Wintersemester 1998/99 Atomphysik Aufzeichnungen, Folien und Programme (noch kein Vorlesungsskript!) Udo Backhaus Abhangigkeit der Atomvolumina und der Wellenlange der charakteristischen Rontgenstrahlung von der Ordnungszahl Die Balmerserie des atomaren Wasserstos im Spektrum einer Hochfrequenzentladung i INHALTSVERZEICHNIS ii Inhaltsverzeichnis -1 Anlagen Literatur 0 Lernziele 1 29. Oktober 1998: Einfuhrung 1.1 Formales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Hinweise auf die kornige Struktur der Materie . . . . . . . . . . . . . . . . 2 5. November 1998: Der Atombegri in der Chemie: Dalton 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 Das Gesetz von der Erhaltung der Masse . . . . Das Gesetz von den konstanten Proportionen . Das Gesetz von den multiplen Proportionen . . Das Gesetz von den aquivalenten Proportionen . Daltons Atomhypothese . . . . . . . . . . . . . Die Avogardrosche Molekularhypothese . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 12. November 1998: Relative Atom- und Molekularmassen v vi vii 1 1 1 3 3 3 4 4 4 5 6 8 3.1 Die Bestimmung relativer Atom- und Molekularmassen . . . . . . . . . . . 8 3.2 Das Verhalten von Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 4 19. November 1998: Ideale Gase 4.1 4.2 4.3 4.4 Wiederholung . . . . . . . . . . . . Die Zustandsgleichung idealer Gase Bestimmung von Molmassen . . . . Hausaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 26. November 1998: Kinetische Gastheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Absolute Atom- und Molekularmassen . . . . . . . . . . 5.2.1 Bestimmung mit Hilfe des radioaktiven Zerfalles . 5.2.2 Bestimmung mit Hilfe des O leckversuches . . . . 5.3 Kinetische Gastheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Die Zustandsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Hausaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 U bung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Dezember 1998: U bungen 6.1 Besprechung der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Veranschaulichung der Avogadro-Zahl . . . . . . . . . . . 6.3 Die Maxwell-Boltzmannsche Geschwindigkeitsverteilung . 6.4 Die Natur der Elektrizitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 13 13 16 17 18 18 19 19 20 21 22 24 24 27 27 28 29 30 INHALTSVERZEICHNIS iii 7 10. Dezember 1998: Elektrische Grundlagen 33 8 17. Dezember 1998: Klausur 1 9 7. Januar 1999: Kathodenstrahlen 1 36 37 7.1 Die Natur der Elektrizitat 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 7.2 Elektrolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 Ruckgabe von Klausur 1 . . . . . . . . . . . Die Geschichte des Elektrons . . . . . . . . . Elektrische Krafte . . . . . . . . . . . . . . . elektrische Ablenkung von Kathodenstrahlen Hausaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 14. Januar 1999: Die spezische Ladung der Kathodenstrahlen 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrische Bestimmung der spezischen Ladung . Magnetismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Magnetische Bestimmung der spezischen Ladung Hausaufgaben zur me -Bestimmung . . . . . . . . . 11 21. Januar 1999: Der Millikan-Versuch . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Geschwindigkeitsabhangigkeit der Elektronenmasse . . 11.3 Die elektrische Elementarladung . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Newtonsche Mechanik: Freier Fall mit Reibung . 11.3.2 Das Grundprinzip des Millikan-Versuchs . . . . 11.3.3 Messung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Experimentelle Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Auswertung eigener Meergebnisse . . . . . . . . . . . 11.6 Losung der Aufgaben zur me -Bestimmung . . . . . . . . 12 28. Januar 1999: Das Periodensystem der Elemente 12.1 12.2 12.3 12.4 12.5 12.6 . . . . . . . . . . . . . . Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Millikans experimentelle Ergebnisse an einem Tropfchen . Rechenbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskussion der experimentellen Ergebnisse . . . . . . . . Zusammenfassung: Messung atomarer Groen . . . . . . Das Periodensystem der Elemente . . . . . . . . . . . . . 12.6.1 Die innere Struktur der Atome . . . . . . . . . . 12.6.2 Isotopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.6.3 Die Streuung von -Teilchen . . . . . . . . . . . . 13 4. Februar 1999: Rontgenstrahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Erzeugung und Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Rontgenbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 Einkristall-Verfahren (Laue) . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Pulvermethode (Debye-Scherrer) . . . . . . . . . . . . 13.2.3 Rontgenbeugung am Reexionsgitter (Bragg-Reexion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 37 39 40 41 44 44 44 45 47 49 51 51 51 53 53 54 55 56 56 57 62 62 62 63 63 64 65 65 67 70 74 74 77 77 82 84 INHALTSVERZEICHNIS iv 13.3 Bestimmung der Wellenlange an einem NaCl-Kristall . . . . . . . . . . . . 85 13.4 Moseleysches Gesetz und Z-Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 14 11. Februar 1999: Atombau und Spektrallinien 14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 Absolutbestimmung der Wellenlange von Rontgenstrahlen Atomspektren: Erfahrungstatsachen . . . . . . . . . . . . . Das Wasserstospektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Bohrsche Atommodell] . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Theorie des Wasserstoatoms . . . . . . . . . . . . . . Verallgemeinerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 18. Februar 1999: Klausur 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 90 91 93 95 96 97 100 -1 ANLAGEN -1 Anlagen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. Tabelle: Bei chemischen Reaktionen beteiligte Massen (6], S. ??) Foto: Der O ltropfchen-Versuch Zur Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung in einem Gas Experiment zur Messung der Geschwindigkeitsverteilung Kathodenstrahlrohre von J. J. Thomson Zur Bestimmung der spezischen Ladung von Elektronen Leicht veranderter Aufbau zur me ; Bestimmung Hochfrequenzmethode zur me -Messung Die Geschwindigkeitsabhangigkeit der Elektronenmasse Das Periodensystem der Elemente Periodische A nderung der physikalischen Eigenschaften chemischer Elemente Die Atommassen der Elemente Die Messung der Kernladungszahl Bremsspektrum und charakteristisches Spektrum von Rontgenstrahlen Zur Rontgenbeugung Laue-Diagramm bei einem Quartzkristall Moseleysches Gesetz 1 Moseleysches Gesetz 2 Rontgenbeugung: Einkristall- und Pulvermethode Das Kristallgitter des Natriumchlorids Das Termschema des Wasserstoatoms Balmer-Serie des Wasserstoatoms und Natrium-Absorptionsserie Spektrum und Energieniveauschema des Kaliums Verschiedene Arten von Emissionsspektren v LITERATUR vi Literatur 1] 2] 3] 4] 5] 6] 7] 8] 9] 10] 11] 12] 13] 14] 15] 16] 17] 18] 19] W. Doring: Atomphysik und Quantenmechanik, de Gruyter: Berlin usw. 1981 W. Finkelnburg: Einfuhrung in die Atomphysik, Springer: Berlin usw. 1967 H. Vogel: Gerthsen Physik, Springer: Berlin usw. 1995 H. Haken: Atom- und Quantenphysik, Springer: Berlin usw. 1990 O. Hoing, P. Waloschek: Die Welt der kleinsten Teilchen, Rowohlt: Reinbek 1984 A.F. Hollemann, E. Wiberg: Lehrbuch der anorganischen Chemie, de Gruyter: Berlin 196457;70 U. Hoyer: Die Geschichte der Bohrschen Atomtheorie, Physik-Verlag: Weinheim 1974 W. Kuhn: Atomphysik in der Schule, Westermann: Braunschweig 1961 W. Kuhn: Physik IIIE: Quantenphysik, Westermann, Braunschweig 1976 H. Pientka: Das Elektron, Metzler: Stuttgart 1979 E.W. Schpolski: Atomphysik { Band 1: Einfuhrung in die Atomphysik, Barth: Leipzig usw. 1993 E.W. Schpolski: Atomphysik 1, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften: Berlin 19676 A. Sommerfeld: Atombau und Spektrallinien, Vieweg: Braunschweig 1969 P. A. Tipler: Physik, Spektrum Akademischer Verlag: Heidelberg 1998 P. A. Tipler: Physics for Scientists an Engineers, Worth Publishers: New York 1997 G.P. Thomson, Die Geschichte des Elektrons, Naturw. Rundschau 19/4, 127{132 (1966) S. Weinberg: Teile des Unteilbaren, Spektrum{Verlag: Weinheim 1984 C. Weissmantel (Hrsg.): Atom: Struktur der Materie, Verlag Chemie: Weinheim 1970 C. Weissmantel (Hrsg.): Atom- und Kernphysik: Struktur der Materie, Verlag Chemie: Weinheim 1970 0 LERNZIELE vii 0 Lernziele Die Teilnehmer sollen am Ende der Veranstaltung folgendes konnen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. qualitative Argumente fur die Atomvorstellung nennen, angeben, wie die Atomhypothese quantitativ bestatigt wurde, die Entwicklung des Atombegris in der Chemie (Dalton) beschreiben, die Gesetze von der Erhaltung der Masse, von den konstanten, multiplen, aquivalenten Proportionen nennen und ihre Interpretation mit der Atomvorstellung beschreiben, die Avogadrosche Molekularhypothese begrunden, aus Volumenverhaltnissen bei Reaktionen in der Gasphase Reaktionsgleichungen ableiten, aus Massen- und Volumenverhaltnissen der Reaktionspartner die relativen Atomgewichte ableiten, aus Massen- und Volumenverhaltnissen der Reaktionspartner die relativen Atomgewichte ableiten, die physikalische Groe em Stomenge erklaren, die Zustandsgleichung idealer Gase nennen und anwenden und die in ihr zusammengefaten Gesetzmaigkeiten erlautern, den Zusammenhang zwischen empirischer Temperatur ("Celsius-Skala\) und absoluter Temperatur ("Kelvin-Skala\) angeben, mit Hilfe der Zustandsgleichung idealer Gase Molmassen bestimmen, die Denition der Boltzmann-Konstante und ihren Zusammenhang mit AvogadroZahl und universeller Gaskonstante angeben, die Grundideen der Bestimmung der Avogadro-Zahl mit Hilfe des radioaktiven Zerfalls und des O ltropfchen-Versuchs erlautern und aus Meergebnissen die AvogadroZahl berechnen, die Grundaussagen der kinetischen Gastheorie angeben, die Zustandsgleichung idealer Gase aus der kinetischen Theorie ableiten und mit Hilfe dieser Ableitung die Gasgesetze im Rahmen der kinetischen Theorie interpretieren, den qualitativen Verlauf der Maxwell-Boltzmannschen Geschwindigkeitsverteilung zeichnen und erlautern und mittlere Geschwindigkeiten von Gasmolekulen berechnen, 0 LERNZIELE viii 18. die Bedeutung der kinetischen Gastheorie fur die Bestatigung der Atomhypothese erlautern, 19. die Groe der Avagadro-Zahl veranschaulichen, 20. elektrostatische Grunderscheinungen beschreiben und interpretieren, 21. die Vorgange bei der Elektrolyse beschreiben und interpretieren, 22. die Faradayschen Gesetze nennen und ihren Zusammenhang mit der Atomhypothese erlautern, 1 29. OKTOBER 1998: EINFU HRUNG 1 1 29. Oktober 1998: Einfuhrung 1.1 Formales Der Schein zu dieser Veranstaltung ist laut Prufungsordnung Picht. Die Veranstaltung ndet deshalb alle drei Semester statt { im Wechsel zwischen mir (diese Veranstaltung) und Druxes (Experimentalphysik). In dieser Veranstaltung werden zwei Klausuren geschrieben. Voraussetzung fur den Scheinerwerb sind { die Teilnahme an beiden Klausuren, { das Bestehen mindestens einer der Klausuren, { eine Gesamtpunktzahl in der Nahe der insgesamt (d.h. in beiden Klausuren) zu erreichenden Punktzahl. In der Regel folgt in jeder Woche auf eine zweistundige Vorlesung und eine halbstundige Mittagspause eine einstundige U bung. Diese Einteilung ist jedoch nicht starr. Diese Veranstaltung ist keine Experimentalveranstaltung im engeren Sinn. Der Schwerpunkt soll liegen { auf den empirischen Grundlagen des Atombegris, { den wichtigsten atomphysikalischen Methoden und { der ausfuhrlichen Diskussion der entscheidenden Experimente, u.a. e/m-Bestimmung mit Elektronenstrahlrohre und Fadenstrahlrohr, Millikan-Versuch, Rontgenbeugung und -strukturanalyse, Untersuchung des Wasserstospektrums, Bestimmung des Planckschen Wirkungsquantums. 1.2 Hinweise auf die kornige Struktur der Materie Atome kann man nicht sehen. Trotzdem ist inzwischen jeder (zumindest jeder physikalisch Gebildete) von ihrer Existenz uberzeugt. Warum? qualitativ 1. Verdampfung und Verdunstung (z.B. Parfum oder A ther in Luft) 2. fortschreitende Verdunnung einer gefarbten Flussigkeit 3. Kristallstruktur von Festkorpern 4. endliche Groe von Olecken 5. Brownsche Molekularbewegung (Entdeckung 1827) 6. Torsionsschwankungen eines Spiegels in einem Gas 1 29. OKTOBER 1998: EINFU HRUNG 2 quantitativ 1. Dalton 1809/1810 { Gesetz von der Erhaltung der Masse { Gesetz von den konstanten Proportionen { Gesetz von den multiplen Proportionen { Gesetz von den aquivalenten Proportionen 2. Faraday 1833 { 1. Faradaysches Gesetz { 2. Faradaysches Gesetz 3. kinetische Gastheorie (2. Halfte des 19. Jahrhunderts) { Erklarung des Gasdrucks und seiner Zunahme mit der Temperatur durch die Stoe der Gasatome bzw. -molekule und deren Geschwindigkeitszunahme mit der Temperatur { Erklarung der Warmeleitung und der inneren Reibung durch die U bertragung von Energie und Impuls durch die stoenden Atome bzw. Molekule 4. Wien 1897: Nachweis, da Kanalstrahlen aus positiv geladenen Atomen bestehen. 5. Einstein 1905: Quantitative Erklarung der Brownschen Bewegung 6. Wilson 1912: Spuren einzelner Ionen in der Nebelkammer 7. Erklarung der diskreten Rontgenreexe als Beugung elektromagnetischer Wellen an einem regelmaigen Gitter Bestimmung der Avogadro-Konstante Es gibt sehr viele verschiedene Methoden zur Bestimmung dieser wichtigen atomaren Groe, z.B.: 1. aus der kinetischen Gastheorie (Maxwell) 2. aus der Brownschen Molekularbewegung (Einstein) 3. aus der Oberachenspannung verdunnter Losungen 4. aus den Gesetzen der Strahlung schwarzer Korper (Planck, Einstein) opfchen (Millikan) 5. aus der elektrischen Ladung von Oltr 6. aus der Streuung des Himmelslichtes in der Atmosphare (Rayleigh) 7. aus der Groe des Elementarwurfels von Kristallen 8. aus dem radioaktiven Zerfall (6], S. 597) 9. aus der Feinstruktur von Spektrallinien Die sehr gute U bereinstimmung der Ergebnisse all dieser Methoden stellt ein sehr starkes Argument fur die Atomvorstellung dar. 2 5. NOVEMBER 1998: DER ATOMBEGRIFF IN DER CHEMIE: DALTON 3 2 5. November 1998: Der Atombegri in der Chemie: Dalton Dieses Kapitel lehnt sich eng an Hollemann-Wiberg (6], S. 11-19) an. 2.1 Das Gesetz von der Erhaltung der Masse Bei den meisten chemischen Reaktionen andert sich die Masse scheinbar: { Ein Nagel wird beim Rosten schwerer. { Eine Kerze wird beim Brennen leichter. Schliet man jedoch den Reaktionsraum von der Umgebung ab, dann andert sich die Gesamtmasse nicht. Der Chemiker Lavoisier hat 1785 die volle Bedeutung dieses Sachverhaltes erstmals erkannt: Bei allen chemischen Reaktionen bleibt die Gesamtmasse der Reaktionsteilnehmer unverandert. Eine genaue quantitative Bestatigung dieses Gesetzes gelangt erst Landolt 1908: Bei einer Gesamtmasse von ca. 300g war die Massenanderung nie groer als die Megenauigkeit von 0.003 mg. Eotvos gelang 1909 eine Genauigkeitssteigerung um eine weitere Zehnerpotenz. Nach der Einsteinschen A quivalenzbeziehung zwischen Masse und Energie gilt das Gesetz jedoch nicht exakt. Es gelingt jedoch bis heute nicht, diese Abweichung bei chemischen Reaktionen nachzuweisen. 2.2 Das Gesetz von den konstanten Proportionen Kuchenbacken kann man mit in weiten Grenzen beliebigen Gewichtsverhaltnissen zwischen Wasser, Mehl und Fett. Nicht so bei chemischen Reaktionen: 1. Bei der Verbindung von Wassersto und Sauersto zu Wasser ndet man stets dasselbe Gewichtsverhaltnis von 7.963:1. 2. Dasselbe Verhaltnis ndet man bei der elektrolytischen Zerlegung von Wasser. 3. Zerlegt man Chlorwassersto in Chlor und Wassersto, ergibt sich stets ein Verhaltnis von 35.175:1. Bei der Bildung von Ammoniak verbinden sich Sticksto und Wassersto im Gewichtsverhaltnis 4.632:1. Proust formulierte diesen Zusammenhang 1810 als Erster als allgemeines Gesetz: Das Massenverhaltnis zweier sich zu einer chemischen Verbindung vereinigender Elemente ist immer dasselbe. 2 5. NOVEMBER 1998: DER ATOMBEGRIFF IN DER CHEMIE: DALTON 4 2.3 Das Gesetz von den multiplen Proportionen Haug bilden zwei Elemente nicht nur eine, sondern mehrere Verbindungen mit- einander. So lassen sich z.B. Sauersto und Sticksto allein zu funf verschiedenen Verbindungen verknupfen. Vergleicht man die Gewichtsverhaltnisse bei allen diesen Verbindungen, so stellt man fest, da diese nicht unabhangig voneinander sind, sondern in einem einfachen Zusammenhang stehen, der von Dalton 1803 als allgemein gultiges Gesetz formuliert wurde: Die Massenverhaltnisse zweier sich zu verschiedenen chemischen Verbindungen vereinigender Elemente stehen im Verhaltnis einfacher ganzer Zahlen. Beispiel: { Bei der Verbindung von Sauersto und Wassersto zu Wasser verhalten sich die Massen von Sauersto und Wassersto wie 7.963:1. { Bei der Verbindung von Sauersto und Wassersto zu Wasserstoperoxid verhalten sich die Massen von Sauersto und Wassersto wie 15.926:1. { Vergleicht man die beiden Gewichtsverhaltnisse miteinander, so ergibt sich (7.963:1):(15.926:1)=1:2. 2.4 Das Gesetz von den aquivalenten Proportionen Bilden zwei Elemente mit einem dritten Element in bestimmtem Gewichtsverhaltnis je eine Verbindung, so ergibt sich bei der Vereinigung der beiden Elemente miteinander nie ein ganz neues Gewichtsverhaltnis, sondern ein Zahlenpaar, das in den beiden anderen Zahlenpaaren bereits enthalten ist. Beispiel: NH3 : mN : mH = 4:632 : 1 N2O : mN : mO = 1:713 : 1 = 7:936 : 4:632 H2O : mO : mH = 7:936 : 1 Diese Gesetzmaigkeit wurde grundsatzlich bereits 1791 von Richter erkannt: Elemente vereinigen sich stets im Verhaltnis bestimmter Verbindungsgewichte ("A quivalentgewichte\) oder ganzzahliger Vielfacher dieser Gewichte zu chemischen Verbindungen. 2.5 Daltons Atomhypothese { Daltons eigene Meergebnisse waren { selbst fur die damalige Zeit { ziemlich schlecht. So bestimmte er das Verhaltnis von Sauersto zu Wassersto zu 5.5 statt zu 7.936. Wichtiger war, da Dalton diese Gesetze als eng zusammengehorig erkannte und ihnen durch seine Atomhypothese eine einheitliche Interpretation gab: 2 5. NOVEMBER 1998: DER ATOMBEGRIFF IN DER CHEMIE: DALTON 5 Chemische Elemente sind nicht bis ins Unendliche teilbar, sondern aus kleinsten, chemisch nicht weiter zerlegbaren Teilchen, den sogenannten Atomen, aufgebaut. Alle Atome eines gegebenen Elementes haben dabei untereinander gleiche Masse, wahrend die Massen der Atome unterschiedlicher Elemente verschieden sind. Vereinigen sich deshalb zwei Elemente A und B zu einer Verbindung, so kann das nur dadurch geschehen, da a Atome des Elementes A mit b Atomen des Elementes B zu den kleinsten Teilchen Aa Bb der chemischen Verbindung zusammentreten. { Dadurch nden obige Gesetze ihre zwanglose Deutung: Erhaltung der Masse: Bei Reaktionen ndet keine Umwandlung von Materie, sondern nur eine Zusammenlagerung oder Umgruppierung von Atomen statt. konstante, multiple und aquivalente Proportionen: Die Massenverhaltnisse geben das Verhaltnis der Atomgewichte bzw. ganzzahlige Vielfache wieder. { U ber das Gewichtsverhaltnis selbst ("relative Atomgewichte\) lat sich noch keine Aussage treen, da unbekannt ist, wieviele Atome der beiden Elemente zusammentreten. 2.6 Die Avogardrosche Molekularhypothese Da jeder Masse eines bestimmten Stoes auch ein bestimmtes Volumen entspricht (wenn er gasformig ist oder sich vergasen lat), lassen sich obige Gesetze in Gesetze uber Volumenverhaltnisse umformulieren. Dabei ergibt sich jedoch eine neue interessante Erfahrung, die Gay-Lussac 1808 als Gesetz formulierte (chemisches Volumengesetz): Bei einer Reaktion zwischen gasformigen Stoen verhalten sich die Volumina der beteiligten Stoe wie kleine ganze Zahlen. Bei einer Reaktion treten die beteiligten Elemente im Verhaltnis bestimmter A qui- valentgewichte (oder deren Vielfacher) zusammen. Also verhalten sich die Gewichte gleicher Volumina wie die A quivalentgewichte oder deren Vielfache { und damit wie die Atomgewichte oder ihre Vielfachen. Das legte zunachst den Schlu nahe, da in gleichen Volumina gleich viele Atome enthalten sind. Bei der Bildung von Chlorwassersto H2 + Cl2 ;! 2HCL treten aber ein Volumen Wassersto und ein Volumen Chlor zu zwei Volumina Chlorwassersto zusammen. Diesen Befund erklarte Avogadro 1811 schlielich mit der folgenden, heute als Avogadrosches Gesetz bezeichneten Aussage: 2 5. NOVEMBER 1998: DER ATOMBEGRIFF IN DER CHEMIE: DALTON 6 Gleiche Volumina idealer Gase enthalten bei gleichem Druck und gleicher Temperatur gleich viele Molekule. Die Molekule von Wassersto und Chlor mussen also (mindestens!) zweiatomig sein. Beispiel: Bei der Bildung von Wasser verbinden sich Volumina Wassersto mit einem Volumen Sauersto zu zwei Volumina Wasserdampf. { Der Sauersto mu also mindestens zweiatomig sein. { Von der Bildung von Chlorwassersto ist bekannt, da auch Wassersto zweiatomig ist. { Also lautet die einfachste Reaktionsgleichung: 2H2 + O2 ;! 2H2O 2.7 Aufgaben 1. Wie gro war der relative Fehler bei den Messungen von Eotvos zur Erhaltung der Masse? Losung: m = 0:1 0:003mg = 0:1 3 10;6g = 10;9 m 300g 3 10;2g 2. Bei der Umsetzung von 2 Mol Wassersto und 1 Mol Sauersto zu Wasser wird 572.5 kJ Energie frei ("Reaktionswarme\, 6], S. 45). Wie genau mute man Massen messen konnen, um den dadurch entstehenden Massenverlust nachweisen zu konnen? Losung: Zunachst Abschatzung: 5 105J m = E=c2 = E = ;10 m m mc2 4 10;2kg 10 1016 ms22 10 Nun genau: 572:5kJ m = E=c2 = E = ;10 2 = 1:8 10 m 2 16 m m mc 0:036kg 9 10 s2 2 5. NOVEMBER 1998: DER ATOMBEGRIFF IN DER CHEMIE: DALTON 7 3. Bei der Verbindung von 3 Volumina des Elements A mit einem Volumen des Elements B entstehen 2 Volumina einer Verbindung C . Wie lautet die Reaktionsgleichung? Losung: Da aus einem Teil B zwei Teile C werden, mu B (mindestens) zweiatomig sein. Da aus drei Teilen A zwei Teile C werden, mu auch A (mindestens) zweiatomig sein. Die einfachste mogliche Reaktionsgleichung ist also 3A2 + B2 ;! 2AB3 (Bildung von Ammoniak) 4. Bei den verschiedenen Verbindungen zwischen Sauersto und Sticksto treten folgende Massenverhaltnisse (N:O) und Volumenverhaltnisse (N:O:NOx) auf: a) 1 : 0.571 b) 1 : 1.142 c) 1 : 1.713 d) 1 : 2.284 e) 1 : 2.855 2:1:2 1:1:2 2:3:2 1:2:2 2:5:2 Stellen Sie jeweils die Reaktionsgleichungen auf. Wie gro ist das Massenverhaltnis zwischen den Atomen des Sauerstos und des Stickstos? Losung: a) 2N2 + O2 b) N2 + O2 c) 2N2 + 3O2 d) N2 + 2O2 e) 2N2 + 5O2 ;! ;! ;! ;! ;! 2N2O 2NO 2N2O3 2NO2 2N2O5 In der Verbindung b) treten oensichtlich gleiche Anzahlen Sticksto- und Sauerstoatome zusammen, das zugehorige Gewichtsverhaltnis also das "unverfalschte\ Massenverhaltnis: mO2 = 1:142 = 8 = 16 mN2 7 14 3 12. NOVEMBER 1998: RELATIVE ATOM- UND MOLEKULARMASSEN 8 3 12. November 1998: Relative Atom- und Molekularmassen 3.1 Die Bestimmung relativer Atom- und Molekularmassen Beispiel: Erlauterung der Knallgasreaktion (Wiederholung): { Gewichtsverhaltnis: { Volumenverhaltnisse: 1:7.936 2 Vol. Wassersto + 1 Vol. Sauersto ;! 2 Vol. Wasserdampf { Nach der Molekularhypothese folgt daraus, da aus einem Sauerstomolekul zwei Wassermolekule werden. Die Sauerstomolekule mussen also mindestens doppelt sein. Aus der HCl { Reaktion folgt gleiches fur den Wassersto. { Keine Reaktion bekannt, bei der aus einem Volumen Wassersto oder Sauersto mehr als zwei Volumina werden. { Also: 2H2 + O2 ;! 2H2O (+ 572.5 kJ). { Also: Ein Sauerstoatom ist 15.872mal so schwer wie ein Wasserstoatom. { Man sagt: Das Atomgewicht von Sauersto ist 16. Oder moderner: Die Masse eines Sauerstoatoms betragt mO = 16u (u = atomare Masseneinheit). Wahl der Einheit: { zunachst Wassersto, weil kleinste Einheit (Dalton 1805) { dann Sauersto (Stas 1865, anerkannt 1905), weil das Atomgewicht meist aus den zahlreicher vorkommenden Sauerstoverbindungen bestimmt wird. { schlielich Kohlensto 12 C (1961), weil Sauersto Isotopengemisch und Chemiker und Physiker verschiedenen Bezugspunkt wahlten: Eine atomare Masseneinheit ist 121 der Masse eines 12 C -Atoms (genauer: eines 12 C -Kernes!). 12u = m112 C Allerdings ist noch unbekannt, wie gro diese Einheit gemessen in kg ist (s. 14], S. 1323). Molekulargewicht: M ist die "Summe\ der Atomgewichte Die Stomenge eines Stoes ist ein Ma fur die Menge an Materie, genauer: fur die Anzahl der in ihr enthaltenen Molekule: { Die Einheit der Stomenge ist ein Mol. { Ein Mol 12 C hat eine Masse von 12 Gramm. { Ein Mol einer beliebigen (chemisch einheitlichen!) Substanz ist die Stomenge, die dieselbe Anzahl von Molekulen enthalt wie 1 Mol 12C . Etwas weniger prazise: 1 Mol ist das "Molekulargewicht in Gramm\. Ein Mol Wassersto hat eine Masse von 2 g! 3 12. NOVEMBER 1998: RELATIVE ATOM- UND MOLEKULARMASSEN 9 Ein Mol verschiedener Stoe enthalt also immer dieselbe Anzahl von Molekulen. Diese wichtige Konstante der Atomphysik hat einen Namen: Die Avogadro-Zahl NA ist die Anzahl der Molekule in einem Mol eines Stoes. Die Groe dieser Zahl ist allerdings, ebenso wie die atomare Masseneinheit, noch unbekannt. Zwischen diesen beiden Groen besteht aber ein Zusammenhang: 0:001kg = NAu (1) Ein Mol eines beliebigen Stoes enthalt eine bestimmte Anzahl von Molekulen. Es nimmt damit im gasformigen Zustand unter Normalbedingungen (# = 0C p = 760mmHg = 1:013bar = 1:013 105Pa) auch ein ganz bestimmtes Volumen ein: Das Molvolumen betragt 22.413 Liter. MolekularName der Verbindung gewicht Wassersto : : : : : : : : : : Chlorwassersto : : : : : Wasser : : : : : : : : : : : : : : Wasserstoperoxid : : : Ammoniak : : : : : : : : : : Hydrazin : : : : : : : : : : : : Methan : : : : : : : : : : : : : : A than : : : : : : : : : : : : : : : A thylen : : : : : : : : : : : : : Acetylen : : : : : : : : : : : : : Benzol : : : : : : : : : : : : : : Chlor : : : : : : : : : : : : : : : : Dichloroxid : : : : : : : : : : Chlordioxid : : : : : : : : : : Chlorsticksto : : : : : : : Tetrachlorkohlensto Sauersto : : : : : : : : : : : Distickstooxid : : : : : : Stickoxid : : : : : : : : : : : : Stickstodioxid : : : : : : Kohlenoxid : : : : : : : : : : Kohlendioxid : : : : : : : : Sticksto : : : : : : : : : : : : 2 36.5 18 34 17 32 16 30 28 26 78 71 87 67.5 120.5 154 32 44 30 46 28 44 28 In 1 Mol Verbindung enthaltene Gramm-Menge H 2 1 2 2 3 4 4 6 4 2 6 { { { { { { { { { { { { Cl { 35.5 { { { { { { { { { 71 71 35.5 106.5 142 { { { { { { { O { { 16 32 { { { { { { { { 16 32 { { 32 16 16 32 16 32 { N { { { { 14 28 { { { { { { { { 14 { { 28 14 14 { { 28 C { { { { { { 12 24 24 24 72 { { { { 12 { { { { 12 12 { Formel der Verbindung H2 HCl H2O H2O2 NH3 N2 H4 CH4 C2H6 C2H4 C2H2 C6H6 Cl2 Cl2O ClO2 NCl3 CCl4 O2 N2O NO NO2 CO CO2 N2 3 12. NOVEMBER 1998: RELATIVE ATOM- UND MOLEKULARMASSEN 10 allgemeines Verfahren: Das Atomgewicht ergibt sich als die "kleinste Anzahl von Grammen\ eines Elementes, die in einem Mol einer Verbindung dieses Stoes gefunden werden kann. Diese Festlegungen sind oensichtlich zirkular. Am Beispiel der Knallgas{Reaktion kann man sich aber klar machen, wie das Verfahren zur Molekulargewichtsbestimmung linearisiert werden kann. Noch einmal erlautern an den Massenverhaltnissen folgender Wassersto-Reaktionen: 1. H2 O2 : 2 + 32 ;! 34: Hiernach kann das Atomgewicht hochstens 2 sein. 2. NH3 : 6 + 28 ;! 34: Hiernach kann das Atomgewicht hochstens 3 sein. Zusammen mit 1) ergibt sich aber, dass das Atomgewicht 1 ist. 3. HCl : 2 + 71 ;! 2 36:5 Diese Beziehung bestatigt die unter 2) gemachte Aussage. Anhand obiger Tabelle (6], S. 26) kann man sich klar machen, wie die Atomund Molekulgewichte vieler Elemente durch chemische Reaktionen bestimmt werden konnen. Die Tabelle entspricht einem Gleichungssystem aus 25 Gleichungen mit nur 5 Unbekannten. Da sich dieses Gleichungssystem widerspruchsfrei losen lat, mu einen tieferen Grund haben: Eine weitere Bestatigung der Molekularhypothese! 3.2 Das Verhalten von Gasen Das Verhalten von Gasen wird durch die folgenden Zusrandsgroen beschrieben: { das Volumen V , gemessen in m3, { den Druck p, gemessen in Pascal (1P = 1 mN ), { die Temperatur, zunachst die "empirische Temperatur\ #, gemessen in C , { die Masse m, gemessen in kg, { die Stomenge n, gemessen in Mol. Fur eine feste Gasmenge zeigt sich: { Bei konstantem Volumen erhoht sich der Druck eines Gases, wenn es erwarmt 2 wird. Genauer: p # (bei V = const:) ( Gesetz von Amontons ) { Bei konstantem Druck vergroert sich das Volumen eines Gases, wenn es erwarmt wird. Genauer: V # (bei p = const:) ( Gesetz von Gay-Lussac ) 3 12. NOVEMBER 1998: RELATIVE ATOM- UND MOLEKULARMASSEN 11 { Bei konstanter Temperatur verkleinert sich der Druck eines Gases, wenn sein Volumen vergroert wird. Genauer: p V1 (bei # = const:) ( Gesetz von Boyle-Mariotte ) p # (Gay{Lussac) =) p = p0 # oder: p2 ; p1 = p0 #21 =) p2 = p1 + 0 p 0 #21 = p1 1 + p p #21 1 ! Wahlt man als Bezugstemperatur #0 = 0C , dann ergibt sich 0 p = p0(1 + p #) p = p p 0 =) p = p0(1 + p#) p0 = p(# = 0C ) (2) (3) Der Druckausdehnungskoe!zient p hat fur alle idealen Gasen denselben Wert: p = 273:115C Aufgabe: Zeichnen Sie Graphen, die in einem (# p)-Diagramm den Zusammenhang zwischen empirischer Temperatur und Druck darstellen, 1. drei Graphen fur dieselbe Gasmenge in verschiedenen Volumina, 2. drei Graphen fur verschiedene Gasmengen in demselben Volumen. 3 12. NOVEMBER 1998: RELATIVE ATOM- UND MOLEKULARMASSEN 12 p -200 -100 100 200 # C ] Das Bild zeigt den Zusammenhang zwischen Temperatur und Druck entweder fur dieselbe Gasmenge in verschiedenen Volumina oder fur verschiedene Gasmengen in demselben Volumen. In diesem Bild stecken mutige Idealisierungen! 4 19. NOVEMBER 1998: IDEALE GASE 13 4 19. November 1998: Ideale Gase 4.1 Wiederholung Moldenition, atomare Masseneinheit und Avogadro-Konstante Losung der HA zum 12.11.: N -O-Reaktionen Druckeinheiten: N 1Pa = 1 m 2 5 1bar = 10 Pa 1atm = 1:01325bar 1Torr = 1mmHg = 133:3Pa (14], S. 349) 4.2 Die Zustandsgleichung idealer Gase Wir hatten den folgenden Zusammenhang zwischen dem Druck p einer bestimmten Gasmenge in einem festen Volumen und der empirischen Temperatur # gefunden: 1 p = p0(1 + p#) == p0 1 + 273:15C # bei V = const Dieser Zusammenhang ist linear: In der graschen Darstellung ergibt sich eine Gerade, die nicht durch den Ursprung geht. Sperrt man dieselbe Gasmenge in verschiedene Volumina ein oder fullt man in dasselbe Volumen verschiedene Gasmengen, dann ergeben sich immer wieder Geraden. Diese Geraden schneiden die p-Achse bei verschiedenen p0 -Werten (genauer: p0 V1 bei fester Gasmenge (Boyle-Mariotte), p0 m oder p0 n bei festem Volumen (Das kann man sich folgendermaen uberlegen: Man fulle die doppelte Gasmenge zunachst bei derselben Temperatur und demselben Druck in das doppelte Volumen (Avogadro) und komprimiere dann auf die Halfte" dabei steigt der Druck auf das Doppelte (wieder Boyle-Mariotte))). Alle diese Geraden schneiden die #-Achse bei # = ;273:15C . Das gibt Anla, den Nullpunkt der Temperatur-Skala zu verschieben: 1 p = p0 1 + 273:15C # =) p = p0 p(273:15C + #) =) p = k0 T (Verschiebung der Temperatur-Skala) Die Temperatur T heit Ideale-Gas-Temperatur, absolute Temperatur oder thermodynamische Temperatur. Zwischen den beiden Temperaturskalen besteht folgender Zusammenhang: { Eine Temperaturanderung um # = xC ist gleich einer Temperaturanderung um T = xK . 4 19. NOVEMBER 1998: IDEALE GASE 14 { Einer empirischen Temperatur # = x C entspricht eine absolute Temperatur T = (x + 273:15)K . { Oder formal zusammengefat: T = # + 273:15 K C Einschub: Proportionalitat zwischen 3 voneinander abhangenden Groen: Die absolute Temperatur wurde gerade so eingefuhrt, da gilt: Der Druck einer be- stimmten Gasmenge ist bei konstantem Volumen proportional zur absoluten Temperatur: p = k00 T: Die Konstante k00 hangt vom Volumen ab: Verringert man bei konstant gehaltener Temperatur das Volumen auf die Halfte, dann steigt der Druck auf das Doppelte. Der Quotient Tp und damit die Konstante k00 wird also doppelt so gro: p1 T V =) pV = k0T Dabei ist k0 eine von der Menge und der Art des Gases abhangige Konstante. (Naturlich: Wenn ich in dasselbe Volumen bei konstanter Temperatur mehr Gas einfulle, steigt der Druck { und damit der Quotient k = pVT !) Aufgabe: Wie gro ist k0 fur jeweils 1g Sticksto bzw. Sauersto? Losung: Um die Konstante zu bestimmen, braucht man zusammengehorende Werte von p V und T : 1g N2 (O2) entspricht 281 Mol N2 ( 321 Mol O2). Bei Normaldruck (p = 105Pa) und Normaltemperatur (T = 273:15K ) betragt das Volumen also 22:414 22:414 28 l ( 32 l). Also ergibt sich fur Sticksto: pV = 105Pa 22:414 10;3m3 = 0:293 J : T 28 273:15K K Entsprechend ergibt sich fur Sauersto k0 = 0:256 KJ . Die Konstante k0 hangt oensichtlich von der Gasmenge ab: Fullt man bei gleicher Temperatur die doppelte Gasmenge in dasselbe Volumen, dann erhoht sich der Druck auf das Doppelte (s.o.). Die Konstante k0 ist also proportional zur Gasmenge: Formuliert man diesen Zusammenhang, indem man die Masse m als Ma fur die Gasmenge nimmt, dann ergibt sich: k0 = k0 m also pV = mrT: Die Konstante r ist dann oensichtlich von der Art des Gases abhangig: 4 19. NOVEMBER 1998: IDEALE GASE 15 J r J rStickstoff = 0:293 gK Sauerstoff = 0:256 gK Kennzeichnet man jedoch die Menge des Gases statt durch die Masse durch seine Stomenge ("Anzahl der Mole\), k0 n also pV = nRT dann ergibt sich fur die Konstante: J R J RStickstoff = 8:204 molK Sauerstoff = 8:192 molK R ist also von der Art des Gases unabhangig { eine universelle Konstante: Zustandsgleichung Idealer Gase: pV = nRT J mit R = (8:3143 0:0003) MolK (4) (5) Die Konstante R heit universelle Gaskonstante. In der Zustandsgleichung Idealer Gase sind in sehr kompakter Form viele Gesetzmaigkeiten und Festlegungen zusammengefat: 1. Die Denition der absoluten Temperatur, 2. die Denition der Stomenge, die auf der Avogadroschen Molekularhypothese beruht, 3. das Gesetz von Amonton: p T bei V = const n = const 4. das Gesetz von Gay-Lussac: V T bei p = const n = const 5. und schlielich das Gesetz von Boyle-Mariotte: p V1 bei T = const n = const: 4 19. NOVEMBER 1998: IDEALE GASE 16 4.3 Bestimmung von Molmassen Die Ideale Gasgleichung eronet die Moglichkeit, das Molekulargewicht eines Stoes zu bestimmen: Kennt man bei einem Gas Druck, Volumen und Temperatur, dann ergibt sich mit Hilfe des Gasgesetzes die Stomenge und aus der Masse schlielich das Molekulargewicht M : g m mRT M = n = pV Mol Aufgabe: 1 Liter Neon hat bei Normaldruck (p = 1:013 105Pa) und einer Temperatur von # = 20C eine Masse von 0:839g. Wie gro ist das Molekulargewicht von Neon? Losung: 1. Schrittweise: (a) Bei Normaltemperatur # = 0C hat das Gas (wegen V T ) ein Volumen von 273:15K V (T = 293:15K ) = 0:932l: V (T = 273:15K ) = 293 :15K 5 (b) Bei Normaldruck p = 1:013 10 Pa hat das Gas (wegen pV = const) ein Volumen von 000 V (T = 273:15K ) = Vnorm = 11::013 (c) Das Molvolumen VMol hat also eine Masse von :414l 0:839g = 20:18g: mMol = 22 0:932l (d) Das Molekulargewicht betragt also g : M = 20:18 Mol 2. Kurzer, eleganter und weniger fehleranfallig: J 293:15K mRT = 0:839g 8:314 MolK g M=m = = 20 : 18 N 5 ; 3 3 n pV Mol 1:013 10 m2 10 m weitere Hausaufgabe (nicht gestellt): 1 g Chlorgas hat bei Zimmertemperatur (20C) und Normaldruck (1:013 105P ) ein Volumen von 339.3cm3. Wie gro ist das Molekulargewicht (die relative Molekulmasse) von Chlor? Losung: 1. :15K V V0C = 273 293:15k 20 C 22:413l 293:15K 1g = 70:9g =) mMol = VVMol m = 273:15K 0:3393l 0 C 4 19. NOVEMBER 1998: IDEALE GASE 2. 17 = mRT = 70:9 g M=m n pV Mol g . Das Molekulargewicht betragt also 70:9 Mol 4.4 Hausaufgaben Das Verhalten Idealer Gase kann genauer nachgelesen werden z.B. bei Tipler (14], S. 512-521 bzw. 15], S. 490-499). Insbesondere sind die Beispiele im Tipler (14], S. 520f bzw. 15], S. 498f) durchzuarbeiten. Aufgaben 6-9 (Tipler (14]), S. 535f bzw. 15], S. 514, Aufg. 14, 15, 16, 19) 5 26. NOVEMBER 1998: KINETISCHE GASTHEORIE 18 5 26. November 1998: Kinetische Gastheorie 5.1 Wiederholung Korrektur: Normalbedingungen sind p = 1:013 105Pa T = 273:15K ! Ideale Gasgleichung und in ihr enthaltene Aussagen. Die im Tipler (wie in vielen anderen Lehrbuchern) benutzte Bezeichnung der Sto- menge n als "Anzahl der Mole\ ist nicht nur schlecht (Man bezeichnet die Masse m eines Korpers auch nicht als die Anzahl seiner Kilogramme!), sondern streng genommen falsch: Als eine Zahl hatte n die Dimension 1, und die Gleichungen, in denen n auftritt (z.B. die Zustandsgleichung idealer Gase), wurden dimensionsmaig nicht stimmen. Nachtrag: Wir hatten gesehen, da beim idealen Gas der Quotient pVT proportional zur Gasmenge ist. Formuliert man diesen Sachverhalt statt mit der Masse oder der Stomenge mit der Teilchenzahl N , dann ergibt sich pV N =) pV = NkT T (6) Auch in dieser Formulierung ist die auftretende Konstante von der Art des Gases unabhangig! Diese Konstante heit Boltzmann-Konstante. Vergleich mit der anderen Formulierung der Zustandsgleichung (4) ergibt: Mol Nk = nR n=1 =) NAk = R (7) Sind zwei dieser Groen bekannt, kann man die dritte berechnen. Gibt es Fragen zu den Beispielen und Aufgaben im Tipler? (Es wurden keine Fragen gestellt!) Losungen: Aufg. 6 Aufg. 7 pV = 1:013 105Pa 10;2m3 = 122K a) T0 = nR J 1Mol 8:3 MolK b) T1 = VV T0 = 2T0 = 244K 0 5 p 1 : 013 10 1 c) p2 = T T2 = 244K Pa 350K = 2:9 105Pa 1 V = T = 1:155 V0 T0 5 26. NOVEMBER 1998: KINETISCHE GASTHEORIE Aufg. 8 NA = Nn Aufg. 9 19 pV = 6:0221023 133:3 10;8Pa 10;6m3 = 3:22108 =) N = nNA = NA RT J 300K 8:3 MolK pV = 1:013 105Pa 6m 5m 3m = 3661Mol a) n = RT J 300K 8:3 MolK 1 1 pV b) n = R T ; T = 60Mol: 0 1 5.2 Absolute Atom- und Molekularmassen Fur die Bestimmung absoluter Atom- und Molekularmassen mu man fur einen Sto und eine Menge die absolute Zahl der enthaltenen Atome oder Molekule kennen. Diese schwere Aufgabe wurde erst lange nach Avogadro gelost { durch Losschmidt um 1855. Trotzdem nennt man die Zahl der in einem Mol einer Verbindung enthaltenen Molekule heute die Avogadro{Konstante (und nicht mehr die Losschmidt-Zahl). 5.2.1 Bestimmung mit Hilfe des radioaktiven Zerfalles Am direktesten (wenn auch nicht experimentell am einfachsten) ist die Bestimmung der Avogadro-Konstante mit Hilfe des radioaktiven Zerfalls (der erst spater genauer besprochen wird). Radium (226 Ra) ist ein radioaktives Element, genauer ein ;Strahler (d.h. es emittiert ;Teilchen oder Heliumkerne) mit einer Halbwertszeit von 1622 Jahren. Bei diesem Element ist es moglich, die Zahl der emittierten Teilchen zu zahlen und gleichzeitig die Menge des entstehenden Heliums zu messen: 1 Milligramm Radium erzeugt im Vakuum in einem Zahlrohr mit einem 1mm2 -Fenster in 20cm Abstand in einer Sekunde im Mittel 73.6 Zahlimpulse. 1 Gramm Radium entwickelt in einem Jahr 43 mm3 Heliumgas. Hausaufgabe: Welcher Wert fur die Avogadro{Zahl ergibt sich aus diesen Angaben? Eine Kugel mit dem Radius 200mm hat eine Oberache von 4(200)2mm2 . In das Zahlrohrfenster fallt also nur ein sehr kleiner Bruchteil der insgesamt emittierten Strahlung. Insgesamt emittiert das Radium also 2 mm2 73:6s;1 = 3:7 107s;1 Ns = 4(200) 1mm2 Ein Gramm Radium emittiert also in einem Jahr Na = 1000 3600 24 365:25Nsa;1 = 1:167 1015 a;1 in einem Jahr. Die Stomenge des in einem Jahr entstehenden Heliums betragt 43mm3 ;6 ;1 nHe = 22:414 106mm3 Mol = 1:918 10 Mola : 5 26. NOVEMBER 1998: KINETISCHE GASTHEORIE 20 Fur die Avogadro-Konstante ergibt sich also: 167 1015 Mol;1 = 6:09 1023Mol;1 NA = 11::918 10;6 Oder kurz: NA = VMol N = VMol AKugel2 NZr V V 1mm 22 : 413 l 42002 73:6 1 3600 24 365:25s = 6:09 1023 = ; 6 43 10 l s Man kann auch die Aktivitat reinen Radiums (3:6 1010s;1 ) mit der Halbwertszeit kombinieren, bzw. konkreter mit der Angabe, da von 1g Radium in einem Jahr 427g Ra zerfallen (Zusatzaufgabe!). Losung: ;6 427g =^ 427 10g g = 1:89 10;6Mol 226 Mol Also: 3:6 1010 1s 3600 24 365:25s 23 1 NA = = 6 : 00 10 ; 6 1:89 10 Mol Mol 5.2.2 Bestimmung mit Hilfe des O leckversuches Versuch: Auf eine ruhige Wasseroberache, die mit Barlappsamen bestreut ist, wird aufgebracht. ein Tropfen (bzw. zwei, drei Tropfen) Ol Beobachtung: Das auseinanderlaufende O l verdrangt die Samen. Der Tropfen lauft schnell zu einem Kreis mit einem festen Durchmesser d auseinander1 . Bei zusatzlichen Tropfen vergroert sich der O leck. Meergebnisse: { 1 Tropfen: d1 = 18cm, { 2 Tropfen: d2 = 25:5cm, { 3 Tropfen: d3 = 30cm. Bei genauem Hinsehen beobachtet man einen "Elastizitatseekt\: Der Fleck "schiet\ zunachst kurz uber die stabile Maximalgroe hinaus. 1 5 26. NOVEMBER 1998: KINETISCHE GASTHEORIE 21 d1 : d2 : d3 = 1 : 1:42 : 1:67 oder A1 : A2 : A3 = 1 : 2:01 : 2:8. Die Flache des O lecks nimmt also ungefahr proportional zur Anzahl der Tropfen (und damit zum aufgebrachten O lvolumen) zu. Interpretation: Das O l lauft auseinander, bis eine weitere Vergroerung den Film zerreien mute, d.h. bis die Schicht nur noch aus einer Lage von Molekulen besteht. Der Versuch eronet damit die Moglichkeit, die Dicke der Schicht { und damit die Groe der O lmolekule { zu messen und daraus die Avogadro-Konstante abzuleiten. g aure C17H33 COOH hat das Molekulargewicht M = 282:47 Mol Zusatzinformationen: Ols wird im Verhaltnis 1:2000 mit Benzin verdunnt, und die Dichte = 0:890 cmg 3 . Das Ol das beim Versuch sofort verdampft. Ein Tropfen hat das Volumen V = 401 cm3 . Auswertung: Welche Abschatzung fur die Avogadro{Konstante ergibt sich daraus? (Hausaufgabe!) Losung: 1 1 cm3 = 1:25(2:5 3:75) 10;5cm3 V = 2000 40 2 A = r2 = d4 = 2:54(5:11 7:07) 102cm2 4V = 4:9(4:9 5:) 10;8cm dm = VA = d 2 3 3 d6 = 1:049(2:134 2:513) 1017 =) N = dA2 = VA2 = 64 V2 m m = V = 4:433(7:890 11:835) 10;8Mol n = M M N =) NA = n = 2:34(2:37 2:1) 1024Mol;1 Oder zusammengefat: 2 = NM = M V3 = M d NA = Nn = NM m V V dm 4V !3 Wir werden uns mit der Bestimmung der Avogadro{Zahl spater noch ofter beschaftigen. 5.3 Kinetische Gastheorie Bisher ist der Zustand von Gasen durch ihre makroskopischen Zustandsgroen be- schrieben worden. Um den mikroskopischen Zustand zubeschreiben, mute man Ort und Geschwindigkeit jedes Molekuls kennen, was wegen der groen Zahl absolut unmoglich (und auch nicht sinnvoll!) ist. 5 26. NOVEMBER 1998: KINETISCHE GASTHEORIE 22 Vielmehr wird in der kinetischen Gastheorie der makroskopische Zustand auf eine statistische Beschreibung des Verhaltens aller Molekule zuruckgefuhrt, auf das mittlere Verhalten der Molekule also2. Die kinetische Theorie geht aus von den folgenden Grundannahmen: Mikroskopisches Modell eines idealen Gases 1. Das Gas besteht aus einer groen Anzahl von Molekulen, die uber elastische Stoe mit der Gefawand und untereinander wechselwirken. 2. Der mittlere Abstand der Molekule voneinander ist so gro (verglichen mit ihrer Groe), da sie nur bei Stoen Krafte aufeinander ausuben. 3. Es wirken keine Krafte von auen auf die Molekule (das heit u.a., da sie sich so schnell bewegen, da man die Gravitationskraft nicht bemerkt.). 4. Die Molekule bewegen sich in alle Richtungen: Es gibt keine Vorzugsrichtung der Bewegung. Mikroskopisches Modell eines idealen Gases (15], S. 500) Ziel ist, das makroskopisch beobachtbare Verhalten durch Anwendung der Gesetze der klassischen Mechanik auf diese Grundannahmen zuruckzufuhren. 5.3.1 Die Zustandsgleichung Der Druck entsteht dadurch, da die Molekule elastisch gegen die Wand prallen. Bei einem solchen ideal elastischen Sto ohne Reibung ubt die Wand nur eine Kraft in Richtung der Flachennormale auf das Molekul aus. Dabei andert sich der Impuls entsprechend dem 2. Newtonschen Gesetz um p~ = p? = m v? = m(;v? ; v?) = ;2mv? (8) Das ist vergleichbar mit einer Kranken- oder Lebensversicherung, die sich fur das individuelle Wohlbe nden ihrer Mitglieder kaum interessiert: Wichtig ist fur sie, wieviele Mitglieder in jedem Jahr im Mittel sterben, genauer: wie gro der Anteil der Todesfalle an der Mitgliederzahl ist. 2 5 26. NOVEMBER 1998: KINETISCHE GASTHEORIE 23 Nach dem 3. Newtonschen Gesetz ubt dabei das Molekul auch eine Kraft auf die Wand aus: F~ t = 2mv?~e? (9) Um die Kraft auf die Wand zu bestimmen, mu man also herausnden wieviele Molekule mit welcher Geschwindigkeit pro Zeiteinheit auf die Wand treen. Vereinfachende Annahmen: 1. Alle Molekule bewegen sich mit derselben Schnelligkeit v . 2. Je ein Sechstel aller Molekule bewegt sich exakt in die sechs verschiedenen Richtungen (in x-Richtung, in -x-Richtung usw.) In der Zeitspanne zwischen t0 und t0 + t stoen alle die Molekule gegen einen Flachenausschnitt A (z.B.) der rechten Wand, die sich nach rechts bewegen und zu Beginn hochstens einen Abstand v t von der Wand haben: Nr = 61 N (10) V Av t Damit ergibt sich aber fur den Druck: p = FA = A1 t 16 N V Av t 2mv 2 =) p = 13 N V mv (11) (In der U bung wird gezeigt, da dieses Ergebnis auch gilt, wenn sich die Molekule in beliebige Richtungen bewegen (s. (16)!) Damit hat sich aber ergeben, da das Produkt aus Druck und Volumen konstant bleibt, solange sich die Geschwindigkeit der Molekule nicht andert: pV = 31 Nmv2 oder pV = 32 NEkin (12) Dabei ist Ekin = 12 mv2 die kinetische Energie eines einzelnen Molekuls. Es lat sich zeigen (s. U bung), da dieses Ergebnis allgemein gilt, wenn die (konstante) kinetische Energie durch die mittlere kinetische Energie Ekin der Molekule ersetzt wird: pV = 32 NEkin (13) 5 26. NOVEMBER 1998: KINETISCHE GASTHEORIE 24 Vergleicht man mit der makroskopisch gewonnenen Zustandsgleichung (4), dann ergibt sich: NkT = 32 NEkin =) Ekin = 23 kT (14) (Da fur den Druck nur die Translationsbewegung der Molekule eine Rolle spielt, tritt in (14) auch nur die Energie der Translation auf. Wenn die Molekule zusatzliche Freiheitsgrade\ haben (z.B. rotieren oder schwingen konnen), dann tritt in (14) "ein anderer Faktor auf.) Damit hat sich eine sehr wichtige Aussage ergeben: In der kinetischen Gastheorie ist die Temperatur ein Ma fur die kinetische Energie der Molekule. 5.4 Hausaufgaben 1. Wie gro ist die mittlere Geschwindigkeit3 der Sauersto- und Stickstomolekule der Luft bei Zimmertemperatur? Losung: s s s q 3 kT 3 RT 3RT v2 = = = m NA m M v u J 300K u 3 8:3 MolK = t = 483 m (Sauersto) kg ; 3 s 32 10 Mol q ( v2 = 517 m (Sticksto)) s 2. Fragen im Tipler (14], S. 528, 15], S. 505) 5.5 U bung Verbesserte Ableitung der Zustandsgleichung: Zunachst sollen weiterhin alle Molekule dieselbe Schnelligkeit haben. Sie bewegen sich aber in beliebige Richtungen. Wie viele Molekule treen nun im Zeitintervall t auf die Wand, und welchen Impuls ubertragen sie (ihre Normalgeschwindigkeit v? ist verschieden!)? Bisher hatten wir angenommen, da sich genau ein Sechstel aller Molekule nach rechts bewegt, die Dichte dieser Molekule also nr = 61 N V p 3 2 genauer: die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit v 5 26. NOVEMBER 1998: KINETISCHE GASTHEORIE 25 betragt. Nun mussen wir alle Molekule, die sich nach rechts bewegen nach ihren unterschiedlichen Geschwindigkeiten vx ordnen und dann fur jedes vx dieselbe U berlegung wie oben anstellen. Dazu tragen wir die Geschwindigkeitsvektoren ~v aller Molekule von einem Punkt ab. Die Endpunkte dieser Vektoren liegen dann, gleichmaig verteilt, auf einer Kugeloberache, d.h. sie haben dort die (Flachen-) Dichte N : n = A N = 4v 2 Kugel Alle Geschwindigkeitsvektoren, die eine x-Komponente zwischen vx und vx + dvx haben, bilden einen Winkel mit der x-Richtung, der zwischen # und # + d# liegt: Zur Berechnung der Anzahl N# der Molekule, deren Geschwindigkeit mit der x-Achse einen Winkel zwischen # und # + # bildet (12], S. 80). Um die Anzahl dN# dieser Vektoren zu bestimmen, brauchen wir nur die Flache A# des zugehorigen Kreisringes zu berechnen. Diese Flache bildet in sehr guter Naherung ein Rechteck mit der Lange 2v sin # und der Hohe vd#: N 2v sin #vd# dN# = nA# = 4v 2 N = 2 sin #d# Die zugehorige Teilchendichte betragt also # dn# = dN V : Alle diese Molekule haben in x-Richtung eine Geschwindigkeit vx = v cos #. Wie oben ergibt sich daraus, da von diesen Molekulen in der Zeitspanne t dn#Av cos # t 5 26. NOVEMBER 1998: KINETISCHE GASTHEORIE 26 auf die Flache A treen und dort den Impuls 2mv cos # ubertragen. Der Beitrag dieser Molekule zum Druck betragt also: dp = A1 t dF A = dn#Av cos # t 2mv cos # 2 2 = N V mv sin # cos #d# Um den Gesamtdruck zu erhalten, mu uber alle Teilchen summiert (genauer: integriert) werden, fur die vx > 0, also # > 0 ist: Z 2 N 2 p = V mv cos2 # sin #d# 0 (15) Das auftretende Integral lat sich mit der Substitutionsregel leicht losen. Durch Einfuhrung der neuen Variablen x(#) = cos # ergibt sich namlich: Z 2 Z cos2 # sin #d# = = ; 2 x2 (#) dx(#) d# d# 0 0 Z x( 2 ) Z0 3 1 x 2 2 = ; x dx = ; x dx = 3 = 13 x(0) 1 0 Damit hat sich aber wieder ergeben: pV = 13 Nmv2 : (16) Treten verschiedene Geschwindigkeiten vi auf, dann ist uber diese zu summieren: X 2 1 P Ni vi2 1 pV = 3 m Nivi = 3 mN P N i 1 = 3 Nmv2 (17) (18) 6 3. DEZEMBER 1998: U BUNGEN 27 6 3. Dezember 1998: U bungen 6.1 Besprechung der Aufgaben Bestimmung der Avogadro-Zahl mit Hilfe des radioaktiven Zerfalls Auswertung des O ltropfchen-Versuches Fragen aus Tipler: 1. Um welchen Faktor mu die absolute Temperatur eines Gases erhoht werden, damit sich die quadratisch gemittelte Geschwindigkeit seiner Molekule verdoppelt? q p Ekin T =) v2 T =) Faktor = 4 2. Wie andert sich die mittlere kinetische Translationsenergie eines Gases, wenn sein Druck bei konstantem Volumen verdoppelt wird? Wie, wenn das Volumen bei konstantem Druck verdoppelt wird? p pV T =) T = 2T0 =) vrms = 2vrms0 3. Warum kann man nicht erwarten, da alle Molekule eines Gases dieselbe Schnelligkeit haben? Bei Stoen andern sich die Geschwindigkeiten: Wenn z.B. zwei Molekule mit anfanglich gleicher Schnelligkeit im rechten Winkel aufeinanderprallen, bleibt eines davon nach dem p Sto in Ruhe, wahrend sich das andere, um 45 abgelenkt, mit einer um 2 Schnelligkeit weiterbewegt. 4. Zwei unterschiedliche Gase haben dieselbe Temperatur. Was kann man dann uber vrms der beiden Gase aussagen? Was uber die mittlere kinetische Energie der Molekule? Die mittleren kinetischen Energien sind gleich, die quadratisch gemittelten Geschwindigkeiten unterscheiden sich um q s 2 v 1 2 2 m1v1 = m2 v2 =) q = m2 v22 m1 5. Erklare im Modell der kinetischen Gastheorie, warum sich der Druck eines Gases erhoht, wenn es bei konstantem Volumen erwarmt wird! Die Teilchendichte bleibt gleich. Die mittlere Geschwindigkeit wird groer, dadurch die Anzahl der Stoe auf eine Flache in einer bestimmten Zeit (=Teilchen im Volumen Av t) und der pro Sto ubertragene Impuls. 6. Erklare im Modell der kinetischen Gastheorie, warum sich der Druck eines Gases erhoht, wenn es bei konstanter Temperatur komprimiert wird. Die Teilchendichte wird groer und damit die Anzahl der Stoe gegen die Wand in einer bestimmten Zeit. 6 3. DEZEMBER 1998: U BUNGEN 28 6.2 Veranschaulichung der Avogadro-Zahl Aufgabe: Wie lang ware die Kette, die sich ergabe, wenn man die Eisenatome (M = g 56 Mol , =7.9gcm;3) eines Stecknadelkopfes (V=1mm3) aneinanderreihte? Veranschaulichen Sie die sich ergebende Lange! Losung: Die Teilchenzahl N ergibt sich durch Berechnung der Stomenge: N = m NA M m=V =) N = V M NA = 8:46 1019 Das Volumen v eines einzelnen Teilchens (Fe-Atoms) ergibt sich aus Gesamtvolumen und Teilchenzahl: V v = N =) v = M = 1:18 10;23cm3 N A Daraus ergibt sich, bei Annahme wurfelformiger Atome, sofort deren Durchmesser d ... p d = 3 v = 2:2 10;10m . . . und damit die Lange l der Kette: l = Nd = 1:9 1010m Die Lange kann man z.B. mit der Entfernung dEM zwischen Erde und Mond bzw. mit der Entfernung dES zur Sonne vergleichen: l 50dEM 18 dES (dEM = 384000km dES = 150 106km) Fat man die einzelnen Rechenschritte zusammen, dann kann man die gesuchte Lange in einem "Rutsch\ ohne Zwischenergebnisse berechnen und lauft nicht Gefahr, zwischendurch Rundungsfehler zu machen: s s V = p3 N 2 V = 3 2 NA2 V l = Nd = N 3 N M2 6 3. DEZEMBER 1998: U BUNGEN 29 6.3 Die Maxwell-Boltzmannsche Geschwindigkeitsverteilung Treten verschiedene Geschwindigkeiten vi auf, dann ist uber diese zu summieren: pV = ;! ;! = 1 m X N v2 = 1 mN P Ni vi2 PN i i 3 3 i X 1 nM dNi v2 3 Z N i 1 mN 1 v2f (v)dv 3 0 1 Nmv2 3 (19) (20) (21) (22) Dabei wurde die Maxwell-Boltzmannsche Geschwindigkeitsverteilungsfunktion f (v) eingefuhrt: dN = Nf (v)dv Sie gibt an, wie gro der Anteil der Molekule ist, deren Geschwindigkeit einen Betrag zwischen v und v + dv hat. Maxwell gelang es, allein aus statistischen U berlegungen, diese Verteilungsfunktion zu berechnen: m 23 2 4 2kT f (v) = p 2kT v2e; mv (23) Die Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung fur verschiedene Temperaturen (15], S. 503) Wichtige Eigenschaften dieser Geschwindigkeitsverteilung: 6 3. DEZEMBER 1998: U BUNGEN 30 1. 2. 3. 4. 5. Es gibt Molekule mit beliebig kleinen und beliebig groen Geschwindigkeiten. f (0) = 0 limv!1 f (v) = 0 R1 0 f (v )dv = 1 Das Maximum der Verteilung verschiebt sich mit zunehmender Temperatur zu hoheren Geschwindigkeiten. 6. Mittlere Geschwindigkeit Z1 hvi v = vf (v)dv 0 und quadratisch gemittelte Geschwindigkeit sZ 1 q v2 = v2 f (v)dv 0 stimmen nicht uberein. Das Maximum der Verteilung wird bei einer Geschwindigkeit vmax angenommen, die von beiden mittleren Geschwindigkeiten verschieden ist. Diese Verteilung kann auch experimentell gemessen werden: Schematischer Aufbau des Experimentes zur Messung der Geschwindigkeitsverteilung in einem Gas (15], S. 503) Dadurch ergibt sich eine Moglichkeit, die Boltzmannkonstante k durch Anpassung der theoretischen Kurve an experimentelle Daten zu bestimmen und aus ihr die Avogadro-Konstante abzuleiten. 6.4 Die Natur der Elektrizitat (17], S. 10-15) Experimente: (14], S. 617-622, 15], S. 598-602) 1. An Wolle geriebene Kunststostabe (Fullfederhalter o.a.) ziehen Papierschnitzel an. 6 3. DEZEMBER 1998: U BUNGEN 31 2. Ein geriebener Kunststostab zieht einen anderen (drehbar gelagerten) nicht geriebenen Kunststostab an. Nachdem der geriebene Stab an dem anderen "abgestreift\ worden ist, ziehen sich beide Stabe an. 3. Zwei geriebene Kunststostabe stoen sich gegenseitig ab. 4. Genau entsprechende Erfahrungen macht man mit Glasstaben, die mit Seide gerieben worden sind. 5. Ein geriebener Kunststostab und ein geriebener Glasstab ziehen sich gegenseitig an. 6. Wenn ein geriebener (Kunststo- oder Glas-) Stab einem Elektroskop genahert wird, schlagt dieses aus. Der Ausschlag geht zuruck, wenn der Stab entfernt wird. Das Elektroskop: Ein Gerat zum Nachweis elektrostatischer Ladungen 7. Der Ausschlag bleibt auch nach dem Entfernen erhalten, wenn der geriebene Stab an dem Elektroskop abgestreift worden ist. 8. Der Elektroskop-Ausschlag, der durch das Abstreifen eines geriebenen Glasstabes hervorgerufen worden ist, geht bei Annaherung eines geriebenen Kunststostabes zuruck (und umgekehrt). Schon fruh war bekannt, da Bernstein andere Korper anzieht, wenn er mit Katzenfell gerieben wird. Gilbert ndet ca. 1600 diese Eigenschaft bei vielen anderen Stoen und fuhrt die Bezeichnung "elektrisch\ ein. Bis ins 18. Jahrhundert hinein wird diese Erscheinung mit Reibung und Warme verwechselt. Die Tatsache, da Elektrizitat eine gemeinsame Eigenschaft vieler Stoe ist, legt die Vorstellung eines Fluidums nahe, das erzeugt und ubertragen werden kann. Diese Vorstellung wird gestutzt durch die Entdeckung, da Elektrizitat tatsachlich ubertragen werden, sich also von den Korpern trennen kann (Gray 1729). 6 3. DEZEMBER 1998: U BUNGEN 32 Schwierigkeiten gibt es mit dieser Vorstellung jedoch durch die Entdeckung (Haukesbee 1706), da Metallplattchen zunachst angezogen, dann aber abgestoen werden: Gibt es zwei Formen der Elektrizitat? Du Fay untersucht diese Erscheinung 1733 systematisch und fuhrt die Bezeichnun gen "Glaselektrizitat\ und "Harzelektrizitat\ ein. Diese beiden Erscheinungen werden als verschiedene physikalische Zustande bzw. als Hinweis auf zwei verschiedene elektrische Fluida aufgefat. Erfahrung: Korper mit gleicher Elektrizitat stoen sich ab, solche mit verschiedener Elektrizitat ziehen sich an. Franklin erklart die elektrischen Erscheinungen ca. 1750 mit der Annahme nur eines Fluidums: { Dieses Fluidum entspricht der "Glaselektrizitat\: Ein U berschu davon entspricht der "Glas{\, ein Dezit der "Harzelektrizitat\. { Denition: Ein U berschu dieses Fluidums wird positive, ein Dezit als negative Elektrizitat bezeichnet. { Die Elektrizitatsmenge, gleichgultig ob positiv oder negativ, wird Ladung genannt. { Die Erhaltung der Ladung wird als Grundprinzip eingefuhrt. { Elektrizitat stot sich selbst ab, zieht aber gewohnliche Materie an. 1759: gewohnliche Materie stot sich ab. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein werden beide Theorien verfochten. Der Streit wird endgultig erst mit der Entdeckung des Elektrons entschieden. Dabei zeigt sich, da beide Seiten in gewisser Weise recht haben. 7 10. DEZEMBER 1998: ELEKTRISCHE GRUNDLAGEN 33 7 10. Dezember 1998: Elektrische Grundlagen 7.1 Die Natur der Elektrizitat 2 Heutige Beschreibung der Phanomene: { Unter normalen Umstanden wird elektrische Ladung von Elektronen vermittelt. { Die Elektronen erweisen sich als Trager der "Harzelektrizitat\. Da diese aber als "negativ\ deniert worden war, gibt es folgende etwas verwirrenden Konsequenzen: Die eigentlichen Ladungstrager sind negativ geladen. "Ladungsdezit\ bedeutet positive Ladung. Die "Ladungstrager\ bewegen sich entgegen der Stromrichtung. { Die Reibungselektrizitat ist bis heute theoretisch noch nicht richtig verstanden. Empirisch hat sich jedoch folgende triboelektrische Reihe ergeben: Kaninchenfell Lucit (plexiglasahnliche Substanz) Glas Quarz Wolle Katzenfell Seide Baumwolle Holz Bernstein Harze Metalle Teon Je weiter unten ein Sto in dieser Reihe steht, desto mehr neigt er dazu, Elektronen aufzunehmen. Diese Reihe ist bis heute nicht theoretisch verstanden. Sie ist auerdem nicht eindeutig: Wetterumschwunge konnen die Reihenfolge verandern. Elektrizitat wird durch elektrische Strome ubertragen. Die Stromstarke ist ein Ma fur Groe dieser Strome. Sie ist also ein Ma fur die pro Zeiteinheit ubertragene Ladung. Genauer: bertragene Ladung Q 1 Coulomb Stromstarke I = udaf I ] = 1 Ampere = ur benotigte Zeit t 1 Sekunde '$ &% + I - '$ &% { 7 10. DEZEMBER 1998: ELEKTRISCHE GRUNDLAGEN 34 7.2 Elektrolyse (17], S. 69-72) Experimente: 1. Stromu durch eine elektrolytische Zelle (verdunnte Schwefelsaure mit Zinkund Kupferelektrode): Beobachtung: An beiden Elektroden steigen Gasblaschen auf { je groer die (an einer Gluhlampe erkennbare) Stromstarke, desto heftiger. 2. Elektrolytische Wasserzersetzung im sogenannten Homannschen Apparat Beobachtung: An beiden Elektroden steigen Gasblaschen auf { je groer die (an einer Gluhlampe erkennbare) Stromstarke, desto heftiger. An der Kathode ("Minuspol\) ensteht doppelt so viel Gas wie an der Anode ("Pluspol\) in derselben Zeit. ohne Nachweis: An der Kathode entsteht Wassersto, an der Anode Sauersto" das Wasser wird also in seine chemischen Bestandteile zerlegt. 1800: Bei der Untersuchung von Batterien wird die Entwicklung von Gasen entdeckt. Genauere Untersuchungen zeigten, da (bezogen auf die Volumina) an der Kathode doppelt so viel Wassersto wie an der Anode Sauersto entstand. Davy untersuchte Salzlosungen und {schmelzen und entdeckte dabei die Metalle Kalium und Natrium. Erst Faraday fand 1830 anhand der folgenden Gesetze eine weitgehend richtige Erklarung fur die Beobachtungen bei elektrolytischen Vorgangen: 1. Faradaysches Gesetz: Die bei dem Stromdurchgang durch einen Elektrolyten abgeschiedenen Stomengen sind proportional zum Produkt aus Stromstarke und Zeit, d.h. zur hindurchgegangenen Elektrizitatsmenge (Ladung). Qmn Beispiel: 1MolH2 1MolO2 1MolCl2 1MolAg =^ =^ =^ =^ =) 2 105C 4 105C 2 105C 1 105C Q = wF (w =Wertigkeit, F =Faraday-Konstante) n 2. Faradaysches Gesetz: Gleiche Elektrizitatsmengen scheiden aus verschiede- nen Elektrolyten Stomengen ab, die dem chemischen A quivalentgewicht (d.h. dem Quotienten aus Molekulargewicht und Wertigkeit) proportional sind. Q n Wertigkeit 7 10. DEZEMBER 1998: ELEKTRISCHE GRUNDLAGEN 35 Die Proportionalitatskonstante im 2. Gesetz ist die sogenannte C d.h. Q = Wertigkeit nF Faradaykonstante : F = Qn = 96485 Mol Daraus entwickelte Vorstellungen: { Gleiche A quivalentmengen ( wn ) transportieren gleiche Ladung. { Materietransport und Ladungstransport sind miteinander gekoppelt: Die gelosten Molekule transportieren also die elektrische Ladung. { Wassersto transportiert positive Ladung zur Kathode, Sauersto negative Ladung zur Anode: zwei Bewegungsrichtungen { eine Stromrichtung! { Jedes Wasserstomolekul transportiert 2 elektrolytische Ladungseinheiten, jedes Sauerstomolekul deren 4. { Anscheinend zerfallt das Wassermolekul in einen positiv und einen negativ geladenen Teil (Ionen). { Jedes einwertige Ion transportiert also dieselbe Ladungsmenge: elektrolytische Ladungseinheit. Zur Abscheidung von einem Molekul Wassersto sind also zwei, zur Abscheidung eines Molekuls Sauersto vier elektrolytische Ladungseinheiten erforderlich. { Die Beobachtungen bei der Elektrolyse von Wasser in moderner Schreibweise (Erlauterung an Versuchsskizze): Dissoziation: 4H2O ;! 4H + + 4OH ; Kathode: 4H + + 4e; ;! 2H2 Anode: 4OH ; ;! 2H2O + O2 + 4e; Folgerung (Helmholtz 1881): "Wenn wir die Hypothese annehmen, da die elementaren Substanzen aus Atomen zusammengesetzt sind, dann kommen wir nicht umhin zu folgern, da auch die Elektrizitat, sowohl positive wie negative, in bestimmte elementare Portionen geteilt ist, die sich wie Atome der Elektrizitat verhalten.\ Die elektrolytische Ladungseinheit eEl selbst war nicht bestimmbar, weil die Avogadro{ Zahl noch nicht bekannt war. Allerdings mu zwischen Faraday-Konstante F , AvogadroZahl NA und elektrolytischer Ladungseinheit eEl oensichtlich der folgende Zusammenhang bestehen: F = NAeEl =) eEl = NF A (24) Angegeben werden kann allerdings die "Eektivitat\ des Ladungstransportes mit der Masse { oder genauer ausgedruckt: die spezische Ladung emel der Ladungstrager (Hausaufgabe) . Die spezische Ladung ist oensichtlich am groten fur die leichtesten Teilchen, namlich die Wassersto-Ionen: C eEl eEl = NAeEl = F = 96485 Mol 7 C = 9 : 579 10 g m mH + NAmH + MH 1:008 Mol kg (25) 8 17. DEZEMBER 1998: KLAUSUR 1 8 17. Dezember 1998: Klausur 1 36 9 7. JANUAR 1999: KATHODENSTRAHLEN 1 37 Abbildung 1: Von J. J. Thomson verwendete Kathodenstrahlrohre (17], S. 22) 9 7. Januar 1999: Kathodenstrahlen 1 9.1 Ruckgabe von Klausur 1 9.2 Die Geschichte des Elektrons (17], S. 23) Eine on-line-Ausstellung zur Geschichte des Elektrons ndet man im Internet unter http://www.aip.org/history/electron/. In der 1. Halfte des 18. Jahrhunderts wurde das Leuchten in evakuierten Glasrohren entdeckt (heutige Erklarung: Stoionisation der Gasmolekule" Leuchtstorohren beruhen darauf.). Historisch bedeutsam war die Untersuchung des damit verbundenen elektrischen Stromes: "Materielose\ Elektrizitat. In der 1. Halfte des 19. Jahrhunderts wurden leistungsfahige Pumpen (10;4atm) entwickelt (Skizze einer Entladungsrohre): Bei zunehmendem Vakuum verschwindet das Leuchten des Gases, dafur grunliches Leuchten an der Kathode: Kathodenstrahlen. Ablagerung von Platin fuhrte zu der Vermutung eines Stromes aus Kathodenmaterial. Erst in den 70er Jahren gelang der Nachweis, da die Eigenschaften der Kathodenstrahlen unabhangig vom Kathodenmaterial sind. Der leuchtende Fleck lat sich mit Magneten bewegen, die Strahlen sich also ablenken (Skizze von Kathodenstrahlrohre): Argument fur elektrisch negativ geladene Teilchen. Strahlen erzeugen Schatten. Mogliche Schlufolgerung: Gasionen, Wellen im A ther? 1871: "Es handelt sich um verdunnte sto#iche Teilchen, die vom negativen Pol durch Elektrizitat abgestoen werden.\ Endgultige Widerlegung der "Gastheorie\: Bei 10;5atm ist die Reichweite mindestens 90 cm. Ein normales Molekul hatte bei diesem Druck nur eine mittlere freie Weglange von 0.6 cm! 9 7. JANUAR 1999: KATHODENSTRAHLEN 1 38 Hertz: { Kathodenstrahlen nicht durch elektrisch geladene Platten ablenkbar (nachtragli- che Erklarung: Teilchen zu schnell, Kraft zu klein, Vakuum zu schlecht: teilweise Neutralisation der Platten durch Gasionen). { Strahlen dringen durch dunne Metallfolien (1891). Beide Beobachtungen wertete er als Hinweis auf eine Art Licht. Demonstration der wichtigsten Eigenschaften von Kathodenstrahlen an Braunscher Rohre { Geradlinigkeit (Tragheit) { Abhangigkeit von der Beschleunigungsspannung { magnetische Ablenkbarkeit { elektrische Ablenkbarkeit Woraus bestehen Kathodenstrahlen? Lenard: Absorption von Kathodenstrahlen nur von Masse/Flacheninhalt abhangig, nicht von chemischer Beschaenheit und physikalischem Zustand des Absorbers. Die Absorption von Wellen ist dagegen selektiv: Glas, Aluminium. Kathodenstrahlen laden einen Kollektorbecher elektrisch negativ auf (Perrin 1895). Woraus bestehen also Kathodenstrahlen? Der experimentelle Befund zu dieser Frage war Ende 1896 durchweg schwach und vielfach irrefuhrend: { Argumente fur Teilchen: die Absorptionsexperimente von Lenard, das Experiment von Perrin, die magnetische Ablenkbarkeit. { Argumente gegen Teilchen: das Fehlen der elektrischen Ablenkbarkeit, der Durchgang durch Metallfolien. Ab 1894 untersuchte J. J. Thomson die Kathodenstrahlen. Wiechert Anfang 1897: Abschatzung des Masse{Ladungs{Verhaltnisses aus magnetischer Ablenkung und Laufzeitmessung: 1 < m < 1 des Wertes von der Elektrolyse 2000 e 1000 (Erinnerung an die Hausaufgabe vom 10. Dezember), Ergebnis: eEl 9:579 107 C (26) m kg Er betont den universellen Charakter der Teilchen: Atome der Elektrizitat 9 7. JANUAR 1999: KATHODENSTRAHLEN 1 39 Thomson 1897: { Verbesserung des Versuches von Perrin durch magnetische Ablenkung der Ka- { { { { thodenstrahlen aus dem optischen Strahlengang hinaus in Becher magnetische Ablenkung unabhangig von beteiligten Substanzen (Kathodenmaterial, Gas) bessere Pumpen: Kathodenstrahlen sind doch elektrisch ablenkbar. Th. erklart die Teilchen der Kathodenstrahlen zu einem fundamentalen Bestandteil aller Materie (wegen der Unabhangigkeit der magnetischen Ablenkung und der Lennardschen Absorptionsexperimente). Experimentell stand diese Aussage noch auf schwachen Fuen. So war die Lorentzsche Erklarung des Zeemann{Eektes falsch. Thomson begann, die Kathodenstrahlen mit Hilfe von Ablenkexperimenten zu untersuchen (s.u.). Ergebnis: m m 1 eK Kathodenstrahlen 2000 eE Elektrolyse Es gab praktisch keinen Hinweis fur eK = eE . Erst allmahlich ergaben sich immer mehr, zunachst indirekte Hinweise: { Rutherford: Ionisation durch Rontgenstrahlen, Bestimmung der Ionenladung ahnlich wie spater Millikan: U bereinstimmung mit grober Schatzung von eE . { Townsend 1900: Diusion von Ionen bekannter Beweglichkeit: Identitat der Ladung von Rontgen{ und Elektrolyse{Ionen. { Thomson: me -Bestimmung fur negative Ionen aus heiem Draht, Fotoionen aus Zinkplatte. U bereinstimmung mit dem Wert fur Kathodenstrahlen. Ladungsmessung mit Tropfenmethode ergibt U bereinstimmung mit Rontgen{ und demzufolge mit Elektrolyse{Ionen. All dies sprach immer mehr fur eine naturliche Einheit der Ladung. Aber: Alle Experimente bestimmten nur einen mittleren Wert fur "e\ . Millikan 1909: Alle Ladungen einzelner Tropfchen sind ganzzahlige Vielfache einer Einheit. 9.3 Elektrische Krafte { Newton 1685: Gravitationsgesetz 3 F~1!2 = mr13m2 (~r1 ; ~r2) mit Gravitationskonstante = 6:672 10;11 kgm2s2 12 9 7. JANUAR 1999: KATHODENSTRAHLEN 1 40 @I @@ @ ~r ; ~r @@ 1 2 @ ~r1 @@ @ @@ 1 ~r2 { { { { Vermutung: elektrische Krafte verhalten sich analog. erste quantitative Versuche: Bernoulli 1760. Priestley: indirekter Hinweis: keine Krafte im Innern eines geladenen Metallkorpers. endgultiger Nachweis durch Coulomb 1785: F~el1!2 = k qr13q2 (~r2 ; ~r1) (27) 12 { Diskussion und Messung: Drehwaage, Ladungshalbierung" Einheiten (nicht gemacht): Ladung] = 1 Coulomb 1C = 1A 1s =) k = 8:987 109 Nm C2 2 { elektrisches Feld 1V F~ = qE~ =) E ] = 11N = C 1m { Feldlinienbilder (inklusive Tafelskizzen) Punktladung (E~ q (~r) = k j~r;q~rq j3 (~r ; ~rq )) Dipol (E~ D (~r) = E~ q+ (~r) + E~ q; (~r)) Plattenkondensator (E~ P (~r) = Ud ~er+; ) Bedeutung der Bilder { Vergleich Fernwirkung ! Nahwirkung (nicht besprochen) 9.4 elektrische Ablenkung von Kathodenstrahlen (11], S. 20, 14], S. 822f) Experimentalaufbau nach Thomson (17], S. 22, s. Bild 1, S. 37) Etwas ubersichtlicher ist die in Abb. 2 dargestellte Versuchsanordnung. Die Bahn der Elektronen im Kondensator ist parabelformig (Warum?) 9 7. JANUAR 1999: KATHODENSTRAHLEN 1 41 Abbildung 2: Bestimmung der spezischen Ladung des Elektrons durch Ablenkung im elektrischen und magnetischen Feld (11], S. 27) A An- odenblende B1 B2 Batterien C, D Plattenkondensator F, F' Leuchtecke K Gluhkathode S Rohrwandung mit Fluoreszenzschicht Aufgabe: Leiten Sie die Abhangigkeit der elektrischen Ablenkung sE am Ende der Laufstrecke mit der Lange l von der Ladung e der Elektronen, ihrer Masse m, der Lange lB des Kondensators, seines Plattenabstandes d, der Spannung U zwischen den Platten und der Geschwindigkeit vk der Elektronen in Langsrichtung ab! Vernachlassigen Sie dabei die vertikale Ablenkung, die der Kathodenstrahl bereits beim Austritt aus dem Kondensator erfahren hat. Ergebnis: (28) sE = me Ud lvB2l k Losung: F lB l = e ElB l sE = v? t = v? vl = m F t vl = m vk2 m vk2 B k k Problem: Drei Groen unbekannt: e m vk. Um weiterzukommen, mussen zusatzliche experimentelle Erfahrungen und Theorien verwendet werden. 9.5 Hausaufgaben 1. Nehmen Sie an, die Elektronen treten mit vernachlassigbarer Geschwindigkeit aus dem Gluhdraht aus und werden zwischen Kathode und Anode durch eine Beschleunigungsspannung UA in einem homogenen elektrischen Feld (diese Voraussetzung ist in Wirklichkeit uberussig!) beschleunigt. Welche Groe lat sich dadurch in Gleichung (28) eliminieren? 9 7. JANUAR 1999: KATHODENSTRAHLEN 1 42 Fur die Endgeschwindigkeit vE am Ende einer gleichmaig beschleunigten Bewegung gilt ( weil fur die mittlere Geschwindigkeit vm = v2E gilt): vE = at = a d = a 2d p F = eE = eUA a= m m md vm =) vE = r2da =) vE = 2 e UA m vE (29) Dasselbe Ergebnis gilt wegen des Energiesatzes ( m2 vE2 = eUA ) fur die Beschleunigung in beliebigen elektrischen Feldern. Damit lat sich also vk eliminieren. Leider fallt dabei auch die spezische Ladung der Elektronen heraus: sE = l2Bdl UU A Leider lat sich dadurch nicht einmal die Geschwindigkeit der Elektronen bestimmen! 2. Im dem leicht veranderten Aufbau, in dem sich die Elektronen in der ganzen Rohre durch das homogene elektrische Feld bewegen, U d UA lB 9 7. JANUAR 1999: KATHODENSTRAHLEN 1 43 wird der Kathodenstrahl im Kondensator (lB = 8cm d = 5cm U = 2:65kV ) um sE = 2cm abgelenkt, wenn die Anodenspannung UA = 4:95kV betragt. Was lat sich aus diesen Angaben berechnen? x2 = 1 U x2 y = a2 t2 = 2eE m vk2 4d UA 65kV x2 = 2:68m;1 = 0:21m 42::95 kV Aus den gemessenen Werten ergibt sich jedoch y = 0:02m = 3:13m;1 x2 (0:08m)2 Der Unterschied mu daran liegen, da das elektrische Feld zwischen den kleinen Platten des Kondensators kleiner ist als fur ein homogenes Feld berechnet. Setzt man stattdessen E = f Ud an, dann ergibt sich aus den Mewerten: f = 23::68 13 = 0:86 Die Feldstarke mu also etwa um 10% nach unten korrigiert werden. 3. Anode und Ablenkkondensator werden so zusammengeschaltet, da Anoden- und Kondensatorspannung immer ubereinstimmen (UA = U ). Wie verandert sich dann die parabelformige Bahn der Elektronen, wenn die Spannung erhoht wird? Nach dem Ergebnis der letzten Aufgabe ist die Parabel nur vom Verhaltnis UUA abhangig. Wenn dieses Verhaltnis konstant (=1) gehalten wird, andert sich die Parabel also nicht. 10 14. JANUAR 1999: DIE SPEZIFISCHE LADUNG DER KATHODENSTRAHLEN44 10 14. Januar 1999: Die spezische Ladung der Kathoden- strahlen 10.1 Wiederholung Die wichtigsten bisherigen Ergebnisse: { Erzeugung und Eigenschaften von Kathodenstrahlen { Problem: Was sind Kathodenstrahlen? { Coulomb-Gesetz, elektrisches Feld, Feldstarke des homogenen Feldes im Plat- tenkondensator Besprechung der Hausaufgaben, inkl. Demonstration der parabelformigen Bahn im Feld der Ablenkplatten bisherige Ergebnisse: { Die Parabelform der Bahn ist starkes Argument fur den Teilchencharakter der Kathodenstrahlen. Sie bestatigt die Theorie. { Durch Messung der Ablenkung kann die Feldstarke zwischen den Ablenkplatten bestimmt werden. { Die charakteristischen Groe der Kathodenstrahlteilchen (Elektronen) Ladung eK , Masse m und Geschwindigkeit vk konnen aber bisher nicht betimmt werden. { Also sind neue Ideen erforderlich! 10.2 Elektrische Bestimmung der spezischen Ladung Bestimmung von vk durch Laufzeitmessung: Erganzung des Experimentalaufbaus durch Blende und 2. Kondensator (s. Abb. 3). An beide Kondensatoren wird dieselbe Hochfrequenzwechselspannung angelegt. Wenn alle Elektronen dieselbe Geschwindigkeit haben, sind bei willkurlicher Frequenz der Wechselspannung auf dem Schirm zwei Punkte zu sehen. Warum? In den zweiten Kondensator konnen nur die Elektronen gelangen, die den ersten bei Nulldurchgang der Spannung passiert haben und deshalb nicht abgelenkt worden sind. Den zweiten Kondensator werden sie dann i.a. bei von Null verschiedener Spannung passieren und abgelenkt werden. Der Wert dieser Spannung hangt von der Laufzeit der Elektronen (also ihrer Geschwindigkeit) und der Frequenz ab. Je nachdem, welchen Nulldurchgang diese Elektronen beim ersten Kondensator getroen haben (zunehmende oder abnehmende Spannung), werden sie im zweiten auf eine positive oder negative Spannung (immer desselben Betrages!) treen. Durch Verandern der Frequenz f = T1 kann man erreichen, da beide Punkte zu einem verschmelzen: n T2 = n 21f = vl =) vk = 2nlf k 10 14. JANUAR 1999: DIE SPEZIFISCHE LADUNG DER KATHODENSTRAHLEN45 Abbildung 3: Bestimmung der spezischen Ladung des Elektrons mit Hilfe von zwei Kondensatoren und Hochfrequenz (11], S. 28): A Anode U HF-Generator D1 D2 Blendenonungen F Heizfaden K1 K2 Plattenkondensatoren P1 P2 Blenden S Fluoreszenzschirm Diese Methode ist besonders genau, weil es eine Nullmethode ist! 10.3 Magnetismus magnetostatische Grunderscheinungen { Anziehung von Eisen durch Magnetsteine { Ausrichtung in Nord-Sud-Richtung: Der Pol eines Stabmagneten, der sich nach Norden ausrichtet, heit Nordpol des Magneten. { Anziehung und Abstoung { Feldlinienbild eines Stabmagneten elektromagnetische Grunderscheinungen { Oersted - Versuch: Eine Kompanadel wird in der Nahe eines stromdurchossenen Drahtes abgelenkt: Elektrische und magnetische Erscheinungen hangen miteinander zusammen! { Magnetfeld eines langen geraden stromdurchossenen Drahtes: Die Feldlinien bilden konzentrische Kreise mit dem Draht als Mittelpunkt, deren Ebene senkrecht auf der Drahtachse steht. Ihre Richtung wird durch die RechteHand-Regel bestimmt: Umfat man einen langen Draht so mit der rechten Hand, da der Daumen in Richtung des elektrischen Stromes zeigt, dann geben die Finger die Richtung der magnetischen Feldlinien an. { Magnetfeld einer stromdurchossenen Spule ahnelt dem eines elektrischen Dipoles. Die Richtung der Feldlinien wird wieder durch eine Rechte-HandRegel angegeben: 10 14. JANUAR 1999: DIE SPEZIFISCHE LADUNG DER KATHODENSTRAHLEN46 Umfat man eine stromdurchossene Spule so mit der rechten Hand, da die Finger in Richtung des elektrischen Stromusses zeigen, dann zeigt der Daumen zum magnetischen Nordpol der Spule. { Anziehung und Abstoung von stromfuhrenden Kabeln quantitative Ergebnisse { Amperesches Gesetz (von einem stromdurchossenen Leiterstuck hervorgerufenes Magnetfeld): I d~l ~r dH~ (~r) = 4r 3 (30) Dabei ist I die Stromstarke in dem Drahtstuck, l seine Lange. Die Richtung des Vektors d~l zeigt in Richtung des elektrischen Stromes. Das Magnetfeld steht also senkrecht auf d~l, und sein Betrag ist r12 . { Fur einen langen geraden Draht folgt daraus: (31) langer Draht: H = I (H ] = A ) 2r m { Fuhrt man statt der magnetischen Feldstarke H~ die Induktionsudichte B~ ein (haug auch als Magnetfeldstarke bezeichnet), dann wird daraus: Vs B~ = 0 H~ mit 0 = 1:2566 10;6 Am I (B ] = 1 N = 1T = 104Gau) =) B = 0 2r Am { Kraft auf "Stromstuck\ im magnetischen Feld: dF~ = Id~l B~ (32) (33) (34) Diese Gleichung entspricht F~ = qE~ im elektrischen Fall und kann deshalb ganz entsprechend zur Denition der Feldstarke B~ herangezogen werden. Das Stromstuck stellt also eine Art "magnetische Probeladung\ dar. { Die elektrische Stromstarke I = Qt entsteht durch die Bewegung geladener Teilchen. Wenn man also das Zeitintervall so wahlt, da es gerade ausreicht, damit alle in dem Drahtstuck enthaltenen Ladungstrager das Drahtstuck verlassen konnen ( t = vl v die Geschwindigkeit der Ladungstrager), dann ist Q gerade die Gesamtladung aller dieser Ladungstrager: I = Q = l Ne =) Il = Nev t v 10 14. JANUAR 1999: DIE SPEZIFISCHE LADUNG DER KATHODENSTRAHLEN47 Dabei ist N die Gesamtzahl der Ladungstrager im Drahtstuck und e ihre Ladung. Auf einen einzelnen Ladungstrager wirkt also die Kraft: F~ = e~v B~ (Lorentz-Kraft) (35) { Die Lorentz-Kraft hat folgende Eigenschaften: Sie steht immer senkrecht auf dem Magnetfeld und auf der Bewegungs- richtung. Sie kann deshalb den Betrag der Geschwindigkeit nicht verandern, sondern nur die Bewegungsrichtung. Sie ist Null, wenn Magnetfeld und Geschwindigkeit dieselbe (oder entgegengesetzte) Richtung haben. { Bewegung von geladenen Teilchen im homogenen Magnetfeld: Eine Bewegung parallel zu den Feldlinien wird nicht beeinut. Eine Bewegung senkrecht zu den Feldlinien bleibt senkrecht dazu, weil auch die Kraft { und damit die Beschleunigung { senkrecht dazu ist. Der Betrag der Geschwindigkeit andert sich nicht. Da das Feld homogen, die Feldstarke also uberall gleich ist, andert sich auch die Beschleunigung nicht. Die Teilchen durchlaufen eine ebene Bahn konstanter Krummung { einen Kreis. Im allgemeinen Fall kann man die Geschwindigkeit zerlegen in eine Komponente ~vk parallel zu den Feldlinien und eine Komponente ~v? senkrecht dazu. Die erste Komponente bleibt unverandert, die zweite fuhrt zu einer Kreisbewegung: Die zusammengesetze Bewegung ist also eine Schraubenbewegung. 10.4 Magnetische Bestimmung der spezischen Ladung Thomsonsche Methode: { Dem elektrischen Feld zwischen den Ablenkplatten in Abb. 2 wird zusatzlich ein magnetisches Feld uberlagert, das die Elektronen in der entgegengesetzten Richtung ablenkt. Frage: Welche Richtung mu das Magnetfeld in Abb. 2 haben? Die Elektronen mussen nach oben abgelenkt werden, ~v B~ mu also nach unten zeigen. Da ~v nach rechts zeigt, mu B~ nach vorn aus der Zeichenebene heraus gerichtet sein. So ist es auch eingezeichnet. { Die magnetische Ablenkung sB lat sich ebenso ableiten wie die elektrische (28): sE = FmE lvB2l k 10 14. JANUAR 1999: DIE SPEZIFISCHE LADUNG DER KATHODENSTRAHLEN48 =) =) sB = FmB lvB2l k e l sB = m B vB l k (36) Auch hier treten Elektronenmasse und -ladung nicht separat, sondern nur in Form der spezischen Ladung me auf, konnen also nicht einzeln bestimmt werden. { Wenn elektrische und magnetische Ablenkung gemessen werden, hat man also zwei Gleichungen (28) und (36), aus denen sich die zwei Unbekannten v := vk und me bestimmen lassen (s. Hausaufgaben!). eigene Nullmethode: { Benutzt man statt des Thomsonschen Aufbaus den abgeanderten nach S. 42 (Demonstration), bei dem durch zwei Helmholtz-Spulen ein homogenes Ma- gnetfeld erzeugt wird, dann erkennt man deutlich, da man die Feldstarken zwar so einstellen kann, da die resultierende Ablenkung des Kathodenstrahles am Ende des Schirmes Null ist, da dadurch aber nicht die Ablenkung auf dem ganzen Schirm verschwindet (Kreis und Parabel konnen sich nicht gegenseitig kompensieren!). { Trotzdem ist es moglich, auf diese Weise Geschwindigkeit und spezische Ladung der Elektronen zu bestimmen (s. Hausaufgaben!): Fadenstrahlrohr (mit Demonstration) { Schulublich ist heute die me {Bestimmung bei Elektronen mit Hilfe eines Fa- denstrahlrohres, bei dem der Kathodenstrahl mit Hilfe des Magnetfeldes eines Helmholtz{Spulenpaares zu einem Kreis gebogen wird. { Der Radius dieses Kreises ist naturlich umso kleiner, je groer die Magnetfeldstarke ist. { Die Abhangigkeit des Radius von der Beschleunigungsspannung ist qualitativ nicht so einfach einzusehen: Eine hohere Spannung erhoht zwar die Geschwindigkeit der Elektronen. Dadurch wachst aber auch die Zentripetalkraft (Lorentz-Kraft)! { Quantitativ ergibt sich: Fur die Abhangigkeit der Geschwindigkeit von der Beschleunigungsspannung gilt: m v2 = eU =) v = r2 e U A 2 m A Es ist die Lorentz-Kraft, die die Elektronen auf die Kreisbahn zwingt, also die zugehorige Zentripetalkraft darstellt. Fur den Zusammenhang von Bahnradius und Magnetfeldstarke ergibt sich also: m vr = evB: 2 10 14. JANUAR 1999: DIE SPEZIFISCHE LADUNG DER KATHODENSTRAHLEN49 Eliminiert man die Geschwindigkeit, dann folgt: r m 1 r = B 2 e UA Experimentell kann dieses Ergebnis folgendermaen veriziert werden: { (37) r B1 I1 Sp { q r v UA { Zusammengenommen ergibt sich: q 2 r2ISp UA = const: { Aus dem experimentellen Wert der Konstanten kann man die spezische Ladung der Elektronen berechnen, wenn man den Zusammenhang zwischen Stromstarke ISp und Magnetfeldstarke B kennt (s. Hausaufgaben!). rISp = const(UA ) const UA oder 10.5 Hausaufgaben zur me -Bestimmung 1. Hochfrequenz-Methode Wie hoch mu in Abb. 3 (bei bekanntem me = 1:76 1011 kgC ) die Frequenz mindestens sein, wenn die Beschleunigungsspannung UA = 5kV betragt und die beiden Kondensatoren einen Abstand von l = 0:1m haben? 2. Thomsonsche Methode (a) Leiten Sie die Gleichungen ab, aus denen sich bei der Thomsonschen Methode die spezische Ladung der Elektronen und ihre Geschwindigkeit berechnen lassen, wenn elektrische und magnetische Ablenkung einzeln gemessen werden! (b) Welche Kurvenform ergibt sich, wenn die Felder so eingerichtet werden, da elektrische und magnetische Ablenkung senkrecht aufeinander stehen und Elektronen verschiedener Geschwindigkeit die Rohre durchlaufen? Wie lautet die Gleichung dieser Kurve? 3. Eigene Nullmethode Mebeispiel: Bei einer Anodenspannung UA = 4:95kV , einer Ablenkspannung U = 2:8kV und einem Plattenabstand d = 5cm, und einem Spulenstrom I = 300mA verschwindet die Gesamtablenkung am Ende des Schirmes (bei l = 10cm). s = sB + sE = 0 Welche Werte fur Geschwindigkeit und spez. Ladung der Elektronen ergeben sich aus diesen Mewerten, wenn der Zusammenhang zwischen Magnetfeldstarke und Spulenstrom durch 10 14. JANUAR 1999: DIE SPEZIFISCHE LADUNG DER KATHODENSTRAHLEN50 H = 33:8 102 m1 I gegeben ist (Angabe des Gerateblattes)? 4. Fadenstrahlrohr (a) Bei der Demonstration der Abhangigkeiten des Elektronenbahnradius ergab sich: Mebeispiel: r = 2. Sprosse r=3cm I = 2.75 A r = 3. Sprosse r=4cm I = 2.05 A r = 4. Sprosse r=5cm I = 1.60 A Welche Folgerungen konnen daraus gezogen werden? Mebeispiel: r = 2. Sprosse r = 3cm UA = 120V r = 3. Sprosse r = 4cm UA = 200V r = 4. Sprosse r = 5cm UA = 275V Welche Folgerungen konnen daraus gezogen werden? Zeigen Sie, da diese Meergebnisse mit der Theorie ubereinstimmen! (b) Mebeispiel: UA = 275V I = 2:75A r = 3cm (=^ 2. Sprosse), B = 5510m;1I (aus Gerateblatt). Berechnen Sie aus diesen Ergebnissen die spezische Ladung der Elektronen! 5. Zusatzaufgaben: Wie gro ist die Geschwindigkeit von Elektronen, die aus der Ruhe eine Span- nung von U = 250V durchlaufen haben? Wie lange gebrauchen diese Elektronen fur ein einmaliges Durchlaufen der Kreisbahn in einem Magnetfeld der Feldstarke B = 2mT ? Wie gro ist diese Zeit in demselben Magnetfeld, wenn die Elektronen eine doppelt so groe Spannung durchlaufen haben? 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH 51 11 21. Januar 1999: Der Millikan-Versuch 11.1 Wiederholung Wenn die Elektronen nur elektrisch beschleunigt werden, lassen sich ihre spezischen Groen nicht bestimmen. Drei mogliche Erweiterungen: 1. Laufzeitmessung durch Hochfrequenz-Methode 2. zusatzlich magnetische Ablenkung (Thomsonsche Methode und eigene Nullmethode) 3. Fadenstrahlrohr Der beste sich aus entsprechenden Versuchen ergebende Wert fur die spezische Ladung der Kathodenstrahlen ist: eK = 1:758820 1011 C m kg Dieser Wert ist um etwa den Faktor 2000 groer als der grote fur ElektrolyseTeilchen (fur Wassersto-H + -Ionen) gemessene Wert (26). Es ist aber noch nicht klar, ob das an der groen Ladung oder an der kleinen Masse (oder an beidem) liegt. 11.2 Geschwindigkeitsabhangigkeit der Elektronenmasse (12], 11], x10) Richtet man die Thomsonsche Kathodenstrahlrohre so ein, da elektrische und ma- gnetische Ablenkung senkrecht aufeinander stehen, dann ergibt sich aus den Gleichungen (28) und (36) fur den Zusammenhang zwischen elektrischer und magnetischer Ablenkung (s. Hausaufgabe 2, S. 58): sE = CCE2 me s2B =) B s q 2 sB = CCB me sE E (38) Wenn me konstant ist, erzeugen also Elektronen mit verschiedenen Geschwindigkeiten auf dem Bildschirm Punkte, die auf einer (Wurzel-) Parabel liegen, bzw. bei verschiedener Polung des elektrischen Feldes, auf zwei Parabelasten mit einer gemeinsamen senkrechten Tangente bei (0,0) (s. Abb. 4). Fur groe Geschwindigkeiten mu die Ablenkung gegen Null konvergieren. Kaufmann fand jedoch 1901 bei Messungen an Radium ( - und -Strahler) ein anderes Bild (s. Abb. 54): Das Diagramm wurde in Wirklichkeit mit den Ansatzen von Lorentz (39) und Abraham (40) berechnet. 4 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH pp 10.0 6.0 4.0 pp sB cm] p pp pp p pp pp 8.0 2.0 -4.0 -2.0 52 v = 2:0 107 ms E = 1500 mV B = 0:15mT v = 5 106 ms 2.0 4.0 sE cm] Abbildung 4: Auftrepunkte von Elektronen verschiedener Geschwindigkeit, wenn elektrisches und magnetisches Feld horizontal sind { Trotz hoher Geschwindigkeiten konvergierten die Auslenkungen nicht gegen 0. { Die beiden Parabelaste hatten oensichtlich keine gemeinsame Tangente, die Steigung ging also nicht gegen 1! { Im einzelnen erhielt Kaufmann folgende Meergebnisse (12], S. 25, 11], S. XX): e C v ms ] me f me m kg ] 2:36 108 1:31 1011 0.79 1.62 2.12 1.88 2:59 108 0:97 1011 0.86 1.98 1.92 1.60 2:83 108 0:63 1011 0.94 3.01 1.90 1.35 { mogliche Erklarungen: Die Newtonschen Gesetze sind bei hohen Geschwindigkeiten falsch. Die Ladung des Elektrons ist nicht konstant. Die Masse ist nicht konstant. Dafur gab es verschiedene Ansatze (mit := vc ): 1. Lorentz: m = m0 = q m0 v2 1 ; c2 e =) me = m 0 =) me = const (39) 2. Abraham: ! 2 1 + 3 1 1 + m = fm0 = m0 4 2 2 ln 1 ; ; 1 =) f me = const (40) Die Unterschiede zwischen den beiden Ansatzen sind sehr klein. Deshalb ermoglichten die Experimente zunachst keine Entscheidung. 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH pppp pppp ppp pp p p pp 4.0 3.0 53 sB cm] = 0:5 2.0 1.0 E = 30 kVm B = 0:5mT = 0:02 -1.0 1.0 sE cm] Abbildung 5: Meergebnisse mit -Strahlung von Radium Aufgabe: Prufen Sie, wie gut obige Ergebnisse mit den beiden Vorhersa- gen von Lorentz bzw. Abraham ubereinstimmen! Erst spater erwies sich der Lorentzsche Ansatz als richtig: Nach der speziellen Relativitatstheorie Albert Einsteins (1905) nimmt die Masse aller Korper mit der Geschwindigkeit zu: m = m0 = q m0 v2 1 ; c2 (41) Dabei ist m0 := m(v = 0) die sogenannte Ruhemasse des Korpers. 11.3 Die elektrische Elementarladung (12], S. 3, 11], S. 14) 11.3.1 Newtonsche Mechanik: Freier Fall mit Reibung (15], Kap. 5.2, S. 116f, 14], S. 109 Ohne Reibung wurde ein Korper bekanntlich, unabhangig von Masse, Groe und Form, mit konstanter Beschleunigung fallen: F~ges = F~g = const =) ~a = ~g In der Realitat ist jedoch die Fallbeschleunigung sowohl vom Korper als auch vom umgebenden Medium abhangig. Das beruht auf einer zusatzlichen Reibungskraft F~R , die immer entgegengesetzt zur Geschwindigkeit gerichtet ist. Bei genauer Beobachtung bemerkt man, da fallende Korper immer eine konstante Grenzgeschwindigkeit vgr annehmen. Das kann man erklaren durch eine mit der Geschwindigkeit zunehmenden Reibungskraft: 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH 54 FR = FR(v) (monoton wachsend) Bewegt sich der Korper mit der konstanten Grenzgeschwindigkeit, herrscht an ihm Kraftegleichgewicht: F~g + F~R = 0 =) FR (vgr ) = mg (42) Fur die Reibung in Gasen gilt bei hohen Geschwindigkeiten mit guter Naherung: FR = 21 cW Av2 (Newtonsche Reibung) (43) Dabei sind die Dichte des Gases, A die Querschnittsache (quer zur Bewegungsrichtung) und cW der sogenannte Widerstandsbeiwert, der von der Form und der Oberache des Korpers abhangig ist5. In viskosen Medien mit innerer Reibung ist dagegen die Reibung naherungsweise direkt proportional zur Geschwindigkeit. Man kann dann zeigen, da fur kugelformige Korper die folgende Beziehung gilt6: FR = 6rv (Stokessches Gesetz) (44) Dabei sind r der Radius der Kugel und v die Geschwindigkeit des Korpers relativ zum Medium. Die Konstante heit Koezient der inneren Reibung, dynamische Zahigkeit oder Viskositat. Sie hat fur Luft angenahert den Wert Luft = 1:74 10;5 Ns m2 11.3.2 Das Grundprinzip des Millikan-Versuchs opfchens soll gemessen werden uber die elektrische Kraft Die Ladung q eines Oltr F~E , die in einem elektrischen Feld der Starke E~ auf das Tropfchen wirkt: q = FEE . Da die elektrische Kraft nicht direkt gemessen werden kann, soll sie uber das Gleichgewicht mit der Gravitationskraft F~g bestimmt werden: F~E + F~g = 0 oder FE = Fg = mg Man kann (43) ableiten, indem man zunachst vereinfachend annimmt, da der Korper alle Gasmolekule, auf die er trit, mitfuhrt, ihnen also dieselbe Geschwindigkeit erteilt, die er selbst hat. 6 Die Gleichung kann aus der De nition der Viskosit at (FR = S vz (3], S. 112)) abgeleitet werden. 5 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH 55 Da ein Tropfen nicht gewogen werden kann, soll dessen Masse m uber sein Volumen bestimmt werden: V und die Dichte des Ols Fg = V g Dazu mu der Radius r des Tropfchens bestimmt werden. Da das Tropfchen aber so klein ist, da sein Radius auch im Mikroskop nicht gemessen werden kann, mu er mit Hilfe von (42) und (44) uber die Reibung bestimmt werden, indem Grenzgeschwindigkeiten gemessen werden. 11.3.3 Messung Zunachst wird ein Tropfchen beobachtet, das sich ohne elektrisches Feld unter dem Einu von Schwerkraft, Auftriebskraft und Reibung mit konstanter Sinkgeschwindigkeit vg nach unten bewegt. An dem Tropfchen herrscht also Kraftegleichgewicht7: F~R u 6 6F~A F~g + F~A + F~R =) Fr + FA =) Fg ; FA =) 43 r3( ; L)g F~g ? 0 Fg FR 6rvg s g r = 3 2( v ; L)g =) = = = = (45) (46) Anschlieend wird das elektrische Feld eingeschaltet und dasselbe Tropfchen beobachtet, wie es sich mit konstanter Steiggeschwindigkeit vE nach oben bewegt. Wieder herrscht an dem Tropfchen Kraftegleichgewicht! 6 F~E F~R u 6F~A F~g + F~A + F~R + F~E =) FA + FE =) FE =) qE ?F~g ? =(46) ) = = = = 0 Fg + FR Fg ; FA + FR 4 r3( ; )g + 6rv L E 3 (45) = 6rv(vg + vE ) u u 3 18 q = E t 2(;vg )g (vg + vE ) L (47) Bei Umladung desselben Tropfchens ergibt sich daraus: v u u 3 18 q = E t 2(;vg )g vE L (48) Dabei wird zusatzlich die Auftriebskraft F~A in Luft berucksichtigt, fur die nach dem Archimedischen Prinzip gilt: FA = LV g (L=Dichte der Luft) 7 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH 56 Abbildung 6: Millikanscher Kondensator (12], S. 4, 11], S. 16) C : Zylinder fur O ltropfchen F1 F2 F3 : Fenster P1 P2 : Plattenkondensator I : Isolator V : elektrische Anschlusse Aufgabe: Leiten Sie eine (47) entsprechende Gleichung her, aus der die Ladung des Tropfchens bestimmt werden kann, wenn, statt eine konstante Steiggeschwindigkeit zu messen, die Feldstarke EG so eingestellt wird, da das Tropfchen schwebt, sein Geschwindigkeit also verschwindet. Losung: Um das Ergebnis zu erhalten, mu man nur vE = 0 in (47) einsetzen: v u u 3v3 18 q = E t 2( ; g )g g L 11.4 Experimentelle Anordnung Das homogene elektrische Feld wird durch einen Plattenkondensator erzeugt, der zugleich den Hohlraum fur die O ltropfchen bildet (s. Abb. 6), Der Innenraum wird durch ein Fenster beleuchtet. Ein zweites Fenster ermoglicht den Austritt des Lichtes, um die Erwarmung (und damit Konvektion) im Innern moglichst gering zu halten. Die Tropfen werden senkrecht zur Beleuchtungsrichtung beobachtet. In Millikans Originalanordnung konnten Rontgenstrahlen entgegengesetzt zur Beleuchtungsrichtung in die Kammer gelangen, die fur die Umladung der Tropfchen sorgten (s. Abb. 7). Die ganze Apparatur befand sich in einem Olbad, das als Thermostat diente. 11.5 Auswertung eigener Meergebnisse Im Demonstrationsexperiment betrug der Plattenabstand des Kondensators d = 6mm, die angelegte Spannung V = 600V . Die Dichten betragen = 0:9 cmg 3 und L = 1:3 dmg 3 . Bei der Eichung des Langenmastabes ergab sich: 40Strich =^ 1:8mm. 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH 57 Abbildung 7: Versuchsanordnung von Millikan (12], S. 4, 11], S. 16) a: Lichtquelle d w: Warme lterm: Manometer A D: O lzerstauber B : Bat P1 P2 : Plattenkondensator R: Rontgenrohre terie G: Warmebad (Ol) Gemessen wurden an verschiedenen Tropfchen jeweils die Fallzeit tg und die Steigzeit tE fur eine Strecke der Lange 40Strich im Mikroskop. Ergebnisse: Zeitpunkt tg =s tE =s q=10;19C q=e r=10;6m Vorlesung 5 10 31.7 19.8 1.79 4.7 9.2 35.0 22.9 1.84 Vorbereitung 11 31.6 8.7 5.4 1.21 10 38 9.4 5.9 1.26 6.3 23.8 18.9 11.8 1.59 6.9 37.2 15.4 9.6 1.52 Aufgabe: Berechnen Sie aus diesen Mewerten die Ladung q der Tropfchen und ihren Radius. Ergeben sich ganzzahlige Vielfache der Elementarladung e? Losung: kg = 1:3 kg =) ; = 898:7 kg = 900 m L L 3 m3 m3 V U = 600V d = 6 10;3m =) E = 105 m v u s 32 p 3 u 18 p ; 13 t (47) =) q = vg (vg + vE E 2( ; L)g vg (vg + vE ) = 3:09 10 C m s g ;5 pmspv = 9 : 424 10 (46) =) r = 3 2( v g ; L)g 11.6 Losung der Aufgaben zur me -Bestimmung 1. Hochfrequenz-Methode 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH 58 Wie hoch mu in Abb. 3 (bei bekanntem me = 1:76 1011 kgC ) die Frequenz mindestens sein, wenn die Beschleunigungsspannung UA = 5kV betragt und die beiden Kondensatoren einen Abstand von l = 0:1m haben? Losung: k f = nv 2l r e 1 1 =) fmin = vk = 2 U 2l s 2l m A C 5000V = 2:1 108Hz = 210MHz = 0:21m 2 1:76 1011 kg 2. Thomsonsche Methode (a) Leiten Sie die Gleichungen ab, aus denen sich bei der Thomsonschen Methode die spezische Ladung der Elektronen und ihre Geschwindigkeit berechnen lassen, wenn elektrische und magnetische Ablenkung einzeln gemessen werden! Losung: (49) sB = CB me v1 (50) (28) =) sE = CE me v12 sB = CB 1 =) v = CB sE (49) : (50) =) (51) sE CE v CE sB s2B = CB2 e =) e = CE s2B (52) (49)2 : (50) =) sE CE m m CB2 sE (b) Welche Kurvenform ergibt sich, wenn die Felder so eingerichtet werden, da elektrische und magnetische Ablenkung senkrecht aufeinander stehen und Elektronen verschiedener Geschwindigkeit die Rohre durchlaufen? Wie lautet die Gleichung dieser Kurve? (36) =) Losung: Da sB linear von v abhangt, sE aber quadratisch, entsteht { bei Eliminierung von v { ein quadratischer Zusammenhang zwischen sE und sB . Die Kurve ist also eine Parabel. (52) ist bereits die Gleichung dieser Kurve: sE = CCE2 me s2B B 3. Eigene Nullmethode Mebeispiel: Bei einer Anodenspannung UA = 4:95kV , einer Ablenkspannung U = 2:8kV und einem Plattenabstand d = 5cm, und einem Spulenstrom I = 300mA verschwindet die Gesamtablenkung am Ende des Schirmes (bei l = 10cm). 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH 59 s = sB + sE = 0 Welche Werte fur Geschwindigkeit und spez. Ladung der Elektronen ergeben sich aus diesen Mewerten, wenn der Zusammenhang zwischen Magnetfeldstarke und Spulenstrom durch H = 33:8 102 m1 I gegeben ist (Angabe des Gerateblattes)? Losung: Die elektrische Ablenkung ist gegeben durch (28): x2 = f U x2 =: cx2 sE = a2 t2 = 2eE m v2 4d UA 8kV = 3:03m;1f mit c := 4fd UU = 0:f4m 42::95 kV A Da die Elektronen aufgrund der Lorentz-Kraft einen Kreis durchlaufen, gilt fur die magnetische Ablenkung: ( sB + r)2 + x2 = r2 =) p sB = ; r ; r2 ; x2 Da beide bei x = l betragsmaig gleich gro sind, folgt: p r ; pr2 ; l2 () r2 ; l2 =) r2 ; l2 () 2cr () r = = = = = cl2 r ; cl2 r2 ; (2cr + c2l2 )l2 c2l2 + 1 c l2 + 1 f==1 0:18m 2 2c Nach (37) besteht zwischen Radius und Magnetfeld folgender Zusammenhang: r r = B1 2 me UA Damit ist es moglich, die spez. Ladung zu bestimmen (B = 0 33:8 102m;1 I ): e = 2UA = 1:88 1011 C (Lit.: 1:76 1011 ) m r2 B 2 kg 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH 60 Damit ergibt sich auch die Geschwindigkeit der Elektronen: r e v = 2 UA = 4:31 107 m m s 4. Fadenstrahlrohr (a) Bei der Demonstration der Abhangigkeiten des Elektronenbhnradius ergab sich: Mebeispiel: r = 2. Sprosse r=3cm I = 2.75 A rI = 8.25 Acm r = 3. Sprosse r=4cm I = 2.05 A rI = 8.20 Acm r = 4. Sprosse r=5cm I = 1.60 A rI = 8.00 Acm Welche Folgerungen konnen daraus gezogen werden? Losung: Je groer das Magnetfeld, desto groer ist oensichtlich die magnetische Kraft auf die Elektronen. Genauer ergibt sich die umgekehrte Proportionalitat zwischen dem Bahnradius und der Spulenstromstarke: Mebeispiel: r v2 r I1 B1 =)r F B pUr = 0.27 pcm r = 2. Sprosse r = 3cm UA = 120V V A pUr = 0.28 pcm r = 3. Sprosse r = 4cm UA = 200V V A pUr = 0.30 pcm r = 4. Sprosse r = 5cm UA = 275V V A Welche Folgerungen konnen daraus gezogen werden? Losung: Der Radius r = mvF 2 wachst schwacher als v2 , also mu die magnetische Kraft F mit v anwachsen. Genauer zeigt sich: q r UA v =) F v Zeigen Sie, da diese Meergebnisse mit der Theorie ubereinstimmen! Losung: Nach (37) gilt pU r BA und genau das zeigen die Mewerte! (b) Mebeispiel: UA = 275V I = 2:75A r = 3cm (=^ 2. Sprosse), B = 5510m;1I (aus Gerateblatt). Berechnen Sie aus diesen Ergebnissen die spezische Ladung der Elektronen! Losung: 11 21. JANUAR 1999: DER MILLIKAN-VERSUCH UA (37) =) me = (2rB )2 = (0:03 1:25662 10275 ;6 551 2:75)2 = 1:72 1011 V A2 = 1:72 1011 C N kg 2 61 m 2 V N2 A2 m2 5. Zusatzaufgaben: Wie gro ist die Geschwindigkeit von Elektronen, die aus der Ruhe eine Spannung von U = 250V durchlaufen haben? Losung: r e v = 2 m UA = 9:3 106 ms Wie lange gebrauchen diese Elektronen fur ein einmaliges Durchlaufen der Kreisbahn in einem Magnetfeld der Feldstarke B = 2mT ? Losung: t = 2r v (10:4)(37) = = p 2 me p2UA = 2 me B1 B 2UA 1:8 10;8s (53) (54) Wie gro ist diese Zeit in demselben Magnetfeld, wenn die Elektronen eine doppelt so groe Spannung durchlaufen haben? Losung: q q v UA ^ r UA =) t vr = const In (53) hatte sich diese Eigenschaft auch bereits ergeben. Sie wird ubrigens zur Beschleunigung von Elektronen durch ein Hochfrequenzfeld mit konstanter Frequenz in einem Betatron benutzt. 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 62 12 28. Januar 1999: Das Periodensystem der Elemente 12.1 Wiederholung Das Prinzip des Millikan-Versuchs Verschiedene Verfahren der Durchfuhrung (bei allen wird zunachst die konstante Sinkgeschwindigkeit vg ohne elektrisches Feld gemessen): { Messung der konstanten Steiggeschwindigkeit vE nach Einschalten des elektri- schen Feldes, { Bestimmung der elektrischen Feldstarke Eg , mit der das Tropfchen in Ruhe gehalten werden kann, { Umladen immer desselben Tropfchens mit Rontgenstrahlen und erneute Messung von vE . Aufgabe: Leiten Sie die entsprechenden Gleichungen ab! Vergleich der Ergebnisse fur die in Vorlesung und Vorbereitung aufgenommenen Mewerte (s. S. 57) 12.2 Millikans experimentelle Ergebnisse an einem Tropfchen Die mittlere Fallzeit tg fur eine feste Strecke im Gravitationsfeld ohne elektrisches Feld betrug fur ein bestimmtes Tropfchen tg = 11:880s. Die folgende Tabelle zeigt die Steigzeiten tE desselben Tropfchens fur dieselbe Strecke im elektrischen Feld mit (immer derselben!) Feldstarke E nach verschiedenen Umladungsvorgangen durch Rontgenstrahlen. Dierenz der reziZahl Steigzeit Reziproke proken der Relative Groe Summe der im Steigzeit Steigzeiten Umder reziproken elektrischen im elektrinach der ladungs- UmladungsFall- und Feld schen Feld Umladung einheiten einheit Steigzeiten 1 1 1 ;1 1 1 1 1 ;1 1 tE s] n0 tE s ] tE ; tE s ] n tE ; tE tg ; tE 1 2 3 4 5 6 80.708 0.01236 0.09655 0.03234 6 0.005390 22.375 0.04470 0.12887 0.03751 7 0.005358 140.565 0.00719 0.09138 0.005348 1 0.005348 79.600 0.01254 0.09673 0.01616 3 0.005387 34.785 0.02870 0.11289 0 0 0 Relative Zahl Groe der der LadungsLadungseinheiten einheit n (n0 ) n1 t1g + t1E 7 8 18 0.005366 +6 24 0.005371 -7 17 0.005375 +1 18 0.005374 +3 21 0.005376 Aufgabe: Zeigen Sie durch Auswertung der Meergebnisse, da die Umladung des Tropf- chens immer ein Vielfaches derselben Ladungseinheit ist, und berechnen Sie diese Ladungseinheit (in relativen Einheiten)! 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 63 12.3 Rechenbeispiel Aufgabe: In einem Mikroskop mit einer Meeinteilung mit 50 Strich mm wird ohne Feld eine Sinkgeschwindigkeit von vg = 0:1 Strich s gemessen. Legt man an den Kondensator mit dem Plattenabstand d = 1cm eine Spannung von U = 31:5V , dann steigt dasselbe Tropfchen mit der Geschwindigkeit vE = 1 Strich s . Wieviele U berschuelektronen tragt das Tropfchen? ( = 1:74 10;5 mNs2 = 0:9 cmg 3 L = 1:3 dmg 3 ) Losung: Damit ergibt sich: q = (47) = = q ] = kg = 0:9 cmg 3 = 900 m 3 g = 1:3 kg L = 1:3 dm 3 m3 =) ; L = 898:7 kg3 m 1 mm 1 10;3 m vE = 50 s = 50 s mm 1 1 vg = 500 s = 500 10;3 ms 11 10;3 m =) vE + vg = 500 s U 31 : 5 V E = d = 10;2Vm = 3150 m s 18 1:743 10;15 10;3 11 10;3 3150s 2 898:7 9:81 500 500 18 1:743 11 10;310;910;110;110;310;2 3:15 2 8:987 9:81 5 5 3:1 10;19C 2e s Cm N 3 s3 m3 s2 m m = Cm2 Ns = C J m6 kg m s s Js m 12.4 Diskussion der experimentellen Ergebnisse Alle q-Werte sind ganzzahlige Vielfache nur eines kleinsten Wertes =) me -Werte sind keine Mittelwerte =) feste Ladung und Masse Die sich ergebende Ladungseinheit ist nur fur groe Tropfchen einigermaen kon- stant, wachst dagegen schnell mit kleiner werdendem Radius. Ist die Theorie doch falsch? Ausweg: Stokessches Gesetz kann nicht angewendet werden, weil es nur in homogenen Medien gilt. Tatsachlich ist diese Voraussetzung nicht erfullt, wenn die Tropfchengroe mit der mittleren freien Weglange der Gasmolekule vergleichbar wird. 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 64 Ausweg: Statt (44) wird angesetzt: p1 6rv 6 rv FR = = 1 + A r 1 + prB Man kann zeigen, da daraus folgt: e e0 = oder: e 32 = B pr !0 v !3 u u t 1+ B pr ! 2 B e03 1+ pr (linear) ;! e0 2 3 Extrapolation auf pr1 ! 0 ergab tatsachlich einen linearen Zusammenhang zwischen e und pr1 und einen von O l und Gas unabhangigen Wert fur e. Das heute beste Ergebnis fur die elektrische Elementarladung ist: e = 1:602192 10;19C 12.5 Zusammenfassung: Messung atomarer Groen Die elektrische Elementarladung e wird durch den Versuch von Millikan bestimmt: e = 1:6022 10;19C Die Masse der Elektronen ee wird durch elektrische und magnetische Ablenkung von Kathodenstrahlen gemessen: e = 1:7589 1011 C =) m = e = 9:22 10;31kg e e me kg me Die Avogadro-Zahl NA wird (zum Beispiel) uber die Elektrolyse und die FaradayKonstante F bestimmt: C F = 96485 Mol 1 =) NA = Fe = 6:022 1023 Mol 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 65 Die Masse des Wasserstoatoms ergibt sich aus der elektrolytisch gemessenen spezischen Ladung (z.B.) der Silberionen: 1:118mg Ag 1C = =) =) 1:118mg1:008H = 1:045 10;8 kg 1C 107:87 C e = 9:57 107 c mH kg e mH = me = 1838 me meH Daraus folgt: mH = ee = 1:674 10;27kg mH Aus den chemisch bestimmten relativen Atommassen ergeben sich damit die Massen aller Atome. Die Groe der Atome im Festkorper ergibt sich aus Atomgewicht und Dichte. Z. B. fur Gold: 4 kg mAu = 1197 m H ^ Au = 1:93 10 3 :008 m =) =) vAu = m Au = 1:695 10;29m3 Au rAu = 2:57 10;10 m 12.6 Das Periodensystem der Elemente 12.6.1 Die innere Struktur der Atome Folgende Erfahrungen legen nahe, da Atome nicht, wie zunachst angenommen, unteilbar sind, sondern selbst eine innere Struktur haben: Die Massenzahlen sind uberwiegend nahezu ganzzahlig. Die Atome lassen sich nach der relativen Atommasse zunachst linear anordnen. Die Eigenschaften der Elemente andern sich jedoch periodisch { und zwar mit derselben Periode: { physikalische Eigenschaften: Atomgroe Ionengroe Schmelztemperatur Temperaturausdehnungskoe!zient Kompressibilitat 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE Abbildung 8: Periodische Abhangigkeit der Atomvolumina von der Ordnungszahl (11], S. 45) Abbildung 9: Periodische Abhangigkeit verschiedener physikalischer Eigenschaften von der Ordnungszahl (11], S. 45): - oben: reziproke Schmelztemperatur - Mitte: linearer Ausdehnungskoe!zient - unten: Kompressibilitat (Gestrichelt sind Gebiete gezeichnet, fur die die betreenden Werte nicht zuverlassig bekannt sind.) 66 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 67 Abbildung 10: Das Periodensystem (12], S. 34) { chemische Eigenschaften Wertigkeit Elektronegativitat U bergang Metalle ;! Halogene 1869 ordneten Mendelejew und, unabhangig davon, Meyer alle bekannten Elemente entsprechend ihrer physikalischen und chemischen Eigenschaften im sogenannten Periodensystem der Elemente. Dabei ergaben sich Lucken, die als noch unbekannte Elemente gedeutet und deren Eigenschaften vorhergesagt wurden. Bei der Einordnung in das Periodensystem ergab sich bei den meisten Elemente ein monotoner Zusammenhang zwischen der "Platznummer\ im System, der sogenannten Ordnungszahl, und dem chemisch bestimmten Atomgewicht: Das Atomgewicht ist etwa doppelt so gro wie die Ordnungszahl. Allerdings ist der Zusammenhang nicht immer monoton! In diesen Ausnahmefallrn (z.B.: Ar $ K Ni $ Co) ordnete Mendelejew die Elemente intuitiv richtig entsprechend ihren Eigenschaften und entgegen der durch das Atomgewicht nahegelegten Reihenfolge ein. 12.6.2 Isotopie Ein weiterer wichtiger Hinweis auf die innere Struktor der Atome ist die sogenannte Isotopie: Die Massenzahlen sind oft ungefahr ganzzahlig, aber eben nicht immer (z.B. Chlor: MChlor = 35:453). 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE Abbildung 11: Relative Atommassen als Funktion der Ordnungszahl (11], S. 44) 68 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 69 Abbildung 12: Schematische Darstellung der Parabelmethode von Thomson (11], S. 49) In den Jahren 1906-1910 zeigte sich bei der Untersuchung der chemischen Eigen- schaften radioaktiver Elemente, da verschiedene "Elemente\ (mit unterschiedlichem radioaktiven Verhalten) sich chemisch nicht trennen lassen. Thomson zeigte 1913 mit Hilfe seiner Parabelmethode, da auch das nicht radioaktive Gas Neon ein Gemisch aus zwei chemisch nicht unterscheidbaren Atomarten mit den Massezahlen 20 und 22 ist. Die Thomsonsche Parabelmethode zur Bestimmung von Atommassen entspricht vollig seiner me -Bestimmung fur Kathodenstrahlen (s. Abb. 12): Ionen, die in einem Entladungsrohr (durch Elektronensto) erzeugt und beschleunigt wurden, treten durch einen ziemlich langen Kanal in der Kathode als gut gebundelte Kanalstrahlen in den feldfreien Raum. Da sie, entsprechend ihrem Entstehungsort im Entladungsrohr, verschiedene Energien besitzen, bilden ihre Auftrepunkte auf dem Schirm nach Ablenkung durch ein elektrisches und ein magnetisches Feld einen ihrer spezischen Ladung entsprechenden Parabelast (vgl. (38)). Dabei zeigt sich, da das chemische Atomgewicht eines Elementes der Mittelwert der Massen aller seiner naturlichen Isotope ist: Bei Magnesium ndet man z.B.: Massenzahl rel. Haugkeit in % 24 78.60 25 10.11 26 11.26 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 70 Daraus ergibt sich eine mittlere Massenzahl m% = 24:327 (chemisch ndet man: m = 24:312). Bei Cadmium ndet man (12], S. 47): Massenzahl rel. Haugkeit in % 106 1.215 108 0.875 110 12.39 12.75 111 112 24.07 113 12.26 114 28.86 116 7.58 Daraus ergibt sich eine mittlere Massenzahl m% = 112:520 (chemisch ndet man: m = 112:40). 12.6.3 Die Streuung von -Teilchen Einen weiteren wichtigen Hinweis auf die innere Straktur von Atomen liefert der Durchgang von sogenannten -Strahlen durch Folien. Eigenschaften von -Strahlen: Sie werden von vielen radioaktiven Elementen emittiert. Ihr Teilchencharakter auert sich in Nebelkammerspuren, in diskreten Punkten auf fotograschen Schichten oder diskreten Blitzen (Szintillationen ) beim Auftreen auf einen Fluoreszenzschirm, mit deren Hilfe die Teilchen gezahlt werden konnen. Die Ablenkung im elektrischen oder magnetischen Feld zeigt eine positive elektrische Ladung. Bei der Auadung eines Faraday-Bechers durch -Strahlen und gleichzeitiges Zahlen der Teilchen stellt man fest: Die Ladung eines -Teilchens betragt 2e. Mit Hilfe der Parabelmethode erweist sich die spezische Ladung als halb so gro wie die von Wassersto-Ionen: Die Masse der -Teilchen betragt also 4u. -Teilchen sind zweifach geladene He++-Ionen (Heliumkerne). Beim Durchgang durch Folien werden die meisten -Teilchen nur wenig abgelenkt, sehr wenige aber sehr stark. Daraus schliet man auf die starke Konzentration der Masse von Atomen (Atomkern). Die Streuung von -Teilchen an Atomkernen (Rutherford-Streuung) lat sich mit Hilfe der Losung des klassischen Kepler-Problems auch quantitativ verstehen. Sie fuhrt auf die sogenannte Rutherfordsche Streuformel: dN = n Ze2 !2 d x N 4"0mv2 sin4( #2 ) Dabei bedeuten: mit d = 2 sin #d# (55) 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 71 Abbildung 13: Anordnung zur Untersuchung der Anzahl der gestreuten -Teilchen in Abhangigkeit vom Streuwinkel (11], S. 98): A Kreisteilung B starr mit A verbundener Metallzylinder C Schli F Streukorper M Mikroskop P Glasplatte R radioaktives Praparat S durchsichtiger Schirm T Rohr zur Evakuierung von B n die Teilchendichte der streuenden Atome, x die Dicke der Folie, Z die Kernladungszahl, m die Masse der gestreuten Teilchen, N die Gesamtzahl der gestreuten Teilchen und dN die Anzahl der Teilchen, die um den Winkel # abgelenkt werden und in den Raumwinkel d& treen. Wird als Detektor ein Ring genommen, der symmetrisch zur Einfallsrichtung der -Strahlen liegt, dann ist der von diesem Ring abgedeckte Raumwinkel d& = 2 sin #d#. Nach dieser Formel mu, wenn man den Detektor so verandert, da d& = const ist, gelten: dN sin4 #2 = const: Mit der in Abb. 13 gezeigten Anordnung gelang es, diese Aussage experimentell an Goldfolien zu bestatigen: 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 72 Abbildung 14: Versuchsanordnung von Chadwick (11], S. 100): Statt eines ringformigen Detektors verwendete Chadwick eine ringformige Streufolie A: Alle im Detektor S registrierten Teilchen mussen um den Winkel # abgelenkt worden sein. Bei ringformiger Streufolie registriert der Detektor ebenso viele Teilchen, als gabe es nur eine kleine Streufolie im Zentrum, dafur aber einen ringformigen Detektor! Ablenkungswinkel Grad] 1 sin4 #2 Zahl der Szintillationen dN sin4 #2 150 1.15 33.1 28.8 135 1.38 43.0 31.2 120 1.79 51.9 29.0 105 2.53 69.5 27.5 75 7.25 211 29.1 60 16.0 477 29.8 45 46.6 1435 30.8 30 223 7800 35.0 3445 132000 38.4 15 Die Rutherfordsche Streuformel erlaubt es, die Kernladungszahl Z zu messen. Dabei zeigt sich zunachst, da die Kernladungszahl, ebenso wie die Ordnungszahl, etwa halb so gro ist wie das Atomgewicht: Z A2 Das Experiment ist jedoch sehr schwierig, weil die Anzahl der gestreuten Teilchen viel kleiner ist als die der hindurchgehenden Teilchen: dN N . Genaue Messungen gelangen erst, als es Chadwick gelang, N und dN in derselben Apparatur zu messen (Abb. 14). Auf diesem Wege fand Chadwick fur Platin: Z = 77:4 (78), fur Silber: Z = 46:3 (47) und fur Kupfer: Z = 29:3 (29). Dabei sind in Klammern die zugehorigen Ordnungszahlen 12 28. JANUAR 1999: DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 73 angegeben. Die Versuche bestatigten also, da Ordnungszahl und Kernladungszahl eines Elementes ubereinstimmen (1920). Zur Bestimmung der Kernladungszahl mu also die Reihenfolge der Elemente im Periodensystem genau bestimmt werden. Fur diese Aufgabe eignen sich besonders die Spektren von Rontgenstrahlen. 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 74 13 4. Februar 1999: Rontgenstrahlen (11], S. 102-129, 12], S. 85-112, 14], S. 1202, 15], S. 1152) 13.1 Erzeugung und Eigenschaften Rontgenstrahlen entstehen durch Elektronenbeschu von Anoden (Antikathoden). Sie wurden 1895 durch Rontgen entdeckt. Ihre groe medizinische Bedeutung wurde sehr schnell klar. Rontgen erhielt fur ihre Entdeckung 1901 den ersten Nobelpreis fur Physik. Rontgenstrahlen durchdringen undurchsichtige Korper. Sie regen einen Fluoreszenzschirm zum Leuchten an und schwarzen eine Fotoschicht. Sie lassen sich nicht elektrisch oder magnetisch ablenken. Das spricht dafur, da es sich nicht um eine Teilchenstrahlung handelt. Da man sofort eine Vorstellung vom Entstehungsmechanismus (Abbremsung geladener Elektronen) hatte, entstand schnell die U berzeugung da es sich um elektromagnetische Wellen handelte. Spektrum: { Bremsstrahlung Jedes Rontgenspektrum enthalt ein kontinuierliches Spektrum, dessen Charakteristika unabhangig vom Material der Anode sind. Es entsteht durch Abbremsung schneller Elektronen in der Antikathode. Das kontinuierliche Spektrum hat eine scharfe kurzwellige Grenze, deren Wellenlange gr umgekehrt proportional zur Beschleunigungsspannung UA ist: hc = eU =) = hc 1 (56) A gr gr e UA Dabei sind e die Ladung des Elektrons, c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum und h eine neue Naturkonstante: Plancksches Wirkungsquantum: h = 6:626 10;34Js (57) Aufgabe: Wie gro ist die Grenzwellenlange gr des Bremsstrahlspektrums bei einer Anodenspannung von UA = 30kV ? Losung: 1 = 4:14 10;11m 0:4 A gr = hc e UA { Charakteristische Strahlung: Dem Bremsstrahlungsspektrum uberlagert sich, von einer fur das Anodenmaterial charakteristischen Beschleunigungsspannung an, ein ausgepragtes Linienspektrum. 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN Abbildung 15: Ausbildung der K-Serie der charakteristischen Strahlung einer Rhodium-Antikathode (11], S. 104) Die Zahlenwerte auf der Abzissenachse bedeuten die kurzwellige Grenze jedes Spektrums. Die Linie Ru gehort zu Ruthenium, das als Verunreinigung im Rhodium enthalten war. 75 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 76 Die Lage seiner Linien ist unabhangig von der Beschleunigungsspannung und charakteristisch fur das Anodenmaterial. Mit zunehmender Beschleunigungsspannung werden die Linien immer intensiever. Absorption von Rontgenstrahlung { Rontgenstrahlen werden beim Durchgang durch Materie exponentiell geschwacht: N = N0e;d (58) Dabei sind N0 die Anzahl der auftreenden Photonen (bzw. die Intensitat der auftreenden Stahlung), N die Intensitat hinter der Materieschicht und d ihre Dicke. heit Schwachungskoezient. { Die Schwachung beruht auf zwei Eekten: Absorption und Streuung: = |{z} + |{z} Absorption Streuung (59) { Die Absorption ist sehr stark abhangig von der Kernladungszahl Z des absor- bierenden Materials und von der Wellenlange der Rontgenstrahlung: Je groer die Ordnungszahl (und damit die Kernladungszahl!), desto starker wird die Strahlung absorbiert. Darauf beruht ihr Einsatz in der Medizin (Kalzium hat eine hohere Ordnungszahl als Wassersto und Sauersto!) und ihre Abschirmung durch Blei. Je groer die Wellenlange, desto starker wird die Strahlung absorbiert, oder umgekehrt: Je kurzer die Wellenlange, desto durchdringender ("harter\) sind Rontgenstrahlen. Genauer zeigt sich, da der Absorptionskoe!zient proportional zur 4. Potenz der Kernladungszahl und zur 3. Potenz der Wellenlange ist: = C 0 Z 4 3 (60) A Dabei sind die Dichte und A das Atomgewicht des absorbierenden Materials. { Die Absorption ist also eine atomare Eigenschaft : Sie wird durch den Bindungszustand der Atome nicht beeinut! (Vorgri: Da sich chemische Reaktionen in den aueren Teilen der Atomhulle abspielen, spricht diese Eigenschaft dafur, da Rontgenstrahlen tief im Inneren der Atome (bzw. ihrer Hullen) absorbiert werden.) 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 77 13.2 Rontgenbeugung Da Rontgenstrahlung aus elektromagnetischen Wellen besteht, mu sie die Erscheinungen von Beugung und Interferenz zeigen (wie sichtbares Licht beim Durchgang durch ein Gitter). Allerdings treten diese Erscheinungen nur auf, wenn die Gitterkonstante des streuenden Objektes (d.h. der Abstand seiner Streuzentren) in derselben Groenordnung liegt wie ' die Wellenlange der Strahlung. Die Wellenlange von Rontgenstrahlen ( < 1A = 0:1nm) ist aber um den Faktor 1000-10000 kleiner als die von sichtbarem Licht ( 5000' A). Schon fruh machte deshalb Laue darauf aufmerksam, da die Gitterkonstante von Kristallen mit der Wellenlange von Rontgenstrahlen vergleichbar ist. 13.2.1 Einkristall-Verfahren (Laue) Beugung am linearen Gitter: Wenn eine ebene Welle (dargestellt durch parallele Lichtstrahlen) auf zwei Streuzentren fallt, die durch die Welle angeregt werden, Kugelwellen ("Elementarwellen\) auszusenden, dann loschen sich diese beiden Wellen in den Richtungen gegenseitig aus, in denen der Gangunterschied ein halbzahliges Vielfaches der Wellenlange ist (s. Abb. 16, links). Fallt die Welle jedoch auf eine lineare Kette von Streuzentren, dann loschen sich die Elementarwellen in fast allen Richtungen gegenseitig aus. Das ist in Abb. 16 rechts fur den Fall von vier Zentren veranschaulicht. Ist die Kette unendlich lang, dann tritt nur in den Richtungen, in denen der Gangunterschied benachbarter Elementarwellen ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlange ist, gegenseitige Verstarkung auf. In allen anderen Richtungen loschen sich die Wellen gegenseitig aus. Die Richtungen, in denen gegenseitige Verstarkung auftritt, kann mit Hilfe von Abb. 18 leicht berechnet werden: a(cos ; cos 0 ) = n1 =) cos = cos 0 + n1 a (61) (62) Jede dieser Richtungen deniert einen Kegelmantel. Auf einem Fluoreszenzschirm entstehen also Streifen mit der Form eines Kegelschnittes (s. Abb. 19). Beugung am ebenen Gitter Ein ebenes Gitter (hier vereinfachend als quadratisch angenommen) kann man sich vorstellen als eine lineare Kette von linearen Ketten. Beide (senkrecht zueinander stehenden) Ketten erzeugen auf dem Schirm Scharen von Kegelschnitten. Helligkeit wird nur dort zu beobachten sein, wo sich die Kurven dieser Scharen schneiden (Abb. 20, links). Zu der Bedingung (62) tritt eine weitere hinzu: a(cos ; cos 0) = n1 =) a(cos ; cos 0) = n2 =) cos = cos 0 + n1 a cos = cos 0 + n2 a (63) (64) 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 78 Abbildung 16: Interferenz bei der Streuung an zwei (links) bzw. vier Streuzentren, simuliert durch U bereinanderlegen sogenannter Moir!e-Folien. Eine Kopiervorlage zur Erstellung solcher Folien zeigt Abb. 17 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN Abbildung 17: Kopiervorlage zur Erzeugung von Moir(e-Mustern 79 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN Abbildung 18: Beugung an einer linearen Kette von Atomen (rechts) aus einem kubischen Gitter (links) (11], S. 111) Abbildung 19: Interferenzstreifen eines linearen Gitters (11], S. 112) 80 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 81 Abbildung 20: Beugung am Gitter (11], S. 113): - links: Parabelscharen bei der Beugung am ebenen Gitter, - rechts: Geometrische Veranschaulichung der Interferenzbedingung fur das Raumgitter Dies sind zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten: Bei fester Wellenlange exitiert zu jeder Beugungsordnung (n1 n2 ) eine Richtung ( ), in der der zugehorige Lichtstrahl auftritt. Beugung am dreidimensionalen Gitter In entsprechender Weise erzeugt ein dreidimensionales Gitter eine dritte Kurvenschar auf dem Schirm (Abb. 20, rechts). Im allgemeinen wird es jedoch keine Punkte geben, in denen sich Kurven aller drei Scharen schneiden. Mathematisch ergibt sich das durch das Hinzutreten einer dritten Bedingung: a(cos ; cos 0) = n1 =) a(cos ; cos 0) = n2 =) a(cos ; cos 0) = n3 =) cos = cos 0 + n1 a cos = cos 0 + n2 a cos = cos 0 + n3 a (65) (66) (67) Die drei Winkel (0 0 0) bzw. ( ) beschreiben aber jeweils eine Raumrichtung. Sie sind deshalb nicht unabhangig voneinander. Fur sie mu vielmehr gelten (Aufgabe!): cos2 + cos2 + cos2 = 1 cos2 0 + cos2 0 + cos2 0 = 1 und (68) Quadrieren und Addieren obiger Gleichungen fuhrt deshalb auf: n2 cos 0 + n3 cos 0 = ;2a n1 cos 0 + 2 n + n2 + n2 1 2 3 (69) 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 82 Fur eine gegebene Richtung (0 0 0) des Einfallsstrahls kann es also ein Interferenzmaximum bestimmter Ordnung (n1 n2 n3) nur fur eine ganz bestimmte Wellenlange geben! Ein Interferenzmuster wird also nur dann auf dem Schirm entstehen, wenn das Gitter mit einem kontinuierlichen Spektrum bestrahlt wird. Jeder Punkt des Musters gehort dann zu einer bestimmten Ordnung (n1 n2 n3 ) und zu einer bestimmten Wellenlange!8 Die Abbildungen 13.2.1 und 21 zeigen die experimentelle Versuchsanordnung zur Erzeugung von Laue-Diagrammen und ein typisches Ergebnis. Versuchsanordnung fur die Beugung von Rontgenstrahlen nach dem Laue-Verfahren (11], S. 116) B Bleiabschirmung K Kristall P Fotoplatte 13.2.2 Pulvermethode (Debye-Scherrer) Einkristalle sind bei vielen Materialien schwierig zu zuchten und deshalb teuer. Statt eines Einkristalls verwendet man deshalb meist ein kristallines Pulver. Fur jede Interferenzordnung (n1 n2 n3 ) bendet sich in dem Pulver ein kleiner Kristall mit der richtigen Orientierung, so da die Bedingungen (67) erfullt sind (s. Abb. 22, 2# = 0 ; ). Aus Symmetriegrunden erzeugt jede Ordnung eine Kegelmantel, dessen Achse mit der Einfallrichtung ubereinstimmt. Auf einem Film senkrecht dazu entstehen also konzentrische Kreise. 8 Bei sichtbarem Licht hatte also jeder Punkt eine andere Farbe. 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN Abbildung 21: Laue-Diagramm bei der Beugung an einem Quarzkristall (11], S. 116) Abbildung 22: Versuchsanordnung zur Beugung von Rontgenstrahlen nach der Pulvermethode (11], S. 120) (B Bleiabschirmung FP Fotoschicht K kristallines Pulver) 83 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 84 Abbildung 23: Verschiedene Gitterebenen in einem kubischen Kristall (links) und die Reexion an ihnen (rechts) (11], S. 117) 13.2.3 Rontgenbeugung am Reexionsgitter (Bragg-Reexion) Durch jedes regelmaige Gitter lassen sich in den verschiedendsten Richtungen Ebe- nen ("Gitterebenen\) legen (Abb. 23, links). Die Richtungen und Abstande aller dieser Ebenen sind charakteristisch fur die Struktur des Gitters. Es lat sich zeigen, da sich jeder Punkt eines Laue-Diagramms interpretieren lat als Ergebnis einer Reexion der auftreenden Welle an einer bestimmten Schar von Gitterebenen. Die Theorie dieser sogenannten Bragg-Reexion ist aber einfacher zu verstehen als die oben erlauterte Entstehung von Laue-Diagrammen: Die Wellen, die an verschiedenen Ebenen derselben Ebenenschar reektiert werden, weisen einen Gangunterschied auf, so da sie sich im allgemeinen gegenseitig ausloschen. Nur wenn der Gangunterschied der Wellen, die an benachbarten Ebenen reektiert wurden, ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlange betragt, verstarken sich alle Teilwellen gegenseitig (s. Abb. 23, rechts): 2d sin # = n (Braggsche Gleichung) (70) Spaltet man also einen Einkristall so, da eine Oberache parallel zu einer ganz bestimmten Ebenenschar ist, dann kann man durch Rotation des Kristalls den Einfallswinkel # variieren. Nur bei ganz bestimmten Richtungen ist dann die BraggBedingung erfullt, was an einer zunehmenden Intensitat bemerkbar ist (Abb. 24, rechts). Diese Drehkristallmethode wird als Spektrograph fur Rontgenstrahlen verwendet: Rontgenstrahlen verschiedener Wellenlange verlaufen nach der Reexion in verschiedener Richtung. Naturlich lassen sich auch die bei der Pulvermethode (s. Abb. 22, S. 83) entstehenden Streifen als Bragg-Reexe interpretieren. 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 85 Abbildung 24: Rontgenbeugung am Einkristall (11], S. 119) - links: Rontgenspektrograph (schematisch) (B Bleiabschirmung FPF' Film K Kristall), - rechts: Reexionskurve von Rontgenstrahlen an einem NaClKristall 13.3 Bestimmung der Wellenlange an einem NaCl-Kristall Die Braggsche Gleichung (70) stellt einen Zusammenhang her zwischen der Wellenlange des Rontgenlichtes und dem Abstand d der Gitterebenen. Sie kann deshalb bei bekanntem Ebenenabstand zur Bestimmung der Wellenlange benutzt werden (Rontgenspektroskopie). Umgekehrt konnen bei bekannter Wellenlange die Abstande der Gitterscharen gemessen und damit die Struktur des Kristalls bestimmt werden (Rontgenstrukturanalyse). Schlielich ergibt sich auf diese Weise eine neue Moglichkeit, die Avogadro-Konstante zu bestimmen. Das soll am besonders einfachen Fall des Kochsalz-Kristalls erlautert werden: Aufgabe: { Die Wellenlange der Kupfer K -Linie betragt = 1:542'A. Die 1. Ordnung wird an einem NaCl-Kristall bei # = 15500 gemessen. Welcher Gitterebenenabstand ergibt sich daraus? Losung: = 2:826' dNaCl = 2 sin A # { Welche Wellenlange der K -Linie des Kupfers ergibt sich umgekehrt, wenn die Gitterkonstante von NaCl bekannt (dNaCl = 2:814000' A) ist? Losung: K = 2d sin # = 1:537302' A 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 86 Abbildung 25: Das Kristallgitter des Natriumchlorids (11], S. 121) Der Zusammenhang zwischen Ebenenabstand d und Avogadro-Zahl NA ergibt sich folgendermaen: { Abbildung 25 zeigt den einfach kubischen Aufbau des NaCl-Ionenkristalls: Alle Ionen sitzen an den Ecken eines einfach kubischen Gitters. Dabei wechseln sich Na+ - Ionen und C ;;-Ionen in allen Richtungen ab. Daraus folgt: Zu jeder Elementarzelle gehoren 8 Ionen. Jedes Ion gehort aber auch zu 8 Elementarzellen. Also kommt auf jede Elementarzelle im Mittel genau ein Ion. g ) enthalt N NaCl-Molek { Ein Mol NaCl (M = 58:454 Mol ule, also 2NA Ionen. A { Jedes dieser Ionen nimmt das Volumen d3 ein. { Damit ergibt sich: V = 2N d3 = M A n s =) d = 3 12 NM A (71) Aufgabe: Welcher Wert fur die Avogadro-Konstante ergibt sich also aus obigen Werten ( = 2:165 cmg 3 )) Losung: 23 ;1 NA = 2M d3 = 6:058 10 Mol 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 87 13.4 Moseleysches Gesetz und Z-Bestimmung Die charakteristischen Rontgenspektren sind besonders einfach: { Sie enthalten nur wenige Linien, die sich zu Serien (K-, L-, M-Serie) zusam- menfassen lassen. { Sie zeigen keine Periodizitat mit der Ordnungszahl! { Die leichten Elemente zeigen nur eine K-Serie, die schwereren auch eine L-Serie. Die M-Serie kommt erst bei den ganz schweren Elemente hinzu. Die Wellenlangen bestimmter Serien von Rontgenwellenlangen verschieben sich monoton mit der zunehmender Kernladungszahl Z des erzeugenden Elementes zu kleineren Werten (Abb. 13.4). Rontgenspektren verschiedener Elemente (schematisch) (11], S. 122) Z Ordnungszahl Wellenlange Genauer ndet man, da die Wellenlange mit dem Quadrat der reziproken Ordnungszahl linear zusammenhangt: s 1 K Zs ; 1 s c = 3 R(Z ; 1) oder, anders geschrieben: K 4 1 1 c 2 =) = R(Z ; 1) 12 ; 22 K Dabei ist R = 3:289842 1015s;1 (72) (73) (74) 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN 88 die sogenannte Rydberg-Konstante9 . Achtung: Statt R ndet man in Tabelle auch manchmal R0 = Rc ! Dieser Zusammenhang ermoglicht es, auf einfache Weise aus der Wellenlange der K-Linie die Ordnungs- (Kernladungs-) Zahl zu bestimmen: Aufgabe: Die Wellenlange der K-Linie eines Elementes ist K = 0:485'A. Um welches Element handelt es sich? Losung: s Z = 34R c + 1 = 51 Das Element mit der Ordnungszahl ist Antimon (Sb)! Tatsachlich ergeben sich auch fur die anderen Linien und Serien entsprechende lineare Zusammenhange: Moseley-Diagramm und Kurve der Atomvolumina (11], S. 126) Die verallgemeinerte experimentelle Erfahrung lat sich folgendermaen schreiben: 1 = R(Z ; )2 1 ; 1 n2 m2 9 m>n Spater (siehe Gleichung (92), S. 97) ergibt sich folgender Zusammenhang: 4 R = 8m"2e eh3 0 (75) 13 4. FEBRUAR 1999: RONTGENSTRAHLEN wobei n und fur jede Serie konstant sind. 89 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 90 Abbildung 26: Versuchsanordnung zur Erzeugung von Rontgenspektren mit einem optischen Beugungsgitter (11], S. 128) Breite der Spalte S1 und S2 : 0.01mm Abstand S1 ; S2 : 420mm 14 11. Februar 1999: Atombau und Spektrallinien 14.1 Absolutbestimmung der Wellenlange von Rontgenstrahlen Experimentell gefundene Abweichungen von der Bragg-Bedingung ((70), S. 84) bei groeren wiesen darauf hin, da der Brechungsindex fur Rontgenstrahlen kleiner als 1 ist. Daraus folgt: Es gibt Totalreexion! Beispiel: Fur Kronglas ( = 2:52 cmg 3 ) ergibt sich bei einer Wellenlange von = 1:279' A ein Grenzwinkel der Totalreexion von #gr = 110. Daraus ergibt sich ein Brechungsindex von n = cos #gr = 1 ; 5 10;6 = 0:999995: Beugung von Rontgenstrahlen ist also auch an einem (geneigten) Reexionsgitter moglich, wenn der Grenzwinkel nicht zu klein ist (100 < #gr < 300). Dazu sind auch grobe Gitter geeignet, weil die tatsachliche Gitterkonstante d wegen des schragen Einfalls eektiv stark verkleinert wird (d0 = d sin #): So wird z.B. aus 17000 Strich einem Gitter mit 50 Strich mm eines mit mm . Mechanisch konnen dagegen gute Strich Gitter dagegen nur bis etwa 1200 mm hergestellt werden. Abbildung 26 zeigt die zugehorige Versuchsanordnung. Die auftretenden Winkel 2# und konnen gegen die Einfallsrichtung leicht gemessen werden. Konstruktive Interferenz (Verstarkung) ergibt sich bei einem Gangunterschied benachbarter Strahlen von einem ganzzahligen Vielfachen der Wellenlange (ahnlich wie bei Abb. 23, S. 84): oder n = d(cos # ; cos #0) n = d(cos # ; cos(# + )) (76) 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 91 Damit ist eine direkte Messung der Wellenlange = (# ) moglich. Die erreichbare Genauigkeit bei diesen Experimenten ist sehr hoch (0.002 . . . 0.004%). Dabei ergabenen sich Werte, die bis zu 0.15% von den mit der Kristallmethode gewonnenen Werten abwichen. Dieser Fehler ist 100mal so gro wie der Mefehler! Bei langwierigen Untersuchungen zeigte sich, da der Fehler nicht durch die Messungen entstand. Vielmehr erwies sich der bis dahin benutzte Wert fur NA, der in die Auswertung eingeht, als ungenau. Erneute unabhangige Messungen dieser Konstanten { auch mit Rontgenstrahlen { zeigten, da der von Millikan angegebene Wert fur die elektrische Elementarladung ungenau war: Als Quelle erwies sich schlielich der ungenaue Wert fur die Zahigkeit der Luft Luft ! Aufgabe: Wie gro ist bei einem Gitter mit 50 Strichh mm und der K -Linie von Kupfer ( = 1:54' A) der Beugungswinkel in der 1. Ordnung 1. bei einem Glanzwinkel von # = 80, 2. bei einem Glanzwinkel von # = 100? Losung: { { { { Fur die 1. Beugungsordnung gilt: cos(# + ) = cos # ; d = 1:54 A = 1:54 10;10 m. d = 501 mm = 2 10;5m. Daraus ergibt sich: 1. # = 80 =) # + = 80:000448 =) = 0:00045 = 1:600 , 2. # = 100 =) # + = 0:28 = 16:80 =) = 6:80 = 40800 . 14.2 Atomspektren: Erfahrungstatsachen (2], S. 46-54, 14], S. 1206) Seit der Entdeckung der Spektralanalyse konnte kein Kundiger zweifeln, da "das Problem des Atoms gelost sein wurde, wenn man gelernt hatte, die Sprache der Spektren zu verstehen. Das ungeheure Material, welches 60 Jahre spektroskopischer Praxis angehauft haben, schien allerdings in seiner Mannigfaltigkeit zunachst unentwirrbar. Fast mehr haben die sieben Jahre Rontgenspektroskopie zur Klarung beigetragen, indem hier das Problem des Atoms an seiner Wurzel erfat und das Innere des Atoms beleuchtet wird. Was wir heutzutage aus der Sprache der Spektren heraushoren, ist eine wirkliche Spharenmusik des Atoms, ein Zusammenklingen ganzzahliger Verhaltnisse, eine bei aller Mannigfaltigkeit zunehmende Ordnung und Harmonie. Fur alle Zeiten wird die Theorie der Spektrallinien den Namen BOHRS tragen. Aber noch ein anderer Name wird dauernd mit ihr verknupft sein, der Name PLANCKS. Alle ganzzahligen Gesetze der Spektrallinien und der Atomistik ieen letzten Endes aus der Quantentheorie. Sie ist das geheimnisvolle Organon, auf dem die Natur die Spektralmusik spielt und nach dessen Rhythmus sie den Bau der Atome und der Kerne regelt.\ (aus der Einleitung des beruhmten Buches von A. Sommerfeld: Atombau und Spektrallinien (13]), zitiert nach 2], S. 46) 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 92 Abbildung 27: Arten von Spektren: kontinuierliches Spektrum (oben), MolekulBandenspektrum (Mitte), Atomlinienspektrum (unten) (2], S. 54) Abbildung 28: Die Balmerserie des Wasserstoatoms in Emission (2], S. 52) Wenn man das Licht leuchtender Korper spektral zerlegt, z.B. mit einem Prisma oder einem Beugungsgitter, dann ndet man drei grundsatzlich verschiedene Arten von Spektren (s. Abb. 27): 1. Das Licht gluhender Festkorper hat ein kontinuierliches Spektrum. 2. Regt man Molekule zum Leuchten an, z.B. in einer Glimmentladung, dann zeigt das Spektrum sehr viele Linien dicht benachbarter Wellenlangen, die sich aber deutlich in Gruppen ("Banden\) einteilen lassen: Bandenspektrum 3. Besonders einfach sind die Spektren leuchtender atomarer Gase. Sie zeigen relativ wenige Linien, die sich oft in verschiedene, gesetzmaig zusammenhangende Gruppen ("Serien\) zusammenfassen lassen: Linienspektrum Demonstration einiger Spektren Die Spektren erwiesen sich als charakteristisch fur das aussendende Material. Dadurch wurde es moglich, Stoe aufgrund des von ihnen emittierten Lichtes zu analysieren (Spektralanalyse). Es zeigte sich, da leuchtende Gase Licht genau derselben Wellenlangen absorbieren, wie sie es emittieren (Emissions- und Absorptionsspektren). In einfachen Atomspektren ist die Unterteilung in Serien und die ihnen zugrundeliegende Gesetzmaigkeit besonders einfach zu erkennen. Die Abbildung 28 und 29 zeigen typische Beispiele. 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 93 Abbildung 29: Natrium-Atomlinienserie in Absorption (2], S. 52) 14.3 Das Wasserstospektrum (2], S. 54) Balmer fand als erster 1885 das Gestz, mit dem sich die Wellenlangen der in Abbildung 28 gezeigten Serie darstellen lassen: m = 364:56nm m2n; 4 m = 3 4 5 6 2 (77) Eine besonders einfache Form nimmt dieses Gesetz an, wenn man nicht die Wellenlange , sondern stattdessen die Frequenz betrachtet: m = c = R 212 ; m12 m = 3 4 5 6 : : : (78) Dabei ist R die bereits bekannte Rydberg-Konstante ((74), S. 87).10 Die U bereinstimmung zwischen den gemessenen Wellenlangen und den mit (78) berechneten ist sehr gut: Bezeichnung der Linie H H H H H" H H H# H H H H H n beobachtet' A] berechnet' A] 3 6562.793 6562.78 4 4861.327 4861.32 5 4340.466 4340.45 6 4101.738 4101.735 7 3970.075 3970.074 8 3888.052 3889.057 9 3835.387 3835.387 10 3797.900 3797.910 11 3770.633 3770.634 12 3750.154 3750.152 13 3734.371 3734.372 14 3721.948 3721.984 15 3711.973 3711.980 Allgemein wird nach Rydberg eine Linienserie dargestellt durch die Formel: = (n +R a)2 ; (m R + b)2 mit m > n (79) 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 94 Abbildung 30: Das Termschema des Wasserstoatoms (2], S. 62) Hierbei sind a und b zwei die Serie kennzeichnende Konstanten, n eine fur verschiedene Serien unterschiedliche kleine ganze Zahl und m eine Laufzahl. Beim Wassersto-Spektrum ist a = b = 0. Die n = 1 2 3 4 5 entsprechenden Serien heien nach ihren Entdeckers Lyman, Balmer-, Paschen-, Brackett- und Pfund-Serie. Es wurde ublich, die Serienformeln durch sogenannte Terme darzustellen (s. Abb. 30), deren Bedeutung zunachst unklar war. Die Linien des Spektrums wurden dann jeweils zwei Termen zugeordnet gema der Beziehung: nm = Tn ; Tm mit Tn = nR2 (80) Dieses sogenannte Termschema spiegelt das Ritzsche Kombinationsprinzip wider, nach sich durch Addition oder Subtraktion von Frequenzen bekannter Linien neue mogliche Linien ergeben. Es ermoglichte damit die Suche nach bisher unbekannten Linien. In der Spektroskopie wird hau g statt der Frequenz die sogenannte Die zugehorige Konstante in (78) ist dann um den Faktor c kleiner. 10 Wellenzahl = benutzt. 1 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 95 14.4 Das Bohrsche Atommodell] Bohr ging vom Rutherfordschen Atommodell aus, nach dem fast die gesamte Masse eines Atoms im sehr kleinen positiv geladenen Kern konzentriert ist, der von den Elektronen aufgrund der Coulombschen Anziehungskraft wie in einem Planetensystem umkreist wird. In diesem Modell war jedoch die Stabilitat der Atome nicht verstandlich, weil umlaufende (und damit beschleunigte!) Elektronen elektromagnetische Strahlung abgeben und dadurch Energie verlieren muten. Die Elektronen muten demnach in den Kern sturzen und dabei Strahlung mit einem kontinuierlichen Spektrum aussenden. Bohr beseitigte diese Schwierigkeiten durch die beruhmten Bohrschen Postulate: 1. Es gibt gewisse stabile Elektronenbahnen, auf denen die Elektronen strahlungsfrei umlaufen. Jeder dieser "Quantenbahnen\ entspricht eine bestimmte Energie En. 2. Die Bahn mit dem kleinsten Radius ist die des normalen Atoms. Um das Elektron auf eine auere Bahn zu bringen, mu ihm Energie zugefuhrt werden. Nach einer mittleren Zeit von 10;8s "springt\ das Elektron spontan wieder auf eine energetisch tiefere Bahn. Dabei entsteht Strahlung mit einer ganz bestimmten Frequenz , die folgendermaen mit den Energien Ea und Ee von Anfangs- und Endzustand zusammenhangt: h = Ea ; Ee (81) Dabei ist h wieder das Plancksche Wirkungsquantum. 3. Auf den stabilen ("erlaubten\) Bahnen ist der Bahndrehimpuls ~r ~p ein ganzzahliges Vielfaches der Konstanten h% = 2h . Fur als kreisformig angenommene Bahnen heit das: rmv = nh% (82) Diese Postulate stellte Bohr mit viel Intuition zur Beschreibung der empirisch gefundenen Gestzmaigkeiten auf. Ihre theoretische Begrundung wurde erst viel spater durch die Quantentheorie gegeben. Allerdings erwiesen sie sehr schnell ihre ungeheure Fruchtbarkeit. Folgerung: Die empirisch gefundenen Terme konnen als Energieniveaus gedeutet werden (s. Abb. 30, linke Seite): Tn ; Tm (80) = nm (81) = Ehn ; Ehm (83) Die Energiedierenz zwischen dem niedrigsten Niveau und der Seriengrenze erweist sich als die Ionisationsenergie des Atoms, als die Energie also, die dem Elektron zugefuhrt werden mu, um es ganz vom Kern zu losen. 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 96 Im Versuch von Franck und Hertz wurde die Existenz diskreter Energieniveaus experimentell nachgewiesen. 14.5 Zur Theorie des Wasserstoatoms Aus dem 3. Bohrschen Postulat (82) ergibt sich bei als kreisformig angenommenen Bahnen der folgende Zusammenhang zwischen Bahnradius und Geschwindigkeit des Elektrons: mrv = nh% =) rv = nmh% (84) Da das Elektron durch die Coulombkraft auf der Kreisbahn gehalten wird, ergibt sich zusatzlich der folgende Zusammenhang: mv2 = 1 e2 r 4"0 r2 (85) Aus diesen beiden Gleichungen ergeben sich die beiden Unbekannten r und v: (85) : (84) : (84)2 : (85) : 1 e2 1 v = 4" %n 0 h h% 2 n2 r = 4"0 me 2 (86) (87) Fur den Grundzustand (n = 1) ergibt sich aus (87) fur den Radius (Aufgabe!): rB = 0:529' A (Bohrscher Radius) (88) Die gute U bereinstimmung dieses Wertes mit experimentell gefundenen Atomabstanden war eine wesentliche Bestatigung des Bohrschen Modells! Zu der Coulomb-Kraft gehort die folgende potentielle Energie: 1 e2 : Epot = ; 4" 0 r (89) Das negative Vorzeichen bedeutet darin, da das Elektron an den Kern gebunden ist, man ihm also Energie zufuhren mu, um es vom Kern zu losen. 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 97 Damit ergibt sich fur die Gesamtenergie des Elektrons: Eges = = (86)(87) = = =) Eges = Epot + Ekin 1 e2 + m v2 ; 4" 2 0 r 2 2 4 me e ; 4" 4"h% 2 n12 + (4"1 )2 m2 h%e 2 n12 0 0 4 1 me 1 2 (4"0)2h% 2 n2 me4 1 8"20h2 n2 (90) (91) Damit hat sich gezeigt, da die Laundizes im Termschema (80) mit den Bohrschen Quantenzahlen in (82) ubereinstimmen! Vergleich zwischen (83) und (91) ermoglicht es nun, die Rydberg-Konstante durch andere atomare Konstanten auszudrucken: 4 R1 = 8m"2ehe 3 0 (92) in guter U bereinstimmung mit den empirischen Daten. 14.6 Verallgemeinerungen Die im letzten Abschnitt dargestellte Theorie berucksichtigt nicht, da der Kern nicht unendlich schwer ist und dadurch ebenfalls aufgrund der elektrischen Wechselwirkung auf einer (wegen der viel groeren Masse sehr kleineren) Kreisbahn (um den gemeinsamen Schwerpunkt) umlauft. Die korrekte Theorie erfordert den U bergang vom Ein-Korper-Problem zum Zwei-Korper-Problem. Die korrekte Theorie ergibt, da die Konstante in der Termdarstellung (91) lauten mu (mK : Masse des Kerns): R= m ee4 = R1 1 + mmKe 8"20h3 1 + mmKe (93) Tatsachlich ergibt sich erst mit dieser Korrektur eine perfekte U bereinstimmung zwischen Theorie und Experiment. Wasserstoahnliche Ionen, die wie das Wasserstoatom nur ein Elektron in der Hulle besitzen, aber einen Kern mit der Kernladungszahl Z , haben ganz ahnliche Spektren wie der atomare Wassersto. 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 98 Aufgabe: Wiederholen Sie obige Theorie mit einem Kern, dessen Kernladungszahl Z ist, und zeigen Sie, da es im Spektrum des He+-Ions eine Serie mit der Serienformel c = 4R 1 ; 1 (Fowler-Serie) 32 m2 geben mu. Dabei ist die endliche Masse des Kerns wieder vernachlassigt. (94) Losung: Da die Ladung des Kerns Ze ist, mu in den Gleichungen (84) und (89) der Zahler e2 durch Ze2 ersetzt werden. Dieser Ausdruck wird in (90) quadriert, soda aus (91) wird: 2 4 e 1 Eges = mZ 2 8" h2 n2 0 In die Serienformeln (80) mu also statt R1 Z 2 R1 = 4R1 eingesetzt werden. Die Fowler-Serie des He+ -Ions entsteht dann aus der Paschen-Serie des Wasserstoatoms. Aufgabe: Zeigen Sie, da bei wasserstoahnlichen Ionen fur die Grenzwellenlange der Serie mit den kurzsten Wellenlangen gilt: gr = RZc 2 (95) und da diese Wellenlange bereits bei Z = 20 im Bereich der Rontgenstrahlen liegt. Losung: Die kurzwellige Grenze ergibt sich durch Einsetzen von m = 1 in die Serienformeln (80) und durch Ersetzen von R durch Z 2 R (siehe letzte Aufgabe). Fur die Serie mit der kurzesten Wellenlange (n = 1) ergibt sich also: gr = c = Z c2R gr Fur Z = 20 ergibt sich daraus eine Grenzwellenlange von gr gr 2:5 A und damit die Wellenlange weicher Rontgenstrahlen. Tatsachlich entsteht Rontgenstrahlung auf ganz ahnliche Weise wie das Spektrum des Wasserstos: Durch Beschu mit energiereichen Elektronen wird ein Elektron aus dem innersten Teil der Atomhulle (K-Serie: aus der innersten Schale) geschlagen. Diese "Lucke\ wird durch andere Hullenelektronen aus den aueren Teilen der Hulle wieder "aufgefullt\. Diese Elektronen bewegen sich im wesentlichen im elektrischen Feld des Kerns, dessen Ladung nur durch das zweite Elektron auf der innersten Schalte "abgeschirmt\ ist. 14 11. FEBRUAR 1999: ATOMBAU UND SPEKTRALLINIEN 99 Die Atomspektren hohere Elemente setzen sich aus mehreren sich gegenseitig uber- lappenden Serien zusammen (Abb. 14.6. Dementsprechend besteht das zugehorige Energieniveauschema aus mehreren Serien (Abb. 14.6). Das macht die Auswertung wesentlich komplizierter" das Prinzip bleibt aber erhalten. Allerdings ndet man nicht alle Linien, die sich aus dem so entstehenden Termschema mit Hilfe des Ritzschen Kombinationsprinzips gewinnen lassen. Schematische Darstellung des Kaliumspektrums und seine Auosung in vier uberlagerte Serien (2], S. 80) Termschema des Kaliumatoms mit den den verschiedenen Spektralserien entsprechenden U bergangen (2], S. 83) 15 18. FEBRUAR 1999: KLAUSUR 2 15 18. Februar 1999: Klausur 2 100