Programmheft-Download - Chor des Bayerischen Rundfunks

Werbung
Chor des Bayerischen Rundfunks
Konzertsaison 2016/2017
Abonnementkonzert 1
Sa 15|10|16
Prinzregententheater
20.00 Uhr
Krieg und
Frieden
Chormusik von Clément Janequin,
Tomás Luis de Victoria, Howard Arman,
Veljo Tormis, Gabriel Jackson und
Arnold Schönberg
Schlagzeugensemble aus dem
Münchner Rundfunkorchester
Chor des Bayerischen Rundfunks
mit Solisten
Howard Arman leitung
Konzerteinführung
19.00 Uhr im Gartensaal
mit Howard Arman
Moderation: Judith Kaufmann
BR-KLASSIK
Das Konzert wird im Hörfunk live und in Surround
übertragen. Audio-Livestream auf br-klassik.de.
PausenZeichen: Matthias Keller im Gespräch mit
Howard Arman
Den Konzertmitschnitt online abrufen
auf br-klassik.de/concert | br-chor.de
Audio-on-demand eine Woche ab Sendetermin
Video-on-demand ab So., 30. Oktober verfügbar
Clément Janequin
»La guerre«
(»La bataille de Marignan«)
Chanson in zwei Teilen
für gemischten Chor
in einer von Philippe Verdelot auf
fünf Stimmen erweiterten Version
Tomás Luis de Victoria
»Missa pro victoria«
für zwei gemischte Chöre
I. Kyrie
II. Gloria
III. Credo
IV. Sanctus
V. Benedictus
VI.Agnus Dei
Howard Arman
»La bataille de Marignan«
für Soli, zwei Chöre und Schlagzeugquartett
in zwei Teilen
Priska Eser, Masako Goda, Sonja Philippin,
Monika Stockmeier | Sopran-Soli
Michael Mantaj, Werner Rollenmüller,
Wolfgang Klose | Bass-Soli
Andreas Moser, Alexander Fickel,
Christian Obermaier, Ulf Breuer | Schlagzeug
PAUSE
2
br-chor.de
Veljo Tormis
»Raua needmine« – »Curse Upon Iron«
für Soli, gemischten Chor und
Schamanentrommel
Andrew Lepri Meyer | Tenor
Matthias Ettmayr | Bass
Andreas Moser | Schamanentrommel
Gabriel Jackson
»The Armed Man«
für gemischten Chor
Arnold Schönberg
»Friede auf Erden«
für gemischten Chor, op. 13
3
br-chor.de
Schlüssel zum Rolls-Royce
Der neue Künstlerische Leiter des BR-Chores Howard Arman im Gespräch
über Vielseitigkeit, Saisonplanung und Brexit
Die Fragen stellte Alexander Heinzel
Herzlich willkommen, Herr Arman, zum
ersten offiziellen Abonnementkonzert
beim BR-Chor. Kennengelernt haben
wir Sie ja bereits in ganz unterschiedlichen Konzertformaten. Sie dirigieren,
moderieren, arrangieren und komponieren – nun schreitet auch in der Musikwelt die Spezialisierung voran, aber
bei einem Rundfunkchor müssen alle
Beteiligten in möglichst allen Musikrichtungen und Gattungen stilsicher
sein. Wie gehen Sie damit um?
Gleich ob ich arrangiere, komponiere,
ob ich alte oder zeitgenössische Musik
aufführe – es gibt Aspekte, die immer
gleich bleiben: die Arbeit am Ensembleklang, der Anspruch, Musik gültig,
verständlich, stilsicher und auch packend zu gestalten, und die Frage, wie
ich mich als Interpret meinem Publikum öffne.
Die Abokonzerte Ihrer ersten Saison in
München haben Sie in eine übergreifende Dramaturgie eingeordnet, was
war Ihre Idee?
Auch wenn auf dem Plakat fürs erste
Abonnementkonzert »Krieg und Frieden« steht, beschäftigen wir uns doch
mit Letzterem, dem Frieden. Gerade
weil wir in einer Zeit leben, in der alle
zu wissen scheinen: Krieg, Töten,
Aggression, Terrorismus sind schlecht,
4
br-chor.de
gilt es, uns mit unseren eigenen Gefühlen ständig zu konfrontieren und
sie in Frage zu stellen. Wo sind meine
Toleranzgrenzen, welche Vorurteile
habe ich? In dem abstrakten Blick auf
die Welt, wie sie uns die Kunst ermöglicht, können wir vielleicht besser
erkennen, was böse ist und was gut,
und wie beides auch in uns selbst ist.
Das passiert wohl eher im Konzertsaal als vor einer Nachrichtensendung,
wo ja sehr distanziert über ein Geschehen und über Dritte berichtet
wird. Darauf ziele ich hin, sich durch
die Beschäftigung mit Musik selbst
zu erkennen, zu öffnen und nicht bei
Bekanntem zu verharren, sondern
sich dem Fremden, das meist gar nicht
Das gedruckte Programmheft, erhältlich am
Konzertabend im Prinzregententheater, enthält das
ausführliche Interview mit Howard Arman.
»Theatre of Sound«
Aus dem Vorwort der Notenausgabe von Howard Armans
»La bataille de Marignan«
Die Schlacht bei Marignano fand am 13. und 14. September 1515 statt. Dabei
standen sich die französische Armee unter Franz I. von Frankreich und die Truppen der schweizerischen Eidgenossenschaft gegenüber, die um das Herzogtum
Mailand kämpften. Ort der Auseinandersetzung war der nördlichste Punkt von
Marignano, dem heutigen Melegnano, etwa 16 Kilometer südöstlich von Mailand. König Franz I. hatte ein Heer um sich geschart, mit dem er gemeinsam mit
den verbündeten Republiken Venedig und Genua, die Mailänder besiegen wollte.
Dem Herzog von Mailand wurde die Unterstützung vom König von Spanien
und dem Papst sowie von den Schweizer Kantonen zugesichert, die zahlreiche
Söldner zur Verfügung stellten. Mittels einer hohen Geldsumme versuchten
die Franzosen ihre Gegner zu bestechen, um ein Nachgeben zu erreichen. Die
Schweizer rüsteten sich indes zum Kampf und vergrößerten ihr Söldnerheer
auf etwa 25.000 Männer. In einem grausamen Kampf griffen die Franzosen die
Eidgenossen mit schwerem Kanonenfeuer und im Nahkampf mit Hakenbüchsen und Schwertern an. Insgesamt 28 Stunden lang dauerte die Schlacht, in der
über 10.000 Menschen ihr Leben ließen. (…)
Meine Hauptüberlegung im zweiten Teil meiner Komposition bestand darin,
ein räumliches »theatre of sound« entstehen zu lassen. Dem Chor auf der Bühne habe ich außergewöhnliche lautmalerische Silben zugewiesen, mit denen
Janequin den Klang des Krieges illustriert – wie etwa das Kanonenfeuer oder
den Zusammenprall der Waffen –, während die Solisten im Raum verteilt Kriegsrufe rezitieren.
H. A.
Franz I. auf dem Schlachtfeld
von Marignano. Gemälde von
Alexandre-Évariste Fragonard
(1836)
11
br-chor.de
Clément Janequin
* um 1485 in Châtellerault
† Anfang 1558 in Paris
»La guerre«
Originalfassung: Chanson für vierstimmigen Chor (SATB)
Erstdruck: Chansons de maistre Clement
Janequin Nouvellement et correctement
imprimeez, erschienen in Paris bei Pierre
Attaingnant, Stimmbücher, um 1529
Fünfstimmige Fassung: Die von Philippe
Verdelot (?1480/85–?1527/32) um eine
zweite Tenorstimme erweiterte Fassung
(SATTB) ist 1545 im Sammeldruck Le dixiesme livre contenant la Bataille a quatre
de Clement Iannequin bei Tielman Susato
in Antwerpen erschienen.
Tomás Luis de Victoria
* 1548 in oder bei Ávila
† 27. August 1611 in Madrid
»Missa pro victoria«
für einen fünfstimmigen (SSATB), einen
vierstimmigen Chor (SATB) und Basso
continuo
Entstehungszeit: nicht bekannt
Erstdruck: Thomae Ludovici de Victoria
Abulensis … Missæ, Magnificat, Motecta,
Psalmi, & alia quam plurima, Quaæ partim
Octonis, alia Nonis, alia Duodenis vocibus
concinuntur, erschienen in Madrid bei
Joannes Flandre, Stimmbücher, 1600
(siehe auch Abb. auf Seite 15)
12
br-chor.de
Florian Heurich
Krieg und Sieg
Von Janequins La guerre zu Victorias Missa pro victoria
Es mag verwundern, dass Tomás Luis de Victoria für seine im Jahr 1600 veröffentlichte Missa pro victoria als musikalische Vorlage ausgerechnet Clément
Janequins Chanson La guerre wählte. Der profane und unterhaltsame Gesang
als Grundlage für die Liturgie? Der Lärm des Schlachtfeldes in der Kirche? In der
Renaissance war es gängige Praxis, Messen über bereits existierende weltliche
Vokalstücke zu komponieren. Die so genannte Parodiemesse war eine weit verbreitete Gattung im 16. Jahrhundert, wobei Parodie aber nicht im Sinne von
Humor oder komischer Verzerrung verstanden werden darf, sondern als Imitation und Weiterverarbeitung bereits existierenden Materials. Dies konnte eine
geistliche Motette sein, eine Chanson als deren weltliches Pendant oder ein
sonstiges Stück der Vokalpolyphonie aus Mittelalter oder Renaissance.
Mit seinen rund 250 Chansons ist Clément Janequin einer der führenden Vertreter dieser Gattung. Ursprünglich war die Chanson kein Konzertstück im eigentlichen Sinn, sondern vor allem ein Stück, das zum Amüsement im privaten
Kreis gesungen wurde. Der Gesang war Unterhaltung und Spaß. Daraus erklärt
sich auch die oftmals schwere Verständlichkeit des Textes, weil man mit den
Worten und deren Klang spielte und weniger auf die semantische Bedeutung
achtete. Genauso wurde mit den Gesetzmäßigkeiten der Polyphonie gespielt,
mit den Melodielinien, die sich quasi umranken und Worte und Laute in einen
großen, vielfältigen Gesamtklang einbetten. Die Chanson war also eine Form
der Hausmusik, wobei das Vergnügen bei der Darbietung sowie eine gewisse
geistige Herausforderung beim Gesang der komplexen, ineinander verwobenen musikalischen Linien im Vordergrund standen.
Clément Janequin wurde vermutlich 1485 in Châtellerault in der heutigen Region Poitou-Charentes geboren, und sein Leben spielte sich zum Großteil in der
französischen Provinz ab: in Bordeaux, Angers und Chartres. Erst für seine letzten Lebensjahre ließ er sich in Paris nieder, wo er 1558 starb. La guerre ist eine
von Janequins bekanntesten Chansons und eines der frühen Beispiele einer
»Schlachtenmusik«, die vor allem später im Barock sehr populär werden sollte.
Die Chanson erzählt von der historischen Schlacht bei Marignano, in der die
Franzosen unter König Franz I. aus dem Hause Valois 1515 gegen die schweizerischen Eidgenossen um die Herrschaft über das Herzogtum Mailand kämpften
und schließlich den Sieg davontrugen. Ob Janequin seine Chanson noch im Jahr
der Schlacht schrieb oder erst kurz vor der Herausgabe einer Chansonsamm-
13
br-chor.de
lung im Jahr 1529 ist unklar, er glorifiziert jedoch in diesem vierstimmigen Stück
den Sieg der Franzosen und ihres Anführers. Der erste Teil handelt von den Vorbereitungen zur Schlacht, der zweite Teil führt dann unmittelbar ins Kampfgetümmel. Janequin zeichnet lautmalerisch die verschiedenen Geräusche des
Gefechts nach, indem die einzelnen Stimmen Laute und Silben intonieren, die
Schwerthiebe, Lanzenstiche, Trompetensignale und Schlachtrufe höchst plastisch imitieren. Genau darin zeigt sich der spielerische Charakter dieser Chanson, die zwar mit einem Siegeshymnus auf die Worte »Victoire au noble roy
Françoys« endet, die aber dennoch weniger eine offizielle Huldigung ist, sondern vielmehr ein intimes Vergnügen für ein erlesenes privates Umfeld.
Schon durch den Titel seiner Missa pro victoria verweist Tomás Luis de Victoria
auf seine Vorlage, und in gewisser Weise hört man durch diese »Siegesmesse«
auch den Schlachtenlärm von Janequins Chanson hindurch. Victoria schrieb
kein einziges säkulares Werk, sondern ausschließlich liturgische Musik, und mit
ihrer weltlichen Vorlage nimmt die Missa pro victoria eine Sonderstellung in
seinem Schaffen ein. Von seinen 20 Messkompositionen gehören zwar 15 Werke
der Gattung der Parodiemesse an, dabei ist jedoch La guerre der einzige weltliche Vokalsatz, den er verarbeitet. Allen anderen liegen Motetten, Antiphonen
und Psalmen, zum Teil aus seiner eigenen Feder, zum Teil von den von ihm verehrten Komponisten Palestrina, Cristóbal de Morales oder Francisco Guerrero
zu Grunde.
Tomás Luis de Victoria wurde um 1548 in der Nähe von Ávila in Kastilien geboren, der Stadt, in der fast zeitgleich auch die beiden Geistlichen und Mystiker
Santa Teresa und San Juan de la Cruz lebten. Schon früh prägten Religion und
Kirche Victorias Leben. Er war Chorknabe an der Kathedrale von Ávila, ging später nach Rom, um sich an einem Jesuitenkolleg auf eine geistliche Laufbahn
vorzubereiten, und empfing schließlich die Priesterweihe. Um 1586 kehrte er
nach Spanien zurück, wurde zum persönlichen Kaplan der Kaiserinwitwe Maria
von Spanien, die sich in das Monasterio de las Descalzas Reales in Madrid zurückgezogen hatte. Bis zu Victorias Tod im Jahr 1611 spielte sich sein Leben und
Schaffen im Umfeld dieses Klosters ab, wo er eine privilegierte Stellung innehatte. Dadurch musste er kaum den lästigen Pflichten eines Kirchenmusikers
nachgehen und konnte sich ganz aufs Komponieren konzentrieren. Im Vergleich
zu anderen Komponisten der Renaissance blieb Victorias Œuvre zwar relativ
übersichtlich, in der polyphonen Musik des »siglo de oro«, des Goldenen Zeitalters in Spanien, nimmt er aber eine führende Stellung ein.
Die Missa pro victoria ist Victorias einziges Werk für neun Stimmen, die auf
zwei Chöre verteilt sind, und stellt damit auch in ihrer Satztechnik eine Besonderheit dar. Ob sie in Reminiszenz an den spanischen Sieg in der Seeschlacht
14
br-chor.de
Titelblatt des StimmbuchDrucks von Victorias
Missa pro victoria aus
dem Jahr 1600
von Lepanto im Jahr 1571 geschrieben wurde, bleibt Spekulation, fest steht lediglich das Publikationsjahr 1600. Die musikalischen Themen, die Victoria aus
Janequins Chanson übernimmt, werden meist in reduzierter Form und Intensität verarbeitet, um den Ansprüchen einer Messe gerecht zu werden. Dennoch
behält selbst dieses liturgische Werk einen sehr diesseitigen Charakter. Im Kyrie
etwa verwendet Victoria das melodische Material der einleitenden Verse aus
Janequins Chanson, im Gloria hört man deutlich die Motive der Trompetensignale aus La guerre, und im Credo klingt der Schlachtenlärm an, den Janequin so
plastisch illustriert hatte. Daneben findet sich in der Messe auch an vielen Stellen
neu komponiertes Material, dennoch wird die Missa pro victoria durch die Parodie einer der raffiniertesten Chansons der Renaissance zu einem höchst vitalen
Werk voller Energie und zu einer der vielleicht weltlichsten Kompositionen eines
Musikers, der sich doch voll und ganz der Kirchenmusik verschrieben hatte.
15
br-chor.de
Veljo Tormis
* 7. August 1930 in Kuusalu (Estland)
»Raua needmine« – »Curse Upon Iron«
für Soli, gemischten Chor und Schamanentrommel
Entstehungszeit: 1972, überarbeitete
Fassung von 1991
Uraufführung: 6. Mai 1973 in Tartu
(Estland) mit dem Tallinn Chamber Choir
unter der Leitung von Arvo Ratassepp
Gabriel Jackson
* 1962 auf den Bermudainseln
(Großbritannien)
»The Armed Man«
für gemischten Chor
Entstehungszeit: 2000
Uraufführung: 31. Mai 2000 in der
Londoner Wigmore Hall mit The Clerks’
Group unter der Leitung von Edward
Wickham
16
br-chor.de
Judith Kaufmann
»Den Mann in Waffen muss man fürchten«
Veljo Tormis und Gabriel Jackson stellen uralte Wahrheiten ins Zentrum
ihrer Chorwerke
»Hurjuh sinda, rauda raiska! Rauda raiska, rähka kurja!« Wie ein Zauberspruch
beschwören diese Verse einen starken Fluch: Er gilt dem Eisen, das in Raua needmine (engl.: Curse Upon Iron, dt.: Fluch auf Eisen) von Veljo Tormis als Symbol für
den todbringenden Krieg steht. Die Zeilen stammen aus dem finnischen National-Epos Kalevala, dessen neunter Gesang in archaischen Bildern einen Entstehungsmythos des Metalls erzählt. Geschaffen aus der Milch feuriger Himmelswesen schlummert es zunächst kraft- und machtlos in den urzeitlichen Sümpfen.
Erst in den Schmieden der Menschen wird sein Vermögen zum Bösen geweckt.
Einmal entfesselt, bleibt nur noch das verzweifelte Flehen zum allmächtigen
Schöpfergott, die Vernichtung der Menschheit zu verhindern. Der estnische
Literaturwissenschaftler, Übersetzer und Lyriker August Annist hat für das Chorwerk Ausschnitte des Kalevala adaptiert und mit Versen zeitgenössischer einheimischer Dichter verwoben. 1972 inmitten des Kalten Krieges entstanden,
stellt das Stück vor allem den Terror moderner Kriegsführung an den Pranger.
Veljo Tormis, der 1930 nahe der estnischen Hauptstadt Tallinn geboren wurde,
knüpft mit seinem umfangreichen Vokalwerk an die lebendige Chortradition
seiner Heimat an. Das Medium des Singens half ihm während langer Jahrzehnte sowjetischer Besatzung, die eigene Sprache, Kultur und Identität zu wahren
und zu stärken. Seine Musik wurzelt im jahrtausendealten Erbe mündlich überlieferter Volksmusik und Volksdichtung, das Estland mit dem gesamten ostsee-finnischen Sprachraum teilt. Neben Texten und Melodien, die Tormis in
seine Werke integriert, sind es vor allem die Strukturen der estnischen Volksmusik, die seinen Stil prägen. Die sprachliche Gestaltung orientiert sich am
Vorbild der Kalevala-Verse mit ihren charakteristischen Alliterationen und Parallelismen sowie dem eindringlichen Versmaß des trochäischen Vierhebers (in
den oben zitierten, äußerst suggestiven Versen gut zu beobachten!). Typisch
für die alte estnische Gesangstradition des »regilaul« sind außerdem einfache
melodische Modelle und eine spezielle Wiederholungstechnik, bei der sich der
Ruf eines Vorsängers und die leicht variierte Antwort eines Chores um einige
Silben überschneiden. Auf diese Weise entsteht ein ununterbrochenes Fließen
von Strophe und Musik.
Raua needmine für gemischten Chor und zwei Solisten (Tenor, Bass) ist das am
häufigsten aufgeführte Werk von Veljo Tormis. Seine Popularität verdankt es
vermutlich zu gleichen Teilen seiner unmittelbaren sinnlichen Wirkung und
17
br-chor.de
Das Gemälde des Finnen
Akseli Gallen-Kallela
(1865–1931) zeigt eine
Schlüsselszene aus dem
Finnischen Nationalepos
Kalevala, in der ein
heilsbringender Sampo
geschmiedet wird. Die
Szene gehört dem Ersten
Väinämöinen-Zyklus an,
dem auch die Verse aus
Tormis’ Curse Upon Iron
entnommen wurden.
18
br-chor.de
Eine mit Runen geschmückte Schamanentrommel mit Schlegel aus dem
skandinavischen Raum. Nachbildung
eines auf 1691 datierten Originals.
seiner international verständlichen Botschaft. Als einziges Instrument ist eine
Schamanentrommel besetzt, die mit ihrem gleichmäßigen Pulsschlag dem Geschehen eine rituelle Note und der Musik ungeheure Energie gibt. Die oben
beschriebenen Merkmale – intensive Sprachgesten, schlichte »regilaul«-Melodien, überlappender Wechselgesang – und ein magisches Pianissimo prägen
die Komposition über weite Strecken. Ganz allmählich jedoch verlässt das Stück
den engen melodischen und dynamischen Rahmen. Beinahe unmerklich verschmilzt der archaische Stil mit avantgardistischen Chortechniken, mit Clustern, Glissandi von Vokalen, impulsivem Sprechen. Neben dezidierten Regieanweisungen (etwa: sinisterly = unheimlich, screeching = kreischend) verlangt
die Partitur von den Interpreten stilisierte Bewegungen, die ein Gebet oder
militärisches Gehabe andeuten. Selbst wenn eine Aufführung auf diese halbszenischen Gebärden verzichten sollte: Das markerschütternde, sirenenartige
Geheul ist nicht zu überhören. Mit der atemlosen Aufzählung moderner Waffenarsenale schwillt die Lautstärke auf ein Maximum, bis die panische Angst
vor der nuklearen Bedrohung in einem Schrei des gesamten Chores zerbirst.
Schlagartig kehrt die Musik zur Haltung des Anfangs zurück. Der Schlussteil
scheint anzudeuten, dass wir Menschen nur dann mit dem Eisen koexistieren
können, wenn wir uns der Ursprünge bewusst werden und lernen, das zu kontrollieren, was wir selbst erschaffen haben. In diesem Sinne gebraucht Tormis
das »regilaul« nicht nur, um alte Traditionen am Leben zu erhalten; er nutzt die
Weisheit seiner Vorfahren, um einem politischen Appell in der Gegenwart Nachdruck und Gültigkeit zu verleihen.
19
br-chor.de
Gabriel Jackson, 1962 geboren und mittlerweile einer der führenden britischen
Komponisten der Gegenwart, hat ein Vokalwerk aus dem Jahr 2000 mit dem
Titel The Armed Man (Der Mann in Waffen) überschrieben. In der französischen
Form L’homme armé war dieser Titel ein geflügeltes Wort des ausgehenden Mittelalters – im 15. Jahrhundert trug sogar eine Kneipe in Cambrai diesen Namen!
Eingeführt wurde der Begriff in einer Chanson, deren Ursprünge im Dunkeln
liegen. Dass das Lied noch heute bekannt ist, verdanken wir einer großen Zahl
lateinischer Messen, die dessen Tonfolge als Cantus firmus dem mehrstimmigen Satz zugrunde legen. Zu Beginn der Renaissance scheint es geradezu eine
Mode gewesen zu sein, sich auf L’homme armé zu beziehen, mit neuen Bearbeitungen auf die Versionen der Vorgänger anzuspielen und diese zu übertrumpfen.
Die einfache Weise mit ihrem schwungvollen Dreiermetrum, der eingängigen
Melodie und der klaren Gliederung war offenbar außerordentlich populär und
seinerzeit in aller Munde. Ob der Text der Chanson als Soldatenlied im Hundertjährigen Krieg oder als Reflex auf die Bedrohung Europas durch das Osmanische Reich entstanden war, ob er als Ruf zu den Waffen oder im Gegenteil als
Antikriegslied zu verstehen ist, spielte in der Komponistenszene damals wohl
kaum eine Rolle.
Wenn Künstler heute die L’homme
armé-Tradition aufgreifen, geht es
ihnen allerdings nicht nur um die pfiffige Melodie. In aller Regel nehmen
sie bewusst auf die – leider zeitlos
gültige – Thematik des mittelalterlichen Liedes Bezug. So auch Gabriel
Jackson, der in The Armed Man den
französischen Versen das englische Gedicht How long, O Lord? gegenüberstellt. Robert Palmer beklagt darin die
Titelseite einer Buchausgabe mit dem
raren Porträt des im Ersten Weltkrieg
gefallenen englischen Dichters Robert
Palmer (1889–1916), dessen Poem
How long, O Lord zu den Textvorlagen
von Gabriel Jacksons Komposition
The Armed Man zählt.
20
br-chor.de
Grausamkeiten des Ersten Weltkrieges. Dem Dichter war keine lange Karriere
beschieden: 1916 starb er nach einer Verwundung auf dem Schlachtfeld mit
nur 27 Jahren in einem türkischen Lager.
Kurz und prägnant eröffnet die Chanson in ihrer einstimmigen Originalgestalt
Jacksons Werk. Auch im folgenden mehrstimmigen Satz ist L’homme armé als
Cantus firmus stets gegenwärtig. Zunächst sind die französischen Worte freilich kaum wahrnehmbar, da die Töne der Melodie auf die sechsfache Länge
gedehnt werden. Sie verteilen sich auf die tiefen Stimmen, die gemeinsam ein
ruhiges Fundament bilden. Schwebend über diesem verlässlichen Grund entfaltet die Sopranstimme ein ungebundenes, improvisiert wirkendes Eigenleben;
reich ornamentiert und in subtile rhythmische Gestalten gekleidet trägt sie die
englischen Verse vor. Auf den alten dorischen Modus des L’homme armé-Liedes aufbauend entwickelt Jackson in diesem ersten Abschnitt mit teils scharfen
Dissonanzen eine herbe, zeitgenössische Tonalität. Deutlich abgesetzt steht der
Mittelteil in einem warmen, mit farbigen Klängen angereicherten Dur. Wie in
der Chanson die ersten Phrasen am Ende wiederholt werden (A–B–A), so kehrt
The Armed Man zur dorischen Tonart zurück. In diesem dritten und letzten
mehrstimmigen Abschnitt hat der Cantus firmus sein ursprüngliches Tempo
zurückgewonnen und tritt wieder unverhüllt in Erscheinung.
Dreier-Takt, modale Tonart, archaische Stimmkopplungen, alte Cantus-firmusTechniken, strenge Vierstimmigkeit, eine ursprünglich solistisch gedachte Besetzung: Anklänge an frühe Mehrstimmigkeit sind in der Komposition von Gabriel
Jackson unverkennbar. Wie die Gattung der mittelalterlichen Motette zeichnet
sich das Werk aber vor allem durch seine Vielschichtigkeit aus – durch die
gleichzeitige Präsenz verschiedener Texte, Sprachen und Zeitalter, durch das
Zusammentreffen eines markanten Metrums mit aperiodischen Rhythmen,
durch die Mischung mittelalterlicher Tonsprache mit moderner Klanglichkeit.
Es mag Zufall sein, dass mehrere Werke des heutigen Programmes in einen intensiven und lebendigen Dialog mit Texten und Musik früherer Epochen treten. Vielleicht ist es aber auch ein Ausdruck dafür, wie sehr gerade das Thema
»Krieg und Frieden« die Menschen als existenzielle Erfahrung über die Jahrhunderte hinweg verbindet.
21
br-chor.de
Wolfgang Stähr
»Diese unseligen Menschen«
Arnold Schönbergs Chorsatz Friede auf Erden setzt den Schlusspunkt des
heutigen Programms und bildet den Rahmen der BR-Chor-Abonnementkonzerte 2016/17
Nicht immer verlangt der Weitblick prophetische Gaben. Mitunter steht das
Unheil direkt vor der Haustür, es schleicht sich in den Alltag ein, und vorzugsweise lauert es im Idyll. Die Sommerfrische des Jahres 1921 wollte Arnold
Schönberg in Mattsee verbringen, im Kreise seiner Lieben. Aber daraus wurde
nichts. Ein Gemeindebeschluss verwehrte Juden den Aufenthalt im Salzburgischen Ferienparadies, der unwillkommene Gast sollte deshalb Dokumente beibringen und zweifelsfrei nachweisen, dass er kein Jude sei. Schönberg zog es
vor, sein Urlaubsdomizil nach Traunkirchen zu verlegen. »Es war zum Schluß
sehr häßlich in Mattsee«, berichtete er auf einer Postkarte. »Die Leute dort haben mich scheinbar so verachtet, wie wenn sie meine Noten kannten. Gesche-
Arnold Schönberg
* 13. September 1874 in Wien
† 13. Juli 1951 in Los Angeles
»Friede auf Erden«
Entstehungszeit: 1906/07
Uraufführung: 9. Dezember 1911 im
Großen Musikvereinssaal in Wien mit
dem Philharmonischen Chor,
dem Männerchor des Wiener Lehrergesangvereins und dem Wiener
Tonkünstler-Orchester unter der
Leitung von Franz Schreker
22
br-chor.de
hen ist sonst nichts.« Sein Schüler Anton Webern antwortete ihm mit heiligem
Zorn: »Das ist unselig! Du in der Arbeit gestört, zu großen Auslagen gezwungen, zu Aufregungen veranlaßt. Diese unseligen Menschen, wenn sie wüßten,
was sie tun.«
Leider ist zu befürchten, dass sie genau wussten, was sie taten, diese unseligen
Menschen. Und bald schon bildeten sie die Mehrheit, »das Volk« – in Mattsee,
in der heimgeholten »Ostmark«, im ganzen Deutschen Reich. Der Prophet sah
klar und nüchtern voraus, dass er in seinem Vaterland nicht nur aus künstlerischen Gründen angefeindet würde: »Wozu aber soll der Antisemitismus führen, wenn nicht zu Gewalttaten? Ist es so schwer, sich das vorzustellen?«, fragte
Arnold Schönberg bereits 1923, zehn Jahre, bevor er ohne Zögern den Weg ins
Exil wählte und in die Vereinigten Staaten emigrierte. »The Enigma of Modern
Music Arrives«, lautete die Schlagzeile nach Schönbergs Ankunft in New York.
Noch vor der Abreise mit dem Schiff nach Amerika vollzog Schönberg in Paris
den Wiedereintritt in die jüdische Religionsgemeinschaft, eine Heimkehr im
Angesicht des Exils. 1898 war er in Wien aus der Israelitischen Kultusgemeinde
ausgetreten und hatte sich in der Lutherischen Stadtkirche taufen lassen. Seine
»Rückkehr zur jüdischen Religion« aber geschah nicht über Nacht, sie bahnte
sich über Jahre an, begleitet (doch nicht begründet) von antisemitischen Schikanen und Ausgrenzungen, namentlich 1925 nach seiner Berufung an die Preußische Akademie der Künste in Berlin. »Ausgerechnet jetzt, da die deutsche
Musik sich langsam zu erholen beginnt, wagt man diesem Mann die höchste
staatliche Approbation für seine Irrlehren zu geben«, ereiferte sich damals der
Musikkritiker Alfred Heuß. »Das bedeutet eine Herausforderung, das ist auf
eine Kraftprobe zwischen Deutschtum und – nun heißt es ebenfalls offen zu
werden – spezifisch jüdischem Musikgeist abgesehen.«
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, das von Rassen- und Klassenideologien, Vernichtungskriegen und totalitärer Herrschaft gezeichnet wurde wie keines je
zuvor, hatte Arnold Schönberg – ausgerechnet – die pathetisch frommen Verse
des Schweizer Dichters Conrad Ferdinand Meyer vertont. Und mit ihnen die
Botschaft der Heiligen Nacht: Friede auf Erden. Doch blieb sie ungehört, in jeder
Hinsicht des Wortes, politisch wie einstweilen auch musikalisch. Die enormen
technischen Ansprüche der für gemischten Chor a cappella bestimmten Komposition wirkten einschüchternd, ja abschreckend auf die Zeitgenossen. Am
9. März 1907 hatte Schönberg das Werk vollendet, aber nachdem der traditionsreiche Wiener Singverein bereits vor Probenbeginn kapituliert und die Einstudierung der intonatorisch heiklen und vielstimmig verzweigten Partitur aufgegeben hatte, gingen Jahre ins Land, bis endlich in Wien die Uraufführung gewagt
und gemeistert wurde.
23
br-chor.de
Conrad Ferdinand Meyer (1825–1898),
der Dichter des von Schönberg vertonten
hymnischen Poems Friede auf Erden
Von dem Ideal des unbegleiteten Gesangs wollte Schönberg ursprünglich nicht
abweichen, allenfalls die Mitwirkung einer Orgel mochte er den verunsicherten
Sängern zubilligen. Als jedoch Franz Schreker für ein Konzert des von ihm gegründeten Philharmonischen Chores das nach wie vor ungesungene und ungedruckte Stück auswählte, kam ihm Schönberg entgegen und notierte eine Orchesterbegleitung ad libitum: als Kompromiss und kollegiales Zugeständnis,
wie er nachdrücklich betonte, und nur als Sicherheitsnetz für die gefährdeten
Choristen. Schönberg sprach längst schon mit einer wehmütigen Resignation
von seinem Werk, das er »eine Illusion für gemischten Chor« nannte, »eine Illusion, wie ich heute weiß, der ich 1906 (?), als ich sie komponierte, diese reine
Harmonie unter Menschen für denkbar hielt, und mehr als das: ohne dauerndes Beharren auf geforderter Höhe des Tones nicht geglaubt hätte, existieren
zu können. Seither habe ich nachgeben lernen müssen und gelernt, daß Friede
auf Erden nur möglich ist unter schärfster Bewachung der Harmonie, mit einem Wort: nicht ohne Begleitung. Wenn je einmal die Menschen dahin gelangen, Friede ohne Probe, vom Blatt zu singen, dann wird erst jeder Einzelne vor
der Versuchung: zu sinken gesichert sein müssen!«
Diese doppelbödigen, bitter-ironischen Worte, niedergeschrieben zwischen den
Weltkriegen, verraten das überaus skeptische Menschenbild des Komponisten,
seine berechtigten Zweifel an der Friedensfähigkeit der Völker und der versöh-
24
br-chor.de
nenden Kraft der Künste. »Wenn es vielleicht richtig ist«, bemerkte Schönberg,
»daß man religiös sein muß, wenn man Kirchenmusik schreibt, verliebt wenn
man Liebeslieder [...] schreiben will, so muß man doch gewiß nicht verwundet
sein um einen Verwundeten oder sterbend um einen Sterbenden zu schildern.
Und so wäre es gewiß möglich eine Friedenshymne zu komponieren, ohne daß
man an einen ewigen Frieden glaubt.«
Friede auf Erden – zwischen diesen unseligen Menschen? Ist das alles nur eine
Illusion? Mit dieser offenen Frage endet der heutige Abend. Aber wie im ersten
so wird auch im letzten Abonnementkonzert mit dem Chor des Bayerischen
Rundfunks Schönbergs Opus 13 auf dem Programm stehen: als Frage- oder als
Hoffnungszeichen?
Urs Graf d. Ä. (1485–1528), schweizerischer Goldschmied, Glasmaler, Kupferstecher und
Zeichner für den Holzschnitt, schuf 1521 die Federzeichnung Schrecken des Krieges.
25
br-chor.de
Clément Janequin
»La guerre«
Howard Arman
»La bataille de Marignan«
I. Teil
Escoutez, tous gentilz Galloys,
la victoire du noble roy Françoys.
Et orrez, si bien escoutez,
des coups ruez de tous costez.
Phifres, soufflez, Frappez.
Tambours tousjours!
Aventuriers, bons compagnons,
ensemble croisez vos bastons.
Bendez soudain, gentils Gascons.
Nobles, sautez dans les arçons,
la lance au poing hardiz et prompts,
comme lyons!
Haquebutiers, faites vos sons!
Armes bouclez, frisques mignons.
Donnez dedans! Frappez dedans!
Alarme, alarme.
Soyez hardiz, en joye mis.
Chacun s’assaisonne,
la fleur de lys,
fleur de hault pris,
y est en personne.
Suyvez Françoys,
le roy Françoys,
suyvez la couronne!
Sonnez trompettes et clarons,
pour resjouyr les compaignons.
26
br-chor.de
Hört, ihr braven Gallier,
vom Sieg des noblen Königs François.
Und wenn ihr gut hört,
so werdet ihr Schüsse von allen Seiten hören.
Querpfeifen, Trommeln,
dreht euch, dreht euch,
Abenteurer, gute Kameraden,
kreuzt eure Stecken.
Spannt schnell die Bögen, liebe
Gascogner,
Edelmänner, springt in die Steigbügel,
die Lanze in der Hand und kühn und
schnell wie Löwen!
Hakenschützen, gebt eure Signale.
Schnallt eure Waffen um, herzige Mignons.
Gebt’s ihnen! Haut rein!
Alarm, Alarm.
Seid mutig und freudig.
Jedermann mache sich bereit,
die Lilie,
die wertvollste Blume,
ist unter uns in Person.
Folgt François,
unserem König François,
folgt der Krone!
Spielt Trompeten und Signalhörner,
um die Kameraden zu ermutigen.
Seite aus dem Tenorstimmbuch des Sammeldrucks von 1545. Die Abbildung zeigt die
neben dem Original-Tenor eingefügte »Quinta pars« (fünfte Stimme), die zu der
ursprünglich vierstimmigen Janequin-Vorlage von Philippe Verdelot hinzukomponiert
wurde.
II. Teil
Fan fre le le,
fan fan feyne,
fa ri ra ri ra,
a l’étendard,
tous avant,
boutez selle,
gens d’armes à cheval,
frere le le fan fan.
Bruyez, tonnez,
bombardes et canons,
tonnez gros couteaux et faulcons,
pour secourir les compaignons.
Von pa ti pa toc,
ta ri ra ri ra ri ra reyne,
pon, pon, pon, pon.
Courage, courage,
donnez des horions.
27
br-chor.de
Fan fre le le,
fan fan feyne,
fa ri ra ri ra,
auf, zur Fahne.
Alle nach vorn,
steigt auf die Pferde,
Kavalleristen,
frere le le fan fan.
Kracht und donnert,
Bombarden und Geschütze,
knallt, große und kleine Kanonen,
um den Kameraden Hilfe zu leisten.
Von pa ti pa toc,
ta ri ra ri ra ri ra reyne,
pon, pon, pon, pon.
Nur Mut, Frankreich.
Schlagt zu.
Chipe, chope, torche, lorgne,
pa ti pa toc,
tric, trac, zin zin.
Tue! à mort; serre,
courage prenez!
Frappez, touez.
Gentils galants, soyez vaillants,
frappez dessus, ruez dessus,
fers émolus, chiques dessus,
alarme, alarme!
Ils sont confus, ils sont perdus,
ils mostrent les tallons.
Escampe toute frelore, la tintelore,
ils sont défait.
Victoire au noble roy Françoys,
escampe toute frelore bigot.
Chipe, chope, torche, lorgne,
pa ti pa toc,
tric, trac, zin zin.
Töte! Schlag tot! Halte durch!
Nur Mut, nehmt,
schlagt, tötet,
wackere Ritter, seid tapfer,
schlagt zu, stürzt euch auf die Feinde,
mit geschliffenen Schwertern
zermalmt sie,
Alarm, Alarm!
Sie sind verwirrt, sie haben verloren,
sie geben das Fersengeld.
Flieht, alles ist verloren,
sie sind besiegt.
Sieg dem noblen König François,
flieht, alles ist verloren, bei Gott.
Unbekannter Textdichter (nach 1515)
Das B R-KLASSI K-Por tal
Wir lieben
Musik ...
29
... und diese
Liebe möchten
wir teilen:
br-klassik.de
br-chor.de
Tomás Luis de Victoria
»Missa pro victoria«
I. Kyrie
Kyrie eleison.
Christe eleison.
Kyrie eleison.
II. Gloria
Gloria in excelsis Deo. Et in terra pax
hominibus bonae voluntatis. Laudamus te, benedicimus te, adoramus
te, glorificamus te. Gratias agimus
tibi propter magnam gloriam tuam.
Domine Deus, Rex caelestis, Deus
Pater omnipotens. Domine Fili unigenite, Jesu Christe, Domine Deus,
Agnus Dei, Filius Patris.
Qui tollis peccata mundi, miserere
nobis, qui tollis peccata mundi, suscipe deprecationem nostram. Qui
sedes ad dextram Patris, miserere
nobis. Quoniam tu solus Sanctus, tu
solus Dominus, tu solus Altissimus,
Jesu Christe. Cum Sancto Spiritu: in
gloria Dei Patris. Amen.
III. Credo
Credo in unum Deum, Patrem omnipotentem, factorem caeli et terrae,
visibilium omnium et invisibilium. Et
in unum Dominum Jesum Christum,
Filium Dei unigenitum, et ex Patre
natum ante omnia saecula. Deum de
Deo, lumen de lumine, Deum verum de
Deo vero, genitum, non factum, consubstantialem Patri: per quem omnia
facta sunt. Qui propter nos homines
et propter nostram salutem descendit
de caelis.
30
br-chor.de
Herr, erbarme dich.
Christus, erbarme dich.
Herr, erbarme dich.
Ehre sei Gott in der Höhe und Friede
auf Erden den Menschen seiner Gnade.
Wir loben dich, wir preisen dich, wir
beten dich an, wir rühmen dich. Wir
danken dir, denn groß ist deine Herrlichkeit. Herr und Gott, König des
Himmels, Gott und Vater, Herrscher
über das All. Herr, eingeborener Sohn,
Jesus Christus. Herr und Gott, Lamm
Gottes, Sohn des Vaters.
Du nimmst hinweg die Sünde der Welt,
erbarme dich unser; du nimmst hinweg die Sünde der Welt, nimm an
unser Gebet. Du sitzest zur Rechten
des Vaters, erbarme dich unser. Denn
du allein bist der Heilige, du allein
der Herr, du allein der Höchste: Jesus
Christus. Mit dem Heiligen Geist, zur
Ehre Gottes, des Vaters. Amen.
Wir glauben an den einen Gott, den
Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die
sichtbare und die unsichtbare Welt.
Und an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn, aus dem
Vater geboren vor aller Zeit: Gott von
Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom
wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen. Für uns
Menschen und zu unserem Heil ist er
vom Himmel gekommen.
Et incarnatus est de Spiritu Sancto ex
Maria Virgine et homo factus est.
Crucifixus etiam pro nobis, sub Pontio
Pilato; passus et sepultus est. Et resurrexit tertia die secundum scripturas. Et ascendit in caelum, sedet ad
dexteram Patris. Et iterum venturus
est cum gloria, judicare vivos et
mortuos, cujus regni non erit finis.
Et in Spriritum Sanctum, Dominum
et vivificantem, qui ex Patre Filioque
procedit. Qui cum Patre et Filio simul
adoratur et conglorificatur: qui
locutus est per prophetas. Et unam,
sanctam, catholicam et apostolicam
ecclesiam. Confiteor unum baptisma
in remissionem peccatorum. Et
expecto resurrectionem mortuorum
et vitam venturi saeculi. Amen.
IV. Sanctus
Sanctus, Sanctus, Sanctus Dominus
Deus Sabaoth. Pleni sunt caeli et
terra gloria tua. Hosanna in excelsis.
V. Benedictus
Benedictus qui venit in nomine
Domini. Hosanna in excelsis.
VI. Agnus Dei
Agnus Dei, qui tollis peccata mundi:
miserere nobis, dona nobis pacem.
31
br-chor.de
Und er hat Fleisch angenommen durch
den Heiligen Geist von der Jungfrau
Maria und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt unter
Pontius Pilatus, hat gelitten und ist
begraben worden. Und er ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift
und aufgefahren in den Himmel. Er
sitzt zur Rechten von Gottvater und
wird wiederkommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.
Und (ich glaube) an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht, der
aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn
angebetet und verherrlicht wird, der
gesprochen hat durch die Propheten,
und die eine, heilige, katholische und
apostolische Kirche. Wir bekennen die
eine Taufe zur Vergebung der Sünden.
Wir erwarten die Auferstehung der
Toten und das Leben der kommenden
Welt. Amen.
Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller
Mächte und Gewalten. Erfüllt sind
Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit. Hosanna in der Höhe.
Hochgelobt sei, der da kommt im
Namen des Herrn. Hosanna in der
Höhe.
Lamm Gottes, du nimmst hinweg die
Sünde der Welt: Erbarme dich unser,
gib uns deinen Frieden.
Veljo Tormis
»Curse Upon Iron« – »Raua needmine«
(In englischer Sprache gesungen)
Ohoi cursed, evil iron!
Ohoi evil, cursed iron,
flesh consuming, bone devouring,
haughtiness so overbearing?
Ohoi, verfluchtes, böses Eisen!
Ohoi, böses, verfluchtes Eisen,
Fleisch verzehrend, Knochen
verschlingend,
vergießt Blut, verschlingst Tugend!
Wie weit geht deine grausame Schlauheit,
dein anmaßender Stolz?
Fie upon you, evil iron,
your beginnings reek of malice.
You have risen from villainy.
Pfui, böses Eisen,
dein Ursprung stinkt nach Bosheit.
Du bist der Niedertracht entwachsen.
From above the earth appeared
fiery maidens in the heavens,
heavily with milk aladen,
spilling milk upon the marshes.
Weit über der Erde erschienen
feurige Jungfern am Himmel,
schwer mit Milch beladen,
vergossen Milch über den Sümpfen.
Black, the liquid from one maiden,
turning into ductile iron.
White milk flowing from the other,
Schwarz, einer Jungfer Saft
ward zu weichem Eisen.
Weiße Milch ergoss sich von der anderen,
aus der harter Stahl erwuchs.
Von der dritten blutroter Saft,
verflucht, der rostiges Erz hervor gebracht.
spilling blood, devouring virtue!
Whither comes your cruel cunning,
tempered steel from this arising.
From the third a crimson liquid,
cursed, rusty ore created.
Ohoi cursed, evil iron!
Ohoi evil, cursed iron!
Then you were not high and mighty,
not so mighty, not so haughty,
when you slumbered in the
swampland
when you suffered in the marshes.
32
br-chor.de
Ohoi, verfluchtes, böses Eisen!
Ohoi, böses, verfluchtes Eisen!
Damals warst du nicht groß und mächtig,
nicht so mächtig, nicht so stolz,
als du schlummertest im Sumpfland,
als du littest in den Marschen.
Fie upon you, evil iron…
Pfui, böses Eisen …
Then a wolf came running hither,
bear arambling over younder.
Footprints stirring in the swampland,
traces from the swamp arising,
giving rise to iron seedlings,
Dann hetzte der Wolf von hier,
der Bär streifte von dort.
Getrampel erschüttert das Sumpfland,
Spuren sich im Sumpfe senken,
lassen die Keimlinge des Eisens wachsen,
im Schatten der Wolfsabdrücke
in den Spuren der Bärentatzen.
in the shadows of the wolf prints,
in the traces of the bear tracks.
Ohoi wretched child of bogland,
born of rust and milk of maidens!
Tell me who made you so angry!
Who set you to evil doings?
Ohoi, armseliges Kind des Moores,
geboren aus Rost und Milch der Jungfrauen!
Sage mir, wer machte dich so wütend!
Wer brachte dich zu bösen Taten?
Death came riding through the marshes,
plague along the wintry byways,
til they found the iron seedlings
resting in the lowly swampland.
Tote kamen reitend durch die Marschen,
Plage entlang eisiger Wege,
bis sie des Eisens Keimlinge fanden,
die in dem flachen Sumpfland ruhten.
Then great death began to utter,
Dann begann der große Tod um sich zu greifen,
tödliche Plage hob an,
im Kiefernwald am Bergeshang,
im Feld hinter dem Dorfe,
weit von den Scheunen der Bauern.
Hier wird das verhängnisvolle Schmieden beginnen!
Hier werde ich einen Schmelzofen errichten,
mit mächtig blasendem Balg versehen.
killer plague began intoning,
in a pinegrove on a hillside,
in a field behind the village,
far beyond the farmer’s granges.
Here will be the fateful forging!
Here a furnace I will fashion,
mighty fanning bellows anchor!
Here I’ll set the iron boiling!
Blast the rusty ore to flaming!
Pound the iron full of fury!
33
br-chor.de
Hier werde ich das Eisen schmelzen!
Den rostigen Stahl in die Flammen werfen!
Das Eisen voller Wut zertrümmern!
Iron quaked and iron quivered,
quaked and quivered, tossed and trembeled,
when he heard the call for fire,
heard the iron’s angry summons.
Das Eisen zittert und das Eisen bebt,
zittert und bebt, wälzt sich und schaudert,
als er den Ruf nach Feuer hörte,
des Eisens wütende Rufe hörte.
Ohoi cursed, evil iron!
Then you were not high and mighty,
Ohoi, verfluchtes, böses Eisen!
Damals warst du nicht groß und mächtig,
nicht so mächtig, nicht so stolz,
Stöhnend in der lodernden Glut,
Jammernd unter Schlägen auf dem Amboss.
not so mighty, not so haughty!
Moaning in the blazing furnace,
whining under beating anvils.
Droned the old man on the oven
groaned the greybeard from the furnace:
Es brummt der alte Mann am Ofen,
es ächzt der Alte vor der Glut:
»Iron stretches out like tallow,
dripping down like oozing spittle,
flowing from the blazing furnace,
seeping from the scalding fire.
»Das Eisen fließt dahin wie Talg,
herabtropfend wie zäher Speichel,
fließend aus der lodernden Glut,
sickernd aus dem heißen Feuer.
Yet the iron, soft and gentle,
must be toughened, must be tempered,
turned into steel defiant.
Doch das Eisen, weich und sanft,
muss gestärkt und muss gehärtet werden,
um zu trotzigem Stahl zu werden.
Get the spittle from a serpent!
Bring the venom from a viper!
Iron would not harbour evil,
if it had no serpent spittle
Nimm den Speichel einer Schlange!
Bring das Gift von einer Viper!
Eisen würde nichts Böses hegen,
wenn es hätte keiner Schlange Speichel,
hätte kein dunkles Viperngift.«
had no murky viper venom.«
Droned the old man on the oven,
groaned the greybeard from the furnace:
Es brummt der alte Mann am Ofen,
es ächzt der Alte vor der Glut:
»Shelter us, supreme creator!
Grant us safety, God almighty.
»Schütze uns, höchster Schöpfer!
Gewähre uns Sicherheit, allmächtiger
Gott,
34
br-chor.de
Changing eras. Modern deities.
Cannons, airplanes, tanks, armed warfare.
So that mankind will not perish,
future children be protected …
New steel and iron,
transformed into precise
evil, powerful killers
armed with automated guiding devices,
armed with nuclear warheads
useless against all defenses.
… from destruction, from extinction,
ever part of God’s creation.«
Wandelnde Zeiten, moderne Götter.
Kanonen, Flugzeuge, Panzer, bewaff nete Kriegsführung.
Auf dass die Menschheit nicht vergehe,
zukünftige Kinder geschützt seien …
Neuer Stahl und Eisen,
verwandelt in präzises
Böses, machtvolle Mörder,
bewaffnet mit automatisch gesteu-
erten Geräten,
bewaffnet mit Atomsprengköpfen
nutzlos gegen jede Verteidigung.
… vor Zerstörung, vor Auslöschung,
ewig Teil von Gottes Schöpfung.«
Knives, spears, axes, halberds, sabres,
slings, tomahawks, boomerangs,
bows and arrows, rocks and clubs,
claws and teeth, sand and salt, dust
and tar, napalm and coal.
Messer, Speere, Äxte, Hellebarden,
Säbel, Schleudern, Tomahawks,
Bumerangs, Pfeile und Bögen, Steine
und Keulen, Zähne und Klauen, Sand
und Salz, Staub und Pech, Napalm und Kohle.
Innovations, far-reaching, technical,
electronical, ultimate,
ready to fly in any direction,
stay undeflected, striking target forcefully.
Neuerungen, weitreichend, technisch,
elektronisch, endgültig,
bereit, in jede Richtung zu fliegen,
sie beizubehalten, das Ziel mit aller Kraft zu treffen.
Annihilate, knocking out of action,
obliterate, render hopelessly
impotent.
Killing, killing with iron, steel!
Vernichten, lahmlegen,
auslöschen, hoffnungslos ohnmächtig machen.
Töten, töten mit Eisen, Stahl!
Killing with iron, steel and iron,
chromium, titanium, uranium,
plutonium and multitudes of elements.
Töten mit Eisen, Stahl und Eisen,
Chrom, Titan, Uran, Plutonium und
Massen von Elementen.
Ohoi cursed, evil iron!
Sword, begetter of all warfare!
Golden guardian of the swamp ore,
steel that’s kith and kin to evil.
Ohoi, verfluchtes, böses Eisen!
Schwert, Vater aller Kriegsführung!
Goldener Wächter des Sumpfrostes,
Stahl, der ganz und gar des Bösen ist.
35
br-chor.de
Fie upon you, evil iron!
You and I are from the same seed,
from the same earth we have sprouted.
Pfui, böses Eisen!
Du und ich sind aus derselben Saat,
aus derselben Erde sind wir ent sprossen.
From the same good soil we harken,
Von demselben guten Boden lauschen wir,
du und ich, wir teilen diesen Planeten,
gemeinsam hier zu leben,
Erde, die uns alle wieder bedecken wird,
Erde, genug für alle, für immer.
you and I, we share this planet,
bound to share the earth together,
earth that will us all recover,
earth enough for all, forever.
August Annist (1899–1972) nach Auszügen aus
der Kalevala, überarbeitet und erweitert von
Paul-Eerik Rummo (*1942)
und Jaan Kaplinski (*1941)
Übertragung ins Englische von Heli Kopti,
Leena Mai Liivet, Ruth Veskimets und Roman Toi
36
br-chor.de
Gabriel Jackson
»The Armed Man«
L’homme armé doibt on doubter.
On a fait partout crier
que chascun se viengne armer
d’un haubregon de fer.
L’homme armé doibt on doubter.
Unbekannter Textdichter (15. Jh.)
How long, O Lord, how long, before the flood
of crimson-welling carnage shall abate?
From sodden plains in West and East, the blood
of kindly men steams up in mists of hate,
polluting Thy clean air: and nations great
in reputation of the arts that bind
the world with hopes of heaven, sink to the state
of brute barbarians, whose ferocious mind
gloats o’er the bloody havoc of their kind,
not knowing love or mercy. Lord, how long
shall Satan in high places lead the
blind
to battle for the passions of the strong?
Oh, touch Thy children’s hearts, that they may know
Hate their most hateful, pride their deadliest foe.
Robert Palmer (1888–1916)
37
br-chor.de
Den Mann in Waffen muss man fürchten.
Überall hat man ausrufen lassen,
dass jeder sich bewaffnen solle
mit einem eisernen Kettenpanzer.
Den Mann in Waffen muss man fürchten.
Wie lange noch, o Herr, wann wird die Flut,
blutrot dem Gemetzel entströmend, verebben?
Aus dem getränkten Land in Ost und West steigt das Blut
braver Männer dampfend empor in Schwaden des Hasses
und verdirbt Deine reine Luft: Und Völker,
so stolz jener Künste, die der Welt
die himmlische Hoffnung geben, werden zu Werkzeugen
brutaler Barbarei, deren böser Sinn
sich weidet am blutigen Chaos ihres Wesens,
ohne Liebe noch Gnade zu erkennen. Herr, wie lange noch
wird Satan von dort oben die Blinden zwingen,
sie um das kranke Streben der Mächtigen kämpfen zu lassen?
Oh berühre die Herzen deiner Kinder, mögen sie erfahren,
wie zu bannen das Hassen, stolz ihrer
tödlichen Feinde.
Arnold Schönberg
»Friede auf Erden«
Da die Hirten ihre Herde
ließen und des Engels Worte
trugen durch die niedre Pforte
zu der Mutter und dem Kind,
fuhr das himmlische Gesind
fort im Sternenraum zu singen,
fuhr der Himmel fort zu klingen:
»Friede, Friede auf der Erde!«
Seit die Engel so geraten,
o wie viele blut’ge Taten
hat der Streit auf wildem Pferde,
der Geharnischte vollbracht!
In wie mancher heil’gen Nacht
sang der Chor der Geister zagend,
dringlich flehend, leis verklagend:
»Friede, Friede auf der Erde!«
Doch es ist ein ew’ger Glaube,
dass der Schwache nicht zum Raube
jeder frechen Mordgebärde
werde fallen allezeit.
Etwas wie Gerechtigkeit
Webt und wirkt in Mord und Grauen
und ein Reich will sich erbauen,
das den Frieden sucht der Erde.
Mählich wird es sich gestalten,
seines heil’gen Amtes walten,
Waffen schmieden ohne Fährde,
Flammenschwerter für das Recht,
und ein königlich Geschlecht
wird erblühn mit starken Söhnen,
dessen helle Tuben dröhnen:
»Friede, Friede auf der Erde!«
Conrad Ferdinand Meyer (1825–1898)
Mittwochs, 22.05 Uhr
Eine Stunde mit dem Chor des
Bayerischen Rundfunks
39
br-chor.de
Chor des Bayerischen Rundfunks
Der Chor des Bayerischen Rundfunks wurde 1946 gegründet und feiert dieses
Jahr sein 70-jähriges Bestehen. Sein künstlerischer Aufschwung verlief in enger
Verbindung mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, deren
beider Chefdirigent seit 2003 Mariss Jansons ist. Daneben wurde Howard Arman
im Sommer 2016 zum Künstlerischen Leiter berufen. Schwerpunkte des Chores
bilden zeitgenössische Vokalmusik sowie die Kooperation mit Originalklangensembles wie Concerto Köln oder der Akademie für Alte Musik Berlin.
Aufgrund seiner besonderen klanglichen Homogenität und der stilistischen Vielseitigkeit, die alle Gebiete des Chorgesangs von der mittelalterlichen Motette
bis zu zeitgenössischen Werken, vom Oratorium bis zur Oper umfasst, genießt
das Ensemble höchstes Ansehen in aller Welt. Gastspiele führten den Chor nach
Japan sowie zu den Festivals in Luzern und Salzburg. Europäische Spitzenorchester, darunter die Berliner Philharmoniker, das Concertgebouworkest Amsterdam
und die Sächsische Staatskapelle Dresden, schätzen die Zusammenarbeit mit
dem BR-Chor. In jüngster Vergangenheit konzertierte der Chor mit Dirigenten wie
Andris Nelsons, Bernard Haitink, Daniel Harding, Yannick Nézet-Séguin, Sir John
Eliot Gardiner, Thomas Hengelbrock, Sir Simon Rattle und Christian Thielemann.
In den Reihen musica viva und Paradisi gloria sowie in den eigenen Abonnementkonzerten profiliert sich der Chor regelmäßig mit Uraufführungen. Für
seine CD-Einspielungen erhielt er zahlreiche hochrangige Preise, darunter den
ECHO Klassik 2014. Im folgenden Jahr wurde dem Chor der Bayerische Staatspreis für Musik zuerkannt.
40
br-chor.de
Howard Arman
Vielseitigkeit gehört zu den wichtigsten musikalischen Anliegen des in London geborenen Dirigenten, Chorleiters
und Komponisten Howard Arman, der
seit Beginn der Saison Künstlerischer
Leiter des BR-Chores ist. So profiliert
er sich in allen Epochen, Genres und
Darbietungsformen der klassischen
Musik: vom historisch informierten Barockkonzert über Chorsymphonik und
Oper bis hin zu Jazzprogrammen und
breitenwirksamen, selbst moderierten
Mitsingkonzerten.
Howard Arman ließ sich am Trinity College of Music in London ausbilden, bevor
er zunächst mit renommierten englischen Ensembles kooperierte und schon
bald seinen Wirkungskreis auf Europa und Israel ausweitete. In Deutschland
arbeitete er mit den Chören des NDR, des SWR, des RIAS Berlin und in Österreich mit dem ORF-Chor zusammen. Längerfristige künstlerische Bindungen ging
er von 1983 bis 2000 beim Salzburger Bach-Chor sowie von 1998 bis 2013 als
Künstlerischer Leiter des MDR Rundfunkchores Leipzig ein. Bereits 1991 trat
Howard Arman erstmals im Wiener Musikverein und 1995 bei der Eröffnung
der Salzburger Festspiele in Erscheinung. Neben seinem internationalen Wirken als Chordirigent leitete er vielbeachtete Produktionen an Opernhäusern in
Deutschland, Österreich, Italien und in der Schweiz. Für die Neuformierung des
Händel-Festspielorchesters anlässlich der Inszenierung von Orlando wurde
Howard Arman 1996 mit dem Händel-Preis geehrt. Von 2011 bis Juli 2016 war er
Musikdirektor des Luzerner Theaters, wo er u. a. Purcells Dido and Aeneas, Mozarts
Le nozze di Figaro und Händels Hercules ebenso wie das Tanztheater Metamorphosen (mit eigenen Kompositionen) und die Uraufführung von Johannes Maria
Stauds Die Antilope leitete.
Seine umfangreiche Diskographie enthält etwa die mit dem ECHO Klassik prämierte Einspielung von Rachmaninows Chorwerk Großes Abend- und Morgenlob.
Beim Chor des Bayerischen Rundfunks war Howard Arman seit 2002 immer
wieder zu Gast und präsentierte u. a. Händels Funeral Anthem for Queen Caroline, Purcells Ode on St Cecilia’s Day 1692, Rossinis Petite messe solennelle beim
Lucerne Festival sowie das Mitsingkonzert cOHRwürmer.
41
br-chor.de
23.10. 20 Uhr Prinzregententheater
H
C
A D E
B A R
P O I
M R EN
B T
T
TELEMANNZELENKA
SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS
DUNCAN WARD Dirigent, MARK PADMORE Tenor, CARSTEN CAREY DUFFIN Horn, L’ACCADEMIA
GIOCOSA – JAN DISMAS ZELENKA »Lamentatio Pro Die Jovis Sancto I« aus »Lamentationes Jeremiae
Prophetae«, ZWV 53; GEORG PHILIPP TELEMANN: »Ach Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn«, Kantate TVWV 7:2; JOHANN SEBASTIAN BACH: »Ich armer Mensch, ich Sündenknecht«, Kantate BWV 55;
BENJAMIN BRITTEN »Sinfonietta«, op. 1; »Serenade« für Tenor, Horn und Streicher, op. 31
42
br-chor.de
Das große Weihnachtskonzert des Bayerischen Rundfunks
Schirmherrschaft: Intendant Ulrich Wilhelm
CHRISTMAS
CLASSICS
Chor des Bayerischen Rundfunks
Münchner Rundfunkorchester
Leitung: Howard Arman
Mi., 30.11. Prinzregententheater | 19.30 Uhr
Sa., 03.12. Herkulessaal der Residenz | 20.00 Uhr
www.christmas-classics.de
Tickets: br-klassikticket.de
Tel. 0800-59 00 594 (gebührenfrei)
BR_161203_AboPlus_A5_v9.indd 1
Die CD zum Konzert.
Ab 04.11. überall im Handel
und im www.br-shop.de
07.10.16 11:52
28
br-chor.de
Werden Sie Mitglied!
Freundeskreis Chor des Bayerischen Rundfunks e.V.
c/o Rechtsanwälte Schoepe Fette Pennartz Reinke
z. Hd. Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. Stefan J. Pennartz
Bavariaring 26, 80336 München
Chor des Bayerischen Rundfunks
Chefdirigent: Mariss Jansons
Künstlerischer Leiter: Howard Arman
Management: Susanne Vongries
Postanschrift: 80300 München
Telefon: (089) 59 00 44 004
Programmhefte des Chores des
Bayerischen Rundfunks
Saison 2016/2017, Heft 1
Impressum
Herausgegeben vom Bayerischen Rundfunk
Programmbereich BR-KLASSIK
Publikationen Chor und Symphonieorchester
des Bayerischen Rundfunks, verantwortlich:
Dr. Renate Ulm
Redaktion: Alexander Heinzel
Graphisches Gesamtkonzept: Klaus Fleckenstein –
Atelier für Graphik- und Photo-Design, Habach
Umsetzung: Antonia Schwarz, München
Druck: alpha-teamDRUCK GmbH, München
Nachdruck nur mit Genehmigung
Das holzfreie Papier zum Umschlag ist FSC-zertifiziert
(Forest Stewardship Council). Das holzfreie Papier
zum Innenteil stammt aus einem nach ISO 14001
Umweltmanagement zertifizierten Herstellungsbetrieb.
43
Tel.: (0 81 52) 39 62 57-1
Fax: (0 81 52) 39 62 57-2
[email protected]
www.freundeskreis-br-chor.de
Textnachweis
Originalbeiträge für dieses Heft: Florian Heurich, Judith
Kaufmann, Wolfgang Stähr; Interview: Alexander Heinzel;
Werkeinführung Arman-Bataille: Auszug aus dem Vorwort
der Chorpartitur, übersetzt von Erdmute Schruhl; Gesangstexte nach den Chorpartituren, Übersetzungen: Wikipedia
(Jackson), Alexander Heinzel (Palmer), Markus Hänsel (Tormis),
übrige: Archiv des Bayerischen Rundfunks; Biographien:
Archiv des Bayerischen Rundfunks.
Bildnachweis
Titelgrafik: Atelier Fleckenstein unter Verwendung eines
Bildmotivs von shutterstock.com; Library of Congress,
Washington (Arbeau); Astrid Ackermann (Arman, BR-Chor);
Wikimedia Commons, lizenziert unter GNU-Lizenz für freie
Dokumentation, Lizenztext siehe Anhang A (Fragonard,
Janequin); www.provictoria.wordpress.com (Victoria); Biblioteca nacional España, Madrid (Titelblatt); www.static.err.ee
(Tormis); Wikimedia Commons / Joel Garthwaite (Jackson);
Wikimedia Commons / The Bridgeman Art Library (GallenKallela); Wikimedia Commons / Museum für Kulturgeschichte, Oslo (Schamanentrommel); Arnold Schönberg
Center (Schönberg); www.zeno.org (Meyer); Wikimedia
Commons / Kunstmuseum Basel, Kupferstichkabinett
(Graf); www.repository.royalholloway.ac.uk (Noten); alle
anderen: Archiv des Bayerischen Rundfunks.
br-chor.de
1. Abo Chor.indd 43
06.10.16 13:42
KAMMERORCHESTER DES SYMPHONIEORCHESTERS | 1. KONZERT
Sonntag, 30. Oktober 2016 | 11.00 Uhr | Prinzregententheater
Wolfgang Amadeus Mozart Klavierkonzert C-Dur, KV 415
Divertimento B-Dur, KV 137 | Divertimento F-Dur, KV 138
Symphonie Nr. 34 C-Dur, KV 338
Alice Sara Ott Klavier | Radoslaw Szulc Künstlerische Leitung
c 36 | 48 | 64 | 72 | zzgl. VVK-Gebühr | Karten auch über MünchenMusik
SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS | 1. ABO D
Donnerstag/Freitag, 10./11. November 2016 | 20.00 Uhr
Herkulessaal der Residenz | Konzerteinführung: 18.45 Uhr
Arnold Schönberg »Kol nidre« | Kammersymphonie Nr. 1
Peter Eötvös »Speaking Drums«
Anton Bruckner »Te Deum«
Julia Kleiter Sopran | Janina Baechle Mezzosopran
Michael Schade Tenor/Sprecher | Tobias Kehrer Bass
Martin Grubinger Schlagzeug | Chor des Bayerischen Rundfunks
Zubin Mehta Leitung
c 18 | 25 | 35 | 49 | 58 | 69 | 82
MUSICA VIVA | 2. ABONNEMENTKONZERT
Freitag, 16. Dezember 2016 | 19.00 Uhr
Herkulessaal der Residenz | Konzerteinführung: 17.45 Uhr
Milica Djordjevi ć »Quicksilver« (UA)
Nikolaus Brass »Der goldene Steig« für Sopran und Orchester (UA)
György Ligeti Violinkonzert
Sarah Maria Sun Sopran | Ilya Gringolts Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks | Peter Rundel Leitung
c 12 | 25 | 38
MUSICA VIVA | LATE NIGHT
Freitag, 16. Dezember 2016 | 22.00 Uhr | Bürgersaalkirche
Guillaume de Machaut Zweistimmige Balladen, Rondeaux, Virelais und Lais
Wolfgang von Schweinitz »Plainsound Study« Nr.1, op. 61a
Philippe de Vitry Musik aus der »Roman de Fauvel«-Handschrift
Chris Newman Symphonie Nr. 10 für Violine und Kontrabass
Helge Slaatto Violine | Frank Reinecke Kontrabass
c 15
Kartenvorverkauf
BRticket, Telefon: 0800 - 59 00 59 4 (national kostenfrei)
München Ticket mit angeschlossenen Vorverkaufsstellen
Schüler- und Studentenkarten zu c 8,– bereits im Vorverkauf
44
br-chor.de
www.br-klassikticket.de
www.muenchenticket.de
Herunterladen