Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zur Machbarkeitsstudie zur Umsetzung der Bundestagsinitiative „Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus in Deutschland verbessern“ Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. Am Köllnischen Park 1 10179 Berlin BUND-Stellungnahme zur Bundestagsinitiative“ Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus“ 2 Der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland bezieht zu der Machbarkeitsstudie zur Umsetzung der Bundestagsinitiative „Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus in Deutschland verbessern“ wie folgt Stellung: 1. Zuerst müssen die gesetzlichen Verpflichtungen zur Umsetzung der WRRL in Maßnahmenprogrammen benannt, mit Kosten beziffert und die Umsetzung vollzogen werden, bevor an eine Förderung der touristischen Infrastruktur an Bundeswasserstraßen gedacht oder gar deren Umsetzung in Angriff genommen werden können. 2. Es müssen durch die WSV in Zusammenarbeit mit den Wasser- und Naturschutzbehörden der Länder umgehend die Belastungswerte für die Gewässer durch die jetzige Nutzung festgestellt, bewertet und dann ebenso umgehend – d.h. in der von der WRRL vorgegebenen Zeitschiene - bereits vorhandene Missstände und Schäden beseitigt werden. 3. Eine Ausweitung des Freizeit- und Charterbootsverkehrs kann von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes nicht als „Ersatz“ für den stagnierenden bzw. zurückgehenden Frachtverkehr auf Bundeswasserstraßen „eingeplant“ werden. 4. Während der Mittelbedarf für die Umsetzung der WRRL als „finanziell und wirtschaftlich nicht darstellbar“ bezeichnet wird, werden gleichzeitig Forderungen aus dem Bereich Touristik erhoben, mit einer Summe von 911 Mio. Euro die „touristische Infrastruktur an Bundeswasserstraßen“ zu verbessern. 5. Das Beispiel, allein für die Sanierung von Sportbootschleusen an der Mosel einen Betrag von 60 Mio. € ausgeben zu wollen, stellt im Falle der Realisierung eine Verhöhnung der Umsetzungsvorgaben zur Umsetzung der WRRL dar. Angesichts der massiven Finanzprobleme bei der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen für den Frachtschiffverkehr und die ungeklärte Finanzierung der gesetzlich vorgegebenen notwendigen ökologischen Maßnahmen zeigt dies die mehrfach schon beklagte und nicht hinnehmbare Unwilligkeit des Bundesverkehrsministeriums auf, die gesetzlich angeordneten ökologischen Verbesserungen, insbesondere die vorgeschriebene Durchgängigkeit, anzugehen und zu finanzieren. Der BUND betrachtet das Ziel der Studie, Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus in Deutschland zu verbessern, mit großer Sorge hinsichtlich der Umweltauswirkungen des Betriebs motorgetriebener Freizeitwasserfahrzeuge und des Wassertourismus generell. Da in dem vorliegenden Papier in keiner Weise auf die negativen Auswirkungen des Betriebs von motorgetriebenen Freizeitbooten und Wassertourismus eingegangen wird, sehen wir es als anerkannter Naturschutzverband als unsere ureigenste Aufgabe an, auf Fehlentwicklungen in der Nutzung von Landschaft und Umwelt hinzuweisen. Bei unserer Bewertung unterscheiden wir dabei sehr wohl die unterschiedlichen Formen des Freizeitbetriebs auf den Gewässern. Vom muskelgetrieben Wasserfahrzeugen (Kanus, Kajaks, Ruderboote) und kleineren Segelbooten, deren Anwendung auch noch die körperliche Fitness fördert, gehen nur relativ geringe Störungen der belebten Umwelt aus. Allerdings kommt es hier gebietsweise, z.B. an der Lahn in Hessen, aufgrund großer Nachfrage zu einer erheblichen Übernutzung mit entsprechenden Folgen für die Natur. BUND-Stellungnahme zur Bundestagsinitiative“ Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus“ 3 Im Gegensatz zu den motorisierten Wasserfahrzeugen kann man jedoch noch von echtem Wassersport sprechen, während mit Verbrennungsmotoren angetriebene Wasserfahrzeuge immer mehr den Charakter schwimmender Wochenendhäuser annehmen und ein enormes Störungspotential und darüber hinaus örtliches und zeitliches Verdrängungspotential für andere Sportarten und Freizeitaktivitäten aufweisen. Motorisierte Freizeitschiffe als Verursacher zahlreicher Umweltprobleme: Sie erzeugen im Betrieb erheblichen Lärm und Abgase. Beim Fahren verursachen sie einen Wellenschlag, teilweise stärker als bei Frachtschiffen, der die Ufer erodiert und Röhrichte schädigt. Häufig werden die insgesamt viel zu großzügig dimensionierten Geschwindigkeitslimits nicht eingehalten. Bei der Kontrolle der zulässigen Schiffsgeschwindigkeiten und Ankerplatzregelungen zeigt sich im Übrigen ein erhebliches Vollzugsdefizit. Die wenigen Wasserschutzpolizisten sind auf den großen Gewässerflächen so gut wie nicht vorhanden. Durch den Betrieb der Bootsmotoren gelangen Treibstoff, Öl und Verbrennungsrückstände ins Wasser. Diese Stoffe schädigen vor allem die Fauna der Gewässer. Der Abbau trägt zur Sauerstoffzehrung bei. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Stoffe auch ins Trinkwasser gelangen. So wird im Großraum Berlin ein erheblicher Teil des Trinkwassers aus Uferfiltrat gewonnen. Nicht zu vergessen ist auch der teilweise enorme Energieverbrauch derartiger Schiffe. Hier sind 20 bis 30 l und mehr pro 100 km keine Seltenheit - aus Umwelt(politischer) Sicht sind derartige Schiffe ein Torheit ersten Ranges. Der von den motorisierten Freizeitbooten erzeugte Sog und Wellenschlag erodiert aber nicht nur die Ufer, sondern schädigt auch das Zooplankton und die Fischbrut. Durch die Schiffsschrauben werden nicht nur Fische, sondern auch größere Säugetiere wie Biber und Fischotter getötet. Nicht exakt zu quantifizieren ist der Störungseffekt, der nicht nur beim Fahren, sondern auch beim Ankern in Ufernähe und stillen Buchten etc. hervorgerufen wird. So werden z.B. im Röhricht brütende Vogelarten durch davor ankernde Motorboote und den sich darauf befindlichen Menschen derart gestört, so dass sie ihre Brut aufgeben. Der Betrieb dieser Fahrzeuge erfordert außerdem eine flächenintensive Infrastruktur an den Ufern, wie Anlegestege, Tankstellen, Entsorgungseinrichtungen und Werften, was zu weiteren Eingriffen in schützenswerte Uferbereiche führt. Am Bodensee beansprucht nach dem „Bodenseebericht“ (IGKB 2004) eine Steganlage durchschnittlich 35-75 m² an Wasserfläche. Je Liegeplatz werden zusätzlich 50-100 m² Bedarf an Landfläche veranschlagt. Wasserstraßen sind aber nicht nur Verkehrswege, sondern, trotz der gewaltigen durch die Einrichtung der Wasserstraßen entstandenen ökologischen Beeinträchtigungen bzw. irreversiblen Schäden immer noch Naturräume von einer hohen Wertigkeit für den Natur- und Artenschutz. Eine Vielzahl seltener und gefährdeter und deshalb geschützter bzw. streng geschützter Arten sind auf diese Gewässer, ihre Ufer und Auen als Lebensraum angewiesen. Zahlreiche Naturschutz- und FFH- Gebiete liegen an Flüssen und Seen. Insbesondere die Berlin Brandenburgischen und mecklenburgischen Gewässer weisen einen Artenreichtum auf, der im übrigen Bundesgebiet längst nicht mehr vorhanden ist. Daraus resultiert für Deutschland und die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Verpflichtung, diesen natürlichen BUND-Stellungnahme zur Bundestagsinitiative“ Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus“ 4 Reichtum auch zu erhalten. Es soll hier nur an die zahlreichen Verträge zum Erhalt der Biodiversität erinnert werden, die Deutschland und die EU eingegangen sind. Statt jedoch Regelungen einzuführen, die auch dem Artenbestand und den Biotopstrukturen an und im Wasser förderlich sind und auch eine schonende Nutzung durch den Erholung suchenden Menschen ermöglichen, werden die Nutzungsansprüche an die Gewässer immer höher. So ist derzeit ein rasantes Größenwachstum der Schiffskörper von Motor- und Segeljachten zu verzeichnen. Gleichzeitig nimmt auch die Motorleistung immer mehr zu. Derzeit gibt es auf den Binnengewässern eine steigende Zahl hoch motorisierter, sog. Offshoreboote, die bis zu 40 km/h fahren können und dabei einen erheblichen Wellenschlag und entsprechenden Lärm verursachen. Hinzu kommen die großen Kajütboote der Wohnbootcharterer in einer immer größeren Anzahl. Als letzter Schrei gibt es jetzt Bootskörper, auf die man seinen eigenen Wohnwagen oder sein Wohnmobil abstellen kann, nicht zu vergessen auch so genannte Floating Homes, die jetzt in Mode kommen. Ein Vergleich des Berliner Sportbootbestands mit dem anderer Gewässer zeigt die Größenordnungen, um die es hier geht. Im bundesweiten Maßstab ist auf den Gewässern von Spree und Havel bereits eine extrem hohe Dichte an Booten vorhanden, selbst wenn man unterschiedliche und stark voneinander abweichende Schätzungen des Bestands berücksichtigt (siehe dazu Tab. 1). Auf den bayrischen Voralpenseen hingegen ist der Motorbootbestand kontingentiert, auslaufende Genehmigungen werden nicht verlängert. Zugelassen sind allerdings umweltfreundliche Elektroantriebe. Tab. 1: Vergleich der Bootsdichte der Berliner Gewässer mit Bodensee, Starnberger See und Ammersee aus: Krauß (2007). Gewässer Berliner Gewässer Fläche (km²) 53,6 Starnberger See 56,4 Ammersee 46,6 Bodensee 535,0 Anzahl Sportboote Boote/km² Wasserfläche ca. 50.000 (Schätzung) 933 ca. 23.330 (Media mare 2000) 435 380 Motorboote, 2.275 Segelboote, 904 Elektroboote, 63 904, insgesamt 3.559 Boote 150 Motorboote, 1.400 Segelboote, 130 Elektroboote, 38 100 Sonstige, insgesamt 1.780 Boote ca. 50.000 93 Eine ausführliche Zusammenstellung über die Auswirkungen von Wassersport und Motorbooten auf die Gewässer wurde vom Bayrischen Umweltministerium zusammen mit dem Bayrischen Landesportverband veröffentlicht (StMLU & BLSV 2000). In den Tabellen 2 und 3 sind die Auswirkungen des Motorbootbetriebs auf dem Gewässer und die Auswirkungen durch den direkten Betrieb des Motors etc. tabellarisch beschrieben. Diese sind ohne Einschränkungen auf die Situation in Berlin-Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern übertragbar (Krauß 2007). Der motorisierte Freizeitbootsbetrieb schädigt jedoch nicht nur die Natur, sondern belästigt mit seinem Motorlärm und den Abgasen andere Erholungssuchende wie Badende, Paddler Ruderer etc. Darüber hinaus gefährden Motorboote Schwimmer, Ruderer und Kanuten mit ihrem Wellenschlag. Gerade im Großraum Berlin ist immer wieder zu beobachten, dass Badende, und Kleinfahrzeuge durch Raser in erhebliche Gefahr gebracht werden bzw. durch Motorboote schlichtweg als Badegäste aus den Gewässern verdrängt werden. BUND-Stellungnahme zur Bundestagsinitiative“ Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus“ 5 Es gibt hier massive Interessenkollisionen zwischen den die stille Erholung bevorzugenden Bürgern und den Nutzern von mit Verbrennungsmotoren ausgerüsteten Wasserfahrzeugen. So scheint auch hier eines der Grundprinzipen des Massen-Tourismus abzulaufen: Er zerstört das, was er sucht, nämlich die letzten noch intakten Naturlandschaften. Tab. 2: Umweltauswirkungen von Motorbooten durch ihre Aktivitäten auf Gewässern (Quelle: StMLU & BLSV 2000), für Berliner Verhältnisse verändert und ergänzt (aus Krauß 2007). Umweltauswirkung Motorboote - Aktivitäten auf dem Wasser Auslösendes Verhalten Art der Beeinträchtigung Mögliche Auswirkungen auf die Umwelt Unterschreitung der BeunStörung durch Präsenz/ Beunruhigung, Störung, Vertreibung von ruhigungs-/Fluchtdistanzen Bewegung Wasservögeln, problematisch während der Mauser zur Zugzeit, im Winter und zur Brutzeit Fahren im FlachwasserMechanische Beschädigung, Störung von Tieren (insb. Brutvögel), bereich und in Ufernähe (je Wellenschlag, Sedimentauf- Beschädigung von Pflanzen (und Tieren nach Gewässer) wirbelung wie z.B. Fische), Beeinträchtigung von Kleinlebensräumen Fahren mit hoher Wellenschlag, Erhöhung des Verstärkung der o.g. mechanischen BeGeschwindigkeit Lärmpegels, Belästigung einträchtigungen, Abknicken von Schilfanderer Erholungssuchender halmen, Abreißen von Jungpflanzen) und Störwirkungen bis hin zu Panikreaktionen bei Wasservögeln, Ufererosion Ankern mechanische Beschädigung, Beschädigung der UnterwasservegetaSedimentaufwirbelung tion, Beeinträchtigung der Benthosflora und Fauna Anlanden an naturnahen Lärm, Vertritt, mechanische Ufererosion, Störung von Tieren, BeUfern oder Inseln Beschädigung schädigung von Pflanzen in Schilfgürtel und Flachwasserzone BUND-Stellungnahme zur Bundestagsinitiative“ Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus“ 6 Tab. 3: Umweltauswirkungen durch den Betrieb von Motorbooten (Quelle: StMLU & BLSV 2000), für Berliner Verhältnisse verändert und ergänzt (aus Krauß 2007). Umweltauswirkungen Motorboote - Bootstyp, Pflege, Abgaseinstellung Auslösendes Verhalten Art der Beeinträchtigung mögliche Auswirkungen auf die Umwelt Verwendung von nicht ab- Auswaschung nicht oder nur Wasserverschmutzung, gasgereinigten Zweitakt- teilweise verbrannter Luftverschmutzung (Gefahr für Motoren (insbes. bei Jet- Treibstoffe (KohlenwasserTrinkwasser) Booten) stoffe) u.a. Rückstände, Abgase Unsachgemäßes Austreten von Treibstoff bzw. Wasserverschmutzung, GeAuftanken, Austreten von Öl ins Wasser fährdung von Wasservögeln durch Öl Öllachen schon bei kleinen Mengen schlecht montierte Erhöhung des Lärmpegels Erhöhung der Störungswirkung Motoren, Motoren ohne auf Tiere und Erholungssuchende Geräuschdämpfung, beschädigte, bzw. nicht zum Bootstyp passende Propeller Verwendung von biozidAuswaschung toxischer Wasserverschmutzung, Vergiftung haltigen AntifoulingSubstanzen von Wasserorganismen (bes. anstrichen (auf Basis von Benthosflora und -fauna), Zn- und Cu-Verbindungen) Beeinträchtigung von Ökosystemen Unsachgemäße Verarbei- verstärkte Auswaschung s.o., außerdem Gesundheitstung/ Entfernung von toxischer Substanzen gefährdung beim Einatmen von Antifoulinganstrichen Lösemittel u. Schleifstaub Forderungen des BUND: Als Umweltverband sind wir der Meinung, dass die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes als Eigentümer der Bundeswasserstraßen nicht nur eine Verantwortung gegenüber dem Schiffsverkehr hat, sondern auch den Schutz und Erhalt der Naturressourcen zu ihren vordringlichen Aufgaben gehört. So sollte diese zuerst einmal ihre Hausaufgaben machen, z.B. die aus der Wasserrahmenrichtlinie resultierenden Verpflichtungen zur biologischen Durchgängigkeit abzuarbeiten oder Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt an befestigten Ufern umzusetzen, bevor es darum gehen kann, den Verkehr mit motorisierten Freizeit- und Charterhausbooten massiv weiter zu fördern. So ist vor allem das Problem des durch motorisierte Freizeitschiffe induzierten Wellenschlags zu lösen. Hier sind in der Vergangenheit von der Bundeswasserstraßenverwaltung bezüglich der Umweltauswirkungen der Freizeitschifffahrt im Binnenland vor allem im Hinblick auf Wellenschlag und Abgase sowie Energieverbrauch keinerlei Auflagen gemacht worden. Im Vergleich dazu ist der Straßenverkehr viel stärker reglementiert. Unter dem Deckmantel der Sicherheit und Leichtigkeit der Schifffahrt hat man z.B. auf Auflagen verzichtet, um z.B. Wellenschlag entweder durch eine angepasste Fahrweise oder eine den Wellenschlag vermindernde Gestaltung der Schiffsrümpfe zu reduzieren. BUND-Stellungnahme zur Bundestagsinitiative“ Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus“ 7 Aus unserer Sicht sind folgende Maßnahmen unumgänglich: • Bevor weitere Fördermaßnahmen für motorisierte Freizeitboote und den motorisierten Wassertourismus in Betracht gezogen werden, sind die Auswirkungen auf Natur und Landschaft je Region zu erfassen und weitere Belastungen gemäß Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und Wasserhaushaltsgesetz der ohnehin schon dramatisch geschädigten Wasserstraßen auszuschließen (Einhaltung der Verschlechterungsverbote nach WRRL und FFH-Richtlinie, Einhaltung der Zielerreichung nach WRRL u.v.a.m). • Grundsätzlicher Ausschluss weiterer Ausbaumaßnahmen unserer Gewässer; Ausbaumaßnahmen in Einzelfällen sind durch die Verursacher so auszugleichen, dass es in der Summe zu eine nachweisbaren ökologischen Verbesserung der Schifffahrtsstraßen kommt • Die gesetzmäßige Einhaltung der FFH-Verträglichkeitsprüfungen für alle Planungen für den motorisierten Verkehr; es ist nachzuweisen, dass es zu keinen ökologischen Verschlechterungen kommt; • Generell ist auf allen Gewässern eine Sog- und Wellenschlag vermeidende Fahrweise vorzuschreiben. Diese ist durch geeignete Maßnahmen zu kontrollieren. • Zur Vermeidung von Wellenschlag und zum Schutz von Fauna/Flora und Erholung suchender Menschen (Schwimmer, Kanuten etc.) ist für motorisierte Freizeitboote die maximal zulässige Geschwindigkeit grundsätzlich auf 8 km/h zu reduzieren. Diese ist durch geeignete Maßnahmen zu kontrollieren. • Besonders erosionsgefährdete Ufer und Röhrichtbestände sind durch Wellenbrecher aus Holzpfählen vor Wellenschlag zu schützen. Damit hat man an den Berliner Gewässern gute Erfahrungen gemacht. Hierfür sind entsprechende Finanzmittel bereit zu stellen. Derzeit finanziert das Land Berlin derartige Wellenbrecher an den Bundeswasserstraßen aus eigenen Haushaltsmitteln, obwohl eigentlich die Bundeswasserstraßenverwaltung dafür zuständig wäre. • Besonders auf Seen und den seenartigen Erweiterungen der Flussseen Spree und Havel sind für motorisierte Freizeitschiffe verbindlich zu benutzende Fahrrinnen auszutonnen und ausgedehnte motorbootfreie stille Zonen zum Schutz von Fauna/Flora und die stille Erholung bevorzugende Bürger auszuweisen. • Zum Schutz der Fauna und der Nachtruhe von Anliegern ist ein generelles Nachtfahrverbot zwischen 21 Uhr und 8 Uhr zu erlassen. • Ergänzend fordern wir ein grundsätzliches Anwendungsverbot von lärm- und wellenschlagintensiven Sonder-Wasserfahrzeugen, wie z.B. sog. Waterbikes oder Jetskis. Auch für Wasserski, der nur mit schnellen Schleppbooten betrieben werden kann, sollte es keine Ausnahmen geben. • Nicht zu akzeptieren ist auch die Zulassung so genannter „Floating Homes“. Hier werden die Gewässerufer zu dauerhaften Wohnzwecken für den individuellen Gebrauch BUND-Stellungnahme zur Bundestagsinitiative“ Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus“ 8 zweckentfremdet und stehen der Allgemeinheit nicht mehr zur Verfügung. Der Störeffekt auf die Natur ist erheblich. Zu den in der Studie vorgeschlagenen Maßnahmen zur Förderung des Wassersports äußern wir uns wie folgt: Finanzierung von Wassertourismusprojekten Der in der Studie ermittelten Summe von 911 Mio. Euro zur Förderung der touristischen Infrastruktur an Bundeswasserstraßen steht derzeit ein nicht näher zu beziffernder Mittelbedarf eines mit Sicherheit Vielfachen für von der WRRL geforderte Zwecke zur Rückgängigmachung u.a. der durch die Einrichtung der Wasserstraßen eingetretenen gewaltigen ökologischen Schäden an Gewässern gegenüber. Dieser wird benötigt zur Umsetzung von durch die WRRL geforderten Maßnahmen zur Erreichung des guten ökologischen Zustands bzw. des guten ökologischen Potentials und zur Schaffung der biologischen Durchlässigkeit an Schleusen und Querbauwerken. Dazu zählen wir auch notwendige Deichrückverlegungen zum Hochwasserschutz an Bundeswasserstraßen. Die Finanzierung dieser Maßnahmen ist nach unserem Kenntnisstand bislang ungeklärt. Allein einen Betrag von 60 Mio. € für die Sanierung von Sportbootschleusen an der Mosel auszugeben, halten wir angesichts der massiven Finanzprobleme bei der Unterhaltung der Bundeswasserstraßen für den Frachtschiffverkehr und die ungeklärte Finanzierung notwendiger ökologischer Maßnahmen für schlichtweg finanziell unvertretbar. Bevor deshalb Infrastrukturmaßnahmen für den Wassersport entweder aus dem Bundeshaushalt oder über eine Wassertourismusabgabe oder eine Vignette finanziert werden, muss zuerst die Finanzierung der oben dargestellten Erfordernisse aus der Wasserrahmenrichtlinie gesichert sein. Einführung einer Vignette Grundsätzlich begrüßen wir die Einführung einer Abgabe oder Vignette für Freizeitschiffe, die vor allem die motorisierten Freizeitschiffe, sowie größere Segelyachten an den Kosten beteiligt, die sie verursachen. Die Mittel sollten aus unserer Sicht in erster Linie dazu verwendet werden, die durch die Freizeitschiffe entstandenen Schäden an Ufern und Röhrichten durch Wellenschlag etc. zu beseitigen und die Austonnung von verbindlichen Fahrrinnen durchzuführen. Dazu muss von Anfang an eine Lenkungsfunktion im Hinblick auf die Anschaffung weniger umweltschädlicher Wasserfahrzeuge ausgeübt werden. Im Gegensatz zu dem Vorschlag auch für muskelgetriebene Wasserfahrzeuge eine Vignettenpflicht einzuführen, lehnen wir dies für diese Fahrzeuggruppe, sowie für kleinere Segelboote bis ca. 6 m Länge ohne eigenen Motor-Antrieb (Flautenschieber bis 3 PS können akzeptiert werden) ab. Diese sollten von der Vignettenpflicht befreit bleiben. Diese halten wir auch aus Umweltpädagogischen Gesichtspunkten für kontraproduktiv, da gerade das Wandern in kleinen muskelgetriebenen Fahrzeugen Menschen der Natur näher bringt. Auch erfordert die Kontrolle einen unverhältnismäßig hohen bürokratischen Aufwand, da diese Kleinfahrzeuge nirgends registriert sind. Wir sind allerdings der Meinung, dass die gewerblichen Verleiher von derartigen Wasserfahrzeugen (Kanus, Kajaks, Ruderboote) und Veranstalter von Paddelexkursionen für das jeweilige Gewässerrevier mit einer Abgabe an den entstehenden Kosten zu beteiligen sind. BUND-Stellungnahme zur Bundestagsinitiative“ Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus“ 9 Entsprechend ihrer Umweltauswirkungen sollten jedoch größere Schiffe mit einer deutliche höheren Summe als 200 € an der Finanzierung der Infrastruktur und an der Beseitigung der durch sie verursachten Schäden beteiligt werden. Schiffslänge, Rumpfform und Motorisierungsgrad wären hier z.B. Parameter die für eine Bemessung der Abgabe herangezogen werden sollten. Bei gleicher Rumpflänge sollte ein schnell fahrendes Offshore-Gleitboot höher belastet werden als ein langsam fahrendes Schiff mit geringer Motorleistung und einer nur einen geringen Wellenschlag erzeugenden Rumpfform oder einem generell Wellenschlag vermeidenden Bootsdesign. Darüber hinaus sollen ein dem Stand der Technik entsprechender minimierter Schadstoffausstoß sowie eine entsprechende Geräuschreduzierung die Abgabe senkend berücksichtigt werden. Boote mit Elektro- Solarantrieb sind dabei besonders zu fördern. Verkauf von Grundstücken im Eigentum der WSV Bei der Verwertung von Grundstücken, die nicht unmittelbar für den WSV-Betrieb benötigt werden, müssen die Interessen des Naturschutzes stärker berücksichtigt werden. Verkauft werden sollten nur Grundstücke im bebauten Bereich. Ausgliederung von Teilbereichen der WSV Eine Ausgliederung von Teilbereichen aus der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zum Zwecke der Förderung des Wassertourismus halten wir im Interesse eines von uns seit langem geforderten ökologischen Umbaus der Bundeswasserstraßen für kontraproduktiv. Wir verweisen hier auf unsere „Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung über die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und die neue Netzstruktur der Wasserstraßen im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestags am 29.Juni 2011, die dem Bundesverkehrsministerium vorliegt. Zusammenfassung: Wie bereits oben dargestellt, erzeugen in erster Linie motorgetriebene Wasserfahrzeuge durch Sog und Wellenschlag erhebliche Schäden an Ufern, Röhrichten und der gesamten Lebewelt der Gewässer, deren Folgen und die Kosten für die Beseitigung letztendlich die Allgemeinheit zu tragen hat. Dazu kommen nicht monetisierbare Vergrämungseffekte der Fauna, sowie die durch Lärm und Abgase bedingte erhebliche Minderung der Erholungswirkung für Menschen, die eine stille Erholung bevorzugen, sei es als Schwimmer, Wanderer oder Paddler. Aus unserer Sicht stellt deshalb der Betrieb eines „schwimmenden Wochenendhauses“ oder eines Rennboots keine vom Grundgesetz und auch nicht vom Wasserstraßengesetz geschützte Erholungsart dar, um die sich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes mit dem in der Studie vorgestellten Mitteleinsatz bevorzugt kümmern müsste. Bevor es zu einer Ausweitung des Freizeitboots- und Charterbootsverkehrs kommt, müssen erst mal die Belastungswerte für die Gewässer durch diese Nutzung festgelegt werden und bereits vorhandene Missstände und Schäden beseitigt werden. Grundsätzlich halten wir die Einführung eine gestaffelten Abgabe oder Vignette für motorgetriebene Wasserfahrzeuge für sinnvoll um • • Mittel zu akquirieren, um notwenige Lenkungsmaßnahmen durchzuführen und die Entwicklung hin zu umweltfreundlicheren Bootstypen zu forcieren. BUND-Stellungnahme zur Bundestagsinitiative“ Infrastruktur und Marketing für den Wassertourismus“ 10 Eine Aufsplittung der Bundeswasserstraßenverwaltung zur Förderung des Sportbootverkehrs lehnen wir ab und verweisen dazu auf unsere Stellungnahme zur Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Angesichts der Tatsache, dass die Bestandsaufnahme der WRRL das wohl für viele Gewässernutzer überraschende Ergebnis brachte, dass die Bundeswasserstraßen zu über 80 % derart beeinträchtigt sind, dass der gute ökologische Zustand gemäß WRRL nicht mehr zu erreichen sein wird, ergänzt durch die dramatischen Beeinträchtigungen unserer Auenlandschaften und der Fließgewässer als Badegewässer für Erholungssuchende fordert der BUND die Abgeordneten des Wirtschaftsausschusses des Bundestages auf, die Förderung vermeintlicher wirtschaftlicher Potentiale durch eine gesteigerte Freizeitschifffahrt auf den Bundeswasserstraßen nicht ohne die Einhaltung vorher festzulegender ökologischer Rahmenbedingungen anzugehen. Berlin, 02 August 2011 Olaf Bandt Direktor Politik und Kommunikation Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. Zitierte Literatur: IGKB (Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee) (Hrsg.) 2004: Aktionsprogramm Bodensee 2004-2009. Schwerpunkt Ufer- und Flachwasserzone. Krauß, M. 2007: Entwicklung von Freizeitschifffahrt und Wassertourismus – Konfliktpotentiale mit dem Naturschutz. In: NNA-Berichte, Band 20, Heft 1. StMLU & BLSV (Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen und Bayerischer LandesSportverband e.V. )(Hrsg.) 2000: Der umweltbewusste Wassersportler. Leitfaden. 57 S.