signifikant vermindert (p<0,001; Median: 15 vs. 20 s). Die Schirmer-Probe zeigte keinen signifikanten Unterschied (p=0,825; Median: 12 vs. 12 mm). Schlussfolgerung. Benetzungsstörungen stellen eine häufige, den Patienten oft stark beeinträchtigende postoperative Komplikation nach Netzhautchirurgie und Tumortherapie dar. Schlüsselwörter Benetzungsstörungen · Komplikationen · Vitrektomie · Brachytherapie · Teletherapie Dry eye symptoms following vitreo-retinal surgery and ocular tumour therapy Abstract Background. Dry eye symptoms can often be observed following vitreo-retinal operations, however, little is known about the frequency and severity of these postoperative problems. Methods. Examination of 140 patients following vitreo-retinal surgery (n=31), brachytherapy (n=76), proton beam radiation (n=33) and controls (n=54) using a questionnaire together with a clinical examination of the anterior segment, tear break-up time and a Schirmer test. Results. Of the treated patients 63% complained of dry eye symptoms versus 40% of the controls (p=0.004). The tear breakup time was decreased in treated patients (p<0.001, medians: 15 vs. 20 s). No significant difference was seen on the Schirmer test (p=0.825; medians: 12 vs. 12 mm). Conclusions. Dry eye symptoms are a common postoperative complication following vitreo-retinal surgery and ocular tumour therapy. Keywords Dry eye · Complication · Vitrectomy · Brachytherapy · Teletherapy 1100 | Der Ophthalmologe 11 · 2004 Die statistische Analyse zeigte einen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich der Stärke der Beschwerden (operiert vs. nicht operiert p=0,004). Nach Untergruppen aufgeschlüsselt, zeigte sich der Unterschied insbesondere in der Gruppe nach Brachytherapie (p=0,003). Die logistische Regressionsanalyse zeigte einen signifikanten Zusammenhang mit der Länge des Abstandes zur letzten Operation (p=0,025; Symptome: keine, wenig vs. mittel, stark). Als weiteres Ergebnis zeigte sich, dass Männer unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit eine geringere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Symptomen hatten (p=0,002; Symptome: ja vs. nein). Der Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Symptomen und der Anzahl der Voroperationen war weder einheitlich noch statistisch signifikant. Tränenfilmaufrisszeit und Schirmer-Test Die Ergebnisse der Messungen von TAZ und Schirmer-Test der Gruppen und Untergruppen sind in . Abb. 2 und 3 dargestellt. Die statistische Analyse ergab einen signifikanten Gruppenunterschied hinsichtlich der TAZ (p<0,00) – behandelte Augen wiesen eine verkürzte TAZ auf. Der Unterschied war wiederum in der Untergruppe der brachytherapierten Patienten am deutlichsten (p<0,00), gefolgt von der Untergruppe der protonentherapierten Patienten (p=0,003). Auch der Vergleich der operierten Augen mit den Partneraugen wies hier einen signifikanten Unterschied auf (p<0,00). Die lineare Regressionsanalyse zeigte, dass der wichtigste Einflussfaktor für die Verkürzung der TAZ in der Gruppenzugehörigkeit zu sehen war (p≤0,005 für alle Gruppen). Als weitere Faktoren wurden die Anzahl der Operationen (p=0,06) und die Kürze des Abstands zur letzten Operation (p=0,396) bestimmt, die jedoch keine statistische Signifikanz erreichten. Eine signifikante Korrelation zwischen TAZ und dem Auftreten einer Bindehautrötung ließ sich in keiner Gruppe finden. Die Analyse der Ergebnisse des Schirmer-Tests zeigte keinen statistisch signifikanten Unterschied zu der Kontrollgruppe (p=0,825) oder den Partneraugen Abb. 1 9 Prozentualer Anteil der genannten Symptome in den untersuchten Gruppen Abb. 2 8 Ergebnisse des Schirmer-Tests und der TAZ in untersuchten Gruppen (p=0,683). Die weitere Subgruppenanalyse ergab lediglich eine signifikante Verminderung in der Gruppe der netzhautoperierten Patienten (p=0,025). Die Bestimmung der jeweiligen nichtparametrischen Korrelation mit dem Ausmaß der Symptome ergab keinen Zusammenhang für das Ergebnis des Schirmertests (Korrelationskoeffizient −0,037) und nur einen schwachen Zusammenhang für die TAZ (Korrelationskoeffizient −0,258). Abb. 3 8 Ergebnisse des Schirmer-Tests und der TAZ aufgeführt nach Untergruppen Diskussion Klinische Bedeutung der Fragestellung Ein intakter Tränenfilm ist die Voraussetzung für eine normale Sehschärfe und eine subjektive Beschwerdefreiheit des Auges. Umgekehrt führen Störungen des Tränenfilms zu einer Herabsetzung der Sehschärfe und des Kontrastsehens sowie zu Beschwer- den in Form von Fremdkörpergefühl, Brennen und rezidivierenden Entzündungen [4, 27]. Eine aktuelle Bedeutung gewinnt die Fragestellung durch die deutliche Zunahme der Makulaloch- und Makular-puckerChirurgie, da bei diesen vitreoretinalen Eingriffen die postoperative Sehschärfe von zunehmendem Gewicht für die Operationsentscheidung ist. Allerdings kann bei etwa 28–50% der Patienten nach Makulachirurgie keine signifikante Visusbesserung beobDer Ophthalmologe 11 · 2004 | 1101 Originalien achtet werden [7, 23]. Wenn zusätzlich zu einer ausbleibenden Visusbesserung dauerhafte Benetzungsstörungen entstehen, hat dieses negative Auswirkungen auf die Patientenzufriedenheit und die Indikationen zu diesen vitreoretinalen Eingriffen. Weiterhin werden derzeit transkonjunktivale „25-Gauge“-Zugangssysteme propagiert, deren Ziel eine Minimierung des Vorderabschnitttraumas bei Vitrektomie ist [7]. Die dadurch steigenden Operationskosten wären nur durch eine Verminderung der postoperativen Beschwerden der Patienten gerechtfertigt, die bisher jedoch noch nicht untersucht wurden. Subjektive Symptome von Benetzungsstörungen In der vorliegenden Untersuchung zeigte sich eine hohe Prävalenz postoperativer Benetzungsstörungen nach chirurgischen Eingriffen im hinteren Augenabschnitt. Auch wenn bereits ein Symptom zur Einordnung als Benetzungsstörung genügte und die Proportion der als klinisch bedeutsam einzustufenden Störungen auf etwa /4 aller symptomatischen Patienten einzuschätzen ist [2], zeigte sich ein statistisch signifikanter Unterschied zu der Kontrollgruppe, in der ebenfalls ein hoher Prozentsatz symptomatischer Patienten zu beobachten war. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass bei 33% der operierten Patienten eine lokale Therapie mit Tränenersatzmitteln zum Untersuchungszeitpunkt durchgeführt wurde. Bedenkt man die teilweise starke subjektive Beeinträchtigung der Patienten durch Benetzungsstörungen, die in einer Untersuchungen in ihrem Ausmaß mit der Beeinträchtigung bei pektanginösen Beschwerden verglichen wurde [20], so sind Benetzungsstörungen als ernst zu nehmende postoperative Komplikation nach operativen Eingriffen im hinteren Augenabschnitt anzusehen. Die monatelange Tropftherapie bei /3 der operierten Patienten stellt weiterhin einen aus Gründen der Gesundheitsökonomie wichtigen Faktor im Hinblick auf die Kostenkalkulation des operativen Eingriffs dar. Klinische Untersuchung Die Ergebnisse der Schirmer-Probe verdeutlichen, dass keine Störung der wäss- 1102 | Der Ophthalmologe 11 · 2004 rigen Phase des Tränenfilms im Sinne einer Minderproduktion zu beobachten ist. Die im Gegenteil teilweise erhöhte Tränensekretionsmenge und zunehmende Varianz der Messwerte sind eher als Ausdruck einer dauerhaft erhöhten Reizsekretion in Folge der chronischen Veränderungen des vorderen Augensegmentes zu werten. Wie in anderen Studien zeigte in unserer Untersuchung lediglich die TAZ eine, wenn auch relativ geringgradig ausgeprägte Korrelation mit dem Ausmaß der Beschwerden [2]. Bei Störungen der Lipidschicht oder der wässrigen Phase ist sie weniger betroffen als bei Patienten mit Muzinstörungen [8]. Auch wenn dieser Test teilweise ausgeprägten intraindividuellen und interindividuellen Schwankungen unterliegt [26], so wird eine TAZ <0 s als hinweisend für eine Benetzungsstörung angesehen [2, 9]. Klinischer Befund, Ergebnisse der TAZ und SchirmerProbe sowie die in einem vergleichbaren Patientengut erhobenen morphologischen Befunde [9] sprechen insgesamt dafür, dass bei an Benetzungsstörungen leidenden Patienten nach Netzhautchirurgie und Tumortherapie am wahrscheinlichsten eine Störung der Muzinbildung vorliegt [8]. Ursachen der postoperativen Benetzungsstörungen Die in dieser Untersuchung dokumentierte hohe Prävalenz von Benetzungsstörungen nach Operationen des hinteren Augenabschnitts werden durch eine Kombination der folgenden Umgestaltungen der Augenoberfläche bedingt: F Durch die Traumatisierung von Bindehaut und Tenon-Schicht wird eine Wundheilungsreaktion hervorgerufen, die zu einer vermehrten Stratifikation des konjunktivalen Epithels, einer Verminderung der Muzin bildenden Becherzellen, einer Umverteilung der nachzuweisenden Muzine und einer Fibrose im Bindehautstroma führt [, 9, ]. Dadurch reißt der Tränenfilm an exponierten Stellen früher auf, welches durch die verkürzte TAZ in der behandelten Gruppe dieser Untersuchung bestätigt wird. F Aufgrund der Durchtrennung der intrakonjunktivalen Nervenstränge werden afferente und efferente Innervation von Bindehaut und Hornhaut geschädigt, was bis zu einer vollständigen Anästhesie der Augenoberfläche fortschreiten kann. Die Fähigkeit von Bindehautzellen und Hornhautepithel zur Produktion von Muzin und Zytokinen wird hierdurch zusätzlich verändert [8]. F Exponierte Fäden und entstehende Vernarbungen führen zu einer reflektorisch erhöhten Tränensekretion, die wiederum die Komposition und Stabilität des Tränenfilms beeinflusst. F Durch das Operationstrauma wird eine meist mehrere Wochen andauernde chronische Entzündung hervorgerufen, die ebenfalls die Zusammensetzung und Produktion des Tränenfilms verändert [8, 24, 25]. F Die postoperativ routinemäßig über mehrere Wochen andauernde Tropftherapie verändert über die in den Tropfen enthaltenen Wirkstoffe, Wirkstoffträger und Konservierungsmittel einerseits die Zusammensetzung des Tränenfilms, schädigt aber auch andererseits direkt das Epithel von Bindehaut und Hornhaut, wodurch wiederum Haftung, Verteilung und Produktion des Tränenfilms beeinflusst werden [3, 8]. F Im Rahmen einer Tumortherapie kann eine zusätzliche Strahlenschädigung von Tränendrüse, Lidranddrüsen, Bindehaut und Hornhaut hervorgerufen werden. Vergleich der Ergebnisse mit bisherige Untersuchungen zu diesem Thema Der in dieser Untersuchung zu beobachtenden Häufigkeit von Benetzungsstörungen nach netzhautchirurgischen Eingriffen steht der Umstand gegenüber, dass diese Komplikation auch in aktuellen Operationslehren [5, 22] keinen Niederschlag findet. Lediglich die Technik der chirurgischen Eröffnung der Bindehaut zur Exposition des Operationsfeldes wird in einigen Arbeiten [6, 5, 6] und Büchern [22] diskutiert. Dabei kann bei bulbuseindellenden Operationsverfahren und der Pars-plana- Vitrektomie die in Deutschland wohl am häufigsten angewendete Bindehauteröffnung am Hornhautlimbus [5, 6] von der limbusfernen Bindehauteröffnung [22], die etwa 3 mm hinter dem Limbus angesetzt wird, unterschieden werden. Im Gegensatz zu den bisher wenig beachteten Benetzungsstörungen nach Netzhautchirurgie ist dieses Krankheitsbild eine bekannte postoperative Komplikation nach Tumortherapie von Auge, Orbita und umgebenden Strukturen. Auftreten und Schweregrad der Erkrankung sind von der Lokalisation und Größe der malignen Läsion, dem Therapieverfahren und der verwendeten Strahlenenergie abhängig (bei Bestrahlung der okulären Adnexe Zilienverlust, Konjunktivitis und Keratitis ab einer Bestrahlungsenergie von ~30 Gy, Bindehautfibrosierung und Hornhautulzerationen ab ~60 Gy, Symblepharonbildung ab ~80–00 Gy [0]). Benetzungsstörungen im Sinne eines „trockenen Auges“ werden ab einer Dosis von ~30 Gy beobachtet. Doch auch durch eine Therapie intraokularer Tumoren können Benetzungsstörungen induziert werden, da auch hier zusätzlich zu den notwendigen Traumatisierungen der Bindehaut eine Bestrahlung der umgebenden Gewebe erfolgt. Die z. B. nach Brachytherapie mit Cobalt60 beobachteten, z. T. massiven Benetzungsstörungen waren eine der wesentlichen Antriebsfedern zur Entwicklung der Ruthenium06Applikatoren für die Behandlung von Aderhautmelanomen [4]. In unserer Untersuchung zeigte sich in allen 3 Untergruppen der operierten Patienten ein im Vergleich zur Kontrollgruppe erhöhter Anteil von symptomatischen Patienten. In der Subgruppenanalyse traten dabei die größten Unterscheide zwischen den brachytherapierten Patienten und der Kontrollgruppe auf. Ein signifikanter Unterschied zwischen den einzelnen Therapieformen, etwa der Brachytherapie und der Protonentherapie in der Behandlung des Aderhautmelanoms, ließ sich jedoch nicht feststellen. Die Aussagekraft dieses Teilaspekts der Studie wird durch die relativ geringen Fallzahlen den Untergruppen und die Behandlungsunterschiede (Tumorgröße und -lokalisation, verwendete Strahlenenergie) in den einzelnen Subgruppen limitiert. Einschränkungen der Aussagekraft der vorliegenden Studie Die wissenschaftliche Untersuchung von Benetzungsstörungen wird dadurch eingeschränkt, dass keine einheitlichen Diagnosekriterien und Stadieneinteilungen für diese heterogene Erkrankungsgruppe und insbesondere kein „goldener Test“ zur reproduzierbaren Diagnosestellung existieren [4, 9, 2]. Darüber hinaus wird die Erfassung dieser Erkrankung durch die teilweise erhebliche Differenz zwischen subjektiver Beschwerdesymptomatik des Patienten einerseits und dem vom behandelnden Arzt erhobenen morphologischen Befund andererseits erschwert [4]. Weitere Faktoren, die unsere Ergebnisse hinsichtlich ihrer epidemiologischen Aussagekraft limitieren, sind die Zahl der untersuchten Patienten, das Vorliegen von anderen Risikofaktoren für Benetzungsstörungen wie etwa Alter, Geschlecht, Lebensumstände, Rauchen, Allgemeinerkrankungen und der unterschiedliche Untersuchungszeitpunkt. Eine weiterführende Beantwortung der Fragestellung der Untersuchung ließe sich etwa zusätzlich durch einen prospektiven Vergleich von prä- und postoperativer Symptomatik und Untersuchungsbefunden erreichen. Ein ebenfalls bisher nicht untersuchter Aspekt dieses Problemkomplexes sind die Art und Wirksamkeit der verwendeten Therapeutika in der Behandlung der Benetzungsstörungen nach Hinterabschnittschirurgie. Hier ergeben sich Ansatzpunkte für zukünftige Untersuchungen, wie etwa die Frage nach der Auswirkung unterschiedlicher Techniken der Bindehauteröffnung oder des Zugangs zum Hinterabschnitt auf postoperative Benetzungsstörungen sowie eine evtl. sinnvolle Einbeziehung von Tränenersatzmitteln in die routinemäßige postoperative Tropftherapie nach Hinterabschnittschirurgie. Die verwendeten Untersuchungsmethoden repräsentieren trotz der Einschränkungen ihrer Aussagekraft die mit Abstand am häufigsten verwendeten Instrumente zur Feststellung einer Benetzungsstörung [2]. Daher ermöglicht die vorliegende Untersuchung eine praxisnahe Aussage über das Auftreten von Benetzungsstörungen nach Hinterabschnittschirurgie und okulärer Tumortherapie. Fazit für die Praxis Benetzungsstörungen stellen eine wichtige, die betroffenen Patienten teilweise erheblich belastende postoperative Komplikation nach vitreoretinaler Chirurgie und okulärer Tumortherapie dar. Als beeinflussende Faktoren sollten die Traumatisierung des vorderen Augenabschnitts im Rahmen der Operationen und die teilweise unkritisch durchgeführte postoperative Tropftherapie so gering wie möglich gehalten werden. Eine präoperative Aufklärung über die Art und die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Benetzungsstörungen im postoperativen Verlauf sowie eine frühzeitige Versorgung der Patienten mit Tränenersatzmitteln sind Möglichkeiten zur Verbesserung der Behandlung dieser Probleme in der täglichen Praxis. Korrespondierender Autor Dr. H. Heimann Augenklinik, Charité-Universitätsmedizin Berlin, Campus Benjamin Franklin, Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin E-Mail: [email protected] Interessenkonflikt: Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Literatur 1. Abdel-Khalek LM, Williamson J, Lee WR (1978) Morphological changes in the human conjunctival epithelium. II. In keratoconjunctivitis sicca. Br J Ophthalmol 62:800–806 2. Bjerrum KB (1996) Test and symptoms in keratoconjunctivitis sicca and their correlation. Acta Ophthalmol Scand 74:436–441 3. Brewitt H, Honegger H (1982) Morphologische Befunde des Hornhautepithels bei Störung des praecornealen Films und nach Applikation von Augenmedikamenten. In: Marquardt R (Hrsg) Chronische Conjunctivitis – Trockenes Auge. Springer, Wien, New York, S 35–57 4. Brewitt H, Sistani F (2001) Dry eye disease: the scale of the problem. 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Toxikologische Bewertung von Zusatzstoffen für Tabakprodukte Ein Leitfaden Berlin Wien Zürich: Beuth Verlag 2004, 18 S., (ISBN 3-410-15856-1) In den westlichen Industrieländern ist der Tabakkonsum das bedeutendste einzelne Gesundheitsrisiko und die führende Ursache der vorzeitigen Sterblichkeit. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr mehr als 100.000 Menschen an den Folgen Tabak-assoziierter Krankheiten, insbesondere Herz-Kreislaufkrankheiten, Atemwegserkrankungen und bösartige Neubildungen. Eine nachhaltige Senkung des Tabakkonsums stellt deshalb ein vorrangiges gesundheitspolitisches Ziel dar. Zu dessen Umsetzung bedarf es ein Bündel an Maßnahmen, das neben verhaltensbezogenen Interventionen auch eine wirksame Tabakkontrollpolitik einschließt. Vor diesem Hintergrund ist die am 5. Juni 2001 vom Europäischen Parlament verabschiedete Richtlinie 2001/37/EG über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen zu sehen, die u.a. Angaben über Zusatzstoffe in Tabakprodukten und deren toxikologische Bewertung fordert. Um die nationale Umsetzung der Richtlinie zu unterstützen, wurde vom Arbeitskreis „Toxikologie von Additiven“ des Arbeitsausschusses „Tabakund Tabakrauchanalyse“ ein Leitfaden erarbeitet, der nun vom Deutschen Institut für Normung e.V. veröffentlicht worden ist. Der Leitfaden befasst sich mit den Möglichkeiten der Bereitstellung aussagekräftiger toxikologischer Daten über die mehr als 500 bekannten Zusatzstoffe in Tabakerzeugnissen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Verbrennungsprodukten, weil es sich in den meisten Fällen um gängige Lebensmittelzusatzstoffe handelt, die in unverbrannter Form als unbedenklich gelten können. In anderen Zusammenhängen bewährte toxikologische Testsysteme werden dargestellt und hinsichtlich ihrer Eignung zur Überprüfung der biologischen Aktivität von Tabakrauch bewertet. Ausgehend von der Bestandsaufnahme werden unter Berücksichtigung der spezifischen chemischen und biologischen Eigenschaften des Tabakrauchs die Grundzüge einer Testmatrix entwickelt, mit nativem Hauptstromrauch als Prüfagens und In-vitro-Systemen als hauptsächlichen Testverfahren. Empfohlen wird eine prinzip-basierte Testung, die Dosis-Wirkungsbeziehungen der Additive auf einer Referenzzigarette oder auch Referenzzigaretten-Typen prüft. Da die schädigende Wirkung des Tabakrauchs weitgehend bekannt ist, kommt es für die toxikologische Bewertung der Zusatzstoffe ausschließlich auf die Frage an, ob diese zu einer Verschlechterung der biologischen Eigenschaften des Prüfagens führen. Indem der Leitfaden den gegenwärtigen Stand der Technik dokumentiert und Ansätze für eine Teststrategie skizziert, wird der Ausgangspunkt für die Entwicklung von Normen für die Erhebung und Bewertung toxikologischer Daten über Zusatzstoffe in Tabakprodukten geschaffen. Da es in Deutschland bislang keine verbindlichen Richtlinien zu diesem Bereich gibt, ist der Leitfaden sowohl für die Wirtschaft als auch für die staatlichen Überwachungsinstitutionen von grundlegender Bedeutung. Thomas Lampert (Berlin)