»GEGENWART« Nr. 2/09 – Juni 20091 Themenheft KLIMAWANDEL Michael Kalisch, Diplombiologe2 Kritisches zur Klimaforschung Propaganda und Wirklichkeit „Wolken stellen die größte Unsicherheitsquelle der Voraussagen (...) der derzeitigen Klimamodelle dar.“ 3 Die Diskussion über die Ursachen des stattfindenden Klimawandels sollte von moralischen Vorwürfen abgelöst und dorthin zurückgebracht werden, wo sie allein hingehört: in die wissenschaftliche Kontroverse. An die Stelle des moralischen Vorwurfs, „die Industrienationen zerstören das Klima“, sollten zwei davon völlig unabhängige Appelle gesetzt werden: 1. die Umwandlung unserer fossilen Energieversorgung in eine solare muss bewältigt werden, weil das Erdöl nur noch wenige Jahrzehnte zur Verfügung steht.4 2. Den für Umweltschäden verantwortlichen primären ökologischen ‹Sünden› sollte wieder Aufmerksamkeit geschenkt werden anstelle der vernebelnden All-Entschuldigung: „Daran ist der Klimawandel schuld“, die keinerlei fruchtbares Handeln zeitigen kann. Leider besteht ein Dilemma. Die Verknüpfung von Bush-Politik und Kioto-Verweigerung hat dazu geführt, jegliche Kritik an der These der menschengemachten globalen Erwärmung (anthropogenic global warming, AGW) mit der Verteidigung von unbegrenztem Wirtschaftswachstum und Ressourcenverschwendung gleichzusetzen. Das ist überhaupt nicht zwingend. Man könnte mit gewissem Recht entgegnen, dass die sturen AGW-Verfechter sich an einer Zerrüttung der Wissenschaft durch ausserwissenschaftliche Mächte schuldig machen – Demokratisierung der Wahrheitssuche, Politisierung wissenschaftlicher Kontroversen, Diskreditierung des für den Fortschritt der Wissenschaft fundamental notwendigen Zweifels. Kritik ist ein unabdingbares Lebenselement der Wahrheitssuche. Die Verunglimpfung der Kritiker ist angesichts einer Leitmaxime der Wissenschaftstheorie des 20. Jahrhunderts befremdlich, die lautet: Theorien können nicht bewiesen werden, also muss man sich darum bemühen, sie zu falsifizieren (Karl Popper). 1 Redaktionsadresse: Burgunderstraße 132, CH-3018 Bern, Fax +41 31 991 48 23. Autorennotiz siehe am Schluss (S. 20). 3 Motto aus: Soden, Br.J. & I.M. Held (2006): “An Assessment of Climate Feedbacks in Coupled Ocean–Atmosphere Models”, Journal of Climate 19, 3354-61. 4 Ein Ende des Erdöls um die Mitte dieses Jahrhunderts ist in den Kurven der IPCC-Klimamodelle nicht erkennbar, so dass die Extrapolationen des CO2-Ausstoßes und der Gesellschaftsentwicklung fragwürdig sind. Vgl. Gegenwart Nr. 4/2005. 2 Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 1 von 20 I. Der ‹Konsens› der Klimaforschung: schön wär's! Medien und Politiker sowie medienwirksame Politiker wie Al Gore verbreiten seit mehreren Jahren nachdrücklich eine bestimmte Lehre – unterstützt durch Einrichtungen wie das die deutsche Bundesregierung beratende Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK, St. Rahmstorf, J. Schellnhuber): 1. Der Klimawandel der letzten Jahre sei allein vom Menschen erzeugt. 2. Schuld daran sei der Ausstoß von treibhauswirksamen Gasen (vor allem CO2, aber auch CH4, N2O, FCKW). 3. Dieser Klimawandel sei einzigartig dramatisch, ohne historischen Vergleich, und die Aussichten seien eindeutig katastrophal. 4. Dieser Ansicht stimme die absolute Mehrheit der Forscher zu. 5. Es könne nur durch ‹drastische Maßnahmen der CO2-Reduzierung› entgegengewirkt werden. 6. Wer dem widerspreche, sei verantwortungslos (und vermutlich durch Erdölsponsoring korrumpiert). Der Kürze halber nenne ich das die Doktrin des ‹catastrophical AGW› (cAGW). Es sei betont, dass einzelne Behauptungen teilweise nicht einmal mit dem jüngsten Gutachten des IPCC5 von 2007 übereinstimmen, obwohl diesem Gremium die Aufgabe gestellt wurde, den zwingenden Beweis für die Hauptverantwortung der CO2-produzierenden Industrienationen am weltweiten Schaden zu erbringen, der durch den AGW angerichtet werde. Ein Beispiel ist Al Gores Warnung vor dem bevorstehenden „Abschmelzen der Polkappen“, das zu „20 Fuß“ (ca. 6 m) Anstieg des Meeresspiegels führen werde. Wen all das nicht davon abschreckt, eigene Recherchen anzustellen, bemerkt mit wachsendem Erstaunen, dass der ‹Konsens› unter den Klimaforschern wohl eher Wunsch sein muss6. Selbst unter der Legion der Kritiker der cAGW-These, der ‹Skeptiker›7 , können wir ein großes Spektrum entfalten (durch einige geläufige Namen bezeichnet) – abgesehen von jenen, die einen Klimawandel völlig abstreiten: • Pol A: radikale Kritiker am Treibhauskonzept, die aus physikalischen Gründen das Konzept Treibhaus ablehnen („physikalischer Nonsens“, vor allem das Konzept einer Rückerwärmung der Erde durch Infrarotstrahlung von Treibhausgasen, was das zweite thermodynamische Gesetz verletzt), oder fundamentale Fehler im Modell des Strahlungsgleichgewichts Erde-Atmosphäre-Sonne aufzeigen (Gerlich, Tscheuschner, Beck, Thieme u.a.) • Befürworter der dominierenden Wirksamkeit der Aktivitätsschwankungen der Sonne (die ‹dänische Schule›: Svensmark, Friis-Christensen, Lassen, Thejl u.a.) • bis zu einem Gegenpol B: Bejaher des AGW, die aber die Rolle des CO2 relativieren und deshalb auch unsere Möglichkeit abstreiten, durch CO2-Rationierung ‹das Klima zu retten› (Lomborg, von Storch u.a.). Dazwischen • weitere, die AGW bejahen, aber abstreiten, dass es katastrophale Aussichten habe (Michaels & Balling jr.), darunter solche, die auf die Klimageschichte verweisen, um zu zeigen, dass unser Klimawandel weder einzigartig noch außergewöhnlich sei (Reichholf, Blümel u.a.). • Oder solche, die neben der Sonnenaktivität den Treibhausgasen eine wenn auch 5 Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) wurde 1988 von der Umweltorganisation der UNO zusammen mit der World Meteorological Organisation (WMO) als beratender zwischenstaatlicher Ausschuss gegründet. 6 Er besteht nicht einmal unter den Forschern, denen die Gnade zuteil wurde, in den IPCC-Prozess einbezogen zu werden. 7 Die Benennung ‹Leugner› ist Verunglimpfung, zumal sie auch noch bewusst eine Parallele zieht zu Leugnern des Holocaust. Manche fordern sogar ‹Nürnberg-artige› Tribunale zur Aburteilung von Leugnern = Skeptikern (David Roberts, Grist). Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 2 von 20 untergeordnete klimaverändernde Kraft zugestehen (H.Hug, J.Veizer, A.Mangini u.a.). • Weitere, die den Treibhausgasen neben der Sonne vor allem für den letzten Erwärmungsabschnitt seit Mitte der 1980er Jahre eine entscheidende Rolle zuschreiben (Lockwood & Fröhlich), • aber auch solche, die dem CO2 keine Wirkung zuschreiben, der Sonne allein aber auch nicht die Hauptrolle geben (Robinson u.a.) – so dass noch andere Faktoren eine Rolle spielen müssten. Zu denken wäre an die veränderte Landnutzung durch über 6 Milliarden Erdenmenschen (der wesentliche Zuwachs begann in den 1950er Jahren). Jede dieser Positionen kann Statistiken und Kurven vorlegen, die überzeugend interpretiert werden – aber fast immer bleiben offene Fragen oder Widersprüche. Zum Beispiel kann eine Temperaturkurve unbereinigte Fehlerquellen enthalten (wenn wir vom ärgsten Realfall absehen, dass Statistik gefälscht oder aus unerkennbaren Beweggründen im Sinne eines wünschenswerten Trends verändert wurde).8 Oder es hat sich ein Denkfehler eingeschlichen.9 Angesichts dieser Lage ist es weder Schaden abwendend noch wissenschaftlich redlich, die Menschheit mit einem ständigen Sperrfeuer von Horrormeldungen und sich übertreffenden apokalyptischen ‹Prognosen› zu bestreichen, mit der unmissverständlichen Botschaft: Ihr seid schuld, und es wird immer schlimmer, wenn nicht… II. Freischwebende Behauptungen und Sachverhalte Überprüft man diesen Alarmismus, verliert er wesentlich an Substanz. Einige besonders markige Behauptungen der Medien(-Wirksamen) sollen mit Ergebnissen der Forschung verglichen werden. „Die Zahl und Stärke der Hurrikans wird zunehmen!“ War Katrina, teuer genug, nur eine Ouvertüre? Der Vereinfachungsteufel vergewaltigt die Wirklichkeit, aber er ist weniger gefürchtet als der, der im Detail steckt. Alle Klimamodelle legen nahe, dass mit der globalen Erwärmung die Scherwinde zunehmen; diese Winde wirken der Bildung eines Hurrikans entgegen, sie stören sozusagen seinen ruhigen Aufbau. Seit 1993 gab es einige hochaktive Hurrikansaisons in Mittel- und Nordamerika, aber im selben Zeitraum hat die Stärke der Scherwinde sehr abgenommen. Daraus muss man folgern, dass diese Zunahme der Hurrikanbildung nicht mit der AGW zusammenhängen kann, sondern nur mit einem systeminternen Eigenrhythmus.10 Im 20. Jahrhundert gab es – nach Bereinigung systematischer Fehler, zum Beispiel, dass die Beobachtungsdichte zugenommen hat – keinen übergeordneten Trend einer Zunahme von Hurrikans im tropischen Atlantik. Richtig scheint aber: Die Stärke der 8 Beispiele: die als Hockeystick-Kurve bekanntgewordene Klimakurve der letzten 1000 Jahre, die das Ausmaß der Hochmittelalterlichen Warmzeit herunterspielte, dafür aber die Erwärmung im 20. Jh. als ‹Explosion› figurierte (Arbeitsgruppe Michael Mann; die Kurve ist im letzten IPCC-Bericht nicht mehr enthalten!), oder seltsame Veränderungen einer Klimakurve des 20. Jhs. durch die NASA, die ursprünglich die außerordentliche Wärme der 30er Jahre in den USA zeigt (1934 war wärmer als 1998), was so bereinigt (?) wurde, dass wieder der klare Aufwärtstrend zum Jahrhundertende erkennbar ist. 9 Die Skeptiker gegenüber der Sonnenwirksamkeit (!) argumentieren z.B., die Temperatur sei seit den 1980er Jahren bis heute stetig gestiegen (was nach dem Rückblick auf die Jahre seit 1998 auch nicht mehr stimmt), während die Sonnenaktivität parallel nicht zugenommen habe. Der Denkfehler: wenn ich einen Topf Wasser auf eine Herdplatte mit konstant hoher Einstellung setze, wird das Wasser bis zum Kochen erhitzt. Es kommt darauf an, dass das Niveau der Sonnenaktivität in dieser Epoche bereits außergewöhnlich hoch lag – was bestätigt wird. 10 Chr. Landsea: Gastkommentar unter www.groups.yahoo.com/gropu/ClimateArchive/, 18.4.2007. Landsea: „Counting atlantic tropical cyclones back to 1900“, EOS 88, 1.5.07. Wichtig auch: Emanuel, K. (Jan. 2006): “Anthropogenic Effects on Tropical Cyclone Activity”, http://wind.mit.edu/~emanuel/anthro2.htm. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 3 von 20 atlantischen Hurrikans nimmt in Zusammenhang mit wachsender Oberflächentemperatur des Meeres (um 0,5° C seit 50 Jahren) im Spätsommer zu.11 Zahl und Stärke aber sind nicht koppelt. Und vieles ist noch nicht ausreichend verstanden… Die obige Behauptung ist unzulässig. „Aber nun schmelzen doch die Polkappen ab!“ A. Das schmelzende Arktiseis erhöht den Meeresspiegel nicht (schwimmendes Meereis). Anders Grönland: hier verleiten die jüngsten Beobachtungen zu alarmierenden Meldungen. So wurden mit Satelliten (GRACE) Massenverluste von ~180 Gigatonnen pro Jahr gemessen, was die Meeresspiegel um ~0,5 mm jährlich hebt: 5 cm in 100 Jahren. Aber oberhalb von 2000 m ist die Eismasse stabil und wächst leicht. Angesichts der Eisgesamtmasse der Insel würde das vollständige Abschmelzen über 10 000 Jahre dauern. – Das eigentliche Problem besteht in der Kurzfristigkeit der Beobachtungen. Aus einem aktuellen Vorgang mit offensichtlich hoher Variabilität12 können keine gültigen Jahrhundertprognosen abgeleitet werden. Und es wurde sogar die Auffassung formuliert, dass die derzeitigen ‹katastrophalen› Verhältnisse der sich erwärmenden Arktis auf natürliche Klimarhythmen zurückzuführen seien13 – politisch hochgradig unkorrekt. B. Auch am Südpol werden starke Schmelzprozesse beobachtet, nämlich an der Westantarktischen Halbinsel: ~150 km3 jährlich, eine gewaltige Masse! Wenn aber das Festlandeis der Antarktis 30 Millionen km3 umfasst14, dann dauert sein gesamtes Abschmelzen etwa 200 000 Jahre – rein linear extrapoliert, was aufgrund der Geografie völlig abwegig ist. Außerdem bleibt unerwähnt, dass das zirkumantarktische Meereis sich Jahr um Jahr ausdehnt – eine Gegenbewegung zur Arktis, was auf eine Polarität der Polkappen im wahrsten Sinne hinweisen dürfte.15 Im Innern des riesigen Eiskontinents scheinen die Niederschläge zugenommen zu haben, es könnte dort sogar ein Abkühlungstrend bestehen. Weitere Unsicherheiten… „Die gegenwärtige Erwärmung bedroht die Korallenriffe und die Eisbären!“ Es war nur während 5% der Erdgeschichte so kalt, dass beide Pole Eiskappen trugen wie heute. Wärmere Epochen überwogen! Deswegen kann man sagen: Wir leben in einer Zwischeneiszeit. Ausgerechnet die Korallenorganismen erlebten ihre Blütezeit während wesentlich wärmerer Erdepochen. Aber die Eisbären, werden sie nicht verhungern müssen, weil sie keine Robben mehr jagen können? Seit Ende der Eiszeiten haben sie mehrere Klimaoptima überlebt: das hochmittelalterliche, das die Wikinger nach Grönland führte (dort wuchsen Bäume, deren Reste heute unter Gletschern wieder hervorkommen), das römische und das große vor 3 - 4000 Jahren! Wenn die Eisbären gefährdet sind, dann durch Akkumulation von Giften in der Nahrungskette. Trotzdem wuchs ihre Gesamtpopulation in den letzten Jahren auf 25 000 Exemplare. Die Relevanz einer Klimaerwärmung um 1° C Wir reden ständig von abstrakten Durchschnittstemperaturen. Aber für Lebewesen sind die realen Tiefst- und Höchstwerte während eines Tages und im Jahreslauf entscheidend. Deren natürliche Spanne ist in vielen Fällen enorm, in Oregon z.B. beträgt sie 50°. Sie kann aber auch 100° umfassen. 11 Elsner, J.B. et al.: “The increasing intensity of the strongest tropical cyclones”, Nature 455, 92-95 (4.9.2008). Vgl. R.S.W. van de Wal et al. in Science 321, S. 111-13, 4.7.2008. 13 Igor F. Poljakov unter http://www.frontier.iarc.uaf.edu/~igor/research/pdf/50yr_web.pdf 14 GEO Themenlexikon Bd. I, Unsere Erde, S. 26. Keine Angabe, ob mit oder ohne Schelfeis gerechnet. 15 Vgl. Calder, N. & H.Svensmark (2007): “The chilling Stars. A new Theory of Climate Change”, S. 84ff. 12 Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 4 von 20 „Der bedrohliche Anstieg der Meeresspiegel!“ Das Al-Gorakel von „20 Fuß“ bis 2100 wird vom IPCC auf 18 - 59 cm minimiert, doch Focus weiß es besser: „Klimawandel stärker als gedacht“, 1 Meter Meeresspiegelzuwachs und über 2° Temperaturanstieg bis 2100!16 Aber was geht tatsächlich vor sich? Welchen Beitrag Grönland und Antarktis wirklich liefern, können wir extrapolieren (2 x ca. 0,5mm/Jahr → 10 cm in 100 Jahren + in etwa derselbe Betrag durch Wärmeausdehnung des Meerwassers). Nun beachte man: die Temperaturen sind seit 1998 nicht gestiegen. Neue Modellrechnungen haben für das kommende Jahrzehnt eine weitere Temperaturstagnation vorhergesagt – weil man inzwischen klimainhärente Rhythmen besser einbeziehen kann, in diesem Falle den 70 – 80jährigen Zyklus der meridionalen thermohalinen Zirkulation (MOC) im Nordatlantik.17 Auch der Rückblick ist heilsam: der Anstieg der Meeresspiegel begann gegen Ende der Kleinen Eiszeit um 1850 und besteht seitdem mit einem gleichbleibenden 100jährigen Trend von 18 cm.18 Auch die Gletscherschmelze setzte so früh ein, lange bevor das zivilisatorische CO2 wirksam werden konnte: um 1825. Es könnte sein, dass wir tatsächlich am Beginn einer Abkühlungsperiode stehen. Die Aktivität der Sonne verweilt auf sehr niedrigem Niveau. Wie würde es dann weitergehen mit der Temperaturentwicklung? „Die Versauerung der Ozeane hat ein bedrohliches Ausmaß erreicht!“ Häufig wird behauptet, dass durch die Versauerung der Ozeane das kalkschalenbildende Plankton gefährdet sei. Die Säure würde die Schalen auflösen oder ihre Bildung verhindern. Und wenn das Plankton zurückgeht, dann natürlich auch die Fische! Jeder weiß: Zitronensäure löst Kalk im Kochtopf! Die Öffentlichkeit wird mit einer einfachen Suggestion geschockt. Gebrauchen wir etwas gesunden Menschenverstand. Versuche haben gezeigt, dass Meeresorganismen ganz unterschiedlich auf pH-Verringerung reagieren: die Kalkschalenbildung kann verringert werden, sie kann unbeeinflusst bleiben, oder sie kann zunehmen – und das sogar innerhalb derselben Art.19 Und wie sauer denn nun? Der pH des offenen Ozeans liegt bei 7,9 - 8,3, also gut im Alkalischen. Das IPCC schrieb 2007 von einer pH-Abnahme um 0,1 seit 1750, wobei die Auswirkungen auf die marine Biosphäre „bis jetzt nicht dokumentiert“ seien (Summary for Policymakers). Die Presse verkündet: bedrohliche Versauerung – ohne Zahlenangaben! Dazu einige Größen – geschätzte Kohlenstoffmengen in den geochemischen Kreisläufen. Das Oberflächenwasser des Ozeans enthält 1000 Gigatonnen (Gt) Kohlenstoff, der mittlere und tiefe Ozean 38 000 Gt. Der Mensch gibt derzeit jährlich ~8 Gt in die Atmosphäre ab, die selbst 780 Gt enthält; Vegetation, Böden und organischer Abfall umfassen 2000 Gt. Meer und Atmosphäre tauschen jährlich ~90 Gt aus.20 Um den pH um ein Grad abzusenken, muss sich die Menge an Säureanionen verzehnfachen. Das Oberflächenwasser müsste daher 9000 Gt Kohlenstoff zusätzlich anreichern und in Säure umsetzen – dann erst wäre der Ozean ‹sauer› (6,9). Man setze das in Relation zu den jährlich ausgestoßenen 8 Gt. CO2 wird in Wasser aber nicht eins zu eins zu Kohlensäure, sondern nur ein geringer Prozentsatz, abhängig von Druck und Temperatur. 16 Focus online-Version 9.10.2008, zitiert werden J. Schellnhuber (PIK), der Hamburger Meteorologe Jochem Marotzke. 17 Keenlyside, N.S., “Advancing decadal-scale climate prediction in the North Atlantic sector”, Nature 453, 84-88 (1.5.2008). Die MOC (Meridional Overturning Circulation) bezeichnet die Ozeanzirkulation zwischen Äquatorialund Polarregion (hier Nordatlantik) zusammen mit dem Wärmetransport. Ein wichtiges Glied derselben ist der bekannte Golfstrom. 18 Zum behaupteten Untergang von Südseeinseln siehe N.-A. Mörner, „Claim that sea level is risig is a total fraud“, Economics, 22.7.2007. 19 Fabry, V.J.: „Marine Calcifiers in a High-CO2 Ocean“, Science 320, 23.5.2008, 1020-22. 20 Robinson & Soon (2007), “Environmental Effects of Increased Atmospheric Carbon Dioxide”, J. Amer. Physicians and Surgeons (2007) 12, 79-90. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 5 von 20 „Dürren sowie Überschwemmungen werden dramatisch zunehmen!“ 'Wenn die Klimamaschine durch CO2 hochdreht, müssen die Extreme zunehmen!' Das ist eine Suggestion. Was fand man aber heraus? Eine Analyse von echten Dürreperioden21 zeigte folgende Verteilung von insgesamt dreissig identifizierten Fällen: 1901 - 20: 7 / 1921 - 40: 7 / 1941 - 60: 8 / 1961 - 80: 5 / 1981 - 2000: 3.22 Die letzten beiden Jahrzehnte werden gemeinhin dem anthropogenen Treibhauseffekt zugeschrieben. In dieser Epoche gab es die geringste Zahl von Dürren. Die höchste hingegen in den Jahrzehnten extrem hoher Sonnenaktivität bis Ende der 1950er Jahre – also warum nicht ein ‹Kioto› gegen Sonnenaktivität? „Der Klimawandel wird Millionen von Asiaten um das sommerliche Trinkwasser bringen!“ Dies, weil die Gletscher im Himalaya verschwinden. Zu bedenken ist, dass diese Menschen ihr Wasser gerade dem seit 150 Jahren stattfindenden Klimawandel verdanken – der nämlich ließ die Gletscher sich aus den Tälern zurückziehen und spendete so jeden Sommer zusätzliche Mengen von Schmelzwasser. Gletscher wie der Gangotri (Quelle des Ganges) werden nicht unbedingt in nächster Zeit abschmelzen. Er ist 30 km lang und reicht – bei einem sehr geringen Gefälle – bis in 7000 m Höhe. Er verlor seit 1780 fünf km seiner Länge; in jüngster Zeit jährlich etwa 19 - 25 Meter. III. Der Klima-Killer CO2 – eine Theorie auf tönernen Füßen Es gibt einiges, was die Doktrin vom anthropogenen CO2, das über die Treibhauseffekterhöhung eine Klimakatastrophe herbeizuführen im Gange sei, in Frage stellt.23 Die Proportionen zwischen dem zivilisatorischen Kohlenstoffeintrag in die Atmosphäre und den globalen natürlichen Kohlenstoffflüssen wurden skizziert – nachzutragen ist unsere Unsicherheit über die Flussgrößen, so dass der marginale menschliche Beitrag in der Schwankungsbreite anderer Flüsse liegt; deshalb scheint auch die Quelle des atmosphärischen CO2-Anstiegs nicht völlig gesichert.24 Historisch ist zu berichten, dass es Zeiten mit möglicherweise zwanzigfach höherem Atmosphärengehalt gab, aber auch solche mit nur 200 ppm. Wo ist dieser Kohlenstoff geblieben? Betrachten wir z.B. die Kalkund Dolomitgebirge der Erde: sie bestehen aus kohlensaurem Calcium und Magnesium, der z.B. aus den Kalkschalen von Meeresorganismen stammt. Eine Kritik setzt historisch an, indem sie nachweist, dass der sog. ‹vorindustrielle› Referenzwert des CO2-Gehalts, auf den sich alle Berechnungen beziehen (280 ppm), aufgrund von systematischen Fehlern bei der Eisbohrkernauswertung zu niedrig sei.25 Damit würde die Schwelle, wann eine Verdoppelung erreicht ist, höher rücken. Dann gibt es Kritik an dem Atmosphärenmodell der Treibhaustheorie und an seinen populären Erklärungen. Häufig wird gesagt, CO2 absorbiere die terrestrische Infrarotstrahlung und halte sie in sich fest, weshalb es wärmer werde. Falsch; auf Absorption erfolgt sofortige Emission.26 Man muss 21 Plötzliche Niederschlagsabnahme mit 99%iger statistischer Signifikanz, die mindestens 10 Jahre andauerte und mindestens 10% niedriger lag als der 100jährige klimatische Durchschnitt der Region. 22 Narisma, G.T. et al. 2007. “Abrupt changes in rainfall during the twentieth century.” Geophysical Research Letters 34: 10.1029/2006GL028628. 23 Einen großen Überblick gibt E.G. Beck auf http://www.biokurs.de/treibhaus/. 24 Literatur 58 und 59 in Robinson & Soon a.a.O. 25 Jaworowski, Z., “Climate Change: Incorrect information on pre-industrial CO2”, Statement written for the US Senate Committee on Commerce, Science, and Transportation, März 2004, http://www.john-daly.com/zjiceco2.htm. 26 [Nachträgliche Ergänzung:] Ein Kritiker wandte ein, diese Formulierung sei irrelevant; er hob hervor, dass Infrarotstrahlung Teilchen in Gasen in Bewegung zu versetzen vermag, und wir Teilchenbewegung als Wärme erleben. Mit zunehmender Teilchenbewegung steige die Temperatur eines Stoffes. Wasser und CO2 absorbieren Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 6 von 20 schon die hypothetischen Verstärkungsprozesse einführen, um aus diesem vorbeihuschenden Vorgang von Absorption/Reemission eine kaskadenartig wirksame nachhaltige Erwärmung zu konstruieren – da kommt dann der Wasserdampf ins Spiel, das wesentlich wichtigere Infrarotabsorbierende Gas. Leider ist er zugleich der wichtigste, eifrigste und quecksilbrigste Transporteur von Energie zwischen erwärmter Erde und kaltem All: durch ständige Verdampfung, Konvektion und Wolkenkondensation. Von einem ‹Treibhaus› ist nirgendwo etwas zu entdecken. Trotzdem wird gerne behauptet, CO2 wirke in der Atmosphäre wie eine reflektierende Glasscheibe, die die Infrarot-Strahlung zum Erdboden zurückschicke, der dadurch zusätzlich erwärmt würde. Das ist physikalischer Unsinn, da die Atmosphäre niemals die Erde rückerwärmen kann, solange jene normal aufgebaut ist, d.h. von unten nach oben kälter wird. Die einzige Möglichkeit bestünde darin, dass der Wärmerückfluss von der Erde ins All etwas gebremst wird. Das tritt zum Beispiel ein, wenn nachts eine dichte Wolkendecke besteht – das wäre mit einem Glashauseffekt vergleichbar. Reflektieren können nur Grenzflächen, niemals aber diffundierte Gase in Gasen. An dem Modell fällt dann auch auf, dass dieser natürliche Temperaturgradient der Atmosphäre durch den Treibhauseffekt erklärt wird, anstatt durch ein physikalisches Gesetz, das jeder Schüler lernt: die Proportionalität zwischen Druck und Temperatur. Wenn ich auf einen Berg steige, wird die Atmosphäre kälter, indem ihre Dichte abnimmt; der Druck, den sie durch ihr eigenes Gewicht in sich entwickelt, ist proportional zur Temperatur. Diese sog. adiabatische Erwärmung taucht im Treibhausmodell nicht auf!27 Diese und weitere Kritikpunkte wurden in der konzisen Arbeit der Physiker Gerlich und Tscheuschner gebündelt.28 Sie betonen, dass für den Energietransport in der Atmosphäre Strahlungsvorgänge – das Lieblingskind der Modellierer – eine ganz untergeordnete Rolle spielen gegenüber Wärmeleitung, Reibung, Verdunstung, Konvektion und Kondensation. Vermutlich handelt es sich hier um einen Konflikt zwischen Wärmelehre und Strahlungslehre – und zwischen empirischer und Modellwissenschaft. Außerdem formulieren sie eine Kritik an den mathematischen Formeln der Klimamodelle. Das lässt auch in demjenigen, der diese Mathematik nicht nachvollziehen kann, die böse Ahnung aufkeimen, dass hinter der Oberfläche der Professionalität und einschüchternder 'Computerintelligenz' mit atemberaubender Rechengeschwindigkeit banale Denkfehler und Mängel stecken können, die die so freigebig gewährte Autorität der Computeraussagen unterhöhlen können. Hier bestehen auch wissenschaftliche und zugleich technische Probleme, die nicht unterschätzt werden dürfen. Die Wolken sind ein Kernelement aller meteorologischen Vorgänge: Ausdruck der Transportvorgänge von Wärmeenergie, Wasser und Luft in der Atmosphäre. Sie haben variable Eigenschaften wie eine Albedo29, die von der Höhe und Zustandsform abhängt (hochliegende Infrarotstrahlung besonders gut und lassen sich leicht in Bewegung versetzen. Wir kennen dieses Phänomen auch aus dem Alltag: Im Mikrowellenherd versetze Strahlung Wasserteilchen in Bewegung.- In der Tat blieb unerwähnt, dass die absorbierte Infrarotstrahlung durch die Schwingungsanregung zu einem Teil thermalisiert wird. Das kann aber in einem Gas gemäß den Gasgesetzen nicht zu einer bleibenden Erwärmung führen: Erwärmung erzeugt Druck, dieser wird sofort durch eine Volumenzunahme kompensiert. Das gilt nicht in gleichem Maße für Flüssigkeiten im Mikrowellenherd; diesen Unterschied zwischen Gas und Wasser hat auch der Kritiker übersehen.- Der Vollständigkeit halber muss man ergänzen, dass in der unteren Atmosphäre wegen der geringen freien Weglänge für die CO2– Moleküle es eher zu Stößen und dabei zur Impulsweitergabe kommt als zur Abstrahlung (diese Bewegungen der Gasteilchen aber entspricht, wie gesagt, dem Phänomen ‹Wärme›). So wird praktisch die gesamte absorbierte Strahlungsenergie thermalisiert. 27 Thieme, H.: „Treibhauseffekt im Widerspruch zur Thermodynamik und zu Emissionseigenschaften von Gasen“, http://freenet-homepage.de/klima/index.htm (30.5.2008). 28 Gerlich, G. & R.D.Tscheuschner (9.9.2007): „Falsification Of The Atmospheric CO2 Greenhouse Effects Within The Frame Of Physics“. arXiv:0707.1161.- Siehe auch zusammenfassende Kritik der Computermodelle in W. Soon & S. Baliunas (2003): „Global warming“. Progress in Physical Geography 27(3), 448-55. 29 Albedo = ‹Weiße› ≈ die von einem Körper reflektierte kurzwellige Strahlung im Verhältnis zur einfallenden. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 7 von 20 Zirren wirken wie Wärmedecken, während tiefstehende Wasserwolken durch hohe Albedo ihrer weißen Oberflächen kühlend wirken). Als Körper sind die Wolken für die groben Datengitter der General Circulation Models (GCMs) zu klein, sie flutschen wie Heringe durch ein Netz, mit dem Tunfische gefangen werden. Außerdem sind die Datenpunkte beileibe nicht mit gleichförmiger Dichte über die Erde verteilt – auf der Südhalbkugel sieht es sehr dünn aus! Wolken sind damit der größte Stör- und Unsicherheitsfaktor der Klimamodellierung – und somit der Zukunftsprognostik, die auf diesen Modellen aufbaut. Quecksilber – das Bild ist nicht ganz ohne tiefere Bedeutung: ist es doch ein erdumfassender Merkurprozess der Vermittlung zwischen Erde und Kosmos, Schwere und Leichte, der zugleich chaotisch (Tageswetter) und gestaltet (große Strömungsgürtel, rhythmisch sich bildende Druckgebiete, ‹Selbstorganisation›) verläuft. Dieses merkurielle Geschehen wird in den Wolken sichtbar. Demgegenüber erscheinen die anmaßenden Computermodelle wie Hochhäuser in Treibsand… Die Albedo hat überhaupt einen wesentlichen Einfluss auf den Wärmehaushalt der Erde. Schon ein Abfall um 0,01 (1 = völlige Rückstrahlung) hätte denselben erwärmenden Effekt wie ein Forcing von zusätzlichen 3,4 W/m2, was der befürchteten Verdoppelung des CO2-Anteils entspräche. Das Satellitenprojekt CERES hat nun für den Zeitraum 2000 - 04 einen Albedo-Abfall von 0,0027 attestiert – wie der zustandekam, kann bisher keiner sagen. Seine Wirkung muss jedenfalls eine erwärmende sein. Bisher unberücksichtigt blieb auch, dass die Höhe des Grundwasserspiegels im Boden einen entscheidenden Einfluss darauf hat, ob eine Landschaft eine atmosphärische Erwärmung abpuffern kann oder nicht. Die General Circulation Models haben weitere Mängel: sie können die Hypothese des CO2Treibhauses nur per Indizienbeweis stützen. Dabei ist die Hilfshypothese unabdingbar, dass bestimmte Verstärkungs- und Rückkoppelungsmechanismen aus einem kleinen Anfang zusätzlicher Treibhauswirkung eine sich selbst in Gang haltende Erwärmung produzieren – häufig wird sogar eine galoppierende, inflationäre Erwärmung mit einer Schwelle angenommen, nach deren Überschreiten es keine Rückkehr gibt. Apokalyptisch! Hier tauchen aber zwei neue Probleme auf. 1. In der Erdgeschichte gab es Zeiten hoher und niedriger CO2-Werte in einem gewissen Zusammenhang mit Wärme- und Kälteperioden. Die genaue Analyse zeigt, dass die Erwärmungen immer dem CO2-Anstieg vorausliefen. Die Erdgeschichte tritt damit als Kronzeugin für einen Ursachenzusammenhang auf: Erwärmung → CO2. Das CO2 folgte brav wie ein Maultier (mit bis zu 800 Jahren Verzögerung) den Wärmeperioden.30 2. Nach diesen Wärmeperioden kamen aber regelmäßig wieder Abkühlungen, ohne Klimapolitik, ohne CO2-Verschluss in leeren Erdkavernen oder Benzinrationierung. Warum kam es durch die CO2-Erhöhung und die dadurch ausgelösten Rückkoppelungsmechanismen zu keiner Eskalation der Erwärmung, zu keiner Klimakatastrophe? Da die Betreiber der führenden Klimamodelle ihrerseits vehemente ‹Sonnenskeptiker› sind, bemühen sie sich nicht, Indizien zu finden für die Klimawirkung der Sonnenaktivität, bei der ebenfalls vermittelnde Prozesse zu berücksichtigen wären, die letztlich den Bedeckungsgrad albedostarker Wolkenschichten modifizieren, wie das in der Empirie und Theorie der Sonnenaktivitätsverfechter beschrieben ist.31 Nein, die Modellierer rechnen nur die Schwankung der Strahlungsintensität der Sonne (TSI) ein – um dann zu folgern, dass sie als Klimatreiber zu gering sei! – Was dessen ungeachtet für den potenten Einfluss der Sonne auf die Erwärmung der letzten Jahrzehnte spricht, sind zeitgleiche Erwärmungsvorgänge auf anderen Planeten (Neptun, 30 Petit et. al. (1999): "Climate and atmospheric history of the past 420 000 years from the Vostok ice core, Antarctica." Nature 399, 429-36, und viele weitere Arbeiten. 31 Siehe stellvertretend Calder & Svensmark a.a.O. für zahllose Arbeiten, die hier nicht aufgeführt werden können. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 8 von 20 Mars u.a.).32 IV. Soziologische und politische Wurzeln eines Alleingültigkeitsanspruchs Mittels moralischer Verstärkungsprozesse ist es zum politischen Agendapunkt Nummer 1 geworden, von vielen Grünen und Umweltverbänden unterstützt: Um die zahllosen Probleme überall auf der Welt zu lösen, müssen wir den Klimawandel aufhalten. Aber ist das schon Ökologie? Und ist es machbar? Wenn eine Theorie mit aller Kraft und mit geringen Argumenten zementiert wird, und zwar von übernationalem Plafond aus, muss das Gründe haben. 1. Weil es ein ganzes Geflecht zu sein scheint, steht vermutlich keine geschlossene ‹Verschwörung› dahinter, obwohl einer der Uranfänge der Klimapolitik der letzten 2 Jahrzehnte in dem Wunsch der Thatcher-Regierung wurzelte, die Kernenergie nach Tschernobyl zu rehabilitieren und die Kohleindustrie mit ihrer aktiven Gewerkschaft kleinzuhalten. Wenn kürzlich der ehemalige Vorsitzende von Greenpeace-England, Stephen Tindale, eine Art „religiöse Bekehrung“ eingestand, die auch andere Environmentalisten ergriffen habe: dass nur die Kernenergie die Chance biete, das cAGW aufzuhalten,33 ist damit die Katze aus dem Sack. Aber in diesem rumort noch anderes Getier. 2. Politisch ersehnte Wirkungen rücken in Reichweite: der moralische Druck erweicht den Widerstand gegen neue Steuern und bringt das Gewissen der Industriestaaten in eine Schieflage gegenüber den Entwicklungsländern, was die Bereitschaft zu hohen Finanzhilfen im Sinne der Klimagerechtigkeit ermöglicht. Außerdem ist die Klimapolitik ein wunderbares Werkzeug, was Jacques Chirac 2000 in ganz unverblümter Weise formulierte: Kioto repräsentiere "die erste Komponente einer beglaubigten Weltregierung". 3. Wer als Wissenschaftler das cAGW bejaht, dem sind Forschungsmilliarden und der Zugang zu den Publikationsorganen gesichert. Was allein so ein Klimarechner kostet, wie er etwa im PIK in Betrieb ist! Dieses Geld kommt unter anderem von der deutschen Bundesregierung (auch die klimapolitisch sehr agilen Rückversicherer sollen das Institut fördern). Offen ist aber auch der Weg in die großen Medien, in denen man dann ‹gehört› wird. Nun, Ehrgeiz ist menschlich. Also wird eingestimmt, teilweise himmelschreiend plakativ! Von daher stammen Pressemitteilungen wie „Abtauen Grönlands hat ein bedrohliches Ausmaß angenommen“. Der Glaube, das ‹PeerReviewing› bei Fachzeitschriften (die Begutachtung einer eingereichten Arbeit durch von der Redaktion herangezogene Fachleute) gewähre objektive Wissenschaft, weil die Reviewer unparteiisch seien, ist zu belächeln. Sie sorgen eher dafür, dass Außenseitern und antidoktrinären Einwürfen die Publikation verwehrt wird. So formt sich Faktor 4: 4. Gruppenzwang der Meinungsbildung in der Wissenschaft – kein Novum an sich! Es ist schwer, gegen den Strom zu schwimmen, vor allem bei beruflich negativen Auswirkungen und wenn man sogar öffentlich verbal bedroht wird, wie das der Fall ist. Die Toleranz ist am Ende, weil die UN ja erklärte, die Diskussion sei zu Ende: ‹Skeptiker› gehören daher international abgeurteilt! Wissenschaft – Geistesleben – wird durch demokratische Abläufe und Verhaltensregeln deformiert. Der IPCC-Prozess der Begutachtung ist das beste Beispiel hierfür. Hier wird über Wahrscheinlichkeiten von Aussagen abgestimmt. Leider ignoriert das die Öffentlichkeit, wenn sie aus einem „zu 60% wahrscheinlich“ ein „es wird!“ macht, und wenn sie alle Stellen, wo für 32 Hammel, H.B. & G.W. Lockwood, “Suggestive correlations between the brightness of Neptune, solar variability, and Earth's temperature.” Geophysical Research Letters 34, 19.4.2007. 33 The Independent, 23.2.2009. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 9 von 20 zentrale Fragen ein unzulänglicher Erkenntnisstand eingeräumt wurde, überliest.34 Durch ‹Demokratie› wird der Mut zu individueller Evidenzfindung und zu kritischem Abstand von ‹anerkannten Auffassungen› erstickt. 5. Leider scheint das hochspezialisierte Expertentum diese geistige Herdenbildung zu fördern. Bei vielen basieren die Voreiligkeiten ihrer Schlussfolgerungen auf mangelnder Umsicht und Unkenntnis alternativer Literatur außerhalb des eingenommenen Blickwinkels, vielleicht auch auf ‹selektivem Sehen› - und auf vorauseilendem Gehorsam, die These des cAGW zu bejahren. 6. Es gibt noch ein weiteres Element, das an sich keineswegs nur negativ zu bewerten ist, nämlich das global wachsende Bewusstsein von den Schäden, die wir der Erde zufügen. Leider hat das die Form eines neurotischen schlechten Gewissens angenommen (was wiederum für die Faktoren 1. und 2. empfänglich macht), so dass sich die irrationale Meinung epidemisch verbreitet, der Mensch habe das Klima zerstört. Das in Verbindung mit rückgewandten Empfindungen – Zivilisationsfeindlichkeit, Ablehnung der Technik, „Zurück zur Natur!“ – bildet eine breite Gefühlsbasis für die Akzeptanz des Vorwurfs: „Ihr im Westen/ihr Autofahrer/ihr Bauer von Kohlekraftwerken seid die Zerstörer der Erde!“ Und wehe, man widerspricht! Dann hat man schon das Urteil über sich selbst gesprochen. Moderatere Verteidiger derzeitiger Klimapolitik sagen häufig, es sei zwar zugegebenermaßen noch nicht alles wissenschaftlich geklärt, aber auf das Endergebnis dürften wir nicht warten. Mit dieser Doktrin werde wenigstens etwas in Bewegung gebracht, denn es müsse doch in ökologischer Hinsicht (oder mit den Autofahrern) endlich etwas geschehen… Eher selten folgt noch ein Nachsatz: und außerdem sei wegen des drohenden Auslaufens der Erdölvorräte sowieso ein Umstieg auf erneuerbare Energien notwendig. Die Frage muss lauten: Warum nennt man dann das Kind nicht beim Namen? Wir passieren vermutlich gerade den Peak Oil und sollten uns bewusst auf eine neue Energiezukunft vorbereiten – wäre das eine unmoralische Botschaft? Wenn Forschung und Entwicklung im Bereich erneuerbare Energien forciert werden müssten35, warum dann durch eine Strafsteuer für CO2-Ausstoß, wie geplant?36 Währenddessen hat zum Beispiel der Energieanbieter Eon 2008 fast 10 Mia Euro verdient. Und warum spricht man bei sämtlichen ökologischen Desastern zwischen Himmel und Meeresgrund fast nur noch von der Ursache des erhöhten Treibhauseffekts oder der Klimaerwärmung und erklärt die CO2-Reduktion zum ökologischen Allheilmittel, was in Wirklichkeit unverantwortliche Irreführung ist – aber ein bequemes Ruhekissen für diejenigen, die an den wahren Ursachen beteiligt sind? Was durchaus auch uns selbst betreffen kann. Hier wirkt ein weiterer Faktor mit: 7. All-Erklärungen sind ungemein bequem und suggestiv – gerade auch im Munde des Politikers –, und Metaphern, die auch nur eine Viertelswahrheit enthalten, verholzen in den Köpfen, sind nicht wieder rauszubringen. Wenn CO2 für alles verantwortlich gemacht werden kann, hat man die einfachste Lösung sofort vor Augen: Das alles wird durch ein ‹Treibhaus› bewirkt, wie heute jedes Kind lernt (ganz gleich, was die Schulphysik dazu zu sagen hätte; in ihren grundlegenden Lehrbüchern steht nichts darüber!). 8. Das ‹Treibhaus› ist eine richtige Metapher – aber falsch angewendet. Sie muss auf ein unbewusstes Gespür treffen, da wir geistig in der stickigen Atmosphäre selbstgezimmerter Vorstellungen leben, die keinerlei Anschluss mehr an den geistigen Kosmos haben, nicht einmal an Phänomene. Die Modelle, mit denen häufig Natur allein noch begriffen wird, sind Ergebnisse 34 IPCC 2007, WG1-4AR, Tab. „Komponenten des Strahlungsantriebs“: das „Ausmaß des wissenschaftlichen Verstehens“ wird als „niedrig“ angegeben für: Bestrahlungsstärke der Sonne; Wasserdampf aus CH4 in Stratosphäre; Aerosole in Form rückstreuender Wolken; Kondensstreifen (unbedeutend). „Mittel bis niedrig“ für: Oberflächenstreuung durch Bodennutzung und Ruß im Schnee; direkte Wirkung der Aerosole. 35 Aussage eines Nicht-Skeptikers: H. Grassl, „Klimawandel“, S.124. 36 Näheres hierzu in der Rezension zu „Cool it!“ Siehe S. ... in diesem Heft. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 10 von 20 fortgesetzter, in sich kreisender Reflexion. Die atemschenkende Erdatmosphäre ist hingegen schuldlos an diesem Bild. – Ist es da seltsam, dass die Treibhaus-Verehrer gerade jene Forscher bekämpfen, die mit einem neuen Staunen den Blick wieder in den Kosmos weiten? Wenn sie dies zunächst auch nur im Hinblick auf seine feinmaterielle und untersinnliche Wirksamkeit tun: das irdische Klima wird nach ihrer Ansicht von der magnetischen Aktivitätsänderung der Sonne im Wechselspiel mit der hochenergetischen materiellen Strahlung aus dem Fixsternkosmos beeinflusst, was die Kenntnisse über Klimaänderungen in großen geologischen Epochen bestätigen können (‹dänische Schule›). Von dieser Seite wird etwas ausgesprochen, was nachgerade anthroposophisch klingt: dass man die Erde als einen Teil des Kosmos sehen müsse. – Lange vor der Entdeckung von Sonnenwind und kosmischer Strahlung sprach Rudolf Steiner über Sonnenflecken in Verbindung mit Witterungsveränderungen und außerdem von „elektrisch-magnetischen Strömungen im Weltenall“, die wirksam seien.37 Bei den cAGWVertretern ist diese Erkenntnisstimmung völlig erloschen. Ohne das Vertrauen in die sich selbst regulierende Macht der Prozesse, die zwischen Meer, Atmosphäre und Land ablaufen – abstrakt als ‹Klimasystem› bezeichnet –, droht panische Hysterie. Sie versteigt sich bis zu Vorstellungen wie „Unser Planet in Flammen!“ oder „The Day after Tomorrow“ – die neue Eiszeit als Paradoxon der Klimaüberhitzung. Inzwischen haben gerade die Computersimulationen die AGW-Vertreter neu belehrt, nachdem es immer mehr gelingt, jene Rhythmen der Selbstregulation des Klimasystems aus den Daten der Vergangenheit zu erfassen. Das führte vor etwa einem Jahr zu der Mitteilung, dass im kommenden Jahrzehnt vermutlich keine Erwärmung stattfinden wird, trotz kontinuierlichem CO2-Anstieg. Die Klimahysterie wird sich daher wohl abkühlen können. V. Müssen wir – können wir das Klima retten? Was ist sinnvoll? Was den Erkenntnisstand betrifft, müssen wir also Geduld üben; ein Konsens besteht nicht. Aber müssen wir nicht versuchen, den fortschreitenden Klimawandel aufzuhalten? Der Wirtschaftswissenschaftler Bjørn Lomborg ist nicht der einzige, der das Drehen an der großen CO2Schraube nicht für sinnvoll hält und das präzise begründet (siehe S. ... in diesem Heft). Aber was dann? Hände in den Schoß legen? Keineswegs: man sollte vor Ort schauen, wo die Ursachen einer Malaise liegen – sowie natürlich in den globalen Verflechtungen, Abhängigkeiten und Zwängen. Einige Beispiele zum Abschluss: Sahelzone Wirkungsvoll wäre es, die Abholzung der afrikanischen Regenwälder zu stoppen. Regional zugeschnittene Klimamodelle deckten den Zusammenhang zwischen den Abholzungen in Westafrika und dem Fortschreiten der Sahelzone auf. Ähnliches gilt für Brasilien (Amazonien), wo sich bereits außergewöhnliche Dürreperioden zeigen, die mit dem rasend voranschreitenden Flächenverlust an Regenwald zusammenhängen. Wer sich klarmacht, welch zentrale Rolle Wälder in regionaler und zonaler Dimension bei der Regulation und Stabilisierung des Wasserkreislaufs Erde - Atmosphäre spielen, dem kann das einleuchten. Zusätzlich wäre es eine billige und für die Anwohner im Niger selbst nutzenbringende Strategie, sie in der Sahelzone Bäume pflanzen und Baumkeimlinge pflegen zu lassen. Eine jüngste Studie zeigte, dass damit Bodenerosion und Austrocknung verhindert und der landwirtschaftliche Anbau unterstützt werden. Außerdem bieten 37 Steiner GA 354, Arbeitervortrag, 13.9.1924. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 11 von 20 diese Bäume später Schatten und Brennholz. Küstenstädte Regionen in flachen Deltagebieten sind nicht allein durch höhere Meeresspiegel oder durch an Gewalt zunehmende Tropenorkane gefährdet. Das Hochwasser des Brahmaputra, das beim Zusammentreffen der Frühlingsschmelze aus dem Himalaya mit einem vom Meer herandrängenden stürmischen Monsun entsteht, ist jedes Jahr viele Meter hoch und überschwemmt weite Teile von Bangladesch – das würde durch eine Handspanne Meeresspiegelerhöhung unwesentlich verschlimmert. Was das Eindringen des Meeres stark fördert, sind zerstörte Mangrovengürtel vor tropischen Flußdeltas und Küsten – aus ihnen wird Brennholz und an ihrer Stelle werden Häfen gebaut, werden Krabbenfarmen angelegt, die nach wenigen Jahren wieder aufgegeben werden müssen (das Klima ist für Krabben eigentlich ungeeignet). Das Problem ist die wissentliche Besiedlung von Überflutungszonen – den Ärmsten der Armen bleibt oft nichts anderes übrig. Hier müsste Entwicklungshilfe ansetzen. Hochgebirge Auch in den Hochgebirgen hängt der Wasserkreislauf, der letztlich auch die Gletscher speist, mit der Waldvegetation zusammen. Immer wieder stoßen wir auf die ökologische Bedeutung des Waldes.38 Merkwürdigerweise wird nicht einmal in Bezug auf die CO2-Reduzierung auf die erstrangige Aufgabe hingewiesen, die Brandrodungen in den Tropen zu stoppen, produzieren sie doch so viel CO2 wie der gesamte Weltverkehr. Dazu noch Smog, irreversibles Artensterben und die Vertreibung indigener Völker… Meere Was die ‹Versauerung› der Meere betrifft und die Zerstörung von Korallenriffen, wäre zu prüfen, ob die wahren Ursachen nicht regionale Überdüngung mit Nitraten und Phosphaten oder die Verschmutzung sind, dazu Tourismus und Schiffsverkehr. Überdüngung, Lebensraumzerstörung und Unkenntnisse sind die vom Menschen ausgehenden Hauptbedrohungen für Tiere – nicht der Klimawandel.39 Die ‹Todeszonen› am Meeresboden vor manchen Küsten – etwa im Schwarzen Meer vor der Donaumündung – sind das Endergebnis der Eutrophierung, zurückzuführen auf die in den Fluss eingeleitete Gülle der Massentierhaltung und die Bodenauswaschung aus der Intensivlandwirtschaft. Diese Beispiele mögen genügen. Ich persönlich finde es unmoralisch, durch das CO2Reduzierungsgetöne von diesen Ansatzmöglichkeiten abzulenken und auf den Effekt des Drehens an der Großen Schraube zu warten. […] Was das irdische Klima betrifft, scheint es mir ein Zeichen des Größenwahns zu glauben, wir könnten das global ‹bremsen› oder lenken. Nicht dass wir nicht überall darauf Einfluss hätten: durch die Veränderungen in der Landschaft, durch Eingriffe in den Wasserhaushalt usw. Aber man 38 Bradshaw, C.J. et.al., “Global evidence that deforestation amplifies flood risk and severity in the developing world”, Global Change Biology 13 (11), 2379-95, online: 21.8.2007. 39 Kinzelbach, Ragnar: „Der Treibhauseffekt und die Folgen für die Tierwelt. Klimawandel – ein Feigenblatt?“, Biologie in unserer Zeit, 4-2007 (37). Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 12 von 20 kann nicht ernsthaft vorhaben, Prozesse nach eigenem Gutdünken zu lenken, von denen selbst Zentrales bislang nur partiell verstanden ist – etwa die Entstehungsweise eines Tiefdruckgebietes oder die Wirkung der Wolken!40 Das CO2 spielt nach allem, was wir zusammentragen können, höchstwahrscheinlich nur eine sehr untergeordnete Rolle. Es gehört nicht zu den primären Faktoren, die das Klima bestimmen; es wird aber selbst von ihnen bestimmt.41 Das Gas, aus dem die Pflanzen ihren Kohlenstoff verdichten, ist kein Klima-Killer – was für eine irrwitzige Verdrehung! Die Idee des gefährlichen Treibhauses, aus dem spekulativen Geist des 19. Jahrhunderts geboren (Fourier, Arrhenius), aber schon bald widerlegt, sollte besser auf ihre tieferen Dimensionen als imaginative Zustandsbeschreibung unserer Weltgesellschaft untersucht werden. Und – wir haben anzuerkennen, wie die Geschichte des Klimas die Menschheitsgeschichte getragen, begleitet und bestimmt hat. Das würde unsere ahistorische Blickenge weiten und sogar zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl von Menschheit und Erde führen. Was etwa wäre aus dem Hochmittelalter geworden ohne die bedeutende Medieval Warm Period? 40 41 Schröder, P.(1997): „Atmosphärische Zirkulation“, S.41, 54 u.a. Ferguson, P.R. & Ján Veizer, „Coupling of water and carbon fluxes via the terrestrial biosphere and its significance to the Earth's climate system“, Journal of Geophysical Research 112, 2007. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 13 von 20 Was wir stattdessen tun können Mit dem Thema Klimawandel können Politiker endlich wieder das Gefühl von Größe geniessen und einen Zugang zum Herzen ihrer Wähler finden – und manche Steuer wird populär, obgleich ihre wahre Bestimmung verborgen bleibt. In einer Internetliste findet man über dreihundert Probleme, die dem Klimawandel zugeschrieben werden – alle sollen durch die möglichst ‹drastische› Reduktion des CO2-Ausstosses bewältigt werden, so das Versprechen der Politiker, von denen sich die grüne Bewegung heute links überholt sieht. Die Frage ist, ob man mit Kioto diese Probleme wirklich beheben kann oder ob das Geld zum Fenster hinausgeworfen ist und in unerwünschte Kanäle gelangt. Das Gerede von der CO2Reduktion hat sich so weit verselbständigt, dass man vergessen hat, worum es ursprünglich ging: Die Qualität des Lebens und der Umwelt zu verbessern. Schafft das Kioto? Dieser Frage geht der Weltruf geniessende Ökonom Bjørn Lomborg nach. Ein Drittel seines Buches besteht aus Kommentaren, Literaturnachweisen und Index. Und der Text selbst ist reich an konkreten Beispielen und vor allem Zahlen. Es ist ein optimistisches Buch, voll von Anregungen und Impulsen für konkretes Handeln, das zu allererst einmal das Feld für nüchterne Erwägungen bereinigt. Die Übertreibungen und Verzerrungen der Klimadiskussion und die vielen Märchen, mit denen uns die Presse füttert, werden aufgedeckt – das vom Aussterben der Eisbären ist nur eines. Damit sind wir bestens ausgerüstet für eine fundierte Argumentation. Und die brauchen wir, denn das Hauptfazit des Buches lautet: Wer sich nicht nur gut fühlen will, sondern wirklich Gutes erreichen möchte, der plädiert für das Aufgeben von Kioto, denn selbst im Bestfalle wird der positive Effekt marginal sein. Stattdessen werden wir uns für die weltweite konzertierte Förderung von Forschung und Entwicklung an den erneuerbaren Energien einsetzen müssen. An der hapert es nämlich erstaunlicherweise. Die bei Kioto eingesparten Milliarden aber sind für einzelne zweckgerichtete Strategien einzusetzen. Dazu müssen wir die effektivsten Wege zur Bewältigung künftiger langfristiger Klimaveränderungen suchen. Im Sinne des positiven Ansatzes hat Lomborg in diesem Buch auch ein Nebenanliegen. Wir sind dressiert, auf übertriebene Alarmrufe zu hören und übersehen dabei, dass durch die Erwärmung sich auch manches zum Besseren wenden wird. Dadurch fixiert sich der Blick auf falsche Lösungen. Lomborg möchte diese erhitzte Debatte abkühlen und die Wahrnehmungsverzerrung korrigieren. Die Hitzewelle von 2005 dient als Exempel. Sie kostete in Europa 35 000 Leben. In Europa sterben jährlich 200 000 Menschen an Hitze – aber etwa 1,5 Millionen durch extreme Kälte. Eine Erwärmung kann diese traurige Bilanz nur verbessern. Ein Positives am Klimawandel: die Minimaltemperaturen werden mehr zunehmen als die Maximaltemperaturen – also nachts und im Winter. Selbst in Indien und China wird durch eine Erwärmung die Abnahme der Kältetode das Plus an Hitzeopfern im Verhältnis von 9 : 1 überwiegen. Nur in Afrika sieht die Bilanz negativ aus. Was könnte Kioto ausrichten? Um 4000 Menschen in den Entwicklungsländern vor Hitze zu retten, müssten mehr als 80 000 Kältetode in der Ersten Welt in Kauf genommen werden und 1 Billion Dollar ausgegeben werden. Sind solche Rechnungen ‹unmoralisch›? Anders gefragt: ist blindes Handeln besser? Die gefürchtete Temperaturerhöhung um mehrere Grad hat man übrigens längst erlebt: in den Großstädten. In Los Angeles liegen die Maximal/Minimaltemperaturen um 2,5°/4° über dem Durchschnitt. Ohne an der CO2-Schraube drehen zu müssen, könnte sich Los Angeles Kühlung verschaffen: mit 1 Mia Dollar für Baumpflanzungen und hellere Anstriche (zur Erhöhung der Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 14 von 20 Albedo – siehe S. ... in diesem Heft) würden jährlich 170 Mio Dollar für den Klimaanlagenbetrieb eingespart. Diese Maßnahmen wären in weniger als sechs Jahren amortisiert. Mit offenen Augen handeln wollen: das heißt auch, nach den wahren Kosten von Kioto zu fragen: die führenden makroökonomischen Modelle zeigen jährliche Kosten von rund 180 Mia Dollar, entsprechend 0,5% des Bruttosozialprodukts weltweit. Die Gesamtkosten im 21. Jahrhundert belaufen sich auf über 5 Billionen Dollar. Der Erfolg? Es erbrächte im besten Fall fünf Jahre Aufschub, die Verzögerung der erwarteten Erwärmung um etwa 2,5° C von 2100 auf 2105, oder eine um 0,16° verringerte Erwärmung im Jahr 2100 (vorausgesetzt, die Modellrechnungen stimmen). Der ehrgeizige Plan wird aber durch den Mehrausstoß in China, Indien u.a. mehr als kompensiert werden. Das Endergebnis könnte auf wenige Prozent CO2-Reduktion zusammenschmelzen. Kioto ist teuer durch ineffektive erzwungene Sparmaßnahmen und dadurch, dass das Geld nicht dorthin gelangt, wo es gebraucht wird. Vielen ist das klar, aber sie sehen die Lösung leider nur in noch schärferen Restriktionen. Sie liebäugeln mit einer CO2-Steuer: angefangen von moderaten 2 Dollar pro Tonne über 25 (EU-Pläne) bis zu 80 Dollar bei ganz radikalen Weltverbesserern. Mit einer 2 Dollar-Besteuerung könnte man den Ausstoss bis 2100 vielleicht um 5% verringern und die Temperatur um 0,08° C senken – ein äußerst geringer Erfolg. Also warum nicht diese neue Schraube fester anziehen? Aber hier bestehen zwei Probleme. Zu diesem immens hohen Preis ist den Millionen Menschen, die in Armut leben, Wassermangel erleiden, an überschwemmungsbedrohten Küsten wohnen oder an heilbaren Krankheiten sterben, nicht geholfen – während man dies mit einem Bruchteil jener Kosten erreichen könnte. Zweitens: eine 'Verschmutzungssteuer' für CO2 klingt vernünftig nach 'Verursacherprinzip'. Aber wie ermisst man den Schaden von einer Tonne CO2? Eine entmutigende Frage ohne klare Antwort – vor allem bei Einbezug der kritischen Erwägungen über die Rolle, die das CO2 beim Klimawandel tatsächlich spielt (was Lomborg nicht einmal berücksichtigt). Und bei Einbezug der Tatsache, dass das CO2 als Minimumfaktor der Photosynthese bei seiner Zunahme auch das Pflanzenwachstum fördern kann. Die Rolle des CO2 ist ungesichert, kontrovers.42 Könnte man daher nicht sinnvollere Maßnahmen ergreifen, da wo gesichertes Wissen vorliegt? Selbstverständlich. Dieser Meinung waren übrigens auch Ökonomen, die sich 2004 im Rahmen des Kopenhagen-Konsensus äusserten (darunter mehrere Nobelpreisträger). Als beste Investitionen sahen sie Maßnahmen zur Kontrolle von AIDS und Unterernährung an – als schlechteste: Kioto und CO2-Besteuerung. An Unterernährung sterben jährlich 4 Millionen Menschen. Jede Investition in Klimaschutz, die eine Person vor dem Hunger bewahrt, könnte bis zu fünftausend Menschen retten, wenn das Geld direkt für Ernährungsmaßnahmen eingesetzt würde. Außerdem wird der projizierte Klimawandel nicht zu dem dramatisierten Rückgang der Nahrungsversorgung führen (ein weiteres Schauermärchen), sondern nur regional zu relativ geringen Einbußen. Man beachte: die Verfügbarkeit von Nahrung hat in den vergangenen vierzig Jahren (fünfundzwanzig davon mit ‹Klimawandel›) dramatisch zugenommen! Der Anteil der Unterernährten nahm von 40 % auf 17 % ab. Die Produktivität der Erde wird sich noch mehr als verdoppeln lassen, das sagen alle Modelle. Hunger leiden die Menschen nicht nur, weil sie keine Nahrung anbauen können, sondern auch weil sie zu arm sind, um eine Nachfrage nach mehr Produktion hervorzurufen. Da ist Kioto keine Hilfe. Wasserversorgung: Die Himalaya-Gletscher schwinden bekanntlich. Fehlen sie ganz, könnte die Wassermenge über das Jahr summiert zwar die gleiche bleiben (!), aber sich ungünstiger verteilen. Muss man deshalb den Klimawandel aufhalten? Durch eine verbesserte Wasserspeicherung kann das Problem wirkungsvoll behoben werden. Entgegen verbreiteter Ansicht wird das WasserProblem der Zukunft weniger von absolutem Mangel verschärft werden als vielmehr durch 42 Vgl. auch M.Kalisch, „Fragliche Steuer auf CO2-Ausstoss“, Das Goetheanum Nr.12, 20.3.2009. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 15 von 20 Missmanagement. Auch hier kann man lokal gezielt handeln. Oder nehmen wir das Beispiel Malaria: jährlich werden 500 Millionen Menschen neu infiziert, eine Million Menschen sterben. Über Malaria herrschen leider ganz falsche Vorstellungen. Der Parasit stirbt erst unterhalb 16° C. Seine Verbreitung erstreckte sich noch vor nicht allzu langer Zeit über England, Holland (letzte Epidemie 1943 - 46), Mittel- bis Nordeuropa und 36 US-Bundesstaaten. Wenn heute die klimabedingte Gefahr eines Zuwachses der potenziell Gefährdeten um 300 Mio Menschen an die Wand gemalt wird, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch infiziert werden. Heute sind 84% der Weltbevölkerung potenziell gefährdet! Während der bisherigen globalen Erwärmung hat die Malariaausbreitung aber abgenommen. Die Infektionsrate wächst mit der Armut, mit einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung, dem Fehlen von Moskitonetzen oder mit dem Vorhandensein von Feuchtgebieten. Mit 13 Mia Dollar Direktaufwand könnten die Hälfte der Leben und fast 90% der neugeborenen Infizierten gerettet werden, zeigt Lomborg. Das ist 20 000 mal effektiver als das Drehen an der Großen Schraube. – Unterschiedliche Wege der gesellschaftlichen Entwicklung werden kritische Problemkreise wie Malaria, Unterernährung, Wasserversorgung stärker beeinflussen als der Klimawandel. Wie sieht Lomborg die wachsende Gefahr von Überschwemmungen und Meeresüberflutungen? Wahr ist: Auch ohne globale Erwärmung wird die Opferzahl wachsen, weil die Erdbevölkerung wächst und weil Küstenregionen überproportional attraktiv sind. Für mehr als 180 der 192 Nationen würde ein fast vollständiger Küstenschutz nur weniger als 0,1% des Bruttosozialprodukts beanspruchen. Der teure Kioto-Effekt hingegen erreicht bloss, dass eine bestimmte Meeresspiegelhöhe um wenige Jahre verzögert erreicht wird. Lohnt das? Vernünftiger wäre es, die staatlich geförderten Billigversicherungen für die Ansiedlung in Risikoregionen zu reduzieren! Und einen Dollar auszugeben für Überflutungsmanagement von Flüssen ist 1300 mal effektiver als ein Dollar für Kioto mit derselben Bestimmung. Was ist mit den Hurrikans? Die Erdbevölkerung hat sich seit 1950 verzweieinhalbfacht. Hurrikans einer Stärke, wie sie bereits in der ersten Jahrhunderthälfte auftraten, würden heute größere Verheerungen anrichten als Katrina! Bei bleibender Wachstumsrate werden die Hurrikanschäden sich alle zehn Jahre verdoppeln, um 2050 wären also schon um 500 % höhere Schäden zu erwarten – durch Kioto könnte dieser Betrag nur um 10 % reduziert werden. Lohnt das? Zusammengefasst: Kioto ist erstens eine schlechte Investition, zweitens wird es mit steigenden Kosten zunehmend schwierig, Menschen von seiner Notwendigkeit zu überzeugen – immer mehr werden abspringen oder Schlupflöcher suchen. Drittens kann CO2 letztlich nur durch den Übergang in eine nichtfossile Energiezukunft wirksam reduziert werden. Hier wird nun argumentiert, Kiotos Emissionsrestriktionen wären ein starker Anreiz zu Investitionen in Forschung und Entwicklung für erneuerbare Energien. Aber wenn wir diese Technologien wirklich wollen, müssen wir sie direkt fördern. Im Kiotoprozess sind nämlich keinerlei Rückstellungen dafür vorgesehen! Seit den 1980ern sind die entsprechenden Aufwendungen sogar zurückgegangen. Obwohl also die globale Erwärmung – und erst recht das Auslaufen des Erdöls – danach schreit, dass in erneuerbare Energien investiert wird, zielt Kioto daran vorbei. Lomborgs Hauptvorschlag ist eine primäre Förderung von Forschung und Entwicklung, und zwar durch Aufwendungen in Höhe von 0,05% des Bruttosozialprodukts. Er spezifiziert sogar die Anwendung: Grundlagenforschung – Demonstration vielversprechender Technologien in Pilotprojekten – öffentlich-private Partnerschaften zur Stützung hochriskanter Unternehmungen (wie vergleichsweise im pharmazeutischen Sektor bei der Entwicklung von Impfstoffen für Tropenkrankheiten praktiziert) – Ausbildungsprogramme, um die Zahl der Wissenschaftler und Ingenieure zu fördern – Preisausschreibungen für herausragende Leistungen – Fonds für internationale Zusammenarbeit – internationale Forschungszentren zum Aufbau einer globalen Innovationskapazität (wie in der Landwirtschaftsforschung seit Beginn der Grünen Revolution). Und dafür Kioto aufgeben. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 16 von 20 Man wird gegen Lomborg sicherlich den bekannten Stern-Report ins Feld führen, der doch gezeigt habe, wie billig es werde, mit strengem Vorgehen im Sinne Kiotos den Klimawandel aufzuhalten – nur 1% des Bruttosozialprodukts, während ein ungebremster Klimawandel 5 – 20 % kosten würde. – Mittlerweile sind eine Reihe von akademischen Reaktionen erschienen, die die Wahrheit ans Licht bringen: „ein politisches Dokument“, „inkompetent“, „rechnerisch fehlerhaft“, „weder ausgewogen noch glaubwürdig“ sei der Stern-Report. Im Stile eines Schreckensszenarios werden die projizierten Schäden des Klimawandels weit übertrieben, ebenso der Nutzen der KiotoAktionen – während die Kioto-Kosten drastisch verharmlost werden. Ein tendenziöses Gefälligkeitsgutachten wie zur Zeit des Aufstiegs der Kernenergie! Bjørn Lomborg: Cool it! Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten, Bertelsmann Verlag, München 2008/9 (272 S., Fr. 24.90 / € 16.95) Cool it. The Skeptical Environmentalist´s Guide to Global Warming, A.A.Knopf Books, Random House, New York 2007 (€ 16.99) Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 17 von 20 Einige Buchempfehlungen – Lesevorschläge Calder, N. & H.Svensmark (2007): “The chilling Stars. A new Theory of Climate Change”, Icon Books Cambridge. Neuerdings auch auf Deutsch (Übers. Helmut Böttiger, 2008): „Sterne steuern unser Klima. Eine neue Theorie zur Erderwärmung“, Patmos Verlagshaus, ISBN 3491360129, geb. 251 Seiten. Klimaschwankungen hat es immer gegeben. Die Forschungsergebnisse des renommierten dänischen Physikers Henrik Svensmark belegen, dass Klimaschwankungen viel stärker durch die kosmische Strahlung in Wechselwirkung mit der aktiven Sonne als durch den Kohlendioxidausstoß hervorgerufen werden. Je nachdem, wo sich unser Sonnensystem auf seiner geologische Zeiträume überspannenden Wanderung durch unsere Milchstraße befand, war es dem Teilchenschauer explodierender Sterne (früher ‹Höhenstrahlung› genannt) mehr oder weniger ausgesetzt. Diese kosmische Strahlung induziert in unserer Atmosphäre Wolkenbildung, indem sie Kondensationskeime entstehen lässt. Mehr Wolken über längere Dauer führen zu sinkenden, weniger Wolken zu steigenden Temperaturen. Das gilt auch für das 20. Jh., das von einer außerordentlich gesteigerten Sonnenaktivität geprägt war und darum eine Erwärmung erfuhr. Svensmarks Erkenntnisse haben eine brisante wissenschaftliche Debatte ausgelöst und geben der aktuellen Klimadiskussion neuen Anstoß. Zur Darstellung dieser Theorie s. auch Michael Kalisch, „Eine alternative Klimatheorie. Der Kosmos dirigiert das Klima“, in Das Goetheanum, 87. Jhg., Nr. 14, 4.4.2008. Ergänzend hierzu ist auch interessant Nigel Calder (1997): “Die Launische Sonne widerlegt Klimatheorien“, Böttiger Verlags-GmbH Wiesbaden, 211 S. Calder ist (entgegen anderslautender Vorwürfe) ein dezidiert von jedem Lobbyismus unabhängiger Wissenschaftsjournalist, er war einige Zeit Herausgeber des New Scientist. Er schildert hier die Geschichte der Forschung der dänischen Forscher Svensmark, Friis-Christensen u.a. über den Zusammenhang zwischen Sonnenaktivitätszyklen und Klimaschwankungen, ihre Entdeckungen und Widerstände, die sie bei der Publikation ihrer Arbeiten hatten. Michaels, Patrick J. & R.C.Balling (2009): „Climate of Extremes. Global Warming Science They Don´t Want You to Know”, Cato Inst. Washington DC. 268 S. Obwohl die Autoren die Treibhausthese nicht in Frage stellen, sondern lediglich die Bedeutung des CO2 für überschätzt halten, bietet dieses aktuelle Buch außerordentlich viel wertvolles Material, das unser Bild von den tatsächlich stattfindenden Veränderungen infolge des Klimawandels wie auch von den zu erwartenden Entwicklungen des 21. Jahrhunderts gehörig revidiert. Dabei wird vor allem auf die Themen Durchschnittstemperatur, Schmelzen der Polkappen, Zunahme der Stärke von Hurrikans und Orkantiefs, Zunahme von Extremniederschlägen, Dürren und Bränden fokussiert. Es konfrontiert die in die Öffentlichkeit lancierten, ‹politisch korrekten› Darstellungen vom Klimawandel mit Veröffentlichungen aus Fachzeitschriften oder Datensammlungen, die (mit Absicht oder versehentlich) unberücksichtigt blieben oder auch unrichtig zitiert wurden, welche die aufgestellten Behauptungen korrigieren oder sogar widerlegen. Das Buch ist nicht polemisch, sondern eine sachliche und aufklärende Analyse. Eine der erstaunlichsten Erkenntnisse dürfte Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 18 von 20 sein, dass das ‹global warming› unserer Vorstellung sich in einen regional außerordentlich differenzierten Vorgang auflöst, bei dem jene Regionen das stärkste Erwärmungssignal zeigen, in denen sich der Industrialisierungsprozess vollzogen hat – wobei dies nicht etwa ein Maß für einen regional unterschiedlich zugenommenen ‹Treibhauseffekt› ist, sondern auf Veränderung der Erdoberfläche durch den Menschen zurückzuführen ist! Nicht industrialisierte Regionen, oder anders gesagt solche, die durch Armut geprägt waren und sind (Afrika und große Teile Südasiens), zeigen währenddessen eine wesentlich geringere oder keine Veränderung der Durchschnittstemperaturen – von einer ‹Erderwärmung› zu sprechen ist also eine fable convenue. Josef H.Reichholf: „Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends“, S.Fischer Verl. 2007, 336 S., ISBN 978-3-10-06294-5, 19.90 € Besprechung s. Michael Kalisch, „Klimageschichtliche Aufklärung“ in Das Goetheanum, 86. Jhg., Nr.38, 21.9.2007. Reichholfs klimageschichtlicher Überblick rückt die Wirkungen von Klimaveränderungen auf die Lebewelt besonders in den Mittelpunkt (Kulturpflanzen, Vögel, Wildtiere), beleuchtet Ereignisse wie Völkerwanderungen, Aussterben von Kulturen, Änderungen der Wirtschafts- und Lebensweise, behandelt aber auch z.B. die Verteilung von Hochwasserereignissen über die Jahrhunderte. Er sieht als Biologe, der die Anpassungsfähigkeiten der Lebewesen kennt, von einer Erwärmung weit weniger Gefahr ausgehen als von menschlichen Eingriffen wie Überdüngung, Jagd, Brandrodung in den Regenwäldern u.a. ‹Maßnahmen›, die durch die derzeitige Klimadiskussion aus dem Bewusstsein verdrängt werden. Aufschluss über die klimabedingten Veränderungen und Extremereignisse unserer mitteleuropäischen Geschichte – Veränderungen der Jahresmitteltemperatur um 2.5° C und der Jahresniederschlagssumme um bis zu 150 mm – gibt auch Rüdiger Glaser (2008, 2.erw.Aufl.): "Klimageschichte Mitteleuropas. 1200 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen", Primus Verl., ISBN 978-3-89678-604-3. Der Autor, der sich seit seinem Studium mit Historischer Klimatologie beschäftigte, bringt auf der Grundlage der Auswertung vieler deutscher Stadtarchive 1200 Jahre Klimageschichte in sehr lebendiger Weise zur Darstellung, bereichert durch historische Abbildungen und zeitgenössische Zitate, manche außerordentliche Wetterlagen werden sogar durch Rekonstruktion der Druckverhältnisse in synoptischen Karten skizziert. Für die Zeitspanne 1500 bis 1750 sogar eine Jahr-für-Jahr-Darstellung! Glaser schließt mit folgendem einprägenswertem Fazit: „Die Ausarbeitungen haben deutlich gemacht, dass Klimakatastrophen in Mitteleuropa ein ständiger Begleiter waren. [..] Viele der markanten Änderungen lassen sich mit der Temperaturentwicklung korrelieren. Als besonders katastrophenreich hat sich der Abschnitt der Kleinen Eiszeit 1550-1850 herausgestellt.“ Für den abschließenden Ausblick auf das 21. Jahrhundert wäre es interessant gewesen, anstelle einer fiktiven Fortschreibung des CO2-Treibhauseffekts, wie sie in den Computersimulationen vorgenommen wird, aufgrund der dokumentierten Trends der letzten Jahrzehnte (vgl. Michaels & Balling) eine realistische Prognose für die zu erwartenden Tendenzen zu entwerfen. Leider ist das Schlusskapitel ein ganz stromlinienförmiges Referat der gängigen computergestützten ‹Prognosen› (zutreffender wäre ‹Szenarien›) für das 21. Jahrhundert, basierend auf dem IPCCBericht von 2007, den Arbeiten von Schönwiese, Grassl und dem EEA-Bericht von 2004 (European Environment Agency, Luxembourg) sowie dem Stern-Report: globale Erwärmung um 1.4-5.6° C, Meeresspiegelanstieg um maximal 88 cm, Zunahme von Extremniederschlägen und gleichzeitig Dürreperioden, starke Gefährdung der Biodiversität, Zunahme von Hitzestress, Ausbreitung von Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 19 von 20 Krankheitsvektoren, Ernteeinbußen und andere negative volkswirtschaftliche Auswirkungen usw.. Verwiesen wird auf den Konsens „der überwältigenden Mehrheit der Befürworter", denen nur wenige "Treibhausklimaleugner" gegenüberstünden. Dennoch: der historische Blick auf die klimatisch bedingten Umweltverhältnisse und Singularitäten und die unlösbar damit verwobene Kulturentwicklung ist an sich schon heilsam für unsere heutige Sichtweise, die meistens auf wenige Jahrzehnte eingeengt ist. Für einen breiten Überblick über Veröffentlichungen zu klimarelevanten Themen, der zudem ständig aktualisiert wird, ist die Internetseite des Privatdozenten Dr. H.Kehl der Technischen Uni Berlin von großem Wert: „Ergänzungen zur Vorlesung TWK an der TU-Berlin“, Institut für Ökologie, Vegetationsökologie tropischer und subtropischer Klimate – Die Debatte um den Klimawandel. Das erste Kapitel findet man unter der Adresse http://www2.tu-berlin.de/~kehl/project/lv-twk/02-intro-3-twk.htm#go111 Autorennotiz: Michael Kalisch (* 30.1.57), Studium der Musik (Alfter/Bonn) und Biologie mit Schwerpunkt Botanik (Tübingen), seit 1993 Veröffentlichungen zum Wesen des Bösen, zur Typologie pflanzlicher Substanzen, zu ‹Salz, Merkur, Sulfur› bei Rudolf Steiner, zur anthroposophischen Medizin u.a. Seit 1997 in Tübingen als Selbständiger tätig mit Forschungsaufträgen und als Wissenschaftsautor für anthroposophische Zeitschriften. Seit 25 Jahren Beschäftigung mit Meteorologie und Klimatologie, seit 2004 schwerpunktmäßig mit dem aktuellen Klimawandel. Adresse: Berliner Ring 53, D-72076 Tübingen. Email: [email protected]. Michael Kalisch: Themenheft KLIMAWANDEL »Gegenwart« 2-2009 Seite 20 von 20