Buchbesprechung ........ 3 e besser die physiologischen Grundlagen und funktionalen Prinzipien des Gehirns erforscht werden, desto weiter reichen die Möglichkeiten zum technischen Eingriff. Cochlea-Implantate für Hörgeschädigte und Psychopharmaka für Depressive sind erst der Anfang. Neuroprothesen und Neuropharmaka sind zukunftsträchtige Anwendungen der Hirnforschung. Doch was zunächst therapeutischen Zwecken dient, kann auch bei Gesunden Leistung und Lust steigern. Was sind die Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft? Lässt sich gutes Leben auf „gute Bewusstseinszustände“ reduzieren? Welche Zugangsmöglichkeiten sind gerecht? Wo beginnt der Missbrauch? Renommierte Wissenschaftler diskutieren diese Themen auf dem 11. Symposium turmdersinne. Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen. Einen Einstieg in die philosophische Diskussion gibt Thomas Metzinger am Freitag, 10. Oktober. Der prominente Neurophilosoph (s. Interview S. 4) zeigt, wie der rasante Erkenntnisfortschritt der Neuro- und Kognitionswissenschaften das Selbstbild des Menschen verändert. Metzingers Forderung: eine neue „Bewusstseinsethik“. Am Samstag, 11. Oktober, stellt Peter Tass vom Forschungszentrum Jülich den von ihm mitentwickelten Hirnschrittmacher vor, der sich bereits bei Parkinsonund Epilepsiepatienten bewährt hat. Weitere Vorträge erläutern die neurotechnischen Eingriffsmöglichkeiten von heute und morgen. Metzinger „Eine neue Bewusstseinsethik“ Interview mit dem Neurophilosophen Prof. Dr. Thomas Metzinger ..................... 4 Rundgang durch den turmdersinne Teil 22: Die Pausenberger-Rinne .... 3 Rosenzweig J NeuroNews .................. 2 2/2008 Paul turmdersinne turmdersinne intern ........................... 2 turmdersinne Neues vom turmdersinne Keine Behandlung, sondern eine „Verbesserung“ gesunder Körperfunktionen verspricht das so genannte „Enhancement“, beispielsweise durch Präparate, die das Gedächtnis verbessern, das Leben verlängern oder Gefühle verändern. Über Chancen und Gefahren spricht am Sonntag, 12. Oktober, der Düsseldorfer Philosoph Bernward Gesang. Den abschließenden Höhepunkt bildet eine Podiumsdiskussion, moderiert von Rüdiger Vaas, Redakteur bei Bild der Wissen- schaft und Sachbuchautor (s. dazu S. 3). Das Symposium turmdersinne 2008 findet vom 10. bis 12. Oktober, wie gewohnt, im Aufseß-Saal des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg statt. Teilnahmegebühr € 98, ermäßigt € 74. Förderer des turmdersinne zahlen nur die Hälfte. Frühbucherrabatt bei Anmeldung bis zum 31. Juli. Programm und Anmeldung unter Tel. 0911 94432-81, Fax: -69 oder www.turmdersinne.de. Liebe Leserinnen und Leser, das diesjährige Symposium und die Wanderausstellung sind Schwerpunktthemen dieser Ausgabe. Anmeldungen zum Symposium sind ab sofort online oder per Anmeldeabschnitt auf dem Programmflugblatt möglich. Sichern Sie sich rechtzeitig Ihre Plätze! Im vergangenen Jahr konnten wir leider nicht alle Interessenten unterbringen – der Saal war restlos ausverkauft. Markus Elsholz arbeitet unterdessen am Aufbau der Wanderausstellung, die ab Oktober 2008 einsatzfähig und dann auch buchbar sein wird. Sollten Sie auf der Suche nach einem attraktiven Programmpunkt für ein geplantes Event sein, freuen wir uns über Anruf oder E-Mail von Ihnen. Informationen sind ab Herbst unter www.turmdersinne.de > Wanderausstellung verfügbar. Über die Tagung „Der neue Humanismus“ vom 21.– 22. Juni auf der Nürnberger Burg werden wir im nächsten SinnesOrgan berichten. Aktuelles finden Sie unter www.welthumanistentag.de. Eine neue Sonderausstellung über das faszinierende Phänomen der „Inselbegabungen“ (s. S. 2) lohnt einen Besuch im Museum turmdersinne – schauen Sie mal wieder vorbei! Rainer Rosenzweig Helmut Fink und Inge Hüsgen SinnesOrgan 2/2008 1 Anzeige Zauber, Geist und Inselbegabung Patrick Spät (Hrsg.) Zur Zukunft der Philosophie des Geistes turmdersinne intern V on September 2007 bis Mai 2008 verblüffte Zauberprofi Werner Fleischer sein Publikum im turmdersinne mit Täuschungskunst und Wortwitz. Nicht anders erging es dem 3sat-Reporter Gregor Steinbrenner, der im November für das Magazin „vivo“ beim Zauberworkshop dabei war. Philosophische Fragen standen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Gesprächsreihe „Geist im Turm“, zu der der Physiker Helmut Fink, im turmdersinne zuständig für Philosophie und Erkenntnistheorie, jeweils einen renommierten Vertreter 2008. 320 S., kart., EUR 34,80 ISBN 978-3-89785-611-0 Ricarda Schubotz (Hrsg.) Other Minds Die Gedanken und Gefühle Anderer Ames-Raum erfreut sich großer Beliebtheit D as begehbare Exponat „Ames-Raum“ liefert einen verblüffenden Wahrnehmungseindruck. Zwei in etwa gleich große Menschen verwandeln sich in dem scheinbar „normalen“ Raum in einen Riesen und einen Zwerg. Der AmesRaum und andere Exponate der Wanderausstellung bereicherten dieses Jahr bereits mehrere Edutainment-Shows zum Thema „Wahrnehmung“ für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche. Nach einem Auftritt beim „Ti- turmdersinne Das Verhältnis zwischen ‚Körper' und ‚Geist' stellt sowohl für die Philosophie als auch für die Naturwissenschaften ein fundamentales Rätsel dar. Trotz der Vielzahl empirischer Befunde und philosophischer Überlegungen scheint ein Rosettastein gegenwärtig außer Sichtweite. Dieser Band bietet dem Leser zweierlei: Zum einen eine Bestandsaufnahme des gegenwärtigen Forschungsstandes, zum anderen einen Ausblick in die zukünftige Entwicklung dieser Forschungen. Die Beiträger: A. Beckermann, D. Cohnitz, M. Esfeld, F. Hofmann, W. Lenzen, K. Mainzer, T. Metzinger, A. Newen, W. Prinz, T. Schlicht, P. Spät, K. Vogeley und S. Walter. aus Philosophie, Naturwissenschaft oder Didaktik zum Gespräch lud. Nach einer Sommerpause beginnt die neue Staffel von „Geist im Turm“ im November, Täuschungskünstler Werner Fleischer wird am Mittwoch, 3. 9. 2008 um 19 Uhr den nächsten Zauberworkshop anbieten. Die Termine finden dann bis Frühjahr 2009 jeweils wieder monatlich statt. Weitere Informationen finden Sie ab September unter www.turmdersinne.de. Derzeit ist im turmdersinne eine neue Sonderausstellung zu sehen: „Auf deinem Teller sind zwei Erbsen mehr“ – die Welt der Inselbegabten. Die Ausstellung zeigt die Welt der so genannten „Inselbegabten“: Menschen, die trotz ausgeprägter kognitiver Behinderungen in der Lage sind, in einem Teilbereich des Denkens außergewöhnliche Leistungen zu vollbringen. Diese können beispielsweise zu jedem beliebigen Datum den Wochentag spontan nennen, andere erkennen auf einen Blick die Anzahl der Erbsen auf ihrem Teller. Die Sonderausstellung bietet erstaunliche Informationen über dieses faszinierende Phänomen und ist noch bis zum 14. September im turmdersinne zu sehen. Näheres unter www.turmdersinne.de. Susanne Uschalt gerenten Club“ des Südwestrundfunks am 26. Januar 2008 widmete der Kinderkanal in Zusammenarbeit mit dem turmdersinne eine komplette Sendung dem Thema „optische Täuschungen“ (KiKa.Live, 11. März 2008). Und sogar die „klügsten Kinder im Norden“ werden in der gleichnamigen NDR-Sendung, moderiert von Frank Plasberg, dem Geheimnis des Ames-Raums auf die Spur kommen (Sendetermin steht noch nicht fest). Die überarbeitete Wanderausstellung wird ab Oktober 2008 einsatzbereit sein. Markus Elsholz Kontakt: [email protected] Frank Plasberg (links) und Markus Elsholz (rechts) im AmesRaum nach der Aufzeichnung der NDR-TV-Sendung „Die klügsten Kinder im Norden“. 2008. ca. 200 S., kart., EUR 29,80 ISBN 978-3-89785-614-11 Was wissen wir schon voneinander? Nicht viel, und doch genug, um damit das tägliche Miteinander irgendwie zu bestreiten. Wir schreiben uns dabei selbst und anderen immer wieder mentale Zustände zu Meinungen, Wünsche, Hoffnungen und anderes mehr - und versuchen damit, Handlungen und Entscheidungen zu erklären, zu rechtfertigen oder vorherzusagen. Dieser Band geht der Frage nach, wie es möglich ist, dass wir andere verstehen, dass wir von ihren inneren Zuständen wissen. Paderborn| www.mentis.de 2 SinnesOrgan 2/2008 Wozu Symmetrie gut ist S ymmetrische Gesichter werden von beiden Geschlechtern bei Männern als besonders männlich, bei Frauen als besonders weiblich empfunden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschergruppe um Anthony Little von der Universität in Stirling. Die Forscher zeigten ihren Probanden die Gesichter von Europäern, Afrikanern und Mitglie- NeuroNews dern eines Sammlervolkes, und von Makaken. In allen Fällen handelte es sich um computergenerierte Durchschnittsbilder, die sich durch verschiedene Grade an Symmetrie auszeichneten. Aufgabe der Versuchspersonen war es, jedes Gesicht als männlich oder weiblich zu erkennen. Dabei machten sie umso seltener Fehler, je symmetri- scher das Gesicht war. In einem zweiten Teil des Versuchs zeigte sich, dass die Probanden die symmetrischen Männergesichter jeweils als besonders maskulin einschätzten. Gleiches galt für die Frauengesichter: Je stärker die Symmetrie, desto femininer erschienen sie den Versuchspersonen. Diese Tendenz ließ sich auch bei den Affengesichtern beobachten. PLoS ONE, Bd. 5, S. e2106 Anzeige Er-Leben und Be-Greifen Forum für Utopie & turmdersinne Pausenberger-Rinne Z u den Höhepunkten der neu entstehenden Wanderausstellung zählt die Pausenberger-Rinne im altbekannten Ames-Raum. In dieser Konstruktion scheinen Kugeln mit zunehmender Geschwindigkeit bergauf zu rollen. Entwickelt wurde das Exponat von Rudolf Pausenberger und Schülern aus den Jahrgangsstufen 8 und 9 des Christoph-JacobTreu-Gymnasiums in Lauf, Nürnberger Land. Als Physiklehrer und Gründungsmitglied des turmdersinne initiierte er das Projekt im Rahmen der u. a. vom Bayerischen Kultusministerium geförderten Kooperation „Schule@Museum“. Das kuriose Zimmer von Adelbert Ames jr. erscheint bekanntlich aus einer bestimmten Perspektive ganz „normal“, also rechtwinklig, ist aber in Wahrheit völlig verzerrt. Boden und Decke laufen schräg aufeinander zu. Eine Ecke der Rückwand ist zurückgesetzt, sodass es innen, anders als gewohnt, lauter schiefe Winkel gibt. Menschen und Objekte, die sich im AmesRaum bewegen, scheinen daher Rüdiger Vaas: Schöne neue Neuro-Welt. Die Zukunft des Gehirns ihre Größe zu verändern. Als Rudolf Pausenberger bei der Ersteinrichtung des Museums turmdersinne im Jahre 2003 den begehbaren Ames-Raum entworfen hatte, entwickelte er die Idee eines Systems von Rinnen, in dem eine Kugel wie von Geisterhand beschleunigt nach oben zu rollen scheint, und zwar gleichzeitig nach links (in der oberen Rinne) und nach rechts (in der unteren Rinne). Da er im Rahmen von „Schule@Museum“ www.alibri.de Grundriss eines rationalen Weltbildes Inge Hüsgen Kontakt Wanderausstellung: Markus Elsholz, Tel. 0911 9443281, [email protected]. Buchbesprechung Eingriffe, Erklärungen und Ethik Hirzel, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7776-1538-7, € 19,80 R Schüler des Christoph-JacobTreu-Gymnasiums in Lauf, Nürnberger Land, bei der Konstruktion der Rinne im Ames-RaumModell. mit Neuntklässlern ein Modell des Ames-Raums nach Plänen des turmdersinne für den Korridor in ihrem Schulhaus nachbaute, konnten sie dieses Rinnen-System erstmals verwirklichen. In (unverzerrten) schiefen Räumen sind Täuschungsphänomene wie das scheinbare Aufwärtsrollen von Bällen schon länger bekannt. Aufgrund des konstanten Winkels zwischen scheinbarer und tatsächlicher Waagrechte weicht dort die tatsächliche Beschleunigung überall im Raum in gleicher Weise von der Erwartung ab. Anders bei der Pausenberger-Rinne. Weil der AmesRaum nicht nur gekippt, sondern auch noch verzerrt ist, werden die Kugeln mal in die eine, mal in die andere Richtung beschleunigt. Im Internet findet sich ein Video der rollenden Bälle unter www.turmdersinne.de/dl/pausenberger-rinne.mpg. Im begehbaren Ames-Raum der ab Oktober 2008 buchbaren Wanderausstellung wird die Pausenberger-Rinne als fester Bestandteil installiert sein. Alibri Skepsis Ein Rundgang durch das Erlebnis-Museum turmdersinne üdiger Vaas ist Podiumsmoderator des diesjährigen Symposiums turmdersinne. Sein aktuelles Buch ist zum Einlesen in den Themenkreis „Neurotechnik und Neuroethik“ bestens geeignet. Es ist kein neurowissenschaftliches oder philosophisches Fachbuch, sondern ein gründlich recherchierter Überblick für den interessierten Laien. Gegliedert in die Abschnitte Aufgeputschte/ Ergänzte/Technisierte/Mitfühlende/Gefährdete und Entzauberte Gehirne wird eine Vielzahl von Experimenten und Eingriffsmöglichkeiten vorgestellt, von Pharmakologie über GehirnComputer-Schnittstellen bis zu Chirurgie und Gentechnik, immer bezogen auf Chancen und Risiken für die Lebenswelt von morgen. Tabellen, Grafiken und die Literaturliste ergänzen den Text sinnvoll. Der Autor ist gelernter Biologe, Philosoph und Germanist und als langjähriger Redakteur bei Bild der Wissenschaft ein routinierter Vermittler wissenschaftlicher Inhalte. Im Buch gelingen ihm anschauliche Schilderungen mit Zitaten einzelner Forscher, problembewusste Differenzierungen ohne technikfeindliche Untertöne, journalistische Ausblicke mit treffsicheren Zuspitzungen. Es ist gut lesbar, facettenreich und anregend. Am Ende bleiben mehr Fragen als Antworten, was aber bei diesem Thema durchaus erwünscht ist. Denn die Zukunft ist – zum Glück – offen. Helmut Fink www.denkladen.de SinnesOrgan 2/2008 3 In den 90-er Jahren schien die Philosophie in Deutschland von den aktuellen Entwicklungen in den Neurowissenschaften weitgehend abgekoppelt und gegenüber den angelsächsischen Ländern im Rückstand zu sein. Ist dieser Rückstand jetzt aufgeholt? Das muss man sehr differenziert betrachten. Die gute Nachricht ist, dass mittlerweile viele der besten jungen Philosophen und Philosophinnen die Zeichen der Zeit erkannt haben und interdisziplinär zu arbeiten beginnen. Wenn man sich die vielen ganz jungen Leute anschaut, die zum Beispiel durch die European Platform for Mind Sciences bei der Volkswagenstiftung oder durch die Barbara-Wengeler-Stiftung in München gefördert werden, oder die bei Prof. Albert Newen in Bochum und im Umfeld der von mir geleiteten MIND Group am Frankfurt Institute for Advanced Study arbeiten, dann ist das alles sehr positiv und hat mittlerweile fast den Charakter einer kleinen sozialen Bewegung angenommen. Natürlich gibt es immer noch diejenigen, die von anti-naturalistischen Ressentiments getrieben sind und fest auf den traditionellen Disziplingrenzen beharren, die immer weiter einfach nur historisch arbeiten wollen oder die Interdisziplinarität jetzt sogar aus Karrieregründen vortäuschen. Es hat sich aber viel zum Guten verändert und jahrelan- „Eine neue Bewusstseinsethik“ Interview mit dem Neurophilosophen Prof. Dr. Thomas Metzinger ge Bemühungen beginnen jetzt, Früchte zu tragen. Allerdings mache ich mir auch Sorgen, dass viele der neurowissenschaftlich informierten jungen Philosophen das Land früher oder später verlassen werden. Erstens, weil Professuren in Deutschland mit der neuen Besoldungsordnung und unter den verschärften Bedingungen einfach nicht mehr so attraktiv sind, und zweitens weil es sein könnte, dass sich das deutsche System einfach als zu starr und unflexibel erweist, um überhaupt rechtzeitig neue Karrierepfade zu öffnen. Sie fordern eine neue „Bewusstseinsethik“. Menschliches Bewusstsein war aber schon immer Adressat und Gegenstand philosophischer Ethik. Was ist das Neue daran? Das stimmt so nicht. In der klassischen Ethik ging es um die Frage: Was ist eine gute Handlung? Was macht sie zu einer guten Handlung? Ob das unbedingt die Handlungsfolgen sind – also etwa bestimmte Bewusstseinszustände – das war immer strittig. Ich denke, dass es heute in manchen Zusammenhängen – und nur in manchen, etwa dem der Neurotechnologie, z. B. des „Cognitive Enhancement“ – auch wichtig sein kann, ganz direkt zu fragen: Was ist eigentlich ein guter Bewusstseinszustand? Ganz neu ist selten etwas in der Philosophiegeschichte. Was sich aber vielleicht bald dramatisch verändern wird, sind unser wissenschaftlich-philosophisches Verständnis des Bewusstseins und unsere Handlungsmöglichkeiten: Wir werden es wesentlich genauer und effektiver kontrollieren können. Viele Philosophen sehen zwischen den materiellen Vorgängen im Gehirn und den qualitativen Aspekten des Ich-Erlebens eine Erklärungslücke, die aus kategorialen Gründen niemals überbrückt werden kann. Stimmen Sie diesem „Ignorabimus“ zu? Die Erklärungslücke ist ein echtes philosophisches Problem, keine Frage. Kategorien, Zuschreibungskriterien, Beschreibungs- und Begriffssysteme sind allerdings selbst geschichtliche Entitäten: Sie verändern sich. Sie sind nicht immun gegen Bedeutungsverschiebungen. Philosophische Fragestellungen sind nichts Starres, sie entwickeln sich zusammen mit empirischen Erkenntnissen weiter – und manchmal verschwinden sie auch ganz von selbst. Eine interessante Frage ist natürlich, wer eigentlich ein Interesse daran haben könnte, dass wir bestimmte Dinge – angeblich – niemals wissen werden. Wenn man die funktionalen Prinzipien des Gehirns immer besser versteht, kann man es eines Tages vielleicht nachbauen. Welche Fähigkeiten müsste ein technisches System mindestens haben, damit Sie es als Träger von Rechten anerkennen würden? Es müsste leidensfähig sein. Alles was leidensfähig ist, ist ein Gegenstand moralischer Überlegungen und sollte ein Recht auf Rücksichtnahme besitzen. Ei- Wir danken den Partnerunternehmen des turmdersinne: www.icon added value.com Wie Sie mit Ihrem Unternehmen Partner des turmdersinne werden können und davon profitieren, erfahren Sie auf den turmdersinneWebseiten unter „Museum – Partner&Sponsoren“ (www.turmdersinne.de/partner.html). 4 SinnesOrgan 2/2008 Metzinger T homas Metzinger, Einführungsreferent beim Symposium turmdersinne 2008, ist Professor für Philosophie, Leiter des Arbeitsbereichs Theoretische Philosophie am Philosophischen Seminar und Leiter des Arbeitsbereichs Neurophilosophie am Interdisziplinären Forschungszentrum für Neurowissenschaften IFZN der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. www.sontowski.de www.graf-kittsteiner.de alexander paulgrafik www.cobax.de www.tergau.com www.alex-grafik.de ne höhere Stufe wäre ein künstliches System, das den Begriff eines „rationalen Individuums“ besitzt und diesen sowohl auf sich selbst als auch auf uns Menschen erfolgreich anwendet. Wenn es die mentale Architektur besitzt, um sich selbst und andere Agenten als vernünftige Subjekte anzuerkennen, wenn es sich selbst aus freien Stücken moralische Pflichten aufzuerlegen beginnt, dann könnten wir es durchaus unsererseits als Person anerkennen. Wenn Personen ihr inneres Selbstmodell durch äußere Eingriffe umgestalten können, braucht man Kriterien für die Identität der Person. Heute gilt z. B. ein alkoholisierter Täter als vermindert schuldfähig. Er bleibt aber für sein zeitweises Verlassen des nüchternen Zustands verantwortlich. Wer haftet in Zukunft, wenn dauerhafte Veränderungen der Persönlichkeit technisch machbar werden? Ich denke, wir haben – wenn wir ehrlich sind – heute und in ganz normalen Fällen schon keine wirklich scharfen und überzeugenden Kriterien für die Identität der Person. Philosophisch gesehen sind die meisten unserer Intuitionen über Schuldfähigkeit jetzt schon nicht besonders überzeugend. Und wer haftet eigentlich in der Gegenwart für die dauerhaften Persönlichkeitsveränderungen durch das Privatfernsehen und die Werbeindustrie? Fragen: Helmut Fink Impressum Redaktion: Inge Hüsgen; Barbara Rosenzweig, Rainer Rosenzweig; Layout: Alexander Paul; Herausgeber: turmdersinne gGmbH, Spittlertorgraben 45, 90429 Nürnberg, www.turmdersinne.de, [email protected], Tel.: 0911 94432-81, Fax: -69; Spendenkonto: 1681291, BLZ 76050101, Sparkasse Nürnberg. Gesellschafter der turmdersinne gGmbH: Humanistischer Verband Deutschlands HVD-Nürnberg, www.hvd-nuernberg.de.